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Full text of "Geographisches Lexikon der Schweiz"

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Geogra phisch es 
I Lexikon der Schweiz I 

Charles Knapp, Maurice Borel, Victor Attinger, 
Heinrich Brunner, Societe neuchäteloise de ... 



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SCHWEIZ : INHALTSVERZEICHNIS 



Bd Seite 

Allgemeine Betrachtungen. 

Name, Lage, Gm«-o und Gestalt, Fluche, Höhenvethaltnisae. 
Grenipo. geschichtliche Entwicklung der Grenzen, Neu- 
tnlltM Savoyens und zollfreie Zooon, Einzelbeschreihung 
der Gkdmo IV 020 

Tnyonomelrisch* I^tsndenermessung. Allgemei nc - , Anlage 
dm Trian?ulatk>naneltes. MessuiW der Winkel. Messung 
<irr Grundlinie! und deren AnschlusB an da» Netz. Bo- 
rechnuag der Fix punkte Projektion, Hohen und Höhen- 
..i««vmg. Geschichtliches IV 639 

Cks. Kickte der sehtet zerisehen Kartographie. Karten, Pa- 
noramen. Hellet«, Tiefeololungoti IV 613 

. Bodengestalt. 

JMHMl Gehieie und allgemeiner lyandschaflseharakter. 

Iis«, MilteHaud, Jur» IV «»9 

lu. geologischen Formalionen (Stratigraphie). Allgemeine«, 

Al:»«. M.llclland, Jur« . . . . IV <55l 

Ukt)«ik- Allgemeines. Alpen, Mitlelland, Jura IV 000 

(r^'iraphie. Alpen. .Mittelland, Jura IV 673 

Hrlroyraphie (juollon, Flosse, Seen, Gletscher, Lawinen. IV 679 

f> ti .o-jrographie (Ge-ogenieJ IV G!>1 

f nierVn (Setsmologir) IV «07 

GearAicAte der Geologie da- Schreit IV "7Ü0 

1 Klimatische Verhältnisse. 

VrUon .ovi-ch.- Be.d.achtungen. Luftdruck. Niederschlage, 
^tnperatur. Luftfeuchtigkeit, Bewölkung. Windvorhalt- 
D4M IV 706 

f. Flor». 

Obersirht, Wildungen, Forstgesetzgebung, klimatische 
Hell» di-« Walde». Waldbaume und ihre Verbreitung, 
•u,».ile Flora, l'rtanzenroste der Pfahlbauten und Torf- 

t.HOTt IV 71 1 

Fauna 

l!»Qti|f» Tierwelt. Ja fe 'd. Fischerei und Fischzucht. fo««ilo 
Kiuua . . IV 7*1 

T Bevölkerung 

AntAnifiologie. Schädel. Gesicht. Körpergrösse, beschrei- 
tende Nachweise, Hassenverhnttnisse, prähistorischer 
Meatcb, historische Zeit und Gegenwart, Herkunft der 
Bearohner IV 763 

ti3»Jniie'r/ahl nach nllerti SchitUuugeo und den eidgenös- 
< sehen Vulsszahlururco V I 

KeiMkeruog der Schweiz im Jahr HHIO: Vergleichende Zu- 
sammenstellungen 1*ÖHHKI0, Verschiebung im Innern, 
Volk«dict»le>. Verteilung nach dem Oescblechl, Alter»ver- 
btttaisse, Heimat, Einbürgerung, Konfession, Multer- 
»|'-ache V 4 

fVtr/unc der Bevölkerung durch Khe. Geburt, Tod ... V SU 

Autsrand ruug und SU-hweizer im Ausland V 32 

i'oHskui%de. 

V Ik.kuude im «nircrn Sinne: Sitten, Brauche, Feste und 

Wie, Volksdichtung. Bibliographie V 03 

Wohaoag. Ilaustv|ien V ts 

Vi. i. (ruhten V 52 

S'i'Vn und Mondarten. Allgemeine» V 68 

Ii'uUch : SpracBif reoas» und deren geschichtliche Entwick- 
lung. Gebrauch des Deutschen im Inneru, Muurlart und 
-•-arnlspracho, Charakter und Gliederung der Mundart, 

bhliographl. V 58 

Fr»:n?«i»ch : Statistische Angaben, Sprachgrenze. EinfQh- 
nag de« Französischen als ufrizielle Sprache. Geschichte 
uu1 i'.bz'* . terzOge di>r Mundarten, mundartliche l.il«. 

rstnr. Hibli"gra|> io V 76 

luheaisch: Einleitende». Grundlagen der italienischen Dia- 

«.'• I' • »t« edcrutiK un I liier il ir, rt b iogl ipbl« . v M 
it*«. romamaeh : S'aMslik. Sprachgrenzen. Geebiehtc und 
y Stellung der Dialekt.', Spraebprobeu. Literatur, Biblio- 

rraphie V 90 

'f Kultur Schulwesen, Bibliotheken un<l Museen, bil- 
l'-n*» Künste. Musik. Presse und Buebharnlel, Literatur, 
ih». logie. He. •hl«wi««eu»CDaft, Naturwissenschaften . . V Ol 

Kwfeuionen. Einleitung • . . V 103 

Pr..!*»tanti«ch« Kirche. Landeskirchen. niasporagememden, 
Ire» Kirchen. Sekten. Statistik, religiöse Ge«ellschaflen, 

ftbiiograpbi« V 101 

ksi.Vihsche Kirche : Allgemeine«, geschichtliche Kntwick- 
s .• -ind heutiger l e-i.u •., B. tum BaMl-Lagaao, Ii.. tum 
aar, K.stuin I.aueanne-Geuf, Bistum Luifano, Bistum 
St. fallen Hi.lum Silten, Abt«n Saint Maurice .... V 10S 

ä<i,«i«cB-t.rthoduxe Kirche V ISO 

'.sr..tkalh..li»eh« >atl»n»lklrcho V 1*1 

:'»j.l.li-.her KuHu» . V lö 

WirtAfnaftiirh* ru*Utnd$f SottmipöUUk V 12i 

V^.nlun.j de, {h-u»,leigentu>nt {Allmenden etc.) .... VI« 

• 



Bd Seite 

VII. Staat und Verwaltung. 

Poliiisehe Organisation <<«.i Bundes Verfassung, juriatisebo 
Natur. Kompetenzen, Beziehungen zu den Kantonen, Or- 
ganisation der Behörden, Berugnisse, Gesetzgebung, eidg. 
Verwaltung, Hechtspflege, Revlaiou der Bundesverfas- 
»ung, völkerrechtliche Stellung der Schweiz V ISS 

Ell)U«NöSSI«eilK l)KI'v»;TKMBNTIi. 

Politisches Departement : Ge*chnft»krois, diplomatische 

Vortretung. Aii«w;iiiil«ruogswOMO V 135 

Departement des Innern : Geschäft »kr«i«, Staal«arohiv, 
/.entr.ilbihlioihek. Schulsubvenlion, Ma«s und Gewicht, 
subventionierte Gesellschaften und Vereine, Hebung der 
Kunst und Krhnltuug vatorl:indischer Altertümer iLandee- 
rauseumi. P dv loehnikui.i, Gesundheitsamt. atati>ti«chea 
Bureau, ineteo'roiog.aeho Zentralanstalt. Landesbibliothek, 
Lehrerasvl, Ob-trbaulnspektorat, Direktiun der «idg. 
Bauten, Öb^rforstinspektoral V HO 

Justiz- und Polizeidepiirlement : Ju«li'ableilung, P< zei- 
abteilunic Bundcsanwaltschaft, V«r«icherung«amt, Amt 
fftr ir-isli/o« Kigeniurn V 155 

Milildnleparlement : Bisherige Wehrvorfassungon, M dar- 
behörden. Bekrutieruog, Ausrüstung. Bewaffnun and 
t*nt-rricht, Verwaltung des Bundesheero« und Militnr- 
anstalt»n, Territorial-, Etappen- und Eisenbahndienst, 
Festung«wer*e. HeiTesorgauisation V K 

Fiifim- und Z'dldepartement : Finanzwesen (Geschicht- 
liches, Geichiiftskrei« und Organlsalmn. Voranschlag und 
Staalsrccnnung. Buiidestlnanien und .leren Kontrollie- 

runir. MQnzwesen) V 165 

Zollwes-u V IM 

Alkobolverwaltunir V 195 

Hamlets-, Industrie- und Isin txcielschoflsteparlement : All- 
gemeines und Gescniehtliche» V 190 

nandelsabieilung V läOXt 

AMoilung tUt Industrie Vi»):. 

Abteilung ftr Latadwlrtacbafl V a>> 

Post- und Eisenhahndepartement : Aufgaben V M/7 

EisenbahiKit.te.hing iGescnieht» der eidg. Eiseubabnp<ili- 
lik, s. liwei/erischo Eisenbahnen im Allgemeinen, Knl- 
wickluinr iles Eisenbahnnetzes seit 1005, Spo/ialfragen, 
Organisation dor Abteilung fnr Eisenbahnwesen, 
■chweizorischc Bundesliahnen) V «OS 

Postwoseu V «3 

Telegraph V 23t 

Telephon V 237 

BauebUjpgcn zu den Starkstroniunternehmungen .... V 213 

VIII. Verkehrswege. 

Allgem-ino Betrachtungen, Strassen und Eisenbahnen, 
Schiffahrt, Post, Telegraph u.nl Telephon V 211 

IX. lad Wirtschaft. 

Natürliche Kaktoren, pflanzliche Produktion. Viehhaltung, 
Mllchprodukti .il, Ho ienverbesseruog, staatliche Fürsorge 
und Ge-e-z/ehung V « 

X. Industrie. 

Allgemein« lobersitht (Geschichtliches, Industriegebiete, 

l'mf.mg und soziale Bedeutung) V 262 

Mioeralproilukle: Steine. Erde i und Erze Mineralien, Berg- 
bau und Sleinbru.-hbetrieb. Metallerzo. Biumatsnallen 
und Rohstntfe des Bau/r,« erbes. Bibliographie! .... V 267 

Mineral- und Thermalquellen (Allgemeine Betrachtungen, 
Mineralquellen und deren Verwendung Gasquellen, 
unterirdische Wasser frfiheror Erdepocheni V 290 

Fremdenverkehr und Hotelwesen V 29S 

Waakorin-Iuslneu (chemische Industrien. Wasser als moto- 
rische Triebkraft, elektrische Industrien) V 303 



Allgemeine I obersieht, Import und Export . V 30T. 

Bankwesen V J09 

Sparkassen V 313 

Versicherungswesen • . V 314 

Geschichte. 

Urgesehirhl liehe Perioden. Einleitung, Steinzeit. Bronze- 

Periode, Eisenzeit V 316 

FriihQr.ichiehtliehe Perioden. .Wieste geschichtlich« Nach- 
richten, römische Periode, alemanniscb-burgundisch- 

fninkische Periode V 327 

Gesehiehte seit K'irl dem Grossen. 

Anfange V 331 

Heroisches Zelttller V 3IX 

Zeitalter der Belormation V 37H 

17. und 18. Jahrhundert V 3!« 

Revolutionizeit V 391 

Erweck ung und Sturkung de« Natlonalgefables . , ' „ V 403 

188 - - Geogr Lex. Band IV. - 4S 



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1 



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GEOGRAPHISCHES LEXIKON 



DER 



SCHWEIZ 



* 



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NEUENBÜRG — BICH DR UCK ER KI GEBRÜDER ATTINGER 



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GEOGRAPHISCHES LEXIKON 



DER SCHWEIZ 

VIT DKM BEISTANDS DKR 

GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT ZU NEUENHUliG 

IIBlUirSCEGKUE.N UNTER DER LEITUNG VON 



Cll ARLES KNAPP 

rnoncssoR an der Akademie in Neuenbürg 



MALI RICE ROREL 

KARTOGRAPH 



V. ATT1 NC ER 

VERLEGER 

IN VERBINDUNG MIT FACHMÄNNERN AUS ALLEN KANTONEN 

MIT ZAHLREICHEN 

KARTEN, PLENEN UND ANSICHTEN IN UND AI SS EU DEM TEXT 



DEUTSCHE AUSGABE 

BESORGT VON 

HEINRICH BRUNNER 



FÜNFTER BAND 



SCHWEIZ - TAVETSCH 



NEUENBURG 

VERLAG VON GEBRÜDER ATTINGER 

1908 

Alle Rechte vorliohallen. 

SV- ■ ' 

* . 

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rHE NEW YORK! 
PUBLIC LIBRARY 

LENOX AN» I 

W 1»0ö | I 



der Artikel und Abkürzungen. 



an Gebrauch des Lexikons zu erleichtern, lassen wir zugleich mit dem von der Leitung 
aufstellen Verzeichnis der angewandten Abkürzungen einige allgemeine Angaben über Plan und 
Anlage des Werkes folgen. 

Die Reihenfolge der einzelnen Artikel ist eine streng alphabetische. In Namen wie Estavaytr le 
Lac, Estavaytr le Gibloux, Vuisternens en Ogoz entscheidet für die Einreihung einzig der massgebende 
Bestandteil des Namens. 

In Namen, die aus einem Adverbium und einem Substantivnm bestehen, zeigt der Anfangs- 
buchstabe des letztern den Platz des Artikels an ; so werden Ober Aegeri. Unter Aegeri der Heide 
nach unter A aufgeführt. — Zusammensetzungen mit Sankt, Saint, Santo stehen unter S. 

Ortsnamen, die aus einem Appellativum und einem Eigennamen zusammengesetzt sind, erhal- 
ten in der Regel ihren Platz nach dem ersten Buchstaben dos letztern ; so findet sich Monte Rosa unter R. 

Die Artikel über physische Geographie, die Beschreibungen der Kantone, Kreise u. s. w. gehen 
denjenigen über die gleichnamigen Städte. Dörfer u. s. w. voran. 

Wiederholen sich die nämlichen Ortsnamen in mehreren Kantonen, Bezirken u. s. \v., so folgen 
sie in der alphabetischen Reihenfolge der Kantone, Bezirke u. s. w. aufeinander ; so geht Corcelles(Bi-rn> 
dem neuenburgischen (lorcelles voran. 

Wir behalten uns vor, in den kurzen Artikeln oder nach den Bedürfnissen des Druckes folgende 
Abkürzungen anzuwenden : 

hoch 
Hektare 
Hektoliter 
katholisch 
Kilogramm 
Kilometer 
Ouadratkilometer 
Kreis 
Kanton 



Amtsbez. Amtsbezirk 



Des. 
Dir. 
Distr. 
Ew. 
Fabr. 
dem. 
Ges. 
gl. X 
{fr. 



Bezirk 

Direktor, Direktion 
Distrikt 
Einwohner 
Fabrik 
Gemeinde 
Gesellschaft 
gleichen Namens 
gross 



h. 
ha 
hl 

kathol. 

*9 
km 
Am' 
Kr. 
Kt. 
m 



X, 
O.. ö. 
Ob. 

reform. 

S.. s. 
... d. M. 



Meter 



Norden, nördlich 
Osten, östlich 
Ober 

reformiert 
Süden, südlich 
über dem Meer 
Veno.- bes. Verwaltungsbezirk 
W., «j. Westen, westlich 
ius. zusammen 
zwischen 



Erklärungen zu den in nnd ausser dem Teil des Leilkons yorkommenden Karten, 



.4-+-»-4-+-t-*. Landesgrenze 

— Kantonsgrenze 

Bezirksgrenze 

............ Kreisgrenze 

Gemeinctegrenze 

Slj^rrL- Eisenbahn 

■ * Schmalspurbahn 
— Strassenbahn 

■ -L- Hauptstrasse 

Strasse 

Weg. Fussweg 

Flussgebietsgrenze 

KANTONSHAUPTORT 
Gemeinde 

KleinererOrt 
Kerschied.Namen 

' • Be^irkshauptort 



StsJt» Weiler 



© 
O 



0 



von mehr als 5000 'fax 
~ 2500 - 5000 ~ 
» 1000 ~ 2500 f 

- 500 - 1000 » 

- wenigerals 500 » 
Hotel 

Schloss 
Befestigung 

Ruine 

Denkmal 

Kirche 

Fabrik 

Schlachtfeld 

Bad 

Bergwerk, Steinbruch 
Trigonometr.Funkt 



Kceishauptorl. 



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Kantonale und regionale Mitarbeiter 



am 

Geographischen Lexikon der Schweiz. 



Prof. Dr. A. Aeppli, Dr. Em. Andre, 

Prof. Dr. A. Bachmann, Konservator E. Baechler, Pfarrer Baechtold, Pfarrer Baehler, 

Direktor Baumgartner f , Dr. Max van Berchem, Pfarrer Blaettler, F. Bichsei, Dr. R. 

Billwiller jun., Dr. E. Blumer, Sekretär E. Bonjour, Sekretär Bonzon, Prof. Dr. L. 

Brandstetter, Dr. Bretscher, Redaktor Heinrich Brunner, Dr. Buomberger, Prof. 

Dr. VV. Burckhardt, 
Archivar Ür. Karl Camenisch, Prof. Chuard, Adjunkt E. Comte, L. Courthion, 
Pfarrer A. Daucourt, Pfarrer De la Harpe, Bibliothekar Diacon f , Max von Diesbach, Dr. 

Osk. Dill, Sekretär Dinichert, Direktion der eidgenöss. Bauten, Dr. Emil Dunant f, 
Prof. G. ab Egg, Prof. A. Elzingre, A. Erni, Dr. Etlin, 

Dr. Fischer-Siegwart, Dr. Heinr. Flach, C. Fontaine -{-, Prof. Dr. F.A.Forel, Dr. L. Freivogel, 
Prof. Dr. L. Gauchat, Dr. Tr. Geering, Fritz Gerber, Prof. Gerster, Prof. Dr. de Girard, 

Prof. Paul Godet, Kantons-Ingenieur Gremaud, 
Dr. Jak. Heierli, Frau Julie Heierli, Prof. Dr. Alb. Heim, Dr. Arn. Heim, Prof. Dr. Hess, 

Prof. Dr. Heuscher, Prof. Heyer, Prof. Dr. F. Hoflmann-Krayer, 
Dr. Ed. Imhof, 

Prof. Henri Jaccard, Prof. Dr. Paul Jaccard, Ingenieur-Topograph Jacot Guillarmod, 

H. Jacottet f , Prof. Dr. Jecklin, 
Lehrer Meinrad Kaelin, Sekundarieh rer C. Klopfenslein, Kantonsstatistiker C. Kollbrun- 

ner, Vikar A. Küchler f, Pfarrer A. KQry, L. Kurz, 
E. Lehner, Dr. Leulhardt, A. Liardet, Prof. Dr. M. Lugeon, 

Dr. Mangold, Prof. Mariani, Chorherr Prof. G. Mayer, Archivar S. Meisser, Prof. Muoth f , 

Prof. M. Musy, alt Stadtpräsident B. van Muyden, 
Kantonsarchäolog A. Naef, Kantonsstatistiker E. Naef, 
Oberlehrer J. Oberholzer, 

Prof. Alex. Perrochet, Dr. Eug. Pittard, Prof. L. Poirier-Delay, 

Regierungsrat Rebmann, Elisee Reclus •}•, Prof. Dr. E. Renevier ^, Prof. Aug. Reymond, 
Direktionssekrelär Ribi, Stiinderal Arnold Robert, Dr. Louis Rollier, Staatsrat W. 
Rosier, Prof. Dr. Virgile Rossel, 

Prof. Salvioni, Prof. Dr. H. Schardt, Prof. Dr. Alex. Schenk, Prof. Dr. C. Schröter, Eid- 
genöss. Statistisches Bureau, Dr. G. Streun f , 

Prof. Dr. Chr. Tarnuzzer, Prof. Dr. M. de Tribolet, Prof. Fritz Tnpet f , 

Sekretär Vodoz, 

Alt Pfarrer Wälli, Dr. Herrn. Walser, Pfarrer Maurus Waser, Prof. F. 0. Wolff, Gross- 

rabbiner WolfT f , Landammann Dr. Wyrsch, Prof. Dr. Bernh. Wyss, 
Prof. Dr. Em. Yung, 

Dr. R. Zeller, Prof. Dr. J. Zemp, Dr. Eberhard Graf Zeppelin f, Prof. Zohrist, Sekundar- 
lehrer Zollinger, Direktor Dr. Edwin Zollinger, H. Zoss, Prof. Dr. Ernst Zschokke, etc. 



VERZEICHNIS DER TAFELN 



i. 

2. 

3. 

4. 

5. 

7. 
8. 
9. 
10. 



11. 

12. 

13. 



Seite 

Bevölkerungsdichte der Schweiz 5 
Jährliche Zu- und Abnahme der ■ 

Bevölkerung 1850-1900. . . . I i)( 
Gesamte Zu- und Abnahme der i 

Bevölkerung 1850-1900 .... 
Sprachenkarte der Schweiz . . . 65 
Konfessionskarte der Schweiz . . 105 
Die katholische Schweiz .... 109 
Verteilung der aktiven Truppen , 

(Auszug) I m 

Verteiluug der aktiven Truppen ^ 

(Landwehr) , 

Historische Entwicklung der Eiseu- 
bahnen 209 

Geographische Verteilung der Tex- 

til- und Uhrenindustrie. . . . 205 
Bergwerke und Steinbrüche der 

Schweiz 273 

Kraflzentraleu der schweizerischen 

Elektrizitätswerke 305 

Die Schweiz zur Steinzeit. . . . ) 
Die Schweiz zur Bronzezeit . . . \ 
Die Schweiz zur römischen Zeit . 329 
Die Schweiz zur Eisenzeit .... 
Die Schweiz zur alemannisch- . 333 

burgundischen Zeit y 



14. 

15 
10 

17 

18 

19. 

20. 
21. 
22. 

23. 



Die Schweiz im Jahr 1032 (König- 
i reich Burgund und Herzogtum j 

Alemannien) :j37 

/ Die Schweiz im Jahr 1218 (beim \ 
Aussterben der Zäringer) . . . 
Die Schweiz im Jahr 1315 . . . 353 
s Die Vlll Orte 1351-1412 . . . . / 
I Die Xlll ürle 1422-1797 ... \ '** 
» Helvetische Republik 1798-1802 . . , 
• Eidgenossenschaft der 19 Kantone j 397 

' 1803-1815 * 

Schweiz: Inhaltsverzeichnis. . . 427 
Politische und industrielle Karte 

des Kantons Schwyz ... 437 
Landwirtschaftliche Karte des Kan- 
tons Schwyz 441 

Politische Karte des Kantons Solo- 

thurn 605 

Landwirtschaftliche und Bodenbe 
nutzungskarte des Kantons Solo- 

thurn 009 

Industriekalte des Kantons Solo- 

Ihurn 611 

Historischer Plan der Stadt Solo- 
thurn 621 



X0T1Z FÜR DEN BUCHBINDER 

Der fünfte Band des Geographischen Lexikons umfasHt 4H Bogen Text. t>4 Tafeln ausser Text, weh'he 
nach obiger Tabelle einzureihen sind, und VIII Titel- und Vorwortseiten. 



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ERRATUM ZUM FÜNFTEN BAND 

DES 

GEOGRAPHISCHEN LEXIKONS DER SCHWEIZ 

(LIEFERUNGEN 180-236) 



SCHWIIZ. S. 2. Tableau Bevölkerung, lies 1000 an- 
tun 1W>4 

S. 38. Sp. 1, Z. 30 v. o., streiche: und im Neuenbur- 
ger Bergland. 

S. 88, Sp. 1, Z. 38 v. o., lies: von Locarno und Rellin- 
zona aufwärts. — Z. 44 v. o., lies : wie im lombardischen 
und im italienischen. — Sp. 2. Z. 1 v. u.. lies: la fada 
fora anstatt l'o fada (öra. 

S. 292. Sp. 1. Z. 10. v. o., lies: H8,HH8 % anstatt 
9,99999%. — Z. 16 v. o., lies //,* // °/p anstatt 0,11111 •/,. 
— Z. 13 v. u . lies Natrium anstatt Kalium. 

S. 294, Sp. I, Z. 40 v. o.. lies 1500 anstatt 15 000. - 
Sp. 2. Z. 2*2 v. u., lies 4,8887 anstatt 4,888. 

S. 295, Sp. 2, Z. 36 v. o., lies Eisensulfat anstatt erdige 
Sulfate. 



•■LENTK. Lies SKLKUTC. 

SOYHIERES. Z. 35, streiche: Riedes Dessous. 

STEIN oder OB KR STEIN Z. 6, streiche: Fremden- 
verkehr und flotelwesen. — Füge hinzu : Säge und 
Schreinerei. Geflügelzucht. 

STEIN am Rhein. S. 688, Sp. 1. Z. 20 v. u., lies 1007 
anstatt 1907. - Sp. 2. Z. 4 v. o., lies Gerechtsame anstatt 
Gerichtsame. 

STOCKBERQ (GROSSER und KLEINER) Lies 
tlVjlausläufer anstatt Ostausläufer. 
8Ü8. S. 722. Hierher die Abbildung von Seite 728. 



Karte ausser Text Nummer 16, lies 1351 anstatt 1331. 



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GEOGRAPHISCHES LEXIKON HER SCHWEIZ 



S 

(fortsktzi-m;) 



sr.nw 



scnw 



Ii. DEMOGRAPHIE. In eidgenössischer Hinsicht ixt 
die Demographie bei uns eine ganz neue Wissenschaft. 
Zwar hat man in unserem Lande schon seit sehr langer 
Zeit statistische Erhebungen gemacht — lokale Beispiele 
linden sich seit dem 15. Jahrhundert — doch sind die in 
einigen Städten oder Kantonen unternommenen Versuche 
von Volkszählungen etc. infolge der politischen Verhält- 
nis*« und der vollständigen Dezentralisation der Ver- 
waltung vereinzelt geblieben. Dazu kommt, dass die 
Grundlagen dieser Erhebungen je nach dem Kanton ver- 
schiedene sind, sodass die erzielten Ergebnisse keines- 
wegs untereinander verglichen werden können. 

Lnser Artikel gibt der Reihe nach eine l'ebersicht über 
die eidgenossischen Volkszählungen mit Vergleichung 
ihrer Ergebnisse, die heutige Verteilung der Bevölkerung 
in unserem Land, die Volksdichte und die Gliederung der 
Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Heimat. Konfession 
und Sprache, sowie ober die verschiedenen Faktoren, 
unter deren Kinfluss die Bevölkerung ständigen Schwan- 
kungen unterliegt : Eheschliessungen und Ehescheidun- 
gen, Geburten, Todesfälle. Auswanderung. Der letztge- 
nannte Punkt wird uns auch zu einer Betrachtung der 
Verteilung der Schweizer im Ausland führen. 

I. Einwohnerzahl nach Altern s<;tuT7.tN<;EN i xd den 
EiiM.KNüssisoiiKN ZAHi i noen. Die älteste Urkunde, die 
uns ul>er die Einwohnerzahl von llelvetien Auskunft gibt, 
ist eine Stelle in Caesars <'.tmtnu utarie>i. Der Verfasser 
berichtet uns von einer allgemeinen Zählung, die eine 
Volkszahl von .136 000 Seelen in 12 Städten und 400 Dor- 
fern ergeben habe. Nachdem die ausgezogenen lleftetier 
bei Bibracte (Autun) vernichtet worden waren, kehrten 
die I überlebenden in ihr Land zurück : forum ,/ui 
rt<miut,t teilifrunt, censu habilu. ut (Iwaarini/teraveral. 
reperliu est ntnuertis milltum centtim et deeem. 

Unser Land ist auch wahrend der Zeiten der gross ten 
Blüte nie sehr volkreich gewesen. So weiss mau z. B., 
dass die Volkszahl im 15. Jahrhundert keine volle Million 
betrug. Die später folgenden Kriege hatten eine rasche 
Entvölkerung zur Folge. So ging z. B. die Einwohnerzahl 
des Kantons Zurich im Zeitraum 1610-1634 infolge der 
Wirkungen des 30iährigen Krieges und der Pest von 
144 0U0 auf 86 000, d. h. in einem Vierteljahrhundert um 
ganze «/.zurück. Später suchten Hungersnöte und Epi- 
demien das Volk heim und hatten enorme Schwankungen 
in der Zahl der Bewohner zur Folge. Seit dem 19. Jahr- 
hundert vollziehen sich dann die Aenderungen weniger 
schroff und zeigen sich weniger allgemeine und weniger 
scharf ausgeprägte Klickgänge. 

Joh. Konrad Faesi schätzt 1767 die Gesamlbevölkerung 
der Schweiz auf 1 847 500 Seelen, die er auf die einzelnen 
Landesgegenden wie folgt verteilt: 13 alte Orte 961000, 
Untertanenländer 345500, Bundesgenossen 541 0Ü0. Diese 
Zahlen waren übrigenszum grossen Teil blosse Annahmen 
and beruhten noch auf keiner sichern Grundlage. Aus 
dem Jahr 1795 besitzen wir zwei Schätzungen, die von 
Durand mit 1 855 000 Ew. und diejenige des Conservateur 
Suute mit 1 842827. Da letztere von Picot in seinem 



Buch über die Statistik unseres Landes als die genauere 
angesprochen wird, wollen wir sie an dieser Stelle in 
ihren Einzelheiten wiedergeben: 

1. Orte (Kantone). 

Zürich 

Bern 

Luzern 

Uri 

Schwyz 

Unterwaiden * . . 

Glarus (mit Werdenberg) 

Zujjf 

Frei bürg 

Solothurn 



Schaffhausen 

Appenzell * 

2. Untertanenlunder. 

Thurgau 

Itlieintfi.il 

Grafschaft Sargans 

I^ndschaft Gaster und Uznach 

Grafschaft Baden 

Freiamt 

Rapperswil 

Gemeinsame Vogteien von Bern und Freiburg 

Bellinzona, Biviera, Bleniothal 

Lugano 

Locarno 

Maggialhal 

Mendrisio 

3. Bundesgenossen. 

Abtei St. Gallen 

Stadt St. Gallen 

Biel 

Wallis 

Graubünden (mit Unlertanenlandernj . . . 

Gersau 

Neuenbürg und Valangin , 

Mülhausen 

Abtei Engelberg 

Fürslbistum Basel (schweizer. Teil) .... 



Ew. 
181 393 
3116 554 
{»000 
2S00O 

30000 
18000 
22 280 
14000 
72800 
46 000 
39 000 
30000 
52 000 
"TÖ27RST 

72355 
11 600 
t2 300 
12 000 
•1-1 '."OO 
19 245 
5000 
40601) 
33200 
42000 
30 000 
24000 
16000 
3435O0 



92 000 
9000 
5 500 
90 000 
210 000 
1650 
44 500 
7 650 
1 400 
17600 
Wim 
Gosamltotal 1 X42 827. 
Diese Zusammenstellung erscheint für die Orte als 
ziemlich genau, ist aber mit Bezug auf die Untertanen, 
namentlich die italienischen Vogteien, übertrieben. 

Unter der alten Eidgenossenschaft fand niemals eine 
das ganze Gebiet umfassende allgemeine Volkszählung 
statt, indem man sich zur Bestimmung der zu stellenden 
Truppenkontingente mit annähernden Schätzungen be- 
gnügte. Die erste allgemeine Volkszählung war das Werk 
mlen der helvetischen Republik und verdient 

189 - geogr. lex. V - 1 



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SCIIVV 



SCI1W 



dies« Bezeichnung eigentlich nur unter Vorbehalten, da 
man sich mit einer Zai lung auf Im und der Pfarr- und 
Gerneindercgiister begnügte. Diese Ermittlung von 1798 
halte als Zweck, eine neue territoriale Einteilung des 
Landes zu ermöglichen. Die Gesamtresultate der einzel- 
nen damaligen Kantone verdienen, hier 
stellt zu werden : 

Einwohnerzahl der HelvetUchen Republik. 



Kantone 


Ew. 


Kantone 


Ew. 


Aargau . . 


15054» 


Luzern . . . 


86 722 


Maden . . . 


44 1W2 


Uberland . . 


44 544 


Hasel . . . 


40 900 


Säntis . . 


133128 


Belhnzona 


. 26 501 


Schaffhausen 


25 751 


Hern . . . 


. 184 695 


Solulhurn 


45 244 


Frei bürg . . 


73 664 


Thurgau . . 


81 076 


Leina n , . 


. 13 891 


Wahl statten 


60 336 


Linlh . . . 


78 136 


Wallis . . 


57 278 


Lugano . . 


. «3588 


Zürich . . 


192 884 




Total 1436959. 

Die erste wirkliche Volkszählung über das gesamte 



revidiert werden sollte. Da diese Zahlung oder 
»o Kummarisch sie auch war. die erste ist. die ... 
der heutigen Grenzen der Schweiz ausgeführt 
verdienen ihre Resultate, an dieser Stelle - 
beigerügt zu werden : 

Ente eidgenöttitche Schätzung der Volkszahl (1 Sil). 

Kantone 

Zürich . . 
Hern 

Luzern . . 

Lri . . . 

Schwyz . . 
t'nterwalden 

Glarus . . . 

Zug . . . 

Freiburg . . 
Solothurn 

Basel . . . 



Ew. 


Kantone 


Ew. 


185000 


SchalThausen 


23300 


201200 


Appenzell 


48600 


x»; :<*) 


St. Gallen . 


131500 


11800 


Graubünden 


80(100 


30 100 


Aargau . . 


120500 


10100 


Thurgau . . 


76 000 


24100 


Tessin . . 


00 200 


12 500 


Waadt . . 


148 200 




Wallis . . . 


64 000 


45 200 


Neuen bürg . 


48000 


45000 


Genf . . . 


44 000 


Total 1687900 Ew. 





Picot erwähnt bei diesem 



dass mehrere Gelehrte 




MiAva/den 
AppJrRh. 
OlmaMen. 
UN 
Zug 
Chrus 

AppARh. 
Schiwz . . 
foscf-Land. 
Solothurn . . . 
Cnaubürrden 

Thurgau Wffi$ jjk 

Wallis 
Sasel- 
Freibung 
Aleuenoung. . 



Die Bevölkerung d?r echweizeriacben Kantune tSJm und ÜÜOO. 
(Kör ZOrich und Bern ist der Masaetab ein anderer ala für die 0brig<n Kantone.) 



Gebiet der Eidgenossenschaft wurde von der in Zürich 
am tl. April 1814 zusammengetretenen sog. « langen Tag- 
satzung ». die dem Land eine neue Verfassung geben 
sollte, angeordnet. Die mit der Revision derVerfassungs- 
artikel betr. die von den einzelnen Buudesgliedem 
zu liefernden Mannschaftskoutingente und zu leistenden 
Geldbeiträge betraute Kommission verlangte als Grund- 
lage für ihre Arbeit eine nach einheitlichen Grundsätzen 
durchgeführte Volkszählung. Angesichts der schwanken- 
den damaligen politischen Verhältnisse verzichtete die 
Tagsatzung jedoch am 3. Juli 1816 auf die Verwirklichung 
ihres Beschlusses und begnügtesich damit, für diejenigen 
Kantone, die durch den Wiener Vertrag einen Gebiets- 
zuwachs erfahren hatten, eine neue Sehätzung zu ver- 
langen. Das Kontingent wurde auf zwei Mann für je 
hundert Einwohner festgesetzt , wobei man noch stipu- 
lierte, dass die Stufenleiter der Kontingente alle 20 Jahre 



diese von der Tagsatzung anerkannte Schätzung als zu 
niedrig ansehen und dass man ihr noch an die 200 000 
Kopfe zufügen müsste. um ein richtiges Bild von der 
damaligen Einwohnerzahl der Schweiz zu erhalten. In 
der Tal handelte es sich damals fürdie einzelnen Kantone 
darum, behufs proportionaler Verminderung der zu stel- 
lenden Kontingente und zu liefernden Geldbellrüge sich 
ärmer an Volkszahl zu erklären, als sie wirklich waren. 

Den Bestimmungen des Bundesvertragea gemäss for- 
derte das eidgenössische Direktorium 20 Jahre später, 
am 4. Novemlker IH35, die Kantone auf, ihre Einwohner- 
zahl anzugeben. Die hierfür angesetzte Frist lief bis zu 
Ende März IH36 ab, doch antworteten innerhalb de 



blos lOKantoneund SHalbkantone aufdas gestellte Begeh 
ren. sodass man die Kantone unter r est legung der bei dei 



betr. Erhebungen zu befolgenden Grundsätze 
um die Erfüllung ihrer Pflicht ersuchen musste. Dabei 



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SCIIW 



SCIIVV 



war zum erstenmal von Fragen die Rede, die eine Ein- 
teilung der Bewohner nach Geschlecht und Heimat ge- 
statten sollten. Dadurch erscheint diese neue Bestim- 
mung der Einwohneriahl als die erste eigentliche Volks- 
zahlung in der Schweiz, die nicht mehr blos auf den 



Angaben der pfarramtlichen Register fusste. Als Fehler 
haftet ihr alter die ungleichzeitige Durchführung an. die 



den Kantonen um ganze zwei Jahre schwankt, 
lein stand der Zentralgewalt keinerlei Konlrole 
über die Ergebnisse zu, indem sie »ich auf eine blosse 
Nachprüfung der arithmetischen Richtigkeit der Zahlen- 
angaben beschränken musste. ohne über zweifelhafte 
Punkte Auskunft verlangen zu können. So wurde z. B. 
namenll ch die Frage nach der Anzahl der ausserhalb der 
(Gemeinden niedergelassenen Ortsbürger nicht durchwegs 
genau beantwortet. 

Trotz alledem war diese Zahlung aber doch ein 
bedeutender Fortschritt. Folgendes sind ihre Ergeb- 
nisse: 



schon 1837 verlangten Angabe des Geschlechtes und der 
Heimat auch noch die Bestimmung de« Alters, des Zivil- 
standes (verheiratet, ledig etc.), der Konfession, des Be- 
rufes, des Geburtsortes und der Eigenschaft als Grund- 
besitzer forderte. Charakteristisch für jene Zeit ist die 
Einrichtung von speziellen Kolonnen für «Heimatlose* 
und für « politische Flüchtlinge ». Ferner sei der Beifügung 
eines Formulare* zur rrmitllung der ausgewanderten 
Schweizer, sowie ihrer Existenzbedingungen etc. gedacht. 
Diese Volkszählung stellt trotz einiger Inklarheiten in 
den Instruktionen doch einen bemerkenswerten Fort- 
schritt dar. indem die ermittelten Angaben infolge der 
Möglichkeit einer Kontrole vollständiger nnd exakter 
sind als in frühem Zeiten. Immerhin gelang die von 
Franscini gewünschte Nutzbarmachung der Daten über 
Alter und BeruT nur in beschränktem Masse, da eine 
Zentralstelle zur Bearbeitung der Ergebnisse damals noch 
fehlte. Eine solche kam dann mit der am 21. Januar 1880 
erfolgten Schaffung des Eidgenossischen statistischen 



ElUGKNÖSSISC.HE VOLKSZXHLL'M; VON 1836-1838. 



kanluo« 



Zu Hei) 

Hern . . . 
Lurern 

t'ri . . . . 

St'hwvz 

Obvtahleu 

Nidwaldt-n 

Glaru» 

Zuv . . . . 
Frei bürg . 
Sololhurn 
Basel Stadt 
Basel Land . 
SehalVhaiiKen 
Appenzell A.B. 
Appenzell I. H. 
St Gallen . . 
Graubümlen 
Aargnu 
Thur^au . 
Tessin 
Wandt . 

Wallis . . . 
Neuenbürg . 
Genf . . . 



Datum der Zahlung' 



».-11. V. 1836. 
:». X.-4. XI. 1837. 
Febr. 1837. 
Febr. 1837. 
Legalisiert ». V. 1837. 
I. III. 1837. 
März 1836. 
Januar 1837. 
April 183«. 
August 1836. 
Februar 1837. 
Januar 1837. 
22. III. 1837. 

Ende 183«. 
Anfang 1837. 
Legalisiert .*.. V. 1837. 
13. II. 1837. 
Januar 1838. 
Februar 1837. 
April 1837. 
Legalisiert 15. V. 1837. 
Legalisiert 24. III. 1837. 

März 1837. 
Legalisiert 27. III. 1837. 
Legalisiert 3. IV. 1837. 

Total 

davon Männlich 
Weiblich 



KantoDs- 
hOmer 



217 219 
386 «81 
12t) 512 
12 »48 
3» 32» 
1 1 857 
»804 

28 217 
14 ISO 
S3 2154 
5» 214 
10611 
35 99U 

29 402 
38 701 

9671 
144 35» 
79 601 
174 992 
781K0 
110 445 
164 «8« 
73673 
40868 
3815« 

-wir 

1 024177 



Uebrige 
Schweizer 



7 991 
16 029 

3383 
537 
1 128 
500 
388 
821 
I 019 
6 010 
3 274 

8 481 

3 952 

1 847 

\ S!W 

89 
11 139 

2 967 
5 965 

4 463 
29» 

14931 
1 012 

14 534 
8 677 



58704 



Ausländer 



6 366 
5 203 
626 
34 
196 
II 
11 
310 
110 
1 901 
708 
5 229 
1 161 
1 273 
481 
3« 
3 355 
1 938 
1 798 
1 501 
3 17» 
3 »65 
1 905 
3 214 
11 833 
~56~544~ 



22 157 



Tulal 



231 576 
407 913 
124 521 
13 519 

40 650 
12 368 
10 203 
29 348 
15 322 
91 145 
63198 
24 321 

41 103 
32 582 
41 080 

9 796 
158853 
84 506 

182 755 
84124 

113923 

183 582 
76 590 
58616 
58666 



2190258" 
1105 038 



Auch der Volkszählung von 1850 lagen politische Hück- 
»ichten zu Grunde. Das Bundesgesetz vom 16. Mai 1849 
machte dem eidgenössischen Departement des Innern als 
letzte Aufgabe die Bearbeitung der statistischen Verhält- 
nisse der Schweiz zur Pflicht. Nachdem der erste Natio- 
nalist auf Grund der Zahlen von 1837 gewählt worden 
war. wurde nun eine neue Zählung notwendig, um die 
Vertretung der Kantone in diesem Bat zu bestimmen, 
sowie auch um die Stufenleiter der Kontingente neu auf- 
zustellen und endlich die Frage der sog. Heimatlosen zu 
erledigen. Man beschloss deshalb am 2*. November 184», 
auf den Man 1850 eine allgemeine Volkszählung anzu- 
j, die fiberall am gleichen Tag beginnen und inncr- 
sechs Tagen durchgeführt sein sollte. Endzweck 
dieser neuen Zählung war « die Erlangung einer über 
die schweizerische Bevölkerung in ihrer Gesamtheit sich 
erstreckenden Sammlung von statistischen Angaben, wie 
sie verschiedene Kantone (Zürich, Basel Stadt, Genf) be- 
reit* besitzen und wie sie jedes Land von vorgeschrittener 
Kultur sich zu verschaffen angelegen lassen sein 
. » In die Formulare von 1850 wurden zahlreiche 
Rubriken aufgenommen, indem man neben der 



Bureaus, und wenige Tage nachher, am 3. Februar, 
wurde durch ein neues Bundesgesetz bestimmt, dass sich 
die eidgenössischen Volkszählungen alle 10 Jahre zu fol- 
gen hätten. Damit war sowohl eine gründliche Bearbei- 
tung der gesammelten Materialien als auch eine regel- 
mässige Wiederholung der Zählungen gesichert. 

Die Zählung von IHhO wurde mit ganz besonderer Sorg- 
falt vorbereitet und angeordnet. Man setzte sie auf den 
10. Itezember an und beschloss. dass sie neben allen an 
diesem Tage in der Schweiz anwesenden Personen auch 
diejenigen umfassen sollte, diezwar momentan abwesend 
waren, aber doch ihren gewohnlichen Wohnsitz in der 
Schweiz haben. Auch die Art des Vorgehens war eine 
andere, indem an Stelle einer Gemeindeliste ein Haus- 
haltungsformular trat, das soweit möglich vom Familien- 
haupt oder Haushallungsvorsland ausgefüllt werden 
inusste. Die auszufüllenden Formulare enthielten endlich 
auch noch eine Frage über die in der Haushaltung vor- 
herrschend übliche Sprache, sowie eine solche iiber die 
Anzahl und die Art von im Familienbesitz befindlichen 
Waffen. Diese auf Wunsch des eidgenössischen Mililär- 
aufgenommene letztere Frage wurde aber 



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SCHW 



SCHW 



K.itil.iu 



1. 


Zürich . . 




Hern 


:! 


Pilzcin . 


4. 


Iri 


r>. 


Schww. 


G. Ohwalden . . 




Nidwaiden . , 


H. 


lilarus • 


9. 


/"».' 


Iii 


1-reihur 0 . 


II 


Solothurn 


12. 


Hasel Stallt . 


PL 


Hasel l.aml . 


Ii. 




IV 


Appenzell A lt 


lt.. 


Appenzell 1. Ii 


17. 


Sl. (.allen 


IM. 


(itxtiliiiinh ii . 


19. 


Aar^au 


2)1 


Thtiiyau 




Te*siu . . . . 


S: 


Waadt . . . 




Wallis . . . 




Neuenbürg . . 


iV 





Schweiz 



nur nein unvollkommen beantwortet, sodass man auf eine 
Erarbeitung der erhaltenen Anhüben ver/.u >itt>n musstc. 
Die Zahlung- von IHG») bedeutet' ei- 
nen sehr ernsthaften Soliritt nach 
vorwärts, so z. H. namentlich durch 
die Puters« heidun».' zwischen der 
orttqin Wiltruden Hevolk. rtin^ und 
der Wohnbevolkernne. 

Neue Fortschritte ^ t. dann wie- 
derum die Zahlung \om I. h'/t m- 
Iter 1870. die sich nicht mit einer 
angenäherten Alt. r^m^abe he-nuele. 
sondern «las e.-nauc l.ehurtsdatum 
verlangte. Ferner sieht man zum 
erst.Timal l'rae.-n sozialer und ^c- 
indnniit/tKer An (Anzahl di r Win- 
den, der Taubstummen, «ler Schwach- 
sinnigen i . sowie solche von volks- 
wirtschaftlicher Hi-dcutun^: auftau- 
chen. Itii' mittler Zahlung betrauten 
licamtm miisst. n dir An/ahl und 
dir Art der Fabriken und der Mühlen 
mit ihren Motoren, «ii« Zahl Jit Ar- 
beiter, der Webstuhle, Siiiihlrn etc. 
ansehen. Das statistische Hiiteati 
wollte auch noch Fragen über die 
Zustände der Landwirtschaft, über 
die Krnliriv.t'lmiü»«.'. nlmr Waldun- 
gen etc. beiluden, wozu aber der 
Hundesrat dir l>mäehti{;un>.. \>r- 
«a^te Hie Zahlung der Fabrikl.r- 
triche kam übrigens nicht zu Stand«', 
so dass die erhaltenen Angaben 
nirht vrrbllentlicht wurden sind, hin 
Kürkgchrilt ^e^.-nuber den frühem 
Zählungen la;; darin, dnss die zur 
Bestimmung der Volksvi>rsehieliuni; 
bedeutsame Frage nach dem Heburtsort 
worden war. 

1880 sah man von allen auf (.« »erbe und Handwerk 
hciÜKl'cJ'e." I'iai,'en ibetr. Arbiitslosi/kiut, Pohnverh.ilt- 
nisse etr.) ab. wofür aber ••in if; i- andere Punkte ge- 
nauer p-fasst wurden, wir z. K. die Fingen über he- 
rullich«! Talinkeit und "li-'r die Mntteisprach« . «Ii« 1 
nun für jedes einzelne l'amilien^lied und nicht mehr 
Mos fiir die Familie als Uan/es« annee.b«n werden mu*ste. 
Die Krjrel.nisse waren weitaus zufriedenstellender und 
die Lücken seltener :i1b früher. So konnte man die Al- 
lersverhaltnisse der schweizerischen Ih-volkerune, er- 
mitteln und mit Hilfe der 1871» l.eyounenen Statistik der 
Sterbefall.' endlich ein«' SterhlichkeitMabelle für die 
Schwei/ aufstellen. 

Hie mif du* Jahr IH90 entfallende Volkszählung wurde 
zum Zweck ih r Heviaion der Natinnalralswahlkreisi- und 
«ler Vorarbeiten Cur das Fnfallvrrsirlu'rnnuse.t-sel/. um 
zwei Jahre frühe, ■ aue.-ordnet und fand somit schon IKKS 
Htatt . Als hauptsächlichste Neuerung dieser Z diluiie. ist zu 
erwähnen die läse t/une des llriushaltun^sformulave- durch 
die individuell« Zählkarte. di>' mit Ite/ue auf l'orsehun- 
Lten belr. Alter. Ki'ruf etc. «i it bequemere statistische 
Zusammenst« Hungen erlaubt. Di«' Zr.lihmn vi.u l!*«> 
endlich hat die individuellen Z.ihlkarter» iu-iliehallen und 
sie flir jede llnnshaltun^ unter einem hes.niderti s«»;: 
llaushaHiiri^sunischlat; ^««ammelt. Hiexes Vor^.'lu'ii 
Aei^t Vorteile mit Hezui; auf I' iit« rHUChutleeii über die |!< - 
dentunu <b i Haushaltungen und über die Anzahl ih i l'er- 
siini'ii. die direkt u«b-r inilirekt v«>m Kitra^' d.-r H-Mufs- 
tatiekeit d. s Haushalluu^svoistaniles l> ben Was die 
Art der (.',• stellten l iaeen anbetnllt. haben .Ii« 1 beiden 
letzten \ olkszahluiiyi Ii nie hts eigentlich Neues vor den 
übrigen voraus ; imtm rhin ist die IstTn und |SKi> unler- 
druckte Fi -ü^'i! nach dem Cieluirls. .rt wieder aufnenomnien 
worden und bei der /...hlun» von PN»» auch noch eine 
Fraee betr. die Nebeubeschiilti-unecn neu hnuu^e- 
kumiuen. 

II. Ihn «hvil KMU N.; m:n nwi-.i/ im j.mif». I»Xi /. I . 
<,U-Hh t ><i'l» /,i<,u,imri,*l>-ltu„tj .Irr //<ii- ( .l'-'"»'"'"'' ''''' 
;'Ui/M.',«i>*'ii l eIA>:..M/-iefe„ i'.e, / .V.V» i„,- l<)lfl> l-err/, 
K<U,(».w„ <,,-:,rd,.,-t:. item eisten Hand der .. Krv«'hnisse 
der eid^enoss. \'..lk-/:.lihin- vom I. ! v/.cml ■>;■ l'.KHi , 



iHtrn entnehmen wir 

lehrreiche Tabelle' ' 



WoiiNUKvoi.KKKi m. iu:i io:n /uii.i so vom 



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1. XII. 


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//<•>. I»ie beiecfreben.! - 1 uph isrhe h.i r-tell un^ des mittle- 
ren jährlichen |!,. ll .lk.'niii^/ii»:ii'lii".'s auf j«' l'NNI hin- 
wohner wahreint des Zeitraum«'* IST.» P.»HI ist r-ehr lehr- 
reich und »eiet numetitlirt. den Kmtluss der St.. die auf 
den Hevolkei iitvs/u«aelis der l\:»nt«>n«'- Mit Ausnahme 
von H«'rn. «lessen besondere St.-Ilnn^ wir noch erkl;.- 
,-en wenleti. findet sich keiner der eine bedeutende 
Sladt in sieh ,ch li.-ssetid« 11 Kantone inn.'i -halb der er- 
sten Hälfte der ^raph:^ -hell I L.rstel In ny . Uei näherer 
Iieti-achtuiv lassen sich auf Cnmdlii^e der Zahlen von 
INT.l und unter H«-re, dmiii, der seitliei i^eii Zunahme 
in" , fuleeii.le Schlüsse ziele-n : l'«n ^enn r '>ten Zuwachs 
/eiet der Aar>;aii. dessen I lkeriin- 111 einein halben 
Jahrhundert hlos um :."„ ni h en..mmen hat. Hann fokt 
mit 1" „ (Harns, dessen wrsehi.-d.-ne Industrien wah- 
rend de* K leich«'il Zeitraum«- mehrf.ielien Krisen 
unterworfen -ew. sen -iml. l.u/et ii. d. ss. n I andschah 
sich entvölkert, /.eiel . inen Zuw..« Iis von bb.s I"" . 
F.s fole.enObwal.lcn mit II-,,. Nidwaiden mit KV',., 'iiau- 
biinden mit IG",,. Schalthausen und l«-ssin um je IS",.. 
Appenzell I H. mit 2"' ,.. tVrner 4 Kantone mit 2, .-2*»" „. 
Scbwvz. Appenzell A. H . 1'i'eihui- und Hern. H.is land - 
hebe I.. 'biet «h. 'ses let/.t^etiann't n Kantons ist iitnlas-eii.l 
eennj;, um die starke l;evolkenmes/v mii tiiiie der beiden 
Stadle Hern nu.l Hi.'l leil^eise Hieben zu kennen. I ri 
venlankt seine Ztinahim' um :<G" .. d«-ni Hau und He trieb 
dei Hi. Ithardbahn [He Schweiz, als t.;in/« s zeiet «'ine He- 
volkerui^szutiahme von :!'<".,. welche MitleUahl von allen 
bisher noch nicht -enannten Kanloneti i.l.ei trollen wird. 
Wallis /ei-t 10' ,. .dank «h'iii Üe/.irk Hr.- und der mh.l^e 
der Arbeiten am Simplontmni.l .-tei-ci teil \olk-/ahl'. 
Wandt H " „ mfolee des Wachstums «ler Sta.lt Lausanne 
und (b's «h.'ht liesir'delten Iferslre-ii.'s am obeiu t o-nfer- 
scci. Ha-el band U " „ «Unk dem aus der N: der Stadt 

i) \ll.« in 'l-r ]••..! ee ^-_--).-n-i. /Ali:-;. l..'/i.'h.o. -1, h ^.-•-.«•if 
die \Vehnt.cv,Mk-ri.Hi.' mit n.eh! »uf d rt<.aii*«».:n-s- n«»>>l- 

k««rioik'. *» --Ii-Ii' Intil-nr V nll Iv-, ae 1-1 II 1.,,-LlM.lr! - ■ 
xuir', lls>l *..r-t.'ll k:oi'. S',, wm^ f. Ii Ii". 'Irr \" 
l J,|.ict:<j (, --ri- i" \V,Ur i.n VVjI. i.se. M-virk !)■•■•'. 
11« 11 -;n.'..L"-n ..rts^r.» i-l-n Gt»-Ii!ier n.i!, 

Aatr,«-;t- W, . In b-M a I k r ., ., e.t'e'.^- .l-r rVu.-r-l.fi, n^t t.. 
J11». ll». 1 M- <.,•» W - I.T.. ;lb.'i : des r>.-rf^» .u ''-r Nael.b.ir- 
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fCBLlC LIBRARY 

AtTM. > f W<»X AN* 
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SCHW 

Vorteil ziehenden Bezirk Arletilieim. ohne den der 
Halbkanton eine Zunahme von blos 17 % aufweisen 



Luiern 
Obwalden 
Wdtvalden 
Gnaubünden 
SchafThausen 
, Tess/'n 
App. A.R. 
ochwvz 

AddIR. 




y 

nenn 
Uri 

SCHWLIZ 

Wallis 
. Waadt 
ßasd/and 
Zug 

, So/olhunn 

Hüffen 
Zürich 



20 



Mittlerer jährlicher Revölkersng»iuwach» auf je 1( 

ISoO-lUIU. 

würde'. Zug 44'' ,,. Solothurn 45%. St. Gallen 48" „ i in- 
dustrieller Kanton). Ks folgen endlich die Kantone mit 
«rossen Städten : Zürich 72 n „. Neuenbürg 78 °/ 0 (zwei 
iirmsiTi 1 Stadtei. Ilenf i dessen Volkszahl sich mehr als 
verdoppelt hat) mit 107 % und zuletzt Basel Stadt mit 
•278°,,,. d. h. mit einer mehr ;il> dreifachen Zunahme. 

Noch deutlicher tritt diese Erscheinung der Anzie- 
hungskraft der städtischen Zentren hervor, wenn wir 
anstatt der Kantone die 187 Bezirke der Schweiz mit- 
einander vergleichen. Von ganz besonderer Bedeutung 
erscheint diese Anziehung in den beiden Zeitraumeil 
von t850 bis 1860 und von iSflObia 188K, während welcher 
6t) bezw. 80 ländliche Bezirke eine Abnahme zeigen. Da- 
gegen weisen die Zahlungen von l87o. IXHI) und I1MI0 
blos 21), 43 und .'17 Bezirke auf. deren Bevölkerungsziffer 
gesunken war. Wenn wir das halbe Jahrhundert in seiner 
Gesamtheit ins Auge fassen, sehen wir, das» im Jahr 
I'.mi volle II Bezirke, d.h. also 22"., o«ler fast ein Viertel 
aller Bezirke, weniger Einwohner zählten als im Jahr 1850. 
Selbstverständlich sind dies alles rein ländliche Bezirke 
oder solche mit nur kleinen Landstadtchen. Von den 
in der Zunahme begriffenen 146 Bezirken zeigen 31) eine 
solche von weniger als 10°/ 0 , 27 eine solche von 10-20 0 / o , 
16 eine solche von 20-:t0",, und .'{.'leine solche von •!"- 
.V» 0 /«; für 24 Bezirke beträgt die Zunahme 50-100%, und 
in 16 Bezirken hat sich die Bevölkerung mehr als verdop- 
pelt. Diese letztern sind Zürich (Stadt). Biel, der stark in- 
dustrielle Solothurner Bezirk Kriegstetten (mit Biherist, 
(•«Halingen etc.). Basel Stadt, Arlesneim (Basel Land), die 
vier St. Kaller Bezirke Gossa u. Borschach. Tablat und St. 
Gallen, ferner Lausanne, Vevey, Brig, 1-a Chaux de Fonds, 
Neuenburg und endlich die beiden Genfer l.andbezirke. 
Biese 16 Bezirke wiesen 1900 für sich allein 682 150 Kw. 
(gegen 239 679 im Jahr 1850) auf. Es bedeutet dies eine 
Zunahme von 185%. die nahezu der Hälfte (48%) der 
Gesamtzunahme des ganzen Landes entspricht. Die 19 
Städte von über 10 000 Ew. zeigen folgende Zunahme: 
1K50 : 255722 Ew. ; 1860: 323751 Ew.; 1870: 382683 Ew.; 
1880 : 469 670 Ew. ; 1888 : 533899 Ew. ; 1900: 742 205 Ew. 



SC11W 5 

Ihre Einwohnerzahl hat sich somit in fünfzig Jahren 
nahezu verdreifacht. Während der letztvergangenen 
zwölf Jahre allein betrug der Zu- 
wachs 208 306 Ew. oder 39%, wo- 
von 72 755 auf den l'eberschuss 
der Geburten und 135 551 auf den 
l'eberschuss der Einwanderung ent- 
fallen. Mit Ausnahme von l.a f.haux 
de Fonds. St. Gallen. Schaffhausen, 
llerisau und l.e Ixicle ist die Ein- 
wanderung überall bedeutender als 
der Geburtenuberschuss. 

Die 41 Bezirke mit Buckgang in 
der Bevölkerungsziffer verleilen 
sich auf 13 Kantone und sind alles 
ländliche Bezirke, die meist un- 
günstig, d. h. abseits der grossen 
Verkehrswege und der industriel- 
len Strömungen, gelegen erschei- 
nen. Fünf dieser Bezirke zeigen 
einen amlauei uden Buckgang, in- 
dem jede Zahlung gegenüber der 
unmittelbar vorhergehenden eine 
Bevölkerungsabnahme ergibt. Es 
sind dies die beiden Luzerner Be- 
zirke Enllebuch und Willisau, der 
Schairiiauser Bezirk Schieilheim, 
der Bundner Bezirk Binlerrhein 
und derTessiner Bezirk Valle Mag- 
gia. Am ausgesprochensten zeigt 
sich der Huckgang in den drei letzt- 
genannten Bezirken, die 
eines Zeitraumes von 50 
31 und SO % ihrer Bewohner ver- 
loren haben 27 dieser II Bezirke 
sind nicht um mehr als 10" „ zu- 
rückgegangen. 

Am schärfsten erscheint die mit 
dem Anwachsen der städtischen 
Zentren parallel gehende Entvöl- 
kerung der tandhezirke ausgespro- 
chen in den beiden Kantonen l.uzern und SchafHiausen. 
die daher noch »-ine nähere Erwähnung verdienen. Sie 

Stadtbezirk 
1850 1900 * 
Ew. Ew. % 
27 699 54 339 +96 
121)14 23 341 + 94 



25 

y Atünger yc 



inwohner w ahrend de» Zeitraum«» 



weisen folgende Zahlen auf: 
Ijindbezirke 
1850 19(10 * 
Ew. Ew % 
l.uzern 105 IM 92 IX) -14 

Schaniiausen 28 173 23 280 -17 

Sehr deutlich tritt diese Anziehungskraft der Städte 
auf das platte Land in einer Tabelle der « Eidgenössischen 
Volkszahlung vom I. Ilezember 1900 » hervor, die die »Zu- 
nder Ahnahme der Wohnbevölkerung infolge (Geburten 
oder Wanderungen zwischen 1888 und 1900« darstellt. 
Indem wahrend dieses 12 jahrigen Zeitraumes alle Kan- 
tone und selbst alle Bezirke (etil. Diessenhofen im Thür- 
gau und Valle M.-iggia im Tessin) einen Gehiirtenuher- 
schuss aufweisen, zeigen 15 von den 2."» Standen und 122 
Bezirke, d. h. zwei Britteile aller Bezirke, einen l'eber- 
schuss der Auswanderung über die Einwanderung. So 
hat in diesem Zeitraum z. B. Appenzell A. B. mit einem 
l'eberschuss um 51 \\ Geburten über die Todesfidle doch 
infolge der Auswanderung blos eine wirkliche Zunahme 
von 1 172 Köpfen aufgewiesen. Kantone mit starker Aus- 
wanderung sind Bern, Freiburg, (ilarus. Appenzell 
A. B. und Aargau, während umgekehrt Zürich, Genf, 
Hasel Stadl und Waadt eine starke Einwanderung zeigen. 
In Zürich, lienf und Basel Stadt übersteigt die Bevölker- 
ungszunahme durch Einwanderung sogardiejenige durch 
den GchurtenübcrschuMS, was aus folgender Tabelle cr- 
sehen werden kann 

Zunahme 
durch d. Ueber- 
Kanton ■dum der Ge- 

burten 

Zürich 41 861 

Basel Stadt 13784 
Genf 1 260 

Waadt 22 331 



1888-1900 
durch d. l'eber- 
schuss der Ein- 
wanderung 
54 992 

24 694 

25 840 
11 393 



Total 

93853 
38 478 
27 100 
33724 



Neuenburg verdankt seine starke Zunahme um 18148 



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0 



SCI1W 



Köpfe zum «rossen Teil seinerhohen Geburtenziffer, wäh- 
rend sich die Einwanderung' blos mit 2940 Köpfen daran 
beteiligt hat. 



SCHW 

I Mehrzahl der bedeutenden Städte, nach denen die Bevöl- 
I kerung mehr und mehr hindrängt, gerade in dieser lief 



3. Vnlkwlichte. Das 
Studium der Ver- 
schiebung der Be- 
völkerung der 
Schweiz fuhrt uns» 
zur Untersuchung 
der Verteilung der 
Bewohner über das 
ganze Land oder der 
Volksdichte. Es ist 
klar, dass die Be- 
völkerung in einem 
so reich geglieder- 
ten Bergland, wie 
es die Schweiz dar- 
stellt, sehrungleich- 
tnässig verteilt sein 
muss. Ebenso sei bst- 
versländlich ist es, 
dass das zwischen 
Alpen und Jura ein- 
geschlossene Mittel- 
land als das am 
dichtesten besie- 
delte tiebiet er- 
scheint. Sehr volk- 
reich sind ferner 
auch die Jurathalcr 
nördlich der Aare 
nach ihrem Austritt aus dem 
srhaflen des Neuenburger 
Städte in einer llohcnli 
sich sonst blos Sennher. 
pflegen. Der tiefst gelegene 
derjenige unter 500 m 
Genf und Hasel Stadt in 



Linwnhner Höhe 

463 ,1900 - 1919 
1ZW. J 1800 
2733 J 1700 
3965 [JB00 
11993 II 1500 

M336 Jjqoo 

!5&wJfJ300 



21588 
2171* 
66877 

I 1 I i I )i\ 

145060 

230518, 



567 217 



312 226 



309843 



IH99 
1799 
1699 
1599 
PI99 
1399 
1299 
1199 
1039 




Bieleraee, sowie die Land- 
Jura, wo die Uhrenindustrie 
sich entwickeln lies«, in der 
und kleine Flecken zu linden 
Abschnitt der Schweiz, d. h. 
Meereshöhe mit den Kantonen 
ihrer Gesamtheit, dem grössern 
Teil der Kantone Schaffhausen, Aargau, Zürich, Itasei Land, 
Solothurn, Tessin, Nidwaiden, Zug.Thurgau und Waadt, 
sowie der Hälfte \on Schwyz, sieht seine Bevölkerungs- 
ziffer rascher ansteigen als der mittlere tbschnitt zwischen 
»Mi und Imm m oder die noch höher gelegenen Gebiete. 
Er umfasste 1888 die Hälfte der Gesatntbevolkerung und 
war bis 1900 auf 5.'!",, derselben angewachsen, wah- 
rend sich der mittlere Abschnitt mit 42% (1888 : 45° !„) 
und die hohem Hegionen blos mit 5% beteiligen. Dem 
mittleren Gebiet (»¥)-9!*9m) gehören an beide Appen- 
zell in ihrer Gesamtheit, nahe/u die Hälfte von Schwyz 
und Wallis, sowie mehr als die Hälfte von Kreiburg. 
Bant, St. Gallen, Neuenburg und Luzern. Graubun- 
den ist der einzige Kanton, in dem mehr als die Hälfte 
der Bewohner in einer Hohe von 1000 m und mehr 
leben, während im Wallis .'12 % aller Bewohner auf 
diese Höhenlage entfallen. Kur alle andern Kantone 
stellt diese Erscheinung eine Ausnahme dar, mit der 
Einschränkung freilich, dass der ganze Berner Amts- 
bezirk Saanen. der Waadtlander Bezirk La Yallee 
und der Walliser Bezirk Kntremont 



Verteiluu* der rUivrtlkoniog der Schweii nach der llAheolage der (iemeioden. 

findet. Folgende Tabelle gibtnber 



gelegenen Hegion 
diese Verhältnisse 



■IC 

klare 



Auskunft 



Von je 1000 Einwohnern des g 
Gemeinden Gemeinden 
mit unter v. 1000 bis 

law Ew. 4999 Ew. 
:«t 42» 

•ist» 410 
grossen Gemeinden umfass« 



samten Ijtm 
Gemeinden 
v. 5000 bis 
9999 Ew. 
81 
si 

mit 



ti 



es fallen auf 
Gemeinden 
mit 10000 
u. mehr Ew. 
151 
220. 
zur Zeit für 



IKKS 

1900 

Di 

sich allein nahezu einen Vierteil der Gesamtbevölkerung 
der Schweiz. 

Hie Volksdichte ist je nach den einzelnen Kantonen 
eine sehr verschiedene, «In sie in mehreren derselben 



sind bekanntlich CresU in Graubün- 
und Chandolin im Wallis mit lÄJim 
zum Vergleich die Zahlenverhällnisse der bei- 
letzten Zahlungen für die einzelnen llohenstufen 

lt«x iyu> 
Volkszahl der Gemeinden 

unter 500 m Hohe 1 462 897 1 768 005 

Volkszahl der Gemeinden 

von »Kl bis 999 m Höhe I »12 93-4 I 386 687 

Volkszahl der Gemeinden 
in 1000 m Hohe und darüber 151 923 160 751. 

Die beigegebene graphische Darstellung gibt uns ein 
Bild von der Verteilung der Bevölkerung der Schweiz nach 
der Hohe (Zählung von I900i. 

Die Einwohnerzahl des tiefst gelegenen Abschnittes 
hat in 12 Jahren um 21%. diejenige der hohem Landes- 
teile dagegen blos um 6% zugenommen. Dies erklärt 
sich zum grossen Teil auch daraus, dass die überwiegende 



durch die he« 


leutend 


e Flachenausdehnun 


p des unproduk- 


tiven Bodens 


stark b 


eei lltl 11- 


st wird. Fü 


• dasganzi 


■ Land 


umfasst der 


unpnx 


uktive 


knien bemal 


te genau 


' ider 


Gesa mitlache 










Unter Berucksicht 


igung ( 


lieses Kinflu 


sses und 


ilurch 


Berechnung 


der Vol 


ksdicht. 


• auf Grundlage des produk- 


tiven Bodens 


erhält 


man fo 


gende hurrhschnittszahlen : 




Ew. auf 1 km 4 




Ew. auf 1 km 1 














d 


festen 


d. pro- 




d. festen t 


. pro- 


Boden - 


dukti- 




Boden- 


dukti- 




Mache 


xe 1 1 

II. .dens 




tl.iche 

I 


ven 
todens 


Zürich 


260 


2«0 


Schaffhause 


n III 


148 


Bern 


88 


109 


Appenzell A 
Appenzell 1. 


B. 228 


235 


Luzern 


102 


1473 


B. 78 


83 


Uri 


19 


41 


St. Gallen 


129 


136 


Schw vz 


65 


73 


Grnuhunden 15 


25 


( Ihwalden 


'X\ 


38 


Aargau 


II* 


154 


Nid wählen 


51 


• Iii 


Thiirguu 


1251 


134 


Glartis 


47 


72 


Tessin 


51 


74 


Zug 


122 


129 


Waadt 


100 


KW 


Frei bürg 
Solothurn 


80 


87 


Wallis 


22 


40 


127 


132 


Neuenbürg 


177 


182 


Basel Stadt 


31 44 


3910 


Genf 


52. > 


578 


Basel Land 


160 


166 


Schweiz 


83 


107. 



Die Berechnung blos nach dem produktiven Boden ver- 
bessert in erster Linie die Mittelzahlen für die Kantone 
Uri imehr algdoppelt so grosse Volksdichtcl, Wallis, Grau- 
bünden. Glarus und Tessin. 

Für die Schweiz als Ganzes ergibt sich unter Berück- 
sichtigung der Gesamtfläche (inkl. der mehral» I km* mes- 
senden Seen) eine Vulksdiehte von 80 Ew. auf 1 km*. 
Zum Vergleich fügen wir hier die Mittelzahlen füreinige 
■od«re europäische Staaten bei : Spanien (Festland) 36. 



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SCHW 



SCI1W 



7 



Oesterreich- Ungarn 72, Frankreich 74, Deutsche« Reich 
Ml Italien 115. Seit 1888 hat die Schweiz mit Bezug auf 
ihre Volksdichle Frankreich überflügelt. 

Noch grossere Unterschiede in der Volksdichle ergeben 
»ich, wenn wir statt der Kantone die ein/einen Bezirke 
betrachten. Die beiden Extreme werden dargestclltdurch 
die liraubündnerKezirkellinterrhein und Inn mit5bezw. 
ß Ew. auf den km 1 und den Stadtbezirk Genf mit 22 800 Ew. 
auf den km'. Doch kann diese letztere Zahl kaum als Ver- 
gleich dienen, da es sich hier um eine nahezu vollständig 
uberbaute Flache handelt. Unter den nicht stadtischen 
oder '[städtischen Bezirken zeigen die höchsten Zahlen 
für die Volksdichte: Borschach 4t>2. Horgen383, Vorder- 
land (Appenzell A. It. 361 Ew. auf den km 1 . Sieben der 
187 schweizerischen bezirke bleiben unter 10 Ew. und (55 
unter Kl Ew. (Mittel der Schweiz). 25 halten sich zwi- 
schen 83-1«*, 42 zwischen 100-149 und 14 zwischen 159- 
199 Ew. auf den km*. 

Ueber 300 Ew. auf den km 1 zählen 3-1 Bezirke, die wir 
hier nach Kantonen anführen wollen : 1} Zürich: Hor- 
t-n. Meilen. Wime rthur und Zürich. 2i Ben Bim, 
Biel. Nidau ; 3) Luzern : Luzern; 4iSolothurn: Kricg- 
stetten. Ölten. Solothurn: 5) Basel Stadl : Stadtbezirk 
und I-and bezirk ; 6) Basel Land: Arlesheim; 7| Schalf- 
hausen: Sc ha (Ihausen ; 8) Appenzell A. B. : Mittelland 
und Vorderland ; 9) St. Gallen : Gossa u. Borschach, St. 
Gallen. Tablat. Unter Bheinthal und Unter Tnggc nhiirg ; 
10) Aargau : Aarau, Kulm und Zolingen ; II) Thurgau: 
Arbon; 12) Tessin : Mendrisio ; 13) Waadt ! Lausanne und 
Vevey; 14) Neuenburg: La Chaux de Fonds und Neuen- 
burg ; 15) Genf : Stadlbezirk und Linkes Ufer. 

Diese übervölkerten Bezirke bilden Inseln, die sich auf 
der Karte sofort erkennen lassen. Sie gruppieren sich 
um unsere gross ton Städte Zürich, Itasei, Genf etc., so- 
wie um St. Gallen mit seinen industriellen Nebeugebielen 
in Appenzell und im Thurgau ; sie linden sich ferner im 
Aaregebiet des Aargaues, von Solothurn und des Hemer 
Jurafasses, sowie in den Ufergesenden des Genfersees. 
Die übrigen Gebiete mit starker Bevölkerung treffen wir 
im Kanton Neuenburg, im Gebiet des Luzerner Annes des 
Vierwaldstättersces u. endlich in einigen alpinen Zentren, 
die von Fremden oder Kranken stark besucht werden. 

Eine von Genf zum Südende des Bodensees gezogene 
Dtafoaale würde die Schweix in zwei an Fläche nahezu 

gleiche Hälften teilen, voll denen abei die nördliche flir 
sich allein etwa s /„ der Gesamt hevölkeruiig umfasst. 



Diese letztgenannte Miltelzahl übersteigt diejenige von 
Frankreich und erscheint besonders gross, wenn man 
das Verhältnis des unproduktiven Bodens in Bucksicht 
zieht. 

■f. Vrrtrilunrf der fierrilkertinq nach ilt'm tivxehlevht . 
Sir ist je nach den einzelnen Kantonen eine sehr MI • 
schiedene. In den Stadlekanlonen herrschen die Frauen 
offenkundig vor, und zwar hauptsächlich wegen der 
grossen Zahl der weiblichen Dienstboten. Auf dem 
Land überwiegt dagegen infolge der Auswanderung der 
jungen Mädchen nach den Städten und der Zuwan- 
derung von Bauernknechten oft das männliche Ge- 
schlecht. Doch werden diese Faktoren vielfach auch 
durch die Auswanderung der Männer merklich beein- 
llusst. so dass eine allgemeine Begel nicht aufgestellt 
werden kann. 

Männliche 
Bevölkerung 
I 181 911 

I jEi»; :m 
i :m «33 
I :m «2ti 
1 417 :.7i 
I «271125 



Jahr 
1850 
ISlill 
1X70 
IK80 
1888 

im** 



Jahr 
IXTH» 
| Still 
|H7(I 
ISN) 
18X8 
l'HNI 



Gesaiiitüberschuss 
der weiblichen Be- 
völkerung 

28 UM 

37 7711 

.Vi l.s| 

56850 
H-i m\ 
tu :c« 




Bevölkerung -'er wiebtig«len Sadte der Schwell nach der Zahlung iou I'.mi 
Folgende Zahlen zeigen die Zunahme der Bevölkerung 
der Schweiz auf je 1 km*: 

Volksdichle 
71 



Jahr 
1837 
1850 
IM) 
IST*» 



Volksdichte 
55 
Iii) 
63 
tili 



Jahr 
l.ssn 
Iii») 

unk 



87 (berechnet) 



Weibliche 
Bevölkerung 
I -2111829 
I 271 132 
I 364 314 
I IM 47H 
I 600 18» 
I OBB 118 
Gesamliiberschuss 
der wcibl. Bevöl- 
kerung in den 19 
grossten Städten 
15 244 
1271« 
253115 

IM 

12 207 

\: 7.v. 

In den 19 grosseren Städten von über 10 DU) Ew. ent- 
fallen auf je IUI Frauen 88 und im Illingen Land 99 In- 
wohner männlichen Geschlechtes. Fur die ganze Schweiz 
stellte sich dieses Verhältnis 1850 auf 98. iSliO auf 97. 
1870 auf!«). 1880 auf 9)i. I888aur9t und 1900 wiederum 
auf 91». Unsere Nachbarstaaten /eigen folgende Verhäll- 
niszahlen : Deutschland 97. Frankreich, Oesterreich-Un- 
garn und Italien je 1)8. 

Ueberwiegende männliche Bevölkerung zeigen folgende, 
vorwiegend agnkole Kantone: Wallis lOli Männer auf IUI 
Frauen (zum Teil infolge der Arbeiten am Simplontunnell, 
Uri 101. Luzern 103, Freiburg 102, Obwalden und Bern 
ie 101 und endlich Waadt 100.3 
Manner. Alle übrigen Kantone 
weisen einen Frauenuherschussauf 
und zählen auf ie 100 Frauen : Ba- 
sel l-and. Graubünden und Thur- 
gau 99, Schwyz 98, Solothurn 97. 
Nidwaiden 9t>. Schatfliausen und 
.V.irgau 95. Zug und Appen/eil I.B. 
91. Zürich, Appenzell A. B. und 
St. Gallen 93. Neuenbürg 1», Genf 
89, Glarus und Basel Stadt 87. Tes- 
sin 83 Männer. Im Kanton Tessin 
erklärt sich diese Tatsache nicht 
aus der (hier nahezu verschwin- 
denden) weiblichen Einwanderung, 
sondern vielmehr aus der star- 
ken Auswanderung der Männer. 
Gehen wir auf die einzelnen Be- 
zirke ein. so finden wir als Ex- 
treme : llrig mit Iii! Mannern auf 
IUI Frauen (Maximum Naters mit 
212" „ Männern; Folge Jer Arbei- 
ten am Simplon) und Valle Maggia 
(Tessin) mit blos 58 Männern auf 
100 Frauen, welches Verhältnis für 
die Erwachsenen allein sogar bis 
auf 47 °/ 0 sinkt (Minimum der 
Minner mit 42",' n in der Gemeinde Campo : 80 männl. 
Ew. und 205 weibl. Ew.). In 3 Gemeinden des Be- 
zirkes Valle Maggia und in 7 Gemeinden des Bezirkes 
Blenio entfallen iwenig-tensinden Wuilerinoiialen) mehr 
als zwei Frauen auf je einen Manu. Einen ansehnlichen 
Manne nihcrschuss zeigen folgende 12 Bezirke, in denen 
auf je 1000 Frauen entfallen : 



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8 



SCHW 



SCHW 



Bezirk Männer Bezirk Männer 

Brig 144-2 Laupen .... 11» 

Albula .... 1254 Frutigen . . . 11» 

Küssnacht . . 1212 Oron 1117 

Saint Maurice . H76 Echallens . . . 1115 

F.rlach . ... 1100 Cossonav . . . 1115 

l-a Vallee . . . 1147 Orbe 1 1CO 

Weitere 74 Bezirke zeigen noch einen Männerübcrschuss 
im Verhältnis von 1UM-1099 auf je 1000 Frauen. Dann fol- 
gen die Bezirke mit Frauc nüberschuss. und zwar zunächst 
80, in denen auf je 1000 Frauen 990-900 Männer kommen, 
und endlich folgende 21 mit starker männlicher Minderheit : 



Bezirk 

Solothurn . . 
Bremgarten 
l'ster .... 
Ober Bheinthal 
Vevey .... 
Bernina . . . 
Basel Stadt . . 
Neuenburg.. • 
Glarus (Kanton) 
Borgen . . . 
Stadt Genf 



Männer 
auf je 1000 
Frauen 
. 885 
. SSI 
. 879 
. 878 
. 875 
. 874 
K70 
. 80» 
. 808 
. 880 
858 



Bezirk 

Genau . . 
Leventina 
Stein (SchatTh.) 
Unter Kletigau 
Lugano . . 
Moesa . . . 
St l, allen 
Locarno . . 
Blenio . . 
Valle Maggia 



Männer 
auf je 1000 
Frauen 

. 857 
. 855 

x\x 

842 
KU 
788 
785 



SM 

581 



Wie man Hiebt, linden sich in dieser Beihe neben Stadt- 
bezirken auch noch verschiedene reine Land- und Berg- 
bezirke, wie z. B. der grössere Teil des Kantons Tesain. 
dessen einzelne Thaler vielfach eine starke temporäre 
Auswanderung aufweisen. 

Der eben besprochene Fraucnubcrsehuss kommt, wie 
wir später noch sehen werden, keineswegs von einem 
UeberschusM der weiblichen Geburten her, sondern er- 
klärt sich aus andern l* machen, so besonders daraus, 
ilass die im Allgemeinen einfacher und nüchterner leben- 
den Frauen itti reifen Aller den Krankheiten gcgcnuhci sieh 
widerstandsfähiger erweisen als die Männer. Bemerkens- 
wert ist noch, das* das numerische Verhältnis der Frauen 
zu den Männern bei der einheimischen Bevölkerung ein 
stärkeres ist als bei den Ausländern, von denen ja zahl- 
reiche blos vorübergehend anwesende Handwerksgesellen 
und andere Arbeiter, sowie technische und kaufmän- 
nische Angestellte sind, l'nsere Ausführungen werden 
durch folgende Zahlen belegt: 
Gesaml- 

bevölkerung Schwei/er Ausländer 
Männer .... 10270» 1427140 l»»ss., 

Frauen I 088 um I 51 i\ 87» IKt 539 

FraueniiberechuM . 01 :ß(l 77 T.'BI - I63M 

Männer auf je 100 

Frauen .... 5X5 BG 109. 

Dass der Manncrüherschtiss bei den Ausländern in 
erster Linie auf Itcchnuiig der Arbeiter zu schreiben ist, 
lasst sich auch daraus klar erkennen, dassdie Männer vom 
•il. Altersjahr an zahlreicher weiden als die Frauen, 
welche t'chc rlcgciihcit sie durch alle Altersklassen hin- 
durch bis zum .Vi. Altersjahr behaupten. 

Wie bereits bemerkt, macht sich der l- ianemiberschuss 
namentlich im den I!» Städten mit über lOOOOEw. fühl- 
bar. Eine grosse Bulle spielt namentlich bei bestimmten 
Altersklassen die weibliche Linwanderung. Iiies geht 
deutlich aus der auf der bigenden Seile beigefügten gra- 
phischen Darstellung hervor, die für das Jahr Ii*»' die 
Verteilung der mannlichen und der weiblichen Bevölke- 
rung nach Geburtsjahrfünfen gibt. 

Man sieht, wie die Linie, die infolge der Sterblichkeit 
normaler «eise sinken sollte, im Gegenteil schon von et- 
was vor dem 20. Altersjahr an aufsteigt, um für die 
Frauen sogar merklich die Altersklasse der Kinder zu 
übersteigen In einem die ganze Schweiz umfassenden 
und blos die Landcsangf hörigen berni ksiehtigenden ana- 
logen Diagramm würde die Linie sich gleichmässig und 
ununterbrochen senken. 

5. A ttertcerh&ltnitte. Mit Bezug auf die Frage nach 
den Altersverhältnissen der Bevölkerung sind die ganze 
Schweiz umfassende Erhebungen erst seil 1807 veranstal- 
tet worden. Doch gibt schon «Tie Zahlung von ISOI) genü- 
gend sichere Anhaltspunkte für die Frage nach dem Aller. 
Aus den zahlreichen Veröffentlichungen des eidgenossi- 



schen statistischen Bureaus heben wir im Folgenden die 
am meisten charakteristischen Zahlen hervor. 

Es scheint, dass sich die Zahl der Greise seit 1860 ver- 



1...J BfrvtAfu»/ da 




WOOO Immolu—r, 



I 



Wdnnftcbes Gcn:/>/ecAL I Wesbl:tJ>rs Gritf htAt 



.«£.-.' äureju 

Verteilung Jer städtischen and der ländlichen tlevälkerung 
nach Altersklassen (Zahlung von l'JOUi. 

mehrt hat. Wahrendes IStKi auf je 10 Ol Kl Lvv.7»7 Greise 
im Aller von Ott- 70 Jahren und 40 Greise von HO und mehr 
Jahren gab. waren diese Zahlen 1900 auf 870 bezw. 52 
angestiegen. Leber die Altersverhaltnisse der gesam- 
ten Bevölkerung gibt nachfolgende Tabelle Auskunft: 



Minderjährige 
Jahr bis I'.) Jahre 

Ihüii 984555 
Ismo 1 343 950 

Zunahme 36% 
An dieser Zunahme 



Erwachsene Greise 

20-5» Jahre 00 u. mehr Jahre 

1310830 215 In» 

1 683920 307 507 

27 " , 4.1%. 

beteiligen sich die beiden Ge- 
sch lechler in recht ungleichem Mass und zwar derart, 
dass auch hierin das weibliche Geschlecht günstiger ge- 
stellt erscheint als das männliche: 

Minderjährige Erwachsene 



Jahr Mfinnl. 
|sm 190520 
1900 07t INI 
Zunahme 37% 

Jahr 

1860 . . . 

BMI . . . 
Zunahme . 



Welbl. 

494035 
iüüi HQB 

»5% 



Maoni. 
Kl» 834 
MS OHO 

•'7 ■ 
i I reise 



Welbl. 
07» 998 
861 837 



Mfinnl. 

100 008 
I »1 1 NVi 

33% 



Weibl. 
10» MI 

166712 

53a ,,. 



I80O en Bielen auf je lOOFrauen bei den Mimleijahrigen 
»», bei den LrwacliM-nen 95 und bei den Greisen 07 
Männer, wahrend sich das Verhältnis im Jahr hmOaiif 101 , 
K und 8t stellte. Für die 80jahrigen sinkt diese Pro- 
portion sogar von Io0 auf 82",, und für die »Ojahrigen 
von 87 auf b9%. 

Greise von 80u. mehrAltersjahren. 

Jahr Männer Frauen 

1800 5975 5874 

1900 7b67 9413 

Zunahme 28",, 00%. 

Eine Abnahme zeigt sich s< il 1800 in der Anzahl der 
95 und mehr Jahre alten Greise ; doch ist anzunehmen, 
dass die Angaben der altern Zahlungen nicht ganz zuver- 
lässig sind Ben indirekten Beweis für diese Annahme 
erhielt das eidgenossische statistische Bureau anlässlich 
der Zahlung von 1900. Eine durch die zustandigen Zivil- 
Standsämter an Hand der oüenllichen Bücher (Taufre- 
gister. Burgerrodel etc.) vorgenommene genaue Nach- 



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SCHW 



SCHW 



9 



prüfung der > Geburtsdaten aller derjenigen Personen, 
welche laut den Volkszählungspapieren das 90. Altersjahr 



Einwohner 
50000 



10000 



30000 



20000 



10 0 00 



Wäbliches Geschlecht 



\ Männliches ... ' 




Altersklasse fr 1 ? 5-9 M 15-19 IfrZ* 25-29 30"M 35 33 WH ^19 5051 55-59 60-61 



Hevolkorung der Schwell nach Alter und Oeteblecbt. 

luruckgelrgt gehabt hätten, ergab. dass'29Fälle überhaupt 
nicht ins Verzeichnis der IVljährigen gehörten. Alte Leute 
pflegen sich gerne ein höhere» Alter zuzuschreiben als sie 
in \\ irklichkeit haben und erinnern sich oft auch ihres Ge- 
burtada tum« nicht mehr genau. Nach peinlich genauer 
Kontrole konnte dann für die Zählung von 1900 eine Linie 
von 563 Neunzigjährigen aufgestellt werden, die sich aul 
die einzelnen Altersklassen fnlgendermaaaen verleilen : 



Alter in 
Jahren 

«0 

91 

92 

90 

94 

«i 



Männer 
77 
«3 
41 
18 
13 
9 



Frauen 

85 

HS 

m 
34 
•jii 
13 



Alter in 
Jahren 
9U 
97 
W 
9» 
KlU 
101 



M.iiiiii i 
0 
t 



Flauen 
5 
3 
2 
I 
I 
I 



Jahren gestorben ist. Fünf der damals Neunzigjährigen 
haben in den folgenden Jahren ihr volles Jahrhundert 
erreicht. Zu bemerken bleibt, dass 

die Zählung von 1888 keinen einzi- 
gen Fall eines tOtHährigen erwie- 
sen hatte. IHese 563 Senioren ver- 
teilten sich nach ihrem Zivilsland 
wie folgt : 

Ver- Ver- Ge- 
bt* heira- wit- schie- 
dige tele wete dene Total 
Männer 24 '24 181 '2 -231 
Frauen 44 5 282 I :«2 
her Konfession nach waren 323 
reformiert. 239 katholisch und 1 is- 
raelitisch, während die Mutter- 
sprache bei HU deutsch. I.Y» fran- 
zösisch, Fi2 italienisch, 14 romanisch 
und 1 englisch war. hie Vertei- 
lung nach der Konfession entspricht 
dem allgemeinen Verhältnis, die- 
jenige nach der Muttersprache er- 
gibt : für das Deutsche 60°/„ (Ge- 
samtbevolkerung 70 %,), für das 
Franzosische 28% (anstatt 42%), 
für das Italienische 9 °!„ (anstatt 
7 ";„) und für das Homanische 2°/ n 
(anstatt 1 °/ 0 ). Auf die einzelnen 
Kantone verteilen sich die Vetera- 
nen wie folgt: Item 74, Waadt 58, 
Tessin 48. Aargau 48. Zürich 44. 
Neuenbürg 32. (irauhunden 30. Genf 
25». St. Gallen 26, Wallis 25. Thur- 
gau 22, l.uzern 20. Sololhurn Iii. 
Illnrus 13. Itasel Land. Schallhau- 
sen und Freiburg je II, Kasel Stadt 10. I ii 9, Schwyz 
und Obualden je b, Zug 5, Appenzell A. lt. 4. Appen- 
zell I. It. 3, Nidwaiden 2. An dieser Verteilung sind 
Mittelland und Gebirge beteiligt, doch scheint es, ala 
ob Tessin < irauhunden. Glarus und L'ri zu stark. Zü- 
rich. Sl. Gallen, Solothiirn, !• Teilung und llascl M.iilt da- 
gegen /u schwach vertreten seien. 

Soweit man aus den Zählungsergebnissen schliessen 
darf, weist die Schweiz eine ziemlich lange mittlere Le- 
bensdauer ihrer llewohner auf, während das Verh.iltnis 
der 100jährigen an dasjenige anderer Länder nicht heran- 
reicht. 

i). Hrmiat. Wir kennen kantoiisweise die Verteilung 
der Gesamlbevolkerung in llurger des eigenen Kantons. 
Iturger anderer Kantune und Ausländer, hie immer 
leichter und bequemer weidenden Verbindungen von Ort 



VAtl/njer SC 



200000 



ir,uüoo 



00000 



50000 



— 0 — 



60000 



100 000 ISO 000 Pnr-som-n 



M-8B 



IMi 



Z0-2:, 



0-5 




Ausländer 



Altersklassen 



Unterscheidung der gesamten Itevfllkernng- von 1'juO nach Jabrfonfeu dar Geburt und nach dem OeMbleckl. 



Zusammen also 231 Männer und 332 Frauen, von denen 1 zu Ort. 
die Zweitälteste, eine Tessinerin, 1908 im Alter von 106 | Trieb, 



der Geschmack am Wechsel des Wohnsitzes, der 
ausserhalb der eigenen Heimatsgemeinde das 



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10 



SCIIW 



SCHW 



Glück zu suchen, und noch weitere Faktoren bedin- 
gen eine stets zunehmende Verschiebung der die Wohn- 




lUiHimi 



EOOOOO 



bevolkerung zusammensetzenden 
mente : 



Bürger ihrer Wohn- 
gemeinde . . . 

Burger anderer Ge- 
meinden ihres 
Wohnkanlons . . 

Bürger anderer Kan- 
tone 

Ausländer .... 

Bürger ihrer Wohn- 
gemeinde . . . 

Bürger anderer Ge- 
meinden ihres 
Wohnkantons . . 

Bürger anderer Kan- 
tone 

Ausländer . . . . 



Di« Aunlander in der Schwei* voo 1850 bis 190U. 
verschiedenen Ele 
1870 



1850 
i 532 604 

1531 iM 

157 an 

71 570 
188») 



I800 
I 474 Ol I 

094 057 
2*2»? 843 

1888 



I 442 301 



781 003 

SN 030 
150 907 
1900 



ten Bürgern von Chardonnay (Waadt) nur ein einziger 
in seiner lleimatgemeinde wohnt. 

b) Eine zweite Bubrik 

der Ausscheidungen urn- 
fassl die Bürger ande- 
rer (iemeinden ih- 
res Wohnkantons, die 
die erste Etappe der 
Auswanderung markieren 
Ihre l'roportional/.ahl auf 
je 1000 Ew. ist im Zeit- 
raum 1850-1901) von 264 
auf 315. d. b. etwa von ei- 
nem Viertel auf ein Lirit- 
tel angewachsen. Den stärk- 
sten Prozentsatz zeigen na- 
türlich die grossen Kan- 
tone, da sie für die Wan- 
derungen im Innern den 
weitesten Baum bieten. In 
dieser Beziehung lassen 
sich die Kantone in fol- 
gende i eihe einordnen : 

Bürger anderer (iemein- 
den ihres Wohnkantons: 



300000 



i :tnt» 873 i :$:*< 505 i 27»; \m 



880 787 



909 358 1015 112 



378 407 151 000 913 

211 035 229 050 383 424 
<ii Burger ihrer Wohngemeinde. Die Zahlen für 
die autoi-hthonen, d. h. noch in ihrer lleimalgemeinda 
wohnhaften Burger sind sowohl relativ als absolut in ra- 
scher Abnahme begriffen. Auf je 1000 Ew. entfielen Bür- 
ger ihrer Wohngeineindc im Jahr 1850: 040. 1800: 587. 
1870 : 540. 1880 : 487. 1888: 459. 11100 : 385. Bas um 
die Mitte des Jahrhunderts auf nahezu */j sich stel- 
lende Verhältnis i*t somit l»is 1900 auf etwas mehr als 
'/;, gesunken. 

(ianz verschieden erscheinen in dieser Beziehung die 
einzelnen Kantone gestellt. Die autochlhone oder « boden- 
ständige • Bevölkerung hat noch die Majorität in folgen- 
den Kantonen mit zahlreichen ÜrUbürgern : 



ImIm 

Basel Stadt 
Appenzell 1. B 
Zug .... 
Schaffhausen 
Glarui . . 
Genf . . . 
Obwalden 
Sololhurn 
Uri . . . . 
Wallis . . . 
Nidwaiden 
Schwyx . . 
Tesnin . . . 



0 
15 
128 
133 
157 
159 
102 
173 
IT!* 
184 
185 
194 
198 



Basel Land 
Graublinden . 
Aargau . . 
Neuenburg . 
Zürich . . . 
St. (Jallen 
Thurgau . . 
Freiburg . . 
Appenzell A. B. 
Waadt . . . 
I.u/ero 

Bern . . . 



247 
255 
250 
250 
2»»< 
299 
312 
345 

•HUI 

oon 
399 
500 
542 



Appen/eil 1. B. 
Wallis . . 
Obwalden 
Uri . . 
Nidwalden 
Glarus . 



B58 Ä / W 
715 * 
050 » 
013 . 
603 i 
003 • 



Schww . . . »*■»«>"„ 

Aargau . . . 580 » 

Tessin .... .558 o 

Schaffhausen . 515 * 

Graubunden 514 « 



Während die Gemeindebürger im Jahr 1850 noch in 21 
Ständen die absolu e Mehrheit bildeten, hatten sie diese 
1900 blos noch in II Ständen behauptet, die alle Land- 
kantone sind. Weniger als einen Drittel Burger ihrer 
Wuhngemeinde zeigen folgende Kantone: 
Appenzell A. B. . SB*/« Waadt ... 280« 
Bern .... 320 » Basel Stadt . . 249 

Thurgau . . . 323 » Neuenburg . . 194 » 

Luzern .... 313 » Genr .... 170 * 

Die Zerstreuung der Gemeindebürger schwankt in einem 
sehr beträchtlichen Verhältnis. Als lleispiele aus vielen 
führen wir blos an. dasa kein einziger der 330 in der 
Schweiz niedergelassenen Bürger von Bremgarten 
(Kanton Bern) in seiner lleimatgemeinde ans;issig ist 
und dasa von den 402 über die ganze Schweiz zerstreu- 



PerlOOüLi 



fTW. 



600 



500 



MO 



300 



200 



100 



































































den ih 


3£ 






rikarrt 


ons 


















rerß 



































600 



500 



000 



300 



200 



100 



isso 



60 



0 

lÜOOJahre 



70 80 88 

\\T'&>r# Xt?.' ' * Alt. yrtc 

Verteil d r OftnamlbevAlke'uni; vud IS.V) bis 1900 Darb dem 
H- iin* verballan (auf je lOÜO Bawotiner bore.hnrti. _J 

Es wohnen somit im Kanton Bern mehr als die Hälfte 
der Bürger einer Gemeindeausserhalb derselben in andern 



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SCHW 



SCBW 



11 



Gemeinden des Kantons. Wenig bekannt ist im Allge- ■ zahlt, 
die Gesamtzahl der Bürger jcJes einzelnen Kan- | 



Bern • • . 
Zürich . . 
Aargau . . 
Waadt . . 
St Gallen 
Luzern . . 
Freiburg . 
Tessin . . 
Thurgau . 
Wallis . . 
Solothurn 



3i 1900 in per Schweiz wohnenden B Cur; kr 

JEDES EINZELNEN KANTONES. 

n 



lässt sich sein gewichtiger Einfluss auf alle 
Angelegenheiten besser begreifen. Die 
Anzahl dieser Berner Buruer kommt 
beinahe der Summe der Burger der 
15 in unserer Tabelle an letzter Stelle 
aufgerührten Kantone gleich. 
cl Die in einem andern als ihrem 



Total 
aller Barger 



III! 

» • - ■ 
■ ■ ■ 



tram 

305 703 
251 665 

n in 

msa 

153 747 
12-2 427 
114 498 
113 9-21 
109475 
90134 
89 836 
7-23«; 



23 
15 
31 
14 
19 
23 
M 

8 
37 

6 
27 
11 
21 



Basel Land . . 
Schwyz . . . . 
Appenzell A. B. 

Genf 

Sehn (Ihausen . 

Glarus 

Basel Stadt . . 

Uri 

Zug 

Appenzell 1. B. 
Obwalden . . . 
Nid wählen. . . 
Schweiz . 



Total 
aller Borger 


itss 
« c iS 
> °Z M 


«2 SiM 


29 


58 415 


25 


55 61« 


31 


47 632 


9 


42 1X8 


30 


34 524 


29 


34 2IV7 


15 


19 381 


19 


19 198 


28 


17 458 


32 


I4K43 


IT 


14 311 


28 


2032 Ö19 


2t 



tones, die voo der Gesamteinwohnerzahl der Kanlune 
erheblich abweicht und sich zusammensetzt aus den da- 
heim, d. h. im eigenen Kanton, und den anderswo, d. h. 
in andern schweizerischen Kantonen, wohnenden Bür- 
gern. Wir geben daher in vorstehender Tabelle diese Ge- 
samtzahlen der Bürger jedes einzelnen Kantones und fu- 
gen den Prozentsatz der ausserhalb ihres Meimaikanlones 
niedergelassenen Bürger bei. 

Wie man sieht, weicht die Beihenfolge der Kantone 
mit Bezug auf die Anzahl ihrer Bürger erheblich von der- 
jenigen mit Bezug auf die Gesamtbevolkerung ab. Die 
Verhältniszahlen der in andern Kantonen niedergelas- 
senen Bürger eines Kantons sind für die Kantone der 
deutschen Schweiz weitaus grösser als für die übrigen 
Landesgegenden. Alle rein französisch sprechenden Kan- 
tone, sowie Freiburg, Wallis, Tessin und sogar Grau- 



Heimatskanton wohnenden Schwei- 
zerburger stellten 1850 Ötl % 
der Gesamtbevolkerung dar, welches 
Verhältnis dann bei jeder folgenden 
Zahlung zugenommen hat : 1860. 
90 V; t^O, 110%,; 1880. 133%; 
1888, 151%; 1900. 184%,. Die in 
dieser Hinsicht zwischen den ein- 
zelnen Kantonen sich offenbaren- 
den grossen Unterschiede erklären 
sich aus ihrer geographischen und 
materiellen Lage, aus der Anzie- 
hungskraft der einzelnen Kantons- 
hauptorle, dem Aufschwung der ver- 
schiedenen Industrien etc. Ihrer Lage 
jenseits bedeutender Alpenkelten ha- 
ben esdcrTessin und dasWallis zuzu- 
schreiben, dass Bie von der Einwan- 
derung von Schweizern aus andern 
Kantonen noch am wenigsten ver- 
spürt haben. 

Die Beihenfolge der Kantone nach 
der prozentualen Anzahl der in ihnen 
wohnenden Schweizerbürger anderer Kantone ist fol- 



gende : 

Tessin . . 
Wallis . . 
Graubünden 
Bern . . 
Appenzell [. B 
Aargau . . , 
Uri . . . , 
Luzern . . , 
Freiburg 
Schwyz 
Obwalden . 
Nidwaiden 
Scha (Ihausen 
Zu bemerken 



Glarus . . . 
Waadt . . . 
Zürich . . 
Thurgau . . 
St. Gallen 
Basel Land . 
Appenzell A.B. 
Genf . . . 
Solothurn 
Basel Stadt . 
Zug .... 
Neuenbürg 



192% 



210 
231 

232 
232 
239 
253 
274 
.SO" 
301 
370 
440 



beiden Kantone Neuenburg 
eine weit stärkere I'ropor- 



Bünjer der Ver. Staat!» 
Hu 

Briten 

And. Deutsche Bürger 
LIsjss- Lothringer 
3\ trn 




Österreicher tt Unga 




■ttern berger 
Ml Franzosen 

j Ba.Ui 



rns<T 



- 



: 



! Italiener 



isüliuortrs 



24 ft ,o., 

29 . 

88 » 

9t • 

103 o 

115 I 

135 » 

143 • 

144 • 
152 ■ 
157 . 

ioo • 

1(58 » 
ist, dass dir 
und Genf noch 

tion aufweisen wurden, wenn sie durch ihre 
Gesetzgebung die Einbürgerung der Schweizer 
nicht in weitgehendem Mass erleichtert hat- 
ten. Unter den am meisten von den Bür- 
gern anderer Kantone überschwemmten Stän- 
den belinden sich nicht blos diejenigen mit 
bedeutenden Stadien, sondern z. B. auch Zug, 
Basel Land und Thurgau. Immerhin bleibt 
aber die Anziehungskraft der Städte als wich- 
tiger Faktor. Die Anzahl der in den 19 Städ- 
ten über 10000 Ew. angesiedelten Schweizer 
aus andern Kantonen betrug 1850 noch 52931, 
1870 schon das doppelte <103769| und 19U0 
schon beinahe das fünffache (238427). Die 
Extreme sind die Stadt Bern mit 221 %, und 
La Cham de Fonds mit 518%,. Neuenbürg 
nähert sich mit 483 % der Hälfte. Das Mit- 
tel Tür alle 19 Städte beträgt 321 %,, d. h. 
nahezu l/ a ihrer Gesamtbevolkerung. Im Jahr 
1900 zahlten der Kanton Tessin auf 205 Ge- 
meinden deren 157 und der Kanton Wallis auf 
10(5 Gemeinden deren 77, in denen kein ein- 
ziger Schweizer aus einem andern Kanton 
sich niedergelassen halte. Andererseits lin- 
den wir einige Gemeinden, in denen das kan- 
tonsfremde Element sogar noch die Propor- 
tion für La Chaux de Fonds übersteigt, wie 
Derendingen (Solothurn) mit 67 %. Cham 



(Zug) mit 64 % Obergerlalingen (Solothurn) 



Schwei» nach ihrer Heimat io den Jahrea ISflO. 18SS 
uud 1900. 

und Vaumarcus (Neuenburg) mit ie 63%. 
stehen in dieser Beziehung weit hinter dem Ge- i Es ist von Interesse, den neuen Wohnort der in einen 
samtmittel für die Schweiz zurück. Bedenkt man, dass andern Kanton des Landes ausgewanderten Bürger jedes 
der Kanton Bern 70O00 Bürger mehr hat als er Einwohner | einzelnen Kantones festzustellen. Dabei i*t es eine be- 



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12 



SCHW 



SCHW 



kannte Tatsache, dassdcrfcrn von »einer llcimalgemeinde 
in einem andern kanlon Wohnende »einen Heimatort oft 
Kar nie gesehen hat. Wir Wullen daher diese in andern 
Kantonen Niedergelassenen in folgendem in der offiziellen 
Reihenfolge der Kantone und unter Abrundung der betref- 
fenden Zahlen anfuhren. 

I. Zürich . 44 (XX) idavon 7400 in St. (.allen. fiTtMl in llern, 
5800 im Thurgati, 4UX) im Aargau. 33U> in Basel Stadt. 
'2800 in der Waadt. 230» in SehafThausen, je IUXMUX) 
in Luzern, Neuenbürg, Genf, (iraubünden, Appenzell A. 
H., Glarus und Solothurni. 

i. Hern: IM 000 (davon 33800 in Neuenburg. '27.KM3 in 
der Waadt. 19500 in Solothurn. 1*2(100 in Zürich, 10400 
in Freiburg, je 3000-8UM) im Aargau, in Genf, Basel Stadt, 
Luzern, Basel Land, Thurgnu und St. Gallen/. 

3. Luzern: 35000 (davon (»KM) in Zürich, je 3UM3-4UM) 
im Aargau und in Bern. je '2UX)-."liXX) in Zug, Solothurn. 
Basel Stadt und St. Gallen, je llXXt bis '2000 in Schwyz, 
Freiburg, Thtirgau und Waadt). 

4. Uri: 3700 (davon 700 in Schwyz und UX> in Luzern). 
ß. Schwyz: 14500 (davon 5000 in Zürich, *2TXX) in 

St. Gallen, je |I«XI in Zug und I.u/ern). 

6. Obwalilen: *25U) (davon je 5UMRXI in Luzern und 
Nid wählen I, 

7. Nidwaiden : 4000 (davon tl. r iO in Luzern und K50 in 
Ob wählen). 

H. Glarus: 10000 (davon je 3000 inSt. Gallen und Zürich, 
GlXhn Bern). 

9. Zug : 5300 (davon 17IX) in Zürich. XX) in Scliwjz), 

10. Freiburg: 17000 (davon 7000 in der Waadt. 3000 in 
Neuenbürg, *2~U) in Genf, '25U) in Bern). 

II. Solothurn: 84500 idavon 83U» in Bern. 3UX) in Basel 
Stadt, 21UI in Basel Land, 2800 in Zürich, je MIX) im 
Aargau und in Neuenbürg i. 

1*2. Hasel Sladt: 5*200 (davon je etwa 1000 in Zürich. 
Basel Land und Bern). 

13. Kasel Und: 18000 (davon 10000 in Basel Stadl. 
•2INH) in Bern. BÜXi in Zürich, {nxi in Solothurn!. 



15. Appenzell A. R. : 17000 (davon 10000 in St. Gallen, 
23U) in Zürich, 1700 im Thurgati). 

Iii. Appenzell LR.: 5700 (davon 3*200 in St. Gallen. 1500 
in Appenzell A. Ii i. 

17. St. (lallen : 39000 (davon 1 1 000 in Zürich, je fi8U> in 
Appenzell A. R. und Thurgau, je 1000 bis 8000 in Bast i 
Stadt. Glarus und Bern). 

18. (iraubünden: 9500 (davon 2400 in St. Gallen, 2000 
in Zürich). 

19. Aargau: TU 000 (davon -2h (XX) in Zürich. II (XX) in 
Bern, 71100 in Basel Stadt, je 4UMJ-5UX) in St. Gallen. 
Solothurn und Luzern. 3800 in Basel Land, 3500 in der 
Waadt. 2500 im Thurgau. '2000 in Neuenburg, 1900 in Zug, 
ltüxi in Genf). 

'20. Thurgau: 4*2000 idavon 15400 in St. Gallen. 13000 
in Zürich. 2400 in Berti, JUX) in Appenzell A.R., je 1000- 
*2UM) in Basel Stadt und St-hafThause n). 

21. Tessin: 971X1 idavon je I lOD-lt(X) in Bern, Grati- 
bündeii, Waadl und Neuenburg). 

•2*2. Waadt: 31 UM) (davon I4UXJ in Genf. 8200 in Neuen- 
bürg. :tUMj in Bern. I!XX) in Freiburg). 

23. Wallis: 8700 (davon 35U» in der Waadt, ItiUD in 
Genn. 

*2i. Neuenbürg : I.MÜXI idavon Ü2UI in Bern, 451X3 in der 
Waadl. *25UI in Genf). 

95. Genf: 4000 idavon 21 XX) in der Waadt. 700 in 
Neuenbürg). 

Die grossen Zahlen betreffen ausnahmslosdas wichtigste 
der beiiachharten Allraklionszentreti. (°m abzukürzen, 
haben wir im Allgemeinen die Zahlen unter t(XX) wegge- 
lassen. 

Eine den Bcvolkeningsatistausoh innerhalb der Schweiz 
teigende Tabelle der eidgenössischen Statistik über die 
kantoiisweise Zahl der in der Schwei/ geborenen Ein- 
wohner und der in der Schwei/ wohnenden Gehurtigen 
desselben Kuiilones beweis!, dass Idos 8 Kantone einen 
Uehersehiiss der Kinwaiiderung aus andern Kantonen 
haben, wahrend in allen übrigenKaiitoneii ilie Aus- 




n </ eilig MjL ßurrju 



Die Ausländer in der Schweiz 1900, 



14. SehafThausen: 15000 (davon 74U) in Zürich, je 1000- | Wanderung ihrer Angehörigen nach andern Gegenden 
1300 in Bern, St. Gallen und Thurgau). I der Schweiz uberwiegt. Auf je IU) Gebürtige kommen 



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SCIIW 



SCIIW 



13 



t. R. im Kanton SchafThauscn bloa 87, im Aargau (Ueher- 
trhuss der Auswanderung 262341 bloa 88, in Appenzell 
1. R. HO. in Hern (L'eberschuss der Auswanderung , r v>496) 
SM Einwohner. Die acht Kantone mit mehr Einwohnern 
al* Gebürtigen sind: Kasel Stadt mit 145, Genf mit BIN. 
Zürich mit 115, Neuenbürg mit 113. Zug mit 1X7, Waadt 
mit 105. Solothum und St. Gallen mit je I03«/.,. Die Be- 
trachtung der einzelnen Bezirke ergibt auf die 187 Bezirke 
der Schweiz deren 51 mit einem l'elicrschuss der Ein- 
wohner über die Gebürtigen. Die Maximalzahlen zeigen 
die Bezirke Solothurn mit 153, Zürich mit 158 und Biel 
mit 162"i' 0 . Am stärksten werden von der Auswanderung 
im Innern betroffen die Bezirke Laupen mit 72, Schwar- 
zenburg (Bern) mit 09 und Sehleitheim mit Mo- 62 Kin- 
wohnern auf je 100 Gebürtige. 

Wir »eben somit, dasa mehr all */-, aller schweizerischen 
Itezirkc vom letzten Drittel beständig « ausgesogen » wer- 
den. Wenn ihre schweizerische Bevölkerung auch nicht 
uberall abnimmt, so behalten sie doch hlos noch einen 
Teil der in ihnen Geborenen, während die übrigen von 
den 51 mehr begünstigten Bezirken angezogen werden. 

d) Ausländer. Das Verhältnis der Ausländer zur Gc- 
simtzahl der Bewohner der Schweiz ist von 30 m im 
Jahr 1850 auf MH'Vu) im Jahr 1900 angewachsen und hat 
sich somit in diesem halben Jahrhundert nahezu vervier- 
facht. Heute entfallen auf je 100 Kinwohner nahezu 12 Aus- 
länder. Der lleberflutung durch die Ausländer sind in 
erster Linie die Grenzkantone ausgesetzt. Mit Bezug auf 
den prozentualen Anteil der Ausländer an der Gcsaml- 



Kanton Ausländer 

Appenzell A. B 48 

Aargau 49 

Schwyz 54 

Wallis 72 

L'ri 73 

Zug 80 

Neuenbürg 104 

Basel Land 109 

Waadt 111 

St. Gallen 114 

Thurgau 133 

Graubünden 143 

Znrich 183 

Schalihausen 184 

Tessin 22t t 

Basel Stadt 381 

Genf 397 

Alle Kantone mit mehr als 10 % Fremden sind Grenz- 
kantone. Biese Durchdringung mit fremden Kiementen 
macht sich nicht hlos in grosseren Städten, sondern auch 
im ganzen Land bemerklich, wie folgende Zusammenstel- 
lung zeigt: 

Ausländer Ausländer Zuwachs 

lH5o imo ° 
19 hauptsächlichste Städte 30 488 186 491 612 
lebrige Schweiz . . .41082 196 933 479 
Total . 7157Ö SSSm 536 




1 : 2 30Ö 000 



Verteilung der KeicleulouWchen in der Schwei* 1900. 



betolkerung reihen sich die einzelnen Kantone folgender- 
maßen auf : Ausländer 
Kanton "/m 

Appenzell LR 24 

oUalden 31 

Freiburg 34 

Bern 41 

Solothurn 42 

Luzern 44 

Nidwaiden 46 

Glarus 48 



Bas Maximum für die Städte wird erreicht von Gross-Genf 
u. Basel (Stadtbezirk), wo die Ausländer je fsjd. h. 406 und 
3KI" ,„1 der tiesaintbevolkeniiig umfassen. Bann folgen Zü- 
rich mit 290° Sehainunisen mit 2S5«' on u. St. Gallen mit 
274 ",■'„,. Noch stärkere Anteile an Ausländern weisen fol- 
geudf Gemeinden auf: Emmishofen (Thurg. )u.Chene Bourg 
(Genf) mit 60resp. 54°,',,, d. h. mehr als der Hälfte Ausländer. 

Dieser ansehnliche Prozentsatz des ausländischen Ele- 
mentes bildet eine Gefahr für unsere nationale Selbst- 
ständigkeit. Iii einsichtiger Würdigung dieses l'mstandes 
fordert denn auch der Bund die Einbürgerung der Aus- 



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14 



SCHW 



SCIIW 



lander soviel als möglich. Ein Drittel (36 oder" 137475 
Kopfe) der Ausländer sind in der Schweiz geboren und 
durften daher der Assimilation leichter zugänglich sein. 
Ihe in der Schweiz lebenden Ausländer gehören folgen- 
den Heimatländern an : (1888) I'.mi 

deutsches neich (112 342) 168 451 

Italien (4188t) 117 059 

Frankreich (53027) 58 522 

Oesterreich-Ungarn .... (14181) 24 433 

Grosshriiannien (2577) 3 535 

Hussland (1354) M00 

Vereinigte Staaten (Wii I 559 

Liechtenstein (?) I QM 

Niederlande (375) 916 

Belgien (510 TV.» 

Spanien (3201 679 

Dänemark i252i 57.'> 

Hutn.inien . . . . .... (124 309 

Bulgarien (70) 242 

Schweden 145 1 24« i 

Türkei .6T»! 222 

Luxemburg i'."') 18t 

Griechenland |I20 147 

Norwegen (30) K>5 

Portugal (8) 74 

Serbien |32) 06 

lirasilien (84) 168 

Argentinien (63) 90 

Canada (23) 50 

Mexiko (10) 19 

lehnges Mittel- ti. Südamerika (91) 215 

Asien (101) 311 

Afrika (70) 231 

Australien (47) 50 



(1888) 1900 

Flsass-Uthringen (0 814) 11099 

Königreich Sachsen (2 721) 4 201 

Hessen — 2 523 

Sachsen-Weimar — füll 

Hamburg — 450 

Sachsen-Kohurg-Gotha .... — 405 

Mecklenburg-Schwerin ... — 390 

ilraunschweig — 341 

Alle übrigen 14 kleinen Staaten i selbst «las Fürstentum 
Schaumburg-Lippe) sind ebenfalls mit Angehörigen ver- 
treten, zusammen 1953. 

Die meisten Deutschen zählen Zürich mit 40706, Dasei 
Stadt mit 36654. St. (lallen mit 17000 und Thurgau mit 
1 1 572. hie Hallenser bilib-n 60 " „der deutschen Kolonie in 
Hasel, wo auch die Württcmhcrgcr und Flsässer zahlreich 
vertreten sind. Alle übrigen deutschen Staaten haben die 
Grosszahl ihrer Angehörigen in Zürich. Von den ( >e*terrei- 
chern (23433) und Ungarn i978; leben je rund TOOOin Zürich. 
5400 in St. Gallen. 2100 in Graubunden und 1100-1200 
in Hern und Thurgau. Ilaliener: 29300 im Tessin. 14100 
in der Waadt. 12. 'MI in Zürich, 10200 in Genf, je 7700 
in Hern und Graubünden. 6600 im Wallis, 5000 in St. Gal- 
len. Von allen Ausländern in der Schweiz zeigen die 
Italiener den grossten Zuwachs, indem sich ihre Zahl 
1>*<8 bis HM) nahezu verdreifacht hat und während der 
letztvergangenen Jahn- noch mehr angewachsen zu sein 
scheint. — Von den 58500 Franzosen wohnen 34300 in 
Genf. ,,00 in der Waadt. 5500 in Hern. 4400 in Neuen- 
bürg und 1800 in Hasel Stadt, hie Liechtensteiner ver- 
teilen sich in der Hauptsache auf St. Gallen und Zürich, 
die Spanier auf Zürich. Hern und Genf, die Belgier auf 
Genf und die Waadl. die Niederlander auf Waadt. Grau- 
bünden, Zürich und Genf, die Skandinavier auf Zürich, 




d ndg l/blkxtahlung 



Verteilung der Miltner io der Schweiz 1900. 



Hie Hcirhsdeutschen verteilen sich auf folgende Fin- 
zelstaaten: (1888) l!«m 

Baden (47 21 Ii 65 201 

Württemberg (31588) 46 280 

Preussen (11 724 ) 20 656 

Baiern (7 765) 13 748 



die Hussen auf Genf, Zürich. Hern und die Waadt, die 
Amerikaner auf Waadt. Zurieh und Genf, die Afrikaner 
und Asiati n endlich auf I. ruf. Man sieht, daMi «ich viele 
Ausländer da aufhalten, wo Hochschulen bestehen. 

Von den 35*3 424 Ausländern sind 199885 männlichen 
und 183539 weiblichen Geschlechts. Etwa 30% (112316) 



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SCHW 



SCIIW 



15 



sind in den Kanton, wo sie gegenwärtig wohnen, ge- i 93 °/ w aller Bewohner der Schweiz sind im Ausland ge- 
boren ; 35150 sind in einem andern Kanton und '245949 I boren. Dieses Verhältnis übersteigt \0O°j m in den Kan- 



f H A N Z O S L Nj 
Jfc» /-m&ttzrr od Frtni 




lOSTLWBtlCHtR' " 



1:2300000 



rlelluug der tranzotm und der Oeaterreurtier in u>r vbwn ItM». 



Protestanten 

ttidwalden 170 . 

fJbwu/den 249 

#V 773 

Applrffh. 833 

Hb/fo 1610 

Zug 1700 

Schwyx 1838 

Zessin 2209 

Luzern 12085 

freiburg 13306 

C/srus 21403 

So/ot/ium 31012 

SchafThausen 34016 

ipfijtßk »9797 

Base/Land . . 32763 
Craubünden . . 55155 

Genf 62qoo 

Base/ Stadt . 73063 

Thurqau 77210 

StGa/fen 99IK» 

Neuenburg 107291 

Aargau 114176 

Waat/t 242811 

ZOnc/t 345446 

Bern 506699 




Katholiken 

54-10 App. Arft/r. 

7403. SchaFfliausen 

7918 Clarus 

12665 ApphRh. 

12899 Nidwaiden 

15009 Ob*atc/cn 

15561 Basel-Land 

17731 .Neuenburg 

18924 Uri 

. ZL/urgau 
36980 Waadt 
37101 Base/Stadt 
19 1 12. . Graubünden 
53537. Schvvyz 
SH&> Senf 
694«. Sololhurn 
mm . Bern 
80752 Zürich 
91039. Aargau 
108440. Freiburg 
112584 Wa/Lis 
134010 Luzern 
135828 Zessin 
150112 S*Ga//en 



Konfessionelle Rangordnung der einiehien Kanton« nach der Zahlung von tiwu. 



Attinger sc. 



oder" 5 , im Ausland geboren 



36t 28K" Katholiken, 
fession. 



100200 sind Protestanten. 
7292 Juden und 2644 anderer Kon- 



tonen Thurgau 1106), Graubünden (121). Zürich (128). 
Schaphausen (141). Tessin (158). Hasel Stadt (310) und 
Genf (343). Das entgegengesetzte Extrem zeigen Appcn- 



Google 



16 



SCHW 



SCIIW 



zell [. R. (Zio/ao). Ohwalden (28) unil Freiburg (29). Es 
ist begreiflich, dass die Assimilation in einem Kanton, 
wie z. B. Genf, wo >on je 3 Einwohnern einer im Aus- 
land geboren ist , schwierig wird. 

7. Kinburyerunn . Die Vermehrung der schweizerischen 
Bevölkerung durch Einbürgerung erreicht bei weitem 
nicht die Zahlen, die unser in enormen Prozentsatz von 
Ausländern entsprechen würden. 



Die beiden an letzter Stelle stehenden Gruppen sind 
nicht absolut miteinander vergleichbar. 1850 unterschied 
man Mos 3 Gruppen : 1860 und 1870 fügte man eine Gruppe 
• andere, christliche Konfessionen» bei. während der Titel 
der vierten Gruppe • Israeliten und NichtChristen • lau- 
tete. Seit 1880 bilden die Israeliten die dritte Gruppe, 
wahrend die vierte alle Personen einer andern Konfession 
oder ohne Konfession umfasst. 



K v\ i,in>v> i im vi:n neu. i m, i»i:k m-;v.ir.KKi;i nl naüh ihm konkv^ihN 

(Vnrtfli'u-h ?viis-!l.«i) -leii /»hluii|.'«ti wo 1 ».Vi utei !■'«• I 



KüTiton 


l'iotestanlen 




katlmliken 




Israeliten 




Andere 


1850 




pmi 


>l ism» 


i • i 


lom 


1%. 




lOOii 




IStÜi 




l • 


— 

Zürich . 


213028 


073 


3 t:. J4r> 


Ml '2 


1) »KU» 


27 


S( i 7.V2 




I,s7 


1 S. 


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15 


Zunahme 




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1895-1904 wurde im Ganzen folgenden Gesuchen um 
Einbürgerung entsprochen ; 

Zahl der 

Jahr Einbürgerungen Jahr 

o40 19(K) 

. . . . 7«9 1901 

1897 .... 706 1902 

1898 .... 800 1903 

1899 .... 779 1904 



Zahl der 

Einbürgerungen 



919 
408 
458 



Wenn wir auf jeden aufgenommenen Bewerber im 
Durchschnitt eine Familie von 3'/ 4 Personen zahlen, er- 
halten wir für die aufgeführten 40 Jahre eine durch Ein- 
bürgerung erfolgte Zunahme der Bevölkerung von 24800 
Köpfen. Am meisten solcher Einbürgerungen linden in 
den Kantonen Genf. Zürich und Basel Stadl statt. 

8. Konfe»$ioti. Wir sehen uns an dieser Stelle nicht in 
der Lage, für jede einzelne Volkszählung die kantons- 
weise Verteilung der Bewohner nach ihrer Konfession zu 
geben. Während wir also für alle Zählungen blos die 
Gesanitresultate der einzelnen Konfessionen anführen, 
wollen wir es nicht unterlassen, für IS50 und für 1900 



Jahr der Zählg. 


Protestanlen 




Katholiken 


0 


4850 


1 417 78« 


54$ 


971809 


400 


1SIJO 


1 478501 


589 


1 021 821 


407 


1870 


1 51» 347 


587 


1 084 .309 


406 


1880 


1 667 109 


586 


1 160 782 


408 


1888 


1 716 212 


588 


1 184 164 


406 


1000 


I 910 157 


578 


1 379 «ii 


416 


Jahr der Zählg. 


Israeliten 


<v 


Andere 


"/.» 


1850 


3 145 


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18H0 


4 216 


2 


:»806 


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1870 


I i 990 


3 


1 1 435 


i 


ISMO 


7 373 


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I0H3S 


4 


1888 


8069 


3 


9 309 


3 


I«» 


12-264 


4 


7;cw 


2 



Biese Tabelle zeigt die starke gegenseitige Durchdrin- 
gung der verschiedenen Konfessionen infolge der Volks- 
verschiebungen im Innern des Landes und der Zuwande- 
rung von Aussen her. Bei Betrachtung der absoluten 
Zahlen zeigt sich, dass die Beformierten mit Ausnahme 
von Glarus und die Katholiken mit Ausnahme des Aar- 
gaues überall in der Zunahme begriffen sind. Der Aar- 
gau ist zugleich auch der einzige Kanton, in dem die 
Zahl der Israeliten abgenommen hat. Diese Ausnahmen 
abgeredinet, hat uberall die in Minderheit belindlirhe 
Konfession auf Kosten derjenigen der Mehrheit zuge- 
nommen. Im Kanton t.enf haben sich Minorität und Ma- 
jorität sogar gegenseitig verschoben. 

Hie stärkste Zunahme der Beformieiten zeigen Solo- 
thurn ivon 12 aur3l%» und Luzern (von 1 auf8" „>. die 
bedeutendste Zunahme der Katholiken dagegen Zürich 
hon 3 anr I9",,). Glarus n-on 13 auf25%i. Hasel Sta<it 
(von 18 auf :«" „|. Schallliausen ( von 4 auf 18" J. Waadt 
iaoii 3 auf 13" „l, Neuenburg iu>n 8 auf 14 n „; und Genf 
(von 46 auf 5t ",„i. An dieser Zunahme der Katholiken seil 
ISSN beteiligt Hieb in beträchtlichem Mass die Einwande- 
rung von Italienern in die Schwei/. 

Die gegenseitige Durchdringung der einzelnen Konfes- 
sionen macht sich wie in den Kantonen so auch in den 
einzelnen Bezirken und Gemeinden geltend. 

Die Israeliten, deren Zahl sieh während des halben 
Jahrhunderts vervierfacht hat. sind fast ausschliesslich 
in den grn>-ei n Städten ansässig. Die beiden Aargauer 
Gemeinden OberEndingen und I.erignau i Bezirk Zur- 
zaclo die im Jahr 1N50 noch 990 be/.w. 525 Israeliten 
zählten, zeigten 1900 deren blos noch 263 bezw. 110. 
wie ihre Zahl auch in Avcnchc* von 233 auf 96 zurückge- 
gangen ist. 

Die letzte Gruppe, die die Angehörigen anderer oder 
keiner Konfession umfasst, weist lieilenl. nde Zahlen blos 
in Zürich, Bern und Genf auf. 



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SCHW 



17 



Di«' IU volksreichstcn Släiltc der Schweiz sind von 
191900 zu 482733 »..formiert.-», von «000« zu 245604 



r Ausdienen beiden Tabellen über die absoluten und über 
die relativen Ergebnisse heben wir noch einige interes- 



KäNTONSWFJSE UNTKRÜCHKini-Nii l>KH IlKSAMTHKVol KKIH N«; VON IS80-I900 NACH OKU Ml TTEMSI'KACIIE. 

a) Absolute F.rgebnis 




kanbn 



Deutsch 



1. Zürich . . . 

2. Bern . 

3. Luzern . . . 

4. L'n . . . 

5. Schwvz . 

fi. Übwalden . 
7. Nid wählen . . 
H. GUrus . . . 
».Zu« 

10. Freihurj? 

11. Sololhurn . 
II Basel Stadt 

13. Basel Land 

14. Schall hausen . 

15. Appenzell A. K. 
1«. Appenzell 1. H. 
17. St. (iallen . . 
P*. Oraubunden . 
19. Aargau . . . 
3). Thiirgau 

21. TesMn . . . 

22. Waadt . . . 
21 Waliis . . . 

24. Neuenbürg 

25. Genf. . . . 



1880 



1888 



1900 



313 7^2 

13» IM 
18 024 
41) «31 
15 254 

1 1 869 
33 «G 
22 592 
3T» 7tr> 
711514 
62 «44 

5K ytil 
38117 
51 742 

12 821 
208718 

43664 
197 862 
99 026 
1 (154 
21 «02 
31 9U2 
24 489 
11 5U0 



Schweiz "2030 792! 
Zuwachs 
1880-1900 | 



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449 668 
134 2517 
17 027 
49 732 
14 71« 
12 1 16 
Xi 458 

22 749 
37 192 
84 207 
7t 113 
«I 507 
37 51*1 
53 757 
12 »49 

225 583 
43 671 
192 85» 
104 07S 
I HUI 

23 873 i 
32 471 i 
22:579 
12*317 | 

:082 855 
"u»7„ 



413 141 

483:$88 
143 337 

IS «85 

53834 

14U58 

12 748 
31 71*7 
24 042 
38 738 
97 930 

106 76» 
66 402 
40 290 
54 579 

13 412 
243358 

48 762 
2U3071 
1 10 845 
3 1X> 
24 372 
34 3«) 
17 «29 
_J3343 ; 86 4141 89 

2312!>49|wiä7iÖ7^3T 



katholiken und von 81»i zu 9259 Israeliten vorgeschritten 
und zeigen wie das ganze l,aii<l eine langsamere Zunahme 
«ler \urherr><;henden Konfession gi'genuber den Minorita- 
teo. In diesen SUtdten cntlirlcn auf je 1000 Kinw.ihiier 
Jahr Keformiertc Katholiken Israeliten Andere 

IKin .... 762 £15 3 5 

H«> .... 051 :ui 12 6 

9 Hutters/irac/if. ai tiefen sei t ig es Verhältnis 
dercinzclnen Sprachen. Kino cinigermassen be- 
friedigende Statistik der Sm-aehvei haltuisse «ler Schweiz 
besitzen wir erst seit der Zählung von 1880. Im Jahr 185U 
hatte man sieh damit b»'gnugt, an Hand der von den ein- 
zelnen tieim-inden verwendeten Formulare in jedem Kan- 
ton eine geiiieilliicwcise Darstellung zu gehen, wobei jede 
Gemeinde als einsprachig aufgefasst wurde, indem mau den 
iu« anderssprachigen Kantonen 
Zugewanderten kein«' H.clinung 
tru^. Diese sicherlich nicht sehr 
genaue Zahlniethode entbehrte 
k.incswegs der Logik, da 
Sprache ihre in einen an. 
sprachigen Kanton ausgewanderten Angehörigen als fnr 
»ich verloren betrachten kann. So *ind i. Ii. die 550110 
•leuUchsprechenden Bewohner der Kantone Waadt, 
Neuenbürg und (ienf für die deutsche Sprache in der Tal 
zum grosslen Teil verloren. I)iese Zahlniethode gab also 
den welschen Kantonen einen grosseren Zuschlag, da die 
m der französischen Schweiz ansässigen Deutschschweizer 
die m den deutsehsprechenden Kantonen nieder gelassenen 
Welchen an Zahl bedeutend übertreffen. Die F.rh.-huug« n 
betrcllend die Muttersprache bei den Zahlungen von 18«<I 
und 1870 geschahen dann nach Haushaltungen, nicht aber, 
wie diejenigen seit 1880, nach einzelnen IVrsonen. Die 
Zahlen fnr («SO umfassen die ortsanweseiide, diejenigen 
für 1888 und 1900 dagegen die Wohiihi-v«ilkcnirig. Mit 
Hinblick auf die fnr die Schweiz so grosse Bedeutung 
J-r Sprachverhaltnisse geben wir zwei Tabellen der cid- 
Statistik iu extenso wieder. 



santc Tatsachen besonders hervor. Der Bau derflotthard- 
bahn ist die Ursache dafür, «las* der Kanton Uri 1880 volle 
22% italienische Bewohner (gegen 5 % im Jahr 1900) auf- 
wies. Ilas Italienische zeigt von 1880- 1900 fast liberal! einen 
andauernden Zuwachs, so in Zürich von 4 aul 26 %,. in Lu- 
zern von 2 auf 15 •;'„„ in Zuk von 10 auf 33";,,,, in Basel Stadt 



auf 21";, 



in Zug von 10: 
. in Schallhaus 



>n I auf 22" 



7% 



in 



St. (iallen von 4 auf 21 im Thurgau von 2 auf 1 > „,. 
in der Waadt von 10 auf 38%,, im Wallis von 10 auf 
48%, und in denf von 22 auf 55" <,,. Des fernem verweisen 
wir .len Leser auf die Vcrgleichurig der allgemeinen Krgcb- 
niss«' für die mehrsprachigen Kantone Bern, Frei bürg, 
(iraubiinden und Wallis. 

Von je lOtlO Bewohnern der Schweiz im Jahr 1900 re- 
deten : 



jede 
./er;- 



Deutsch 


Französisch 


itai. y 


696 




"1 



Iti Die Sprachgrenze. Ks ist von Interesse, die hin- 
sichtlich der Sprachgrenze durch die Zahlung von 1850 cr- 
halteuen Krgehiiiose mit denen von 1900 zu vergleichen. 

Kanton Bern. Im Berner Jura ist «las Französische die 
herrschende Sprache der Amtsbezirke Court. lary, Dele- 
mont oiler Oelsberg ( e\kl. die beiden (Jenicinden Kders- 
wib r und Boggeiiluirg). Frauchen Moiilagncs oder Frei- 
bergen. Montier oder Münster (eskl. die beiden (iemein- 
deii Schelten und Seehol). Pol reiitruy «»der Fruiillut. 

Neiivevill ler Neiienstadt und der /um Amtsbezirke ISicl 

gehörenden (.eineinde Kvilard oder Leuhringen. Im Man- 
zen ist das Franzosische in 132 (iemeinden des ehemali- 
gen FnisO.istiiiiis Masel vorherrschend geblieben, wah- 
rend 20 tleineiiiden desselben (die 4 eben genannten in 
den Aeintern Oelsberg und Munster, die 13 des Amtsbezir- 
kes Laufen und 3 des Amtsbezirkes Biel) deutsch sind. 
Soweit die Zählung von 1850. 

190 - «iEoon. lkx. V - 2 



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18 



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Seither ist ilit" Lag'' in den Amtsbezirken Laufen und 
Oelsberg «Ii«- gleicht- geblieben. Ederswiler und Kog><en- 
liiirp zeigen immer noch ein«' pross« 
II!» j.''V ( '" und K 1 ***'" 1 1 köpfe. 



ili-nt-ch«' Majorit.il : i 
Iii keiner Cemeinde 



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dal die Majorität ^» wcrlist lt. And< i> im AiiiNln /ii k Mün- 
ster, wo Srln'lli'ti und S. i liof Mir«- slarkf «L ut^clir Majo- 
ril.it iSS» jii-jvt'ii 1 und 122 i/fjjrn 4 Ki-pfi i sirh ^iwalirt 
hallen, wiilifvnd in andern (iemeinden da» Franz, ^1*1 he 
in die Minderheit ^ekoinmeii ist. Kiese Fiemeindeii sind: 
Kelprahon 1 ■ * M£ Deiitsehe yep-n XI Welsrlu i. ChAl. lat Mm 
V'e^en 7.'h. Ci.iirremllin (S!»S (ieyenKVIj uiul Ksehei t ilt-S 
jje^en 147). K;is deiitsehe Kleinent ist M it ISXS in di u {',< - 
liieiuden Monilile und Perrelitle Zill m k^e^aii^. ii. Folgende 
Tahelle Zei^'t den Peixiliallieslaild der heidell Spiai liell in 

einigen der am utarksten ^emisehten lieineiinliii des Aint-- 



liezirkes Munster : 



Französisch 



Itvutsrh 





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ISXS 


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12 



Ii« Ipralioi 
den des Ai 



Ipralion und Hoehes sind die heiilen einzigen (iemeiu- 
Aint*l.ezirkes. in denen das lietitsclie mehr an 
Köllen gewonnen ha» als das Franzi^i^ehe. wahrend 
sonst uherall das F'railZi'Sisi he weit rasehei e Fortsein itte 
^'einaeht hat als das heutselie . Für den Anilsl.ezirk als 
(iaiues zeigen die heulen S|. I.K heu lol-, n.le /.lllern : 



Im Amtshezirk Conrtelari, wei»en hlos zwei (iemeinden 
eine deiitsehe Majorität auf. naiiilieh Moni Trarnelan 1 114 
Keulsehe tiefen 'M F'ranzx.seii ) und Komont |'.»l Keiitsx-he 
^enen M7 Franzosen 1. Im ganzen übrigen Anilsl.ezirk 
inaehte sieh »eit iMMlt ein allgemeines und sehr fnhll.ares 
Vomieken des Fran/."si«eheu l.emerklieh. was folgende 
Zahlen naher vei-ansehauliehen 

Franz. .Msrli KeuOch 





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Cormoret .... 


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I.a Fernere . . . 


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Saint Imier . . . 


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22!C. 


144:1 


Sonceboz-Sombeval 


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7i7 


47:. 


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Sonvilior , . . . 


i:.72 


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Tramelan I»ess..us 


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1'iamelan Kcs.siis . 


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Vautlelin .... 


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Ikzirk Courlelars |.'rf<JM 


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Im lianz. n zeS^t als., das Keiitsel nie Abnahme von 

4M'\„ und da« Französisch., .-ine Zunahme von i:i" ft . 
Im Amtshezirk Kiel ist Fvilanl (oder Keiil. ringen ) seit 
1 KXM n, 11, 1. Ines die einzige liemeiude mit voi herrsrhen- 
| der rranzM-i-. her Spraehe. Ilervcirziihehen ist. das* die 
, tienii'iiule |ssMS mehr deiitschspreehenile als rranzosisrh- 
: spr.'elii'nde Kinw, .hner aufwies. Im i.nuren genommen 
j romaiiisi>.| t sieh der Kezirk zieinlieh ras.-h. mit Ausnahme 
der tiememih' Ki.zintien .«ler Koiijean'. die sn Ii j;ermani- 
i siert. 



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Biel i mit Vingelz) 
Hölingen .... 
Evilard .... 
Amtsbezirk Iliel 



SCHVY 

Deutsch 

1888 "TiNM 
. 10 731 Vi US" 
. 2 '2.»7 2 434 
, '275 20!» 

. 13303 fß.wr 



SCHW 



V.) 



Französisch 
1888 |*MM) 

4633 735 1 

IKI 121 

173 :m 



Zunahme: Deutsch *2T> 11 F'ranzosisch 57 "/„. 
Di«- drei übrigen jurassischen Amtsbezirk«' des Kan- 
ten« Bern zeigen folgende Zahlcuvc rhältnissc : 

Französisch Deutsch 

isw Tijoo iA»T Titöt» 

Freihergen . . . Rl I3G «.»822 587 562 
Ncu.nstndt . . . 325G 3338 1151 872 
Prunlrut .... 47*2 24 iol IM« !7o7 
Zusammen : «ABI - "37 561 .1541 31 VI 
Du- Sprachgrenze folgt von Nt'iivt*% illt* (»Ier Neuenstadt 
an ili'in Siulwcslzipfel des Die lersces und dem Lauf der 
Zihl / w ischen Neuctiburgcr- und Bmlorsee. der die beiden 
Hezirkc Neucnl.tirg und Krlach voneinander trennt. 

Im Kanton Freiburg durchzieht die Sprachgrenze zu- 
nächst den Seehezirk. von «lern nach «lein Yolks/ählungs- 
tcricht v«>n 1850 Mgendc 17 Gemeinden franzosischer 
Sprache waren: Chandossel . Cormernil. Cnrsalettes. 
Courgi'vanx. C«>urle\ori. Cournillcns, C.unlcpin. Courtion, 
Cou»siborlc. Cressirr, Greng. Mewuz, Miscrv, Villaivpos. 
V.nl h (e Haut. Vuilly Ii' Ha 8 und Walh-nrie«!." Seitherhat 
hi.-r «las Deutsche an Roden gewonnen, so «las-, von den 
17 cU n genannten Gemeimh'ii heute lullende v ier dein 
«ieulxcheii Sprarhg»'bi«'t angehören: Coill'levon (IHM Ew. 
deutscher Zunge gegen I Ew. französischer Zungi'i. Cous- 
-lU'H«' • \H) Ew., alledcutsch I. Givng (64 gcgi'iitil u.Meyriez 
• «Ier Merlach i 110 gegen 101 ). Die 1850 noch deutsche Ge- 
meinde Barl>ercch«MBartischenizählte daueren 1MO0 neben 
223 Ew. deutscher Zunge deren 284 französischer Sprache, 
iiml in <ler (•«-mcindc Coiirtaman halten sieh lk'iits«'he 
i "4l, und Franzosen (7151 die Wage. Im ganz«'u Seehezirk 
war «lie Muttersprache deutsch 1H8H bei 10 477 und l'.tÜO 
t . i 10364 Ew.. franzosisch datieren t MKS hei 4051 und HNO 
V!*i!» Ew.. so dass hier in der Sptachversrhicl.ung ein 
gewisser Stillstand eingetreten zu sein schi'int. 

Weiterhin schneidet die Sprachgrenze die Sladtge- 
uieinile Freiburg. wo sich das Verhältnis zwischen den 
Angehörigen heider Sprachen seit 1888 nicht stark veran- 
il. tt hat (deutsch INNS: 452:1 und IHN» : 55415 Ew., fran- 
/i«si«i-h 1W8 : 755»i un<l IM00 : 971)1 1. worauf sie dann 
der politischen Grenz«? zwischen dem ganz deutschen 
Senseher.irk einerseits und den Bezirken Saane und 
(■reierz iiian/ französisch mit Ausnahme der Gemeinde 
Jaun oder Itcllogardcl andererseits folgt. Die politische 
«.reu/.- /uisch. n Hern und der Waailt bildet zugleich 
jw«-|i die Sprachgrenze.) 

Dann fol^t die letztere der kantonsgren/c zwischen 
Kern und dein Wallis, um an «lein Dunkle, wo «lie Iti'zirke 
Siders nn«l l.enk an iler Kantonsgrenzo zusammen- 
sto-sen, südwärts ins Dhonethal ah- iiikI jenseits der 
Ithone nach Süden wieder aufzusteigen, in welchem Ver- 
lauf »ie der Reihe nach die Dezirke Siders und Lenk, 
Suler« un«l Visp. sowie Her«'n.s und Yisp voneinander 
tn-nnt. Im Wallis hat «'in«' Spraehversehiehung hlos im 
llauptthal stattgefunden, indem «lie Gcmi'inden der Sei- 
Icnlnaler ihrer bisherigen Multi-rsiirache treu geblieben 
«ind. Läng« iler Rhone aufwart.« hat das F'iauzosische 
nach uiul nach an Boden gewonnen und s«> wiederum den 
Kleirhen Wejf zurucktielegt, den es schon — aber im uin- 
K^ki'hrti'ii Sinn — vor einigen Jahrhiimlerlen gegangen 
war. l'eber das Wallis sagt der Vnlks/.ahlungsbericht 
von iHTiO folgendes: Im mittlen-n Abschnitt, d. 1«. in den 
lletnken Sitt«'ii und Herens. herix'bt da« Franzosische 
\<>r Da« gleiche gilt für den liezirk Siders, »o aber der 
In /irksbauptort <'in»' Ausnahme bibb t. Nach einer Mittei- 
lung der Walliser Staatskanzlei ist ferner zu beachten, das» 
I» in funfGemeinileii des lS« zirkesSi«leisit:balais. Granges 
miei (,iadets< h. Möllens. St. I.eonhunl und Vcwasl beide 
Sprachen g«-spr<M'hen werden. "2i «las Volk in zwei Gemein* 
«leti de« Rezii kes Sitten (Sitten und Uranus; im allgemei- 
nen deutsch spricht und 3( in den genannten Gemeinden 
die amtlichen Verollenllichiingen nn«l der tiottesdienst in 
•»••den Sprachen geschehen. — Ganz anders hat sich «las 
liild im Jahr l!«J0, also :*) Jahr»' spät.-r. gestaltet. Das 



Deutsche ist in den erwähnten 5 Gemeinden des Bezirkes 
Siders. «lie fast vollständig verwelscht sind, nahezu ver- 
schwunden. Di«' Gemeinde Siders selbst ist ebenfalls zum 
grossem Teil an das französische Sprachgebiet überge- 
gangen. Das gleiche gilt für Rramis oder Itramois. wah- 
rend in Sitten die Anzahl «Ier deutschsprechenden Bewoh- 
ner abnimmt. Ks wird dir« durch folgende Zahlen belegt 
Franzosisch Deutsch 

18X0 18XH 1900 18X0 1HJ«X 1900 

Siders 7D2 4.V2 1NH 911) H3N 845 

Btamois 283 37o 4Wi 341 :io4 4V2 

Sitten 2KR» ^271 ViUi 1H47 HWSI t4«i 

Damit sind die einstigen deutschen Sprachinseln Silh-n 
und Brainois vei-schwunden und erseheint «Ii«' Sprach- 
grenze bis nach SmIcin hinauf verschoben. 

Im Tessin hab«'U sich die Sprai'hve rhallnissc nicht ge- 
ändert, indem «Ier Kanton mit Ausnahme «Ier deutschen 
Gemeinde Bosen «Hier Gurin ('260 deutsche und 2 italie- 
nische Ew.) dem italienische ii Spi*achg«'bi«'t verblieben ist. 

Kanton Graubiinden. Aus unserer allgemeinen Tabelle 
über die Sprarhve rhällnisge der Schwei/ ist ersichtlich, 
das« sich «las Rätoromanische in der Schweiz seit 1850 
auf ziemlich gleicher Hohe gehalten hat. Dier.es Verhält- 
nis wird aber nur unter Zuzug der in andern Kantonen 
zerstreut wohnenden '22IIO Romanen aufrecht erhalten, 
indem die Zahl «Ier noch in ihrem liejmatli<-lien Berg- 
laut! ansässigen Sprach- und Stammcsge nossen abnimmt 
(1880 : 377!»» . 1888: 37»I36; 1ÜÜ0 : 36472). Wenn wir die 
Zahb'ii für «lie einzehu'ii Gemeinden betrachten, können 
wir im« von dem beachtenswerten Widerstand überzeugen, 
den die allen Idiome des Kngadin und der Quellthäler des 
Rhein der von Norden n ml von Süden heranschwellen- 
deil Flut lies Deutschen und des Italienischen entgegen- 
setzen. So bewahren sich fast ausschliesslich die am wei- 
testen vorgeschobenen Bezirke - Glenner und Vordcr- 
rhein im W. und Munsti-rthal und Inn im (). — noch 
eine starke romanisch«' Majorität mit 72 bezw. !l7" ;n für 
die erste uixl 78 bezw. 80°.',, für «lie andere Gruppe. Zwi- 
schen beiden Gruppen gewinn«'!! «las l)euls«'hi a und das 
Italienische stetig an Boden. Im folgend. 'ii geb«>u wir noch 
eine Tabelle «Ier pro/i'titualen Verteilung der drei Spra- 
chen : 

Deutsch Italienisch Romanisch 

Bezirk ISMO 1888 llKKI 1KSlTl8ls>rHNIl) 188tTi8t5THN)0 
InibiMbn . 28 .'»• :r2 - «» 72 70 62 
Heinzen- 
berg . . .Mi .*i8 .Vi I I »5 40 41 34 
Hinter- 



rhein . 
tilcnnci 
Albula . 
Maloja . 
Inn . . 



411 
'2t< 
1« 
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14 



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15 



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15 



3 



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34 

3 



2 

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21 
in 



45» 48 4« 

74 74 7i 

82 Kl 62 

45 43 :n 

Kl H2 HO 



Als vorherrschend deutschsprachig Ite/i'iclinele die 
Zählung von |85<I «lie Bezirke Ober I.anibpiart. I'nter 
l.anibpiHi'l und I'lessur. sowie folgende 5 Gemeinden des 
Bezirkes lileiiner: Ncukiri'h, Obersaxen. Valb-ndas. Vals 
und Vetsam. Diese Dai>tellutig trifft heule für Neukirch 
iSurciiolm) nicht mehr zu. welche Gi'meiixle jetzt eine 
an«g«'spr«.i'heue romanisch«' Majorität aufweist. Den im 
Jahr 1850 im Bezirk Heinzenberg vorhandenen 6 deutschen 
Gemeinden Almen«. Masein. Sal'n-n. Tenna. Thusis und 
Tschappina) müssen heule noch Fürstenau. Sils im 
I Knill, si hg. Ca/is. Tartar und I i mein beigefugl werden, 
womit in diesem H« /n k nahezu die Halft«' der Gemeinden 
und 5y"-„ der Bewohner der deutschen Sprai he ange- 
hören. Die sieben scholl IK-t deutschen (i. in. inden 
Av«'!^, Hinten hi iii. Medels. Nufi'iien. Boiigi'llen. Splügtm 
und Suf«-|>. lies Bezirki'S Ihnlerrhein. die die Kit'is«? 
Avers und Bheinwabl bilden, sind heute noch deutsch ; 
romanisch verblieben ist dag« g. n «Ier Ktvis Schams. Ta- 
tilins und Fi'lsherg verbb'ibeu ebenfalls die beiden ein- 
zigen d«-Ut«chen Gellleinib'll des Bezirkes Imboden, 
wahrend «lie (.. ineinile Tarasp, du- 1850 als einzige 
deutsche Gemeinde des Bezirkes Inn aufgeführt wurde, 
heut«' romanisch ist. dafür aber Samnaun als fast rein 
deutsch er«cheiut. Im Bezirk Albula hat das Deutsche ili<- 
(ö'iin ind. n Schmitten. Mult< n undWi« sen iiml im Bezirk 
Mal. -ja «Ii«' Gemi'indf I'..nir«'sina erobert. 



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20 



SCHVV 



SCHW 



Dem italienischen Sprachgebiet gehörten I8.V) an die 
Itezirke Moos« und Bernina. 2 (lernenden des Bezirkes 
Albida (Bivio oder Slalla und Marmeln oder Marmorera), 
sowie die 6 Gemeinden des Kreises Hergell (Bezirk Maloja). 
Heute herrscht «las Italienische im Bezirk ABuiIa in den 
Gemeinden Bergiin und Filisur (dagegen nicht mehr in 
Stalla und Marmel«) vor und hat es im Bezirk Maloja 
ausser im Kreis Bergell auch noch in Bevers und St. Mo- 
ritz die Majorität erlangt. Diese Erscheinung ist aber nur 
vorübergehend und rührt von den zur Zeil der Zählung 
'I. Dezember IU0O) am Bau der Alhulabahn beschäftigten 
italienischen Arbeitern her. Die Gemeinde St. Moritz ist 
bemerkenswert mehrsprachig: "MH E\s. italienischer. 47.~> 
Ew. deutscher. 4JO Ew. romanischer und 191 Ew. anderer 
Sprache (eine Folge der Wintergaste). 

MI. Bewe<;im; deh pevolkehi s<; ucrcm ehe. i;eiurt, 

TOD ETC. 



len über die Bewegung der Bevölkerung sufgi - t zu 
werden pflegten. Bundesrat Kranscini versuchte dann, 
die «an/e Angelegenheit von Bundes wegen an Hand zu 
nehmen, erzielte aber mit »einer Anregung keinen allge- 
meinen Erfolg. Von Neuem aufgenommen wurde der 
(iedanke durch das IH60 eingerichtete eidgenossische sta- 
tistische Bureau, doch erhielt er erst feste Gestalt, als die 
Landesregierung von Glarus auf wiederholtes Verlan- 
gen hin die Aufstellung eines für alle Kantone gemein- 
samen Formulare- erwirkte. Die letzten Kantone schlös- 
sen sieh der Neuerung erst im Jahr IHtiT an. Seither 
sind die Resultate der Erhebungen vom eidgenossischen 
statistischen Bureau für jedes einzelne Jahr und zusam- 
menfassend auch fiir die Zeiträume von IHf>7-1N71 und von 
1K7I-|X>.K> veröffentlicht worden. Die Publikationen über 
ein/eine Jahn' führten bis IK7."> den Titel drhurim, 
Sterhrfnllr und Trttuunqrn in oVr Schirrt:, haben lKTti 




Anzahl der Etie--<-hli<">*iiii|;eii. 



/. Ehr. a) Ehesch I i essu ng e n. Die Nachrichten, die 
wir Über die Heiraten in der Schweiz besitzen, bleiben 
bis IXliT fragmentarisch. Im Kanton Neuenbürg wurde auf 
Veranlassung des Könige Friedrich II. von Prcusten die 
Bewegung der Bevölkerung durch Ehe. Gebttrl und Tod 
seil 1760 verzeichnet. Aehnlicbe Auf/eichnun^en erfolgten 
auch in den Kantonen Bern. Waadt. Basel. Appenzell, 

Zürich, Glarus und Genf, doch beschränken weh diese An- 
gaben oft nuraufeineeiozige Stelle des Kantons, d. h. meist 
auf dessen Hauptstailt, und auf einen begrenzten Zeit- 
raum'). Auf Veranlassung ihres Ministers des Innern 
Rengger wagte die Helvetische Bcmihlik umfassendere 
Erhebungen dieser Art anzuordnen, «loch verhinderten die 
Zeitumstände die Verwirklichung des Blaues. so ilass tu 
Beginn des letzten Jahrhunderts Neuenbürg immer noch 
der einzige Kanton war, der für sein ganzes Gebiet regel- 
massige denio^raphi^che Krhchunp n veranstaltet! Nach 
und nach folgten andere Kantone diesem Beispiel nach, 
so dass 1HV.S in dreizehn Kantonen Übersichtliche Tahel- 

<i ii"nf bositzt far den L'mkn-.- iler SU ll elBtebsade Nacb- 
waise über die lieweguog der Ue Völkern cor »eil 15t'.'. Im f'». Jahr- 
hundert fehlen einige Jahre un<l Teile v,»a Jahren, wnbrend dis 
/ilTarn feit 1618 Inrknol'i» ■afeiaanderfolgen. 



und IST" den Titel Ihr Bets~>Uunvng$bev)effvng <» der 
Schweiz erhalten und werden seil IK7H unter dem Titel 
Ihr ffeieepiiwo der BeviiikerwMff »« der Schweix heraus- 
gegeben. Die beiden zusammenfassenden Publikationen, 
v.m denen namentlich die grossen- von Wert ist und uns 
als Grundlage zu unsern Betrachtungen gedient hat, 
fuhren den Titel Geburten, Sterbefätte und Trauunqm 

in der Schweis WM tM67'11 r sowie Ehr, Gehurt und Tixl 
in der tchweizW: Befötkeruttif iruhrrnd der iuvtnzig 

Jährt f871-1H90 :t Teile). 

Knie interessante Prag« i-t in erster Linie diejenige, 
ob man sich heule häufiger oder seltener verheirate, als 
in früheren Jahren. Di« Statistik zeigt, dass die Ergeb- 
nisse der einzelnen Jahre ziemlich beträchtlich vonein- 
ander abweichen. E> beim« die Anzahl der Eheschlies- 



IX7I 

IX7-J 
1X7:1 
IST» 
I s7.'. 



JahiesuiiHi 
1x71 7:> 



19514 
21 212 
2UfW9 
•22 AVi 
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1881 


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29740 


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Uef. 



GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ >erU« ™. o»br<..i-. *ni., Äe r, N*««ih«rg. 




Xwik »lfm Eldf. SIaI Kurr«u 



JÄHRLICHE ZU- UND ABNAHME DER BEVÖLKERUNG VON 1850-1900. 




GESAMTE ZU- UND ABNAHME DER BEVOELKERUNG VON 1850-1900. 



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I89H 


23784 


1901 


SB 379 


1897 


24954 




25 1-2« 


1898 


25 IH 




25 2X3 




»419 


l!HII 


25503 


1**10 


25537 






Jahresmittel 




Jahresmitte 


1 


I89ti 1 !H M» 


24960 


IlMtl, tU04 


25823 


Dil* *ehr gross« 


• Ziller i 


les Jahres 1875. 


die er-t 22 



Bern .... 


• 7,2 


Sehwyz . . . 


• M 


WaaJt . . . 


■ 7,2 


Luzern . . . 


. 7,0 


Nidwaiden . . 


. Ii.« 


Schaflhausc n . 


. 6.8 


Aargau . . . 


. li.H 


Freiburg . . 


Ii 1 


Graubünden . 


. 8*3 


Tessin . . . 


. «.2 


Uri 


. 6.1 


Wallis . . . 


. «.0 


Obwaldcn . . 


. 5.8. 



den extremen Ziffern ein ganz gewaltiger: 
Männer, die sieb im Kanton Glarus verheiraten; 



31 

Auf je I00 



Jährt' spat«'r Wieder auftritt, ist der Perspektive ib-s 
Inkrafttretens der Zivilehe auf den I. Januar I876 zu- 
zuschreiben. S<j zeigte /.. H. der Kanlmi Luzern in dt-n 
Jahren 1873, I87i und 1875 je Uli. 1661 und 1587 
Eheschließungen, die dann in den füllenden Jahren 
auf 1094, 141. Uli etc. sanken und die Ziffern für 
1874 und 1875 bis jetzt nicht wieder erreicht haben. 

Für die Schweiz als Ganzes betragen die Verhält- 
niszahlen der Eheschließungen auf je 1000 Kw. für 
die Jahre 1871-75 : 7.3: 7,!»; 7.6; 8,3; D.O " ,„,. Letzten! 
Zahl für das Jahr 1875 ist seither nicht wieder er- 
reicht worden. I87G und 1877 sank die Proportion auf 
8.1 und 7.9; 1878 betrug sie 7.4%,. 1880-82 halt sie 
«ich mit 6,8 auf der geringsten Muhe, um w ahrend der 
vier folgenden Jahn- wieder bis 6,9%, sich zu heben. 
Von da an hat sie sich dann bis heute beständig zwi- 
schen 7.0 und 7.8°,' (w gehalten. Die letzte berechnete 
Ziffer, die für 1904. beträgt 7,5°',,,. Wenn man von 
der als Ausnahme aufzufassenden Ziffer für 1875 ab- 
sieht, erscheinen als die beiden Extreme die Zahlen 
6,6 und 8,3%. Das Mittel für den 35jährigen Zeit- 
raum 1X7O-I904 betragt 7,4 Eheschliessungen auf je 
1Ü0O Einwohner und entspricht genau dem Mittel für 
die Periode 1871- 1890, für welche folgende Tabelle die 
Durchschnittszahlen (auf je HMD Ew.) der einzelnen 
Kantone zeigt : 

Basel Stadt . . 9,1 

Genf 8,8 

Zürich .... 8.5 
Appenzell A. R. . 8.5 
Neuenburg . .8.1 
Glarus .... 7.9 
Appenzell I. H. . 7,8 
St. Gallen . . 7.8 
Thurgau ... 7,5 
Solothurn ... 7,4 
Basel Land . . 7.4 
Zug 7.3 

Da die Anzahl der Erwachsenen und somit auch das 
Verhältnis der Entmündigt n zu der Gi samt/hl der Be- 
wohner in den Städten durch die Zuwanderung übermäs- 
sig gesteigert wird, erscheint es normaler, da« relative 
Verhältnis der Ehesehl iessungen zu der Anzahl der im 
Alter stehenden Personen zu berechnen. 
Sinn hat die eidgenossische Statistik für den 
1871-lcSO folgende Tabelle angestellt: 
iche jährliche Anzahl der Eheschliessun- 
1000 im ehemündigen Alter stehende ledige 



1 






! 










Frauen 






V 
















! i ' 
' i i 


\ 
















1 1 


V 




























i 


1 

1 


■ 






















































1 




i 






























1 


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t 


V 


























1 1 






T 
































i 

1 






























V 




































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1 








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H 
























1 
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V 




















~r| 
il 










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1 1 

44- 










r\ 
1 v 


- 














i 1 


















—4^ 











n 



15 



00 Ii 3t SS 



i « st ss ta es ro 

Vollendete Aliti sichre 



:s so ss so 



* e e/oystat. Bureau tJMiyr *c 

Diagramm der Anzahl der Khi'icbliextungFii auf je IU00 Einwohner 
für d«u Zi-. trau in 1*.M-I*J0. 




Glarus . . . 
Appenzell A. lt. 
Basel Stadt . . 
Zürich . . . 
Appenzell I. R. 
Sc ha Ahausen . 
Neuenbürg . - 
Genf .... 
Basel Land . . 
St. Gallen . . 
Thurgau . . . 
Solothurn . . 

Tessin 



77 




. 51 


72 


Schwyi . . . 


. 50 


li5 


Aargau . . . 


. 49 


64 


Waadt . . . 


49 


62 


Zub .... 


i6 


61 


Nid walden 


14 


61 


Graubunden . 


42 


:.y 


Luzern . . . 


. :ts 


56 


Freiburg 


. :t8 


5ti 


Obwalden . . 


. 37 


54 






53 


Uri .... 


. 34 


53 


Schweiz 


. 52 



□eiirie zeigt luigeime Liurciisciiuitiszaiiieii uer i 
Schliessungen: 511 ".^ für 65 industrielle. 47",,,, fu 
gemischt industriell agrikole und 42%, für 48 agri 
Bezirke. Die Tatsache, dass die agrikolen Bezirke 



Wie man sieht, ist der Unterschied zwischen den bei- 



ehelichen sich im Kanton Uri blos deren II. Von den 
182 Bezirken (Solothurn zu 5 Bezirken statt wie beute zu 
10 gerechnet) des ganzen Landes gab es in dem genann- 
ten Zeitraum deren 92 mit weniger als 50, deren 39 mit 
je 59-55 und deren 51 mit mehr als 55 jährlichen Ehe- 
schliessungen auf je 1000 ehemündige Männer. Das aus- 
serordentlich niedrige Minimum zeigt der Bezirk Leven- 
tina mit 27. während die Majuma im Bezirk Biel auf 79 
und im Appenzeller Hinterland sogar auf 85 ansteigen. 
Die Verteilung auf die Berufsbedingungen der einzelnen 
Bezirke zeigt folgende Durchschnittszahlen der Kbe- 

■ ,„ für 69 
agrikole 
agrikolen Hezirke weit 
weniger Heiraten aufweisen als die industriellen, ist kei- 
neswegs eine zufällige, sondern zeigt sich für jede ein- 
zelne der 5iährigen Perioden als konstante Erscheinung. 
Auch die Konfession übt auf die Anzahl der Kbeschlies- 
sungen einen unmittelbaren Eintluss aus. indem sich die 
Katholiken weniger häufig verheiraten als die Deformier- 
ten, wie aus Balgender Tabelle zu ersehen ist: 

Gemischt 

Herrschende Industrielle ind. -agrikole Agrikole 

Konfession Bezirke Bezirke Bezirke 

Protestantismus ... 62 49 47 

Katholizismus ... 51 45 39 

Weniger auffällig erscheint der Unterschied mit Be- 
zug auf die Muttersprache. Die katholischen Bezirke ita- 
lienischer Sprache haben eine ziemlich grosse Ehehäulig- 



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±2 



i>CH\V 



si;n\v 



ki'il i.'it ";„ für die gemischt induslricll-agrikolen und 51 
für die agrikolcn), ebenso * 1 1 « * reformierten rätoroma- 
nischen Bezirke löl bezw. " „„ gegen 37 0 „, für die 
agrikolcn katholischen Hezirke). Im Gebiet der beiden 
hauptsächlichen Landessprachen stehen bezuglieh der 
Ehen-mligkeit die deutschen Bezirke obenan, mit Ans- 
nahnii' allerdings drr reformierten industriellen Bezirke, 
WO sich die Millen in beiden Sprachgebieten die Wage 
halten : 



Herrschende 

Sprache 
Deutsch 

Französisch 



Industrielle Hezirke 

Reform . "taThol. 
62 .VI 
62 47 



llerrschende 
Sprache 

Deutsch 

Französisch 

Da die Anzahl der Frauen diej 
trächtlich übersteigt, verheiraten siel 
sij; seltener als diese. Für die von 



Gemischt imlustriell- 

agrikole Bezirke 

llerörm. Tvathol. 
SO II 
16 :« 

Agrikolc He/.irke 

Deform. Kathol. 
. 48 37 

.44 :n 

■nige der Manner be- 
jene vcrhältnismas- 
iler eidgenössischen 



Statistik bearbeitete 20jährige Pcriislc entfallen alljähr- 
lich auf Ii NN) im ehemündigen Alter stehende Männer 
deren .V2. die hieb verheiraten, auf UKW Frauen dagegen 
blos deren 40. Kiese Dilfcrenz verschärft sich mit der 
Zunahme der Zahl der Frauen (Itasei Stadt: 66 Männer 
und 38 Frauen l und erscheint auch deshalb bedeutender, 
weil das ehcintindige Alter fiir die Frauen 16. fiir die Man* 
ner dagegen 18 Jahre beträft. Diese letztere Tatsache fügt 
der Anzahl der heiratsfähigen Frauen im Vergleich zu der- 
jenigen der ehemündigen Manner noch zwei weitere Alters- 
klassen mit etwa 'Vi 000 Individuen hinzu, sodass im genann- 
ten Zeitraum aufje hm heiratsfähige Männer l.'t2el>ensolche 
Frauen entlieh-n. Dieses numerische Uehergewirht er- 
klärt auf ganz natürliche Art die bekannte Erscheinung, 
dass ilie Anzahl der alten Jungfern grosser ist als dieje- 
nige der eingefleischten Junggesellen. 

Das durchschnittlich häutigste Alter der Verehelichung 
ist für die Männer 28 und für die Frauen 26 Jahre. Die 
lährliche Anzahl der Ehcsihliessungen beträgt auf je 
KKm ledige ehemündige l'ersonen: 

Männer 
i 



Ml ige 

Alter in Jahren 
unter 2t» 
•20-24 



31-34 



40-45» 

50-59 

(Kl und mehr 



so 

108 
l<>2 
76 
48 
21 
»» 



Frauen 
lö 
Kl 
109 
74 
V* 
33 
6 
I 



Die Kheschlie-sungen von jungen Männern im Alter von 
weniger als 20Jahren erreichen inGlanis l.*itind in Appen- 



Schweiz i oder darunter. Arn meisten frühzeitige Ehe- 
sehl iesstingeri wci«en die industriellen Bezirke auf; eben- 
so sind in dieser Hinsicht die reformierten Bezirke güns- 
tiger gestellt als die katholischen. Im allgemeinen ver- 
heiratet man sich in der welschen Schweiz früher als in 
der deutschen Schweiz, was vielleicht auf eine raschere 
physische Entwicklung der Hevolkening zurückzuführen 
ist. 

In folgenden Kantonen pflegt man sich im allgemeinen 
spät zu verheiraten uud sind die Ehest- hlirs„uiigcn im 
Alter von im !it Jahren hauliger als diejenigen rm Aller 
von 2.V25I Jahren: Hasel Stadl, Thtirgau, Schwvz, Grau- 
bunden. Nidwaiden. Fivibnrg, Ohwalden, Lnzern und I n. 
Mit Ausnahme des erstgenannten sind alle dies,- Kantone 
grösstenteils agrikol. 

Im ganzen genominen. sind die jugendlichen Ehe- 
Bchlicssungcn beim weiblichen Geschlecht hauliger als 
heim männlichen. Vom 27. Allersjahr au vertauschen 
sich dann aber die Hollen und verschärft sich die Ditle- 
renz. Gegen das V2. Allersjahr verheiraten sich auf je 4 
Mariner 3 Frauen und gegen das .~m. Allersjahr hin auf 
je 2 Männer blos noch eine Frau. Von 188I-I85IO hat die 
Statistik 14 F.hesehhrssungen von Männern im angetre- 
tenen und überschrittenen HO. Altersjahr verzeichnet. 

Es Nt oft beachtet worden, ilass die Anzahl der ver- 
witweten Männer weil geringer isl als diejenige der ver- 
witweten Frauen. Die Zahlung von 15*10 hat über diese 
und andere Fragen folgende Hesullate ergehen: 



Verheiratete Männer 
» Frauen 
Verwitwete Männer 
Frauen 
Geschiedene Mariner 
Frauen 



Ausländer 
6.">lfi6 

;»88:*i 
4:«86 

1 1 ti'JV 

276 
.717 



Total 
Mi 1 17 
,\fit."rf-s 
6! (»>."• 
I 44 032 

:» 157 




IS70 » 



Geburten, Toclfofatle uait Kheschlii's'iiiiigeri am je H»hj Kinwobner fnr<len Znilrauni l*7o-19u3. 



zellA. R. II ",„; in Hern. Appenzell I. H . , Neuenbürg« Solo- 
Ihurn und der Waadt .V7" ,„; in allen übrigen Kantonen 
hallen sie sich dagegen auf 4",„ (Mittel für die ganze 



Schweizer 
4765101 
4811768 
."■667» 
133838 

4881 
8 676 

In runden Zahlen entfallen also aufje ."» Witwen blos 
2 Witwer' und auf je 2 geschiedene Frauen blos ein ge- 
schiedener Mann. Dies«« Erscheinung kommt zum gros- 
sen Teil davon her. dass sich die Witwer weit häutiger 
von neuem verehelichen als die Witwen. Im Zeitraum 
1881-185«) sind 26666 Eheschließungen von verwitweten 
Männern gegen deren blos 14667 von verwitweten Frauen 
registriert worden. Das jahrliche Mittel der Ehesehlics- 
siiugen betrug auf ie IHM Witwer 47. aufje lOOO Wit- 
wen dagegen blos II. Im |."> jahrigen Zeitraum von 1876 

bis 185«! betrugen diese Miltelzahler i ,1er, Witwern 48 

und bei den Witwen 12; weil stärker waren sie bei den 
geschiedenen Männern i lU*.i und Frauen (.Vh. Viele Ehen 
werden infolge der Aufsicht auf eine nein- Heirat geschie- 
den. Immerhin hat man die Beobachtung gemacht, da-s 
die genannten Verhältniszahlen fiir die Geschiedenen zu 
gross sein müssen, da ihre Grundlage - die Gesanitan- 
zahl der Geschiedenen - der Wirklichkeit nicht ent- 
spricht, sondern zu klein 
ist. Dies beruht darauf, dass 
is vielen der Geschiedenen 
widerstrebt, ihren Familien- 
stand aur den Zahlformu- 
laren der Wahrheit gemäst* 
anzugeben. 

Wenn man das Verhält- 
nis der Widen ervhelichun- 
gen mit dem der Ehe - 
Schliessungen v ergleicht, 
findet man. dass sich die 
Witwer aller ehemündigen 
Altersklasse-] 3 bis 4 mal 
hauliger von neuem ver- 
heiraten als sich die I.i-di- 
gen verehelichen. Dies er- 
klärt sich i ms, das« es 
leichter ist, eine Haushal- 
tung weiter zu fuhren, als 

eine solche neu zu begrün- 
den, und das» sich der Wit- 
wer oft auch im Interesse 
■einer Kinder zu einer 

neuen Ehe Veranlass) sieht. 

Voll im Zeitraum Issii-1'.M) in der Zahl von 2*47 ge- 
schlossenen neuen Ehen von Witwern entfallen l42T>odcr 



Anzah 



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SI'.IIW 



SCIIW 



23 



•"►4",, auf «las erste un«l zweite Jahr des Witwersiandes. 
Für die Witwen, «lie sieh erst na«-h Ablauf von 10 Monaten 
vutn Tod des Gatten an gercrhnel wieder verehelichen 
können, beträgt «lies»- Proportion 31 (1 n uri'l für «He ge- 
schieth-nei» Manner und Frauen 48 be/w. 43%. Die Ehe- 
«rhliessungrn zwischen Ledigen betragen 80% der Gesanit- 
zahl aller Heiraten. 

Bemerkenswert ist noch, «lass sich die in iler Schwei/, 
niedergelassenen Ausländer fühlbar weniger häutig ver- 
••helichen als die Schweizer. Kies ergibt sich aus fol- 
genden Resultaten der Zahlung von 15*10: Auf je HMKI |!e- 
wohner lebten in der Schweiz Männer 

Ledige Verheiratete Witwer Ge.ehiedeiie 
Schweizeibnrger 542 «Vi 6 

Ausländer . . . 45H 475 .32 2 

Frauen 

Ledige Verheiratete Witwen Geschiedene 
Schweizerbiii-gcr 38« 473 t.'U 1» 

Ausländer . . . 446 458 1H 5. 

Von den hei uns lebenden Ausländern sind die Hälfte 
ledig, von den Schweizern dagegen weniger als - >,. 

Im Durchschnitt entlielen auf je 100 Ehcsi-hlicssungcn 
Min Schweizern «leren 70, bei denen die Gattin aus (lein 
gleichen Kanton, «leren 25. hei iJenen sie aus einem an- 
dern Schw.dzerkanton. und «leren 5. bei denen si<* aus 
dem Ausland stammte. Inden Kanton« 1 !! Zn^r . Neuenbürg, 
Genf und Masel Stallt betragen die Ehesrhlicssiingcn mit 
einer Bürgerin des nämlichen Kanton» nicht «Ii«- Hälfte 
aller lleii°aten und sinken sogar bis auf 35 ".'„herab. Im 
Wallis finden dagegen 02% aller Heiraten unter Kantons- 
hürgern statt. Der Prozentsatz «ler Heiraten mit einer 
Schweizerin aus einem andern Kanton schwankt von .*>% 
im Wallis Iii» 51 % iu Zug und derjenige von Heiraten 
mit ein«*r Ausländerin von ')",„ in Obwalih'ii bis 20% in 
Itasei Stadt und 35% in Genf. Von den Ausländern haben 
-ich 

innen verehelicht. 

Die gegenseitige innige Durchsetzung iler einzelnen 
Volkselemente von verschieib'ner Konfession begünstigt 
in hohem Grade die Mischehen. Solcher gab es 1870: 
12514; IHK»: 22 «27. 1888: 32314 und 1000 : 47(167. Auf 
te 100 Eheaehliessungen von bekannt«'!' Konfession Helen 
Mischehen : 1870 deren 3. 1880 d.ien ."». 1888 «ler« n 7 und 
I8B0 deren 9. Dies«-r Prozentsatz schwankt in den ver- 
schiedenen Kautoneu ziemlich stark. « ie folgend«- Tabelle 
far 1U0O zeigt : Mischehen Kanton Mischehen 
Kanton 



>8% mit Schweizerinnen und 42% mit Ausländer- 



"t 

I 

•-• 

2 
2 

LVi 3 

Schwyc 3 

Appenzell LR.. . 4 
Bern 5 

Luzern 0 

Zug « 

Craulmmlcii ... 7 

Waadt 7 

Das Mittel von Basel Stallt winl noch überlrolfen von 
dm II. 7irk. ii Solothutn und St. Gallen, wo auf je 100 
Eheschliessuiigcn 27 bezvv . 26 Mischehen kommen. 

Folgende Tabelle /.«'igt uns die konfessionelle Vertei- 
lung der Mischehen nach der Zahlung von Ii 100 : 

Konfession der Galtin 



Wallis 
Obwalden . 
Nidvvaldcn 



Appenzell A. K. . . 8 
Aargau 8 



10 
l() 
1 1 
II 
1 1 
12 



Schaffliausen 
Neuenbürg 
Glarus . . 
Basel Und 
St. Gallen 
Thurgau . 

/ürich 15 

Sülothurn . . . Iii 

Genf 17 

Base) Stadl . . . 23 



Hatte reformiert 
» katholisch 
• israelitisch 
anderer oder 
unbekannter 
Konfession 
Nach ib'ii Here 
listik liefen «Ii«' 
«cbnittlich zu 53" ( 



llefor- Katho- Israe- Andere oder 

mierl lisch litisch unbekannt 

28i 874 21 :m :c> 2« 

24 081 181867 20 20 
48 31 101 4 2 



780 8lil 7 651. 
'(mutigen iler eidgenössischen Sta- 
l'rsaehen «ler Ehclosniigeu durrh- 
im Tod des Eheg.ittcn — noch «'in 
weiterer Grund für den l'eberschuss der Witwen ulx r 



«Ii«' Witwer! — . zu 42% im Tod «ler Gallin und zu 5% 
in «ler Ehcsrheuliiiig. Die Frau ist deshalb der Wil weil- 
st* halt «dier aosgcselzl, weil sie idurchscllllittlich 
Jahre i junger ist bIs ihr Gatte und - bei gleichem Al- 
ter — zum Teil wegen ihrer massigeren Lebensweise 
auch eine geringere Sterblichkeit aufweist. Die mittlere 
Dauer «ler Ehen wird von dem unseren Angaben zu 
Grunde gelegten Werk ib-s eidgenössis«*hen statistischen 
Buri'au zu 24.2 Jahren berechnet, wahn-ml die extremen 
Zahlen 28.7 Jahr.- «las Tessin und 22 Jahre Basel Stadt 
zeigen. (Ihne die Khesrheidungen, deren dim-hschnitt- 
licbe Klu'daucr blos 0—8 Jahre beträgt, winde ilie ge- 
nannte Mittelzahl auf 2.5 Jahre ansieigen. 

ht Ehe sc Ii e i d u n g <-n . Kine Statistik der Ehcschei- 
«hiugeu datii'i't erst seit dem am I. Januar 1876 erfolgten 
Inkrafttreten des Bun«lesg«'se tzes von 1874 betreffend die 
Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die 
Khe. Im Folgenden geben wir die Anzahl der Eheschei- 
<liing«'ii für jedes einzelne Jahr : 

1876 IKfci 18X1 045 1886 800 

1877 1036 1882 «64 1887 5*25 

1878 KCtti 1881 808 1888 841 
187'.* «« 1884 0117 1880 865 
18**) 856 IH85 020 1800 880 



Mittel 1876/80 004 Mittel 1881 85 027 Mittel 188600 882 

1801 877 1806 IU57 1001 1(127 

1802 881 1807 101 1 1002 1105 
185« 003 I8SKH 1018 IS«« 1182 

1804 «32 1800 1001 1004 124.1 

1805 087 1000 1025 

" M üteT" 

Mittel 1801,05 808 181161000 IO40 Mittel 1001M 1 134 
Die bis gegen 1800 merklich abnehmende Zahl di r Ehe- 
Scheidungen hat sich von 1806 an wieder gehuben und 
heute den Betrag von 1876 uberschritten. Dabei ist aber 
allerdings zu hinlenken, dass sich seither auch die Zahl 
der Kh«'sehli.*ssungen gehoben hat. Sehr deutlich zeigen 
sich die konfessionellen Kinllüsse aiddie Anzahl der.FJfie- 
scheidungeii. Diese erscheinen häullg«-r in den ri'formier- 
ten als in den katholischen Bezirken. 

Auf je I00O bestehende katholische Ehen entfallen 
0.67 Ehescheidungen; auf je 1000 bestehende reformierte 
Ehen entfallen 2.65 Ehescheidungen ; auf je 1000 beste- 
hende Mischehen entfallen 4,02 Ehescheidungen. 

Ehescheidungen sind feiner in «len Städten (3.82%.,) 
häutiger als auf dem Lande 1,1, 80%^,). 

Wenn man die Belalivzahlen der katholischen und der 
reformierten Bevölkerung, sowie diejenigen der stä«l- 
tisclu-n und der ländlichen Bevölkerung ins Auge fa««t. 
so findet man, dass sieh «lie reformierten Ehen 3 mal und 
die Mischehen 5 mal häutiger durch Scheidung losen als 
die katholischen Ehen, sowie, dass sich die llcwohner 
der Slädte 2 mal häutiger scheiden lassen als diejenigen 
des platten Landes, folgende Tabelle gibt ein« 1 kantons- 
weise IVhcrsicht über die relative Anzahl der Eheschei- 
dungen für «Ii«- Periode 1876- 1X00. Auf je 1000 hestehemle 
Ehen entfallen Ehescheidungen : 

Obwalden . . . 0.09 Aargau .... 1,52 
Wallis .... 0.14 Solothum . . 1.73 

Iii 0,(8 Waadt .... 1.70 

Ni.lwalden . . . 0.2O Hasel Stadt . . 2.01 
T.'ssin .... 0,23 Neuenbürg. . . 2.08 

Sehwyz .... 0,42 Bern 2.25 

Freihiirg . . . 0,57 St. Gallen . . . 2,35 

Luzern .... 0.0O S« haffhauseu . . 2,H!l 
Appenzell I. B. . 0.1W Thurgau. . . . 3,04 

Zug 0.73 Glarus .... 3,24 

Grauhiiudcn . . 1,12 lienf 3,44 

Basel IjiiuI . . 1,46 Zürich .... 3.56 

Appenzell A. It. . 3,513 
In «Ii«— er Tabelle stehen alle katludischen Kantone aus- 
nahmslos an günstiger St. II.'. Ilir Mittelzahh n für I0OI 
bis liKli wunleii «lie Beihenfolge der einzelnen Kantone 
und die Zahle nverhältuissc nur sehr wenig bi'einllussen. 
dafür aber Genf wahrscheiiilich an «Ii«- letzte Slelle rucken 
lassen. Mit Bezug auf die Städte allein schwank«-!! die 
Mittel/alilen aii*> 1876-18110 für llerisau, \\ nitei tluii . 
Genf. Zürich. Bern. Miel, St. Gallen. Freihiirg, l.uzei n etc, 
zwischen 4.23 und 5.7(1° ,„. 



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SIIIIW 



SCHW 



Die Statistik beweist, dass die Ehescheidungen mit i rigen Perioden von riMTt- ISN^iyi U-I/Ii* »Periode HJ0I-|»4 
zunehmendem Altersunterschied zwischen den Ehegatten | nur vicrjahrigi der Heihe nach liebuiien «-ntfallfii : 3o.| 




Die Aoiabl der EbetohenluDfrvn. 



häufiger werden, und dir» besonders dann, wenn die 
Ehefrau aller i->t als der Khemann. Des fernem zeigt sie, 
das* auf je 100 geschiedene Klien deren Violine Kinder 
entfallen, so dass also das Vorhandensein \nn Kindern 

die AufrocbterlMltung der EhegrmeunchafJ begünstigt. 

9. (irhurl. a) Geburten im allgemeinen. W ie die 
Anzahl der Eheachlicssungea periodisch schwankt, /■ igen 
auch die Geburtenziffern erhebliche Schwankungen. Die 
Perioden zahlreicher und weniger häutiger Geburten 
liehen ineist mit der wirtschaftlichen Lage de» Landes 
in Zusammenhat!».', haben aber auch noch andere Ur- 
sachen ■ du- nur schwierig erkannt werden können. Fol- 
gende Tabelle fciltl eine l'eliei sieht über die tiehurtcu 



inkl. Totgeburten) 


in der Schwei/ «eil 


IM7I : 




1871 stmo 


1870 


94596 


1MKI 


SSTilCI 


1873 st.iLt 


1877 


99881 


1 ss-.' 


K.V.IK7 


ls:.t B4U6 


1*78 


'.•1 196 


1883 


ST.IU7 


1874 86918 


1879 


89699 


ISHi 


S»7'.»4 


IST.'. IM xiiH 


IHSII 


87*13 


iss-, 


83579 


Mittel 


Mittel 




Mittel 






1870 hii 


Hl l!>7 


1881 *."» 


R56I9 



1880 


84 1 19 


1891 


88791 


1887 


84 801 


1899 


88983 


|SSS 


84444 


1893 


ss |<m 


1886 


k»27:i 


1804 


8T3I7 


1890 


Sl li -.NI 


ISiCi 


8« IS» 


Mittel iss»; 'in 


83 899 


Mittel I.-C.H iCi 


s7:ii7 


I89H 


:»l 674 


1901 


100033 


IS1I7 


93 300 


1959 


99993 


IS5IS 


9Ti ISV 


1910 


97 1 II» 


1898 


97 *!i» 


1904 


•tsilno 


1900 


«i7 893 






Mittel 1880 l'.mo 


95 Hill 


Mittel l'.ml o» 99t 



Im Zeitraum IS 1 ,»»- l!«»l i-t die Zitier der l,i-|>urti ii von 

81 (Vitt auf 100 635 gestiegen. W enn man blosdie I . I i 

gebornen bcrncksiehiigl, »Jehl man, dass auf die 5 jih- 



I 31,2; 28,6; 27.»; 27,4; 28.4, 28.3. Hie Extreme »ind 
26.3 im Jahr 18ttO und 39,8*/« im Jahr 1876. In fol- 
gender Tabelle geben wir. nach Kantonen geordnet, die 
durchschnittlichen jährlichen (ieburteiizitfern in wah- 
rt inl de» Zeitraumes 1871 -HU»»: 



Appenzell 1. H. . 


. 37.» 


Wallis 


30,4 


Basel Land . . . 


. 34.8 


Tessin 


99,9 


Appenzell A. It. . 


. 3».:, 


Thurvau . . . . 


2<Ui 


Bern 


. :ci.n 




99,4 


Tri 


33.S 


W'aadt 


99,3 


Neuenburg . . . 


33.:. 


Aanrati 


21t.il 


Silothuru . . . 


. 39.9 


Zng 


38,8 


Liedling . . . . 


32.7 


'...in.- 


28.0 






Luzern 


27,8 


Srhaflhauaen . . 


31,7 


i IbwsJden .... 


97,1 


Schwvz . . . . 


. 31.7 


liraubünden . . . 


26.3 


St. Gallen . . . 


. 31.0 


Genf 


24.3 


Nidwaiden . . . 


. 30J 


Schweiz 


:«J.8 



Kur die lie/ii ke »nid die Kxtienie 22.2 " ,,, III (ö'Ilf Hech- 
le- Ufer und 4o,t>" ,„ in Cuurtelarj i Berner Jura), 

Wenn man die Geburten anstatt im Verhältnis zurGe- 
»amthexulkcrung in demjenigen ZU ib r An/ahl der l'i .n;. Ii 

betrachtet, die ihrem Aller uaeh Kinder haben können. 
I so findet man. da»» für die Schweiz als Ganzes auf je 
Iikmi befriichtuug»f.'ihige Frauen jährlich 120 Kinder ent- 
fallen. Kur den Kanton Genf sinkt diese Zitier auf 78 
und für Appenzell I. H. Steigt sie auf I 4T>. Die extremen 

Zahlen für die Bezirke sind 7o in Genf Stadt und 174 in 

Nidau Hern . Kcrtirksichtigen wir endlich blos die im 
befruch tung* fähigen Alter stehenden verheirateten Frauen, 
-•i erhalten wir die Ziller 2V.s",, p als jahrliche» Mittel der 
legitimen Geburten in der ganzen Schweiz, wahrend sich 
1 die Kantone t wischen 156 (Genf) und 31Ti » l'ri'i, sowie die 
Bezirke zwischen li."> i Gen f Stadt i und 330 [Freibergen 
im Berner Jura) halten. Unter 900' ., »mkt diesen Ver- 
hältnis Um in lo Bezirken: Genf Stadt, Genf Hechte» 
Ufer, Genf Linkes Ufer, Glarus (Kanton), Nyon, AUbltcrn, 



SCIIW 



SCHW 



iitnwil, Meilen. Pfäflikon und Uster. Zwischen 200 und i fallen i inkl. der aus einer zweiten etc. Heirat stammen- 
24y*' ,,, halten sich 70, zwischen 2ö0 und 299' ,,, i also über I den Kinder) Cur die ganze Schweiz im Durchschnitt 4.9 




(ifburt^ufibnr.i-Mi** in iler Schweiz. 



dem Gesamtmittcl i 84 und uher 900*/« -ehr starke Ge- 
burtenziffern) folgende 18 Bezirke: Lauten, Nidau, Fruli- 
gen, I Oelsberg , Munster und Freiherren im Kanton Bern; 
Uri ; Greierz, Glane und Sense im hanton Freiburg. Gr- 
iesheim in Hasel Land, die Walliser Zehnten Goins, Oest- 
lich und Westlich Itaron, Siders. Visp und Lenk, sowie 
Val de Huz im Kanton Neuenbürg. 
Die Unterschiede sind seihst zwischen Gebieten mit 

gleicher Vulksi-asse und gleichen LebeiMbediDffHngen 
lehr stark, indem z. H. der Kanton Rem auf je limu 
(erheiratete Frauen im befruehtongvOBiteeii Alter 
Tu Gebart« Mi mehr aufweist al* der Kanton Zürich i2N0 
r'V n 210). Mieser I 'nlersi'hied erseheint nun zwar nicht 
als sehr In deutend; hedenkl man »her die grosse Anzahl 

der im betreffenden Alter stehenden Frauen und die Tü- 
nche, das» sich die-e seihe Erscheinung, jedea Jahr 
wiederholt, -i» wird man linden. da>-s für die gleiche 
Bevölkerungszahl — die Berner Frauen in 2u Jahren 
X4UII0 Kinder mehr gehören haben werden als die Zürcher 
Frauen. 

Als Hauptfaktoren für die grössere oder geringere An- 
zahl der Geburten sind zu betrachten die relative Anzahl 
der im befruchtungsfähigen Alter stehenden Frauen mit 
Hinsieht auf die Gesamtbevnlkerung 
Verhältniszahl der Verheirateten (392-.Vt9 n ,„. 
blos in den beulen Appenzell und in (Harns!, sowie die 
legitime oder nicht legitime relative Fruchtbarkeit (legi- 
time : 155-3la °i 00 U 

Hie F.rscheinnng. dass die industriellen Bezirke mit 
Beziuz auf die Häufigkeit der Fheschliessungen an erster 
und die agrikolen Bezirke an letzter Stelle stehen, wieder- 
holt sich auch mit Bezug auf die Häufigkeit der Gebur- 
ten. Ferner ist die Verteilung der Gehurten nach den 
Konfessionen ebenfalls dieselbe wie diejenige der Fhe- 
schliessungen. Nach Bassen verteilt, entfallen auf je IlKiO 
Bewohner in den deutschen Bezirken MI, in den franzö- 
sischen :♦»,♦>, in den italienischen 29,7 und in den roma- 
nischen 2<i,4 Geburten. Auf die einzelne Familie ent- 



saG-ass 0 /«), die 

überuOO 0 .'«, 



und auf die einzelne Kheschliessung 4,1 Kinder. Folgende 
Tabelle gibt uns Aufschluss über diese Verhältnisse in 

den Kantonen (IK7I-I89üi i 

Kinder 

Kauion 
Uri 

Basel Land 
Freiburg 
Tessiu 

Wallis 

Appenzell 1. B. 
SchaUhausen 
Bern . . . 
Nldwalden 
Sehwn 
Solothurn 
•nzell 
I. II 

St. Gallen 
Neuenbürg 
Aargau 
Zug .... 
Thurcau . . 
Graubünden 
Wandt 

Zürich 
Luzern 
Basel Stadl 
Glanis 
Genf 

In den Kantonen, für welche man bis zum Beginn des 
19. Jahrhunderts zurückreichende Frhebungen besitzt, 
konstatiert man eine merkliche Tendenz zur Verminde- 
rung der Kinderzahl auf die einzelne Beirat. So wies zum 
Beispiel Glarus für die Periode IKH-IN40 auf je KM) Be- 
wohner 40.-J Geburten auf. während es für die Periode 
1894-1*. H*4 deren blos noch 24,"» verzeichnete. 



Appeln 
< M.wali 




Google 



SCIIW 



SCHW 



In Äussere In- liehe (ieburten. ■ »»«• Anzahl der il- 
legitimen (ieburten ist trotz. allem, was man über die 
Immoralitat unserer Zeit /u sagen pflegt, im Ruckgaiig 
heg rillen, wie f < » I ^ • • 1 1 « 1 1 * (icsaintzahh- n für die Periode seit 



«71 zeigen ; 
1871 U>W 


187« 


4771 


188! 427!» 


IHTJ 4X7 


1877 


w.73 


1882 4282 




1878 


43*1 


I88T1 422(5 


187» 4P.«» 


1871» 


ii:»7 


1884 4222 


ist:. v<k» 


188(1 


4121 


I8K-. 4I!»I 


MTTtcl 


Mittel 




"Mittel 


IS-l 7:. Ii« 


187« 8» ( 


4*«» 


|88| K", 424(> 


1X8« 


ii:.s 


181) 1 




IXJ<7 


4l>»8 




4148 


IKSK 


t(«i| 


18!« 


4114 


188!» 


:«»23 


IX!» 4 


4lt»7 


IS!«» 


.'ts.v> 


MC. 


VlN K» 


Mittel imi'M 


W«*» Mittel l8-.ll «IT» 4»>8<» 


MM 


4318 


I'.-M 


44»i.'. 


M»7 


iVii 


Huri 


4422 


M»8 


43«3 


Im« 


4I8X 


18!*» 


4.M8 


ll«>4 


42ir. 


MKHI 


44«3 







Mittel M«i TtW UVT 



TO 



Tnna-nitiiin- 

Dic An/« hl der aussrrchchchcu licburlen, ihr wahrend 
der beiden ersten Drittel des Ii». Jahrhunderts im Steigen 
begriffen gewesen war. hielt sieh 1871 auf Ö.7 " „. I»as 
folgende Jahr sank »ie auf ö.2 "„. um sieh dann bis |XXö 
um .-> % zu halten. Seither ist ein nahezu konstanter 
Rückgang zu verzeichnen. Die Ziffern für die letzten vier 
Jahre sind ; 4.4; 4.4; 4.3; 4.3. Das Mittel ist z. I!. in Hern 
von« auf 4 ".„. in Hasel Sta.lt um 12 ««r7 in (ienf v4.11 
12 auf 5»".,, etc. gesunken. 

In folgender Tabelle «eben wir kautulisweise die Pro- 
porlionalzahlen der ausserehelieheti < Geburten mit Bezug 
auf die eheliehen (iohiirten für die Perioden I «7 1 - 1 Kl« t (Be- 
rechnung des Statistischen Bureaus! und l!»i*l-ll«»4 inaeh 
eigener Berechnung! : 

Auswercheliehe 
(ieburten 



Auasereheliche 
(ieburten 



1871 '.*» IMI.IH 



1871 1«» H«»H>4 



Kanton 
(ienf . . 
Hasel Stadt 
K'reiburg 
Lu/ern . 
Hern . . 
Wandt ....."> ."> 
Zürich ....."» 7 
Soluthurn ....*. 3 
Neuenbürg ...."> 4 
Schaffhauaen ..43 
(•raubunden . . 4 ■'( 
Walli* . . . 
Aargau . . . 

Zürich. Walli 
die ausländisch« 



M 

ri 
« 



4 

4 3 



KanU.il 


1. 


11 


Thurgau . . 


1 




St. (lallen . . 


:; 


> 


Hasel Land . 


3 


i 


Appenzell A. H. 


:i 
:i 


;■: 
1 


Tc*aiii .... 


:; 


Schwvz . . . 


3 


.1 


Ohwatden 


3 


•j 


Nidwalden . . 


3 


T 


Zug .... 


» 


-j 


Appenzell 1. R. . 


•j 


•1 


dlarus . . . 


2 





und St. (lallen, in welchen Kantuiien 
Brvolkrruug. in starker /.iiuahme be- 
grillen i«t. weinen für ItMHMfti ungünstigere Zillern auf als 
Cur den vorhergehenden Z<'itraum. Im allgemeinen kann 
gesagt werden, dass einzig die Kaiituiic mit grossen Stad- 
ien und mit starker Kinwandcrung miii Auswärts eine be- 
trächtliche Prozctilzahl von aiissereheliclieti (ieburten 
haben, welche Zahl aber immer noch hinter denjenigen 
unserer Nachbarstaaten zuruckbleibt. 

r Mchrgehurten. Die Zahl der Mehr,;.- hurten stellt 
etwa 12 sämtlicher (ieburten dar. 'i 

Auf im ganzen | 71 1 377 (ieburten die in der Schweiz 
im Zeilraum 1871- 185«» stattfanden, {.-ab es 2t».'i«tl Zwil- 
linn — . 2l>4 Drilling*- und 3 Viel lillgsgel.nl teil, von welch 
letzteren je eine auf die Kantone VYaadt, Hern und Zürich 
entliel. Das Verhältnis der Mehrgel.urlen schwankt je nach 
den Kantonen zwischen 8 %, < Appenzell A. lt.) uikF I.'»";,, 
il.u/cm). Auf je ]«M> Zvvillingsgcburton entfielen im g< - 
iianuten 2«»jährigrn Zeitraum 31 mal zwei Mädchen, :«mal 

• t Nach dur Stali'tik vud Mallet in ticof betrujr <la* Yvrhalt- 
m» ehemals t /williaga^eburtaufje73 NieilerkOut'l«», u n« o1»a t3 
bn entspricht. Uiese Zahl uabrrt »ich also ine rklicb uo- 

>.>rer utwn aii|;ett^b«nao 7.i\Ur frir 4ie ini.derii.o Zr.ten. 



zwei Knaben und .'«Dual ein l'aar. Die Drilling, borten 
stehen im Verhältnis von 12 auf je liDIKH) (ieburten und 
verteilen sich durchschnittlich wie folj-t ; 24 " „ dii-i Kna- 
ben, 28",, drei Madchen. 28 "„zwei Kuaheii und ein Marl- 
chen. 2(»" 0 ein Knabe und zwei Madchen. Die drei vor- 
gekommenen V'ierliiigs^ebuileii bestanden zweimal aus 
einem Doppelpaar und «las drittemal aus 4 Knaben. Die 
kanlonsweiseii Zahlen der Mehr^eburlen auf je lUXKichur- 
teil im (iaiizeu sind hir den Zeitraum 1871 -I8SH» folgende ; 

Hern 12 

Frei bürg 12 



I.uzern . . 
lirauhiindeii 
Schallliaueen 



Ohwalden 
Wallis . 
Iii. . . 
Solothurn 
Nidwalden 
Zug 

Basel Stadt 
Tessin . 



1:. 

Ii 
14 
14 

i:t 

1:1 

i:t 
i:t 
i.t 
i:t 
1.1 
12 



Waadt 12 



St. (lallen .... 12 

Schwvz 14 

Aargau 12 

Zürich il 

Neuenburg .... II 

Thurgau 1t 

tilarus 1t) 

(ienf 10 

Appenzell l. R. . . H 

Appenzell A. H. 8 



Aus den Arbeiten der Statistiker erhellt. da*s die Zahl 
der Mehr^eburten mit dem Alter der Mutter in Verbindung 
steht. Zaiilreich sind sie namentlich der Reihe nach 111 
den Altersklassen von ikVit), 4(1-40 und .30-3,'> Jahren, wah- 
rend sie bei den jungen Muttern sich seltener einstellen. 
Das Verhältnis der ehrlichen Mehrgehurten entsi. rieht 
mit ziemlich »,'cnau demjenigen der ausseivhelichen 

mit 12%,. 

di Totj.ehur ten. Das Verhältnis der Totgeburten zur 
(iesamtzahl der (ieburten schwankt nur wenig, scheint 
aber eine Tendenz zum Ruckgang zu haben, wie folgende 
Zahlen für die Zeit von 1871-HMli zeigeii : 



1871 


3!Wi 


187« 




1881 


3361 


1872 


:r«k4 


1877 


:wi7 


1882 


:t2S»8 


1873 


:*.»23 


1878 


X.t»3 


1883 


:t*£i 


1874 


:t8«7 


1871» 


:fii2 


1884 


:t223 


187:. 


4227 


I8N» 


:ü4« 


188,'. 


.32*1 


Mittel 




Mittel 




Mittel 




1871 7.' 


:a»w» 


1876 81) 


3.V.« 


|8H| K, 


3267 




188« 


:B79 


18!U 


312T» 






1887 


TI74 


18! r> 


314(1 






1888 


:ctvc. 


185« 


32(« 






188!» 


311« 


I8!>4 


317.'. 






ISSM 


3t .72 


ISSC. 


.3211 






"Mittel 




AI Ittel 








I88»i.««l 


:t2.v. 


I81H 5C. 


3171 






I8!#5 




I!«»l 


,»5(i7 






l«»7 


325*1 


15« »2 


X.12 






18118 


:ce»l 


l!N« 


:öic» 






18515» 


3422 


15« »4 


34iCt 






l'MKI 


:«7m 










Mittel 




.»Uttel 








l8!Nt. I'.MI 


.«Mi 


1!«H it4 


34«i2 





Das nuiiii Tische Verhältnis zu der llesiiiiilzahl der (ie- 
burten betrug |S7I;7."> 4,7 "„ und ist der Reihe nach bis 
auf 3..'. ",„ wahrend der funf letzten Jahre gesunken. Je 
nach den eiu/elueii Kantonen schwankt es zwi-chen 2 und 
.">",,. Merkwürdig und kaum zu erklären i*t, dass die 
Mehrzahl der Totgeburten das männliche liesehlecht be- 
trifft. K- betrugen die Mittel/ahb n : 

Knaben M.olchen 
I871-7.'. 221«! I7<« 

lS7«-8(> 21 '»27 i:>21» 

1NHI-.HT. I8.M 1413 

|.ss*;-;m i I3>C. 

IlKiD-ol 11C.4 WM. 

Ks entfallen auf je IINIII tii.inuliehe l.ibuilell 4ö und auf 
je IIIINI weibliche i.ehurleu :h> Totgeburten iZahleu für 
ll««)-l»4: :t!t he/w. 31,. 

Dass Totgeburten bei den ausNorrhrlichen Kindern häu- 
figer vorkommen als bei den ehelichen, erklärt sich leicht 
daraus, dass die für die Schwängern uotvveuilige Pflege 
bei den l iiveiheiralelen vielfach zu wünschen uhriglu-st. 
Auf je II««» im Zeitraum 1871-181«» geborene eheliche Kin- 
der kommen .39 Totgeburten, auf je lum uneheliche (k-- 



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SCI1VV 



SCI1W -27 



hurten dagegen deren Im 4 70 für die Knaben und (MI für 
die Madchen). Für 1900-1904 betragen diese Zahlen 34 
liezw. .V». Wie vorauszusehen, kommen auch Ihm den 
Mehrgcbiirten /.ah I reichere Totgeburten vnr als ln-i ein- 
facher Niederkunft. Das Verhältnis steigt bei den Zwil- 
lingsgcburtcn bis 96 'V,,, uml bei den Drillingsgchnrtcu 
bis auf '219 %„. 

ei Verteilung' der Geburten nach dein Ge- 
schlecht. Im Durchschnitt werden in der Schweiz auf 
je BIO .Mädchen IHK Knaben geboren, liiere Zahl darf als 
ziemlich konstant betrachtet werden, da wahrend der in 
Betracht fallemlen 20jährigen Periode da» Maximum 107.1 
und das Miuitnuin I0i.9 betragen hat. i Die Genfer Auf- 
zeichnungen hatten für den Zeitraum von 1695 bis 1 71*1 
ein Mittel von 103,8 ergeben). Für die ausscrehclichcu 
Geburten sinkt diese Verhaltnis/ahl auf 10*2 oder 103. Das 
I 'eberwiegen der inännliehen Geburten maeht sieh in allen 
Kantonen hemer klich und schwankt zwischen 109 für Ob- 
walden und Glarus und 103 für Kasel Stadt. 

fi Heimat iler Leheiidgeborericn. Die Verteilung 
der l-eheiidgelHirncn ergibt für den in Betracht fallendeu 
^Ijalirigcn Zeitraum 75 "/„ Bürger des Wohnkantons, 
16 Bürger eines anderen Kantones und 9 Ausländer. Voll 
Interesse »ind dabei die Finzolzahlen der verschiedenen 
Kantone, weil nie einen der hauptsächlichsten Faktoi-en 
darstellen, durch die in unserem Land die Vermischung 
der Hassen bedingt wird. Auf je 1(10 Lchendgcborcne 
entfielen : 

Bürger des Bürger eines 
Wohn- andern Kan- 
kantons Ions Ausländer 

Wallis «5 2 3 

Appenzell I. K. .89 9 '2 

Bern 89 8 3 

Aargau 88 9 3 

Luzern Wt» 12 2 

Schwvz .... 8b 10 4 

Kreiburg . ... 85 14 I 

Nidwaldeu ... 85 10 5 

Graubünden . . 83 8 9 

Uri 81 14 5 

Obwalden ... 81 14 5 

Tessin .... 79 2 19 

Waadt .... 7.'. 18 7 

Glarus ... 74 21 5 

Solothurn ... 70 26 4 

Appenzell A. H. . 70 25 ."» 

Basel Und ... 70 21 9 

SchafJTiauiwn . . 70 15 15 

St. Gallen ... «7 23 10 

Zürich «7 19 14 

Thurgau .... 66 21 13 

Zug 61 35 4 

Neuenbürg ... 42 49 9 

Genf 30 27 43 

Basel Stadt ... 19 31» 42. 

Diese Tabelle stimmt im allgemeinen mit derjenigen 
der Verteilung der Bewohner jedes einzelnen Kantons 
nach ihrer Heimat übereiii. Zu beachten bleibt aber, 
dass die Anzahl der Geburten von Bürgern des Wohnkan- 
toues in den beiden Städtekantoneu Geuf und Basel 
Slailt sehr stark hinter der gesamten Anzahl der Kan- 
ton*bürger zurückbleibt (30 und 19 Geburten gegen 38 
und 30",,, der bürgerlichen Bevölkerung!. Diese Krschci- 
nung erklärt sich ans der sehr geringen Geburtenziffer 
der Burger dieser beideu Kantone. 

Ganz allgeineiu gesprochen, zeigen die in irgend einem 
Kanton niedergelassenen Schweizerburger aus einem an- 
dern Kanton und auch die Ausländer eine höhere Ge- 
burienzill'cr als das aulochthonc Beuilkerungseleinent 
des betreffenden Kantones. Ks mag dies aus folgender 
Tabelle ci-sehen werden, die für den Zeitraum IH7I- 18110 
die Anzahl der Geburten auf je IUI 10 Kopfe der verschie- 
denen Volkselemente angibt: 

Burger des Bürger eines 
Wohnkaulones andern Kautones Ausländer 
Schwei/ . . . 28.8 29,8 31.0 

Basel Stadt 17.8 30,4 31.2 

Genf .... 16.0 22.3 22, 1 



Diese Krsrhcinuug I rillt auch auf die aussei ehelichen 
Geburten zu : 

Bürger des Bürger eines 

Wohukanloiies andern Kautones Ausländer 
Schweiz ... 1,0 1.8 2.7 
Basel Stadt . . 0.6 3.0 i.V 
Genf .... 0.9 2.6. 

Man sieht zugleich, dass die durchschnittliche Anzahl 
der illegitimen Geburten bei den Burgern von Genf und 
Basel Stadt kleiner ist als da» Mittel für die ganze 
Schweiz und dass die wellig günstige Stellung der beiden 
Kantone in der Statistik der ausserehelichen Geburten 
ausschliesslich den Kingewauderlen aus andern Kan- 
tonen und aus dem Ausland zugesehrieben werden miiss. 

Wir haben bereits bemerkt, dass die Geburtenziffer 
der in der Schweiz niedergelassenen Ausländer 31 " „, be- 
trägt. Auf die einzelnen Nationalitäten verteilt, ist sie 
35.9" , „j für die Italiener. 34.6 für die Oesterreicher. It2.7 
für die Beichsdeutsthen. 24 für die Franzosen und 20.9 
Tur die übrigen Auslander. 

:i. Sterhlu-hki'it. alTodcsfälle. Verglichen mit der Ge- 
samtheit der Bevölkerung zeigt die Anzahl der Todesfälle 
eine Tendenz zur Abnahme. Dies beweist, dass die hygie- 
nischen Vorbeugtitigsinassi-egcln und Seinitzeinrich- 
tungen nach und nach die Bedingungen Tür eine Ver- 
längerung des Lebens günstiger gestalten. Folgende Ta- 
belle gibt die Gesamtzahlen der Todesfälle <rxkl. die Tot- 
geburten! im Zeitraum 1871-1904: 

1871 74 002 1876 66 819 1881 63 979 

1872 511758 1877 «5 353 1882 Vtl 819 

1873 61676 1878 »15 311 1883 58 7:« 

1874 ÜOK45 1879 03 tiT.1 1884 58 30l 

1875 66 1 13 1880 62 223 1885 61 548 



Mittel 
1871 75 


64 V79 


Mittel 
|87ti;80 


»»4 671 


Mittel 

1881 85 61 (182 




2:1.8 


n 

"V 


21.3 


21.3 




188») 
1887 
1888 
IM 
1890 


60061 
58 939 

58 229 

59 715 
61 805 


1891 
1892 
1893 
1894 

1895 


»VI 183 

57 178 
61 059 
61 885 
.59 747 




Mittel" ~ 
1886,90 

Ol 
'IUI 


59 7.5t) 
20.4 


Mittel 
1891/95 
.«) 


<i0 210 
19,6 




1896 
1897 
1898 
1899 
1900 


56 096 
.Vi :J99 
58 914 

57 591 
63 606 


1901 
1902 
1910 
1904 


60 018 

57 702 

59 626 

60 857 




""Mittel " 
1896 1900 

";,„ 


58 521 
18,1 


Mittel 

1901 Ol 


59 551 
17.6. 



Die hohe Ziffer des Jahres |87l. die seither trotz der 
beträchtlichen Vermehrung der Bevölkerung sieh nie 
mehr wiederholt hat. iniiss zum Teil den Infektninskr ank- 
heiten zugeschrieben werden, die von den französischen 
Internierten in unser Land mitgebracht worden waren. 
Der Buckgaug der Sterbefiille von 28.8 auf 17,»> ".■'„, zeigt 
eine Verbesserung von eini'in vollen Viertel zwischen 
den beiden extremen Jahrl'uufi'U an. In diesem Buck- 
gaug der Sterbelalle liegt zusammen mit dem (ielmrten- 
ubersrhiiss und dein IVhersrhuss der Kinwanderung 
einer iler Hauptfakloren für die Zunahme der Bevölke- 
rung. I'nsere Karte der Sierblichkeil in der Schweiz ver- 
dient eine besondere Krklarung. weil die Verhaltuiszah- 
len für verschiedene Bezirke als beileutend zu hoch er- 
scheinen. Dies trilll z. Ii. zu für die Bezirke Diesscnhol'en 
und Linkes l'fer |Gcnl'>. in denen sich kantonale Kran- 
kenhäuser und Asyle mit einer weil über das Mittel hin- 
ausgehenden Slcibliehkeils/iHci- belinden. Seit 1891 wer- 
den die Sterbefiille in der Gemeinde gezählt, in welcher 
iler Verstorbene zuletzt niedergelassen war. welches Ver - 
fahren dein eben genannten IVlicIsland in der statis- 
tischen Darstellung abhilft. 

Die eidgenössische Statistik hat bis jetzt Mitlelzahlcn 
blos für- den Zeitraum 1871-1890 aufge-lelll. welcher mit 



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-2K 



SCHW 



SCI1W 



Hinblick auf die seither erfolgten Verschiebungen der 
Bevölkerung als z.u weil zurückliegend erscheint. Wir 
haben, um neue Daten tufgvwinnen, folgende Tabelle 



Für den 10jährigen Zeitraum 1895-1904 zeigen dir ein- 
zelnen Kantone folgenden numerischen Ueberschuss der 
Geburten über die Todesfalle: 




Sterbllcbkettskarte der Schweia (IS71- IWui. 



14.4 


Waadt 


17,9 


ISwS 


Luzern 


18,0 


i6.r> 


St. (lallen .... 


18,1 


lt;.t; 


Aargau .' ' . . . . 


18,2 


16,9 


Grauhündcn . . . 


18.4 


17.0 


Appenzell AR.. . 


18.4 


17.0 


Scbwyi 


18.6 


17.1 


Uri .' 




17.1 


Wallis 


20.0 


17.4 


Frei bürg .... 


90,1 


17.6 




2*2.0 


17.6 


Appenzell 1. H. . . 


22.4 


17.6 


Schweiz 


17.7. 



der 'diirchschniltlichcnWiuahHdi i Todesfälle auf je 1(100 
llewohllrr l'nr den Zeitraum 190|-(4,herechnet 

Basel Stadt ". T" 
Neuenbürg . . 
Zürich . . . 
Hasel Land '. . 
Solo Ihnen . . 
Zug .... 
Thurgau . . . 
Nidwalden . . 
Genf .... 
Bern .... 
Ohwalden^ 
Glarus .... 
Schaff hausen 

■ Die Iii sscrstellung erscheint fühlbar genug, um da» 
Geauntnüttel i unter dasjenige von 1871-1890 sinken 
zu lassen. Ks zeigen namentlich die Kantone mit 
grösseren Städten, die sich die Hebung der öffentlichen 
Gesundheitspflege haben angelegen sein lassen, weit 
günstigere Stcrldichkejtsziffcrn. The extremen Zahlen, 
tUe sich 1871 bis IK5HI zwischen 19,2 und 20.3 hielten, 
sind heute zwischen den Kähmen von 14,4 bis 22.4 ",„ 
gesunken. 

b) Ge hur t e n ü b e r s c h u s s. |>er UebenchuM der 

Geburten über die Todesfälle erreicht für die zwölf h-lzt- 
vergangenen Jahre folgende Ziffern : 

189:1 23 838 I8ix; 98331 iww 3«88i 1002 38 77it 

1894 22 257 1897 :« «79 l'.Mi 30 710 1903 31 198 

1895 25 226 I81»8 32 879 1901 37 010 1904 34 010 

Das Mittel aus 1893- 1904 beträgt also 31817 und der 
< ■i samtuberschuss der Geburten über die Todesfälle im 
gleichen Zeitraum 381 798. 



Hern . . . 


. 77 084 


Hasel Land . . 


. 865» 


Zürich . . . 


. 45 8«l 


Schwvz . . 


. 5908 


St. (lallen . . 


. 23 H81 


Grau banden 


5.S2I 


Waadt . . . 


. 83331 


Appenzell A. R. 


. 4 781 


Aargau . . . 


. 80 836 


Schallhausen . 


3 769 


Freihurg . . 


15 02» 


In 


2 8-17 


Hasel Sladt 


14 9H9 


Zug .... 


2 637 


Solothurn . . 


. 14 583 








13 267 


Gle nu . . . 


1 147 


Neuenburg 


. 12 9K3 


Nidwalden . . 


. 1 698 


Wallis . . . 


. 11303 


obwalden . . 


1 481 


Tessin . . . 


. 9 635 


Appenzell I. R. 


i 39t 


Thurgau . . 


9 531 





Für die ganze Schweiz beträgt der Gesamtubcrschuss 
335 653 und das jährliche Mittel ICt.Vö. oder mit andern 
Worten : auf je zwei jährliche Todesfälle entfallen pro Jahr 

drei Geburten. 

St. Gallen steht der < ■rsarnlbcvölkcrung nach hinter der 
Waadt zurück, übertrifft sie dagegen mit der Ziffer seines 
Geburtenüberschusses; ebenso zeigt der Kanton Solothurn. 
der 40000 He wohner weniger zählt als der Kanton Genf, 
•■inen 7 mal grosseren Geburtenuberschuss als dieser letz- 
tere, der selbst von den nur 20000-25000 Rewohner zäh- 
lenden Kanlonen Tri und Zug überflügelt wird. Für den 
Zeitraum 1871 bis 1904 weilen die einzelnen Jahre auf je 



Todesfalle auf : 










1871 


1,4 


1876 


8,7 


ls.NI 


7.4 


1872 


7.« 


1877 


8.6 


1882 


6.9 


1873 


7.0 


1878 


8.0 


I8K1 


8,1 


1874 


8,1 


1879 


8.0 


1884 


s.l 


is::, 


7.8 


1.S.S,, 


7.7 


I8K5 


6,5 


Mittel 




Mittel 




Mittel 




1871 7r» 


6.4 


1870 80 


8,2 


1SS| KT> 


7.4 



Google 



SGHVV 



SCHW 



-29 



1886 
1887 
1888 
1K89 
1X90 



7,1 
7,7 
7.8 
7.3 
5,7 



1891 
189-2 
1893 
18114 
1895 



7.4 

8.6 
7,8 
7,2 
8.0 



Mittel 1886 90 

181« 
1897 
IHW 
1899 
19ÜÜ_ 

Mittel 
1896.1900 
Wenn man 



7,1 
10.2 
10.5 
10,2 
11.3 

9,3 



Mittel 1891 05 
1901 
1902 
1903 
1901 



7.8 

11.1 
11,5 
10.1 
9.9 



Mittel 

10.3 1901/01 10.6. 

von dem ausnahmsweise Verhältnisse zei- 
genden Jahr 1871 absieht, sinkt das jährliehe Mittel des 
Geburtenüberschusses nur einmal unter 6 und zwar 
im Jahr 1890, das durch starkes Auftreten der Influenza 
charakterisiert erscheint. Seither hat sieh dann eine be- 
achtenswerte Verbesserung der Ziffern eingestellt, und 
seit 1898 wird die als ausnahmsweise gross betrachtete 
Ziffer von 1876 alljährlich regelmässig überholt. Von 
7*3°/» fä r den Zeitraum 1871-1890 ist der Gchurtcnüber- 
schuss für die folgenden 14 Jahre auf 9.5 angestiegen. 
Um neuere Zahlen zu erhalten, haben wir in folgender 
Tabelle für die einzelnen Kantone den l T eberschuss der 
Geburten über die Todesfälle auf je 101)0 Bewohner im 
Jahr 1904 berechnet : 



Genf 1,4 

Glan» 4,0 

Graubünden . . . 6.4 

Waadt 7,8 

Schaphausen. . . 8.2 

Tessin 8,4 

Neuenbürg ... 8.6 

Zürich 9,0 

Schwyz 9.2 

Thurgau .... 9.3 

Appenzell A. R. . 9.9 

Zug 10.5 

10.7 



St. Gallen .... 10,8 

Wallis 10.9 

Freiburg . . . . 11.0 

Aargau 11,2 

Kusel Land . . . 11,4 

Hasel Stadt . . . 11.7 

Appenzell I. l\. . . 11.8 

Obwalden . . . 12.0 

Bernl 12.2 

Sololhurn . , . 14,0 

Nidwaiden . . . 14.1 

Uri 14.6. 



zwischen 0.1 für Genf und) 10,7 für Basel Land ge- 
schwankt. 

Das* der Gehurtenühersehuss für die Bürger des Wohn- 
kantones geringer ist als für die Bürger anderer Kantone 
und für die Ausländer, kommt daher, weil sich die beiden 
letztgenannten Volkselemente zum guten Teil aus Einge- 
wanderlen rekrutieren, die den lebenskräftigsten Alters- 
klassen angeboren. Genf erscheint als der einzige Kau- 
ton, in dem die Geburtenziffer der Kantonsbürger ge- 
ringer ist als deren StcrbliehkeitszilTer : 16°/« Lebendge- 
burten gegen 24" ,„ Todesfälle im Zeitraum I8< 1-1890 (die 
gleiche Erscheinung zeigt sich auch für die folgenden 
Jahre). Basel Stadt, das in dieser Beziehung Genf am 
nächsten steht, weist einen sehr schwachen Geburtenüber- 
schuss seiner Bürger auf. MMS 
c) Geschlecht und Alter. Mit Bezug auf die Slerb- 
lirhkeitsverhältnisse stellt sich das weibliche Geschlecht 
etwas günstiger als das männliche, obwohl sich der Unter- 
schied mit der Zeit auszugleichen scheint. Auf je 100 To- 
desfälle beim männlichen Geschlecht entlielen 1871-1880 
je 88, während der folgenden lOJahrc ic9l und 1900-1904 je 
96 Todesfälle beim weihlichen Geschlecht. Mit liezug auf 
das Alter bezahlen die beiden Geschlechter dem Tod einen 
sehr unregelmässigeii Tribut. Folgendes sind für den 
Zeitraum 1900-04 die jährlichen Mittelzahlen der Todes- 
fälle fexkl. die Totgeburten) nach dem Geschlecht und 
(J cm Alter: 



^Todesfälle 



Altersklassen 
Weniger als 
ein Monat . 
1-11 Monate . 
1-4 Jahn-. . 
5-14 » . . 



Männliches 
Geschlecht 



Weibliches 
Geschlecht 



PiAuf je 100 j 
I Frauen star-j 
ben Männer: 




15-19 .... 
20-29 .... 
30-39 .... 
40-49 .... 
TiO-59 «... 
60 Jahre II. mehr 



3014 

42115 

19681 

1005 

625 
1685 
1795 
2277 
3342 
10726 



2260 
9567 
1906 



Gestorbene 



Mdnnl. Geschlecht . 
üüü Weib/. " 





15-13 ZO-29 3043 

Altersklassen 



G«»imtMhl dar Sl-.rb.-faH«; v..n 1881-1890 n.eh Geschlecht and AllerskUMon 

der (»**t.. rrwnen. 

Bas Mittel für die r ganze* Schweiz beträgt für 1904: 
M*/«o- Fur dpn von ,,, ' r [eidgenössischen Statistik 
bearbeiteten Zeitraum j 1871-1890 hatten die Extreme 



188 
120 
103 

94 

761 82 
1805 93 
1798 100 
1780 128 
2767 121 
11889 90. 
Die kleinen ^Knaben im 
Alter von weniger als einem 
Jahr sind schwieriger am 
Leben zu erhalten als die 
gleichaltrigen Mädchen und 
sterben im Verhältnis von 125 
(und während der ersten Le- 
bensmonate von noch mchri 
zu Ii 0, Bis zum Alter von 5 
Jahren gleichen sich ilie Sterb- 
lirhkeitszid'ern fur beide Ge- 
schlechter aus. worauf sie.his 
zum 20. Allersjahr für das 
männliche Geschlecht sieh 
günstiger gestalten, da viele 
junge Mädchen im Alter von 
15 bis 20 Jahren der Tuber- 
kulose zum Opfer (allen. Auch 
im Alter von 20-30 Jahren 
stellt sich das Verhältnis für 
die Männer günstiger, was 
zum Teil davon herrühren 
mag, daBH viele junge Frauen 
der Mutterschaft erliegen. 
Wahrend sich dann zwischen 
30 und 4ll Jahren das nume- 
rische Verhältnis bei beiden 

Geschlechtern ausgleicht, 
sterben im spätem Alter viel 
mehrMänner als Frauen, und 
/war im Verhältnis von 128 
und 121 zu je lim «ahrend 
der beiden Dekaden von 40-50 
und von 50-60 Jahren. Mit 
Bezug auf die Todesfälle von 
Greisen Kehl aus unserer Zu- 
sammenstellung hervor, dass auf je 9 Männer 0» Frauen 
Sterben. Das 90. Altersjahr erreichen oder überleben von 
den Männern 35 % und von den Frauen 40 



I000ÜU 



873000 



60000 




40000 



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SCHW 



SCMW 



Hu' M^ii^riL /nyr. da— 

hnalirli -lurkrr ist al- Iii ] 
ins »ich li«'i «irli aiiv-rlvli. 



die Kindel -Inhlirlik. it U'i den 

lit-ti M;nJfli, -i) vidi Iji'v Wrlialt- 
Ii« tu n Kiinl. i m in» Ii verscharrt. 



I47 M.lllCrll'Il 

hk. 



17:* Knaben 
•JUS ,. 



IS 



Aul je 1UH1 I.« hi'ini^i lnii in' «l.ir'li. 11 im i'i-li-n Ahe r--.j , i h r 
I Ii. !i. !i. 

All-v-Ct', lll'li« Iii' 

Hu- KimliT-li'i I4ii hkiMl 

i IT'iflll r ri' ml <lr-> vni 

• l> i • rid M > n ui-*; im' In iiSljirivt i k 
bearbcit. Irn Zei 1 1 auin« < v«>n 
/wau/if; -In Im Ii itu Mittel 

IT.;»" .,. Hu -.- Ziiri i «im« ki 

da-. Vn | mit III- «irr im II -du 
AUrr vj.iln i_i — 1 1 •r tn-iar-ii k m- 

llrf V rl'^ I i.'l irll Ulli der ( tc- 

-anit/ahl (Ii i' r.rl>rnd"«-hur- 
t • - 1 ■ aiis und -rliwanklr Cur 
die kaiiUmr l\\ i-t In n Ii,'.! 
lObwahleii i und iS.lt i A | ►— 

pcll/ell I ll ' oder 1'llr dir 
Iii zirkr /.wwrjn-n Iii.!» I Iber 
Ha-I,\, und iK,:> iT.'il.lmi. 
Ik'ii industriellen Ilt /liki ii 
kiirnriit rnir -tark.-rr Kin- 

«Ir't -l«'l'|l|icl|k«-it /.II ill- lll'II 

n;:rik'il«'ii, Im «iir iiu^HiT- 

i hrlirlirii Kiiiiiri' um'— « I i • • 
\lilt,-bal,l um etwa dir 

ii .irt.-.i!. h. u i. IT.«» .H.rr. '.i 

erhöht «cid. n. A II«- diese 
Zifl'ern -i li\Viitik« u ut,ri"«'i|s 
^lin klic)i«T\M'i-r nnl der 
Zeil. So i^l ii;r- l Ir-aiiitinit- 
Irl für «J ii- 1. lyl.-n 1'u r>f I ;i Ii i .■ 
mit bekannt, n r>'r].!)is-n. 
.ilNNUHOl, auf l.l.S",, 

s.lllkeil Ullll IA II «1 III Zll- 

kunl't M,-hn lu d uiil ' in, 
um, 'Ii yrriu^rf«' Zilbr herab- 
-«•si't/t w.-rd.'ll knlllli'li. 

Il.-i 1,,'iilrii i;.-k«'1iI.'. Iit, ! n 
,-r «ii«' Sterblichkeit f.tr .lirV.'ilii-inid In, -an/ allgemein 
i'llii' Millibar jiiTifirrrv :\\- hu ihr Loipen. 1 1 1 1 1 1 J • • I 1 1 1 1 1 
-Ulli ill-rr ihr lr.hu« ll \l:„l« lirl| II,. .1 UU'e I nli1 1 i. f III dl, -rr 
I.V/lr|lllll,J l.,s-rr rr-lrllr :iU «Ii,. j U II— \ r I 1 1, ■ I r;. I, 'I.' II 
l' i an. n. dl.' w.'r.'i, «I«', Mut(, ,v hall -r.,^.'i',' ( r l;il,i «n 
laufen. Mil An-nahmr dn jun-rrn Alt, i sklas-, n n. In.i. n 
die Wim.-r iiinl Witwn n w -. h.-n «Ini Verheirateten 
nii.l dm L,.,| lr .. n «•!„,. M.llrMrlliin" rni. Im Zeitraum 

W>ll lX7]-|Si<J -laibcll Hill' je IU(HI i-nl.1, h-rlir l.,|„'1ldr 

jeder Kategorie 



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: iin^-t j>; l'ur dir llui^rr iiii«Irt> r K;iiit,,iir nmi dir Au-<- 
■r. vm-Ii-I, t.rul«- lrt/trin K.iti'vnr-i.'n Inn*! jim^i rii 
u. Il;iyi-rrii vcioliiit ti -.1« ■) i ,|i> ilnj-- 
dnivli nur lanfrn' (.rh. ri^,| ju. i 



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31/-39 '10- W M-. r r.9 HO jii J mehr 



l».irvh'«-hi»in,:-n. i..hrlirhr Ai.mM ii<-r Srcrhni'.ill' r 

,-/».:■ iM.r.i lsM-1v.ii,. 



10 I«- 1 l.cb«;i.|- ■ r \ Ii .-ri. lt nipp- 



r.,'|,rniir lli-M'i'llll.'ti' Vrrhfiltni, ,t, r T' i« lr- f., I ! r 1 11 1 1 •' r| m!b 

iir. , in/, Iii.ti Air, iAI n . Zriiiaum ls7I-l^m 

Hur-.'!' ,1,-s l>uiV' i « inrs .in 
Alt, i- \\ „liiikniitons «Iri n haulons Au- 



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7.1 
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11.4 

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Männer 
Vcrliciralete 

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I-2.-J 
H.X 
I !»..-. 
27.-2 

Frauen 



Witwer 

11,7 

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Jahre INI 7 :». 

iursarh.'n.Es erübrigt »n* im« Ii, <li.-.'in/« ln« D 
Ti>d.'surs;H'li.'n 711 lliitri-Miclirll, dci'i>n Itrarlirihmp einen 
wichtigen Al.srhnilt «Irr ridt;rni>s«i^<'hi'ii Statistik bildet. 
Iluich rr-iiüsr und anhallrndr Au.Mlaiier i^l <-s dem ndj;e- 
li«,«*i»< lirli bIjIi«Iim In n llnrraii luorhrh ncwdnlen, die 
Anzahl der ar/lln h nicht h«-s« lu-im^lm Tijil. sfalle l»- 
trärhtlii Ii zu vermindern. Im Jahr l?<7fi, in welchem 
dieser lMenst7.weiLr einjj.-riehtet worden ist. verzeiehnete 
man n«>ch mehr als ii " T«>drsf:ille. «Irn'ii l'rsaehen 
ar/theh nicht lieselieini({t waren. Heule beträft dieses 
\erh;iltni» hlus mich etwa 4 0 ,,. Wahrend sieh das Wallis 
d.-n Krlr l, linken «hr-.-r Art am meisten abLTeneint reii/t. 
/ahli-ii in mehr als der Hälfle der Kanl.'tie «lie nicht ärzt- 
lich bescheini^ieti T<Hlesfälle jedi-s Jahr nur nach Kann 
wi-ni>;rn. In einigen stark i:« Im r i^rn l.andesleileii bililet 
der \l.in^< 1 an Aer/ten ein i>ft nicht zu überwindendes 
Hin. I, rni- für diese Krlirl.iiiiri n. 

I>a uns das mehr tnler weniger liänli^'e Vorkommen der 
« in/ehirri Krankheiten eher in «las ('.«'biet der Medizin 
rin/ii-. Iilaj.ni srheitil. wtillen wir uns hier mit einer 
kiii /rii Au f/ahliiiii; deijeni^. n Kraiikheileti be^nu^en. die 
das Hnii|itk,>iit in«v<-iit der Todesfälle liefem. Hie Ziffern 
beziehen sich auf den Zeitraum von 1W1-1HSNJ, da die 
Jahr»- IsTfi-lf**) in dieser lieziehun^ nt wenig vollstäiulige 
ll.-siiltate « i-eben haben. 



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SCBW 



SC1IW 



31 



Während dieses 10jährigen Zeitraumes von lSSl-ls9n 
entfielen auf je IUI» Todesfälle deren durchschnittlich 10 
mit unbekannter Todesursache. Von den 90 übrigen 
waren gestorben : 13 an der Tuberkulose (10 an Lungen- 
schwindsucht und 3 an Schwindsucht anderer Organe), II 
an akuten Krankheiten der Atmungsorganr. Ii au Allers- 
tch wiche, (i an Magendarmkatarrh im Kindraattrr, 5 an 
anyehoi-iier Lebcnsschwäehe. ."»an Krebs und Geschwüren. 
."> an chronischem Bronchialkalarrh. 4 an organischen 
Herzfehlern, 4 an Hirnschlag. 4 an äussern Todesursachen 
gewaltsamer Art und 2 an Diphtherie und Krupp, total 
05. I >i • - iihrigen 25 ";„ entfielen auf verschiedene andere 
Krankheiten. Im folgenden geben wir für drn Zeitraum 
Ii« MV 1904 die mittlere jährlich«- Anzahl der Todesfälle 
nach den bekannten Todesursachen : 

Angeborne l.ebensschwache 4HV. 

Altersschwäche 2iR>7 

Selbstmorde 7S2 

Fremde strafbar« Handlung \*i 

l nfälle 2027 

(.ewaluanior Tod au* unsicherer I rsache ... 43 

Pocken 15 

Masern 809 



Scharlach lieber 
Diphtherie» 
Keuchhusten . 
Rotlauf . . . 
Typhus . 
kindhetttieber 



ist 

711 

680 

IUI 
•-»•20 



so die Pocken, denen im Jahr ISS.', volle 42t». l!Mt2-1940 
dagegen hlos noch je 2. 4 und 4 Menschen /um Opfer ge- 
fallen sind ; ferner Diphtherie und Krupp i mit 23MiTodcs- 
fällen im Jahr IS82 und hlos noch 741 Todesfällen in- 
folge Diphtherie im Zeitraum l9t«MM04i. sowie das Puer- 
peral- oder Kindhettlicber. das ebenfalls um weniger als 
die Hilfte der vorkommenden Fälle totlichen Ausgang nahm. 

Kür nähere Angalieu über diese Verhältnisse müssen 
w ir auf die eidgenössischen Veröffentlichungen verweisen. 

f) Seihet mord. I)ie Anzahl der Selbstmorde ist im 
Gegensatz zu der allgemein üblichen Annahme heutzutage 
nicht grosser als in fi ühern Jahren, wie folgende Tabelle 
uher die einzelnen Jahn- Von 1876-4904 zeigt: 

IS7U MO 1SSI 075 IH80 899 

IS77 000 1S82 088 1HS7 626 

IS7S 64S issil 683 isss HUB 
lS7it 701 ISS4 »»47 I8S9 «El 

isso m; ish:. «oi isoo 

SHltel fföleT 



IS7ti SO 

isoi 

1X02 
ISiU 

is«»4 

1895 

MitteF 



836 
0.V2 
011 
71o 
7<IN 

(Mll 



I niif tinar huinrtrnrhl 04m» 

Andere tuberkulöse Krankheiten 2537 



Skrofeln 

Lungenentzündung 

Akute Bronchitis und l.ungetikatarrh 
Magendarmkalarrh im kindesalter . 
krehskrankheiten 



05 
201 1 
»105 
.'«»Kl 
41.17 



i«h ic» ooo 

Aul' je 100 (Ml bewohn 
Selbstmorde. Hieses Verl 
staut und schwankt 
zwi-chen 20 und 24. 
Ionen mit vorherrscl 



IS8I 85 

iw»; 

IS07 
1S1IS 

issni 

11MMI 

Hilfe! 
ISMO Ii«« 



07 1 

690 

6S7 
O'MI 
72 i 
701 



Mittel 
ISHI» !M) 

1991 
1909 

UM« 
11« >i 

Miflel 
1!«H Ol 



»»45 
747 
7151t 
770 
712 



je nach 

In den 




Anzahl drr L'oiz InokMäll« mit tftthehem Ausgeiijr, drr S*l»i»tm.irde und 
dar fremden strafbaren Handlungen im Z-itraum (sTlt-lHO. 

Kügen wir noch 003 Kalle von unsicherer Diagnose und 
i'170 Kalle ohne ärztliche Bescheinigung hinzu, so erhal- 
ten wir ein (lesamtjahi-esmitlel von .'IS 21« I Todesfällen. 

Hie aus diesen Zillern sieh ergehende leichte Vermeh- 
rung der tuberkulösen Krankheiten rührt ohne Zweifel 
von der genauem ärztlichen Konlroleher. Gewisse Krank- 
heilen erscheinen allmählig im Verschwinden begriffen, 



II 

■ entfallen durchschnittlich 93 
Unis hleiht sieh ziemlich kon- 
den einzelneu Jahren hlos 
l.aiulkantonen und den Kan- 
ml katholischer Konfession Bind die 
Selbstmorde verhältnismässig am Reltenaten. Die kantons- 
weise rebenkht ergibt für die Periode |ss|-lsi«i auf je 
Iimmi Personen im Alter von 15 und mehr Jahren: 

Selbstmorde 

(II. wählen O.S 

Kidwaiden 1.0 

Sehwyz 1.0 

Tessin 1.0 

Wallis 1,1 

üri 1,4 

l.uzern 1,5 

Kreihurg 1.0 

Zug 1.7 

Grauhündcti 1.0 

Glarns 2.4 

St. (".allen 2.4 

Appenzell I. K 2..". 

Aargau 3.1 

Sololhurn 3.9 

Hern .1.« 

Appenzell A H 3,7 

HaseJ Stadl 2.7 

Zürich 3,8 

Sehallhausen jl.W 

Thiirgau 3.0 

Hasel Land 1.2 

(leiif 4.0 

Neuenbürg 0,1 

Waadt . . 6,2 

Schweiz. . 3.3. 
Heim männlichen tieschlecht ist der 
Selbstmord weitaus baldiger ab beim weib- 
lichen <;. schlecht, und zwar entfallen aul 
100 Selbstmorde von Männern deren hlos 
17 von Krauen. Mit andern Worten: es 
entleiben sich im Ganzen 5,8°,'«, Männer 
über 15 Jahre gegen blos 1 % |- innen im 
gleichen Aller. Der Selbstmord erfolgt bei 
den Männern vorzugsweise (bei 46% der 
Gesamtzahl! durch Krhangen, bei ih n Krauen dagegen 
4S" „i durch Ki tranken. 

o| Fremde strafbare Handlung. Morde und Tot- 
schläge sind in den let/tv ergangenen Jahren eher seltener 
vorgekommen : 

Mittel aus IS70-8O . HM» Mittel aus ISSÜ-00 . «0 
■ > 1SSI-K. . ST. « v 1WMI-04 . 02. 



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32 



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SCHW 



IV. AVSWAKDERI NG 1ND SCHWEIZER IM At S1.AND. Mit 

der Auswanderung befasst sich die eidgenössische Stati- 
stik nur insoweit, als sich die Auswanderer nach übersee- 
ischen Ländern wenden. Weil zahlreicher sind aber 
ohne Zweifel diejenigen unserer Landsleute, die sich in 
unseren Nachbarstaaten niederlassen, der Itundcsauf- 
sicht über die Auswanderung aber nicht unterstchen. 

/. AuMwanilerunq. Die Anzahl der Auswanderer nach 
überseeischen Ländern ist gegenüber frühern Zeiten in 
beträchtlicher Abnahme begriffen, wie folgende Gesamt- 
zahlen für die einzelnen Jahre des Zeilraumes 1881-1901 
zeigen : 



1881 


10 935 


1.88»; 


6342 

7.V.8 


1891 


751 8 


1882 


10 8116 


1887 


189-2 


7835 


1883 


13502 


1888 


8346 


189!$ 


6177 


1SK4 


9 tM 18 


1889 


8V*» 


1894 


:$849 


1885 


7 583 


189(1 


77 LJ 


1895 


4-268 


Mittel 1881 86 IOüUj Mittel 1886/ft) 7lw8~M Ittel 1891/9.I :*)■£) 




1896 :coo 




1901 


3921 






1897 iVH 




1903 


4707 






1898 ±»88 




i«a 


-.817 






1899 -2493 




IHM 


4818 





1900 



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Mittel 



14000 

























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^1,.,-;>7^i,:a....^.>... ^ 




Aoiabt d«r Srl,w. „er im Ausland < nach den n-u*s|en /ablnogaa). 



Mittel 190! 4816. 

Im Ganzen sind während 
dieser '24 Jahre volle 154-255 
Schweizer in u lters.ee l sehe 
Länder ausgewandert. Die 
grossten Kulltingente zu 
dieser Zahl lieferten die 
Kantone ltr-rn. Zürich. Tes- 
sin. Basel Stadt und St. 
Gallen. Von den 63 34:1 
Auswanderern der Jahre 
I89I-I904 wandten sich 
56615 oder 89% nach den 
Vereinigten Staaten und 
ÜU6 oder 6<V 0 nach Ar- 
gentinien. Di.- übriger. 5% 
verteilen sich auf Austra- 
lien. Brasilien, Afrika. 
Chile etc. Die grosse Mehr- 
zahl der nach Argentinien 
Ausgewanderten rekrutiert 
sieh aus den welschen Kan- 
tonen. 

Schweizerin» Ausland. 
Angesichts der Leichtig- 
keit, mit der unsere Miteid- 
genossen ihren Wohnort zu 
andern pflegen, darf man 
annehmen, dass in frem- 
den Ländern mehrere Hun- 
derttausende von Schwei- 
zern leben, von denen viele 
noch die Hoffnung einer 
frühem «Hier spätem Heim- 
kehr ins Vaterland hegen. 

In den Vereinigten Staa- 
ten leben nach der Zahlung 
von 1900 nicht weniger als 
1 15959 in der Schweiz ge- 
borene Personen |die im 
Lande selbst Geborenen 
werden als Amerikaner n«-- 
zähll i. Je mehr als nUOO 
Schweizer leben in folgen- 
den Kiu/elstaaten : New 
Y..rk l.itüs. Ohio l-2oo7. 
Kalifornien 10974. Illinois 
9ii.'I3. Wisconsin 7666. Mi— 
suri 6819. Pennsilvaniea 

67l>7 und New Jersey 65711. 

Man findet sogar in der 
Armee und der Klotte '258 
unserer Latlilslellte. 

Iii zweiter' Linie »lebt 

Pnnkreich mit 74 73"> 
Schweizern (im Jahr t896;. 
Sie finden sich in allen 
De|>arteinenls, am zahl- 
reichsten in folgenden : 
Seine Paris! i I3l*i7. Iloubs 

16Sii. Haute Sav '2179, 

Hhölie '2109. S iiu- et 1 »ise 
likti. Alpe> Maritimes 14.M 
etc. Mit blos einigen We- 

nixen Individuen sind sie 
vertreten in den Departe- 
ments Canlal. Gers. I^in- 
deS, I.M/ere. SontBie etc. 



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SCHW 



SCHW 



Sä 



Im Deutschen Heirh erreicht die Zahl der Schweiler 
Itaai .V» 4U4 Personen. Sic verteilen sich wie folgt : Prcus- 
-•n U42H. Elsass-Lothringcn 11933, Ha.len 1 1 :*»T». Baiern 
rili»j. Wurtteml.eig 4042. Sachsen 3HK3. liefen KKW, Ham- 
burg 929. in den .-Indern Staaten und freien Städten zer- 
-Ircut IKH4. 

Argentinien zählt 1771») Sehweiter. 

In Italien waren 191)1 im (ianzen 9079 Schweizer nieder- 
üelassen. wovon :I0I9 in der Lombardei, 1241 in Piemont. 
:<7S» in der Toskana, 979 in Ligurien. «77 in Lalium. 050 
in Kampanien, 310 in Venetien. 355 in Sizilien etc. 

Ks folgen tirossbritannien mit «KW Schweizern iK137 in 
England UOd Wales, 376 in Schottland und 293 in Irland). 
Oesterreich-l'nKarn <1SMNI ; (»esterreich mit 775*». wovon 
2123 in Nieder Oesterreich, 2204 im Vorarlberg etc ; l'n- 
,arn mit U«r>) und Russland mit i IHUT) 5902 Schweizern 
191* in GruflsniBiilaiid. 17iK) in den Haitischen Provinzen, 



C. VOLKShlNDK. DieVolkskunde befasst sich mit 
sämtlichen aktiven Lebensausscrungen eines Volkes, so- 
fern sie primitive hezw. altertümliche Kulturziistände und 
Anschauungen erkennen lassen. Diese weile Fassung um- 
achliesst demnach folgende tiebiete: 1. Sicdcltaog, 2. Woh- 
nung. .'1. Nahrung. 4. Tracht. 5. Hausindustrie und Volks- 
kunst, fi. Physische unil psvehische Charakteristik des 
Volkes, 7. Sitten, Bräuche. "Feste und Spiele, H. Volks- 
glauben und Aberglauben, 9. Dichtung des Volkes (Mär- 
chen. Sage. Schwank. I.ied und Schauspiel), 10. Hede de» 
Volkes (Witz und Spott, Sprichwort (einschliesslich Ka- 
lender-. Hauern- und Wetterregeln], bildliche Ausdrucks- 
weiae, Formel, Fluch, Schwur und Hufi. 11. lieberden, • 
12. Sprache. 

l'nter diesen zwölf Kapiteln können hier aus nahelie- 
genden Griinden, nur einzelne und diese nur höchst 
summarisch behandelt werden. 




Die ia der Schwrit geboren« Bevölkerung Oer Vereinigten Maaten (nach der Ztinlung von 1900). 



KE in Sudmssland, 102 im Kaukasus. 31 in Sibirien. 12 in 
hussisch Zentralasien). 

Australien zählt 2372 Schweizer (Viktoria 903, Neu Süd 
Wales 454. Queensland 441, Neu Seeland 333 etc.). 

Belgien 2231. Aegypten 472. Chile KV), Dänemark 208. 
Japan 100. Mesiku 25K. Norwegen 81. Kumänien 72."». 
Schwellen 51. Sjuanien 790. Luxemburg 110. Ziemlich 
»iele Schweizer finden sich ferner in Brasilien. Kanada, 
Vlgericn und Tunis, sowie zerstreut in China, Südafrika, 
auf den Antillen etc. 

Vorliegende kleine demographische Studie kann der 
Natur der Sache nach nicht mehr als eine kurze l'eher- 
«icht über das ganze wcilsehichlige Material bieten. Für 
alle weiteren Einzelheilen verweisen w ir auf die Veröffent- 
lichungen des eidgenössischen statistischen Bureaus und 
auf die über verschiedene Einzelfragen publizierten Ori- 
" eilen. Das Studium der unserm Artikel beigege- 



Karle und Diagramme wild es dem Leser ges 
. sich über manche im Text notwendigerweise nur 



kurz berührte Punkte noch nähern Auf*chluss zu ver- 
M-haffen. [Kmham.hl Kcii.n« ) 



I. Voi.kski nok Iii r.M.< UN sinn. Wir wollen im 
Folgenden zunächst versuchen, in einigen ganz kurzen 
Zügen die schweizerischen Volksbräuche zu schildern, 
soweit sie lie-onders altertümlich oder charakteristisch 
sind. Bei der gewaltigen Masse von Stoff kann es sich 
naturlich nur um eine doppelt und dreifach gesichtete 
Auslese handeln. 

/. Sitten, Bräuche, Fette, Spich- (nebtt zugi-höritfem 
Volkst/lautn-n). a) N i c h t- fes tl iche An 1 ässe. Wir be- 
ginnen mit Gebräuchen, die sich nicht an festliche An- 
lässe, bestimmte Ereignisse oder Kalenderdaten anknüpfen. 
Von llausbräur hen erwähnen wir das Minorat im Em- 
meiilhal und andern liegenden des Kantons Hern, wonach 
der jüngste Sohn den Bauernhof zu übernehmen hat. 
Die wohnrcchtliehen Verhältnisse richten sich sonst auf 
dem Land je nach den l inständen und Bedürfnissen. 
Ofl zieht sich der Vater auf den Altenteil zurück, sobald 
ein Sohn verheiratet ist und den Hör übernehmen will, 
oft behalt er so lange als möglich die Leitung; oft haben 
die Geschwister Wohnung u. Anstellung bei ihrem Bruder, 
dem Herrn des Hofes, oft liezichell sie eine andere Wohnung 

191 - MOOR, lex. V - 3 



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SCIIW 



SCIIW 



oder crgrcilcji einen selbständigen Beruf. Das Gesinde, 
dessen Hauptperson der - Mcistcrkncchl » ist, wird je nach 
der Gegend zu verschiedenen Jahreszeiten gedungen. Der 
Gedungene erhält meist ein Hartgeld (« Dinggeld », « Ding- 
pfeunig •. » Drufgcld »). 

Zinn Schulze des Hause» gegen Wetter oder dämonische 
Einflüsse werden in katholischen tiefenden hie und da 
die Buchstaben C. M. H. (Caspar. Melchior, Balthasar) 
angemalt, sowie geschriebene oder gedruckte Haussegen 
angebracht, oder geweihte Gegenstände von Festtagen her 
i Palmen, Johannissträusse, Ostcrkohlen und ähni.) ver- 
wendet. Früher befestigte man unter der Dachfirst ei- 
nen Ochsenschädel. In Staufen (Kant. Aargau) steckte 
man gegen Behexung eine alte Sichel und Sense in die 
Stallwand, und im Kanton Appenzell nagelte man Kröten 
mit einem Dachnagel an die Haiiswäudc. Von Pflanzen 
ist besonders Hauswurz unglückabwendend. Im Wallis 
befestigt man über der Haustüre einen geweihten StrausB 
von Ziegenbart (Arunciis mhrsti-r), den man hier « Johan- 
niskraut » nennt, weil er vom Priester am Johannislag 
(Monat Juni) geweiht zu werden pflegt. 

Lehen ausser dem Hause, i n G es e 1 1 sc ha ft , 
Doi-rieben. Während man sich im Sommer vorliegend 
den Feldarbeiten zu widmen hal und höchstens an schonen 
Abenden sich gemeinsam im Freien vergnügt, spielen da- 
gegen die Zusammenkünfte an Winterabenden im Dorf- 
leben eine grosse Holle (Lichtstubelen. //Licht. z'Dorf, 
Spinnet. Hengert. Kilt, Killuhend etc. ). Ursprünglich kam 
man zum Spinnen zusammen ; durch Krseheinen der 
jungen Hiirschc entwickelte sich aber allmählig ein reges 
geselliges Leben mit Spiel, Tanz, Frühlungen und Scher- 
zen aller Art. Nicht selten stellen sich die männlichen Be- 
sucher erst später in corpore ein. nachdem sie sich zuvor 
an einem bestimmten Orte versammelt haben. Verstohlen 
nähern sie sich dem Versammlungsorte der Mädchen und 
necken dieselben durch allerhand Stichelreden mit ver- 
stellter Stimme (z. U. das u Km reden » im lioms. das 
« GeiUchen » im Kanton Luzern), bis sie schliesslich ein- 
gelassen werden. 

Anders gestaltet sich der noch jetzt über die ganze 
Schweiz verbreitete Kiltgang der Liebenden («zu Kilt 
gehen ii, « Cadensleigcn ». «auf die Kares* gehen», 
« Hengertgehen »|. Derselbe ist an keine Jahreszeit ge- 
bunden. Nachts begibt sich der Bursche (•• Kilter ») vor 
die Schlafkammer des Mädchens, besteigt den Holzsloss, 
klopft an und bittet die Geliebte — oft in einer scherzhaf- 
ten Ansprache — ihm aufzumachen. Ist der Bursche ge- 
nehm, so ilffrict das Mädchen und bietet ihm ein Glas 
Wein oder Schnaps an. Intimere werden auch eingelas- 
sen. Oft aber wird die Zusammenkunft durch die herum- 
schwärmenden « Narhtbuben » gestört und der Kilter - 
besonders wenn er aus einem andern Dorfe stammt — em- 
pfindlich gezüchtigt. Aber auch die Mädchen sind der 
Volksjusliz der Jungbursche ausgesetzt; als Schandenbe- 
zeugung gilt ein in der Nähe des Hauses angebrachter 
Strohmann; dagegen wird ein vor das Fenster gestelltes, 
mit Bändern geschmücktes Tännchen als Ehrung ange- 
sehen. Ein besonders interessanter Brauch im offenen Ver- 
kehr der Geschlechter ist der » M.iitlisonntag » in einigen 
Dörfern des Kantons Aargau. Die Sille besieht darin, dass 
die Mädchen diejenigen Bursche, von denen sie am Neu- 
jahr, Berchtoldstag und ersten Sonntag des Jahres ga- 
stiert worden sind, nun ihrerseits auf den zweiten Sonn- 
tag zum Tanz einladen. Die Bollen sind dann völlig ver- 
tauscht : die Mädchen holen die Bursche ab, bewirten sie 
und stimmen die Lieder an. l'm i'l I hr müssen sich die 
Bursche nach Hause begeben, während sich die Mädchen 
noch bis in die Morgenstunde hinein zusammen vergnü- 
gen. In gewissen Gegenden (z. B. im Kanton Graubünden) 
werden die Mädchen den Burschen noch durch das Los 
zugeteilt. Der Zugeteilte ist dann ihr Kavalier und Be- 
schützer das Jahr hindurch. 

Auch das Ehe leben wird nicht selten au das Licht der 
Ocll'eiillichkcit gezogen. So werden einem unterdrückten 
Ehemann zur Schande Tannbüschel vor dem Hause auf- 
gehängt ( Eslavayer); bei der Wiedervereinigung entzweiter 
Eheleute werden mancherorts Katzenmusiken darge- 
bracht, und ebenso bei der Hochzeit einer Witwe. Eine 
besondere Strafe aber w ird den Ehelosen zu teil : abge- 
sehen davon, dass alte Jungfern und Junggesellen nach 



I dem Volksglauben im Jenseits mannigfache Strafen zu er- 
dulden haben, wird über sie von der Jungmannschaft in 
humoristischer Weise Gericht gesprochen, wobei sie in 
das «Giritzcnmoos» verbannt werden i Kantone Aargau 
und Luzern ) 

Solche Akte der Volksjusliz werden meist ausgeübt von 
den Knabe nschaften eines Ortes, d.h. einer mehr oder 
weniger organisierten Gesellschaft lediger Bursche vom 
Hi. oder 18. Altersjahr an. Man nennt sie «I^edige ». «Jeu- 
nesse ». uGarcons», «Gioventü», « Knabcugcsellschaft ». 
« Ledige Gesellschaft », u Gottigesellschaft », «Society des 
Garcons », • Ahbave de la Jeunesse», «Compagnia dils 
Mals ». Sie haben bestimmte Vorgesetzte, und jedes Mit- 
glied tniiss sich durch eine Gehl- oder Weinspende ein- 
1 bezw . auskaufen. Sie üben eine Art niederer (inoffiziellen 
Gerichtsbarkeit aus. besonders überkleinerc Sittlichkeit»- 
1 vergehen. Daneben sind die Knabenschaften die Haupt- 
, Veranstalter von Festlichkeiten und leiten den Tanz, sowie 
I überhaupt den Verkehr der männlichen und weiblichen 
Dorfjugend. Besonders ausgebildet sind sie in den Kan- 
tonen Graubünden und Waadt. früher auch in andern 
Gegenden (z. B. Neuenburg). Mit ihnen dürfen nicht ver- 
: wechselt werden die sogenannten N a c h t b u be n. Freilich 
setzen sich auch diese meist nur aus den ledigen Burschen 
' eines Ortes vom 16. oder i8. Jahre an zusammen. Doch 
fehlt ihnen, heutzutage wenigstens, eine strikten- Organi- 
sation, und ihre Tätigkeit besteht gewöhnlich, wie schon 
der Name sagt, in dem nächtlichen t'tnschwärmen. dem 
Belästigen der kiltgänger und dem Verüben von aller- 
hand Schelmenstreichen. 

Hier mögen auch die grossen Kämpfe Erwähnung fin- 
den, die sich meist aus Anla*s von Spotlreden 'Orlsnecke- 
reien. Gemeindespitznamen) zwischen ganzen Gemeinden 
oder Quartieren entspinnen. 

Friedlicheren Charakter haben dagegen einig«' ge- 
rn e i n *a m e l." n t e r n e h m u n g e n der ländlichen Bevöl- 
kerung, die wir im Folgenden kurz darzustellen suchen. 

Schlittenfahrten ganzer Ortschaften kommen nament- 
lich in Graubünden vor. rhenda sind die Maiensässpar- 
tien, d.h. das Besuchen der Maiensasse durch grossere 
oder kleinere Gesellschaften im Frühjahr unter allerhand 
Vergnügungen gebräuchlich. In der Ostschweiz wird, 
wenn der junge Wein in das richtige Gährstadium ge- 
fallen ist, der Sausersonntag gefeiert. In Sargans und Ein- 
gehung findet Anfangs November das « Bettlauben • 
statt, wobei man karawanen weise mit Bettsäcken aus- 
zieht, um diese für den kommenden Winter mit Laub zu 
füllen. Aehnlich der « Laubertag » in Niederwcningen 
(Kt. Zürich). Die Bewohner von Ahtwil iFrciamt) unter- 
nahmen noch in der ersten Hälfte de« 19. Jahrhunderts 
das Tannzapfenbrennen, zu welchem Zwecke die einzel- 
1 nen Familien sich mit Destilliergefässen auf mehrere 
; Tage in den Wald begaben, um aus den Tannzapfen Ter- 
( penliu zu gewinnen. Aehnliche Bräuche sind das tlasel- 
, nusssuchen um das Hornli i Zürcher Oberland) vom Betlag 
an (früher auch am Chaumont über Neuenburg üblich). 
I das Beerenlesen im Taminathal, das Ziehen i Holztransporti 
! der Sarner Jungmannschaft, die Schneckenauflesete im 
1 Leberberg | Kanton Solothurnl, das Fischschiessen in Wee- 
! sen. die Tiicheljagd (Wildente) in Greifensee u. a. m. 
Hechts- u. Verfassungsbräuche. Eine besonders 
interessante und schone Hechlsgepflogenheit ist das 
»Frieden» im Kanton Glarus (früher viel verbreiteter). 
I Bei Streit und Schlägerei ist jeder Enbescholtene bei 
seinem Bürgereide verpflichtet, die Schlagenden ausein- 
ander zu bringen. Ist der Friedende zu schwach, um die 
Schlagenden zu trennen, so ruft er den Landfrieden aus. 
Alsdann sind sie verpflichtet, voneinander zu lassen. Leis- 
ten sie der Aufforderung keine Folge, so hat der Frie- 
dende sie zu verklagen als solche, die « über den Fried 
hinaus » geschlagen, worauf sie in die a grosse l,andes- 
busse * verfallen mach Heer: D<t Kant. (Hain*. St. 
Galleu IKifi. S. 9flMi. Im Glarner Hinterland bestand 
noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts das «Loben» 
(d. h. Geloben): Im Mai oder Juni versammeln sich säral- 
' liehe Burger der « Tagwen ». d. h. der ökonomischen oder 
' politischen Gemeinde. Jeder tritt einzeln vor die Vorste- 
her und ist bei seinem Bürgereide verpflichtet, anzugeben, 
ob und was er während des Jahres gegen die Gesetze ge- 
frevelt. Jeder muss seine Angaben durch Handschlag ue- 



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kräftigen iHiit a. a. 0 . S. 310j. In Graubünden werden 
zwei in Zwietracht Liegende dadurch versöhnt, dass 
man Einen davon veranlasst, dorn Andern zuzutrinken. 
Erwiedert dieser den Trunk durch Anstossen «Hier da- 
durch, dass «-r aus dem gebotenen Glase trinkt, so ist 
der Frieden geschlossen. Linen volkstümlichen Gerichts- 
körper hal>en wir schon in den Knabenschaften kennen 
gelernt. Kill solcher ist auch das • Gassengericht » in 
l'ri. ein im Ilringlichkeitsfall rasch aus Passanten zusam- 
metiberulenes Gericht. 

Eine Art Verfassung«*- hczw. Vcrwattungshrauch ist die 
Verwendung der • Tesslen » im Wallis. Tcssin (Bosco) 
und Gratihünden (im BündnerOberland : « Stialas » [etiala 

— Kerbholz] genannt). Ks sind dies kleinere oder grossere 
Hol/*tncke, aufdencn die verschiedensten Verpflichtungen 
der Gemeindoliürger, Alpbeteiligten ele.. oder Erträgnisse 
von allerhand Produkten eingekerbt werden. Statt des 
Namens figuriert darauf das Hauszeichen der betr. Person. 

Wenden wir uns nun b) den Gelegenheit«- und 
Fff tbrauchen zu. 

Wir nehmen a) die Marksteine im Leb'en des 
Mens ehe Ii voraus. 

- Gehn rt. Nach dein echt schweizerischen Kiuderglaubcn 
werden die Neugeborenen nicht vom Storch gebracht, son- 
dern aus einem bestimmten Stein, aus hohlen Baum- 
-trünken. von ei nein Gletscher oderaiis einem Tobel geholt. 
Gleich nach der Geburt wurde das Kind unter die Bank auf 
den Boden gelegt, «damit es nicht den bösen Geistern 
verfalle« (Kanton Appenzell ; nach J. Merz). Oft wird am 
Tage seiner Geburt ein Itautn gepflanzt, dessen Gedeihen 
mit dem <lt*s Kindes aufs engste verknüpft ist. Auch 
gleichzeitig geborene Tiere gewinnen für das Kind Be- 
deutung. Als Gehurtsanzcigerin ging in Schaflliausen, 
Zürich und Winterthur ein geputztes Dienstmädchen mit 
dem • Freud anaien • um, der für einen Knaben mit einem 
roten, für ei n Mädchen mit einem weissen Band umwun- 
den war I>r«yi bis vier Tage nach der Geburt lädt im Un- 
ter Engadin der Vater die Bekannten zu einer Zecherei 

bavarella) ein. 

[Iii- Taufe wird in katholischen Gegenden möglichst 
bald nach der Geburt vollzogen, damit das Kind keinen 
dämonischen Einflüssen ausgesetzt sei oder nicht unge- 
lauft sterbe. Die Zahl der Palen ist verschieden; bemerkens- 
wert ist nur. dass an Stelle der eigentlichen l'aten Stell- 
vertreter (•< Vi/i-, Trampel-, Schlolter-Götti be/.w. -Gotte » 
usw.) eingesetzt werden können. In Amriswil setzte man 
bei einem Knaben dreimal, bei einem Mädchen zweimal 
das Taufgeläute aus. Im Kanton Zürich werden zuerst die 
Knaben getauft, dann von den Mädchen diejenigen, deren 
Paten noch ledig sind. In Oberglatt herrscht der Glaube, 
das» die Knaben, wenn nicht zuerst getauft, keine Barte 
bekommen. Verbreitet und alt ist das Kingebinde. meist 
ein Geldstück, das entweder in das Tan 0» leid gesteckt oder 
in den Taufschein gewickelt wird. 

Am Gehurt*- oder Namenstag wird der Gefeierte 
mancherorts gewürgt, ein Symbol der um den Hals ge- 
hängten Gaben {» Helsete »). 

Von interessanten H o ch z e i t s b r ä u c h e n heben wir 
Folgendes hervor : Beim Abholen der Braut versteckt sich 
dieselbe (Puschlav. st. gallische I,andschaft) oder sie ent- 
flieht (Graubünden I oder es wird zuerst eine falsche Braut, 
etwa ein halbwüchsiges Mädchen oder ein altes Mütter- 
chen, vorgeschoben (Birseck. bündnerisches Munsterthal, 
Sobrioi, oder der Vater der Braut erhebt anfangs Schwie- 
rigkeiten und Einwände (oberer Thurgau). Das Einbrin- 
gen des Brautfuders ist noch heute auf dem Lande weit 
verbreitet. In Monchaltorf steht der Bräutigam hinten 
auf dem Wagen und w irft Geld aus. Wenn die Gäste ver- 
sammelt sind, wird ein Itnbiss (meist « Morgensnppe ») ge- 
nommen. Eine Hauptperson ist die u Gelbe Frau « oder die 
■ Gali . (Kantone Luzern und Zürich ; ehemals auch Aargau 
und Ba^el). d. b. die Begleiterin und Zcremonienmcisterin. 
Im Kanton Luzern trägt sie in einem Körbchen, hinter der 
Braut schreitend. Nastücher und Sträusschen fürdieGäste. 
Nach der Trauung schneidet sie dem Bräutigam das auf- 
geklebte Kränzlein vom Kopf und gibt ihm eine Ohrfeige. 
Ist der Zug heimgekehrt, so verbrennt sie das Kränzlein 
und wahrsagt aus dem raschen oder langsamen Verbren- 
nen Glück otler Unglück. Sie verschliefst die Brautkam- 
mer abends und öffnet sie morgens. Anderwärts versieht 



teilweise der Brautführer oder die Brautjungfer diese 
Funktionen, in Basel der « Hofmeister ». Zu der alten 
Hochzeitstracht gehurt das < Schaupeli » (eine bunt auf- 
geputzte Braulkrone), das zugleich untrügliches Abzei- 
chen der Jungfrauschaft war. Die Trauung fand im Dirs- 
eck ehedem an der Kirchenpforte statt. Bei der Heimkehr 
wird noch häufig das * Spannen ■ vollzogen, d. h. das Auf- 
halten des Brautzuges durch ein über die Strasse gespann- 
tes Seil (auch eine Kette u. Aehnl.). welches Hemmnis ge- 
hoben wird, sobald der Bräutigam der u spannenden » 
Jungmannschaft einen Tribut in Geld erstattet hat. Im 
Bagncsthal (Wallis) wird die Braut bei der Heimkehr aus 
der Kirche unbemerkt entwendet und versteckt, worauf 
der Bräutigam sie suchen muss. In Fahy (Kanton Bern) 
ist das Haus bei der Bückkehr verschlossen und wird erat 
nach dringender Forderung von einem alten Mütterchen 
geöfl'riel. Im Münsterthal iGraiihünden) verweigert eben- 
falls zuerst der Vater des Bräutigams den Eintritt. Ein 
uraltes Frucbtbarkeitssymbol war das früher in der Waadl 
geübte I 'eberschütten der Braut mit Korn. — Hernach folgt 
das Essen und der Tanz. Während des Essens suchte man 
der Braut einen Schuh zu entwenden (Birseck. Flurlingen. 
St. Gallen, oberer Thurgau), der von dem Bräutigam zu- 
rückgekauft werden musste. Der Erlös wurde vertrunken. 
Auch die Braut selbst suchte man zu entfuhren (Kanton 

i Luzern. I'nter Engadin) ; gelang es, so musste die «Gelbe 
Frau» sie suchen und zurückkaufen. Nach dem Essen 

( wird an vielen Orten getanzt ; in Seon (Aargau) wird der 
Tanz von dem Brautpaar eröffnet und von den 
G rosse I lern geschlossen, im Freiamt (Ani-gau) tanzt der 
Brautführer die drei ersten Tänze mit der Braut. Vor der 
Brautnacht («goldige Nacht »i wird im Wiggerthal (Kan- 
ton Luzern) das junge Paar durch ein erbauliches Lied 
«niedergesungen », im Bündner Oberland bringt ihm die 
Jungmannschaft eine Katzenmusik dar, was aber als Ehr- 
ung aufgefasst wird. Am andern Tag erhielt die Braut 
vom Bräutigam (früher noch allgemein) die Morgengabe. 
Von sonstigen Schenksitten sei nur erwähnt, das* 
sich in Zürich die Gäste gegenseitig mit « Uerten » be- 
schenken oder von nicht eingeladenen Bekannten be- 
schenkt werden. Am Sonntag nach der Hochzeit erscheint 
das Paar, von den Hochzeilsgästen begleitet, in der Kirche 
(Flurlingen). Im Kanton St. Gallen werden acht Tage 
nach der Hochzeit die « Ledigen » bewirtet. 

Tod und Begräbnis. Ist Jemand gestorben, so 
wird er im Prättigau und in Appenzell I. B. auf ein Brett 
gelegt. Angehörige oder sonstige Bekannte halten dem 
Verstorbenen die Totenwache (Graubünden , Glarus, 
St. Gallen, Freihurg) und werden dafür bewirtet. Sobald 
man über einen Todesfall unterrichtet ist, wird geläutet, 
und zwar mancherorts mit einer grossen Glocke für einen 
Mann, mit einer mittleren für eine Frau, mit einer kleinen 
für ein Kind. Das Ansagen und Einladen zur Begräbnis 
wird hie und da von einem Leichenbitter oder einer Lei- 
chenbitterin (im Kant. Waadt früher «Pleureuse ») besorgt. 
Die Beerdigung selbst heisst « Liich(l), Grebd. Grebnus* 
etc. Das Erscheinen und Beileidbezeugen der Teilnehmer 
geschieht unter den verschiedensten Formen, auf die hier 
nichteingetreten werden kann. Leichenmähler werden teils 
vor, teils nach der Beerdigung abgehalten. Noch häufig 
wird der Sarg nach der Begräbnisstätte getragen. War 
die Verstorbene eine Jungfrau, so waren im Birseck auch 
die Trägerinnen weissgekleidete Jungfrauen. Im Eillsch- 
und Eringerlhal (Wallis) sind es beim Tode eines Mäd- 
chens zwölf Gespielinnen in hellem Kleid mit Brautkro- 
nen, wie auch die Tote selbst eine Brautkrone trägt, 
lieber die l'mkleidung des Sarges wäre höchstens zu sa- 
gen, dass dieser im Unter Engadin bei verstorbenen Wöch- 
nerinnen mit einem weissen Tuch verhüllt wurde. Im Kan- 
ton Thurgau soll früher der Sarg mit einer Art Krone ge- 
schmückl worden sein, ebenso in Stammheim heim Tode 
eines kleinen Kindes ; an die Blumenkrone wurde ein 
vergoldetes Ei (Svmbol der Auferstehung) geknüpft. Der 
Leichenzug gestaltet sich bezüglich der Assistenz und der 
Beihenfolge ganz verschieden : dem Sarge einer ledigen 
Verstorbenen gehen im Prättigau Jungfrauen in weissen 
Schürzen paarweise voran, in Lausanne und Neuenburg 
nahmen noch Mitte des III. Jahrhunderts die « Pleureurs » 
und « Pleureuses » am Leichenzug teil. Geläutet wird fast 
noch überall auf «lein lernte, und /war auch hier wieder 



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mancherorts je nach Geschlecht und Alter mit veeschic- 
denen Glocken. Am Sonntag nach der Beerdigung kommt 
im Intel- Kngadin die ganzcGcmeinde schwarz zur Kirche. 
Die « Grabbeterin » oder * Rreissigslbeterin » begibt «ich 
an den 31) ersten Abenden mit einer Wachskerze in die 
Kirche und belet für da» Seelenheil des Verstorbenen i 
(Ursehweiz, Lu/eni, Aargau. SolnthurnK Her Grabhügel 
wunle im Wcrdenbcrgischcn (St. Gallen i mehrere Sonn- ' 
taue nach der Beerdigung mit Kohlenstaub, Hatiimcr- 
sclilag oder Kiscnfcilspäncn bestreut. Toten bretlert« Eh-, 
eigentlich Rcc-Rretler ») find nur in der katholischen 
Nordoslschweiz i wahrscheinlich aus Oesterreich her i nach- 
weisbar: nach Kintritt des Todes wird der Verstorbene 
auf ein rohes Urell gelegt, dieses Hrett hernach zu einer 
sarghrcttarligen Kor in ausgesägt, mit Inschriften oder 
einem Kreuz bemalt und aussen am Hause angebracht. 

Auch der Hausbau und Hausbezug hat seine 
Volksbräuchc. Ist das Haus • aufgehellte! «, so wird es 
mit einem bebänderten Tannchen geschmückt und «'in 
Aufrichtetest veranstaltet. Im Kanton lauern lindet eine 
Aufrichl-Messe stall, au der die Handwerksleiite und 
Nachhani teilnehmen Am Abend geschieht das »Kirohig- 
Klopfen». wobei die Zimmcrleule im Takt auf ein Stück 
Langholz schlagen. Reim nachfolgenden Kest spricht 
der Meistergcscile das Lob des Meislers aus. Die « Haus- 
räuki > oder der « Einstand » ist das Mahl, das Nachbarn 
oder guten Freunden zum erstenmal im neuen Haus ge- 
boten wird. In einzelnen Bergdörfern des IVältigaus be- 
steht noch das « Ehrentagwen » oder « Frohnen •>, d. h. die 
Gratisbauarhcit der Mitbürger. Das Schlussmahl wird 
'Firstwein » genannt. 

ß) Von Li e I e g e n h e i t s b r ä u c h e n u n tl festlichen 
Anlässen im He rufe nehmen wir die der Aelpler 
voraus. Allbekannt ist die Alpfahrt mit ihrem festlichen 
Aufzug. Voran geht gewöhnlich der sonntäglich gekleidete 
Senn und die « Meislerkuh « oder « Heerkuh » mit dem 
Melkstuhl zwischen den Hornern, dann die übrigen Kühe 
u. das Alppcrsonal in bestimmter Reihenfolge. Die schöns- 
ten Kiihi* sind oft hekräuzt. Ebenso berühmt ist der« Ret- 
ruf» (weniger richtig auch « Alpsegen » genannt |. den die 
Sennen einiger Alpen ( Pilatus. Sargans, Gross-Isenthal, Ub- 
walden, Ulrichen, l'rnerhoden. Zug. Goms, französische u. 
räloronian. Schweiz) noch heutzutage beim Dunkelwerden 
durch einen Milchtrichter überilie Alpsingen. Der schönste 
und altertümlichste Heiruf ist derjenige von Sargans. Im 
Killschlhal wird dem Pfarrer von Vissoye dafür, dass er 
die Alp gesegnet hat, jeweilen der Milchertrag des dritten 
Sömmerungstages jeder Alp gesteuert. Der Meistersenn 
macht daraus einen Käse und bringt ihn am Sonntag vor 
Bartholomäi (24. August) nach Vissoye. In langem Zug zie- 
hen die Sennen der 2f> Alpen, derjenige mit dem grossten 
Käse voraus, am Altar vorbei und lassen ihre Produkte 
von dem l'farrer segnen. Mancherorts wird auch der Er- 
trag eines Tages als Armensleucr bestimmt. Die Haunt- 
feste des Aelnlers aber sind die « Aclplerkilhenen » (« Alp- 
stubeten •, t Bergdorfet • etc.l, die teilweise während der 
Sommerung selbst abgehalten werden und dann vorwie- 
gend in Kampfspielen bestehen, oder (wie z R. in Sehwyz, 
Samen. Staus) nach der Alpentladung vor »ich gehen, 
und dann mit grossen Festlichkeiten. Aufführungen i Wild- 
mann und -weib). Kahnenschwingen. Tanz und dergl. ver- 
bunden sind. 

Auch der Hauer hat seine landwirtschaftlichen 
r.elegenheitshräm hc. besonders zur Zeit der Ernte. Da 
wird bei der Kornernte das » (iluckshampf. il » i> Glücks- 
garbe» etc.). ein Büschel Aehren, bis zuletzt stehen ge- 
lassen und sodann etwa uuter Aussprechen der drei höch- 
sten Namen geschnitten. Diese Aehren beschützen das 
Haus vor Unglück. Der Samen wird im Namen der hei- 
ligen Dreifaltigkeit ausgestreut, die Ernte mit dem 
Spruche begonnen: « Wall Gott, well (mtl. dass es wohl 
ausgehe» (/mich), etwa auch der l'llug gesegnet (St. (lal- 
len). Sehr verbreitet sind die Kesle am Schluss der Ernte, 
des Dreschens usw. i> Segcssen-Hcnki ». » Sichel-Lösete ». 
» Klegel-Ilenki ». « Rcchen-Uösc ». «Schnitter-Sonntag«. 
« Kräh-Hahneu » usw.;. gewöhnlich ein Schmaus und ein 
Trunk, der den Arbeitern von den Hauern gespendet Mini 
und dem sich je nach der (legend grössere oder kleinen- 
Lustbarkeiten anschlichen. 

Farbenprächtiger waren und sind die Handwerker- 



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und Znnftfeste. Hierher gehören die Winzer-Feste, 
besonders dasjenige von Vivis. das aus ursprünglich be- 
scheidenen Umzügen der « Abbaye des Vignerons » zu 
Riesendimensionen angewachsen ist ; hierher auch die 
schmucken Küfertänze, wie sie früher in Hasel, Hern, 
und Genf ausgeführt wurden, die Umzüge der Metzger 
(besonders in Hera und Zürich), sowie anderer Zünfte und 
Gilden. In ihren ersten Ursprüngen gehen diese Umzüge 
gewiss auf Kulthandlungen zurück, was bei den Metzger- 
umzügen mit dem (zum Opfer) geschmückten Stier am 
deutlichsten kenntlich ist. Dann mögen die mittelalter- 
lichen Musteiungsumzüge viel zu ihrer Erhaltung und 
Ausgestaltung beigetragen haben. 

Von militärischen Kesten erwähnen wir den 
hübschen Brauch des » Aepfelhauets ». ein«** Reilerspiel* 
der Kavallerievereine im Kanton Basel, bei dem ein von 
einem Galgen tiiederhangcndcr Apfel im Voruherreiien 
wagrechl mit dem Säbel durchhauen werden mu*s. Die 
Kadetlenfeste weisen dagegen meist wenig Volkstüm- 
liches auf. 

Unter den Kesten des fahrenden Volkes ist 
namentlich die • Keckerkilbe » in Gersaii berühmt ge- 
worden, deren Ursprung in das Mittelalter zurückreicht. 
Auf Sonntag nach Himmelfahrt strömten aus allen (le- 
genden fahrende Leute in Gersau zusammen, um eine 
fröhliche Kirchweih zu halten. Vormittags nach dem 
Gottesdienst zogen alle Teilnehmer unter Aufsicht des 
Bettelvogtes in zerlumpten Kleidern und Alumseii sam- 
melnd durch das Dorf, nachmittags erschienen sie auf 
dein Feslplaiz genutzt, und min entwickelte sich ein rege* 
Fest leben mit Schmaus und Trunk. Am folgenden Tag«' 
war Jahrmarkt und Tanz, wobei es. da die Kecker stets 
gute Zahler waren, hoch herging. Dieser Gersauer Kecker- 
kilbe wurde in den IS.'»' Jahren durch polizeiliches Ver- 
bot ein Ende gemacht. Auch in Herisau haben sich noch 
zu Anfang des Kl. Jahrhunderts in der Ncujahrswochc 
die fahrenden Leute versammelt. 

y) Als Fe sie vo n hohe re r O rga n i sa t i o n bezeichnen 
wir einerseits historische und politische Feiern. Gedenk- 
tage, Freiheitsfeste. Jubiläen, anderseits Schützen-, 
Sänger-. Turn-, Schwingfeste, auch Jugend- und Schul- 
feste. Einzelne derselben mögen echt volkstümliche Ur- 
sprünge haben ; da aber heutzutage die Anordnung sol- 
cher Feste gewöhnlich in den Händen von eigens dazu 
bestimmten Komitees liegt, dürfen wir bei ihnen nicht 
viel urwüchsige« Volkstum mehr erwarten. Die histori- 
schen und politischen Feiern lassen sich am besten schei- 
den in solche, die in kleinern Zeiträumen periodisch wie- 
derkehren, und solche, die nur einmal oder höchstens in 
ganz grossen Zeitintervalleii begangen werden. Zu ersten» 
gehören die Sempacher Schlachlfeier. die * Nafelser 
Fahrt », die Schlaehtiahrzeitfcicr am Morgarten, die 
Tellsplaltenfahrt. der Kreuzgang der Appenzeller an den 
Stoss. das St. Jakobsfest in Basel, die Dnrnachcr Schlacht- 
feier und die Gedenkfeier an die «Escalade» in Genf. 
Davon reichen zurück ins U. Jahrhundert die Sempaeher- 
und die Näfelserfeier (auch die Tellsplaltenfahrt und die 
Morgartenreier .'i. in s lö. die Feier am Stoss, in den 
Aufanp des I«. die Dornacher Feier, in den Anfang des 
17 die «Escalade». wahrend das St. Jakobsfest (seit 
1822) und die Neuenburger Erinncrungsfeier an den 
1. Marz ISWerst der Neuzeit angehören. Nicht periodisch 
wiederkehrende Feste wären z. B. die Feiern de« Ein- 
tritts der Kantone in den Bund, die Feier der Schlacht 
bei Murten il87ri>, der Tagsalzung zu Staus (IXKli. des 
Rundes der Urkantone (IfWI). der Gründung des Unot in 
Schallhausen (1X61). der Vereinigung von Gross- mit 
Kh in-Rasel <IXr2) u. a. m. 

Die kantonalen und eidgenossischen Schützenfeste sind 
aus den lokalen und regionalen Schics*en hervorgegangen, 
wie sie sich schon im Mittelalter reichlich nachweisen 
lassen. Ebenso gehen die Schwingfeslc auf ganz be- 
scheidene Anfange zurück, wahrend die Tum- und San- 
gerfeste grösseren Stils erst dem 1». Jahrhundert ange- 
hören. Auch die von (Juartieren oder ganzen Gemeinden 
angeordneten JugendTe*te sind durchaus modern und 
tragen kein echt volkstümliche* Gepräge. 

oi Weil interessanter und altertümlicher sind die Ver- 
fa s s im gsb ra uc h e und - fest e. 
Da haben wir zunächst die Musterungen und Umzüge 



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in Walfen. dir schon früh ein festliches Gepräge ange- 
nommen halten ; ans älterer Zeit gehört hierher der Lu- 
icrner • l.aiulsknechlenumzug » oder «l'mzug im Har- 
nisch ». der vom 15. hi'' tum IM. Jahrhundert im Frühjahr 
abgehalten worden ist; ein Rest dieser alten Musterungen 
«.in ii sucli «Ii«- • Armourins » (Bewaffnete) in Neuenbürg, 
dieser Zug soll früher bei jedem in der Staill gehaltenen 
llauptuiarkte stattgefunden haben, später nur noch bei 

• lern grossen Ilerhsfmarkt. und die Truppe hatte am 
Marktlag und in der folgenden Nacht Wache /u halten. 
Zu den Verfassuiigshräurhen rechnen wir auch die echt 
volkstümlichen, ncich Spuren germanischer Bechtsalter- 
tfinier aufweisenden l.andsgcmcindcn und die damit ver- 
knüpften Festlichkeiten. Die Landsgemeinden, wie «de 
jetzt noch in beiden Kantonen Appenzell, in Glarus, Nid- 
nalilen. Ohwalden und l'ri Anfangs Mai oder Knde April 
abschalten werden, sind « eine unter freiem Himmel 
mit feierlicher Eröffnung abgehaltene Versammlung aller 
aktiven Bürger des Kantons zur Wahl der Regierung 
uml gewisser Beamten. Abnahme der l.andesreehnung 
und Abstimmung über Gesetze«. (I'eber l'rsprung. 
Verlanf und verfassungsgeschichtliche Stellung der 
l-indsgemeinden s. besonders II. Ryffel : IHe »c/i«v»i:/?rt- 
xchi'n l,<tnd»tfmrin<li-n. Zürich iSttKJ). Auch die alten 

' Itesatziiugeii " von Graubünden konnten (.andsgemeinden 
genannt werden, sofern in ihnen die Regierung und das 

• «•licht de* het reifenden | ehemals souveränen) Standes 
durch direkte Wnhl bestellt wurde; dieselben konnten aber 
auch nur « ein Fest der Einführung und Reeidigung der 
Kreisbehörden sein, die schon vorher direkt durch allge- 
meine Abstimmung in den « Nachbarschaften » des Kreises 
■ •der indirekt durch ein Kollegium von Wahlmännern 
I.' wählt worden waren. » Die Grauhütidncr Hcsatzungen 
•ind von jeher echte Volksfeste gewesen. Ebenso die Pänn- 
ilriehswahlen im Wallis und sonstige Acmtcrhcsctzungcti. 
Rie einfachste Form <ler Festlichkeit ist das Mahl oder 
der Trunk, den der Gewählte »einen Wählern spendet. 

I»ie Feste und Bräuche beim Huldignngsakte srhliessen 
Mch eng an <las eben Behandelte an. Hierhergehört der 
Srhwörtag « der Kntlebucher, der früher alle zwei Jahre 
in Schüpfheim abgehalten wurde und in einem stattliehen 
Aufzug bestand, der bei Anlas* der Wahl eines neuen Land- 
vogtes veranstaltet wurde. Daran srhloss sich ein Mäd- 
<henweltlauf. Aehnlich der farbenprächtig»' l'mzug der 
iiingmannschaft des .lAciissercn Standes» (so genannt zum 
I 'uterschied von dem « Innern Stand », iler eigentlichen 
Kegierung) in Bern, im Ansrhlussan die Aemterbesetzung, 
und ebeiiso der o Pannertag » in Glarus, welcher ehedem 
bei der l'cbcrjjabe der Panner an den neu gewählten 
Pannerherrn gefeiert wurde. » Der Schwörsonntag im 
allen Zürich war der Sonntag nach dem sog. Meistertag. 
an welch' letztem» die Vorsteher der Zünfte neu gewählt 
wurden. Am Samstag vor dem Schwörsonntag wurde der 
eine Riirgermeister neu gewählt, ebenso die Cnti-rbeamten 
des Rates. Am Sonnlag schwuren dann der ncugcwählle 
KürgeMiieister. die Räte und Zunftmeister und die ganze 
flürgersehiift im Grossmünster ihren Amts- und Hürger- 
i-id Der Schwörtag von Winterthur bestand in einer 
kirchlichen Feier, an die sich ein Schmaus der Bürger- 
•cliafl. seit ITI'2 eine Verteilung von Rrot uml Wein 
•<;hUis«. Besonders vielgestaltig an Volksbräuchen war 
<ltr Aiifrilt eine« neuen Lmdvoglcs in Weinfelden; nicht 
nur mit I in/iig. i> und festlichen Empfangen wurde diese I 
Gelegenheit gefeiert, sondern auch ilas sog. « Narrenfest » 
Narrenkönig. Narrenparlament und Volksjnstiz) schlösse 
-ich an die Installierung de» Landvogtes au. Auch in 
Kaden uiiiss früher ein feierlicher Fmpfang des Land- 
vogt* «tattgefumlen haben. Als Gegenleistung für diese 
lliildigurigsakte und auch bei dargebrachten Abgaben 
hatten die Behörden mancherorts Mahler zu spenden, 
*o die Vogte von Klingnau und Wangen an der Aare das 
- Groppeninahl » : in lllnau wurde den Zehntenbringern 
das .. Kraiitmahl » geboten, im Rei ner Oberland bei der 
Käsesteuer das « Käsmahl ». ebenso die .. Hübnermähler » 
m Luzern. Winterthur, Wiler (Kant. Hern). Knegstelten 
Kant. Sotothurn) und Hurgdorf (Kant. Hern). 

Sehr oft linden auch bei der Rechnungsablage oder 
bei sonstigen geschäftlichen Vornehmungen von Genossen- 
«haften und Vereinen, bezw. Kommissionen, Mahlet statt, 
wie i. II. das . Wiihr-Mahl « in Klein Huningen bei An- 



las« der Besichtigung der l'fci bauten an dem Wiesen- 
tluss oder das u Wisungs-Mahl » bei der jahrlichen « 0(1- 
nung •> des Dorfrechtes in Weiningen. 

Bedeutungsvoller und altertümlicher sind die Flur- und 
Grenzumgange, auch Raanritte oder Banntage genannt, 
deren ursprünglicher Zweck wohl nicht die erneuerte 
Festlegung der Uanngrenze ist. sondern die feierliche 
Weihung der Flur. Besonders reich gestaltet sich der 
Auffahrt*- ( Himmelfahrt* )llmritt in Bernmünsler. Voran 
schreitet der StiRsweibel mit dem St. Michaelsslab ; ihm 
folgt ein Kirchendiener mit dem Kruzifix, hierauf eine 
Karalleriemusik und. als Mittelpunkt des Zuges, das Aller- 
heiligsle. von einem berittenen Leulpriester getragen, 
der seinerseits von berittenen Geistlichen umgeben ist. 
Ihm schliessen sich die Kirchenvorsteher in schwarzen 
Mänteln an. dann ein Zug Dragoner, hierauf die Bürger 
des Fleckens und der Umgebung, welche Pferde besitzen, 
und am Schluss Hunderte von Fussgängern. Auf einer 
erhöhten Stelle mit weitem Ausblick macht der Zug Halt 
und hört die Predigt des Feldpredigers an. Hier ist es 
auch, wo die erste der vier Perikopen gelesen wird, die 
sich auf vier verschiedene Ruhepunkte des Zuges vertei- 
len sollen. Nun bewegt sich der Zug weiter. In Hasen- 
hausen bringt der Hofbesitzer zum Schmucke der Mon- 
stranz einen Blumenkranz dar, in SaiTenthal erhält jeder 
Reiter ein Butterbrot. Der Hauplgottesdienst findet in 
Rickenbach statt, worauf die Reiter im PfaiThof bewirtet 
werden. Reim Weiterziehen schliessen sich immer mehr 
Menschen an. Endlich erreicht man nach 8 Stunden 
das festlich geschmückte Reromünster, wo sich der Schluss- 
akt, eine feierliche Segnung, l'mzug um die Stiftskirche 
und Hcwirtung der offiziellen Teilnehmer, abspielt. — Rein 
weltlich ist dagegen das Fest im Kanton Itasei Land. In 
Liesial z. R. gehen von je vier Punkten der Stadt vier 
Rollen nach allen vier Seiten des Rannumfanga. * Jede 
Rotte hat einen ihr zugeteilten Viertel desselben zu bege- 
hen ; ihr sind Reainle beigegeben, die in einem Büchlein je- 
den Markstein notieren. Der Zug gehl unter Trommeln und 
Pistolenschlessen bald im Schritt, bald im Slurmmarsch. « 
Zwischenhinein wird tüchtig gebechert. Früher zogen die 
Bürger in voller Bewaffnung aus. Zwischen Muttenz und 
Monchenstein findet ein berittener Ilmgang statt. Aehn- 
liche Grenzumgange kennen wir aus Fischingen, Frei- 
burg, Frcnkendorf. Stadel i Zürich • und aus den Kantonen 
Luzern und Schaffhausen. 

i) K i rchli eh - vol kst üml ich e R rauche (oft) ohne 
zeilliche Gebundenheit sind die Wallfahrten an Gnaden- 
orte mit ihren mannigfachen Erscheinungen aus dem 
Volksglauben, ferner die Bittgänge (besonders zur Abwehr 
von Weiterschaden, manchmal auch gegen Ungeziefer) 
und »las « ctterläuten zur Verhütung eines drohenden 
rngewitters (in älterer Zeit gegen den von Hexen ver- 
ursachten Hagel). 

£) Brauche und Feste von Vere i nen . Genossen- 
schaften . R ru d e rs<- h a ft c n u. s.w. In der Schweiz be- 
standen und bestehen teilweise noch heute eine Anzahl 
echt volkstümlicher Vereine, deren Hauptzweck das Ver- 
anstalten von allerhand Festlichkeiten zu sein scheint. 
Wir rechnen hierher z. B. die « Japanesen » in Schwyz, 
eigentlich ein dramatischer Verein, «ler seinen L'rsprung 
einer schweizerischen Gesandtschaft nach Ja|>an ver- 
dankte, indem er das viel bespöttelte Ereignis an der Fast- 
nacht 18Ö3 durch ein satirisches Spiel darstellte. Weiter- 
hin die «Weissen Neger» in Vivis, die sich im Jahr 
18GI konstituiert hatten und auf den Platzen der Stadl 
ihre eigenartigen Tänze aufführten. Hierher rechnen wir 
auch die Narreugenellsehaften und ihre Rräiiche. Solche gab 
esz. B. in Villeneuve (. Sociele dcsGuetix »l. in Berne Nar- 
renzunft «i, in Aarau (« Narrengesellschaft »). Auch muss 
die Wahl eines Narrenkonigs bezw. -ammanns i Wallis. 
Luzern». sowie die . Narrengemeinde * im Kanton Appen- 
zell und das ., Narrenparlament • in Weinfelden auf der- 
artigen Narrengesellsrhaften beruhen. Sie treten nament- 
lich au Fastnacht in Funktion; ihr Zweck ist die Veran- 
staltung karnevalesker Lustbarkeiten und namentlich die 
Persiflage von Personen und Ereignissen. Die Hruder- 
schaRen. die im Mittelalter und der Folgezeit zu Hunder- 
ten gestiRet wurden, tragen hin und wieder echt volks- 
tümliches Gepräge. So u. A. die * Sebastiansbruderschaft •• 
in Bheinfi bleu, die ihn- Entstehung einer l'esiepidemie 



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.18 



SCHVV 



SCHW 



verdankt und alljährlich am Vorabend vor Weihnach- 
ten und am Silvester abend« 9 Uhr vor den sieben llaupt- 
brunnen ein Weihnacht»- bezw. Ncujahrslied absingt. — 
Sehutzcngesolhchaflen gibt es in der Schweiz massen- 
haft ; teilweise sind sie schon alt und ihn- Bräuche echt 
volkstümlich; so die « Sociele! des Mou^uetaires •■ in 
Rüttes i. Neuenbürg f. die • Abbaye des Mousquclaircs » in 
Cossonay. die » EcharpeB blanche» ■• in Montreux, die 
• Bastians » in Estavayer, die « Sehaatiaiishrudrrsehafl » 
in Znlingen und viele andere. Es ist nicht unsere Aufgabe, 
das schweizerische Schiesswesen zu entwickeln ; wir 
wollen Iiier nur auf einige charakteristische Fehle auf- 
merksam machen, wie z. Ii. die Knabcnschicsscn in Zü- 
rich, Thun, sowie in den Kantonen Zug. St. Gallen und 
Glarus. und das « Weiberschiessen <• im Ernmenthal. An 
letzterm hat jeder Schütze in weiblicher Begleitung zu 
erscheinen und haben die Frauen Ehrengaben zu stiften 
(sie schiessen aber nicht selbst, wie oft geglaubt wirdi. 
Ein Tan/, heschlicsst die Festlichkeit. Endlich seien die 
im Kanton Waadt beliebten • Tirs du papegay » erwähnt. 

Nachdem wir im Vorausgehenden vorwiegend Bräuche 
aufgeführt haben, die «ich nicht an ein bestimmtes Ka- 
lendcrdatum anknüpfen, «»der doch wenigstens nicht von 
einem solchen abhängen und bedingt sind, betrachten 
wir nunmehr die 

c) Hpauchc tu h e s t i m m t e n J a h r e s z c i t e n u n d 
Tagen. Wir beginnen mildem germanischen Jahres- 
anfang im November. 

Martin (II. November) ist ein wichtiger Tcrminlag 
(Mietslermin im Wallis und im Neuenburger Bergland) 
und « Lostag » für die Witterung. Kr bildet mancherorts 
da» End«* den landwirtschaftlichen und Pachlsjahres. In 
Sololhurn wurden, angeblich zum Andenken an die Bet- 
tung in der Mnrdnarhl. aus dem Zehulkoni gebackeue 
Wecken verteilt. Am zweiten Dienstag nach Marlin findet 
in Glarus der Martinsmarkl statt. • In Sursee winl die 
Martinsgans herabgehauen. Auf offenem Platze spannt 
man von einem Baus zum andern ein Seil, und daran 
hangt ein zweites, an welchem die Gans befestigt ist. Wer 
sie gewinnen will, tniiss mit verbundenen Augen, einen 
Säbel in der Band, die Schnur, an der das Tier hängt, 
entzwei hauen können » iLiitolf:. — Das Kloster Disenlis 
bewirtet an diesem Tage die Honoratioren von Tavetsch. 

Andreas (.'JO. November) ist Termin- und l.ostag. 
Besonders wird mittels Handlungen und Sprüchen Ehe- 
Orakel getrieben. (Um Mitternacht soll das Mädchen 
nackend die Stube wischen und den Kehricht rückwärts 
hinaustragen, dann sieht es den heil. Andreas, der ihm 
weissagt [Borgen) und vieles andere 

Ni kl aus iß. Dezember). Das I mzichen von Vermumm- 
ten, die den Heiligen, oft aber auch eine winterliche l'o- 
panzgestalt darstellen, ist an diesem Tage sehr verbreitet. 
Wir werden darauf in aiulcrm Zusammenhang noch zu- 
rückkommen. An manchen Orlen ist um diesen Tag gros- 
ser Markt. Dort kauft man dann die Geschenke für die 
Kinder, die auf diesen Tag verabreicht werden (in l.inthal 
heisst diese Bescheerung das « Samiklausjagen »l. 

Ueberaus verwickelt sind die Bräuche, welche sich um 
Mittwitiler herum abspielen, d. h. die A il * en ts -. W e i h- 
nachts- und Nenj a Ii rs b ra uc he , nicht nur wegen der 
chronologischen, bezw. kalendareu Verschiebungen, die 
im Laufe der Zeit stattgefunden haben, sondern auch, 
weil in ihnen die verschiedenartigsten Element« . germa- 
nisch-heidnische, romische und christliche, zusammenge- 
flossen sind. 

Der £">. Dezember wurde erst im Jahr .T4 von dem rö- 
mischen Bischof l.iberius als Jcsusgehiirtstag festgesetzt, 
und zwar wohl deshalb, weil er bei den Hörnern al* Ge- 
burtstag der Sonne ( Wintei-sonnenwendel galt und weil 
zudem auf ungefähr dieselbe Zeit zwei gi-os-e römische 
Volksfeste (die Salurnalieu und dir Januarskalcndcn i fie- 
len, die man gern in einem christlichen Feste wollte auf- 
gehen lassen. Zwischen dem 25. Dezember und dem Ii. Ja- 
nuar liegen die sogenannten »Zwölften » 1 12 Tage), die der 
Syrer Ephraim schon im 4. Jahrhundert als heilig bezeich- 
nete und die auch im Volkslehen und Volksglauben eine 
grosse Holle spielen. Im U. Jahrhundert wurde der Jah- 
resanfang von der Kirche auf den i">. Dezember verlegt, 
welches Datum teilweise bis in s 17. Jahrhundert ah Neu- 
jahr« tag festgehalten wurde. Endlich kam dann die Ein- 



führung des gregorianischen Kalender- hinzu, um die Ver- 
hältnisse noch vollends zu verwirren. Wir müssen daher 
gewisse Bräuche und abergläubische Vorstellungen, die in 
diesen Zeitraum fallen, im Zusammenhang betrachten, 
weil sie nicht an allen Orten auf das gleiche Datum 
fallen. 

Bierhergehort namentlich die weitverbreitete Vorstel- 
lung, dass in den »Zwölften» linstere Dämonen ihr Un- 
wesen treiben und dass die Seelen von Verstorbenen auf 
Erden umgehen; deshalb werden im Te*sin um diese 
Zeit die Hausergegen Dämonen und Hexen ausgeräuchert 
und legt man in Tannen i Emmenthal) am Silvester (alten 
Stils) den Hausgeistern ein Stück Brot und ein Messerauf 
den Tisch als Spendopfer. Ein Dämon vorwiegend bös- 
artiger Natur ist d ie «Slräggele« oder »Gräggclc». Sie zieht 
in der » Sträggele-Nacht « (meist Fmnfastcnmiltworh) um 
und be« traft faule Magdc ( Kant. I.uzeru) »der entführt 
bose Kinder (Kantone Luzem und Zugi. Sie ist eine 
Bauplgestalt in der « wilden Jagd « und wird daher oft in 
Begleitung des w ilden Jägers « Türst ■• gesehen. Das -Sträg- 
gele jagen» ist ein Umzug der Jungiiiaunsrhaft unter 
wüstem Lärm und Geschrei (Aargauische* Freiamt. Kan- 
tone Luzern und Zürich i. der an verschiedeneu Tagen im 
Dezember veranstaltet winl. Eine weitere dämonisch)' 
Figur ist die « PfalVonkellerin » ; (in Uri « Grosskellerin ». in 
Mels « Pfalfenkochin » i . Man hört ihr unheimliches Ge- 
schrei im ii Pfaflcukellcrgrahrn <•. sie fährt mit Boss und 
Wagen daher (Enm-tinoos . rauscht und wütet auf einem 
Bach bergabwärts und durch die Thäler j Alt) nf i , lockt 
«junge Gespenster» nach sich, zieht über die Berge hin 
und macht schlechtes Wetter. Menschen, die bei ihrem 
Durchzuge nicht in's Baus entfliehen, erkrinken iGurt- 
ncllen). Oft erscheint sie in ('testalt eines Hunde« in 
stürmischen Nächten < Kanton Schww.i. Auch sie erscheint 
in der wilden Jagd mit glühenden Augen und zottigt-in 
Heiz (Kanton Luzern). Rein bösartigen Charakter hat 
ferner die * Klungerin « i • Chlungere, Chlungcli, Chlung- 
lere. Chrungeb', Frau Chunklc»; mit Hocker auf Brust 
und Rucken, gebogener Nase und krallcnartigoti Finger- 
nägeln. Si<- zieht in «hm letzten Tagen ih s Jahres um und 
bestraft faule Spinnerinnen. Die >• C.hlungeli-Nacht * (Kan- 
ton Zürich) ist ebenfalls ein Lärinumzug im Dezember, 
wobei allerhand Unfug mit Spinnerinnen gelrieben winl. 
Im Berner Volksglauben lebt die » Frau Faste • . eine Per- 
sonifikation von Fnuifastetn mundartlich ifi-oufaschl) - ».im 
Kanton Schwyz das •• Fraufaste-.Müetci Ii mit ähnlichen 
Eigenschaften wie die Klungerin. und analog die •< Frau 
Zälti » (Kant. Schwyz I oder «Sellen» ;Uri). Das „ \\,. 
slerh • dagegen ist keine Sagcngcslall mehr, sondern figu- 
riert als Einzelgestall (ah Hexe. Ziege oder Esel i in ihr 
« Postrrlijagd «. die ehedem am Donnerstag mr Advents- 
Fronfasten im Enllebuch abgehalten wunle und in einem 
Urmumziige besland. In Brunnen Schwvz glaubte man 
an die zwei Waldfraueii »Stmdeli» und « Stiätt. Ii .. und 
suchte sie ebenfalls durch einen l.ärmum/ug am Drcikn- 
nigsabend zu verscheuchen. Wenn man wenig lärme, sn 
gebe es wenig Obst. Endlich seien noch von weiblichen 
Dämonen genannt die » Haken-Nuse > i Kant. Zürich '. die 
« üakeriu .. i Bichterswil i. die « Häkele « c Kanton Luzern. 
Freiamt :, die Schnabelgeiss < iKnonauer Amt i. die •• He- 
chelgauggele •■ . Basel i. die » Ghauche-Vicillc . ( Waadt i, die 
ii Dame de Noel <• (Neuenbürg), die teilweise als eigent- 
liche Dämonen gedacht werden, teilweise auch zu 
gewöhnlichen Schreckgestalten und Masken hei abge- 
sunken sind. Von männlichen Gestalten nennen wil- 
den « Türsl .. Kantone Sololhurn. Bern. I.n/erii;, der 
als wilder Jäger oder ah Sau gedacht wird. Er frisst die 
Kindel, die er auf seinem Wege einleben kann, 
Dann den gehörnten, feueraugigen •• hen-Grind », der 
im aargauischen Freiaml. sowie in Bausen und Borgen 
( Zürich i in den Zwölften umziehend gedacht winl und 
dessen gespenstisches Treiben in der « hengt ind-Nacht ■■ 
mit wildem Lärm dargestellt wunle. Im Lii/t i nei Hinter- 
land schlies-t sich dem Drcikonigsumzug der Glungcl • 
an, eine vermummte Gestalt mit Stic rkopfmasko un<l 
Peitsche. Her •! Schmntzli » taucht meist als bösartiger 
Begleiter des St. Nikiaus oder des Weihu.ichtskindes aU| 
i Kantone Sololhurn, Lu/ern, Basel Land. St. Gallen i. Frist 
sc hwarz. vermummt, trägt Sack und Bute und rauht br.se 
Kinder. In dein Nikfau»< S.iiniehlaus ■ u. ähnl. > dagegen 



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<f.HW 



SCilW 



«md die schreckhaften Züge des Winterdänions mit den gü- 
tigen des kindcrliebcnden Kalcndcrheiligcn zusammenge- 
flossen. Dass das Dämonische das l'rspi üngliche ist, zeigt 
der Hraucli den « Klausjagens ». « Klaushornens «. « Klaus* 
»ohreckcns •• usw., durch den, wie in allen verwandten 
I .artnum/ugeii, das Verjagen des Winterdäinons darge- 
stellt wetilen soll. Zu der gleichen Kategorie gehört der 

• l'ere Challande » i Waadt i, der « Glockcuschellcnrnann » 
i Kaiserstuhl i, der « Actli-Biiedi » iZiirxarlil, der « Hegel» 
i Khngnau i. der * Heini von Tri « tSursce), der « Fritsrhi » 

l.uzern l u. a. in., die ineist als vermummte Pnpanzgc- 
*talten in den Dezemberlagcn oder an der Fastnacht ihr 
l'nwcsen treiben. 

Von l.ärmiiiiizügen < Austreibung des Wiriterdämons) 
sind ausser den oben genannten noch an/.ufuhren : die 
« Gräullete * im Muotathal lan Dreikonigen |, das - A be- 
tringele » in l.aupen latn Silvester), das » Nuni-Klingleu » 
in Basel l,and ( im Advent oder Weihnachtsvorabend i, das 
< Altjahrnbend-Schellen » in Warlau, die u Mantineda » im 
Kngadin (am 2. Januar), das Tricheleir' im Haslethal ( um 
Weihnachten ). die « Chiallanda Mar/» im Kanton Grau- 
bünden 1.1m 1. März . ein Irn/iig im Tessin t Dreikäm- 
pfen), das « Itoehseln » und die « Hnchsctnäehle » in den 
Kantonen Aargau. Basel. Thurgaii, Zürich i meist im De- 
lemher) u. u. m 

Den ausschliesslich bösartigen oder halb gut*, halb bös- 
artigen Dämonen stehen nur wenige wirklich gutartige 
gegenüber. Wir wüssten nur das • Weihuachts- •< und 

• Neuialirskindehen « zu nennen, die fälschlich oft als 
JesusLindlein gedeutet werden, aber natürlich das junge 
Jahr oder die neu autkeimende Natur darstellen sollen. 

Harmloser als die wilden Lärmumzüge sind gewöhnlich 
die Bettelumzuge der Kinder, wie sie zwischen Martini 
und Milt fasten in der ganzen Schwei/ üblich sind und ge- 
wöhnlich im Absingen von Heisdieliederii bestehen. Die 
verabreichten Gaben i Würste, Übst, Kier. (leid) werden 
hernach gemeinsam verzehrt bezw. verteilt. Die Weih- 
nacht.«- und Dreikönigssänger i letzten- oft mit einem 
drehbaren Transparentstem i zwischen Advent und Drei- 
königen sind wohl nur eine kirchlich nüanzierte Abart 
dieser Bettelumzuge. Wenn die Kinder hie und da in 
Bischofsmützen umziehen, so dürfte dies ein Hest der 
mittelalterlichen « Festa hypodiaconorum » sein, wobei 
•■ine parodierte Bischofswahl mit zugehörigen Zeremo- 
nien stattfand. 

In den Zeiten vor und nach Weihnachten linden aller- 
orts Besehen kungen statt. Meist ist es das »Christkindli «. 
■ Neiijahrskindli » oder auch der St. Nikiaus. im Kanton 
Waadt der « P^re Challamle >•. welche nach «lern Kinder- 
Glauben die Geschenke bringen, und zwar in allerer Zeit 
etwa Früchte (Nüsse. Aepfei. gedörrte Zwetschgen usw.) 
'Hier Backwerk und andere Speisen. Das Datum der Be- 
scherung war früher vorwiegend Neiiiahr oder St. Nikiaus. 
seltener Weihnacht (jetzt mit Vorliebe dieser Tag). Fer- 
ner ist das « Losen « und Orakeln auf die Zukunft um die 
Weihnachtszeit von je her sehr gebräuchlich gewesen. 
Wie das Wetter an Weihnacht ist, so ist es im künftigen 
Jahr. Besonders belieht ist das Zwiebelorakel : man schnei- 
det 

eine Zwiebel senkrecht durch und löst 12 Schnlchen 
heraus, die man mit Salz füllt und die je einen Monat des 
folgenden Jahres vertreten. Die Schalen, die am näch- 
sten Tag feuchtes Salz enthalten, deuten auf feuchte 
Monate. Auch das Aufstellen einer Jerichorose ( Kant. Aar- 
gau. Graiitiündon, I.uzcrn, Zug. Zürich) oder eines Kirsch- 
baumzweiges; (Kantone Thurgau. Zug, Zürich), aus deren 
Entfaltung man auf die Fruchtbarkeit des kommenden 
Jahres seh Messt, ist sehr verbreitet. Neben Andreas g ilt 
aurh Weihnacht als Kheorakeltag : wer in der Weih- 
naebtsnacht heim Lauten von !» Brunnen MSchluekc trinkt, 
siebt seine Zukünftige an der Klientur stehen tscilolhurii. 
l-eberherg) ; aus der Gestalt eines aus dem Holzstoss ge- 
zogenen Scheites schürest das Mädchen auf seinen Mann, 
ein Scheit mit Binde bedeutet Beichtum ( Leberberg i u. A. 
m. Ferner fragt man nach Lebensdauer und Tod : die Zahl 
der Strophen eines aufgeschlagenen Psalms ist gleich den 
noch zu lebenden Janren (Kanton Bern). Die Träume 
in der Christ nacht gehen in Erfüllung. Dass der Weih- 
nachtszeit überhaupt Wunderkraft innewohnt, zeigt der 
Glaube, dass in dieser Zeit gedüngte oder mit einem 
«larbenband oder mit Weiden umwundene Bäume beson- 



ders fruchtbar werden {Kantone Bern und Zürich}: die 
Hühner werden vordem Haubvogel gesichert, indem mau 
ihnen zwischen II und l'J l'hr in der Chrisiiiacht die 
Flügel slut/l (Kanton Zürich), und beim Vieh bewirkt die 
Tränke an Weihnacht besonderes Gedeihen i Kanton 
Zürich). Ja. eigentliche Wunder vollziehen sich: das 
Vieh vermag zu reden , und Wasser wandelt sich zu 
Wein (verbreitet); man kann sich durch zauberische 
Manipulationen unsichtbar und unverwundbar machen 
(l.eberbergl, au Weihnachten geborene Kinder sehen 
Gespenster und können wahrsagen (verbreitet) u. A. m. 

Der Weihnachtsbaum i-l in der Schweiz nicht so alt, 
wie man gewohnlich glaubt, ja in vielen, namentlich ka- 
tholischen liegenden ist er erst seit kurzem eingeführt, 
so z. B. in den Kantonen Solothnrn und Waadt erst in 
den tiOer Jahren des vorigen Jahrhunderls, im minieren 
Thurgau erst um IKTiü u. s. w. (Der älteste Weihnachts- 
baum in der jetzigen Gestalt lässl sich zu Anfang des 
17. Jahrhunderts in Strassburg nachweisen, dagegen 
ist natürlich das Anbringen irgend eines grünen Bu- 
sches oder Zweiges um die Wintersonnenwende uralt). 
Auch das Datum ihm) die Art und Weise seines Auf- 
tretens ist verschieden. In Zürich war es der * Sa- 
micblaus Ii, der den Kindern, während sie schliefen, 
den Baum hinstellte, andernorts bringt ihn das < Christ- 
kindli « ; im Zürcher Oberland wird der Bauin an Sil- 
vester von den Kitern bereitet und von dem umziehenden 
" Chlaus »i den Kindern ubergeben : in F.schiknfcn nennt 
man den Weihnachtsbaum « l'alme ». was deutlich auf 
einen ursprünglichen Stcchpalmcnluisch hindeutet, Leber- 
haupt begegnet uns die Stechpalme öfters : in Guttannen 
werden am Neujahr Stechpalmen an der Spitze mit 
Aepfeln besteckt und - Zanli-Chlois » genannt, im Ober- 
toggen buig kleiden sich die « Chläuse « in Stechpalmen 
und Tannreiser, und im Kanton Basel Land vertritt noch 
heule die Stechpalme in armen Familien den Tannen- 
baum. AH' dieses Grün um Weihnachten und Neujahr, 
von dem einfachen Stechpalmenzweig bis zum lichterstrah- 
lendcn Tannenbaum, ist natürlich nichts anderes als das 
Symbol der nach der Wintersonnenwende sich wieder 
belebenden Vegetation. Eine geringere Bolle spielt in 
der Schweiz, der Weihnachtshloek, d. h. ein grosser Holz- 
klotz, der au Weihnachten unter feierlichen Zeremonien 
angezündet, nicht aber ganz verbrannt wird, und dessen 
Kohlen besonders wundertätig und fiuchtbarkeilz.eugciid 
sind. Der Brauch ist uns für die Schweiz nur aus dem 
Kanton Waadt (als buche de Noel o) bezeugt, während 
er auswärts sich nicht nur in Deutschland, sondern auch 
in Kngland, sowie den skandinavischen und slavischeu 
Ländern findet. Die Wcihnachlsspicle. d. h. die dramati- 
sche Darstellung der Weihnachtsgcschichle, sind heutzu- 
tage unseres Wissens in der Schweiz nicht mehr üblich. 
Sie waren ausgegangen einerseits von der Rezitation des 
Festevangeliums und den sich anschliessenden Gesängen, 
andererseits von dem Aufstellen der * Krippen » in den 
Kirchen (letzteres ist in Häusern und Kirchen noch heute 
gebräuchlich >. Den dramatischen Kern bildete die Ver- 
kündigung durch die Kugel und der Gang der Hirten an 
die Krippe. Diesem schloss sich bald das Dreikönigsspiel 
an mit dem Krscheinen d.-s Sterns, dem Zug nach dem 
Stall von Bethlehem, der Fcben-cichung der Gaben etc. 
Besonderes Weihuachts- bezw. Nciijahrsgebäck sind im 
Freiamt die « llirzetihornli » und die Itirn wecken, im 
Kanton Bern Brezeln und Lebkuchen mit einem Bären, 
in der Waadt die bricelets «, am Zürichsee Brot in 
Handform. in Staus Lebkuchen in Fischform. im Kan- 
ton Schallhausen » llul/elbrot » und (namentlich auf Neu- 
jahr weil verbreitet! ilie »Zupfe ... 

Stephan (26. Dezember). St. Stephan ist der Schutz- 
patron der Bierde. An diesem Tage wurden im Kanton 
l.ii/ein die Pferde zum Ailei lass in die Schmiede geführt. 
Kbenda fand auch das Trinken der > Stephansminne ■» 
statt: der Wein wurde an diesem Tage gesegnet, und sein 
Trunk war heilbringend. 

Johannes der Evangelist (27. Dezeinberl ist der 
eigentliche Tag der Weinweihe. Nach der Legende soll 
Johannes vergifteten Wein ohne Schaden getrunken 
haben. « Der Wein wird vom Priester in der Kir che ge- 
weiht, der versammelten Gemeinde geboten und d um. 
wenn von der Gemeinde gespendet, unter 'die Armen ver- 



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SCIIW 



teilt, oder, wenn von den Familien gebracht, wieder mit 
nach Hause genommen und dort teilweise feierlich ge- 
trunken, teilweise aufbewahrt: einige Tropfen davon auch 
in die Wein- oder Mostfasser gelassen » i Kantone Aargau 
und St. Gallen). 

• Am Enschuld igen kind 1 e instag (28. Dezember! 
fand im alten Sursee der Einzug des » Heini von Eri » 
statt, einer Schreckgestalt mit hölzerner Maske und 
Schellenkappe. Er sammelte (Iahen ein, wurde aber 
dafür von der Jugend mit Hüben beworfen. 

David I.'HI. Dezember). Im Zürcher Oberland die sog. 
« Chrungele-Nacht «in der Bursche in »benteiieiiicln-r 
Verinummmigvon Haus zu Haus ziehn und sieh bewirten 
lassen, auch wohl allerlei Innig treiben, die Vorüberge- 
henden belästigen, in die Häuser eindringen und in den 
« Lichtstubctcn » den Spinnerinnen mit Hallen die Spin- 
deln abschlagen oder mit nissigen Spindeln die Anwesen- 
den bewerfen. Hie und da bringen auch die Masken selbst 
Spinnstocke mit um! verwirren den Spinnenden dasWerg ». 

Silvester (31. Dezember). Die auf diesen Tag fallenden 
l.ärmurmüge haben wir schon erwähnt. Die « Niklause » 
zeigen sich am Silvester in I.cnzhurg. Herisau, sowie teil- 
weise in den Kantonen Glarus, St. Gallen, Zürich. In 
Hheinfelden ziehen nachts die « Sehastianshrüder » um und 
singen ihr Neujahrslied ah. Der zuletzt Aufstehende wird 
überall « Silvester» genannt, erhält aber im Kanton Zug 
einen Eierwecken. Vielfach bleibt man in Gesellschaft 
beisammen, um sich dann schlag« 12 I hr zum neuen 
Jahr zu beglückwünschen. Im t'ntcr Engadin liegehen 
sich die jungen Leute ins Schulhaus, die Mädchen bringen 
geschwungenen Hahm und « Biseutins •• mit, die Knaben 
Schnaps; so vergnügt man sich bis zum Schluss des 
Jahres. In Em» (Graubünden) findet an diesem Tage das 
Verlosen der Mädchen an die Knaben statt. 

Abergläubische Handlungen werden in grosser Zahl 
vorgenommen, besonders wird Ehe-, Glücks- und To- 
desorakel getrieben. 

Neujahr. Nachdem man am Altjahrabend bis 12 I hr 
beisammen gesessen hat. beglückwünscht man sich zum 
neuen Jahr und friert dasselbe mit einem Trunk (ziem- 
lich allgemein). Das neue Jahr wird «angesungen» 
(Thurgau). Oft ziehen die Hursche mit einem Neujahrs- 
wünsch (Sargans, Prältigauj von Haus zu Haus. Diese 
Einzüge und das Absingen von Neujahrswünsrhen waren 
ehedem weiter verbreitet und meist mit einer Bet- 
telei lum Würste u. dcrgl. ) verbunden. Am Tage gehen 
die Kinder zu ihren Paten mit Glückwünschen und er- 
halten von ihnen Geschenke (verbreitet), licseheerungeii 
kamen ehedem häutiger an Neujahr als an Weihnacht 
vor; meist aber bestanden sie nicht in grösseren Ge- 
schenken, sondern in Kruchten und Gebäck. Sic wurden 
nach dem Kinderglaiiben von dem « Nciijahrskindli •• /oft 
in Verbindung mit einem Tanncnhäumeheni gebracht, : 
der Persouilikation des neuen Jahres i Kantone Aargau. 
Appenzell. Hern. St. Gallen. Zürcher Oberland i. In Ita- 
sei wurden früher grosse Zuiiftmählcr abgehalten. Wobei 
sich die Zünfte gegenseitig mit Viktualieu beschenk- 
ten. Damit wann Einzüge mit Trommeln und Pfeifen 
verbunden, ähnlich wie es in Hasel heute auf Ascher- 
mittwoch geschieht. Mancherorts wird der Jahresein- 
gang mit Tanz und l.usll>arkcil aller' Art gefeiert, auch 
wird viellach geschossen. Ein merkwürdiger Hrauch 
besieht in einigen Gemeinden de* Kanton- Aargnu. 
Dort « tragen die Dorfknaben am Silvesterabend Haiken 
auf dem Dorfplatz, zusammen, legen lauge Bretter hohl 
darauf, und sowie die Ehr den Anbruch des neuen Jahres 
verkündet, fangen sie an, aus Leibeskräften auf dieser 
hergestellten Tenne zu dreschen, dass es weit umher 
schallt. » Die Hedetilung ist klar: es soll durch die Nach- 
ahmungdes Dreschens i sog. Analogie/aiibei »jdic Frucht- 
baikeit de» kommenden Jahres hervorgerufen werden. 
Bekannt ist das Auslauten de* alten, bezw. Einhalten des 
in nen Jahres. Wer am Neujahr zuerst aufsteht. »nis-t 
i. Sltihenfin Iis » oder .. Fulleli-Lnpfer ». der letzt.- * Neu- 
jahrskalb oder -kidbli". Neujahrsspeisen In zw. -ge- 
b.irkc sind : in St. Gallen die Pastete, im Kanton Thurgan 
und Zürich » Waben », Hirnenbrot. Eierriuge ; ferner 
werden (je nach der Gegend i « Gugelhopf «. * Mutsc hel- 
len ». der « Grilti-Hetiz ». -immel - Hing- . «Schnecken 
<■ Ai pfelslni in » u. A. in. gegessen. Ein besonderes Neu- 



jahrsgetränk ist in Hasel der « llippokras * i Gewürz - 
weinl, zu dem • Leckerli » aufgetischt werden. iDer 
Hasler selbst isst Leckerli nur um die Weihnacht*- und 
Neujahrszeit |. Aberglauben : Wiedas Wetter am Neujahr, 
so vorwiegend das Jahr durch. Ist die Netijahrsnaeht 
schon, so gibt es viel schwere Geburten i Kanton Appen- 
zell). Morgenrote am N'cujahrstage deutet auf Engewitter 
und Fenersbrunste oder Krieg i Kantone Luzern und Zü- 
rich). Schicksal und I,chensdauer werden ähnlich er- 
forscht wie an Weihnacht. Ferner sind die Begegnungen 
wichtig. Einer Frauensperson zu begegnen, bedeutet En- 
glück (Kantone Sololhurn. Thurgau und Zürich i ; dagegen 
sind Männer oder Kinder von günstiger Vorbedeutung. 
Das Werg, welches am Neuiah rsmorgen noch am Rocken 
übrig ist. ist untauglich und kann nicht mehr versponnen 
werden i Kanton Solothurn). Die Gemeinde, in der zuerst 
das Neujahr geläutet wird, wird zuerst von einem lirand- 
unglürk heimgesucht iMonehaltorf}. 

Bcrchtoldstag wird in Zürich und Tegerfelden 
(Aargau) der 2. Januar genannt, in Frauenfeld der dritte 
Montag im Januar, im Kanton Luzern der Sonntag nach 
Hreikonigeu ; die mundartliche Form ist « Berrhteli.si-, 
Herteli- oder Bcrzeli-Tag ». Diene Benennungen gehen 
auf eine Grundform * Berchtelens-Tag » zurück, d. i. Tag. 
an dem mau « berrhtelt * (sich gütlich tut), und dieses 
« bcrchtelcn » verdankt seinerseits wieder seinen Ersprung 
dem « Berchtentag *. mit dem schon im It. Jahrhundert 
der 2. Januar, ein Tag ausgelassener Festfreude, bezeich- 
net wurde. Weit bekannt ist der • Heichtelislag * von 
Zürich. i> Die Sammlungen des zoologischen Museums, 
das Zeughaus, die Stadtbibliothek sind den Kindern ge- 
öffnet, und sie nehmen an verschiedenen Orten die so- 
genannten » Nenjahrsstücke * (Neujahrsblätter) in Emp- 
fang. Dabei bringen sie Geldgeschenke mit. welche den 
Namen « Stubenhitzen » führen, da sie ursprünglich 
einen Beitrag an die Heizung der Zunftstuben bildeten. 
Andere durchziehen kostümiert die Strassen und sprechen 
mit dem Hufe • Hätz! Balz! » die Vorübergehenden um 
Gaben an. Im zweiten Teile des Tages treten die Männer 
hervor. An reichlicher Mittagstafel wetteifern, gesondert 
voneinander in ihrem Gesellschaftshausern. zwei Ge- 
sellschaften miteinander in Geislcsspielcn aller Art. die 
antiquarische und die Kunstgesellschaft. Der Abend des 
Tages wird überall zu geselligen Vergnügungen benutzt. 
Es linden hie und da Bälle statt, und nicht selten ist es. 
dass das Morgengrauen erst die Zechenden und lustigen 
Gesellschaften auseinandertreibt ». In Tegerfelden zog die 
Berchtelisgesellschaft ». als Hebleute verkleidet, um und 
führte vor den Häusern der bemittelten Einwohner einen 
Zunfttanz auf. Dafür wurden den Tänzern die « Stitzen » 
zinnerne lleckclkrügci überall mit Wein gefüllt, den sie 
dann wieder den Aermern schenkten. Zum Schlüsse sangen 
sie ihrem eigens versammelten Gemcindcrnle noch das 
Neujahr an und überreichten einen gewaltigen • Eier- 
ring • . Als Ehrengabe erhielten sie einen halben Saum 
Gemeindewein. Dieser wurde abends gemeinschaftlich 
verzecht, und jeder Bursche liess tlazu seine Tänzerin 
durch einen Abgeordneten unter mancherlei Artigkeiten 
ins Wirtshaus lieru herholen (nach Hochholz). In Wurenlos 
i Aargau i erschienen noch vor kurzem am ÜerehloIJstage 
Nachmittags die Schulkinder ohne Schultasche ; dafiir 
brachten sie gefüllte Kamilieiitlaschcu, Neujahrswecken 
und Nüsse mit sich, überreichten dem Lehrer ihre Ge- 
schenke und luden ihn ein. mit ihnen zu » hachtelen <■■ 
Die Kinder einer Familie setzten sich zusammen zur 
fröhlichen Mahlzeit. Iranken ihren Wein oder Most in 
der Schulbank, knackten ihre Nusse und sangen ihre 
Liedchen. Grosse Mähler fanden auch in Luzern statt. 
Vermiimmiingen ausser in Zürich noch im Thurgau |« Ap- 
pels-Narr »). In Frauenfeld wird mit besonderen Peitschen 
geknallt, ebeiidawenlen zw ischciidcrJungmann*chaft Käm- 
pfe angefochten. Zum Schluss sei ein Brauch aus Stamm- 
heim erwähnt, der aber seit einigen Dezennien eingegan- 
gen ist. nämlich die Berchlo|d*lagfahrten »: reiche Bur- 
ger oder die Gemeindebehörden bezeichneten den Jüng- 
lingen au schwer zugänglicher Stelle .-inen Wahl bäum, 
den sie am Berchloblstag auf einem von ihnen selbst ge- 
zogenen Wagen mit Fuhrmann und Trommler luden und 
ins Dorf führten, wo dann nachts im Gemeindehaus? ein 
Gastinahl (oft mit Schauspiel i stattfand. Der Pfarrei 



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SCHYV 



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tu ii — • l» - dazu ili'ii sog,. Ilerrcnweggcn spenden. Der Brauch 
gebort in «Iii- Kategorie der Tanncnfuhr oder des Block- 
/iehens, t'incs altflirwüi-digen Fruchtbarkcilssymbols, das 
um England bi» nach Balmaticn vorkommt lind auch in 
•Irr Schweiz, in verschiedenen liegenden (Kantone Appen- 
zell, St. Gallen, Zünch und Hern) und an verschiedenen 
Daten nachweisbar ist. Für Appenzell differieren die An- 
gaben etwa«. Narh (i. Kusch linde! da!« • Blorkfest " im 
Hinterland stets am Donatustag (17. Februar) statt. Vor- 
mittags wird der Stamm auf den Wagen geladen. « Nach 
dem rssen wird dann der mil Tannreisern, Waldblumen 
und hänfenen (iuirlanden bekränzte Wagen im Triumph 
durch das llorf gezogen. Ein Mann und ein Weib in alter 
Schweizertracht. mit (Hocken behauten, schreiten der 
Prozession voran, auf dein Blocke silzt der Leiter des 
Festes. « Laut J.K. Zell« e^er und T. Tohler fiel das Dlork- 
f«-sl auf Montag nach Invocavil, der deshalb « Bloek-Men- 
tip i hiess. Auch sind es hier mehrere « Sägehlöckc ». die 
man auf Schlitten in die Sagemühle führte. Nachher tat 
man sich aus dem Erlös im Wirtshaus gütlich. Im Kanton 
Hern vollzog sich der Akt meist etwas pomphafter. So 
x hlos-vn sich /,. D. in SeedorT bei Aarberg dem Zuge ei- 
uige Kostümierte aus der tieschichte Teils an. die her- 
nach ein Yolkstchauspicl aufführten. Aehulieh im Kanlou 
St. (iallen. 

Drei k 6 n tu e od er F.p i p h a n i a s (6. Januar) war \on 
jeher ein Volkstag. Verbreitet ist da« Absingen von Drci- 
königsliodorn «das aber, wie wir bereits gesehen, teilweise 
auch schon auf die Weihnachtszeil Hell. Ursprünglich 
waren die Hauptpersonen des Umzuges drei Knaben t frü- 
her auch Erwachsene» mil weissen Hemden über den Klei- 
dern und Pai-iei krönen auf dein Kopfe, der Mohrenkönig 
I Melchior» oh geschwärzt. Sie führen gewöhnlich einen 
drehbaren Transparentstem mit »ich undsinpen Lieder ab, 
in denen nu-ixt eine Bettelei eingeflochten ist. Die verab- 
reichten« iahen bestehen in (ield. Aepfeln. Nüssen U. dergl. 
In Kern» ei>cheinen die drei Konige auch im (ioltesdieiist 
und der kirchlichen Prozession. Von den Drciköliigsspic- 
und den l.armiimzügeii haben wir schon gesprochen. 
Im Unter Engadin fallt auch das Auslosen der Mädchen 
an ihr«- Burschen auf diesen Tag, feiner an manchen Or- 
ten (/. Ii. Unter rngadin und Kanton Glarus) Tanz und 
»unslige LuHtliarkeiten. Mit den Dreikouigcn ist mancher 
Volksglauben verknünft. Man schreibt die Anfangsbuch- 
staben ihrer Namen (K .M. Ii.) mitgeweihter Kreide über 
die Türen der Häuser und Ställe zum Schutz gegen Hexen 
ider sonstige schlimme Einflüsse lAargau. I ri. Schwyz, 
l nl< rwald« Ii. I.uzern, (irauhiinden. Glarus) ; man segnet 
auf ihren Tay Salz, Wasser und Weihrauch iGrauhünden, 
I.uzern. (ilarus) : man schöpft Wasser, das nicht schlecht 
wird i früher im Kanton Zürich). Im Unter Eugadin su- 
chen ilie jungen Mädchen ihr Schicksal /.u erfahren, in- 
dem sie ihren rechten Schuh gegen den Kirchturm schleu- 
dern ; schaut dann die Spitze gegen den Kirchturm, so 
stirbt das Mädchen im kommenden Jahre, andernfalls 
/'•igt die Spitze die Richtung au. in welcher der zukünf- 
tige Khemaim wohnt. Im aargauischen Badenbiet hoffen 
die Kinder heim Kirchbülten die hl. Brei Konige zu er- 
blicken. 

Auf Fast n ac hl isl eine grosse Zahl von Frühlings- 
braucheii gefallen, die ehedem an andern Baten mögen 
gefeiert worden sein. Die christliche Institution der vier- 
ztgtagigeii Fasten mag der Hauptgrund gewesen sein, das» 
man die Fest I ichkeilen möglich«! kurz, vor den Beginn 
dieser langen Zeit der Fulbehriiligen verlegte. 

Altheiduisches. Römisches, Mittelalterlich -Weltlichem 
und Christliches linden sich in den verschiedenen Fast- 
nachtsbräiichen vereinigt. 

Ber Beginn der Fastnacht lallt in katholischen liegen- 
den meist auf den 7. Januar, der Schluss auf Dienstag vor 
Aschermittwoch ; doch konzentrieren sich die HaupUer- 
guüguiigcn ge wohnlich auf beslimmte Tage : auf die drei 
Donnerstage vor Asehermiltwocli. auf den »schmutzigen 
Donnerstag» ( I>oiincrstag vor Kslomihi). die «dierrrnfast- 
nacht • (Sonntag Eslomihi). den « Güdis-Montag » i.Mutilag 
wjr A«ehermillwoch > und den u Fastnacht'*- Dienstag ». 
Nur für ganz bestimmte Sitten gellen der « Funken-Sonn- 
tag » bezw. die Bauern- oder alle Fastnacht» i Sonntag 
Invocavil) und der » Hirsmonlag « \ Montag nach Invoca- 
viti. In Basel Stadt sind die Kastnai htslage Montag. Diens- 



tag und Mittwoch nach Invocavil. also in den Fasten, 
was wohl aus ehemaligem Antagonismus gegen die Katho- 
liken sich erkläreil lässt. 

Die Cruiidstimmung an Fastnacht ist eine bis zur Aus- 
gelassenheit gesteigerte Fröhlichkeit, die sich angesichts 
der kommenden Fasten nun noch recht austoben will. 
Daher Gelage, Spiel. Tanz und maunig fache geschlechtliche 
Ausschweifungen schon in frühem Jahrhunderten. In Ba- 
sel sah sich sogar die Obrigkeit gezwungen, gegen die Un- 
sitte, heule mit Gewalt in Wirtshäuser zu schleppen, ein- 
zuschreiten. Von offiziellen (iastmählcrn seien genannt die 
Mählerderdrei Basler Zünfte zumSrhlüssel. Bären und zur 
Safran an Aschermittwoch, verschiedene Zunltessen in 
Schaffhaiiscn und Rapperswil. das Meiste rsehaftsessen in 
Zug ii. a. m. Da neben kommen Begalierutigen teils von Slan- 
dcspcrsoncii, teils von Angestellten vor. Auch nicht zunf- 
! lige und nicht offizielle Mähh-r werden vielfach an Fast- 
nacht abgehallen; wir erinnern au den « Häfeli- Abend » 
in Graubünden, den letzten Tanzabend vor den Fasten, 
zu dem die Frauen die Speisen selbst in Töpfen mitbrin- 
gen ; nicht zu gedenken der Unzahl von mehr oder weni- 
ger üppigen Mählerii. die in einzelnen Familien oder 
Freundeskreisen vor Fastnacht abgehalten werden. In 
Luzctn und Rapperswil wurden Iruher auch die Schul- 
kinder an diesen Tagen regaliert. Ein Brauch, der jetzt 
völlig eingegangen ist, waren die Besuche der eidgenos- 
sischen Orte unter sich. Freilich kamen auch solche auT 
den Herbst (die Kirchweih) vor. doch besonders gern auf 
Fastnacht. Oft sind die Einladungen hiezu und die Ant- 
worten in köstlich humoristischem Tone gehalten. Zeit- 
genössische Berichte und Rechnungen zeigen uns, duss 
bei solchen Anlassen schwere Mengen von Getränken und 
Speisen verzehrt wurden. 

In noch allerer Zeit, wo die ritterlichen Spiele mehr 
im Schwange waren, wurden Turniere mil \orliebe in 
diesen Tagen abgehalten. Traurig berühmt ist das I.'f7li 
zu Basel abgehaltene Turnier geworden, die sog. • hose 
Fastnacht» (vergl. darüber Wackernagel : Gcs<l,uhtt> der 
Stailt Han l. I, 1907. Seite 2Ü5). Als eine Art Turnier- 
katmif mag das Fischerstechen in Estavayer genannt 
werden. 

Balle und Tanzvei-gnügungen aller Art w urden von jeher 
an Fastnacht veranstaltet. Wir brauchen hierauf nicht 
im besonderu hinzuweisen. 

Interessanter und charakteristischer sind die Tänze und 
1'iiizüge gewisser Zünfte, namentlich der Metzger und 
Küfer Berühmt ist der Met/.gernnizug im alten Zürich 
(die sog. « Metzgerbraul t) mit einem Löwerikopf (dem 
« Isengrind ») und einem Brautpaar, das unter bestimmten 
Zeremonien in einen Brunnen geworfen wird ; daneben 
Vermummte mit Sehellen. Kuhglocken, Kuhschwänzen 
u. A. m. Dieser l'mzug. der. nach den analogen Fallen zu 
schliesseii. früher offenbar ein tanzarliges Gepräge halte, 
wurde im Jahre 17*28 aufgehoben und der « Isengrind ■> 
jeweib n an Fastnacht auf der Zunft zum Widder neben 
einer Bärenhaut unter das offene Fenster gestellt. Auch 
in Bern und I.uzern haben solche Metzgerum/üge bezw. 
•tanze bestanden. Analog die Küfertänze in Basel. Bern 
und Genf, die aber, mit Ausnahme von Basel, nicht spe- 
ziell an die Fastnacht gebunden sind, sondern überhaupt 
auf das Frühjahr fallen. 

Ein anderer Brauch, der ohne Zweifel als Fruchtbar- 

I keilszaubei' aufgefasst werden mus«, ist der Umzug mil 
Pllug, Trollbaum oder Egge, wie er früher auch in der 
Schweiz üblich war und noch heute in andern Ländern 
nicht selten vorkommt. 

Dazu steht in naher Beziehung, weil ebenfalls auf die 
Fruchtbarkeit hindeutend, das Benetzen mit Wasser oder 
Eintauchen in Wasser, das früher ziemlich verbreitet . 
heule nur noch in Verbindung mit einzelnen Fastuachls- 
geslallen gebi-auchlich Ist. In alter Zeit mnssten die Be- 
hörden immer und immer wieder sich gegen das Werfen 
in Brunnen oder Bäche wenden. Ks hatte dieser Brauch 
die selbe Bedeutung, wie das Bespritzen der Mädchen in 
Allslallen i St Gallen i. 

Ein wesentlicher Bestandteil der alleren Fastnachts- 
lustbarkeiten waren ferner die Fastnachtsspiele, die an 

' grösseren und kleineren Orten der Schweiz mit beson- 
derer Vorliebe aufgeführt wurden. Sie haben ihren ur- 
sprünglichen Charakter heute verloren, wenn wir etwa 



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Sam- 



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absehen von dorn reirhgcstaltigcn und echt volkstümlichen 
- Moosfahren « im Muotathal, das im Freien — und zwar 
gewöhnlich jislcr Akt wieder an einem andern Orte — 
aufgeführt wird. Das GruiultlK-ma dieses Spieles bildet, 
ähnlich den Moralstücken allerer /.eil, der Kaiopr /wi- 
schen Welllusl micl Goltseligk«-it. Heide Extreme sind 
ilurch m«jgl><hst unzweuh iitige Gestalten personifiziert: 
auf der einen Seile Racchus mit seinem liederlichen und 
marktschreierischen Gefolge. Hilf «h-r anih-ru ein einsamer 
Hnssprc«ligcr, der will Allen verlacht wird. Natürlich siegt 
schliesslich das hüte, und die Welllusl fällt der Holle und 
den grausigen Teufeln anheim. her Name « Moosfahren » 
lässt vermuten, das« der Krauch früher im engstem 
Zusammenhang stand mit den oben kurz erwähnten 
»GiritzeninooslahrleiiPUMler « GiritzeniiMMisgeriehlen «.die. 
mehr oder weniger die Form eines Schausiii.ds anneh- 
mend, eine Satire auf alte Jungfrauen und Junggesellen 
sind. I.ndw. Tohler hat nachgewiesen, dassdie alte Jung- 
fer in der Vorstellung des Volkes von jeher als Inhcgrift 
der rnfruchtharkeit gegolten hahe und dass daher in 
einer Jahreszeit, wo die Natur sieh neu zu helehen be- 
ginnt und Alles durch symbolische Gebräuche die Frucht- 
barkeit herbei zu fuhren trachtet, die Verspottung und He- 
strafiing der Sterilen ganz natürlich erschienen müsse. 
Kine dieser Strafen ist die Verbannung auf ein unfrucht- 
bares Moor in Moos»), das man sich als Aufenthalt ver- 
storbener aller Jungfern in Gestalt von Kibitzen i« Giritz » i 
dachte. Von einzelnen Ei si'hcinnngen dieser Art seien 
folgende erwähnt: Im I.uzerner Holthal wurden junge, in 
Weiberkleidi'r gesteckte Riirschcn. die sich liei den Woh- 
nungen alter Jungfern verborgen hatten, von den Häschern 
des * Todes ». der mit einem Wagen durch das Horf fuhr, 
gefangen, auf den Wagen geladen und auf dem « Giritzcn- 
inoos " ausgeworfen. Aehnlich im Frickthal, nur dass t -s 
hier wirklich ledige Mädchen uber'24 Jahre sind, die diese 
Hehamlliing über sich ergehen lassen müssen, und dass 
bei dem nachfolgenden Trunk im Wirtshaus den Mäd- 
chen — als Fi iichtharkcitsscgen — Wein in den Schoss 
gegossen wird. In einzelnen hegenden des Kantons Aar- 
gau wild ein förmliches Gericht abgehalten, in welchem 
die das Girilzenmoos verwaltende älteste Jungfer Klarge- 
stellt durch eine Maske) als Klägerin gegen die allen 
Junggesellen auftritt, her Hagestolz verteidigt sich un- 
glücklich und wird in s Girit/enuioos verbannt. Im I.uzer- 
ner Hinterland fuhren der « (iiritzenvater » und die « Gi- 
ril/eniiiulter » auf einem Wagen, der mit als Mädchen 
verkleideten Üurschen gefüllt war, durch das horf und 
hielten vor den Häusern an. wo sich Mädchen oder Frauen 
befanden, die sich im Laufe des Jahres etwas Tadelns- 
wertes hatten zu Schulden kommen lassen. Hierauf wurde 
von dem Girit/euvater ein darauf bezüglicher Spoltvcrs 
abgelesen, und ein Rursehe, der in Kleidung und Gebüh- 
ren die Kritisierte darstellte, von den Häschern in den 
Wagen gezerrt. Abends versammelte man sich im Wirts- 
haus, wo man die Versteige! iingder verspotteten Mädchen, 
d. h. der sie darstellenden Itursche vornahm. F.ndlich sei 
zu diesen) Kapitel noch erwähnt, dass an mehreren Or- 
ten bei den Fastnachlszugen Altweibermühlen id. h. Vor- 
richtungen zur Verjüngung alter Weihen dargestellt 
wurden. 

Hin uralter Fashiachtshraueh ist das Anzünden von 
Feuern auf einer möglichst weithin sichtbaren Stelle. 
Wir können diese Feuer nachweisen in den Kantonen 
Aargau. Appenzell, Hasel, Hern, Freibiirg. Sl. hallen, 
hlariis. hraubündeii. l.uzern. Solothuin, Tessiri. Thurgaii. 
Waadt, Zug und Zürich. Der Tag ist vorwiegend der erste 
Sonntag in den Fasti n i Invocavit !. in Reronninster seit 
dem Hraiid von I7ß4 der hregoritag ( \i. Marz) : man nennt 
ihn hie und da . Funkensonntag ••. im Wels. hland . I»i- 
manehedes Hrundnns«. Der Hergang ist im wesentlichen 
fals überall derselbe. Finige Tage vorher wird von der Ju- 
gend Holz lodei Geld dazu ) erbettelt und «las Hremimaterial 
an dein bestimmten Orte aufgeschichtet. Am Abend des 
betrelVenilen Tages w inIdas Feuer angezündet i in Frei- 
biirg immer von der Juiigshermahlle tu. Man tanzt 
darum oder springt darüber, indem man glaubt, dassdie* 
die Fruchtbarkeit des Jahres günstig beciiiHussle. Dazu 
kommt mancherorts das Sclieibenscidageii : sternförmig 
ausgezackte buchene Scheiben werden am Feuer glühend 
gemacht und. unter Ausrufung eines Widninngsi-eims. 



mittels eines elastischen Stabes weil in die Nacht hinaus- 
geschleudert. Auch die Verwendung von Fackeln bei deu 
Fastnachtsfeuern ist sehr alt. Als spezielle Form seien 
diedurch brennende Kienbüschel erleuchteten ausgehöhl- 
ten Runkelrüben erwähnt, wie sie im Kanton Zürich in den 
(legenden an der Limmat herumgetragen werden. 

Noch viel verbreiteter aber als die Feuer ist das Hacken 
von Kuchen auf Fastnacht. Die Form dieser « Küechli ». 
»Eier-hehrli », und wie sie sonst heissen, ist gewohnlich 
lladen- oder scheibenartig; doch kommen auch allerhand 
Abweichungen vor. Von besondern Fastnachtsspielen 
nennen wir nur den geschwungenen Rahm (auch « Lugg- 
milch, Hroehrtc» u.s.w. genannt). Nebenbei mag auch er- 
; wähnt werden, dass in der Schweiz mancherorts (Appen- 
zell. Hern. St. Gallen. Glarus. Luz.-rn. Schwyz. Wallis, 
Zug) der Hrauch herrscht, die Speisen heimlich vom frem- 
den Herde wegzustehlen. 

Die Vermuminnngcn sind auf dem Lande gewöhnlich 
äusserst primitiv: sie bestehen etwa aus Hemden, die 
über die Kleider gezogen werden, oder alten Wcibcr- 
rockeii; ihre Heneuniing ist u Rii-'nogg. Rutz, Posterli. 
Faslnacht-Chrungel. Hirsulter. Huschi. Ootschi. Füudi, 
Heid. Hu.li. He (. I.ooli. rätoromanisch » Hagonlas * u.a.m. 
Daneben sind die auch anderwärts vielfach vorkommenden 
Strohmänner und endlich eigentliche Kostüme mit be- 
stimmtem Typus in Gebrauch. I'nter diesen findet sich 
besonders häutig der Harlekin mit hoher kegelförmiger 
Mütze. Schellenumgürtung und huntfliekigem Gewand. 
In früherer Zeit wurden neben den Weiberkleidern öfler» 
Teufels- und Gauernmaskeu genannt. 

Die Gesicht-sv.-rhnlliing geschieht noch mancherorts 
durch schwarze, rote oder sonst phantastisch gefärbte 
Holz- «Hier Kupfermasken. In alter Zeit schwärzte man 
sich das Gesicht mit Russ. Heute dagegen geschieht «las 
Herussen durch Andere iui«l gegen den Willen «b's lei- 
denden Teils, gewöhnlich am Aschermittwoch, im Tog- 
gcnbiirg am Freitag nach dem * schmutzigen Donnerstag ... 
der nach dieser Sitte " Hrähm-Fritig •■ genannt wird. 

Die so Vermummten ziehen bettelnd um, indem sie 
irgend einen Heischereim aussprechen. 

Interessanter als diese in Schwärmen umziehenden 
Masken sind die Kinzelgestalten mit besonderen Namen, 
«lie in diesen Tagen, wie um die Weihnachtszeit, sich be- 
merkbar machen. Das .. Hutz-Gur >■ war eine Fastnacht»- 
maske. «lie noch in der Milte des Hl. Jahrhunderls «Ii«' 
Gegend von Laufi'llingeii und Wittnau unsicher machte. 
In grauenerregendem Aufzug ging sie um. gefolgt von 
lärmenden Kameraden, die Sacke zum Eiiisammi'ln der 
Gaben mit sich führten. Aehnlichen Charakter wird wohl 
die .) Hecht- I-Gaiiggcle gehabt haben, die früher in Basel 
auftrat, und «lie « Gret-Srhell ■■ in Zug. Männliche Figuren 
sintl der « Hegel» in Klitignau und der ■< Actli-Ruedi » in 
Zurzai'h. Krslerer wirtl von der ausgelassenen Jugend 
durch die Stadt gehetzt und mit Rüben. Knhlstrünken etc. 
bombardiert. Kr wehrtsich mit einer Peitsche und wirft den 
Einen oder Andern, den ererwischt, in den nächsten Htun- 
nen. Vörden Häusern erbettelt erhaben. Der * Aetti-Ruc- 
di » hatte am Aschermittwoch der Jugend Obst auszuwer- 
fen. Stand ihmungc<l<>rrles < »hst zurVerlugiing. so schüttete 
er es in den llrunnen. und die Jugend musste es. unter 
der Gefahr, von ihm bespritzt oder eingetaucht zu wer- 
den, aus «lein Wasser holen, Anden- Gestallen wurden als 
lebensgrosse Puppen umge führt, so «lie „ Ijinge Gret im 
Lu/erner Hinterland«-, der « helle und dunkle helgotz » im 
Kanton St. Gallen, di-r - Chrvde-Gladi * und «las « Khi - 
in Zürich i letzteres zwei Strohpuppen, die nuT einem 
horizontal liegenden Rade in «Ii«' Stadt gezogen wurden 
und ganz analog der • Hansli .. und das ■ hr.-lli » in Woh- 
leii lAargau*. 

tlrganisi. it.- I'mzugc im Kostüm haben wir teilweise 
schon oben kennen gelernt. Sehr altertümlich ist der 
I iiizng des Greifen. Low. n un«l Wilden Manns, d. h. der 
Wapptlih.illct der drei Kleinbasb i Vorstadt-Gesellschaf- 
ten, am 13. . 20. oder 27. Januar. D<-r Wilde Mann, der 
unter Rollerschüssen und Trommelschlag auf zwei z.u- 
sammeng. ko|>pellen Kalmen den Rhein hinuntergefahren 
kommt, wu.l m.ii dem Greifen und dem Löwen am l'fer 
empfangen uml auf «lie Mitte der Rheinbrücke geleitel, 
wo jedes der drei Klu ena icheii einen nach bestimmten 
Rhythmen g. icgelten Tanz mit Trommelbegleitung anf- 



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fiihrt. Frühe r zogen «Iii' Schildhalter «ler Vorstadtgesell- 
schaften ab«*r auch au Kastnacht um, und es gesellten 
«<-h zu den «Irei genannten Ehrenzeichen noch diejenigen 
der andern Vorstadtgcsellschaften : eine Magd (Gesellschaft 
zur «Magd »), eint- Kräh«", drei Eidgenossen und Wilhelm 
Teil mit dem K nahen (Gesellschaft zum a ltui>f •< K Die 
gegenw-artig; veranstalteten grossen Umzüge der Hasler 
Fastnacht hatten früher einen viel bescheideneren Um- 
fang und wurden meistens nur von Knaben ausgeführt. 
Heute bilden steh sog. o Cliquen « von Erwachsenen oder 
Knaben, die irgend ein Ereignis des vergangenen Jahres 
durch einen •> Zug * darzustellen gedenken. Die Haupt- 
sache dabei aber ist das Trommeln, in dem es ein Zug 
dem andern zuvorzutun sucht. Durch diesen Wettstreit 
ist es gekommen, dass gegenwärtig der Hasler Trommler 
■ n Bezug auf rhythmisches Gefühl und Reichtum an Mar- 
schen unerreicht dasteht. Ein Charakteristikum der heuti- 
gen Basler Fastnacht ist der «Morgenslreich ». da- sind die 
Trommel umzüge am Montag und Mittwoch von V-7 Uhr Mor- 
gens mit grossen bemalten Trausparcntlale rneu. Die Fest- 
legung des Beginns auf 4 I hr datiert jedoch erst seit den 
dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts. InZurich scheinen 
ehedem die Verhältnisse ganz ähnlich gewesen zu »ein, wenn 
auch die Fastnacht jetzt beinahe völlig im uSechseläulen» 
aufgegangen ist. Den Umzügen der Kle inirasier Gesell- 
schaften entsprechen hier der oben genannte Mctzger- 
umzug und ifie ehemaligen l'mzuge mit der Bärenhaut 
und dem Kohlenkorb, von denen von Moos in seinem 
« Calender ■» berichtet: «Anno 1769 ward das an diesem 
Tag übliche Herumführen der Darenhaut oder eine* 
in eine Bärenhaut eingekleideten Menschen, wie auch 
die auf der Schm iedenzunft gewöhnliche nächtliche Pro- 
zession mit «lein Kohlenkorb, welche am llirsmoiilag vor- 
zugehen pflegte, aus guten Gründen alrgekennt. >> Aber 
auch l'mzügc mit Trommeln und Pfeifen wurden in al- 
lerer Zeit öfters erwähnt, und auf der Zürcher Landschaft 
werden kostümierte Umzüge noch jetzt abgehalten. Be- 
rühmt sind die Luzerner l mzüge. Bis 171.'1 bestand dort 
der • l.and.sknechtf numziig « oder • Umgang im Harnisch«, 
ursprünglich jedenfalls eine Wallenschau. Bekannter ist 
der « Fritsehi Umzug ». der am u schmutzigen Donners- 
tag » veranstaltet wird. Er ist heute zu einem prunkvollen, 
aber durchaus uncharakteristischen Umzug kostümierter 
Gruppen geworden, dem eine einheitliche Idee zu Grunde 
liegt u- IL die Jahreszeiten, die Schiller Vlicti Dramen 
u. s. w. I. Seinen Namen hat der Umzug von der Fasl- 
naehtsligur « Fritsehi .. einer den Winter darstellenden 
ausgestopften Puppe. « Fritsehi » ist Abkürzung von 
. Fridolin ». der Personifikation des Fridolinstages iti. 
März), wie etwa » Samichlaus . die Personiiikation des 
St. Niklaustages ist. Gelebt hat dieser « Fritsehi * nie. 
trotzdem dies immer noch in Luzern behauptet wird. 
Faslnachtsu mzüge veranstalteten ferner (und veranstalten 
teilweise noch) der «Grosse. Gewaltige und Unüberwind- 
liche Hat • von Zug und die Knabenzunft in Rappcrswil ; 
ferner Gottlieben mit dem « Gruppen-- und Tägcrwilen 
mit dem • Proppen-Konig ». sowie eine grosse Zahl ande- 
rer Orte mit mehr oder weniger charakteristischen Ge- 
walten. 

Ein interessantes Kampfspiel war ehedem im Entlehnen 
der . Hirsmontags-Stoss oder «-Schwung«, wobei zwei 
gegnerische Reihen von Kämpfern mit verschränkten 
Armen aufeinander prallten und sich gegenseitig zurück- 
zudrängen suchten. 

Ebenda war früher die echt volkstümliche Sitte des 
< Hirsmontagsbriefs <■ gebräuchlich, eine besondere Art 
Irr Volksjustiz., die darin bestand, dass am llir-moiilag 
ein phantastisch aufgeputzter « Hirsmontagsbotc • hoch 
im Boss in einer Gemeinde erschien und ihr ein 
in drolligen Knittelversen abgefaßtes Sündenregister 
vorlas. 

Im Kanton Uri war die « Bärenjagd » Brauch, wobei ein 
den Baren darstellender Bursche vonJägernaufgeseheueht 
und so lange gehetzt wurde, bis er sich ergeben miissle. 
Kine ganz analoge Sitte ist im Überwallis das Jagen des 
i Wilden Mannes ... 

Nicht speziell schweizerisch ist das » Begraben » der 
Fastnacht.fmit «lern wir unsere Sehilderungder Fasliiaehls- 
bräuche »chliessen. Der Tag. an dem diese Zeremonie 
abgehalten wird, ist in katholischen Gegenden int i«t der 



Aschermittwoch, in reformierten der Dienstag oder Milt- 
woch nach Invocavit, der Hergang, mit unwesentlichen 
lokalen Abweichungen, folgender : Eine als « Fastnacht » 
bezeichnete Strohpuppe wird auf eine Bahre gelegt und 
unter jämmerlichem Klagegeheul in langem I.eichenkon- 
dukt vor die Ortschaft hinausgeführt. Dort hält der 
«Pfarrer« eine karrikierte Leichenpredigt, worauf die 
Puppe in eine Grube versenkt wird. In Richlerswil wird 
sie zuerst verbrannt, und dann erst ihre Asche «ergraben. 

Zu den Frühlingsfesten gehört auch das »Sechse- 
läuten •■ in Zürich, dasjeweilen am ersten Montag nach 
Friihlings-Tag- und Nachlgleicbe statllindet und an dem 
zum erstenmal nachdem W inter Abends ti Uhr Feierabend 
geläutet wird. An diesem Tage ziehen am Vormittag weiss- 
gekleidctc Mädchen mit Maibäumchen oder Kränzen, an 
denen Glocklein und ausgeblasene Eier hangen, den Sym- 
bolen des siegenden Sommers, herum. Die Mädchen, die 
sog. « Marcieli ». singen ein Mailied und lassen dabei 
das Gloeklcin erklingen, worauf man ihnen eine Gabe 
in einem Papicrwickcl. den man anzündet, aus den Fen- 
stern zuwirft. Ebenfalls am Vormittag werden von den 
Knaben der verschiedenen Ouarliere den Winter vorstel- 
lende Strohpuppen u ttööggc u »i, in neuerer Zeit nur 
eine, zur Schau durch die Sladt geführt. Die Bürgerschaft 
versammelt sich auf ihren Ziinflslühcii zum Festmahle 
und überlässl sich dort der Fröhlichkeit bis spat. Ks ist 
Uehiing. dass nach angebrochener Nacht die Zünfte ein- 
ander besiicheii, wobei Reden, meist politischen Inhalte«, 
gewechselt werden. Mit dem Schlag Ii Uhr werden die 
Rcisighaufe Ii, in deren Mitte die erwähnten Strohpuppen 
an Stangen aufgepflanzt sind, in Brand gesteckt, ein Mo- 
ment, der sich zum festlichen Stelldichein der sämtlichen 
Zünfte herausgebildet hat. Wenn der « Böögg « nicht oben 
an der Stange zu Ende verbrennt, sondern vorher in s 
Feuer hinunterstürzt, so schliefst man auf nochmalige 
Rückkehr des Winters. In neuerer Zeit, wo die ebenge- 
nannten wesentlichen Zuge des Sechst' läute Iis immer 
mehr zurucktreti'ii. ist ein Beiwerk, die bald ernsten, 
bald karnevalähnlicheii Festzöge, zur Hauptsache gewor- 
den. (Schweizer, liiwltktm!. 

Ein uraltes Frühlingsfest mit stark kirchlichem Gehalt 
ist in Luzern die »Romfahrt* oder der « Musegg e r- 
umgang... Derselbe besteht im Wesentlichen in einer 
Prozession um die Sladt. wobei ander -Musegg», einer 
Anhohe im Norden der Stadt. Halt gemacht und die Ab- 
lassbulle für die drei Festtage verlesen wird. Der Brauch 
geheint demnach seine Entstehung einem BomfahrU- 
gelübdc (infolge einer grossen Feuersbrunst. die fast ganz 
Luzern einäscherte) zu verdanken, das dann in der Folge- 
zeit in eine feierliche Prozession umgewandelt wurde. 
Am Vor- und Nachlag werden allerhand weltliche Vergnü- 
gungen veranstaltet. 

Ebenfalls in die Frühlingszeit fällt das Lichtei- 
schw emmen. das in Winlerihiir am Fastnachtssonu- 
tag. im Kanton Luzern und in Hillen i Kanton Glarusi am 
6. März, im Kanton Schainiauscn am Hl. Marz, in Islikoii 
(Thurgnur um Sonntag Lai tan., im Zürcher Oberland am 
ersten Freilag im April, in Rollerswil (Luzern am Grün- 
donuerstag, in Richensee am Fridoliustag. im Knonauer 
Amt an Mitlfasten ausgeführt wird bezw. winde, •■ Der 
Brauch besieht darin, dass leicht brennbare Stolle illarz, 
Kienspäne. Strohw ische), auch l.ichlslümpfc auf ein Brett 
oder in eine ausgehöhlte Hube gesteckt und brennend 
den Dorfhach hinuntergelassen werden, wobei man 
die Lichter unter Jubel und Gesang begleitet. In 
PfalTikon i Zürich, werden die ausgehöhlten Buhen oder 
alten Pfannen mit den Lichtern dann zuerst auf Stäben 
durch s Dorf getragen und dann in den Bach geworfen. In 
Engslriugeii begehen sichdieSchiilkuaben mit Kien tackeln 
aut die l.iminalbrücke ; vordem Erlöschen Werden dies«* 
in den Fluss geworfen. In Winterlhur. wo der Tag als 
: Festtag galt, setzte man kleine, mit bunten I.ii htchen be- 
steckt«- Schitlchen von Blech in das rinnende Wasser; in 
Hegi i Zürich i macht man Sehithhen aus Schimleln. mit 
Häuschen und Kirchen drauf, in welchen Kerzchen 
breum-n. » 

Kridoliii (Ii. Märzi. Im Kanton Glaru* ist es «lieser 
Tag - Fridolin ist der Landespatron \mi lilarus , an 
dem die Hohenl'euer angezüinl« I werden. Das Feslgebäck 
ist die .. Glai nerpaslcle 



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swin: 



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G r v g<> r ! 12. Mär/i ist Lostag. Besonder* aber war er | 
«•in Tag_ der Schulfcst«'. Im alten Basel wurde der Schüler- ' 
hisrhot gewählt, was zu allerhand Ausschreitungen An- 
las« gab. In Rapperswil fand früher der uralle grausame 
Brauch des Katzentötcns statt, indem man eine Katze 
an eine Schweinshlasc harnt und von einem Turme 
herabwarf. (Nach Lütoll"). 

Maria Ve i k ü n d i g u n g 125. Mar/t. In Lausanne 
ass man am « Juur de la Dame« besoinlen- kleine Kuchen, 
llie Landbevölkerung brachte Kürhissamen mit. in der 
Meinung. «las* das Lauten der grossen Kalhedralglorkc 
urn Mittag denselben Frucht bark.-it bringe. 

Mitt fasten und Laetare. Im Hirseck (Hasel Undi 
und im angrenzenden Solotliurn zieht die Jugend unter 
Absingung eines He isehclii'dcs um und «amm.dl Hier. 
Hutter und Mehl ein. In Läufcllingen wunlc ehi-ile m das 
i Weibelwib «. eine ausgestopfte Puppe, mitgefühlt. 

Am ersten April sucht man überall seine Bekannten 
und Kameraden zu narren und zu tauschen. 

Am Palmsonntag werden in katholisi-hen Gegenden 
«Palmen» (teils mit Aipfcln und allerhand Klitler ver- 
zierte Tannen. !«•»!« Weiden, teils Buchsliaura-, teils Ol- 
baumzweige) in die Kirche gebracht und vom Priester 
geweiht. Nachher erfolgt öfters «-ine Prozession mit den 
»Palmen». Die geweihten «Palmen», im Hause aufbe- 
wahrt, gelten als vorzügliches Schutzmittel gegen Wetter- 
schaden. 

In Pavo* und im Kngndiu schnitten sich die Knaben an 
diesem Tage Weidenruten und steckten dieselben auf 
das Hausdach oder in das Kammerfonsterlein desjenigen i 
Mädchens, das sie am Abend zum Tanze führen wollten. 

Per G ründonnerstag (« hoher Donnerstag »i weist 
keine hervorragenden Volksbrauche auf. In Bapperswil 
lintlet eine Regalii-rung der städtischen Behörden durch 
die KapuziiH-r statt, bei der als Ilaupigericht Schnecken 
aufgetragen werden. Als kirchlicher Hntnch sei erwähnt, 
dass in der Stiftskirche von Heromünster ein«' Fuss- 
waschung und Austeilung des Hrotes vorgenommen wird, 
wobei der u Judas » (ein Chorknabe in rotem Gewände i 
30 bleierne Scheinehen >« Hlanken »i aus einem um den 
Hals gehängten Sä«'kol unter das Volk wirft. Nach dem 
Volksglauben sollen am Grümloiuierslaggelegte Hier lauge 
frisch bleiben und die Aussaat dieses Tages besonders 
gut gedeihen. 

An den Karfreitag knüpft sieh mancherlei Aber- 
glauben. Mit einer Haselrute, am Karfreitag geschnitten, 
kann man seinem Feind weh tun. wenn mau nur auf J 
einen leeren Hock schlagt ( Horgen ) ; am Karfreitag Ge- 
pflanztcs gedeiht i Horgen i; Hier, am Karfreitag gelegt, 
schützen die Scheune vor Schaden 'Kanton Zugi; wenn 
man am Karfreitag das Haus recht ausfegt, ist es vor schlim- 
men Einflüssen geschützt >Tliiugau ; geht man dreimal 
um «las Haus herum, so bekommt es keine Spinnweben 
(Thurgan;; gegen Zahnweh trinkt man am Karfreitag aus 
einem laufendem Wasser i Kanton Herrn; kämmt man 
sich am Karfreitag, so bekommt mau keine Laus.» (Kiri- 
siedeln i ii. a. in. 

Am Ka rsa m s t ag igewöhnlieh stiller Samstag wird 
in Hedano Hessin) vor der Kirchtüre ein Pciicr angezün- 
det und vom Prior gesegnet. An diesem iheiligcii) Feuer 
stecken einige Knaben Zunder au. laufen damit von Haus 
zu Haus und werfen davon ein Stuck auf den Herd. Da- 
für erhalten sie Kier. Nüsse, Hascluusst-, hie und da auch 
etwas Geld. Im Kanton Lti/.eru wurden am Karsamstag 
geschwärzte Hursche als Teufel in <lie Kirche gesperrt, 
wo sie einen Wilsten Lärm verführten. Doch nach drei- 
maligem Umgang des Geistlichen um die Kirche ver- 
stummten sie. die Kirchturen sprangen auf. und dann 
wurde die Auferstehung Christi gefeiert. In der Vallee de 
Hagnes läuft Alles währen«! des ( >si«>rciuläutf ns zu einem 
lliessciulen Wasser, um sieh die Hände zu waschen. Im 
Taminathal wenlen alte Kirchbofskm*uze verbrannt und 
deren Kohlen vom Geistlichen gesegnet, wodurch sie sc- 
genskräftig werden. 

Ostern ist ein uralles Friihlingsfest mit «'in<'r grossen 
Zahl \on volkstümlichen Hraucheu. die freilich, des hohen 
kirchlichen Festtags wegen, oft auf Ostermontag fallen. 
Im allen iVrn faml an diesem Tag«' ein grosser 1'mzug 
der Metzger statt, der ursprünglich jedenfalls eine Kult- 
handlung bedeutet«.'. Damit war eine ■• Ki«'He*«'te ■■. . in 



Sihwingfcsl und ein Reiftanz verbunden. Aehnlich der 
Einzug der Jungmannsrhaft von Rödigen (Kanton Rem), 
der z. H. im Jafire 1820 am Donnerstag nach Ostern in 
Hern abgehalten wurde. Voran ging eine ■ türkische Mu- 
sik », dann folgten ein Bär, Wilhelm Teil mit dem Knaben, 
die alten Kantone, l^indvogt Gcssler mit Gefolge, ein 
Hanswurst, zwanzig Tänzerpaare'mil Reifen, ein von vier- 
zig Jünglingen gezog«'iier Wagi-n mit Weinfass. auf dem 
Bacchus, rht. Auf einem Platze wurde die Geschichte Teils 
und ein Heiflanz aufgeführt. An andern Orten (z. R. Ba- 
sel, Neuenburg) fanden Einzüge mit ilem ■ Osterochsen . 
statt. Ein echt alemannischer OstVrhrauch ist das « Eier- 
laufen, -lesen oder -werfen » (Nord- und OsUchweiz. auch 
in Lausanne), das im Wesentlichen darin besteht, dass 
zwei Parteien (oft Metzger und Müller oder Räeker) ein 
Wettspiel unternehmen, wobei der eine Teil ein«- be- 
stimmt.' Anzahl Hier in eine Wanne legen oder werfen 
muss. während der ander«' «'ine genau vorgeschriebene 
Strecke zu durchlaufen oder zu durchreiten hat. Wer 
sich zuerst seiner Aufgabe entledigt hat. ist Sieger. Der 
Besiegle hat meist die Zeche zu bezahlen oder die Eier 
zu stiften. Kin anderes Eierspiel wird in Mönchallorr i Zü- 
rich) ausg«'übt. Hier werfen am Ostermontag die Mäd- 
chen Kier in die Luft, und die Knaben suchen ihnen die- 
selben beim Aullesen wegzuhascheu. — Wohl allgemein 
ist das Eiertupfen <« Tütschen »i. Gewohnlich glauben 
die Kinder, dass es ein llas«- gewesen, der ihnen die 
buntfarbigen Eier gelegt und nennen daher das mancher- 
orts ausgeführte Verstecken und Suchen der Eier : • den 
Osterhasen suchen «. In Bucheggberg-Kriegstetten, sowie 
in den Kantonen Bern und Luzern machen die Kinder 
zierliche Nester bereit, in die der -Hase • ihnen Eier legen 
soll . Nach «lern Glauben der Luzerner Dorllugend ist es aber 
nicht der Hase, sondern der Kukuk, welcher di<- Eier in 
das Nest b'gt. Die Ostereier bieten Anlas« zu allerhand 
Schenksilten : entweder beschenkt die Schuljugend den 
Pfarrer mit Eiern (Solothuru f oder es ist Sitte, dass 
Mädchen d«'n Knaben, von denen sie das Jahr über Be- 
suche empfangen haben. Ostereier verabreichen, wofür 
sie dann von den Knaben zum nächsten Tanz geführt 
werden (Knonauer Amt), oder «lie auf Ostern konfirmier- 
ten Knabi'H gehen am Ostermontag zu den mit ihnen 
konlirrnierten Mädchen, um die Ostereier einzuziehen, 
und laden sie bei diesem Anlass auf den nächsten Sonntag 
<* weissen Sonntag »> zu einem Tanz und Schmaus ein 
ilhuiggi. Ausser den Kieru wenlen als Feslspeisen ge- 
nannt: Rinds- und Schaf-, auch etwa Zickenfleisch. letz- 
tere- in den Kantonen Appenzell und St. Gallen in Eiern 
gebacken. Eierkuchen mit Most. Käskuchen. Kümmel ko- 
chen. «Fladen», u Kraut knehen » > Kanton Bern) u.a.m. 
— Ostern gibt auch zu allerlei andern Vergnügungen An- 
lass. Man macht zum ersten Mal im Jahr grössere Spazier- 
gänge auf «las l.and < « Oesterh-n. osteren. ema-usen »). 
Kinderfeste wenlen veranstaltet, im Luzerner Gäu zieht 
man in den Wahl und bereitet sich dort das Unsen, und 
im Wehnthal fällt auf dieses Fest das « Tatschschiessen « 
der Knaben. Im alten Luzern wurden auf Ostern grosse 
Schauspiele aufgeführt. Eine alte Kulthandlung, die 
Segnung ih>s Feuers, haben wir schon beim Karsamstag 
kennen gelernt. Dasselbe geschieht bei allen katholischen 
Kirchen nach bestimmter Vorschrift. 

Der «weisse Sonntag' (im Bheinlhal * Schapelier- 
Sonnlag »l ist für «lie Ostern-K<>ntirmanden gewöhnlich 
der Tag ib-r ersten Kommunion. Im Kanton Luzern wer- 
den dieselben mit Küchlein und Krapfen n>ich bewirtet. 
In llu.-kt.'ii beschenken die Mädchen die Rurschen mit 
gefärbten Eiern. 
G eorg i£l. April t ist Termintag und Wettertag. 
Markus (25. April . Si'gnung der Saaten durch ilen 
Geistlichen in den kalholisclu-n Orten. 

Zu den poetischsten Volksfesten unsere» (.andes, den'ii 
V«'i>i'hwinden mau lebhaft bedauern muss. gehören die 
M a i b r ä u c h e. W ir rechnen liieher vor allem das Mai- 
singen «ler Kinder, wie es hesoiuh-rs schon in der franzö- 
sischen Schweiz zum Ausdruck gekommen ist und sich 
auch noch heutzutage stellenweise lindet. Ausserdem be- 
stanil es aber im deutschen T«'il «les Kantons Hern und be- 
steht «'s heute noch im Kanton Tessin. Der Tag ist meist 
der erste Sonntag im Mai. inam'hmal auch «ler 1. Mai. 
In d.'t Hauptsache ist das Maisingen « in Einzug, sei es 



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SCHW 

um Mädchen, sei es von Knaben (oder vun beiden), mit 
grünen Zweigen oder Blurnt'ii. woheidie Ankunn desFruh- 
ünjrN mit einem l.iede i« Maicntsc ») verkündet wird und 
»or den Mausern (lahm erbeten werden. Nicht selten fehl 
dein Zug das Maibrautpaar voraus (« Epoux ou Epouscs de 
Mai »), aucb Maikönig und Maikünigin genannt (ein Paär- 
. hen der huhsehesten Kinderl. die die Fruchtbarkeit des 
kommenden Jahres symbolisieren sollen. Im Kanton 
Neuenbürg (i B. Dombresson) durften die Knaben nur 
singen, wenn die Buchen am ersten Maisonnlag belaubt 
»treu, andernfalls sannen die Mädc hen ; auch hatten im 
(fiteren Kalle die Knaben von Bochcforl das Hecht, die 
Mädchen zu küssen. Besonders reich muss gegen die 
Mitte des 19. Jahrhunderts der Umzug von Fleurier gc 
■eaen »ein. da im Jahr IHM sich nicht weniger als 2ou 
kostümierte Kinder, immer je ein Knabe und ein Mäd- 
chen, daran beteiligten. Dabei durften auch die Narren 
• Kons de Mai ») nicht fehlen. In Grandsoit und in Ar/ier 
Waadti war es nicht ein Brautpaar, welches den Zug an 
führte, sondern eine Konigin <« Reine oder Beinette de 
Mai »I, die auf das zierlichste aufgeputzt und mit einem 
Maiglöckchen- und Immcrgrünkranz gekrönt war. Sehr 
altertümlich scheint der Brauch in Estavayer zu sein, wo 
die Knaben in Wagen mit weissen Blumen umziehen und 
durch eleu Zuruf . l'oulta la bala * die Madchen necken. 
Biese werfen ihnen als Rache gelbe Blumen an mit dem 
Neekruf « Hovinrons». fielbe lllumenkränze werden auch 
- offenbar ».um Spotte für die Knaben — hoch oben an 
den Häusern angebracht, und die Knaben suchen sie mit 
allen Mitteln zu entfernen. Mancherorts (Waadt, Solo- 
thurn. Zürich. Tessin) lichtet man Maibäume auf. ge- 
wöhnlich bunt geschmückte Tannen, oder mau schmückte 
die Brunnen mit Grün | früher in Basel Land; in der Neu- 
zeit noch in den Kantonen Neuenbürg und Schaffhauscn). 
!»as • Maiensterkeu ». d. h. das Aufstellen eines bunt ge- 
schmückten Däumchens am Hause, in der Nachtauf den 
1. Mai. ist heule noch teilweise eine Ehrenbezeugung für 
unbescholtene Mädchen, während umgekehrt als Schan- 
denhejeugung ein Strohwisch oder Strohmann angebracht 
wird, ('eher die « Chatcaux d'Amour », einen alten und 
letzt abgegangenen Maibrauch der franzosischen Schwei/., 
und wir nur ungenügend unterrichtet. Sie scheinen eine 
Fortsetzung jener mittelalterlichen Liebesspiele gewesen 
zu »ein. die in der fingierten Belagerung und schliesslichen 
Eroberung einer von Jungfrauen durch Blumenwerfen 
verteidigten Hurg bestanden haben. In Sargans und Um- 
gebung wird der Mai < eingeläutet » und währenddem 
tiebete um ein gesegnetes Jahr gesprochen. Die gleiche 
Grundbedeutung hat es. wenn im flirseck (Basel I .u il 
der Bannumziig auf diesen Tag liel. Anderweitige Ver- 
gnügungen aller Art knüpfen sichan den I. Mai. InNeiuluz 
zog die Jugend an einen bestimmten Ort und erging sich 
in einem eigenartigen Ballspiel : « Isarat ». Die Churcr 
Jugend beging an diesem Tage früher ein grosses Jugend- 
fest, wahrend man jetzt dort Spaziergänge auf die Maien- 
üsse unternimmt. Hübsch ist auch die Sitte der I*uschla- 
ier Schuljugend, die in ihrer Gesamtheit nach Selva, einer 
weithinblickenden Berghöhe, zieht, in der dortigen Ka- 
pelle einen Gottesdienst verrichtet und hernach im Freien 
eine l'olenta bereitet, die gemeinsam mit dem Lehrer 
verzehrt wird. « Zum Schlus.se fallen die Knaben im Walde 
eine Lärche. An ihrer Krone wird der leere Mehlsack auf- 
geknüpft, Sträussc von Alpen hl u umhüllen ihn. Nun 
zieht mau in s Dorf, um vor dem Schulhause den Maibaum 
aufzupflanzen. » Der Mai ist reich au Kalender- und Weller- 
regeln, die w ir liier nicht aufzählen wollen. Als besonders 
heilkräftig gilt das am I. Mai geschöpfte Wasser (Basel 
Land, wie auch der Tau; letzterer wird namentlich gegen 
Sommersprossen verwende! (Kanton Bern!. Dass Aemlcr- 
besetzungen, l^ndsgemeinden. (Gemeindeversammlungen 
und Gerichte (besonders in Zürich, Glarus) von allers her 
gern auf den Mai verlegt wurden, sei nur beiläufig erwähnt. 

Die 'Lateiner»: Pankratius (DJ. Mai). Serval i u s 
ii'-i. Mai) und Bonifatius (14. Mail sind im Volke wegen 
des häufig eintretenden Temperatursturzes als « Eis- 
heilige • gefürchtet. 

Am Urbanstag (25. Mai; wurde im Sarganserland das 
Bild des h. Urban (des Weinheiligen i in den Brunnen 
getaucht, um ein gutes Weinjahr zu erzielen. Ebenso 
wurde in Basel die Bildsaule l rhans auf einem Brunnen 



SCHW 45 

«festlich gekleidet, mit Blumen geschmückt, und ihr in 
jede Hand ein Glas roten und weissen Weines gegeben ; am 
Festmahle Abends wurde dem Heiligen das Wachstum für 
das lauri nde Jahr empfohlen » (nach Schweizerbote 1819). 

An Himmel fahrt (« Unart») werden besonders gern 
Ausflüge auT benachbarte Hohen unternommen, um »h u 
Sonnenaufgang zu betrachten, so gehen oder gingen die 
Stadtzürcher auf den Uctliberg, die Schinznacher auf die 
Gislilluh. die Hertier aur den Bantiger, die Maienfelder auf 
die I.uziensleig. Dass Fliirumritte mit Vorliebe auf diesen 
Tag verleg! werden i l.uzern. Basel Landi. haben wir schon 
oben gesehen. - Im Thurgatl fiel das u Kicrlesen » aul 
Himmelfahrt. - Von kirchlichen Bräuchen erwähnen wir 
das Aufziehen eines Christushildes an die Kirchendecke 
in Freiburg, l.uzern. Zug und Schwyz, wobei man glaubte, 
dass von derjenigen Himmelsgegend, gegen welche das Bild 
sich kehre, die Gewitier des Jahres kommen würden 
(Schwyz). In Saas (Präligaul erscheinen die jungen Mäd- 
chen mit Blunu nkroiien bekränz! indei Kirche. Feslspeisen 
sind: geschwungener Bahtu i Zürcher Oberland), Butter- 
schnitten (• Ankebock « Berner Miltelland. «Ankebrut» 
Kt. Zürich). Von Aberglauben erwähnen wir die Vorstel- 
1 hing im Kanton Luzern, an Himmelfahrt kehre die seit 
Ostern geslorle Ordnung in die Natur zurück, nachdem in 
i der Zwischen/eil ilie kleinen Buben den Himmel legiert 
I hätten. Du Thiirgau gelten die an Himmelfahrt gelegten 
: Eier als gehutzkräftig gegen Donnerwetter und Ilagel- 
schlag. Acht Tage nach Himmelfahrt wird in Huckten 
die « Nach-Uffer! » gefeiert, bestehend in einem Tanz im 
Wirtshaus mit Geschenken der Bursche an die Mädchen, 
die ihnen an " Nachoslern » Eier geschenkt halten. 

Achnlirh sind die Volkshräuchc an Pfingsten. Auch 
hier werden Ausllüge auf Berge unternommen (inStäfa 
auf den Lattenberg, in Grauiiiinden Maiensässpartien >. 
Im Unter Eugadin zieht die erwachsene Jugend zum Tanz 
auf die Wiesen hinaus. Kitern und Palen beschenken 
die Kinder mit Eiern • Kanton Sehafthausen ); früher er- 
hielt jeder Schaflhauser Bürger und jede Witwe an 
Pfingsten eine Mass Wein und ein Pfund Brot; im Zürcher 
Oberland verabreichen die Bauern den Armen die * Plingst - 
Milch», im Glauben, dadurch im Jahr reicheren Milch- 
erl rag zu Italien. «In Schlatt (Thurgaul hacken die jun- 
gen Mädchen Kuchen und besuchen einander. ■> In der 
Plingst nach! malen ledige Bursche der Sl. Galler Gemein- 
den Büti und Oberriel an die Häuser sog. « Ptingslmannli» 
und zwar in Hütt solchen Mädchen, die keinen Schatz 
Italien, in Oberriel dagegen solchen, die einen haben. 
Interessant ist der Plingstumzug mit dem «Plingstlümmcl« 
' im Frickthal und mittlem « Plingsthlulter » im Hirseck. 
• Einige Knaben gehen in den Wahl ; einer von ihnen 
wird ganz mit dichtbelaubten Zweigen bekleidet; dann 
setzt mau ihn auf ein Pferd, gibt ihm einen grünen Zweig 
in die Hand und führt ihn so in s Dorf. Beim Dorfbrunnen 
' wird der « Pfcistlümmcl « heruntergenommen und in den 
I Trog getaucht, wofür ihm das Becht zustellt, Jedermann 
zu bespritzen» iFrirkthali. Ganz analog im Birseek. 
Entsprechend der kirchlichen Feier an Himmelfahrt, 
wurde in Freibttrg an Billigsten eine hölzerne Taube vom 
Chore niedergelassen: an einigen Orten des Kantons l.u- 
zern liess man auch eine lebende Taube herabfliegen. 
— Aberglauben: « Gundelrebe, die an Plingslen während 
der Predigt gepflückt worden, ist gegen alle Krankheiten 
gut» (Siinmenthal). Speisen: Biillcrschnitlen, «Anke- 
Brut ». (Zürcher Oberland). 

Fronleichnam «zweiter Donnerstag nach Pfingsten! 
ist ein vorwiegend kirchliches Fest. Crosse Prozessionen 
Anden an diesem Tage stall, denen zu Ehren die Strassen 
bekränzt werden. 

Medardtis |H. Juni) ist einer der wichtigsten Lostage, 
namentlich in Bezug auf die Heuernte. 

10.(11)0 Biller (22. Juni) wird als Unglückslag ange- 
sehen. Wer an diesem Tage mäht, richtet sein Gras zu 
> Grunde i Gussau). 

Johannes derTänfer (24. Jutiii ist vor allein Ter- 
minlag ftir Aciiilerbeslellungen, Abgaben u.dgl.; aber 
auch als Mittsommer bedeutender Lostag und mit aber- 
gläubischen Vorstellungen enge verknüpft. Gewisse 
Kräuter w eitlen erst dadurch zauherkräflig, dass sie an 
Johannis geholt werden. Bader in der Johannisnacht sind 
besonders heilsam i Kanton Luzern) ; anderseits warnt 



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man vor dem Baden, ilu die Johannisnacht ihr Opfer for- 
dere. Aus .J. iii gleichen Grunde «»11 man an diesem Tage 
nicht auf «Ii«» Kirschbäume steigen, da man leicht zu 
Tode fallen kann. In Fuldcra hat die dorfjugend am Jo- 
hannisahend das Hecht, sämtliche Ziegen zu melken und 
über die Milch zu verfügen. Wenn der Gcisshirt mit dem 
Horn seine Ankunft verkündet, eilen Knaben und Mäd- 
chen ihm vor du* Dorf hinan* entgegen, gehen mit ihren 
Kiiiici n von Ziege zu Ziege und melken sie aus. Aus 
dem Erlös der verkauften Milch wird abends ein Tanzver- 
gnügen veranstaltet (nach Herzog). Auf den Alpen Hohl 
und Acllgäti (Kanton Bern) wird der Milchertrag vom 
4. Juli (Johannistag alten Stils» für die Armen verarbeitet. 

Peter und Pau I (21». Juni) ist mancherorts ein Zau- 
ber-- und l'nglürkslag. 

JaoiiliUK der A eitere (25. Juli) ist der Tag der 
Aelplcrkirchvveih auf dem Stoss und auf der Berra |Frei- 
hurg). Im Kanton Bern sollen die Sennen brennende, 
mit Werg umwickelte und in Pech getränkte Pfeile und 
Speere über die Felswände herablliegeii lassen, i Nach 
J. J. Friekarl.) Früher wurden im Kanton Hern an diesem 
Abend Höhenfeuer angezündet. 

Lorenz (10. August). Wer an Lorenzen in der Erde 
grabt, findet Kohlen (Glarus, I.uzern. Zollikon bei Zürich, 
istein a. Hhein), 

M a r iae II i m mel fa hr t (15. August) ist in allen ka- 
tholischen (iegenden ein hoher kirchlicher Festtag (»Mut- 
tergoltesfcst »). Im Aurgau (icf ehedem auf rliesen Tag 
die Weihe der Kräuter, mit denen man sich vor Gespens- 
tern, Zauber und Blitzstrahl schützt. 

Bartholomäus (24. August) ist grosser Lostag. Am 
Bartholomaus-Sonntag wird der Alpertrag des Flumser- 
herges iSt. Gallen i. der AlpAi jWaarlt] und der Alpen von 
('•steig (bei Saunen) an «lie Armen verteilt. Auf denselben 
Tag lindet die Käseabgabe der Kifischthaler Sennen an 
den Plärrer von Vissoye statt (nach Herzog i. 

Auf Ende August fällt der Aarauer »Bachlischet ». Um 
diese Zeil» wird der Stadlbach behufs Beinigung abgeleitet, 
und die darin befindliehen Fische dürfen von der Schul- 
jugend gefangen werden. Wenn der Bach Abends wieder 
in sein altes Bette geleitet wird, holen ihn die Kinder mit 
Kürbislalernen. grünen Zweigen und Fackeln unter 
Trommel- und Musikbegleitung und Absingung des Bach- 
lischel-l.ii-des in Suhran. 

Verena (I. September). Im Surblhal (Aargau) lassen 
die Müller die Mühlsteine schärfen und die Mühlbäche 
putzen ; denn die Heilige war nach der Legende auf einem 
Mühlstein die Aare hinuntergefahren. Am Verenatag 
wurden in der alten Grafschaft Baden die Kinder festlich 
frisch gekleidet, ihnen besonders die Kopfe gewaschen 
und die Haare schon gekämmt. 

M i chaelis (29. September) ist bedeutender Los- und 
Termintag. Im Kanton Schwyz ist der Ii. Michael, ähnlich 
wie andernorts St. Niklans oder das Weihnachtskind, 
Gabenspender. Während der Vesper fliegt der Erzengel 
in den Harrsern umher, um die in der Kirche weilenden 
Kinder zrr beschenken. In Beromnnster wurde an diesem 
Tage ein grossartiges Stiftung*- nnrl Kirchweihfest ver- 
anstaltet, an dem eine besonder«? Münze (»Michaelspfen- 
nig»i geschlagen und ein besonderes Brot («Michaels- 
brodli ») verteilt wurde. 

Am dionvsiustage itt. Oktober) « gingen im Ormonts- 
thal die gelieimen Polizeiwächter vermummt und von 
ländlicher Musik begleitet von Tür zu Tür, boten den 
Männern possenhafte Grüsse. den Mädchen Thymian- 
slräiisse und einen hübscheren dem Pfarrer an, und legten 
dann bei einem fröhlichen Schmause ihr Amt in die 
Hände der neuen Flurschützen (« Mcsselicrs ») nieder. » 
(Nach Herzog,. 

Ilas Hos e n k ran z fest fällt auf den ersten Sonntag 
im Oktober und ist ein Festtag ausschliesslich kirchlichen 
Charakters in der katholischen Schweiz. 

Gallus (16. Oktober» ist wichtiger landwirtschaftlicher 
Termintag. 

Am Lukas tag 1 18. Oktober) werden in Itasei die be- 
dürftigen Schuler. angeblich in Erinnerung an das Erd- 
beben vom Lukastag 1356. mit Tuch zu Kleidern (. Schü- 
lertuch »i beschenkt. 

An Crispin! (2."». Oktober i wurden in Cliur auf den 
Zunflsttiben grosse Schmauscrcien abgehalten; in Winter- 



Ibur veranstalteten die Schuster einen militärischen 
Umzug. 

A I l< Heiligen (1. November) und Allerseelen 
(2. November i weisen ausschliesslich kirchliche Fesl- 
bräuche auf. 

Bedeutungsvoll sind dagegen die F ron fa st e n ze i t en. 
namentlich im Aberglauben, dieselben fallen jeweilen 
auf Mittwoch. Freitag. Samstag nach Aschermittwoch. 
Pfingsten. Kreu/eserbohung ( I i. September) und Lucia 
(13. de/ember). Am Vorabend vor Fronfasten muss auf- 
gesponru-n sein (Kt. Schwyz); Fronfastenkinder sehen 
Gespenster oder können weissagen lallgemein) ; an Fron- 
fasten darf man nicht « zopflen » i Zopfe flechten), sonst 

Jteht Einem das Haar aus (Neerach) ; wenn man an Fron- 
ästen und den beiden folgenden Tagen das Obst abliest, 
so tragen die Bäume mehrere Jahre nicht mehr (aargau- 
isches Siggenthal i. l.'tn die Zeit der dezetnberfronfasten 
geht ein Gespenst um : die Frau Faste ... auch « Frau- 
faste-W ibh ■• oder «-Müefei Ii » genannt. Auch fahren die 
Hexen in den Fronfasten • Nachten zum Hexensabbat 
(Heiden itrr Appenzell I, 

Gebräuche und[Feste. deren Dalum je nachdem Ort ein 
verschiedene* ist. sind die Kirch weihen und die 
Märkte, die Kirchweih I meist 'Kilbi«, in Freiburg 
«Benichon », im katholischenGenf «Vogue» ) war ursprüng- 
lich, wie das Wort besagt, das Weihefest einer neuerrich- 
teten Kirche und gleichzeitig oft Patronatsfest. Da aber bei 
diescrGelcgenhe it immer viel Landvolk zusammenströmte, 
entwickelten sich daraus schon im Ausgang des Mittelalters 
eigentliche Volksfeste, die schliesslich mit der Kirche in 
keiner Berührung mehr standen, die gewöhnliche Kirch- 
weih nimmt in der ganzen Schweiz so ziemlich denselben 
Verlauf wie im übrigen Europa. Itaneben gibt es aber 
auch mancherlei besondere Kirchweihsitten, die gegen- 
seitigen Itcsuche ganzer Orte haben wir bei Anlass der 
Fastnacht schon berührt ; ebenso sind die « Feckerkilbe » 
von Gersau und die u Aelplerkilbenen » bereits erwähnt 
worden. «In Klein-Solothurn wird die Vorstädtler-Kilbi 
von den Hausbesitzern am Margaretentage gefeiert und 
mit der Erinnerung an die Schlacht bei Dörnach ver- 
knüpft, wornach die waffenfähige Mannschaft eben von 
der Kirchweih zum Entsatz von dornach abberufen wor- 
den sei und nach der Huckkehr die Lustbarkeit fortgesetzt 
habe. Nach dem Gottesdienst versammeln sich Männer 
und Frauen im Gasthof zum Festmahl, dort wird der 
Kilbe-Tanz versteigert, der Meistbieter erhält das Hecht 
und die Pflicht, denselben zu eröffnen, mit seiner Tänze- 
rin allein, mitten auf der Aarebrücke. Berusste Knaben 
kreisen um die Gruppe, um ihr im Gedränge Luft zu 
marlu-n. Vom Festmahl werden Nüsse und Backwerk für 
die Jugend massenhaft auf die Gasse geworfen. » iL. Tob- 
lerf. Besonders reich an originellen Kilbenen ist der Kan- 
ton Graubünden. Hier haben wir die » Knödel-Kilbi » in 
Sagens (il «litgun» «ie Sagoigni. deren Name von der 
Sitle herrührt, das« die Knaben sich «angeblich zur Ver- 
herrlichung des Sagenser Wappens, eine« Kolbens, den 
man w ilzig den grossen Knödel nannte, durch die Mäd- 
chen einen Hiesenknödel bereiten Hessen und denselben 
bei Wein und witzigen Heden verspeisten. • Merkwürdig 
ist die •• Käsfastnacht » (scheiver de caschiel) in Lumbrein 
an Sonntag Invocavit. Es wird eine Prozession abgehal- 
ten, an welcher drei als Nonnen v erkleidete Mädchen (« die 
drei Marien ») voranschreiten. Als Kopfputz tragen sie 
den o Stttorz ». ein Zeichen der Trauer, zwei davon auch 
Totenköpfe in den Händen, während die mittlere als 
«schmerzhafte Muttern sieben Schwerter auf der Brust 
hat. In der Mitte der Prozession wandelt ein Knabe in 
weitem schwarzen Gewände, ein schwarzes Kreuz tra- 
gend. Er hci.sst < nelli » (Lamm) und soll Christus als 
Opferlamm darstellen. Von weiteren Graubündner Kirch- 
weihen seien nur kurz angeführt: der • Honigsonntag» 
von Vals. die « Knöpfli-Kilhi » diomengia da bizocals) von 
Lenz, die «Ziger-« und « Krdäpfel-Kilbenen » im Schan- 
ligg. die * Kraut-Kilbi • in Haldenstein u.a. m. E* scheint, 
dass in diesem Kanton das Wort «Kilbi» oft ganz allge- 
mein für « Volksfest . gebraucht wird. 

die Märkte und Messen geben zu keiner eingehen- 
den Erörterung Anlass. da sie sich, unwesentliche lokale 
Abweichungen abgerechnet, fast überall gleich abspielen. 
Berühmt war ehedem die Zurzacher Messe. 



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SCHW 

Literatur. Eine zusammenfassende Darstellung der 
schweizerischen Volkshräuche existiert noch nicht. An- 
fänge hiczu «ind gemacht in der Serie Gemähte der 
Schweiz i Kantone Aargau 1844, Appenzell 1835, Rase] 1841. 
Kivihuiy 1834. Glarus 1846. Grauhunden 1838. Luzern 1858. 
S.hartliausen 1840. Schwvz 1835, Solothnrn 183*1. Tessin 
IS35. Thurgau 1837. I'nterwalden 183C, tri 1834. Waadt 
1847. Zürich 1844): ferner von K. Osenhrüggen in seinen 
Büchern : Kulturhistorische Bilder ausder Schweiz ( Leip- 
iig1863 l , Seite Kulturhistorische Htlder uns der Schweiz 
i Leipzig 1864). Wanderstudien aus der Schweiz (Schatt'- 
hausen u. Basel 1867-81). — W.Senn: Charakterbilder 
schircizeriseften Lande», Letten» und Streiten». Glarus 
1870 71 . — II. A. Berlepsch: Schweizerkunde. 2. Aufl. 
Hiaunsehweif; 1875. — Ii. Herzog: Schweizerische Volks- 
Jcste, Sitten und Gebräuche. Aarau 1884. — X. Fischer : 
l rsprung, HVaen, Werth und spätere Eni 'wicklung der 
alten schweizerischen Volksfeste (in der Schweizer. Zcit- 
%<hrift f. Gemeinnützigkeit. 23,1884). — Ludw. Tobler : 
Aitschweizerisvhe C.t meiudefcste (1894) und IHe Mord- 
HÜchtc nntl ihre Gedenktage (1883) (in Ludwig Tobler: 
kleine Schriften zur Volks- und Sprachkunde ; her- 
ausgegeben von J.Baechtold und A. l/achmann. Franen- 
feld 1807 1. 

Hie Hauptquellen für unsere Darstellung waren natür- 
lich das • Schweizerische Idiotikon » und das « Schwei- 
: frische Archic für Volkskunde «. 

Von Monographien über die Volksbräuche einzelner 
Kantone wusate ich nur zu nennen : M. A. Feierabend : 
t 'elter Vnlksfexle und Volksspiele im Kanton f.uzern (in 
den Verhnuttlungen der Gesellschaft für Vaterländische 
Kultur. 1843. S.85IT. f. — G. Leonhard) : Rhu tische Sitten 
und Cehriinche . St. Gallen 1844. — Manches auch in 
A. Lütülf : Sagen, Brauche, Legenilen au» deti fünf t trten . 
Lu»ern 1862. — J. A. v. Sprecher: Geschichte der Re- 
publik der drei Bünde. Band II. Chur 1875. — Anna 
lthen : Volkstümliches aus dein Kauion /'ig lim Schweiz. 
Archiv für Volkskunde. I). — J.C.Muuth: Sachrichten 
itlter hümlnerische Volksfeste Unit Bräuche, [ib. II). — 
K. Bus» : Hie religiösen und weltlichen Festgebräurhe im 
Kanton (ilartt*. iib- IV)). — G. Baumherger: St. Galler 
Land — >/. Galler Volk Einsiedeln 1903. - Mario*" : Ije 
gerne des Ahtes ralaisannes. Neuchatel 1893. 
d An den Schluss dieses Abschnittes haben wirdie Spiele 
gestellt. Auf eine Beschreibung der einzelnen Spiele 
korinen wir uns hier nicht einlassen; namentlich müssen 
uir uns die Behandlung des so vielgestaltigen Kindci'spicis 
vorsagen und uns begnügen, au? die Werke von E. L. 
Hothholz: Alemannisches Kinderlieil und Kinderspiel 
»us der Schweiz (Leipzig 1857 > und G. Züricher: Kinder- 
lied und Kitulerspiel im Kanton Bern (Zürich 11102) hin- 
gewiesen zu haben. 

Von Spielen Erwachsener ist speziell schweizerisch 
da* Schwingen, das früher nur gelegentlich ausgeübt 
wurde, heut«- aber sich zu einem bestimmt geregelten Hing- 
kampf ausgebildet hat; ferner das Steinstossen. das in 
dem Weit w Uli eines schweren Steins besteht; das Plat- 
lensrhiessen ist das Werfen einer Steinplatte nach einem 
Ziele. Nahe verwandt sind das Matxeschlagrii und das 
Burnussen, beides kricket-artige Kugelspiele. Von Kugel- 
roll-Spielen nennen wir das u Kugelitrülcn » (Weitvvurf) 
und nanieiillieb das bei den Tcssinern so beliebte Boccia- 
-picl (ZielwuiTi, wahrend «las Muttelen » eine Art Bou- 
lette darstellt. Ein hei Sermcnkilhencn nicht selten aus- 
geübtes und eine grosse Geschicklichkeit erforderndes 
Spiel ist das Fahnenschwingen, dessen Hauptkunst darin 
besteht, da** eine an kurzer Stange befestigte Fahne in 
rascher Bewegung nach den verschiedensten Hichtungen 
um den Körper geschwungen wird, ohne dass das Tuch 
aus seiner *t raffen Haltung kommt. Ein berühmtes Fin- 
gerspiel der Tessiner ist iias Morraspiel, das aber wohl, 
(wie auch das Boccia) italienischer Herkunft ist. Die allen 
Kartenspiele haben heutzutage fast überall dem «Jas«*, 
einem holländischen Spiele, weichen müssen, und in 
nicht langer Zeit wird vielleicht der «Skat • dessen Stelle 
einnehmen. Aeltere Kartenspiele der Schweiz sind das 
• Kaisereil ». * Hinoggel », «(.nid oder Cngrad ». » I'nn- 
dur», . Trocl» » i Taruck), «Trenten», »Beet». »Proper». 
-Hops p. .Neun-Hops ». » Fifeli-Möt Ii ».« Bants ...Schwarz- 
peler ». Kl€>pfpeler., « Mariage». - Erslleii». « Schnipp- 



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schnapp schnurr«, - Srhiiappöppcrlen » . » Schuahix *. 
« Pill'-pall'-piiir». « Tapen », ■< Halaille », »senl», apia- 
drettc >•. .i manille ». « Iresette • (ital.) u. a. m. 

Zu den Spielen bezw. Volksbelustigungen der Erwaeh- 

| senen kann auch gerechnet werden der «Käszännet» 
(Grimassenschneidern, >• Kässtechcl « {mit verbundenen 
Augen einen Käse trcflcn i, « Sarkgtunpet » i Welthüpfen 
in Säcken'. Gränncl, Gansekopfet, Weggli-Efutet usw. 

e) Von altern Tanzen nennen wir. ohne dieselben im 
einzelnen zu beschreiben : » Gaue rlen ». « Alh'inander » 
oder « Allewander ». » Deutsch ». « Hopser *. .< Langaus », 
<■ Dreher«. .. Muolathaler ». » Drei-Allein •, « Selbander ». 
» Ländler ». « Altniättler ». « Vögeli-Sehottisch », « Schick- 
tanz «, " Balbierertanz <>. » Ilaiiplsa'er-Jaiiehzer «. » Gari- 

| baldi ». «i Bond «. * (iretilelte », « Gri'batanue «. u Fribour- 

| geoise », u Longue », »Ajoulotte», « Mouferine », u. a. m. 
-J. Volksdichtung : Sagen, Märchen, Schwanke, Legen- 
den. Volkslieder. 

An eine Wiedergabe auch nur der allerinteressantesten 
und schönsten Sagen und Lieder des Sehweizervolkes 
kann an diesem Orte nicht gedacht werden. Wir müssen 

| uns hier mit einer Zusammenstellung der wichtigsten Lit- 
teratur begnügen. Weilaus am zahlreichsten sind die 
Sagensammlungen, während die Märchen. Volks-Legen- 

t den und Schwanke — wohl wegen ihres weniger häutigen 
Vorkommens — nicht dieselbe Beachtung gefunden na- 
hen. Auch auf dem Gebiete des Volksliedes ist noch viel 

i zu wenig geschehen. Besonders fehlt es an Melodienauf- 

' Zeichnungen. Die Sammlungen von Bossat. Alfred Tobler 
und Gassinann sind darin vorbildlich geworden, und es 
ist Aussicht vorhanden, dass in nächster Zeit viel Ver- 
säumtes nachgeholt werden wird. 

al Sagen. De u t sehe Sc h w e i z i in al 1 ge me i nen : 
J. B. Wyss : ldijlleu, Volkssagen, Legenden und Erzäh- 
lungen aus der Schireiz. Bern 1815. — J. A Henne von 
Sargans: Lieder und Sagen aus der Schweiz. Basel 1827. 
( Ith Schwrizei'-Sagen'. Basel 1842. — B. Müller: Bilder 
und Sagen aus dtsr Schweiz. Glarus 1842. — J. J. Beit- 
hardt : Geschichten und Sagen aus der Schireiz. Frank- 
furt a. M. 1853. — C. Kohlrusch : Schweizer. Sagenbuch. 
Leipzig 1854. — E. L- Hochholz : Xaturnnjthen : neue 
Schwetzersagen. Leipzig 1862. — H.Herzog: Schu<eizer- 
xagen ; erste Sammlung. 1. Aufl. Aarau 18<0, 2. Aufl. Aa- 
raii 1887; /weite' Sam'mlung. Aarau 1882. — A.Frey: 
Schweizersagen. Leipzig 1881 . 

Franzosische Schweiz: (Dulex-Ansermoz) : Tradi- 
tionsei legendes de la Suisse nmiande. Lausanne 1872.— 
Einzelne Kantone. Aargau: E. L. Rochholz: 
Schweizersagen aus dem Aargau. Aarau 1856. — Appen- 
zell : J. B. Dähler : Volkssagen aus Appenzell 1. B. Teu- 
fen 1854. — Basel: J.G. Lenggenhager : Volkssagen aus 
dem Kanton Baselland. Basel 1874. — Bern: A.Jahn: 
Emmenthaler Altertümer und Sagen. Bern 1865. — 
J. E. Rothenbach: Volkstümliches aus deni Kanton 
Bern. Zürich 1876. - D. Gempeler: Sagen und Sagen- 
geschichten aus dem Stmmenthal. Thun 1883. — 
A. Daueourt: Legendes jurassiennes. Porren truy 1897. — 
Frei bürg: F. Kuehlin; Aljtenblumen und Volks- 
sagen aus dem Greierzerlande. Sursee 1834. — J. Ge- 
nouil : Legendes (ribourgcnixes. Fribourg 1802. — 
Grau b ü'n den: Bandliü : Bhätische Volkssagen aus 
dem Vnlerengadin. 1835. — A.v. Flugi: \ olkssagen 
aus Graulntudcn. Chur und Leipzig 1813. - II. Senn: 
Bündnerische Volkssagen. 1854. — l>. .lecklin: Volks- 

■ tümliches aus Graubünden. Zürich 1874 und Chur 1S76. 
1878. - G. Luck: Rätische Alpensngen. Davos 1902. — 
C. Decurtins: Rätoromanische t.hrestomuthie. 11.142-160. 

- Luzern s. l'rschweiz. — Sl. Gallen: J. Kuoni : 
Sagen <les Kantons St. Gallen. St. (.allen 1903. — 

— Sc h w y z s. I'rschweiz. — Solothnrn: F.J.Schild: 
//V Giftssütti us 'e»u Lehrrherg. IL Band: Gefliehte und 
Sagen. 2. Aufl. fitirgdorf 1881. — Ursrhwciz nebst Zug 
und Luzern: A. Liitolf: Sagen, Bräuche, Legetiden aus 
den fünf Orlen. Luzern 1865. — Waadt: A. Ceresole; 
Legendes ties Alpes vaudoises. Lausanne 1885. — Wal- 
lis: (M. Tscheinen und P. J. Huppen i : Walliser Sagen. 
Sitten 1872. — L. Courthion : Yeillees des Mauens. 
GentKe il897|. — Zug siehe Urschwei/.. ; sowie Wikart : 
Zugerischer Sagenkreis i'/uger Seujahrsblalter 1882 bis 
18891. — Zürich; B. Baur: Volkssagen aus der Vmge- 



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i8 



SCIIVV 



scuw 



hung des l'etlihergs. Zürich 1843. - (L Meyer von Kno- 
nau : Zürcherische. Valkssaqen. Zürich 1853. 

Kit- bis 18!») in den periodischen Publikationen erschie- 
nene Literatur ist verzeichnet bei J. L. Brandstetter. 
lte fl ertnrium. . .Hasel 1892 (S.278IL), bis 1900 fortgeführt 
von llan» Harth lib. 1906), wozu als Hauptqucllc noch das 
»Schwei;. Archiv für Volkskunde » kommt. Ebenau lin- 
den sich nieist Sagerisammlungcn in der Publikation»» 
serie « Gemälde der Schweiz *. 

b) Märchen: S. Liechti : Zm'df Schweizer-Märchen. 
I'rauenfeld 1865. — 0. Suterineister : Kinder- und Haus- 
märchen aus der Schweiz. Aarau IHK). — C.Derurtins : .W<ir- 
< heu aus dem Hundner Oherlande. Chur 1874. - C. Derur- 
tins. in: Uohmer: Itontanische Studien. II. 99-105. — C. 
Hecurtins: Haln-nmiun. Chrestomathie. II 1-128. - C. 
Hundi : Kngadmer Märchen. 2 Hände. Zürich o. J. iPolv- 
graph. Institut). — S. Singer: Schweizer Märchen; An- 
fang einen Kommmtars zu der reii'.ffentlichlen Schweizer 
Märchenliteratur. Hern 1903 und 1900. - Auch manche 
der obigen Sagensamiulungen enthalten Märchen. 
c| Volk s-Legend <• ri sind ebenfalls in einzelnen Sagen- 
sammlungcn zu linden. Ausserdem vergleiche man K. F. 
(Jelpke: Die christliche Sagengeschichte der Schultz. 
Hern 1862. 

d ) Schwanke namentlich in den Sammlungen von Jeck- 
lin und Herzog. 

ei Volkslieder: Kur die deutsche Schweiz siehe 
namentlich die reiche Hihliographie von John Meier im 
Grundriss der germanischen Philologie, hrsg. von Her- 
mann Paul. 2. Hand, 1. Abteilung ; (Strasburg 1893; Seile 
768 IL I. Hazu kommen noch (1. Züricher: Kinderlied 
und Kinderstiirl im Kanton Bern. Zürich 1902. — A. 
Tohlcr: Das Volkslieil im Aigtrnzellerhinde. Zürich 1903. 
— A. L. tlassmann: Das Volkslied im Luzerner Wigger- 
thal und Hinterland. {Schriften der schweizer . Geselisch. 
f. Volkskunde. Hd. IV). - M. E. Marnage und J. Meier: 

Valkslieiler inis dem Kunton Hern, im »Schweiz. Archiv 
für Volkskunde' (Bd. V, S. I 11.1. Dies,. Zeitschrift enthalt 
auch manche kleinere Sammlungen, sowie einzelne Lie- 
der. — P. Fink : Kinder- und Volkslieder, J leinte und 
Spruche aus Stadt und Kanton Schaffhausen. (Programm 
destiyinn. Winterthur 1906). — Aus der französischen 
Schweiz. Kanton Hern : A. Hossat : Chants natnis 
jurassiens, im Schweizer. Archiv für Volkskunde tili, 
257 IL : IV. 133 II. ; V. 81 IL, 201 IL ; VI. Hil IL. 257 fL ; 
VII, 81 IT., 241 IL). Kant. Freiburg: J. Heicblen : 
Im Gruifre illustrer. IV. V, VIII. Leipzig 185)4. 1903. 
Chansons et eoraules frilxnirgcoises ; les chants du rond 
d Estavaijer. Fribourg 181)4. — J. Cornut : Chants et 
contes iiO) aila li es de tu Grugire. in der llommnu. IV. — 
Kant. Genf: Hlavignac: L'emnro genevois. 2. eil. (ieneve 
1875. — Kant. Neuen bürg: Le$ chansons de nv grand' 
uiires; recueillies par Alfr. <>odet. Nouv. ed., all. par M lu 
Lucie Attinger. Accompagnentents de piano par J. Lauber. 
Neuchätel 1890-189». - Wallis: M-' Ceresole-df Loes : 
Chansons valuisannes im Schufizer. Archiv für Volks- 
kunde. IV. 309 IL - Waadt hat keine Volksliedcrsamm- 
lung aufzuweisen. — Hätoromanisrhe Schweiz: A. v. 
Plugi : Chanzuns fitijiuUtrns d'Knguidma, in Böhmers 
Hornau. Studien. I. 309 IL — A. v. Flugi: Itie Volkslieder 
iles Kngadin. Strasburg 1873.— ll.Caviezel: Litteraturn 
veglia, in den Annalas della Sorietad llhaeto-Humonscha . 
II, 267 IL VIII. 140 IL : IX. 187 IL J. C. Muoth: Can- 
um» dil cont fugtular (ibidem III. 269 IL). — P. J. Dcrin : 
C.anzuns i>ojtularas engtadinoisas (ibidem \l. 34(1.; VII, 
15 ff.). — A. Vital : Chanzuns fto/iuluras ladinas ( ibidem XI, 

161 IL; XII, 243 IL; XIV. 201 IL ; XVII. 33ff). — Ferner 
in Decortin»' Chrestomathie II und III. Vergl. im übrigen 
die Hegister und Bibliographien im « Schweizer. Archiv 
für Volkskunde ». Von Volksliedern der italienischen 
Sc Ii w e i z gibt es zur Zeit keine gedruckten Sammlungen. 

,Prof. l»r. K lli>rKKAN!*-K»AYKH J 
II. woilNi'Mi .') Man ist versucht, die Anlage des Wohn- 
hauses und der Nebengebäude. Stalle, Scheunen und 
dergL. wenn auch nicht als etwas Zufällige», so doch in 
erster Linie als abhängig von der Laune oder der Vorliebe 

"| Di» llluslratioiien sind, mit Ausnahm« d»r t.Qodneris^h'O, 
dem im Krspbeiorii hegritfxu«-D Werk v«m J H'iniikar ober Das 
Srhiceiirrhans •ntnommao, vuo dem bia joUtl vier Abteilungen 
v.irlle 4 eu. I 



des Pesitzer« «Hier »eines Haumeisters zu betrachten. Da« 
wird auch bei vielen neueren Itauten, namentlich in 
Städten und stadtahnlichea Orlen zutreffm. wo wir ein 
bunt zusammengewürfeltes Durcheinander der hete- 
rogensten Hauweisen linden. Dieser kosmopolitische Scha- 
blonenbau findet insbesondere auf die zahllosen Hotel» 
Anwendung, die in der Hegel auf l'mgebung und Lande— 
art keinerlei Hücksichl nehmen und in Norderney oder 
Nizza gerade so gut stehen konnten wie in St. Moritz oder 
Luzern, in Zermalt oder Ouchy. 

Die »tadle lind in iler Schweiz, wie anderswo, der 
gleichmachenden Modernisierung weil mehr ausgesetzt, 
als ländliche Gegenden. Namentlich die ueuerin Stadtteile 
tragen nirgends mehr etwas Charakteristisches an sich, 
wohl aber noch manche Altstadt. Wie imposant ist da« 
alte Hern mit seinen breiten Strassen, den eigenartigen 
Türmen und den auf schattigen Arkaden ruhenden mäch- 
tigen Hurgerhausern. Seine Hauart hat es auch den Stad- 
ien des nahen Seelandes, die unter seinem Einflus« -lan- 
den, aufgeprägt, und eine ähnliche, aber doch wieder 
eigene Hauart weist Thun auf mit seinen weit vorsprin- 
genden Dächern. Anders geartet, von eigeiilnmlich'mali- 
rischem Heiz, ist Schallhausen mit seinen zahlreichen 
Erkern und Fa»»adenmalereicn, über die der Munoth 
wie eine l.andwacht hoch hinaus«chaut. l'nd Luzern mit 
seinen mit Schildereien geschmückten Hrucken und 
seinen alten Zunft- und Rathäusern, von den alten Ring- 
mauern und Türmen überragt wie glücklich liegt es am 
Ende des Sees zwischen grünende luigel gebettet, l'n- 
vergleichlich ist das alte Stadtbild, das Freiburg dem 
Besucher noch heute bietet, l'nd wer ein Städtchen 
des Mittelalters mit seinen engen (lassen, den oben 
überkragenden Ilausern, mit seiner Verbindung von 
städtischem und ländlichem Wesen sehen will, der 
braucht sich nur etwa Werdenberg oder manch' an- 
deres Landstadtchen anzuschauen. Auch den Hhein ent- 
lang oder um den Neuenburgersee, im Aargau oder im 
Tessin, sowie anderswo hat sich in kleineren oder gros- 
seren Städten, die etwas auf ihre Eigenart ballen, noch 
manches anmutige Städtebild erhalten, das sich in ange- 
nehmer Weise von den schablonenhaften Städten unter- 
scheidet, die ihren Stolz darein zu setzen scheinen, wie 
« alle Welt » zu sein. 

Wenn wirvonder « W r ohnung • reden wollen, sehen wir 
also besser von den zu einem grossen Teil modernisierten 
Städten ab und beschäftigen uns hauptsächlich mit den 
ländlichen Ortschaften, wo sich die alte Tradition seit 
Jahrhunderten noch mehr oder minder unverändert er- 
halten hat. 

Linen einheitlichen schweizerischen Baustil gibt es 
nicht, wohl aber eine ganze Anzahl von mehr oder min- 









Heuschober 


Stall 


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Stall 


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Stall 




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Hausgang 




r.run^n-- «-ine* Jurahauwi <mr 8 Famili.o i. 



der lokalen schweizerischen Baustilen. 1 
und ein Bernerhaus. ein appenzellisches und ein jurassi- 
sches Haus weisen nicht nur in ihrem Aeusseren, son- 



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dern auch in der Konstruktion und der inneren Hinrich- 
tung wesentliche Unterschiede auf; es gibt wohl kaum 
ein örtlich so beschränktes Gebiet, auf dem eine solche 
Mannigfaltigkeit der alt hergebrachten Hau weisen zu lin- 
den wäre, wie in der Schweiz. Die wesentlichsten Bauar- 
ten sind, von Westen nach Osten geordnet, folgende : 

I. Das Jura/iaus, den Herner Jura, die Kantone Neuen- 
burg, Waadt. Genf und den grosslcn Teil des Kantons 
Freiburg umfassend. Charakteristisch für dieses Jurahaus 
ist die eigentümliche Vereinigung von Haus und Scheune 
unter einem Dach, in der Weise, dass die Scheune 
grango) die Milte des Gebäudes einnimmt; sie ist oft auf 
beiden Seiten von Wohnräutnlichkeiten umrahmt, die in 
Mauerwerk aufgeführt sind, während die Scheune in 
Standerbau erstellt ist. Das jurassische Haus tritt in ZWe 
Hauptformen auf: 

ai dasjenige des Herner Jura; sein Wahrzeichen ist 
.las Kuchengewölbe ila völe) aus Tuffstein das die Küche 
•iberspannt (vergl. den Grundriss des Juraliausesj. 

b) das Haus der ü b rigen Tra nzösischen Sch w e i z, 
dessen Hauptkennzeichen das grosse Hrelterkumin ist. 
unten bis 5,7 m im Geviert messend, mit beweglichem 
llolzdeckel : dasselbe erstreckt sich übrigens auch noch in 
deutsches Gebiet bis nach Übwalden. Die Küche bildet 
den Mittelpunkt der Wohnung, und das Kamin i>t oft ihre 
einzige Lichtquelle (vergl. die Abbildung des Freiburger 
Hauses ) 

Den Eingang zu dein meist einstöckigen jurassischen 
Haus bildet eine Art Vorraum, ein Hausflur de devant- 
huiM zwischen den Wohnräumen und vor der Scheune, 
oft ohne Tor. von wo aus man direkt iu Stall und Scheune, 
aber auch in die Wohnräume gelangt: die Küche, die 
Stube («pelyo» oder «pelo»), Kammer und Keller. Die 
Dächer sind meistens mit groben Schindeln eingedeckt, 
seltener mit Hohlziegeln oder, in den au deut-chi-s Gebiet 
grenzenden Gegenden, mit Stroh. 

Es ist, als ob der lläuserstil des Jura sich den Bergfor- 
men dH Landes anscttUessc : den geringen Krhebungen 
und der gleichförmig welligen Bodengestaltung entspre- 
chend sind die Häuser meistens niedrig und schmucklos; 
die Hauten seheinen von der harten Arbeit der Laiidhaueru 
'■oi der Einführung der Industrie xu sprechen. 

2. < fest lieh schliefst sich diesem jurassischen Haus das sog. 
■Irrtnisniiff Huna, das Haus des schweizerischen Mitteilen- 
des von rreiburg bis Weinfelden. von Thun bis Hasel an. 
Ls hat »einen Namen von der fast stereotypen Anordnung 
der drei hinter-(oder nehen-ieinander liegenden Ge- 
mache: Stube. Küche und llinterslube I bisweilen Kellen. 
Scheuer und Stallung sind mit dem Wohntrakt gleichfalls 
zu einem Kinheitsbau, mit Giebelfront, verbunden. Viel- 
fach (teilen wir noch das hohe steile Strohdach, welches 
erst bei abnehmendem Getreidebau durch ein Schindel- 
öder Ziegeldach ersetzt wird. Dieser Ilausertypus variiert 
stark von Kanton zu Kanton. Seine wichtigsten Vertreter 
-ind : 

aj Das De r n e r h a u s , z. U. das des Kmmcnthales < siehe 
Abbildung und Grundriss des Hauses in Heimenschwand). 
Es ist ein gewaltiger Bau, der Ubdach für Menschen, Vieh 
und Vorräte aller Art bietet, so recht geschalTen als Mittel- 
punkt eines stattlichen Bauerngutes. Das gewallige, mit 
ritte Im oder mit Strohgedeckte Dach reicht bis fast auf den 
lioden und umgibt den ganzen Hau wie eine schlitzende 
Mulle, unter der er sicher ruht. Lauben umgeben das 
Hau- auf mehreren Seilen, geschützt durch das weit vor- 
ragende Dach. 

l>) Das sog. Stockhaus im Kanton Solothuru. Alt-Aar- 
i-au bis an die Reuss und Luzemcr Gau. trägt meistens 
nm-h das alte Strohdach, das freilich allnvihlig «lern Ziegel- 
dach weichen muss. Die Dörfer, obwohl zusammengebaut, 
bilden keine Reihen. Das Haus. Wohnung und Scheune 
mit Stall umfassend, ist ein Ständerbaii. nur das eine hin- 
lere Gemach, der ■> Stock », von dem das Haus seinen Na- 
men erhalten hat. ist gemauert. Wir geben hier die Abbil- 
dung eines Stockhauses aus dem Aargau. 

ci Im Kanton Zürich und den ostlich angrenzenden 
'»•bieten herrscht. jewciten.stlieh wir vordringen, immer 
mehr der Bieg eil» au vor. der einen ganz schmucken 
Kindruck macht (vgl. das Haus aus Tobel i ; damit har- 
moniert eine eigentümliche, oit wiederkehrende rautenför- 
mige Verzierung an Tenntoren und dergl. Neben dein 



Riegelbau linden sich auch nicht seilen noch hölzerne 
Häuser in Block- oder Ständerbau. 
3) Das l.äiuierhnu*, das seinen Namen wohl von den 



Haust üre 




Orundri». eine. Utjd.rh.use* au* dem MuoUthal. 

Ländern (d. Ii. den zum Dach verwendeten llolzsrhindeln) 
erhalten hat, ist das eigentliche schweizerische Gebirgs- 
haua auf der ganzen nördlichen Abdachung der Alpen und 
zwar vom waadtlandischen Pays d'Enhaut durch das Ber- 
ner Oberland und die drei Urkaütonebis nach detnToggen- 
burg. Appenzell und St. Galler Rheinthal ; auch der Kau - 
Ion Glarus und die deutschen Gegenden Graubündens. 
ebenso w ie das Oberwallis zeigen mehr oder weniger den 
gleichen Tviius. Seine einfachste Form zeigt obiger 
Grundriss eines Hauses aus dem Muntathal. Kigentüm- 
lich ist dieser Bauart, mit einzelnen Ausnahmen, die 

Trennung der Scheune vom Haus oder die Verbindung 

beider durch Kreuzllrst. sow ie der überall vorherrschende 




Schwt'incslall 



Tenn 



Stall 




hnTahrl 



lirtitidn»« «in.-* llcmei haus,-, iti HeiunMuchwaiiel 



Blockbau, d.h. die Wände bestehen aus mehr oder minder 
behaueuen. oft auch rund belassenen Stammen. Stube 
i.und Nebensliibe i liegen in der Regel am Giebel des llnn- 

192 — CEOOR. LEX. V — 4 



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SCHW 





Jilf»««i»chr« Hau-. 



H-rn.-r bei I . r i der Hau« • I auterbrunnan). 





Deutscb-bQudorriu'hf« Oebirgabaua aui dam I'raiigau 
iSt. Antooierihal). 



IWrii«rtiau% lleiu>«Mnchwanl.. 



Tv|>ea ■QhVaiawifObW Bauart 



-..•s, der Bauacingang, seitlich, fuhrt direkt in diu KAche 
oder in einen kleinen Flur. 

HaupiviTin'icr de» Ländcrhausca sind : 

a) Das Berne roberl ander- Haua. Ks zeichnet Hefa 
■na durch sein «läge*--, ( |. h. wenig steiles Dach aus 
dicken Schindeln, mit grossen Steinen beschwert, durch 
mehrten* gekoppelte Fenster und ilurch nwncheriei 
Schmuck : Inacnriften, verzierte Uachpfetlen, Kerb- 
Ki hmi/ri neu iiml Konsolen. Vergl, die Abbildung den 
Hau«'« in Laulcrhruniicn. 

Iii Das Hann der drei l'rkantune zeigt keine *o 
einheitliche Form; es dal im allgemeinen steileres Uairfa : 

hie imiiI ila sind « 1 i ■ • lllnrkwandt- mit kle n Schindeln 

lim Dialekt /Schucpli • gehcis*em verkleidet ; an ein- 
zelnen Hiumirn findet »ich daw grosse BrHIerluunin diu 
jurassischen Hauam. 

1 lia« A |> pen z eil p r ha um, mit einigen Modifikationen 
auch in den angrenzenden Landaehalten vorhanden, 
«ml gekennzeichnet ihn eh die reich gekoppelten Fenaler- 
reihen mit /.ichladi n iiml durch die Vorliebe lÖrSchindel- 
bekleidoitgi beide« gibt dem Hans, verbunden mit der 
bekannten Sauberkeit, etwa« ungemein Kreundlirheaund 
Wohnliches. Da die Dächer nicht no weit rarragen, wcr> 
den vielfach Ober den Kenstcrreihcn kleine Schutzdächer 
angebracht Wrgl. die Abbildung »los Hauses In Urnäsch. 

•Ii Das deutsch - bündneriaefae Gebirgshaus 
gleicht am meisten dem Herne roher länder-llans, nur i»t 
es im allgemeinen einfacher innl weniger stattlich. \lh m 

auch hier linden wir die Vorliebe fiir Iiischriften, fui' 
tauben, die manchmal zierlich geschnitzt sind, für aller- 
lei Verzierungen am Balkenwerk und au den Daehpfetten< 



hi n schönslrn Schmuck dea Hauses bildet aber der selten 

fehlende Hliimeidlur auf den Fensterbrettern. Km huchsl 
einfaches Keispiel bietet unsere Abbildung des Hauses 
au« dem Pfitigail. 

4. <iani verschieden von diesem deulsch-bundncrischen. 
wie überhaupt von dem Landerbaus. ist das Kntjathnrr- 
hmu, das freilich nicht auf das Fngadin allein beschränkt 
ist. »lindern auch in andere Thaler hinübergreift, sich 
aber doch am ausgeprägtesten und stattlichsten im Knga- 
din zeigt. Das F.ngadinerhaus ist. mit geringen Ausnah- 
men, aus Stein oder aus Hluckwänden mit Mauerverklei- 
thtng erbaut. Charakteristisch ist für dasselbe das mit 




(■rundritu-. aUMS Kngadmerhau*«« (Sila). 



Steinen oder mit steinbeschwerten grossen Schindeln ge- 
deckte, wenig geneigte Dach: häutig linden sich alte 



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Apperuellerbaua t'rn.i-W, | 



Hans in Hiegelbao iTobeli. 



Tvpen »chveUoriactier Bauart. 



>gr*flil«iiii.-ilei eien an den Mauern und schöiigeschiiiiedcte 
• iitier an Treppenaufgängen und Fenstern. Die letzteren 
- i.ii aulTiillona klein und schiessscharlcnförmig nach 
aussen erweitert. Im Innern betraten wir zuerst einen 
mächtigen Hausmann (suler). der nicht selten den halben 
Kaum des Stockwerkes einnimmt und zu dessen Seite die 
Stube, die Küche und die Vorratskammer angeordnet 
sind; darüber liegen Schlafzimmer usw. Vom Suler führt 
ein Zugang direkt zur Scheune und zur Stallung, die mit 
der Wohnung unter einem Dache vereinigt sind. Das 
Kngadinerhaue, peinlich sauber gehalten, macht einen 
sehr behaglichen und zugleich stattlichen Kindruck und 
verbürgt auf den langen strengen Winter einen gemüt- 
lichen Aufenthalt. Man vergleiche die Ansicht und den 
Grundriss eines Hauses aus dem Engadin. 

5. Das Trssin zeigt im Hausbau keinen einheitlichen 
Charakter: einzelneThalschaften. wie z. B. das Verzasca- 
thal, haben z.T. höchst primitive Wohnhäuser: der 
gleiche Daum dient mancher Familie als Küche. Stube 
und Schlafzimmer, die Fenster sind ohne Glas, im Win- 
ter mit Papier oder leinenen Lappen gegen den Wind ge- 
schützt; die Häuser sind ganz gemauert, die Diener mit 
Steinplatten gedeckt. Die Gebirgsdörfer der obern Thal- 
schaften haben vieles mit dem deutsch-schweizerischen 
Alpenhaun gemein, während das Solto Cenere einen dem 
Engadinerhau* ahnlichen Tvpus aufweist und andere süd- 
liche Teile des Kantons schon ausgesprochen italieniM-hcn 
Charakter zeigen. Man vergleiche die Abbildung des 
Hauses aus Arhedo. 

6. Das Wallt» bietet im französischen und im deutschen 
Teil keine wesentlichen Verschiedenheiten; nur tritt, je 



höher die Lage, der Holzbau gegenüber dein Steinbau 
mehr in den Vordergrund, doch sind Keller und Saal- 
stock regelmässig gemauert, ebenso die Küche im Wohn- 
stock und Oberstock. Die Anlage stellt sich im allgemei- 
nen zum Länderhaus, doch hat sie ihre Eigentümlich- 
keiten in der vertikalen Einteilung: Keller. «Saal» (Vor- 
ratskammer, auch wohl Schlafzimmer). Wohnstock, Ober- 
stock und Estrich. Der Wuhnstock ragt gewohnlich über 
das Erdgeschoss vor: die Fenster sind in älteren Häusern 
meist gekoppelt. An hölzernen Häusi rn linden sich viel- 
fach Verzierungen. Die Scheune ist in der Hegel vom 
Hause getrennt. Vergl. die Abbildung aus Naters. 

7. Das irlnrttbischr Hau* der Kantone Schaffhausen und 
Thurgau zeigt zwar manche Aehnlichkeit mit dem drei 
sässigen Haus, hat aber doch einige unterscheidende Merk- 
male: es ist vorzugsweise in Hiegel werk aufgeführt, des- 
sen Holzwerk mit Vorliebe rot bemalt wird ; unter dem 
Wohnstock belindet sich ein Erdgeschoss. das Keller und 
Stall umfasst. Die Scheune ist z. T. mit dem Wohnhaus 
unter gleicher First verbunden. z.T. freistehend davon 
getrennt. Als Heispiel geben wir die Abbildung eines 
Huwea aus Küdlingen. 

So verschieden nun diese Hauarten in der Schweiz 
sind, so sind doch auch mancherlei übereinstimmende 
Züge zu augenfällig, als dass sie übersehen werden dürf- 
ten. So hat z. H. das jurassische Haus die Grundlage 
(Vereinigung von Wohnung und Scheune unter einer 
Pirat) mit dem dreisassigen gemein: das letztere stellt 
sich in Konstruktion und Hencnniingen wieder zum 
schwäbischen Haus: dem Engadinei haus ahnlich in der 
Anlage ist dasjenige des Solto Cenere u.s. w. 



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StlHW 



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Es ist nicht zu verkennen, das» ähnliche klimatische 
und sonst physikalische l'rsachen zu Achnhchkeiten in 
der Konstruktion fuhren musslen. Die Gegendtn mit aus- 
gedehntem Getreidebau begünstigen das Meile Strohdach, 
solche mit reirhen Wäldern das Schindeldach ; der Block- 
bau ist nur in waldreichen liegenden denkbar, wo hin- 
wieder die Erfordernisse für den Mauerbau vielfach schwie* 
rigm beschaffen sind. Diestrengen Winter des Hochgebirge 
/wirigen zu besonders starker Dachanlage, zur Erstellung 
nichtiger Wände und möglichst kleiner Taglichter. 

Zieht man das alles in Betracht, übersieht man ferner 
auch nicht, dassdic Grenzen zwischen den ttauarlen keines- 
wegs scharf zu ziehen sind, sondern das» vermittelnde 
t'energangc dazwischen treten, und lasat man endlich auch 
der Individualität der Bauherrn und Baumeister ihr Hecht 
wiederfahren, bo bleibt doch noch die Frage offen 
deren Losung freilich noch abzuwarten ist ob nicht 
in der Vei«iiiieilenheit der Hausanlage ein ethnographi- 
sches Kriterium zu linden sei. Ks ist dabei auch in Be- 
ll acht zu ziehen, dass die oben angefühlten llauslypen 
nicht etwa auf das Gebiet der Schweiz beschränkt sind, 
sondern über dasselbe hinausgreifen und mit den Typen 
der Nachbarländer zusammenhängen. Das jurassische 
Haus setzt sich jenseits des Doubs in Frankreich fort, 
<las dreisässige Haus in Solothurn gehl über in das 
liauernhausdcsGrosshcrzoglums Baden, das Ihurgaui-che 
Haus hat seine Fortsetzung jenseits des Bodensces, das 
l.änderhaus der Schweiz und das des Vorarlberg sind Brü- 
der, und das Fngadinerhao« wiederholt -ich mit Modifi- 
kationen im angrenzenden Tirol. 

Eigentümlich aber ist der Schweiz das Zu-aiiimcnl reffen 
so vieler Bauarten auf so kleinem Gebiete. 

BiMtogmphit: Gladbach, E.G. her Schwetstr Hotz- 

*tit in leinen kimttmnlen untl kon*lr*tktiren Yerxrliieilen- 
Ueiten. Zürich 1881 ff. - Glabbach. E. G. i'.harukleri- 
stisrhe lliilzlniulen der Schuf iz vom Iii. biM tQ, Jahr- 
hundert, Berlin 1893. - linuwerke der &-htreiz ; heraus- 
gegeben vom Schweizer. Ingenieur- und Architektenver- 
ein. Zürich 189611'. — Falio. G..undG. I.uck. Augen auf! 
Selneeizer Unmut alter und neuer Zeit. Genf 1904. - 
Hunziker. J. Mi* Sehwetzerhau* nach »einen tanHechnfl- 
liclien Ftimieu und temrr tfetrhirhtiirhen hultruktuiu/ . 
Aarau 1900 ff. i Bisher erschienen : I. Wallis; II. Te-sin; 
III. Graubünden nebst Sargans. Gaster und Glaru-; IV. 
Der Jura). |t*ruf. Jkckus.J 

III. Volkstrachten. Hin sehr interessantes Kapitel in der 
allgemeinen Kostümkunde bilden die Volkstrachten. Es 
ist zu bedauern, das- denselben bis in jüngste Zeit keine 
gio-se Aufmerksamkeit gewidmet wurde. 

Eine Volkstracht ist eine Kleidung, welche ihre -|>eziell 
typischen Schnitte, Farben und Bestandteile aufweist, nur 
in gewissen Bezirken oder l.amlc-ieilcn vorkommt und 
dadurch die Träger und Trägerinnen kennzeichnet. Die 
Volkstrachten haben sich aus den Patriziertrachlen des 
18. Jahrhunderts entwickelt. Als der pracht- und farben- 
liebendc HofFrankreichs seine Strahlen weil in die andern 
Länder hinaus sandte, fanden auch in der Schweiz die 
höhern Stände keinen Gefallen mehr an den nach steifen, 
strengen Hegeln des 17. Jahrhunderts gemachten Kleidern. 
Schon lange waren die KIcider-Mandale al- eine lästige 




Aargaunu.lie» Slm-knaus (Briltnaui. 

Typen Mfcwai 



' Institution empfunden wonlen. Da sie iVisrdiei * r 
und willkürlich gehandhabt und no weniger befolgt 
wurden, lies» man sie eingehen. Li- < und frei datierten 
die bunthliimigen Stoffe herbei. .d bauschig, leicht ge- 
stalteten sich die Kleider. Auel, tn Bauern regte sich der 
Nachahmungstrieb, auch er wollte Farben haben. Er he- 

| hielt die alten Schnitte und die alten Formen der Patri- 
zier hei und machte sie sich zurecht. Liebevoll behielt 
er auch noch manche- Stuck seiner frühem Kleidung 
unverändert bei ; so entstanden die lokalen Trachten, die 
mancherorls wunderliche Blüten trieben. 

Das eine hatten alle Trachten gemeinsam: sie waren 
farbenreich, was besonders bei den damaligen H«>chzeils- 
uiid Taullesien zu -chousier Geltung kam. 

Leider besitzen wir aus dem Ende des 18. und dem An- 
fang des 19. Jahrhunderts nur ganz wenige und unvoll- 
ständige Aufzeichnungen über die Trachten. Am lehr- 
reichsten und besten sind die Bilder de« Malers Freuden- 
berger. der jedoch nur Bern und seine Trachten berück- 
sichtigte, während sich Bernhardt, König und etwas spater 
Ludwig Vogel mit ihren llildern grosse Verdienste um die 
Trachtenkunde des ganzen Schweizcrlaudes erworben 
haben. 

L. Vogel hat in der Bhltezeil der Volkstrachten gelebt, und 
wir verdanken seinen Detailzeichnungen und Skizzen eine 
Heilte wertvoller Aufschlösse ul.er Eigentümlichkeiten, 
die sonst unverstandlich wären. Die von ihm mehrmals 
angebrachte Notiz « Aellere Tracht» bezeichnet das. was 
zu seiner Zeit tcUa 18O0-184Oi schon im Abgang war. 
Kurz nach ihm beginnt ein Verblassen. Verwelken 
der Trachten. Die leuchtenden Farben verschwinden, 
sie machen da und dort dunkeln Platz. Statt der bunten 
Bander werden Silberkelten angebracht ; der Silber- 
schmuck wird stets reicher, prahlerischer. Aellere Trach- 
tenstücke werden abgelegt. Modestromungen lassen sich 
durch fast alle Trachten hindurch erkennen. Eine ganze 
Tracht verschwindet: die Guggisberger, die originellste 
der Schweiz. (Das Bild in diesem Lexikon |Band I. S. '.'Li 
ist unrichtig, indem der Gürtel zu weil unten sit/i 
Andere folgen, z. B. die Hallauer. von der mir im Jahr 
1897 ein alter Geistlicher <lasclh-l erzählle. er habe die 
letzte Trauung im Schappel i Hochzeilskrone) im Jahr 
1840 vollzogen. 

Wohl erhielt sich im Kanton Schaffhausen eine Tracht, 
aber eine völlig veränderte, zuerst noch grün in der 
Farbe, bald aber nur noch schwarz. Als jüngstes Beispiel 
können wir die Tracht in Appenzell I. H. anführen 
Dort, wo das Volk an allem Althergebrachten, so auch 
an der Tracht, am zähesten festgehalten hat, können wir 
den Zerfall der Tracht heute verfolgen. Vor nur zwan- 
zig Jahren trug noch jedes weibliche Wesen eine Tracht 
die Frauen rote Kappen, die .Madchen sorgfältig gewellte 
Ilaare. Jede Frau, auch wenn sie in der armseligsten 
II iille wohnte, verwahrte sorgfältig in einer Truhe ihren 
Sonntagsstaat, bestehend in einem roten Hock, einer far- 
bigen seidenen Schurze und Brüchli. Dabei lagen silberne 
Ketten. Halten und Anhänger, für die oft der letzte sauer 
erworbene Happen ausgegeben worden war. Heute wird 
der Hoch/cilsanzug. den sich die Beichen anschaffen, nur 
aus schwarzen Stoffen hergestellt. Der kleine weisse 




l-'r«iburg*T Haus iDumpierre». 

/enirher llauart. 



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SCIIW 



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5;i 



lirustlleck. sowie das schwarze Hrüchli werden mit Flil- 
r rpl.ittclien etwas bestickt. Solch' einer schwarzen Tracht 
sind besonders junge Leute bald überdrüssig, die ab- 
wechslungsreiche Mode gefällt besser und die sei viel Geld 
leistende Tracht \v i rd nicht mehr a rigeschafft Die Mhwaraa 
Tracht ist die letzte Stufe vor dem gänzlichen Abgang. Die 
bunte - alte» Tracht ist blos Festtracht. Wir haben aUo 
in den Volkstrachten eine Erscheinung, die durchaus 
nicht, wie die allgemeine Auflassung meint, eine Jahrhun- 
derte lang unverändert getragene Kleidung war. sondern 
eine ziemlich rasch vorüberziehende Mode. 

hie Männert rächten zeigten in der ganzen Schweizeine 
grosse Lniformitat. Nur wenige (legenden behaupteten 
eine typische Tracht. Das Hemd halte schon am Ende 
des 18. Jahrhunderts seinen Kranzkragen oder «Kross- 
w rli>ren und statt dessen ein * Hrisli » oder einen hohen 
Kragen, den » Vatermörder«, erhalten. Leinene «ge- 
kratzte • (feing*m leite] ■ Flotter* oder Pluderhosen» wur- 
den vorherrschend. Das waren Abkommen der Lands- 
»oechlhoaen des 16. Jahrhunderts. Sic reichten bis zu 
<len Knien herab und nur knapp Über die Hullen herauf, 
hu Festsit/cn war oft mit Schwierigkeiten verbunden, 
da es dam.il» n<» Ii keim- II"-, n trager gab Sie liesassen 
auch keine Knöpfe; Binde! oder Schnure hielten sie zu- 
sammen. Da* Sfliuci/ciischi' Laiiilc-miisciim besitzt aus 
«lein Kanton Hern, wo die Leute bekanntlich meist gross und 
Mellich sind. Originale solcher Kniehosen, die eine 
Höhe, resp. eine I-ange von nur SO cm haben. Erst die 
breiten « Latzhosen • bekamen Knöpfe und waren aus Le- 
der. Samt mler WollenstofT. allenfalls auch aus Leinen 
hergestellt. 

Rote Westen wurden überall getragen, zuerst lange, 
dann kurze. Iiis heute haben sich die letztem bei den 
Sennen im Toggenhnrg und in Appenzell I. lt. erhallen. 

Die - Rocke •• erhielten um etwa 1700 die Form mit 
langen Schössen. Vielfach dienten Metallknöpfc als Ver- 
zierung. Vorherrschend waren die Röcke aus grober 
Leinwand oder Zwilch verfertigt, aber auch in hellerem 
oderdunklerem Wollenslofl" — grau, blau oder rostigrot — 
beliebt. Sehr on vertrat der Lender » die Stelle des 
Heckes. Das war eine Art Weste mit oder ohne Aermel. 
Kit) anderes merkwürdiges Kleidungsstück hatte sich im 
\arjnu als Tracht kurze Zeit festgesetzt. L. Vogel be- 
zeichnet es in einer Skizze als ■ filtere Tracht i, Reinhardt 
bildet es ebenfalls ab. und da* Historische Museum in 
Kern besitzt ein Original, das mit der Jahreszahl l'.'i.') be- 
stickt ist. Diese Form stammt, wie die Flotterhosen, von 
den Landsknechten her. also aus dein IK. und 17. Jahr- 
hundert. Der Kittel war aus grober, ungebleichter l.ein- 
wm<l . der Rücken mass nur 115 cm in der Höhe. Die 
Schuhe, auch die Frauenschuhe, waren ausgeschnitten 
und hallen auf dem Fussrist einen mit Loehlein ver- 
zierten Uebeisschlag, die •■ Lasche ». von rotem oder 
-chxvarzem Leder. An diese Stelle setzten sich später 
die Schnallen. Als Kopfbedeckung dienten breitrandige 
hube oiler kleine flache Filzhüte, später Dreispitze. 
Zipfelmützen und verschiedene Arten \>>n Kappen. 

Leinene 
Plotterhoeeti 
mii ange- 
ätzten 
strumpfen 
rot cleiche in 
Stoff, wei»«- 
leincne 
Sehoss- 
r's-ke • und 



Westen 

..Jen im 
Wehnthal 



rolr 

wurden 



•im längsten, 
bis uber die 
Milte de« Ii). 
Jah rh ii n - 
dt-rt« hinaus 

getragen. 
Iheier An- 
iug war so 
-labil BoMio 
ben. da»» er 




\Valli»erlia<ii INaters 



zur typischen Welinthalertrachi geworden ist. Typisrh 
waren auch die Hallauer gekleidet. Sie gingen vorherr- 
schend in schwarzen gekratzten Zwilchhosen und dito 
Kittel, dessen Schnitt denjenigen der Pfarrer und 
Prädikanten aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts nach- 
ahmte, wie wir es bei Reinhardt sehen. Eigentümlich 
sind die Hosenträger, welche über die Weste lagen. 
Im Jahr 1854 soll der letzte Mann, der den Pluder- 
hosen treu geblieben, gestorben sein. Während sich 
die Toggenlnirger mit einer gestickten roten Weste 
und einem bunten Strau** am Hut begnügen, kleiden 
sich die Sennen Innerrodens in einen schmucken An- 
zug. Ihre Tracht, wenn sie zur Alpfahl t ausziehen, 
besteht au» einem Hemd, auf dessen Brust wei»s ge- 
stickte Kühe zu sehen sind, und aus gelben, eug- 
anschliessenden hslernen Kniehosen, deren Träger mit 
Kuhüguren aus blankem Messing verziert sind. Dazu 
wird ein buntes Tuch umgegürtet. Die Weste ist rot- 
»ollen und mit silbernen Knupfen besetzt. Auf dem Hui 
belinden »ich Rlumen und Silberschualle. Im (Ihr hängt 
das Sennenzeicheii. der vergoldete Sennenschöpflollel. 
und im Mund steckt die silberbe»chlagene Tabakpfeife. 

Im Kanton Hern und in Freiburg haben sich allmählich 
kurze PulTarmel an den Lcnder der Sennen festgesetzt . 
dieser selbst ist zu einem schwarzen Samttsclmppen gc- 
wonlen. Knieho.cn werden keine mehr getragen. 

In den Urkantonen und in lilarus bedienen sich auch 
heule noch die Heuer eines weissen Hemdes, das mit 
einer Kapuze versehen ist. Sie schützen die Füsse durch 
sog. « Holzhoden ». d. h. mit sehr gro»»rn Nägeln be- 
setzte Sandalen aus Holz. Lederriemen dienen zur Befes- 
tigung. 

In I ntel wählen wurden die cngaiischlicsscndcii « Latz- 
hosen •• getragen, ebenfalls sehr kurz. Der breite Latz, war 
auf beiden Seiten bestickt. Die breiten Ledergurlel 
scheinen mehr als Leihschmuc k. als gerade zum Halten 
der Hosen gedient zu haben, denn gewöhnlich isl da» 
Hemd zwischen beiden handbreit sichtbar. Ob die Män- 
ner nur bei gewissen Anlässen, wie das im Lotschenthal 
vorkommt. Fraiienhute aufsetzten, oder üb da» allgemeine 
Tracht war. isl noch nicht festgestellt. Die heute so be- 
liebten bestickten Piusen sind eine erst seit kurzer Zeit 
aufgekommene Mode Dass die Burschen stetsein künst- 
lich gemachtes Fdelweiss auf den Hut stecken, ist merk- 
würdig. Jeder hat doch auf seinen Rergen schon echte 
gepflückt, die, wenn sie gepressl sind, sich jahrelang 
hallen. 

I'eberall trugen die Männer zu den Leichenbegäng- 
nissen gros.se schwarze Mäntel; auch die Frauen be- 
dienten sich. z. B. in Freiburg, einer eigenen Trauer- 
kleidung, 
wä h rend 
die Frauen 
anderwärts 
nur gewisse 
Abzeichen 
trugen, so 
in Appen- 
zell LR. die 
Stuche ». 
ein lauge» 

weisses 
Tuch, da» 
in die Flii- 

jjelhailbe 

( Schlap- 
pe «) einge- 
heftet wur- 
de und über 
den Rucken 
hing. 

Im Ge- 
gensatz zu 
der l'eber- 
e i n s t i in - 
mutig der 
M ä nner- 
t rächten 
bieten die 

Krauen- 




Type* tchvieiiwiMber Bauart, 



Kngadinerhau* iKilisur». 



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SCHW 



trachten eine überaus grosse Verschiedenheil und Man- 
nigfaltigkeit. Meisten* genügt ein einzelnes Stuck, um 
die ganze Tracht zu bestimmen, so sehr ist ihnen der 
Stempel der Originalität aufgeprägt. 

Jene Tracht hat i. Ii. ihr ganz bestimmte« « Schappel ■» 
d. h. Hochzeitskrone. Die höchst« ist diejenige van 
Hailau. sie misst in der Hohe bis 28 « in; die kleinste ge- 
hört ins llaslcthal und misst 3 cm im Umfang, sowie S cm 
in der Hohe. 

Ebenso ausgeprägt ist der Schmuck. Nur zur Freiamt- 
tracht gehörten Gürtel aus versilbertem Kupfcrdraht, mit 
farbigen Glassleinen besetzt: nur zur Freibitrgertraeht das 
riesige silbeine« Agnus Dei». dh. der Anhänger, u. s.w. »Ge- 
kratzte Joppen « hiessen die Höcke. welatie in ganz enge, 
kleine Falten gepressl und an das Mieder festgenäht 
waren. Solche wurden im Wehnthal und Knonaueramt. 
in Hallan. im Freiamt. in Appenzell. Soluthurn, Frei- 
burg, Guggisberg uml Hasel gelragen. Aber jede Jüppe 
ist ihrer Herkunft nach leicht zu bestimmen. Im Wehn- 
thal waren sie aus schwarzem, im Knonauer Amt aus 
blauem Zwilch verfertigt. In Hailau hatte man erst aus- 
schliesslich grüne Joppen, an denen man unten im Saum 
die roten breiten •> Kndi •• sichtbar werden Hess. Im Frci- 
;imt waren die Jüppen ans zwei verschiedenen Farben 
iiuer durch zusammengesetzt. Die spatern schwarzen 
Hocke hallen oben an der Taille rote Wollenbänder auf- 
gesetzt. In Appenzell bestehen sie seit dem Anfang de* 
19. Jahrhunderts aus feinem Wollenstoff und sind nie am 
Mieder angenäht. Die Freiburgctjüppen sind aus feinem 
roten oder schwarzen Wollcnxlofl ohne Saum verfertigt ; 
die rolen haben gclbseidene Bänder aufgesetzt. Die Hasel- 
landtchäfllcrinncn legten den *chon gefältelten Sloffnoch- 
mals in tiefe Fallen. Sogar viele »Fürtücher» oder 
Schurzen sind sofort zu kennen, ebenso die Brusttücher 
und Goller. Schwarz war die Farbe der Mädchen, weiss 
die der Frauen. Schwarze oder farbige Goller trugen 
die Ledigen im Wehnthal, weisse die Verheirateten: 
schwarze Flügelhnuben die Mädchen in Schwyz. weisse 
die Frauen. 

Die Kantonsgrenzcn sind nicht massgebend für die Ver- 
breitung der Trachten, sondern die Bodengestaltung, die 
für sich abgeschlossene liegend. So haben wir bis zur 
Mitte des 19. Jahrhunderts keine Luzerner- oder Zuger- 
tracht, sondern die des Freiamtes, welche da« ganze Thal 
<ler Peuss beherrschte, also einen Teil des Aargaues, dann 
ein Stück von Zug und über Luzern hinnuf noch das 
Kullebiich umfnssle. Die Wehnllialertrsicht reichte von 
der Mündung der Limmut bis gegen Zürich hinnuf. Eine 
andere Znrcherlracht breitete sich über das Hafzerfeld 
:ius, während die dritte nur im Knonaueramt zu linden 
war. Im Thurgau. St. Gallen und Appenzell wurden die 
Trachten nur von der katholischen Bevölkerung festge- 
halten, während die Reformierten dieselben früh ablegten. 
Aehnlich war es in Frei bürg, wo nur die deutschspre- 
chenden Katholiken ihre typische Tracht halten, die 
Welsrhen aber, die Haarfrisur und den Hut abgerechnet, 
mit der herrschenden Mode schritten. 

Im Kanton Hern weisen das Simmenlhal und das ll.isle— 
thal mit dem Hasleherg zusammen ihre speziellen 
Trachten auf. Die Gegend um Guggisbcrg herum hatte 
ihre eigene Tracht, ebenso auch das Seeland; der Aare 
entlang bis zu ihrer Mündung im Aargau hinunter herrschte 
wieder eine andere Tracht. 

Die interessanteste, wenn auch nicht die sieh am 
schönsten präsentierende Tracht der Schweiz ist die- 
jenige von Guggisherg. Die Jüppe reichte kaum bis au! 
die Tinie herab, und die Strümpfe stiegen nur knapp 
über die Waden herauf, so dass die knie nackt und 
sichtbar blieben. Dies mag der Grund dafür gewesen 
sein, dass die Tracht schon in den 30er Jahren des II). 
Jahrhunderts ganzlich abgelegt wurde. Glücklicherweise 
besitzen das Schweizerische Laiideamuscnm. das Histo- 
rische Museum in Hern etc.. sehr gute und vollständige 
Originaltrachten. Das Hemd ist auf der Hrust handbreit 
sehr fein und dicht gefältelt, und um den Hals schmiegt 
sich ein sehr kleines, enges (.oller. Die Juppc ist aus 
zweierlei schwarzen Stollen zusammengesetzt. Die obere 
Hälfte ist Zwilch. die untere grobe Wolle. Das Mieder ist 
kurz und klein und dennoch aus mehreren Teilen mit 
h l* hübscher gelbseidener Ziemliche zusammengesetzt. 



Die merkwürdige Schürze besteht aus glänzend ge- 
steifter schwarzer Leinwand Du- obere Hälfte ist mit 
40 durch den Stoff gezogenen Fällen zusammengezogen 
und erhält dadurch noch mehr Steilheit. Der Kurze des 
Mieders wegen wird sie direkt unter der Hrust mit zwei 
Knöpfen an das Mieder angehängt. Da alle Stucke dieser 
Tracht aus dunkeln, meist schwärzen Stoffe n angefertigt 
sind, hat sie ein unscheinbares Aussehen. Die Braut be- 
kommt höchstens einen kleinen rotsamlenen Rrust- 
lleck. von welchem eine bunte Bandschleife herab- 
hängt, die an einem schmalen Glasperleiigurtel befestigt 
ist. Auf den Kopf wurde eine kleine Flillerkrone gesetzt. 
Das Gegenstück zu dieser Tracht ist die farbenreiche 
\ Bauernlracht des Berner Seelandes : llla*n der' Rock mit 
rotem Saum, rot das Mieder, gelb der Vorstecker. Da* 
Mieder bezeugt durch seine hone, steife Form und den 
gestickten Vorstecker seine direkte Abkunft von den 
Patrizierkleidern. Wohl haben wir die reizenden Bilder 
von Freu ienherger von dieser frischen Tracht, aber kein 
Originalstuck scheint erhalten gehlieben zu sein. Die an- 
dere Tracht aus der Gegend von Bern, die mehr städtisch 
war, hat einen dunkeln Hock und ein Mieder aus schwar- 
zem Samt, ferner eine Samlkappe. die von einer tu 
die Höhe stehenden Rosshaarspilze umrandet ist. Diese 
Tracht wurde nach und nach reich mit silbernen Ketten 
und Rosetten behängt. Kostbare seidene, farbige Schür- 
zen kamen dazu, und so ist die heulige Berner Festtraclii 
entstanden. 

Auf dem Lande zwischen Bern und Thun sah ich im 
Summer l!)05 die Frauen und Madchen im Korsett, wie 
es die Städterinnen tragen, ihre Feldarbeit besorgen 
wohl die letzte F.rinncrung an das Mieder. Den Simmen- 
thalerinnen verlieb ihre einfache Tracht eine gewisse 
Eleganz. Sie trugen einen langen, schwarzen Rock mit 
gleicher Jacke, den • aisausschnitt mit weissen Spitzen 
gefüllt. Schmuck fehlte. Das grosse schwarze Halstuch 
war mit breiten Fransen besetzt. Die Haube lies- über 
die Stirne und seitlich bis auf die Schultern eine breite 
' schwarze Spitze hängen. 

Im Haslelhal und auf dem Ilasleberg linden wir heute 
noch bei altern Frauen die letzten Stadien einer ganz 
typischen Tracht. Diese arbeiten heute, wie ehemals, 
nur mit einem Rock und Hemd bekleidet auf dem 
Felde ; der Rock wird von Trägern, sog. » Bretsrheln ge- 
halten. Höchstens wird bei den Achseln ein gewürfelte* 
Tuch unter die Träger gesteckt, damil dasselbe ulier 
die Brust falle. Dieser Rock ist heute dunkelblau, wie 
auch der Sonntagsrock, der in eigenartiger Weise aufge- 
schürzt wird, wobei der rote Saum zu hübscher Geltung 
kommt. Zu Anfang des l'.l. Jahrhunderts bestand der 
Bock aus weisslichem Wollenstoff und reichte in breiten 
Fallen bis auf den Boden. Der Saum war schwarz wie 
das Mieder und das enganschließende (toller, das den 
I richtigen Namen « Würgclb führt. Sehr interessant 
i ist das Filzkäppli. das zwischen den Zöpfen sass. Die 
| Patrizierinnen trugen im 17. Jahrhundert die gleiche Form 
i über weisse Hauben aufgesetzt. Kin ahnliches Hülli mus* 
: auch laut Bildern bei der Freiburgertniehl uml ein ver- 
wandtes in Hallau üblich gewesen sein ; leider bildet sich 
aber, so viel mir bekannt, kein einziges Original mehr 
vor. Zur Hochzeit oder als Taufpatin steckte man auf die- 
ses Hütli. « Hirzi * genannt, das " Kränz.li », d.h. die 
kleine Flitterkrone. Nicht unerwähnt darf der noch hie 
und da getragene Strohhut bleiben, der mit seiner brei- 
ten und gerade aufsteigenden Kopfform von den übrigen 
' Umformen mit breitem Hand abweicht. 

Die katholischen Freiburgerinnen liebten neben seh * ar- 
zen noch vorzugsweise rote "Jüppen». Da* Mieder besteht 
ebenfalls aus rotem Tuch. Statt der Remda eine I sind enge 
rote »ermeleiner Unterjacke sichtbar. Leber demhunlfar- 
bigen Brusttuch hängt ansilberner Kette, wie wirgesehen, 
ein riesiges silbernes Medaillon. Das Goller ist von 
schwarzem Samt, und darüber liegt ein dreifacher blauer 
Radkragen, wie ihn die Patrizier bis Ende des 17. Jahr- 
hunderts gel ragen haben. Diese Tracht hat keine grossen 
Veränderungen erlitten, w ird aber nur noch bei Prozes- 
sionen oder Kirchenfesten angezogen. 

Im benachbarten Pa»s d'Enliaut wurden einfache Mie- 
der getragen, auf dem Kopf eine schwarze Haube, auf 
welcher wiederum ein Hut süss, der auf der.i unden Kopf- 



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56 SCHW 

erhöhung einen Aufwuchs in Form eine« Stöpsels hnt. 
Pie heulige Fealtracht der Waadtlanderinncn. w ie sie 
die Winzerfeste vorfahren, ist »um grossen Teil da* Pro- 
dukt der neuesten Zeit, resp. dieser Feste. 

Die Westschweiz ist überhaupt arm an Trachten ; Genf 
hat keine aufzuweisen, ebenso wenig Neuenbürg. Die 
weissen Hauben und die grossen Halstürher, die als dor- 
lige Tracht bezeichnet werden, sind verspätete fran- 
zösische Mode. 

Dagegen hat Basel Land seine Tracht. Die Jüppe heisst 
baslerisch c Junle ... Reiche Bäuerinnen Hessen das far- 
bige Samtmieder und da» Güller oft reich mit Seide 
und Glasperlen besticken. Das seidene Halstuch der Basler- 
tracht hat seinen speziellen Innglichen Zuschnitt. An 
Werktagen trug man die kleine schwarze Kappe, bei 
Hochzeiten und Festen dagegen die weisse, reich be- 
stickte. Wenn die Haarfülle zu gros» war, schnitt man 
heraus, was sich nicht in das Käppli drücken lies*. 

Die Solothurnertiacht war der Basler nahe verwandt 
und stimmte auch in den prächtigen Filigran-Anhängcrn 
und -Gürteln mit jener überein. Als Gegenstück der win- 
zigen Kappe fand sich hiereine riesige Haube mit darauf 
gesetztem, breitrandigem Strohhut. 

Ende de» 18. Jahrhunderls war im Fricklhal die auch 
im Schwarzwald getragene Tracht zu Hause. Sie ist far- 
benreich und zeichnet sich durch einen seltsam verbo- 
genen Hut aus. 

Üie farbenreichste und über den grnssten Bezirk sich 
ausdehnende Tracht war diejenige des Freiamtes. Schon 
gegen die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts wurden die 
J Appen nicht mehr aus zwei und drei verschiedenen 
Stollen und Farben zusammengesetzt, sondern allroäh- 
lig aus schwarzem Stoft gemacht. Auch die bunten, 
bestickten Kappen machten den schwarzen Platz. Bie 
bunten Bänder wurden durch Silberketten und Filigran- 
rosetten ersetzt. Auch die Ilachen, riesigen Stroh- und 
Filzhüte, « Bindellenhute* genannt, verschwanden, last 
ebenso buntfarbig, aber reicher bestickt, war dieTiacht 
in llnterwalden. Auch hier ist Goller, Brust und Gürtel 
reich bestickt, der Bock aber aus gestreiftem oder kar- 
riertem « Guttuch » verfertigt. Verschiedene typische 
Haarfrisuren und Häubchen bezeichneten die verschie- 
denen Stunde. Reich ist der Schmuck der Bewohnerin- 
nen « Nid dem Wold ». 

Der Kantonsteil •> Ob dem Wald » zeigte sehr einfache, 
meist dunkle Kleidung und keinen Schmuck, doch eine 
sehr charakteristische Haaitracht, welche jeweilen nur 
Sonntags von den Frauen gegenseitig neu gemacht wurde. 

Im Kanton Tri trugen die Krauen eine eigenartige, last 
topfähnlich aus schwarzen Slrohbändchen hergestellte 
Kopfbedeckung, in deren Milte ein Nestchen von weissen 
Spitzen sass. 

Im Muotathal galt wieder da* Schäppeli als Hochzeits- 
krone, und im Thal von Schwyz. wurde das "Coalli » zum 
Kirchenbesuch aufgesetzt. Acht Tagelang nach der Hoch- 
zeit durfte noch die Jungfernhauhe, die «og. « Kosenhuhe * 
benutzt werden. Hin in die Hohe stehender, aus schwarzen 
Spitzen gebildeler Kamm lief von der Stirn in den Nacken 
und teilte sich daselbst, per Spilzenkamm der Verhei- 
rateten war weiss. Pas besondere Abzeichen der Rals- 
herrenfrauen war ein zwischen die Spitzen gesteckter, 
hochstehender Kranz von Husen und Veigissmeinnicht. 
Als Zeichen der Trauer wurden schwarze Blumen aufge- 
steckt. 

Das (ilarnerland hat von seiner Tracht nicht viel mehr 
als die typische Koplhrdrckung : die dunkle ■< Zugliauhe *, 
unter welcher zu beiden Seilen steif vorspringende 
Spitzen der » Kran/kappe •• hervorschauen. Infolge der 
einheimischen Produktion von bedrucktem Kattun wur- 
den viele Kleider von diesem Stoli verfertigt. Schauen 
wir uns im Tnggenhurg um. so linden w ir. dass dort die 
katholischen Krauen eine schwarze Flügelhaube trugen, 
in welche die Verheirateten eine Haube aus weissen 
Spitzen einhefteten, wahrend bei den Mädchen die da- 
zwischen sichtbaren Zupfe mit einem Pfeil durchstochen 
wurden. In Appen/eil I. H. hat sich die ..Schlappe» als 
Kopfputz bei hirchenleslen bis heute erhalten. Pie 
schwarzen Flügel stehen bis zu 22 cm in die Hohe, und 
dazwischen liegt nicht nur eine vvei-se Spilzenhaiibe. 
sondern auf duser luhl m < h eine goldgestickte Kappe. 



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von der eine rotseidene Bandschleife herunter hängt. 

Die Wehnthalerlracht hat eine gekratzte Jüppe aus 
schwarz gefärbter Leinwand. Diese ist sehr kurz, damit der 
rotseiden besetzte l'nterroek sichtbar bleibt. Eine reiche 
Bäuerin trug mehrere solcher übereinander. Pas Brust- 
tuch besteht aus rotem Tuch, oben mit schwarzern Samt, 
zu beiden Seilen mit blauen Moirebändern besetzt. Eben- 
solches musste auch von der Unlerlaille um die Armaus- 
schnitle sichtbar sein Die sog. • Schach kappe » der Ver- 
heirateten ist eine über «las Gesicht vorspringende Hoss- 
haarspilze, die an einer Kappe festgemacht Ist. Die Ledi- 
gen banden das » Hütli », ein Samtband, dessen spitzen- 
umrandete Enden auf die Schultern Helen, um den Kopf. 
Die modernisierte Tracht wird mehr nur als Reklame 
auf dem Gemüsemarkt in Zürich angetroffen. 

Die Tracht de« Knonaueramles wurde westlich vom 
l'ellibcrg gelragen. Die Trägerinnen dieser Tracht er- 
hielten den Spottnamen « Burefeu 11 ... Der Bücken des 
Mieders war mit einem Band besetzt, welches ein römi- 
sches V bildete. Fünf heissl im Zürcher Dialekt •< feuti ». 
Ein « Burefeuli » ist also eine Frau mit einem « Feuli » 
1 auf dem Rucken; heute versteht man darunter eine link- 
ische Person. Per gestreilte leinene Schnrzensloll wurde 
quer verwendet und mit einer doppelten Kreuzslichnahi 
mit rotem und mit weissem Faden ausgeführt. Die leinene 
Kappe hat die Form aus dem 17. Jahrhundert behalten. 

Pieauf dem Rafzerfeld herrschende Tracht ist, wieausder 
Lage dieses Kantonsteiles begreiflich erscheint, eine Ver- 
: wandle der SchafThausertracnl. Per vielfältige Rock aus 
| Zwilch hat unten herum einen SamUaum. Die Schürze 
ist blau. Während der Schnitt des Mieders von Hallau an- 
genommen wurde, ist die Faltung der Hemdärmel den 
Zürchern nachgeahmt worden. Pie Silherketten, welche 
sich auf dem rot mit schwarzem Samt besetzten Brust- 
luch kreuzen, und das mil Böslein besetzte Götler bezeu- 

Sen. dass diese Tracht ersl von der Mitte des 19. Jahr- 
erts an getragen wurde. 
I Pas Wallis bietet eine reiche Auswahl von interessan- 
ten Trachtenslücken, wenn auch die ganzen Trachten 
sehr einfach und übereinstimmend sind. So linden wir 
heute noch im mittleren Bhonelhal den merkwürdigen 
Hui. von dem das Sprichwort sagt: u En Wyhergrind kost 
es Zitrind ■•. In Brie berichteten mir alte Frauen. da»s 
ein solcher Hut 20-fiO Franken gekostet habe. Er ist aus 
weissem Stroh gemacht, hat einen hohen Kopf, der mit 
breiten Bändern umgeben isl. welche je nach der bestimm- 
ten Gelegenheil, fiir welche der Hut aufgesetzt wird, au« 
blauem, rosa oder schwarzem Samt bestehen und oft 
reich mit Silber oder Gold bestickt sind. Der schmale 
Hand ist bedeckt von einem Zopf, «Kräss» genannt, 
zu dessen Fältelung 35-40 Meter schwarzes Seidenband 
notig siml und der von einer Kroslerin in 2-3 Tagen er- 
stellt wird. Pas Band sei nicht mehr im Handel erhält- 
lich, und daher werden die alten Zopfe so lange als 
möglich auf neue Hüte übertragen. Um Saviesc herum 
und im Val d 'Herens sind die Haarflechten kreuzweise mit 
I einer aus Messingdraht eigentümlich gebogenen Haarnadel 
j fcslgesteckt. 

Im l.ntschenthal hall«' sich die französische Modo vom 
: Anfang des IS. Jahrh. zur Volkstracht ausgebildet, und zwar 
fiir Männer- wie fiir Frauenkleider : also städtischer Schnitt 
in selbsigewobenem rauhem Tuch ausgeführt. Die Farbe 
der Frauenkleider war rostbraun, diederMänneroftweiss- 
getb. Eine weisse Raube und darüber ein kleines Filzhütli 
bildeten den Kopfputz. Zur Hochzeit kam das « Kränzli ». 
d. h. die kleine Flitterkrone auf den Kopf, und das • Bu- 
scheli », ein Flitlernelz. bedeckte den « Tschüpen ••, d. h. 
die zusammengerollten Haare am Hinterkopf. Ks herrscht 
hier eine merkwürdige Sitte: Wenn die Männer, statt auf 
die Alpen /n gehen. Stall- und Hofarbeit verrichten. Sel- 
zen sie Kranenhiiie auf. zum Zeichen, dass das Krauen 
arbeit sei. Einer anderen Merkwürdigkeit begegnen wir 
| im Vald llliez. Dort tragendie Krauen, heute allerdings sel- 
ten, dunkle, lange Mannerhosen, um an den steilen Ab- 
hängen dem Vieh nachzusteigen und ihre Feldarbeit zu 
besorgen, was natürlich sehr praktisch ist. Recht ma- 
lerisch w issen sie ein feuerrotes Tuch so um den Kopf zu 
schlingen, dass der eine Zipfel auf den Rücken, der an- 
dere dagegen graziös über die rechte Schulter auf die 
! Brust fallt. 



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SCHW SCHW 57 




Scb« <MZ»n*cb« Volkstracht«!). 

IS. Traebl d«« Kafierfeldev Ix. I rieht de milderen Hhnnetbala«: SU. Triebt de» \ V rxaw-alhale* : 19. Krnu au» der Rriimi 
'Tessioi. U. Kreiamtler Tracbt; 7. \\ mdtliindrr He-llncht; 17. I.eul» aus CoBlbej (Wallis)] II. lilarunrtrartil; l.'i. Arb«it>kleld 
•u» d«m KnoDaueramt i/Qricb); Iii. Lotxcbenthaler H..<-i./«it«loiiti- (Wallisi; 14.° Krautanzug au» dem Koonaueramt (ZQricbi- 



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r* schw 

Reicher und mannigfaltiger an Trachten als das Wallis 
war der weitverzweigte Kanton Grauhunden mit seinen 
isolierten, oft völlig abgeschlossenen Thalern. Da« meiste 
ist freilich verschwunden, vergessen. Wenn alle Trachten 
des Kanton* beisammen waren, wurden sie eine eigene 
kleine Sammlung für sich bilden, wie au* dem Album 
/tu- rtititch? Trachten ersichtlich int. Die Leiter der im 
Jahr INSCJ stattgehabten Calvenfeier hatten sich grosse 
Mühe gegeben, die Darsteller in möglichst getreuen 
Trachten auftreten zu lassen. Manch' vergessene Truhe 
und manch' dunkler Winkel wurden deshalb durchsucht 
und forderten Originalslücke ans Tageslicht. 

Im südlichen Tessin findet sich eine Tracht, die stark 
an Italien erinnert. Die Krauen der Brianza stecken 
rund hemm in die Zöpfe des Hinterkopfes mehr als zwan- 
zig silberne Loffelpfeile, die wie ein Strahlenkranz in der 
Sonne blitzen. Die Hirtinnen des Maggia- und Verzasca- 
thales haben ein so kurzes Mieder, dass die Schnurung 
oberhalb der Brust sich beiludet. Der Hock ist aus 16 
je 2Ücm breiten Streifen von dickem, haarigem Wollen- 
stolT zusammengesetzt. Die Küsse stecken in Zoccoli. 
und die Waden werden durch dicke WollstofTrohre ge- 
schützt. 

Im Jahr 1806 verfiel der Lesezirkel Holl ingen-Züt ich 
auf die Idee, ein schweizerisches Trachtenfest, ver- 
bunden mit Vorführung; alter Spiele. Tänze. Gesänge und 
sonstiger Gebrauche, zu veranstalten. Jede* Thal wurde 
durchstöbert; alte Leute wurden ausgefragt, alte Kilder 
besehen ; man suchte das Verborgene, das Vergessene 
hervor. Dies gelang vortrefflich, so da6* die ganze Ver- 
anstaltung zu einein geradezu vaterländischen Fest wurde. 
Aus allen Gauen kamen Leute, mit allen Schätzen beladen, 
herbei, um mitzumachen. Der Direktor de» damals im 
Hau begriffenen Schweizerischen Landesmuseums benutzte 
freudig die Gelegenheit, für eine Trachtcnsammlung zu 
erwerben, was irgendwie erhalt lieh war. Als dann zwei 
.lullt e später zur Erollnung des Landesmuseums nochmals 
ein Trachtenfest arrangiert wurde, war es möglich, so zu 
sagen in zwölfter Stunde noch mehr Erwerbungen zu 
machen. Das Landesmuseum besitzt heute die weitaus 
reichhaltigste und interessanteste Trachlensainmlung 
der Schweiz. Von grosser Bedeutung ist nun. dass auch 
die kantonalen Museen angelegt wurden, ihr Augenmerk 
den Trachten zu schenken. Somit bleihendie verschwin- 
denden Trachten doch nicht nur in Bildern, sondern auch 
in Originalen der Nachwelt erhalten. 

IHt Lesezirkel Holtingen hat nberdnrch das Fest noch 
eine andere wertvolle Anregung gegeben, diejenige zur 
Erstellung eines Prachtwerkes für Schweizertraehlcn des 
IS. und Ii). Jahrhunderts. 'M Tafeln zeigen in vortreff- 
lich ausgeführten Farbenbililern fast ausnahmslos Ori- 
ginallruetitcn, die jetzt meistens im Besitz des Land-smu- 
'i'iims sind. Als man sich hewusst wurde, das» nicht blo* 
in der Schweiz, sondern auch in andern Landern die 
charakteristischen Volkstrachten zu verschwinden drohen, 
wurden vielerorts Anstrengungen gemacht, dies zu ver- 
hindern, denn nicht nur die Trachten verschwinden, 
sondern mit ihnen auch die alten Brauche und allen 
Sitten. 

Man glaubte, dem Verschwinden der Trachten dadurch 
am ehesten Einhalt tun zu kennen. d»ss man ländliche 
Feste veranstaltete und die Träger und Trägerinnen der 
besten Trachten auszeichnete. W ie es aber Brauel, e gibt, 
die nicht mehr in die fortschreitende neue Zeit hinein- 
passen, so nassen auch die Trachten nicht mehr hinein. 
Sie haben ihre Entwicklung durchgemacht, ihre Blütezeit 
uberschritten und sind im Zerfall. Ihre längere oder 
kürzere Lebenszeil ist einzig von der Abgeschlossen- 
heit der Bewohner von der übrigen Well abhängig. Je 
mehr sich entlegene Thäler und Gegenden «lern Ver- 
kehr, den fremden Menschen olTnen. desto schneller 
verschwindet alles Eigenartige, alles Originelle der Ein- 
heimischen. (KHAl llllK tlH»lll'! 

I). SI'HAC.HEN IM) MIN DA RTF.N. Üiekleine Schwei/ 
besitzt nicht nur eine reich entwickelte Fauna und Flora, 
eine Mannigfaltigkeit landschaftlicher Bilder, die jahrlich 
Tau«ende \oii rremdcu in unser Land locken. Mindern 
ihr Vornehmster Beichtlltll besteht in der ZU elller festen 
Einheit gefugten Verbindung germanischer und roma- 
nischer Sitte. Die Humanen wiederum spalten sich auf 



SCHW 

| Grund aller ethnischer l'nlcrschiede und geschichtlicher 
Vorgänge in ein französisches, italienisches und rätisches 
Kulturgebiel. Die deutschen Schweizer fühlen sich kul- 

Ituivll ein* mit ihren germanischen Stammesbrüdern, die 
WesLschweiz hängt nach Frankreich hinüber, der Tessin 
und einige Bündner Thäler gravitieren nach Italien, und 
da« Bätische isl heule auf einen Teil Graubundens be- 
schränkt. Da« Alpcnmassiv. besonders der Gotthard, bil- 
det den natürlichen Scheide- und Sehnt zwall dieser Spraeh- 
: gebiete. 

Als die örtlichen Mundarien mit dem Fortschreiten der 
Kultur durch Schriftsprachen zurückgedrängt oder sogar 
I ersetzt wurden, grillen der Norden und die Innerscliweiz 
j naturge inäss zum Hochdeutschen, der Westen zur Sprache 
I von Baris, die italieiiiseben Landesteile zum Gemein Italien i- 
! sehen. Nur das Hälisclie wurde selber zur Schriftsprache 
erhoben, offiziell gedruckt und in den Schub-n gelehrt. 
Es zeigte sich aber, dass in dieser Stärke Vine Schwäche 
lag: die dialektische Spaltung, sowie der Mangel eine-, 
grossen internationalen Verbandes ermöglichte der ra- 
tischeu Schriftsprache nur eine bescheidene und tempo- 
räre Existenz. 

Im Folgenden sollen in raschen Zügen die Geschicke 
und die charakteristischen Merkmale der' deutschen, fran- 
zösischen, italienischen und ratischen Sprache und Mund- 
arten auf Sdiweizerboden beleuchte! werden. 

I. M-TTSCH. Die letzte eidgenössische Volkszählung vom 
I. Dezember HttKi ergab für die Schweiz bei einer Gesanit- 
hexolkcrting von IGH.VlVi Seelen •2:il J949. d. h. annä- 
hernd 7ll"„ iK'lllsili-spi-echende. Davon bewohnen etwa 
2 1 , Millionen ein geschlossenes Gebiet, das ungefähr zwei 
Dritteil»' des gesamten schweizerischen Territoriums aus- 
macht : es umfasst die ganze Nord-. Ost- und Mittel- 
Schweiz, reicht im Süden, sich stark verengernd, bis iur 
■ schweizerisch-italienischen Landesgreiize und schiebt sich 
' so gleichsam als trennender Keil zwischen die roma- 
nischen Landesteile im Westen einei^eits. im Süden und 
Sudosten anderseits. Längs der Nord- und zum grössten 
Teil auch der Oslgren/e hangl es unmittelbar mit dem 
übrigen deutschen Sprachgebiet zusammen, dessen süd- 
westlichen Ausläufer es bildet. 

j\ Sprachgrenze. Die heutige We»lg re n ze gegen da- 
französische Sprachgebiet setzt ein in der Nordostecke des 
bemischeii Anilsbezirkes Druntrut. durchzieh! den Nor- 
den des Amtes Delsberg. überschreitet zwischen Licsherg 
und Soyhiei'es «las Bii->lhal und folgt, vorerst noch in öst- 
licher Dichtung, darin mich Südwesten zurückweichend, 
der bernisch-sMlolhurnisi heii Kuutousgivnz''. «citri hm 
dem Höhenzuge westlieli \ou Biel und Vom Biebrser. 
steigt südlich \ou Ligerz /um See hinunter und gebt 
diesem und dem Zihlkanal nach zum .Ncucnhurgersec 
Dann springt »i,- mm Nordrand des Muiteiise. s ubei, 
l verlasst den See mit der Wiiailtlaiidischen Grenze nörd- 
lich von Faoug und zieht sich in südöstlicher Hictitung 
mit zahlreichen Ausbuchtung. -u nach links und recht- 
ei-sl ipier durch den frcibiirgischen Seebe/irk. nachher 
läng« der Grenze zwischen dem Saane- und Sensebezirk 
(do. li l'iei raforls. ha dem deutschen Gebiet über lassend i 
bis zur Berra im Norden des Givierzerlandes. wendet sich 
eine Strecke weit östlich, dann wieder südlich zwischen 
Jaun und Gharmcy hindurch zur Denl de Buth und 
weiter, mit der heru iseh- w.iad Hündischen Kantotisgreiize 
zusarnmerifallend. zum < Udenborn. Von hieran begleitet 
sie die Grenze zwischen Bern und Wallis Ins zum Wild- 
sl rubel, steigt dann der Ostgren/e des Bezirkes Siders 
nach bis uii Rhone hinunter, die sie ostlich von Siders 
uhei-.chicitet. und streicht jenseits über den Gehirgs- 
kauim zwischen dem Filischthal i Val d Aliliiv ier« j. und 
demTurtiiiniitlialziir Denl d Herens. wo«ic auf dir schwei- 
zerisch-italienische Landesgreiize tritlt. 

Die Südgi enze folgt dieser zunächst bis gegen den 
Lvskamm. biegt dann nach Süden in italienisches Gebiet 
I aus. um die am Sud- und Sudostfuss dys Monte Rosa ge- 
I legenen deutschen Geineiinlen iGressouey und Issinie Uli 
Lysthal. .Magna im Sesiathal. Huna und Bnnella im S-r- 
! menta- und Mastaloiielhal. Mncugnaga im Anzascathal 1 
aufzuiiebinen. und kehrt beim Monte Mor-o /ur Schweizer- 
grenze zurück. Sudlich \<un ( »fruhorn tritt sie neuerdings 
auf italienischen Böllen über, umfasst südlich die isolier- 
ten Her gilorfchen Agar. > i Ager i und Salecchio Saley duivh- 



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SCHW 



öl) 



schneidet bei der Gesrheiihrüekc südlich von Knterwald 
Foppiano) da» Fnrmaz/athal, umzieht, noch weiter östlich 
.«tiüjrr*» ifend, da« tessinisrhc Dorf Bosco, die einzige 
deutsche Gemeinde diese* Kantons, und geht sodann in 
nonllicher Richtung der West- und Nordgrenzc des T»-s- 
>in entlang über ilcri Nufenen- und Gotthanlpass /.um 
1*1/. Ravetsch. Von hier zieht sie »ich, nunmehr als 
Scheide zwischen Deutsch und Rätoromanisch, über die 
Gebirge, die Grauhündcn im Westen und Norden gegen 
I n undGlartia begrenzen, bi« zur Ringelspitze, wo sie den 
Hündner !k>drn beiritt. Das deutsche Sprachgebiet dieses 
Kantons zeigt »'ine sehr vielgestaltige Grenze. Ks zerfällt 
in ein nördliches, mit denleutschen Ostschwriz iinmitlel- 
Kar zusammenhängendes Hauptgebiet und in mehrere 
kleinere Gebiete, von denen drei, im Südwesten, rings 
vom Rätoromanischen, zum Teil auch vom Italienischen 
umgebene Sprachinseln bilden, darunter eine von ansehn- 
lichem Umfang. Die Grenze de» erstgenannten Gebietes 
erlauft von der Ringelspitze in südlicher Richtung, slosst 
westlich von Tamins auf den Vonlerrhein, üherschivitet 
diesen östlich von Kms. ersteigt die Wasserscheide zwi- 
schen dem Oomleschg und Churwalden, geht zwischen 
Parpan und Lenz hindurch und hinunter ins Thal der Al- 
bula. südlich an Filisur vorbei, dann der Süd- und Ost- 
Frenze des Bezirkes Ober Landquart nach und erreicht in 
der Silvrettagi-uppe tlu ' «wlerreichische Gn-nzc. In der 
Nordoslecke des hanlons liegt, ohne Zusammenhang mit 
«lern übrigen schw. u/enlen!*. ■»,. d (;ebiet. die nach dem 
Tirol sich ..ntu-ii«!. .1. iin, |,, 1 t, ,]-. !,aft Samnaun. Von den 
deutschen Sprachinseln im Südwesten ist die grossle. im 
Hinterrhein- . Sailen- und Valserthal. nur mehr durch einen 
schmalen Streifen romanischen Landes vom nonllichen 
llauptgebict getrennt. Ihn-Gn-nzc läuft von der Mündung 
de» Silier Rh«»ins(Ka biusaiin den Vonlerrhein südwärts über 
den Berggrat /.wischen Sailen und dem Heinzenberg, steigt 
über den Heinzenberg hinunter, Prä/, und Sarn dem roma- 
nischen, Flerden, Tartar und Cazis dem deutschen Gebiet 
zuweisend, zur Thalsohle des Romlcschg, iimschliosst 
Fürstenau, geht dem Rhein und der Albula entlang bis zum 
Muttener Tobel, dann südwestlich um Multen und Rongel- 
len herum wobei sie da* Hinlerrheinthal neuenlings kreu/t , 
»um Pix Beverin und von hier in südlicher Richtung, das 
Hinlerrheinthal ein drittes Mal durchschneidend, zwi- 
schen dem romanischen Andeer und dem deutschen Su- 
fers hindurch zum Surettahorn an der italienischen Grenze. 
Xun zieht sie sich westlich über die Gebirgskette, die den 
Bezirk Hinterrhein im Süden von dem italienischen Val 
San Giacomo und dem Re/irk Moesa trennt, zum Vogcl- 
berg ( Adula), von da nördlich der hündnerisch-tessini- 
»chen Kantonsgrenze nach zum Battenberg, weiterhin 
über die Wasserscheide zwischen dem Vrin- un<l Valser- 
thal. überschreitet dieses zwischen St. Martin ('deutscht 
und Tersnaua (romanisch) und trifR, zunächst dem Ge- 
birgszug zwischen dem Lügner und Sailen folgend, dann 
links abbiegend, oberhalb Valrndas auf den Voi-derrhcin, 
der bis zur Mündung der Rabiusa die Nonlgrenze der 
Sprachinsel bildet. Kill paar Stunden weiter westlich, 
über llanz hinaus, liegt auf der rechten Thalseite die 
isolierte deutsche Gemeinde Obersaxen, im Südosten 
endlich, auf den obersten Terrassen des Averserthals. 
die Sprachinsel Avers mit dem Hauptort Cresta. 

Fassen wir die also gezogenen Sprachgrenzen näher 
ins Auge, so zeigt sich bald, dass sie nicht in ihrem gan- 
zen Verlauf von gleicher Beschaffenheit sind. Nur zum 
Teil haben sie den Charakter scharfer Sprachscheiden ; 
am ehesten da. wo sie mit starken natürlichen oder po- 
litischen Grenzen zusammenfallen. Im übrigen aber ent- 
spräche es den Tatsachen nieist besser, von Gn-n/zonen 
statt von Grenzlinien zu sprechen. Wenn wir trot/dein 
auch in solchen Fällen Grenzlinien ziehen, so ist das nur 
dadurch möglich, ilass wir diesprachliche Mehrheit eines 
Ortes für dessen Zuweisung zu einem der beiden sieh 
berührenden Sprachgebiete als entscheidend betrachten 
und von den etw~a vorhandenen Minderheilen absehen. 
Dies gilt zunächst von einem grossen Teil unserer West- 
grenze. Und zwar liegen hier die Dinge im grossen und 
ganzen so, dass die französischen Grenzorle stark von 
deutschen Riementen durchsetzt sind, während auf der 
deutschen Seite das französische Klement nieist in ver- 
schwindender Minderzahl ist, wenn nicht ganz fehlt. Am 



ausgeprägtesten tritt dies längs der jurassischen Grenze 
bis zum Neucnhtirgersee hervor. Hier finden wir in den 
Gemeinden des französischen Grenzgebietes fast überall 
starke deutsche Minderheiten ; an einzelnen Orlen ist nach 
Ausweis der Statistik nahezu die Hälfte der Bewohner 
deutsch, ja es kommen vorü beigehend selbst deutsche Mehr- 
heilen vor. wie etwa in Gourrendlin (Amtsbezirk Montier;, 
wo im Jahr RWO neben «W Deutschen blos Ktl Welsche 
gezählt wunlen. Im Gegensatz zu dieser ausgesprochenen 
Zweisprachigkeit des französischen Grenzgebietes ist das 
deutsche ebenso ausgesprochen einsprachig. Nur Biel 
mit seiner Imgchung. wo nahezu '/ : , der Bevölkerung 
zum Französischen sich bekennt, macht eine gewichtige 
Ausnahme, in geringerm Grade auch das solothuruische 
Grenchen. Man weiss, dass dies mit der stark entwickeilen 
Industrie dieser Orte, speziell mit der KlinMi Industrie zu- 
sammenhängt, die einen starken Zuzug aus dem Westen 
zur Folge gehabt hat. Dem gegenüber hat die deutsche Kin- 
wanderung in die bernischen Jurabezirke (Orte wie Dele- 
montetwaausgenommenleinen vorwiegend landwirtschaft- 
lichen Charakter. « Der romanische hinwandenr kommt 
im Dienste der Industrie mit Vorliebe in stadlische Ge- 
meinden herüber: der deutsche Auswandern- geht als 
Bauer. Knecht. Handwerker. Kleinhändler. Dienslbote 
hinüber und nimmt die vom industriell gewordenen Ro- 
manen verlassenen Posten ein. besonders auch auf dem 
Lande, und häufig genug bezieht der deutsche Pächter 
einsam gelegene Bauernhöfe. Ks ist, als ob sich in diesen 
wirtschaftlichen Verhältnissen noch der alte Gegensatz 
zwischen der gesellschaftlichen Natur des Welschen um! 
der individualistischen des Germanen ausspräche» (Morf). 
Im fi-cihurgischen Miltelland sind die Verhallnisse von 
denen im Jura nicht wesentlich verschieden : auch hier 
fast durchgängig ein beträchtlicher deutscher Kinschuss 
in die französische Greiizhevülkcrung, wahrend auf deut- 
scher Seite das welsche Klement wieder nur au einigen 
Punkten stärker hervortritt. Doch sind die l'rsachen die- 
ser Krschcinung hier zum Teil andere : die Industrie spielt 
kaum irgendwo eine nennenswerte Rolle, die Grenze ver- 
läuft ganz durch ein wirtschaftlich, dazu geographisch und 
politisch einheitliches tiebiet; dagegen machen sich teil- 
weise konfessionelle Gegensätze geltend. Wir wenlen auf 
die Sache zurückzukommen haben. Krst oberhalb der 
Stadt Freibuig gewinnen die Grenzverhältnisse allmählich 
eine andeiv Gestalt. Zwar hält noch in Marlv die deutsche 
Bevölkerung der welschen beinahe die Wage, und in 
Pierrafortscha lindel sieh eineansehnliche welsche Minder- 
heit, weiter südlieh aber erseheinen anderssprachige Kie- 
mente hüben und drohen nur noch in geringer Zahl, und die 
Sprachgrenze scheidet ziemlich reinlich deutsches und 
welsches Idiom. Dies gilt auch von ihrem weitem Ver- 
lauf durchs Hochgebirge. Kinzig im Rlmnelhal ändert 
sich vorübergehend das Bild : hier linden wir wieder 
sprachlich gemischte Bevölkerung zu beiden Seilen der 
Grenze: in Siders stehen sich Deutsch und Französisch 
numerisch fast in gleicher Stärke gegenüber, anderseits 
sitzen französische Minderheiten auf deutschem Gebiet 
bis nach Brig hinauf. 

Dass die Südgrenzc vom Matterhorn bis zur Riugelspitze 
eine scharfe Sprachscheide bildet, wenigstens soweit sie 
mit natürlichen und politischen Grenzen zusammengeht, 
begreift sich leicht. Auch in den jenseits des Alpenwalls 
gelegenen deutschen Thalschaften am Süd- und Oslfugs 
des Mottle Rosa, im Formazzathal und in Bosco lindel eine 
Killmischung anderssprachiger, d. h. hier italienischer 
Elemente in erheblichem Masse nicht statt; dagegen 
ist die eingesessene Bevölkerung auf dem Wege, die an- 
gestammte Sprache nach und nach zu gtinslen der ita- 
lienischen Landessprache aufzugeben, die ihr durch 
Staat. Kirche. Wirtschaft*- und Verkchrsverhältnisse in 
gleichem Masse aufgedrängt wird. Das Italienische i*l 
schon seil längerer Zeil überall Amtssprache, au den 
meisten Orten auch Sc hul- und Kirche iisprac he. die 
deutsche Schriftsprache kaum gekannt und noch weniger 
im Gebrauch ; nur im mundlichen Verkehr der Gemeinde- 
genossen hchauptcl sich die deutsche Mundart, verliert 
aber selbst da mehr und mehr an Boden. Charakteristisch 
dafür ist der Ausdruck " All weibersprache ^. mit dem sie 
nach Studur fast allenthalben bezeichnet wird. Vcrhallnis- 
| massig am kräftigsten wurzelt das Dentsehe noch in Gres- 



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(H) 



sr.nw 



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wincv, im l'ommal und im tcssinisehcu Bosen. — In Grau- 
huncfcn ist deutsches und romanisches Gebiet grossruleils 
noch ziemlich scharf gegeneinander abgegrenzt. Nur in den 
rorii.iii i^i-h<'n Thalsrhuncn. «I n- nit-h gegen den deutschen 
Norden öd'nenodcr von den dorther kommenden Hauptver- 
kehrsadern durchzogen sind, linden wir eine stark mil 
deutschen Elementen durchsetzte Bevölkerung, und die 
dort verlaufenden Sprachgrenzen erscheinen zu gemischt- 
sprachigen /»neu erweitert. So am l'ntcrlatif des 1 1 1 ri tf r- 
rlii'ins, in di>n Bezirken Imhoden und namentlich Hein- 
zenberg, wo da» Deutsche in einzelnen Gemeinden i.M- 
mcus. l'ratval. Hotenbruunen i dem Romanischen nume- 
risch bereits gleichkommt oder es sogar uhcrllügclt Iial. 
Diese Tatsache int deswegen von besonderer Bedeutung, 
weil hier der schmale romanische tichietsslreifen verläuft, 
ilt-i' (Iii- deutschen llauptge biete im Norden und Südosten 
voneinander livnnt und zugleich die Verbindung herstellt 
zwischen den romanischen Kerngehieten im Südo-ten 
und W esten. Beträchtliche deutsehe Minderheiten weisen 
auch Ihm/, im Vorderrheinllial. Bergun im obern Alhula- 
Ihal und Andeer im Sehamser Thal auf. Im Oher Eugadiii 
i l'ontresina. St. Morit/i ist eine deulseh<■ Spraehinsel in 
der Bildung begriffen. Dem gegenüber sitzen lloiuaiien 
auf deutscliem (iehiet nur da in grosserer Zahl. Wo die 
Mehrheit erst vor kurzem an« Deutsche übergegangen ist. 
Ilass Illingens die Daten der Volks/ählungsstalistik hier 
so wenig wie anderswo einen vollen Kinhliek in das 
wirkliehe Machtverhalluis der heiden konkurrierenden 
Sprarhen gewähren, wird sieh spater /eigen. 

'2. desrltichthcht' Enlv tt klang der deulxchi'n S)irar/i~ 
ijrenze. Die deutsche Hesiitlelung der Schwei/ gehl in 
die /eil der Völkerwanderung zurück. Iiis ins .">. Jahr- 
hundert bildete unser Land einen Teil des römischen 
Weltreichs; der helvetische Westen gehörte zur Provinz 
liallia lielgica. der raliscbe Osten zur Provinz Itactia. der 
«Hieb das Wallis angegliedert war. Ilie Grenze zwischen 
den heiden Provinzen lief vom Austins* des Ühcins aus 
dem CnterxH- südlich zum Gotthard. Ihr Verlauf im 
Innern des Landes ist nicht sicher zu ermitteln; 
nach der gewöhnlichen Annahme zog sie -.ich zwischen 
dem obern Zürich- und dem Waleusee hindurch lang» 
der (ilarner W'esl- und der l'rner Oslgivnze zum Cri- 
spalt und von da nach der Furka bin: aber es ist mög- 
lich, dass auch ein Teil der Waldslätlc. zum wenigsten 
L ii. zu Italien geborte oder doch von Halen bewohnt 
war i vergl. W . Ocrhsli ; Ilie Anfüntje der »ehii'riz. Eid'je- 
wntu'nwliaft . S. I.">i. Wahrend der hallilaiisc ndjährigen 
Itumerzeit waren römische Kultur und Sprache im Lande 
zur Herrschaft gelangt - Freilich nicht uberall gleich durch- 
greifend, verhältnismässig am wenigsten int Norden. Ein- 
mal war hier die keltische Bevölkerung, schon wegen der 
grossem Entfernung vom Mittelpunkt des Heidts, lange 
nicht in dem Masse von römischen Klemenlen durchsetzt 
w ic z. H. im Südwesten, sodann wurde die Entfaltung römi- 
schen Wesens frühzeitig gestört durch ilie deutschen Ale- 
mannen, die »choii seil der Milte des .'). Jahrhunderts 
das Land mil unaufhörlichen verheilenden hinfallen 
heimsuchten, wobei das ihnen zunächst ausgesetzte nörd- 
liche llelvelicn liatlllgemass am iiicislcu llll. ilie Ale- 
mannen sind uns zu Anfang des ;{. Jahrhunderts zum 
erstenmal bezeugt; sie süssen damals am obern Maut noch 
jenseits des römischen lireuzwalls. wo sich allem An- 
schein nach ihr Slammesverband durch Zusammcnschluss 
des suebischeii hernvolks der Semnouen mit andern klei- 
nem siiebischeii Teilvolkeru Und Volksteil rs| gebil- 
det hatte. ': Durch das H. und \. Jahrhundert dauerten ihre 
furchtbaren Angriffe auf die i oiniscban (iieitzlande. unter- 
nommen im dem Zwecke, sich innerhalb des Limes 
festzusetzen', silier erst seit dem .'«.Jahrhundert hallen sie 
nachhaltigen Erfolg, im Laufe dieses J.iln Iniudei ts dehn- 

1 1 t>er bvianttniaoh- Oeschiehtacbreilwr Agatbia» urotil .he Ale- 
mannen nach *ui<*in <i--w.itir»ni»iin de« :t Jahrhnndert« «ein zu- 
>autmenifeUitf^n<rs Mtarhvulk» I ;uYz.Äjoi; ivOpoiKot za't uiyaSä;' ; 
-las bedeute ihnen ihr Name. In der T.l liei-»t Alamamti lalid. 
Marnan. Alottuinnn, = gut. olawtnf nichts undere* al» «ib>- 
M. usotien in»gesatiit, all« Mon«cbeD ». idrii-hhedcuteud mit Ale- 
mannen kouinil teil ihrer Fentsvtzung im >ndlicben livutii'hland 
ibeuralU. uri|irrintr lieh unifa*s"nd«T- Herce-hnun« Suet/i. Siiavi, 
.ihd. Strähn, d b. .'Schwab.n.- » .*>dt?r aul . und diese wurde sp.iter 
•ier eigentlich und einzu? vulkstcimlichc Name de» Stamme». 



ten sie ihre Sitze dauernd nach W esten und Süden uber 
den Hhein. ostwärts bis zum Lech aus. Doch hat man 
mit guten Gründen vermutet, dass die ondgillige aleman- 
nische Fiesiiib-bing der nordratischen und helvetischen 
Ebene erst zu Anfang ih 1 * ri. JahrhunderU erfolgte, aN 
die Alemannen, von den Franken vernichtend geschbiKen 
und aus ihren nordlicben Gebieten lam Main, untern 
Neckar, in der Pfalz, usw. i verdrängt, den Schulz des Osl- 
goteukonigs Theodorieh suchten und dieser ihnen die 
nonllicheii Grenzen seines Hei« hes öffnete, die ausser Hä- 
tien wenigstens nominell auch einen ansehnlichen Teil 
des alten llelvelien einschlössen i vergl. H. von Schubert ; 
IHe l'nli'riferfumj der Alamaniieu durch die Frankrn. 
Slrassburg Ir^Hii. Nonlhelvetien war also spätestens seil 
Beginn des Ii. J»hrhundert.s deutsch geworden. Das Ijnil 
lag infolge der vorangegangenen endlosen hriegsslurine 
wohl gi-osslenteils imIc. die Keime höherer Kultur, welche 
die Homerzeit gepllauzt hatte, waren verkümmert, und 
die noch vorhandene kelhM-omischc Bevölkerung au 
äusserer und innei-er Kraft zu sehr verarmt, um sich 
neben den in Massen ein- und vordringenden, als Herren 
auftretenden Alemannen auf die Dauer zu behaupten, 
geschweige denn ihnen die eigene Nationalität aufzu- 
zwingen. — Ganz anders waren die Verhältnisse, unter 
denen ein zweiter Germanenstainm. die ostgermanischen 
Hu rg u n den, auf unserm Bodensesshaft wurde. Nachdem 
ihr sagcnberühiiites Heieh um Worms am Mittelrhein 
nach kurzem Dasein unter den Schlägen der Homer und 
lleuueii zusammengebrochen war. wurden die Hesle des 
Volkes 4Vt von Aelius in der alten Saliaudia südli<'h vom 
Genfersee aiig<*siedelt und begrütxleten dort, aufanglicb 
noch unter der Oberhoheit Horns, ein neues roniisch-ger- 
manisches Heich. das sie spater auch uber den Südwes- 
ten und Westen unseres Lande« ausdehnten. Die Bezie- 
hungen zu der einheimischen Bevölkerung wurden auf 
Grund lies Hospitalitalsverballnisses geregelt; darnach 
hatte jeder Provtnziale einen bestiinmten Teil seines ge- 
samten Besitzes an die germanischen Gaste abzutreten. 
Nach dem selben Grundsatz verfuhren die Kurguudrti 
meist auch bei ihli-lt weitern Eroberungen. So nassen 
Germanen und Gallo-Homer in buntester Mischung durch- 
einander', die Notwendigkeil des engen Zusammenlebens 
und täglichen Verkehrs führte bald zu nachbarlicher 
Annäherung in Spracht* und Leben-gewohnheilen, und 
zwar auf Kosten germanischer Eigenart. Nicht nur weil 
das römische Element ohne Zweifel numerisch weit 
stärker war. sondern ganz besonders weil dem für das 
Fremde ohnehin empfänglichen Germanen die feinere 
römische Kultur als erslreltenswerte* Vorbild erschien. 
Dazu kam. dass die innen- Politik der burgiimlischen 
Könige im wohlverstandenen Interesse des Staates eben- 
fall« auf eine Milderung der vorhandenen Gegensätze 
und Verschmelzung der beiden Nationalitäten angelegt 
war. Nach der herrschenden Annahme wäre die » Ver- 
romerung » der Burgunden in wenig mehr als einem 
Jahrhunderl zum Abschlug* gelang! : schon um die Mitte 
de» 6. Jahrhunderl» konnte ein zeitgenössischer Geschieht - 
Schreiber die Franken den Burgunden als Germanen 
gegenüberstellen. Indessen ist wohl möglich, dass sich 
germanische Arl und Sprache in einzelnen Gegenden, wo 
die Verhaltnisse günstiger fnp sie lagen, wie etwa in den 
nordöstlic hen Grenzgebieten, länger erhielten : ganz un- 
wahrscheinlich ist aber, jedenfalls durch keine w irklichen 
Beweise gestutzt, dass sich Hurgundrn irgendwo der Ho- 
inanisierung ganzlich entzogen und in späterer deutscher 
Bevölkerung fortlebten. « alemannmert « wurden. 

Hei ihrem Vordringen nach Norden und Nordosten 
mussten die Burgunden schliesslich mit den von Norden 
kommenden Alemannen zusammeristossen, deren feind- 
liche Nachbarn sie schon am Mittelrhein gewesen waren. 
Leider sind wir uber die daraus sich ergebenden Ausein- 
andersetzungen zwischen den beiden Stämmen sehr 
schlecht unterrichtet. Nur das» sie nicht friedlicher Art 
waren, auch als das frankische Szepter beide Volker ver- 
einigle iscit XU bezw. steht fest; ferner «prirht 
manches dafür, dass sie mit wechselndem Erfolge betrie- 
ben wurden, dass einerseits die Alemannen ihre Herr- 
schaft zeitweilig weit nach Westen vorschoben, ander- 
seits die Burgunden vorübergehend den grossten Teil 
des schweizerischen Mttlellandes bis zur Heus* in ihren 



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SCIIW 



Besitz brachten. Natürlich darf daraus nicht aul ein- 
sprechende Schwankungen der ethnischen Frenze ge- 
schlossen werden, da politischer Machthereich und 
Volksbereich einander nicht bedingen. Wenn z. M. - in 
viel späterer Zeit allerdings — der Name Burgund 
urkundlich weit nach Osten, sogar üher den Zurichgau 
bi«nach Engelbert ausgedehnt erscheint, so hat das selbst- 
leratändhch nur politische keinerlei ethnographische 
Bedeutung. Selbst die ganz oder halb germanischen 
Orts- und auch Gaunamen, die wir aufheule romanischem 
Spraehboden gerade im Westen so hautig antreffen, be- 
weisen lediglich fur Niederlassungen germaniseherGrund- 
herren untl für die einstige Ausdehnung germanischer 
Herrschaft und Verwaltung, nicht aber dafür, dass die be- 
treffenden Gebiete einmal wirklich durchgreifend germa- 
nisiert worden sind. lieber den Verlauf der ältesten Grenze 
zwischen alemannischem und Iturgundiscli-roinanischem 
Volkstum fehlen uns tatsächlich irgendwie sichere Zeug- 
nisse. Denn was man sonst etwa dafür angesehen und aus- 
i^eben hat, wie Kassenmerkmale, Hauscrhnu, Kunster- 
/eu^nisse u. *. w.. ist teils von vornherein hinfällig, teils 
verschiedener Deutung fähig und darum ohne Beweiskraft. 
Au« ti da« Zeugnis der Flurnamengehung. dieser für die 
jüngere Geschichte der Sprachgrenze ausseiet wertvollen 
und etgthigen Quelle, versagt fur so weit zurückliegende 
Zeiten ganz, indem, wie H. Morf fur die Westschweiz gc- 
icigt hat und auch andei-sv/n sn h besutigi , durchschnitt- 
lich ein Jahrtausend tremd-pi .iclu^ci Sicdcluug genügt, 
den sprachlichen Charakter der Flurnamen von Grund aus 
umzugestalten. *o dass also, wo heule romanische bezw. 
deutsehe Flurbczeichnungen an einem Orte fehlen, da- 
durch rumänische bezw. deutsche Bcsn-delnm: Tut .las 6. 
und noch spätere Jahrhunderte nicht au-^c-chlussen ist. 
Erst fur das 9. -10. Jahrhundert sind somit auf Grund der 
toponoma8ti.se hen Tatsachen, deren Erhebung wir haupt- 
sächlich den bekannten Forschungen J. Zimmerli's ver- 
danken, einigermaßen sichere Grcnzhcslimiiiungen 
möglich. Und «war hat Rieh ergehen, dass die deutsch- 
rumänische Grenze, wenigstens südlich vom Hemer Jura, 
damals erheblich weiter östlich \ erlief als heutzutage, 
stellenweise nahezu die Aare berührte. Es liegt kein Grund 
vor. in diesem Stand der Dinge etwa das Ergebnis eines 
romanischen Vorstosses in früher alemannisches Gebiet 
Iiinein zusehen -: die allgemeinen geschichtlichen Verhält- 
nisse und die Analogie der spätem Entwicklung machen 
's im Gegenteil wahrscheinlich, dass der hurgiindisch- 
romanische Siedelungshereieh ursprünglich noch tiefer 
ins schweizerische Mittelland einschnitt, als wir mit unsern 
Hilfsmitteln /u erkennen vermögen. 

Wie hinsichtlich der Weslgren/e, so fehlt auch über die 
älteste südliche Ausdehnung des deutschen (iebieles jeg- 
ln'he bestimmte Kunde. Doch ist man wohl allgemein da- 
riu einig, dass die alemannischen Sicdelungen anfänglich 
nur das flachere Land erfüllten 1 ) und sich erst nach und 
nach in die Thäler der Vor- und liochalpen vorschoben. 
Crsachen und Verlauf dieser Bewegung im einzelnen sind 
in Dunkel gehüllt : als sicher darf gelten, dass es sich um 
« ine friedliche Durchdringung des nur wenig dicht von 
iiomanen bevölkerten Alpenlandes handelte. Die Germa- 
nisierung der Urnchweiz vollzog sich zwischen dem ß. und 

Jahrhundert, wo sie durch urkundliche Zeugnisse fest- 
steht. Aber es fragt sich, ob sie damals schon ganz abge- 
schlossen war; wenigstens scheinen die freilich vereinzel- 
ten romanischen Flurnamen, die sich über Schwyz. 
I'nlerwalden und besonders Tri zerstreut linden, für teil- 
weise längen- Dauer des romanischen Elementes tu spre- 
chen. Dass überhaupt die eingewanderten Alemannen mit 
der romanischen Alpenbevolkerung geraume /ojt hin- 
durch in enger Berührung gelebt halten mu--en, lehrt 
die starke Einwirkung, welche ihre alpwirtschafllicheTer- 
minologie von derselben erfahren hat und welche sich 
nur daraus erklart, dass die Domänen auch auf diesem 
• iebiete die Lehrmeister der Germanen gewesen sind, l'm 
die selbe Zeit ungefähr wie die Waldslalte mag das Iter- 
ner Oberland zum Teil von den Alemannen besiedelt wur- 
den «in: haar wie dort hat die vordcut*cliat romani-che 
FSevölkerung nicht nur in Ortsnamen, sondern auch in 

Ii firtUpfKaweiMi Ausbreitung auch hier scheinen gewisse 
•ich wiederholende Ort«Dameuj»rupp«D tu sprechen ivergl. den 
\*itigtr fur ichweil, (iachichl*. 18*6. 1 ff ). 



einzelnen Flurnamen (so in der Gegend des Brienzerseesi 
Spuren ihres Daseins hinterlassen. Wahrscheinlich ins 
9. Jahrhundert sind endlich die Anfänge der deutschen 
Kolonisation des Oberwallis zu setzen, das nach Ausweis 
zahlreicher, über das ganze Gebiet verteilter undeutscher 
Ortsbezeichnungen bis dahin ebenfalls eine romanisierte 
Bevölkerung hatte. Gegen eine spatere Zeit der deutschen 
Besiedlung spricht das fast gänzliche Fehlen romanischer 
Flurnamen in den obersten Zernien, gegen eine frühere 
der Charakter der deutschen Ortsnamen, die mit wenigen 
Ausnahmen dem jungem sog. Flurnamcntypus angehören 
(J. Zimmerli : /he deuuclt ■ / inn:ü»ixrhe Sitfirlifireinr III, 
88). Woher die deutschen Siedler kamen, ist nicht über- 
liefert. Da indessen der Osten. Süden und Westen') »«, 
gut wie ausgeschlossen sind, kann nur der Norden, das 
liemer Oberland in Frage kommen, und zwar in erster 
Linie das Ilasiethal, schon deswegen, weil die Germanisie- 
rung des Khonethals ohne Zweifel von oben nach unten 
vorgeschritten Dass zwischen dem Oberwallis und Ber- 
ner Oberland alter Zusammenhang und A'erkehr bestand, 
ist eine vielfach beglaubigte Talsache ; dazu kommt die 
ausserordentlich nahe sprachliche Verwandtschaft zwi- 
schen den beiden Gebieten, die durch unsere Annahme 
die einfachste Erklärung findet *i. 

Mit etwas grosserer Sicherheil lässt sich die ältere Ent- 
wicklung der östlichen Sprachgrenze bestimmen, wenn 
schon auch hier, besonders was die zeitliche Fixierung 
der einzelnen Vorgänge angeht, manches zweifelhaft 
bleibt. Sicher ist zunächst, dass im Nonlen jenes Gebie- 
tes, das nach unsrer frühern Gr-en/hestimraung ehemals 
zur Provinz Kätien gehörte noch lange nach der aleman- 
nischen Einwanderung Heste romanischer Bevölkerung, 
seien es Hätoromanen oder romanisierte llelvetier, sich 
behauptet haben. Wir wissen, dass noch im 7. Jahrhun- 
dert in der Gegend von Bregenz romanisch gesprochen 
wurde: noch zu Anfang des ».Jahrhunderts werden die 
Bewohner des allen Arbon Hotnani (bei Walahfrid 
Strahn Betiani) genannt, ja noch im 10. Jahrhundert 
scheint in der Nähe v,on St. Gallen das romanische Idiom 
fortgelebl zu haben (vergl. A. Holt/mann: Kelten uiut 
Germanen. S. 131 ff .). In gleicher Dichtung weist eine 
sprachliche Tatsache. Die heutige Mundart im ohern und 
mittlem Thurgau und im angrenzenden Teil des Kantons 
St. Gallen, dem sog. Fürstenland'''), teilt mit der Mundart 
im Bheinthal vom llirschensprung aufwärts bis üher 
Chur hinaus, im ganzen St. Galler Oberland, im Gaster- 
nnd Glarnerland — also auf ausnahmslos alträtischem 
Boden — die Eigentümlichkeit, dass urdeutaches k in den 
Verbindungen nk und kk statt der sonst 1 ) im Südale- 
mannischen herrschenden Affrikaia k.r als reine Fortis k 
(ifij) erscheint: trtjk.i, lekk.* < — denken, decken) für 
teijk.r.t, tek.r.t. '•) Es scheint mir sicher, dass das nicht als 
'•unterbliebene l^iulverschiebung", sondern aus einer 
Veränderung zu erklären ist, die das alemannische Deutsch 
in romanischem Munde erfuhr, indem dieser den ihm 
fremden Laut A r durch das ihm geläufige k ersetzte, wie 
das ja noch jetzt deiilschsprechende Domänen lun." > Dar- 

') Der Osleo (da« l'rserothal) var im 9. Jahrhundert und auch 
später Doch »icber rornaoiseb. Warum an burgundische Ein- 
wanderung von Westen bar Dicht xu denken ist, begründet 
Zimmerh a.a.O. julreltetid damit, das« Anzeichen hurguridischer 
Siedelung im Mittel- und l'ntarwallis völlig fehlen. 

•) Natürlich wurde die (i. B. voo Studer: Walliser u»H 
Walser, S. 31 ff. vertretene) umgekehrte Annahme, dasa das 
liemer Oberland vom Wallis au* besiedelt worden sei. diese 
Tataacben ebenso gut erklureu, »ie scheitert aber, von andern 
Schwierigkeiten abgegeben, schon darao. da*i dann die Her- 
kunft der deutschen Walliser ein völliges Hut sei bliebe. Dass 
apater vom Wallis aus einzelne Kolonien nachdem (Iberland 
entsandt wurden, »«II damit nicht bestritten sein, steht auch 
mit unserer Annahme nicht im Widerspruch. 

'I ohne die Stadt St. Galten selbst, die wie da« angrenzende 
Appentell die AlTrikata bat. 

*) mit Ausnahme «Je» Nordwaatens. wo die Erscheinung aber, 
wie sich feigen wird, ander« zu beurteilen ist. 

>) fcane erklärende Tabelle der im Abschnitt « Sprachen und 
Mundarten » zur YcrwendUDggekiitnmcoen phonetischen Zeicbeo 
lindet der Le»er weiter bluten 

*i Dass die Mundart neben der u romanischen Fortis •> doch 
das tiefe ^cbwcizeriiche .c hat >in .< 'inJ, ttar.r mt i, ist freilich 
aiitfallig. Im C.hurer Rhcmthal, das erst viel spater zmn Deut- 
schen ribergc>ranLren ist i». u.l, wird denn auch weiter vorn ar- 
tikulierter Kvibelaiit K«"l'r»chen, der mehr wie »tarke» bezw 



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«2 



si.iiw 



SCHW 



nach wäre also anzunehmen, dass es »ich hei der Genna- j 
nisierung jener Gebiete weniger um eine Verdrängung I 
des romanischen Elements durch die alemannische Hin- \ 
Wanderung als um einen Sprarhwechsel der eingescs- I 
seilen romanischen Bevölkerung handelte und dass die \ 
eingewanderten Alemannen, die zwar die besitzende und 
herrschende Klasse hildelen. aber in Minderheit waren, 
sich in dem einen Punkte der sprachlichen Mehrheit 
fugten. Jedenfalls haben wir hier einen weitern Beweis 
tu r die laiigere Erhaltung romanischer Sprache in den 
westlichen liodensocgegpnden. Wie lange sie sich erhielt, 
lässt sich nicht mit Sicherheit angehen : «loch muss man 
aus dem ganz deutschen Charakter iler Flurnarncngchung 
schliefen, dass der ['ebergang zum Deutschen im 9. und 
Ii) Jahrhundert im wesentlichen abgeschlossen war. um 
Jahrhunderte früher als im südlichen churralischen Ge- : 
biet. Aullalligerweise fehlt nun aber jenes lautliche Merk- 
mal den Mundarten im 'Poggenburg. Appen/ellerland und 
untern Hheinthal, die doch auch zum alten Italien gehör- 
ten. Oh das damit zusammenhangt, dass diese Gebiete 
zur Zeit der alemannischen Besitznahme nur schwach 
von Itomanen bevölkert waren, so dass das deutsche hie- , 
mcnt von Anfang an überwog Ich sehe keine andre Mög- 
lichkeit der Erklärung')- Verhältnismässig früh muss 
auch der westliche Teil desllaslerlanrles und dasGlamer- 
land deutsch geworden sein. Immerhin erlauben noch i 
heute erhaltene Beste romanischer Flurnamen im letztern j 
Kanton nicht, die Gerniani«iemng früher als etwa ins II. 
Jahrhundert zu setzen ; beträchtlich langer hielt sich das ! 
Romanische auf dem Kerenzerberg am Südufer des Walen- , 
sces. Jenseits einer Linie, die ungefähr von Schannis im i 
Gasler, die oberste Thalslufe de- 'Poggenburgs t Wildhaus*] | 
einschliessend. zum Hirschensprung im Bheinthal verlief, i 
dasheisst innerhalbderGrenzenChurrätiena, sassnoch im 
'J.Jahrhundert fast unvermischte romanische Bevölkerung 
' vei gl. dazu das Zeugnis der Flurnamen bei W.Go t / i n ge r : 
Die loiminixihftt (h'lsixmii'H r/ex Ktttitonx St. Gallt'n. 
ISH1). Gerade das 9. Jahrhunrlei l aber leitete die ent- 
scheidende Wendung zu gunsten des Deutschtums ein : 
im Anfang rlesselben verliert Ghurratien durch Einfüh- 
rung der fränkischen Grafschaftsverfassung seine bis- 
herige Sonderstellung, vermöge deren inmische Einrieb- , 
tungen und Kullurtrailition sich im Lande lebendig er- 
halten halten: H43 kommt es an das oslfränkische Beich, 
gleichzeitig wird das Bistum ('.hur aus dem Verbände mit 
Mailand gelost und ans Er/bisliim Mainz angeschlossen; 
das Jahr 917 endlich bringt die Vereinigung mit dem 
Herzogtum Aleiuannien. Damit waren die Karlen, die 
Bätien an den romanischen Süden, an Italien geknüpft 
hatten, endgiltig durchschnitten und das Land politisch 
und kulturell deutschem Einlluss preisgegeben. Freilich 
vermochte sich dieser, zumal in der Sprache, nicht so 
schnell durchzusetzen, ist doch Bätien /.um Teil heute 
noch romanisches Land. Wohl erscheinen fortan mehr 
und mehr Deutsche als Inhaber der geistlichen und welt- 
lichen Aemter und in ihrem Gefolge zahlreiche deutsche 
Dienslleule. das Deutsche wird die Sprache der tonan- 
gebenden Kreise, später an Stelle des Lateins auch die 
Sprache des amtlichen Verkehrs: es herrscht in den Ur- 
kunden und Bechtsaufzeichnungen selbst in Gebieten, die 
noch jetzt romanisch sind. 1 ! Al*r die Masse des Volkes 
verharrte zunächst überall bei dem angestammten rätoro- 
manischen Idiom; nur langsam. Schrill für Schritt ge- 

gemiutertea h klingt (im Anlaut k>i,. Aehnlicbea »erden wir 
auch fOr da« (ländliche lieblet vorauszueilen haben : im Laufe 
der Jahrhunderte ist dann aber au* der Nachbarschaft da* tiefe 
jt eingedrungen und »1« «hinge Krinnerung an die romanische 
Zung-j un»re Kortis gehlieben, die übrigens in der tiegenwart 
auch vor der gemrirraohweizer. AtTrrkala kx im Zurückweichen 
beg rufen i«t 

') Die VerbaltniM« müssen also ähnlich gewesen »ein wie im 
westlich anstoßenden Helveheo, wo das Rumänische auch 
keine erkennbare Spar in der deutschen Mundart aurOckgelas- 
sen hat. 

»i Wenn Wildbaut beut« im Gegensals »um angrenaenden 
Rhemlhal jene « ruman lache Forli»" nicht unehr'.') hat, also 
l<'kx<>, tnj/iXJ auriebl, »u tat das catorleh toggenburgiacher 
Kiofliiss. wie denn die heutige Mundart \un Widhau* derToggeo- 
biirger Mundart auch aonal naher sieht als der Rheinthaler 

') Auch die deutschen Burgnamen auf roliiamscbem Gebiet 
linden hier ihre Krklarung. 



wann hier das Deutsche Boden. Am frühesten nalurge- 
mäss in Unterratien, wo der Einfluss der alemannischen 
Nachbarschaft sich am stärksten geltend machte. Im 
Chtirer Bheinthal und in Chur selbst ist das Deutsche als 
Volkssprache erst um die Wende des 15. Jahrhunderts zu 
unbestrittener Herrschaft gelangt, zu einer Zeit, da e». 
wie wir sehen werden, in den von den Waisern koloni- 
sierten bündnerischen Bochthälern längst feste Wurzeln 
geschlagen hatte. 

Es erübrigt nun noch, im Anschlug* an die bisherigen 
Ausführungen die Entw ick lung der Sprachg re nz<- 
seit dem spätem Mittelalter bis zurGegen- 
w a rl zu verfolgen. Mit Bezug auf die Westgrenze wurde 
im allgemeinen festgestellt, dass dieselbe im Mittelaller 
teilweise in erheblichem Masse östlicher verlief als heut- 
zutage. An Hand der loponomaslischen Talsachen und 
urkundlicher Nachrichten ergibt sich, das» folgende heute 
deutschen Gebiete einst zum romanischen Sprachbereich 
gehörten: l.diel'mgcbung von Biel (das trotz seines deutsch 
klingenden Namens wahrscheinlich selbst keine deutsche 
Gründung ist) und das Westufer des Bielersees. i. das sog. 
Berner Seeland zw ischen Bielcrsee. Zihl und Neuenburger 
See, der heutige Bezirk Erlach. 3. der südlich angrenzende 
Teil des Freiburger Seebezirks mit M urten als Zentrum 
und 4. das Gebiet der Gemeinden Giflers, St. Silvester. 
I'lasselb unri l'lalTeien im Sensebezirk. Die Zeit dieser 
deutschen Eroberungen ist vielfach nicht genau festzu- 
stellen. Sicher ist, dass »ie im Norden. Westen und 
Süden des Bielersees noch ins Mittelaller zurückgehen. 
Wie früh deutsche Sprache im Berner Seeland mächtig 
wurde, zeigt der dieser (ir gend angehorige Graf Budull 
von Neuenbürg (Fenis). der älteste bekannt« Minnesänger 
uns res Landes, der gegen Ende des 12. Jahrhunderts pro- 
venzalische Liebeslyrik in deutschen Strophen nach- 
ahmte. 

Bestimmte Daten lassen sich für das Westufer geben. 
Die Weinberge von Twann waren seil alter Zeit im Be- 
sitz rleiitschschweizerischer Grundherren, die sie wohl 
durch deutsche Hintersassen bebauen Hessen. Schon fürs 

13. Jahrhundert bezeugen dort deutsche Flurnamen den 
im Fluss befindlichen Gerinanisierungsprozess. Nicht viel 
später wird dieser in den nördlicher gelegenen Orten 
Tuscherz undViugelz vor sich gegangen sein. Das südlichere 
l.igerz dagegen ist anscheinend erst seit dem 17. Jahr- 
luiiidert davon ergriffen und erst seil elwa B)0Jahren völlig 
deutsch geworden. In dem benachbarten zu Neuveville 
gehörigen Weiler Chavanne vollzieht sich der I 'ebergang 
zum Deutschen vor unsern Augen. Im Freiburger See- 
bezirk reichen die ältesten Vorstos.se des Deutschen ohne 
Zweifel ebenfall« tief ins Mittelalter zurück. Doch war 
der westliche Teil des Murtenbicts bis ins 15. Jahrhundert 
noch rein oder vorwiegend romanisch, desgleichen Mur- 
ten selbst, wenn sich auch deutsche Elemente unter 
seiner Einwohnerschaft schon in der ersten Hälfte des 

14. Jahrhunderls nachweisen lassen. Kräftig setzte die 
Germanisierung erst seit dem ausgehenden Mittelalter 
ein und führte im Laufe des 16.-18. Jahrhunderts zu 
einer nachhaltigen Verschiebung der Sprachgrenze, zum 
Teil sogar über die heutige Grenze hinaus. Indessen hat 
eine jüngere rückläufige Bewegung vorgeschobene Posten 
wie Cressier. Courtaman. Courtepin, Barbereche teils 
dem Welschtum neuerdings gewonnen, teils deren Wie- 
dergewinnung vorbereitet. Anderseits sind noch im 
I». Jahrhundert eine Anzahl Orte (Mcyriez. Greng, Cous- 
siberle. Gourlevon) dem deutschen Gebiet zugewachsen. - 
Wieder ins Mittelalter zurück gehen die Verluste, die 
das rumänische Gebiet südöstlich von Freiburg, im Thal 
der obern Gerine und von Plaifeien erlitten hat. Auch 
hier griff die deutsche Offensive über die jetzige Sprach- 
grenze hinaus, noch weil kräftiger als im Seebezirk, 
und erfüllte die Gegenden westlich gegen die Saane, süd- 
wärts bis La Boche im Greierzcrlaud, nordwärts bis 
Mark, mit deutsehen Ansiedlern. Zu einer durchgreifen- 
den! .ernianisierutig kam es indessen uicht, überall behaup- 
tete sich das romanische Element neben dem deutschen 
in wechselnder Stärke. So blieben die Dinge bis ins 
18. 10. Jahrhundert, wo das exponierte Deutschtum dieses 
Gebietes dem Umschwung der Verhältnisse grösstenteils 
/um Opfer fiel. Nur Marly hat nach mannigfachen 
Schwankungen seinen gemischtsprachigen Gharakier bis 



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SCIIW 

zur lifgenwart bewahrt, ebenso Pierraforlseha. wo das 
iffiitsclie Element noch überwiegt. — Von grosser Dedeu- 
tung für die Entwicklung der sprachlichen Machtverhält- 
nisse in freiburgischen Landen war der Verlauf der 
Sprach bewegnng in der llaupUtadt. Durch die deutschen 
/•ähringcr 1177 als Stützpunkt ihrer Hausmacht gegen 
Werten gegründet, war Freihurg ursprünglich eine 
.leulsche Stadt. Sie büsste aber dienen Charakter schon 
-ehr bald ein. Ihre Lage an der deutsch-romanischen 
«ireiize. die Vorteile, die sie in politischer und ökonomi- 
sch.-r Itc/ieliunj.' dem Ansiedler bot, die Vorliebe des 
Welschen Dir städtisches Zusammenleben, all «las hatte 
«■inen erheblichen Zuzug au* dem welschen llinterlande 
»ur Folge; dazu kam. dass der Klerus {die Stadt gehörte 
Mim Sprengel von Lausanne | überwiegend französisch war 
und seinen starken Kinlluss in diesem Sinne geltend 
marhte. Seit der 2. Hälfte des KL Jahrhunderts herrschte 
.las Französische in der städtischen Kanzlei: auch die 
ältesten Schulen waren französisch. Line Wendung zu 
-uoiten des Deutschen brachte dann im 15. Jahrhundert 
•lie politische Annäherung an die deutsche Kidgcnossen- 
«chaft. und mit seinem Eintritt in den Kund nach Ah- 
»chutielung der savoyischen Herrschaft wurde Freiburg 
offiziell wie«ler deutsch, das Deutsche die einzig aner- 
Vannle Amts-. Schul- und Kirchensprache, und das 
Französisch«' nah sich auf den Privat* und Familienver- 
kehr zurückgedrängt. An Zahl hielt die franzosische Be- 
völkerung der «IcutschenTiach wie vor ungefähr die Wage. 
Im 17. und 18. Jahrhundert, in der Zeit der literarischen, 
überhaupt kulturellen Hegemonie Frankreichs, erlangte 
'la* Französische insofern wieder das Uehergewir ht. als 
die gebildeten und sozial höher stehenden Kreisesich ihm 
zuwandten, l'm so leichter konnte es geschehen, dass die 
politische l'inwälzung um die Wende des IS. Jahrhunderts I 
mit dem alten Regiment auch die ofllzielle Herrschaft des 
deutschen beseitigte. 18C10 wurde das Franzosische aus- 
drücklich als Staatssprache de« neuen Kanton* Freiburg 
<rklart und genoss fortan derselben Forderung von oben j 
herab, die unter den frühem Verhältnissen dem Deutschen | 
zu gute gekommen war. Dass seitdem grundsätzlich die 
lileichbereclitigung beider Sprachen proklamiert wurde, 
änderte daran in Wirklichkeit nicht viel, zumal in der 
Hauptstadt, deren Verwaltung in allen Zweigen ausschliess- 
lich franzosisch blieb. Auch die Kirche hielt an der alten 
Hunitcsgeno&senachaft mit dem Franzosischen fest. So 
konnte es nicht ausbleiben, dass das numerische Verhält- 
nis des französischen und deutschen Elements sich zu 
l'ngunslen des letztern verschob, das bei der jüngsten 
Zahlung nur noch '/ 3 der Bevölkerung ausmachte (jöit5 
deutsche auf 9701 Welsche). Dass es nicht noch starker '< 
zurückging, ist der anhaltenden starken Zuwanderung aus ! 
dem deutschen Knntonsleil und der übrigen deutschen 
Schweii zuzuschreiben. Die alte lokale Scheidung zwi- 
schen der deutschen l'nterstadt und der französischen 
Oberstadt hat heute keine Berechtigung mehr. 

Auf den engen Zusammenhang, der zwischen der Ent- 
wicklung der westlichen Sprachgrenze und gewissen gros- 
sen Tatsachen unsrer Geschichte besteht, hat namentlich 
H. Morf I Ihiiturfic itiui Hornau cn in der Srhuviz. S. 24 
ll.) hingewiesen Jene mittelalterlichen Verstösse des 
Deutschen am Hielersee und im Freiburger Mittelland 
fallen ohne Zweifel zusammen mit der Ausbreitung der 
uhringischen Herrschaft im 12. und Anfang tles 13. Jahr- 
hunderts. Kine neue, dem Deutschtum günstige l\|x>rhe 
leiteten die Rurgunderkriege ein : teils wurde der ältere 
deutsche Besitzstand befestigt, teils neues tiebiet hinzu- 
gewonnen. Letzteres war besonders in der Herrschaft 
Murten der Fall, die 1470 an Bern und Freiburg kam und 
unter dem Kinlluss Berns nicht nur endgiltig germanisiert, 
sondern auch der Deformation zugeführt wurde, womit 
''in neues wichtiges Moment in die Sprachbewegiing ein- 
trat. Linen französischen Bückstoss, dessen Wirkungen I 
noch heute nicht abgeschlossen sind, brachte die franzö- j 
sischc Devolution und die durch sie herbeigeführte l'm- , 
hildung der Eidgenossenschaft. In Freiburg gewinnt da- j 
durch da* Französische die Oberhand und gefährdet, von | 
Staat und katholischer Kirche begünstigt, eine der noch 
nicht gefestigten deutschen Positionen um die andere. An- , 
derseiu erweist sich das deutsche protestantische Murten | 
al- • kirchliches und wirtschaftliches Germanisicrungs- I 



SCIIW 6 s 

Zentrum » und hält den von der Hauptstadt ausgehenden 
t'umanisierenden Einflüssen innerhalb seiner Einlluss- 
sphäre erfolgreich das Gegengewicht. Im Zeichen dieses 
Gegensatzes steht die moderne freiburgische Sprachhewe- 
gmig. 

In ähnlichen, auch zeillich entsprechenden Etappen 
wie im Freiburgisehen verlief die Entwicklung der deut- 
schen Sprachgrenze im Wallis. Als ältestes deutsches 
Gehirl, von dessen Besitznahme früher die Heile war, ha- 
ben die obersten Thalstiifcu bis gegen Hng und Naters hin- 
unter, also die Bezirke Goms und Morel zu gelten ; es ist 
als solches gekennzeichnet durch das Fehlen romanischer 
Flurbe/eichnungen Von hier aus wurde, wahrscheinlich 
im 12. 13. Jahrhundert, das tiebiet bis zur Mündung der 
Lon/a (Bezirk«' Itrig. Visp und Baron) dem Deutschtum 
gewonnen: hier linden sich noch zerstreut romanische 
Flurnamen an der I.onziimünduiig die letzten deutschen 
Ortsnamen (Steg, Hohtenn i. Ein neuer Vorstoss. seit dem 
14. Jahrhundert erkennbar, führte zur Gennanisierung 
des Bezirks Lenk und schuf dem HeulKchen auch in Siders 
und Sitten das Uebergew ichl. Wieih r ist der Flornameu- 
hefund charakteristisch: im Bezirk Lenk sind romanische 
Flurnamen noch haitiig. schon in Leuk machen sie -, , des 
ganzen Bestandes aus, in Saigesch, dem untersten Dorf 
des Bezirks, ebenso in Siders und Sitten bilden sie die 
Hegel. Auch im Wallis liegt der Zusammenhang der 
sprachlichen Verschiebungen mit dem Gang der Landes- 
geschichle offen zu Tage: sie sind nichts als Begleiter- 
scheinungen des grossen Kampfes, den die in ihrer Mehr- 
heil deutschen Bauerngemeinuen des Oberwallis mit dem 
Baus Savoyen. bezw. dem ihm dienstbaren Landadel und 
dem Bischof von Sitten um die Vorherrschaft im Bhone- 
thftl führten und der 1475 mit der Eroberung des Unter- 
wallis endete, das fortan (bis 17HKt l'ntertanenlaml des 
Oberwallis war. Nur in der altern Zeit geschah die Aus- 
breitung der deutschen Siedelungen wohl auch wie ander- 
wärts mit Zustimmung oder auf direkte Veranlassung und 
Befehl der Feudalherren, um unbebaute Gegenden ihres 
Besitzes zu bevölkern und nutzbar zu machen; wie denn 
die deutsche liesiedelung des Lotsehenthals den Herren 
von Thum zugeschrieben wird, denen das Thal im 13. 
und 14. Jahrhundert gehörte. 

Schon im 14. Jahrhundert scheinen die obern Gemein- 
den des Zerniens Lenk deutsch geworden zu sein ; im 
untern Teil vollzog sich der l'ebergang im l-aufe des 15. 
und Di. Jahrhunderts : Saigesch war im 15. Jahrhundert 
noch romanisch, Leuk um die Mitte des 10. noch doppel- 
sprachig. Das Gleiche ist ans der selben Zeit fürSulers 
bezeugt, ebenso für Sitten, wo die ersten sichern Anzei- 
chen deutscher Einwanderung im Anfang des 15. Jahr- 
hunderts auftreten. Wahren«! aber Leuk spater vollstän- 
dig verdeutscht wurde, war das in Siders wohl niemals 
der Fall, und noch weniger in Sitten, wenn auch das 
Deutsche im 17. und IS. Jahrhundert nicht nur das ganze 
öffentliche Leben beherrschte, sondern auch die entschie- 
dene Mehrheit der Bevölkerung für sich hatte. Dazukam, 
dass, im Gegensalz zu den obern Bezirken, in Siders und 
Sitten die Germaiiisierung sich im wesentlichen auf das 
Weichbild dieser Orte beschränkte, wahrend das umlie- 
gende Land romanisch blieb {das bei Sitten gelegene und 
wirtschaftlich mit ihm zusammengehörige Bramois aus- 
genommen). Wie in Freiburg, so leitete im Wallis die 
l'inwälzung von 17Ö8 eine Wendung zugunsten des Fran- 
zösischen ein. Das Oberwallis verlor seine politischen 
Vorrechte. Indem die Verfassung von IHK) für die Bestel- 
lung der Staatsbehörden den Grundsatz der proportiona- 
len Vertretung aufstellte, musste die politische Vorherr- 
schaft dem numerisch weil starkem romanischen Landes- 
teil zufallen. Das Franzosische wurtle, wenn auch nichl 
gesetzlich, so doch in Wirklichkeil die eigentliche SlaaU- 
sprache. Die Folge war ein rascher Hückgang des Deutsch- 
tums vor allem in der Hauptstaalt. Während noch zu An- 
fang dt-s Dl. Jahrhunderts ihrer Bewohner deutsch 
sprachen, hatten die Deutschen schon ISoU die Mehrheit 
eingebüsst und machten im Jahr D«tU kaum mehr '/«. 
noch dazu den wirtschaftlich schwächsten Teil der Be- 
völkerung aus. In der gleichen Dichtung ging die Ent- 
wicklung im benachbarten Bramois. das um I.HW) noch 
IKJ-70" 1 ,, Deutsche zählte, heule aber eine starke franzosi- 
sclo- Mehrheit hat. Ebenso in Siders, wo «las deutsche 



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SCIIW 



SCIIW 



Element, obschon es nach den Erhebungen vom Jahr 1W00 i 
nn Zahl noch nicht sehr «eil hinter dem welschen zurück- 
stand, auf der ganzen Linie vor dem Franzosischen kapi- ' 
tuliert zu haben scheint. Dag Deutsche ist damit auf das 
geschlossene Gebiet von Salgesch aufwärts zurückge- 
drängt ; ob es »ich dort trotz der Ungunst der Verhältnisse 
im ganzen Umfang zu behaupten vermag, wird die Zu- , 
kund lehren. 

Die zähen und erfolgreichen Versuche der deutschen 
Itauern des Ohcrwallis. den Hereich ihrer Siedelungen 
weiter über da« heimatliche Thal auszudehnen, waren 
weit davon entfernt, ihre Etpansivkraft zu erschöpfen 1 ). 
Es ist nicht unwahrscheinlich, das*, wie berichtet wird, 
auch ein Teil des Hemer Oberlandes von ihnen besiedelt J 
worden i*l, .l»v/i >• für n m huvi:rri»fhe iimcliifhlr. IV, 101 ). f 
Keinem Zweifel unterliegt. d:i*s die deutschen Kolonien i 
an der Südflanke der Alpen vom Oberwallis ausgingen: 
geographische, historische und sprachliche Grünile, sowie 
lokale I'ebcrlieferungen sprechen in gleicher Weise da 
für. l'ebcr Zeit und nähere Umstände der Ansiedelung 
haben wir zwar nur spärliche Nachrichten, die urkund- 
lichen Zeugnisse für deutsche Seßhaftigkeit stammen 
meist eint aus dem Ii. Jahrliundert und aus noch spaterer 
Zeit; trotzdem darf als sicher gelten. dasB die Niederlas- 
sungen in» 13.. z.T. vielleicht noch ins 12. Jahrhundert 
zurückgehen. Wir wissen auch, dasssie ursprünglich »ich 
erheblich weiter ausdehnten, als die heutigen Heute, er 
kennen lassen. So muss das jetzt wieder ganz romanische 
i französische! Val Cholland südlich vom i ivilhorn einst 
deutsche Bewohner geliaht haben : der oberste 'l'halgrund 
heisst heule noch Canton des Alleinands. unde» linden sich j 
dort Doch deutsche Flurbeze ichnungen. Auch Diva im Val 
Sesia war einmal deutsch. Im Anzascathul erstreckten sich 
die deutschen Siedelungen noch umdie Mitteile» 10. Jahr- 
hunderts weit uher Macngnaga hinunter, im Thal der Tosa 
bis zu ihrer Mündung : die grosse Gemeinde l Irnavasso am | 
Langensee. deren deuUche Hewohner UftM zuerst eisv.ilmt 
wenlen. i»l erst seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts 
völlig italienisch geworden. Das Ie9sinische Uosco wurde 
im 13. Jahrhundert vom deutschen Pommat au» besiedelt. 
Was von all diesen vorgeschobenen Posten des Deutsch- 
tums zur Zeit noch übrig ist. haben wir früher angeführt 
und gesehen, da*s der Vcrnirhlungsprozess, dem sie 
»prachlich seit Jahrhunderten unterliegen, auch in der 
Gegenwart seinen Fortgang nimmt und über kurz oder 
lang ans unvermeidliche Ziel führen wird. 

Noch ungelo»! ist die Frage, wann und woher das 1' r- i 
sernthal seine deutsche Bevölkerung erhallen hat. Dass ! 
es bis ins spatere Mittelalter noch romanisch war, hew fi- 
xen die zahlreichen romanischen Flurnamen *i. Seit ihrem 
Liniritt in die Geschichte, zu Anfang des 14. Jahrhunderts, 
Urkunden die Thalleute in deutscher Sprache. Dürfte man 
uliein nach dem Charakter der heutigen Mundart urteilen, 
so müsste man entschieden Einwanderung aus dem Heuss- 
Ihal annehmen, und die Germanisierung wäre dann ins 
13. Jahrliundert zu setzen, da die Schollene n erst in die- 
sem Jahrhundert dem Verkehr geollnet wurden. Aber es 
bleibt noch zu untersuchen, ob die heutige weitgehende 
Ucbercinstimmung der Ursenerund Urner Mundart nicht 
erst eine Folge des jahrhundertelangen engen Verkehr» 
zwischen den beiden Thalern sein kann. Iiis dahin muss 
die Möglichkeit ollen bleiben, dass an der Verdeutschung 
l 'rserns auch das Oberwallis teil hat. mit dem l'rscrn auf 
dem uralten Weg über die Furka in Verbindung und 
nachweislich früh in Beziehungen stand. 

Ihre bedeutendste kolonisatorische Tal haben die deut- 
»chen Dherwalliser. abgesehen vom Wallis selbst, im 

'> Man bat »ich oft gefragt, wie ein klein«* Volk die aus- 
gedehnte knlonmalumcbe laligkeit. die ihm — mit Hvclil — 
zugeschrieben wird, entfallen konnte. Aber venu man einer»en - 
deu gr«*«en Kinderreichtum, der Dimlt heute das Volk de* Ober- 
walli» auszeiconat iü. K, O. Stobler . Dm dornt u/nl ,iit Üom- j 
ser. S 101), Buch Ihr jene alter« Zeit voraii"««t**n d.irf, and-tr 
»eits den gernigen Umfang de« crlraglnhitfeu IM«»< bedenkt, | 
so ist kljir, da» m«.'h daraus fortg»»etz! «ine Btarko l'obervöl- ' 
uerung ergehen inmMe. die (wie u»cb in der Gegenwart! eine 
zahlreiche Auswanderung nioot nur rnftglurh, »undern aui-n no- . 
tig machte. 

•i Keuierkentwerl ist die Tatsache, da»'« die f lurhereicbnun- i 
geu auf der Sonnenseite de» Thalo* meist deuti-li, auf der 
SrhatleoMiilc meiM r»mani»L-h aind 



Osten, im rätischen Gebirge vollbracht. Es kann sich 
hier, schon aus Haumrucksichtcn. nicht darum handeln, 
die weitschichtige • Walserfragc * ausführlich zu erör- 
tern' i. Dass die Walser der Ostschweiz und Vorarlbergs 
ihrem Kern und Ursprung nach deutsche Walliser waren, 
halte ich für erwiesen, wenn es auch nur für die Bhein- 
walder Kolonie urkundlich feststeht. Ich mochte nur hin- 
zufügen, dass auch die Sprache der Walser unzweideutig 
für ihn» Walliser Abkunft spricht. Die deutschen Mund- 
arten Hunden» zerfallen in zwei llauptgrtippen : die eine 
omfasst das Churer Hhcinthal bis Tamms (wozu noch da* 
Thal des Hinterrheins von dessen Mundung bis Thusi« 
kommt, soweit es germanisiert ist i, die andre alles übrige, 
eben das Walser-Gebiet. Zwischen linden lasst sich freilich 
keine scharfe Grenze ziehen, da der Jahrhunderte alte 
gegenseitige Verkehr und die Bcvolkerungsmischung. 
insbesondere auch der Einlluss der Hauptstadt Chur 
uaturgemä«* sprachliche Mischung zur Folge gehabt hat 
Doch nicht in dem Masse, dass nicht die charakteristi- 
schen Unterschiede noch vollkommen deutlich erkenn- 
bar waren. Ich greife aus dem mir zur Hand liegenden 
Material eine Anzahl Erscheinungen heraus, die den 
Lautstanil betreffen, bezeichne die Churer Gruppe mil 
C. die Walser mit W und bemerke, das* alle» für W 
angegebene auch für die Walliser und die damit zusam- 
mengehörigen westlichen Mundarten zutrifft, während 
C meist mit den angrenzenden ostsc hweizerischen Mund- 
arten einig gehl. 

1. Vokale. In W ist alte Kurze vor auslautender Gt- 
räuschlenis und in offener Silbe meist erhalten, in C ge- 
dehnt: Ixul i /ki/ i. IkuI,'. tuul, Uul.i Bad. baden. In W 
ist altes <1 erhalten, z. T. mit leichter o-Farbung, in C 
zu o geworden: hiir: /nie Haar. W hat alte i, ii, i'i auch 
im Hiatus bewahrt (die allgemeine Diphthongierung die- 
ser Laute im äussern Schanligg ist eine Erscheinung 
für sich). C hat sie im Hiatus diphthongiert : irt.>. irrv. 
I numgelauteles i« erscheint in W als <m, et, in C als 
ii : liiu), (<•!( : Iiif - tief. Germanisches t und Sekundär- 
umlaut-e sind in W in <>. m C in >• zusammengefallen : 
n~i.i t, ktttn.i l ; rr.rl, kiilr.rt. Altes u ist in W vor k kr um- 
gelautet, in C nicht: inl,\k.'\: mkks \ Hucken i. Wäh- 
rend W wenigstens in gewissen Formenkategorien alte 
auslautende (lange und kurze) Vokale erhalten hat. sind 
sie in C apokopiert (ausgenommen i, »»); so heisst es 
z. B. in Davos Singular borg, Plural lnir</ ', in C lau- 
ten beide Numeri gleich if>>'rg\. Dazu stimmt, dass in 
W der Vokal der Vorsilbe <)<■- wenigstens vor Verschluss- 
lauten z. T. bewahrt ist ui u t<"i\. In W zeigen die schwa- 
chen Endungsvokale im Gegensatz zu C noch wechselnde 
Färbung, z. T. ihrem verschiedenen etymologischen 
Werl entspn-chend : t. B. Davos ijlokk", *imAA.> = 
tilocke. Schnecke. 

'2. Konsonanten. I i-deutsches k im Anlaut ist in W 
durch .c. in C durch kiht vertn*ten : nnW i.nnlf: khtml. 
W spricht tek.r.; C dagegen ltrkk.> decken. In W er- 
scheint ijk als .r (bezw. Iii mit . Vokalisierung- des Nasal». 
inCals ijk ln.v.ntnh.<) <»t»/A,>. Charakteristisch für W ist 
ferner der I ebeivang von altem - in *. namentlich in pala- 
laler Umgebung ntAi. l;U*r ,>,$»U, luU.»-i - Mause. 
Häuser. Oder die weit häuligere Erhallung aller Geminata 
nach langem Vokal oder Konsonant: ru.mf,., er/».* t= ru- 
fen, erben. Dazu kommen zahlreiche Besonderheiten von 
W in der Formenbildiing iso z. B. die Verallgemeinerung 
des Pluralau»gangs -i au« -m beim starken Neutrum: 
x/iin. hitli Spiele. Gebote), in der Wortbildung (man 
denke etwa an den Beichtum der DmiinutivsiiflUe -i. 
-Ii, -ji, -Im ii»h auch in der Syntax .z. B der ausge- 
dehnte I ^brauch des Geuetivsi und nicht zum wenigsten 
endlich im Wortschatz : uberall stellt sich W zum Wallis 
und seiner Gruppe. 

Das- neben diesen Uehereinstimmiingeii her doch auch 
manche Verschiedenheilen gehen, ist bei der langen 
räumlichen Trennung der beiden Dialekte »clb»tve rständ- 

■l Vergl. die Irefllieh« S'-hrit'l von tä H'anger : K'i-hlugr- 
xhich <■ 'Irr frrim H'rt/i^r in 'irr otltchi>*ii (Bern |sy:, : , dia 
'n ihrem ersinn Teil eine inl ire^ian le t'eberaicht Uber die biv- 
hertgu Kiitwiukluog de» Walserproblams und ein« erneute ein 
gehende Untersuchung der Kragir. x T. mit neuen Oencbl»- 
puukten biaut. dorn «.ho« Berüefc.icbtigung der «pracblicbea 
und kuHurgeschicbtliotwu Seile. 



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SCI1VV 



SCI1W 



lieh : leuentalls sind die Differenzen nicht derart, dass sie 
nicht ohne Schwierigkeit als Ergebnis jüngerer divergie- 
render Entwicklung erwiesen oder verstanden werden 
konnten. Da die Walaerthäler Hunden» und das Ober- 
wallis von jeher durch eine breite Zone romanischen 
Lande* geschieden waren, so ist die sprachliche Zusam- 
mengehörigkeit ihrer Bewohner nur durch Auswande- 
rung aus gemeinsamen Wohnsitzen zu erklaren.- diese 
können aber nach der Lage der Dinge einzig im Wallis 
gesucht werden. Direkte Herkunft aus dem Wallis (bezw. 
au.« dem Formazzathalt steht nun allerdings bloss Cur die 
ältesten Walsersiedelungcn im Rheinwald und wohl auch 
in Davos Test, wo die Walser um 1280 eingewandert sind ; 
wahrscheinlich ist sie auch noch Tür die Kolonie in Obcr- 
suen, deren Alter nicht sicher bestimmbar ist. Von diesen 
zwei (oder drei) l'rsitzenaus breiteten sich dann die Walser 
im Laufe von etwa zwei Jahrhunderten über einen gros- 
sen Teil Dündens bis ins St. Galler Oberland und ins 
Vorarlberg isehe aus; überall trafen und verdrängten sie 
eine wenn auch meist spärliche romanische Bevölkerung, 
deren Dasein teil» urkundlich bezeugt ist. teils in Orts- 
und Flurnamen seine Spuren hinterlassen hat. Auf 
die einzelnen Ktappen der Bewegung kann hier um so 
weniger eingegangen werden, als wir über Ausgangspunkt 
und Gründungszeit der verschiedenen Niederlassungen 
zum Teil auf blosse Vermutungen angewiesen sind. Vom 
Rheinwald sind wohl in der Hauptsache die Kolonien in 
Safien. Ten na. Tschappina, in Vals, vielleicht auch in 
Avers ausgegangen, von Davosdie im Schau figg, in Chur- 
walden. in wiesen und Schmitten, im hintern Drättigau ; 
mit Obersaxen dürften Versam und Valcndas näher zu- 
sammen hangen. Ganz unsicher ist noch, woher die 
Walser in Mutten, im St. Galler Oberland (Calfeisenthal, 
Sarganserland ) Bekommen sind. Im l'r.ittigau. im S.han- 
figg, in Churwalden vollzog sich der ciulgilli^f Anlhll an die 
«Davoser Sprache » erst im Laufe des Iti. .Iiihrhundcrt* '). 
Noch im 15. Jahrhundert war das vordere 1'raUigau ganz 
romanisch ; hier dürfte die Germanisierung teilweise vom 
Rheinthal her erfolgt sein, wo. wie wir früher sahen, das 
Deutsche um die Wende des 13. Jahrhunderts als Volks- 
sprache durchdrang. l'nter dem Einfluss von Chur ging 
ThuMsnooh im IB. Jahrhundert zum Deutschen über. Ver- 
gleicht man die Ausdehnung, die das deutsche Gebiet in 
Bünden damit gewonnen hatte, mit dessen heutigen Gren- 
zen. *o scheint der Fortschritt des Deutschen nur gering. 
Tatsache ist auch, dass die Sprachbewegung vom 17. bis zum 
Ende des 18. Jahrhunderts last stille stand . Desto kräftiger 
setzte sie im 19. Jahrhunderl ein, wenn sie auch vorläufig 
weder zu bedeutenden Gebielsvcrändertingen geführt hat. 
noch in den Ergebnissen der Volkszählungen entsprechen- 
den Ausdruck findet. Dass zwar kleinere Verschiebungen 
der Sprachgrenze zu gunsten des Deutschen eingetreten 
sind, andre bevorstehen, haben wir früher bemerkt. 
Wichtiger aber um! das eigcmlii lir Merkmal der neuern 
Entwicklung ist der allgemeine I rhergang der Rätoroma- 
nen zur Doppel* | n a« 1 1 1 i,' k e j t . Wahrend noch am Ausgang 
des 1H. Jahrhunderts, wie berichtet w ird, gewöhnlich nur 
der gebildete Romane deutsch verstand und sprach, dürfte 
es heute kaum mehr viele Romanen geben, die sich nicht 
wenigstens einigermassen auf deutsch verständlich machen 
könnten. In den romanischen Volksschulen wird so ziem- 
lich überall deutscher Unterricht erteilt, vielfach ist das 
Deutsche alleinige Unterrichtssprache, nicht selten auch 
Vtnts- und Kirchensprache, l'nter den heutigen Formen 
des politischen und wirtschaftlichen Lebens, bei dem ge- 
waltig gesteigerten Verkehr, der seine Wellen ins abgele- 
genste iJergtlorf wirft, kann das Romanentutu unmöglich 
mehr sieh selbst ^enup-n. sondern sieht sich zum Anschluss 
an eine grosse kuit Ursprache ^c;.« ungen. die unter den ge- 
gebenen Verhältnissen nur das deutsche sein kann. Das I 
deutsche w ird dem Romanen mehr und mehr Schriftspra- 
che, die Sprache, in derer mit der Welt verkehrt, durch 
die er mit der modernen Kultur in Verbindung steht. Die 
Verhältnisse sind nicht unähnlich denen, wie sie in klei- 
tifrra Massstab in den deutschen Kolonien am Südfussder 

') Vfrgl. itie in teressuDlm Aoptbuo des Gn«rhichlschreil>*r» 
CCamtn-l) in seiner (um 157Uh<-(zuniieooi)> nitisciitn (ietchicJtle. 
1.141. 159 iMoor'acbe Vebereetzun*). 8enj<Tkoii8*»rl inl, dits 
•ehoo Campet) »cbarf »wischen der .Davuser' und Cburcr Sprache 
I: .Chur allein spricht ein feinere» Deutsch.' 



Alpen, sagen wir in Hosco. zwischen dem Italienischen 
und Deutschen bestehen. Von der Zweisprachigkeit ist 
nur noch ein Schritt zu deutscher Einsprachigkeit. Aber 
dass dieser Schritt so bald allgemein getan werde, ist 
ganz ausgeschlossen: das Romanische wird neben dem 
Deutschen als Sprache des Hauses und des örtlichen Ver- 
kehrs noch lange dauern, wenn auch ein langsames Ab- 
bröckeln seines Gebietes unaufhaltsam sein wird. 

3. Gehrauch des hvuWheu im lüttem ; Mundart 
und Scltriftsprttehr. Der deutsche Schweizer versteht 
und gebraucht im Allgemeinen zwei deutsche Sprachen : 
seine angestammte alemannische Mundart und die neu- 
hochdeutsche Gemeinsprache (Schriftsprache). Ersterer 
bedient er sich, ohne l niersrhied der Bildung, des Stan- 
des oder Berufes, im mündlichen Verkehr, wenigstens mit 
seinen gleichsprachigen Landsleulen, nur ausnahmsweise 
und zu besondern Zwecken wird sie auch geschrieben : 
letzlere ist die herrschende Form des schriftlichen 
Ausdrucks, innerhalb gewisser schwankender Grenzen 
auch der mündlichen Rede. Diese Zweisprachigkeit hat 
indessen nicht immer bestanden, sie ist im Wesent- 
lichen erst eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Die 
ältere Zeit kannte zwar von jeher (d.h. seil überhaupt 
deutsch geschrieben wurdet neben der — ausschliesslich 
mündlich verwendeten - Mundart eine für den Schrift - 
gebrauch bestimmte Sprachform, die sich von der Mund- 
art mehr oder weniger stark unterschied : aber die Kennt- 
nis und vor allem die Handhabung derselben beschränkte 
sich auf einen weit engern Kreis, der um so enger wird, 
je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen. Die 
ältesten deutschen Aufzeichnungen in unserm Lande wie 
auf dem deutschen Sprachgebiet überhaupt gehören dem 
8. Jahrhundert an und stammen aus dem Kloster St. Gal- 
len, das während der ganzen sog. althochdeutschen Peri- 
ode auf unserm Boden so ziemlich die einzige, dafür aber, 
besonders um die Wende des 10. Jahrhunderls, eine der 
hervorragendsten l'llegestätten deutschen Schrifttums 
war. Die literarische Verwendung des Deutschen stand da- 
mals fast ganz im Dienste kirchlich-religiöser und päda- 
gogischer Zwecke, im übrigen wardie Spracheder Kirche 
wie der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens noch 
auf lange hinaus das Latein : die Kunst des Schreibens 
kannten und übten nur Kleriker. Wie sich das geschrie- 
bene Deutsch der St. Galler Mönche zu der landläullgen 
Mundart verhielt, lässt sich im einzelnen nicht feststel- 
len ; soviel ist sicher, dass es im ganzen derselben noch 
| sehr nahe stand. Decken kann sich ja schriftliche und 
I mündliche Sprache überhaupt niemals, nicht nur wegen 
der Fnangeinessenheit der beschrankten Schrift/eichen 
an die Mannigfaltigkeit der lebendigen Rede, sondern auch 
* weil der Schriftgrbrauch als solcher unwillkürlich und 
unvermeidlich ein mehr künstliches und ideales Verhält- 
nis des Schreibenden zur Sprache mit sich führt als der 
unbefangene mündliche Ausdruck «. Dazu kommt in un- 
serm Fall, dass Generationen hindurch fortgesetzte 
Schreibtatigkeit stets die Ausbildung einer gewissen, mehr 
oder weniger festen Tradition zur Folge hat, die mit der 
in unaufhörlichem Fluss befindlichen Entwicklung der 
gesprochenen Sprache in Widerspruch gerät und der 
Schriftform einen archaischen Charakter verleiht. Dass 
auf die Schreibweise der St. Galler auswärtige | fränkische I 
Einflüsse bestimmend eingewirkt haben, wie man wohl 
angenommen hat. ist nicht sicher nachzuweisen. 

Breiter wird der Strom der sprachlichen Uebcrlieferung 
seit der mittelhochdeutschen Zeit. An der glanzvoll aufstei- 
genden literarischen Bewegung des ausgehenden 12. und 
des 13. Jahrhunderts hatte auch unser Land Anteil, freilich 
nicht in führenderSlollung. Es hat damals alle Richtungen 
der Literaturgepllegt. Wie lebendig und verbreitet literari- 
sche Interessen bei uns waren, zeigt die erstaunlich grosse 
Schar von Vertretern, die unsre Gaue zum Chorus der 
Minnesänger stellen, wenn auch die quantitative l'eber- 
legenheit über andre Gebiete gewiss zum Teil in der 
Gunst der Uebcrlieferung begründet ist. Denn die wich- 
tigsten Sammelhandsclinften. in denen uns die Blüten 
mittelhochdeutscher Liederdichlung aufbewahrt sind, 
gehören ihrer Entstehung nach höchstwahrscheinlich der 
deutschen Schweiz an. Diese war auch unter allen deut- 
schen Landen eines der ersten, die den Uebergang von 
der lateinischen zur deutschen Urkundensprache voll- 

1!W - <;eo«.ii. lkx. V - ."> 



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66 SCHW 

zogen (um die Mitte de« 13. Jahrhunderts), Und zwir 
tritt uns gleich in den ältesten deutschen Urkunden eine 
auffällig glatte und einheitliche Schreibweise entgegen, 
die nur unter der Voraussetzung einer in langer Lebung 
gefestigten Tradition und Schulung der Schreiber 
verstandlich ist. Dabei laufen zunächst zwei Richtungen 
nebeneinander und kreuzen sich wohl auch: eine ältere, 
die nach ihrem lautlichen Charakter, insbesondere wegen 
der erhaltenen vollem Gestalt der Endsilbenvokale (baut, 
t)n*nr]i, kilchun, nturou. niaehon, inarhol, gnnarhot, 
tlri»»igost -- Hase, Menge. Kirchen, Mauern, machen, 
macht<e|, gemacht. dreissigstj, ihre Wurzeln in spälalt- 
hochdcutschcr /.eil (11. Jahrhundert) haben muss. und 
eine moderne, die ungefähr dem Typus des klassischen 
Mittelhochdeutsch entspricht. Die erste Richtung ver- 
liert sich als solche im 14. Jahrhundert, dauert aner in 
Einzelheiten iso namentlich in den Partizipien auf -ol, in 
den Superlativen auf-«*/, in den Femininen und Diminu- 
tiven auf -i) bis ins 15. und selbst 16. Jahrhundert, die 
/.weite bildet die Grundlage der Sprache, die als eigent- 
liche schweizerdeutsche Schriftsprache ' | ohne tiefgrei- 
fende Veränderungen und lokale Verschiedenheiten bis in 
den Heginn der Neuzeil und noch länger geschrieben und 
auch gedruckt worden ist. Wie sich nach dem gesagten 
von selbst versteht, war jetzt der Kreis der Schreibenden 
zum guten Teil ein anderer und zugleich weiterer ge- 
worden : neben den Klostern und geistlichen Stiften 
und an Stelle derselben erscheinen als Mittelpunkte des 
Schreibwesens die Kanzleien der Territorialherren und 
Städte, und mehr und mehr sehen wir auch ausserhalb 
dieser Sphäre stehende Gebildete und selbst Halbge- 
bildete die Feder lühren. Dementsprechend wird nicht 
nur weit mehr, sondern auch über mehr geschrieben : 
das Geschriebene ist stolllich viel mannigfaltiger als in 
der altern Zeit, was näher auszuführen hier nicht der 
Ort ist. Aus alledem erklärt sich zweierlei. Kinmal. dass ilie 
Schreibweise bei aller l'ebereinstimmung der ürundzüge 
doch vielfach eine straffe Hegel vermissen lässt — eine 
von Obrigkcils wegen vorgeschriebene Orthographie gab 
e* noch nicht — , dass individuelle und temporäre Schwan- 
kungen sich geltend machen : des teilweisen Fort leben» 
" althochdeutscher » Formen haben wir schon gedacht. So- 
dann (zum Teil mit dem Vorigen sich deckend i. dass 
Kiemente aus der gesprochenen Sprache, der Mundart, 
bald mehr, bald weniger, im ganzen in steigendem Mause 
sich einmischen. Jener mittelhochdeutsche Sprachtypus, 
von dem wir oben sprachen, hatte seine Wurzel und Hei- 
mat auf oberdeutschem (tiordalemannischem) Hoden, und 
seine Festsetzung fiel in eine Zeit, da manche wichtige 
Unterschiede, die später <he Mundarten des alemannischen 
Sprachbereich 1 * spalteten, noch nicht ausgebildet waren. 
Damit bängtes ja wohl auch zusammen, dass jene Schreib- 
form so rasch und alicemein bei uns F.ingang und Ver- 
breitung fand. Trotzdem kann nicht zweifelhaft sein, dass 
ihr Absland von der lebenden Mundart schon im 13. Jahr- 
hundert ein beträchtlicher war. um so grösser natürlich 
im 14. Jahrhundert und später: sie hatte vor allem alter- 
tümlichem Charakter als diese, die im ausgehenden 
Mittelalter bereits die wesentlichen Züge der jetzigen 
Mundart trug. Die verdienstvollen Forschungen Kenward 
Hrandstetler s, die min erstenmal über unsre altern 
Sprachverhällnisse helles Licht verbreitet haben, lassen 
das mit voller Deutlichkeit erkennen: sie haben der 
früher allgemeinen Ansicht, als ob die altschweizerische 
Schriftsprache mit der damaligen Mundart identisch 
sei. ein gründliches Kode gemacht. Nur soviel ist richtig, 
dass die Denkmaler dieser Si.rache. allerdings in stark 
wechselndem Vlas*», von mundartlichen Kiementen durch- 
setzt sind. Wenn noch heute der Schriftdeutsch schrei- 
bende Schweizer unl.ewusst in Woitgebrauch und Wort- 
fügung (weniger in der Formenbildung) seine schweize- 
rische Abkunft verrat, und zwar desto ausgesprochener, 
je ungebildeter er ist. um wieviel mehr niusste das der 
Fall sein, wenn ein Schweizer der altem Zeil sein Schrift- 
deutsch schrieb, das nach allen Kichlungen hin weniger 
festgelegt war und vor allem sieh auch weniger stark 
will seiner Mundart unterschied, als die heutige Schrift- 
sprache von der unsrigen; darum musste auch der Unler- 
•l t u brmicort j>|i»i«l-ilie. iiichi .le» Qbliclicn Ausflr«.-k Kanzlei- 
»pr« bf. d*r mir zu ,-ng •rkctioillt. 



SCHW 

schied zwischen gebildeten und ungebildeten Schreibern 
damals grösser sein. Daneben kam es aber auch schon 
vor. dass man mundartlichen Elementen absichtlich Zu- 
tritt gewährte, um die Sprache volkstümlich zu färben, 
auch nurum komische Wirkungen tu erzielen, oder weil 
überhaupt das Dargestellte in der Sphäre der Volkssprache 
lag.'» Dass wir aber diese mundartlichen Beimischungen 
als solche zu erkennen vermögen, ist der beste He weis für 
den tatsächlich bestellenden Abstand zwischen geschrie- 
bener und gesprochener Sprache. 

Schwierig ist die Entscheidung, inwieweit das altschwei- 
zerische Schriftdeutsch auch in mündlichem Gehrauche 
war. In gewissem Umfange hat das R. Brand-stelter mit 
Hecht angenommen; er glaubt sogar in einigen Punkten 
feststellen zu können, wie man das geschriebene Wort 
aussprach ; so habe man geschriebenes anlautendes k nicht 
durch s. wie es der Mundart entsprochen hätte, sondern 
durch k.r wiedergegeben. Sicher ist, dass, wer z. B- 
Aktenstücke vorlas, sie nicht in die Mundart umsetzte: 
sehr wahrscheinlich auch, dass öffentliche Reden, auf 
der Kanzel, in Ratsversammlungeu u.s.w., zum mindesten 
schriftsprachlich gefärbt waren, schon weil für manche 
Hegriffe, ohne die hier nicht auszukommen war. die 
. Mundart keinen Ausdruck bot. Hei der Aufführung 
von Festnachts- und Osterspielen wird man sich aoeh 
gewöhnlich an den schriftsprachlichen Text gehalten 
haben. Doch war die Lautgcbung, von besondern Fällen 
abgesehen, gewiss überall mundartlich, und der selbe 
Text klang in Hern und Zürich fast ebenso verschieden, 
wie die Mundarten dieser Orte. So hat man es ja auch 
später zum Teil mit der neuhochdeutschen Schriftsprache 
gehalten bis ins 19. Jahrhundert hinein, in geringen» 
Grade bis auf den heutigen Tag. Auch darin liegt ein 
Analogon zu neuern Verhältnissen, dass schon damals 
allerlei Sprachgut aus der geschriebenen Sprache in die 
Volksmundart einsickerte. Das» aber die Umgangttsprac.be 
Her >• bessern » Gesellschaft unsrer Städte stark von 
schriftsprachlichen Kiementen durchsetzt gewesen sei, 
wie man mit Hezug auf Hern gemeint hat. ist sicher ein 
zu weit gehender Analogieschluss. 

Eine folgenschwere Umgestaltung der geschilderten 
Verhältnisse kündigte sich an, als die auf schriftsprach- 
liche Einheit abzielende Bewegung, die im benachitarten 
Deutschland namentlich seit dem I.Y Jahrhundert in Fluss 
gekommen war und durch Luther 's machtvolles Wirken 
ihre entscheidende Richtung erhallen hatte, seit dem 16. 
Jahrhundert ihre VV eilen auch über unsre Laudesgrenzen 
herüherwarf. Hascher Erfolg stand für sie allerdings 
bei uns nicht zu erwarten, aus mehr als einein Grunde. 
Kinmal wegen des gewaltigen Abstände», der die auf 
ostmiltcldculschem Boden erwachsene neue Schriftsprache 
von der schweizerischen trennte, der in gleichem Mass« 
die (irammatik wie das Lexikon betraf. Am auffälligsten 
erschienen, weil das äussere Gepräge der Sprache in 
erster Linie bestimmend, die I ntersciiiede auf dein Ge- 
biet der Staiiimsilbenvokale : hier hatte die schweizerische 
Schriftsprache in Uchercinstinimuiu? mit der Mundart 
die alten langen Vokale i u u bewahrt, in der Luther- 
sprache iwie in den siiddeuLschen Schriftsprachen, auch 
in der elsassischen seit etwa I.'kH>) waren sie durch ei itu 
..m \ru) ersetzt : Ub Hü* Hü*. r hiess es dort. Uib H<tu* 
//<* ■<«<>»- hier. Weniger ins Gew icht fiel ein zweiter Unter- 
schied : die Luthersprache hatte einfache Längen t m il 
an Stelle der alten Diphthonge ic uo uc, die im schwei- 
zerischen Schriftdeutsch wieder im Einklang mit der 
Mundart sich erhalten hatten laber auch in den süddeut- 
schen Schrittsprachen) : also Lutherdeutsch hh (geschrie- 
ben Urb), ,/itt, Gäli> gegenüber Schweiz, hrh i mit Diph- 
thong!), i/»«'/. Güeti. Eine dritte wichtige Differenz be- 
stand mit Hezug auf die Behandlung des auslautenden 
e. die Lnthersprache hatte es im allgemeinen erhalten, 
das Schweizerische (ebenso das Suddeutsche i abgeworfen 
lutherisch Knal»\ Sinulr, Schweiz. Knab, Sinui u.s.w. 
In den Konsonanten herrschte im grossen und ganzen 
rebereinstiinmung, da auch die Luthersprache hoch- 
deutsch, d. Ii. von den Wirkungen der hochdeutschen 
Lautverschiebung betroffen war. Um so grösser waren 

•i vriyl. < B. H. br*D<1*UHt«r: Di* Mundart in <t*r alte* 
Luxerner Drarnntik im d«r Zt iuehrift für hocbdevttck* Mund- 
arten. III. I (TA 



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scnw 



SCHW 



67 



wieder die Gegensätze auf dem Gebiet der Formenbildung, 
der Wort- und Satzfügung und ganz besonders des Wort- 
bestandes and Wortgehraurhs. Es ist begreiflich und 
zugleich bezeichnend, das« Luther die Sprache Zwingii s 
•■in • böres Deutsch • nennt und einmal ärgerlich aus- 
ruft • Einer mocht schwitzen, ehe ers verstehet •. Die- 
sem in der Sprache selbst liegenden Hindernis gesell- 
en sich andre, die der neuen Spracliform den Eingang 
in unser Land erschweren mnssten. Um die Wende 
des 15. Jahrhunderts hatte sich die Schweiz in blu 
tigern Kriege die tatsächliche Unabhängigkeit vom Reich 
erkämpft, ein Ereignis, das natürlich weit eher geeignet 
»ar. die bestehende sprachliche Kluft zu erweitern als 
überbrücken zu helfen. In gleicher Richtung wirkte 
der Verlauf der reformatorischen Bewegung. Ein Zu- 
sammengehen der deutschen und schweizerischen Re- 
formation hätte auch einer sprachlichen Einigung mäch- 
tig Vorschub leisten müssen; indem aber seit dem 
Marburger Gespräch Lulher's und Zwingli's Wege sich 
feindlich schieden, war solchem Zusammenschluss der 
lioden entzogen, und dem Werke Zwingli's verblieb auch 
in der Sprache der spezifisch schweizerische Charakter. 
d«*n es \on Anfang an gehabt hatte. Selbstverständlich 
ist, dass in der katholisch gebliebenen Schweiz der' 
Widerspruch gegen die Sprache der Reformation noch 
stärker war, wie denn aucn das katholische Süddeutsch- 
land «ich bis ins 18. Jahrhundert gegen sie sträubte. 

Trotz alledem sollte es — zum Glück für beide Teile, am 
meisten aher für uns — tu dauemdersprachlicherT rennung 
ton Deutschland, die damals nahe genug lag, nicht kom- 
men die geistigen und persönlichen Reziehungeu hinüber 
DBd herüber erwiesen sich im Bunde mit gewissen mate- 
riellen Interessen als stark genug, die Gefahr zu beschwö- 
ren und dem Gemeindeutschen die Tore zu offnen. Dass 
Masel voranging, hängt ebenso sehr wie mit seiner Lage an 
der Grenze mit seiner Bedeutung und seinen Interessen als 
Handelsstadt, als Sitz der Wissenschaft und nicht zuletzt 
ah Druckorl zusammen. Der Stand der Forschung erlaubt 
es noch nicht, den Kampf, der sich nun zwischen der im- 
portierten und der alteinheimischen Schriftsprache ent- 
spann, in all seinen Klappen übers ganze Land hin zu 
verfolgen; doch lassen sich wenigstens die Grundzüge, 
»of die es an diesem Orte allein ankommt, deutlich er- 
kennen. Der erste Schritt gilt uberall der Bc-eitigung der 
schroffsten orthographischen und formalen Gegensätze, 
wobei die Einführung der Diphthonge ri ttunu für schweize- 
rischi i« i? an ersterStelleslehtfesislnirht belanglos daran 
zu erinnern, dass in diesem Punkte die Schweiz ausser 
der Luthersprache auch ganz Süddeutschlaud gegen sich 
hllte); erst nach und nach weichen die feinem und 
scheinbar nebensächlichen Unterschiede, so auch die syn- 
taktischen und lexikalischen Dlllerenzen. Dieser Proz'ess 
seht, zeitlich und ortlich in verschiedenem Tempo und 
tinzelverlauf. durch Jahrhunderte hindurch und ist 
in seinen letzten Phasen noch heute nicht abgeschlossen. 
Was die an der Bewegung beteiligten Kreise betrifft, so 
und es durchweg die Drucker .wenigstens wo solche früh 
genug vorhanden ■lud), die mit der Neuerung den An- 
fang machen. Und zwar bewog sie dazu ohne Zweifel die 
Rücksicht und Rechnung auf auswärtige Abnehmer; 
Druckschriften, die nur für einen lokalen Leserkreis, Ar 
da« Bedürfnis des eignen Volkes berechnet w aren, trugen 
meist noch -ehr viel länger das Gewand der allen Schrift- 
spräche. In Basler Drucken erscheinen .he neuhoch- 
deutschen Diphthonge vereinzelt schon am Ende des 
15. Jahrhunderts und sind in den 1.VJ0 er Jahren bereits 
«ehr verbreitet; nichtsdestoweniger legt der Basler 
Schulmeister Johann Kolross seinem 1530 gedruckten 
Handbüchlein deutscher Orthographie nicht die Gemein- 
sprache. die er doch genau kennt, -rudern daseiuheimische 
Schriftdeutsch zu Grunde, offenbar weil er lokale, über- 
haupt schweizerische Verhältnisse im Aug. hat (• diss 
hüechlin ist fui -nämlich für die hoehtndtsrhen gemacht », 
sagt er in der Vorrede). In der Regel dauerte es geraume 
Zeit, bis de r Druckersprache eines Ortes die geschriebene 
Sprache folgte, womit erst d.-r entscheidende Schritt ge- 
tan war. Zuerst bürgerte sich die neue Schreibweise ge- 
wöhnlich in den staatlichen Kanzleien ein und drang 
dann von hier aus allmählich auch in weitere Kreise, wo- 
bei die Stadt dem Lande, Gebildete den Ungebildeten 



vorangingen, auch Inhalt und Bestimmung des Geschrie- 
benen die mannigfaltigsten Unterschiede bedingten. Zur 
Illustration des gesagten mögen einige Daten angeführt 
werden. In Basel wird die neuhochdeutsche Vokalgebung, 
die, wie eben bemerkt, vereinzelt schon in Drucken des 
ausgehenden 15. Jahrhunderts, dann besonders häufig im 
zweiten Dezennium des 16. Jahrhunderts auftrat, seit der 
Mitte dieses Jahrhunderts in der Druckersprache herr- 
schend, immerhin nicht ohne Ausnahmen und Schwan- 
kungen; ungefähr seit 1585 herrscht sie auch in der Bas- 
ler Kanzlei. I m 16()0 folgt die Kanzlei von Schaffhausen. 
In Zurrher Drucken erscheinen die ersten gedruckten 
Diphthonge in Bibelausgaben seit 1527. namentlich seit 
1530, sonst bis 1550 nur selten : erst seit dieser Zeit nehmen 
sie zunächst in der weltlichen Literatur überhand und wer- 
denseit 1575 allgemein, immer mit Ausnahme von Erzeug- 
nissen, die fürs Volk bestimmt sind (z. B. Katechismen 
und dergl.), denen die alte Schreibweise bis spät ins 
17. Jahrhundert hinein gewahrt bleibt. Erst um 1650 be- 
gegnen geschriebene Diphthonge in den Zürcher Rats- 
protokollen, werden seit 1670 häutiger, seit 1680 über- 
wiegend, und zwischen I6Ö0 und 1700 verschwindet der 
schweizerische Vokalismus zugleich mit andern Besonder- 
heiten der altern Schriftsprache. Schon in den Jahren 
Klti'J 67 hatte eine Bihelrevision stattgefunden, die nicht 
nur im Lautstand, sondern auch in Formengebung und 
Wortschatz grundsätzlich den Anschluss ans Gemein- 
deutsche erstrebte. Etwa um die gleiche Zeit wie in Zü- 
rich brach sich die Neuerung Bahn in der Berner Kanz- 
lei, noch früher (vor 1640) in Luzern, aber uberall nicht 
auf einmal, sondern in allmählichen, ie nach Stand und 
Bildungsgrad der Schreibenden vie Haiti u schwankenden 
l'ebeivängen. Wie weit noch im 18. Jahrhundert das 
Schriftdeutsch selbst der gebildetsten Schweizer in Gram- 
matik und Wörterbuch von der in Deutschland geltenden 
Norm entfernt war. zeigen die schweizerischen Literatur- 
werke dieser Zeit, zumal aus der ersten Hälfte des Jahr- 

I hunderts, und die Kritik, die von deutscher Seite an 

■ ihrer Sprache geübt wurde. Man weiss, welche Mühe 
sich ein Albrecht von Maller gab, seinen Versuch 
schti-eiwrischer (letlirhtt'n (zuerst 1732 erschienen) mit 
MilTe eines hannoverschen Arztes von den zahllosen 
sprachlichen • l'narten « mehr und mehr zu reinigen, wie 
er diese immer aufs neue zu entschuldigen sucht mit 
dem Hinweis auf seine schweizerische Heimat: «Viele 
Worter sind bei uns gebrauchlich, die bei Andern ver- 
altet sind, und tausend anderer sind in Sachsen im be- 
ständigsten Gebrauche, die ein Schweizer nicht ohne 
Wörterbuch verstehet», heisst es 1743 im Vorwort zur 
3. Auflage der Gedichte, und im Vorwort zur 4. Auflage 
(1748) «Ich bin ein Schweizer, die deutsche Sprache ist 
mir fremd, und die Wahl der Wörter war mir fast unbe- 
kannt. Auch Bodmer in Zürich geht den selben Weg wie 
Haller, aber nur ein Stuck weit: gegen die Forderung 
u n bedi ngten Anschlusses an das meissnisch-obersäch- 
sische Deutsch, das damals als mustergültig galt, macht 
er Front, indem er nachdrücklich auch Tür die andern 
Landschaften das Recht in Anspruch nimmt, an der 
Festsetzung der schriftsprachlichen Norm mitzuwirken, 
ganz besonders für die Schweiz, von deren Sprache ihm 
seine altdeutschen Studien gezeigt hatten, welche Fülle ur- 
sprünglichen deutschen Sprachguts sie in sich barg. Einen 
Augenblick versteigt sich Bodmer iu seiner Opposition 
gegen die anmassende Ausschliesslichkeit der Leipziger 
sogar zu dem tiedanken an die Wiederbelebung einer 
selbständigen schweizerischen Schriftsprache. Die macht- 
voll sich entfaltende Literatur machte allen solchen parli- 
kularistischen Anwandlungen ein Ende und entschied den 
Sieg der einen Schriftsprache; sie brach aber gleichzeitig 
die Vorherrschaft Obersachsens und gründete die Schrift- 
sprache auf einen Ausgleich zwischen den sprachlichen 
Gewohnheiten der verschiedenen deutschen Lamhcliaften 
gemäss dem Anteil einer jeden am geistigen Leben der 
Gesamtnation So hat denn auch die Schweiz seit den 
Tagen Haller s und Bodmer's bis auf unsre Zeit zur Fort- 
bildung der Schriftsprache beigetragen, und « zahlreiche 
syntaktische und lexikalische Zuge des modernen Schrift- 
deutsch tragen schweizerische Farben» (vergl. Friedrich 

I Kluge: Vnu-r Itrulsvh. Leipzig 11107. S.50IV.J. 

I Seit dem Anläng des 19. Jahrhunderts kann der An- 



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<58 



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SCIIW 



schluss der Schweiz an die neuhochdeutsche (iemein- I 
spräche auf der ganzen Linie als vollzogen gelten. Nicht ! 
das» wir damit unsere Eigenart im Bereich des geschrie- 
benen Wortes ganz geopfert hätten ; es wäre auch völlig 
undenkbar, dass Gegensätze, die noch im 18. Jahrhundert 
so schroff zu Tage traten, sich im Verlauf weniger 
Jahrzehnte hätten verlieren können. Erhebliche riesle 
des altern schweizerischen Schriftdeutsch leben auch im I 
Gewände der Gemeinsprache fort ; dazu treten neue Kc- i 
Sonderheiten, die entweder von vornherein nur dem ' 
Schriftgchrauch angehören oder, was für die meisten I 
Fälle zutrifft, aus der Volkssprache in denselben ein- 
fließen. Kaum ein deutscher Schweizer hält sich in dem, 
was er schreibt, von solchen Elementen ganz frei, um so 
weniger, je geringer seine sprachliche Bildung ist. Mit 
künstlerischer Freiheit und Absicht verwenden sie unsre 
Dichter und Schriftsteller, um der Hede urwüchsige Kraft 1 
und Erdgeschmark zu verleihen, wobei das Verfahren je ; 
nach der Individualität des Autors und je nach dem ! 
Gegenstand und Stil seinen Werkes sehr verschieden 1 
sein kann (vergl. dazu die feinen Ausführungen von Lud- 
wig Tobler in seinen Kirnten Schriften zur Volks- , 
und SjtrarhkitHtle. Frauenfeld 1897, S. 235 ff. ). Während I 
so die Gemeinsprache unsrer sprachlichen Eigenart im- 
merhin noch einen gewissen Spielraum lässt, tut sie der- 
selben in andrer Hinsicht schweren Abbruch, indem sie 
unser Eigenstes, die Mundart, bedroht. An die Stelle des 
Kampfes der Gemeinsprache mit der einheimischen 
Schriftsprache, der unsrer Sprachgeschichte vom 16. bis ] 
zum 18. Jahrhundert das Gepräge gab, ist seit dem 
19. Jahrhundert der Kampf der Gemeinsprache mit der 
Mundart getreten. Seine Wirkungen äussern sich in zwei 
Richtungen, in beiden zum Schaden der Mundart: ein- 
mal büsst diese Stück um Stück ihres Wrwendungsge- 
hietes ein, sodann wird sie seihst in steigendem Masse von 
schriftsprachlichen Elementen durchsetzt, womit wach- 
sender Verlust an eigenem charakteristischem Sprach- 
gtit Hand in Hand geht. Die deutsche Schwei/, ist mit 
Hecht « das mundartlichste Gebiet » des deutschen Sprach- 
bereichs genannt worden. Nirgendsso wie hier beherrscht 
die Mundart den mündlichen Verkehr durch alle Schich- 
ten und Stufen der Bevölkerung: Regierende und Re- 
gierte, Lehrer (auch die akademischen) und Schüler. 
Fabrikherren und Arbeiter. Reich und Arm. Alt und Jung 
sprechen mit einander in der Mundart. Und zwar in der 
selben Mundart. Wohl mögen Unterschiede vorhanden 
sein in Wortwahl und Phraseologie ; der Gebildetere mei- 
det gewisse Ausdrücke und Wendungen, die der Unge- 
bildetere ohne Scheu gebraucht, er mischt wohl auch mehr 
Schriftsprachliches in seine Hede als dieser, aber im 
Wesentlichen, in Lauten und Formen besteht zwischen 
der Sprechweise Heider. sofern sie wenigstens aus dem 
gleichen Orte stammen, gewöhnlich kein Unterschied'). 
Ohne Zweifel hat dieser Zustand, der mit unsern herge- 
brachten politischen und sozialen Verhältnissen zusam- 
menhängt, von jeher bestanden; wenn im 18. Jahrhun- 
dert die Berner regierenden Kreise sich durch franzö- 
sische Umgangssprache von ihren deutschsprechenden 
Untertanen schieden, so war das eine vereinzelte und 
vorübergehende Ausnahme. Hat also die Mundart sich , 
bis heute als Verkehrssprache des ganzen Volkes behaup- 
tet, so beherrscht sie doch lange nicht mehr den ganzen 
Bereich der mündlichen Hede. Allerding» war das, wie 
wir oben sahen, auch schon in frühern Jahrhunderten 
der Fall, aber während sich damals der mündliche Ge- 
brauch der Schriftsprache in der Hauptsache auf das 
Vorlesen und Hersagen schriftsprachlicher Texte be- , 
schränkte, hat er sich heute darüber hinaus zum guten | 
feil auch die freie öffentliche Rede erobert. Verhältnis- 
mässig früh scheint sich die kanzelrcdc dem Schrift- 

'I Von in.'glich^D Ausnahmen wird naebher die Reib? sein. 
Jadenfall* ist die jungst von eui«m namhaften deutschen Oer- 
manmten (W. »raune: tVAer Biniputitj der .textlichen Aua- 
rpra. he. Heidelberger rm\ i-r*i tut »rede. 1WI5. S. S3l aufKoUllle 
llehauptunir, daa* da« » Soh» in-rHütuch >• nur von gebiilelen 
Deutachscbweiier» Ke«prneben werde und niebl mit uVo eigent- 
lichen Y'>|k*"ii)iidarteii vorv»cb«ell »erden durf«. ganz irrij,-, 
eben»» Vit «Ii? am gloiclii'O Ort ausgesprochene Ansicht, da»« 
jenes uSchwiierddlfch " auf ein« frohere IVuvin/iaUi'hreib- 
<>o.l -druek»|>ra<-be «I h. also auf die nltere s.-hwetZTuchc 
Schriftsprache) zoruck|robo. i 



deutschen zugewendet zu haben ; schon 1671 musste der 
Berner Rat seine Geistlichen ermahnen, sich « beim Pre- 
digen eines ungewöhnlichen neuen Deutsch zu enthalten, 
alB welches den Verständigen nur ärgere und dasgemeine 
Volk in ihrem Christentum nicht unterweisen tue»'). 
Man kehrte denn auch wieder, so gut es ging, zur Mund- 
art zurück und blieb dabei teilweise bis ins ID. Jahrhun- 
dert hinein. Heute wird wohl allenthalben Schriftdeutsch 
gepredigt, mundartliche Predigten sind zur Kuriosität ge- 
worden. Auch der kirchliche Unterricht wird vielfach in 
der Schriftsprache erteilt. Ebenso ist die Schulsprache, 
abgesehen von den untersten Klassen der Volksschule, 
wohl überwiegend Schriftdeutsch geworden, wenn im auch 
je nach den (irllichen oder persönlichen Verhältnissen an 
vielfältigen Ausnahmen nicht fehlt. Dass in den eidgenös- 
sischen Behörden nur Schriftdeutsch gesprochen winl. 
lässt sich allenfalls aus der Rücksicht auf die anwesenden 
romanischen Kollegen erklären; aber auch in den kanto- 
nalen und städtischen Ratsäälcn. wo noch vorein paarMen- 
schenalteru die mundartliche Hede allgemein im Schwange 
war, ist mau in neuerer Zeit mehr und mehr zurSchrifl- 
sprache übergegangen ; selbst in die Beratungen der l-ands- 
gemeinden mischt sich der fremde Klang, und wäre es nur 
durch das meist Schriftdeutsch gehaltene Eröffnungswoi l 
des Vorsitzenden Landammanns. Die Verhandlungen der 
Gerichte (vielleicht mit Ausnahme des Verkehrs mit den An- 
geklagten oder Zeugen) »erden wohl überwiegend Schrift- 
deutsch «efuht -1 In öffentlichen Versammlungen nichtamt- 
lichen Ghiimkti-i> " in! <■* ir n )i sehr \cr-chieden gehalten : 
je feierlich)'!- deiAulas-. j'' ^«•biMi'tiT die Kölner oder das 
Publikum, it- v is»i-nschat'tlii •h«'i , .ahstr;*ktrrib ri legcnsland 
und seine lii-lmiull mv« >'i*<'. ih-tu im In ist t i » > - Schrift- 
sprache die gegebene Ausdrucksfonn. Doch machen sich 
auch lokale Unterschiede geltend : im ganzen hält der 
Westen und die innere Schweiz zäher und in weilerni Um- 
fange an dei Mundart fest als der Osten und Norden; selbst- 
verständlich ist, dass die Ib'vw^img in den Städten weiter 
gediehen ist als auf dem Land)'. >.«..■ i t • - 1 in der volks- und 
verkehrsreichen Kbcneab im > nl h^em-n Gebirgst hal. Aber 
die Bewegung ist überall im Iriin;.' und unaufhaltsam: 
die Mundart auf den täglichen \ > ■ t k - • h 1 1 zurückzudrängen. 
Indessen ist selbst da ihn- Herrschaft nicht mehr unum- 
schränkt. Dass man sich im Verkehr mit Fremdsprachigen, 
auch Reichs- und andern I »cui-i Id n. ili>' vorübergehend 
in unser Land kommen, ihr Schnfl-|>ra<'he bedient, ist 
notwendig oder gebotene linck.-icht , über es geschieht 
auch ohne Not z. B. gegenüber ansässigen Fremden, von 
denen einige Vertrautheit mit der Mundart erwartet wer- 
den darf, sogar gegenüber völlig Unbekannten, selbst 
wenn sie sich etwa durch mundartliche Anrede als 
tandeskinder ausgewiesen haben. Unter den Bauern 
und Hirten im Wallis und Herner Oberland ist es ver- 
breiteter Brauch, auch mit dem Gast aus der deutschen 
Schweiz Schriftdeutsch zu radebrechen. Manchenorts sind 
solche Erscheinungen noch vereinzelt oder unerhört ; 
doch werden sie ohne Zweifel immer häutiger werden. 
Dieser entschiedene quantitative Rückgang des Dialekts 
ist eine unvermeidliche Folge der grossen Wandlungen, 
die sich in neuerer Zeit auf allen Gebieten des staatlichen, 
wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Lebens vollzogen 
haben. Den dadurch gesehaffenen neuen Verhältnissen war 
die Mundart nicht gewachsen. Sie ihnen anzupassen, wäre 
zwar bis zu einein „ru i--.-n i.nuh- wohl möglich gewesen 
unterblieb abi»r <. h m ih-w. r .<-\i, weil in der Schrift- 
sprache bereits i in spritrl ih> tu'- \\ i-rkjt-uf: y>*yeben war. 
das allen An-pnu-hrn (,'i'iuvt*-. Inr heiintni- und Fertig- 
keit im <ii bi t (tji'li .Ii ■!>• 1 1 -i ■ t /.um f.. im ii)f.)it i|es Volkes 
zu mach' n «ar mi'l i>t - tri Hauptzweck >b-i allgemeinen 
Volksschule iln- «Iiis Inih. r. 1!» Jahrhuiid<-rl ins Leben 
rief; in ^ Ii- i.-in-r llirKiun,. wirken ihe vielen neu hinzu- 
gekoiiuni in ii r.ililiin^^.inst.ilh':! uiiit Ifihhm^sgelegen- 
heilen, riebt /ulci/i llnch-r uii.l ZrituH(.'i-n . ilie in stei- 
gender Flut -ich lib'-rs cnii/e l.aml c re 1 1 --sc 1 1 Indem so 
die Schrill-;>i Hib-' nl- Vi-imii tb-rui jeglicher hohem Kul- 
tur auftuM ^-'uinnt sie n. -t « 'i|.iieerwei-r »i> r Mundart 
gegenüber n;i- An-'Si' ii <]■■<: .'ilb rn. vornchmei ll Sprache. 

') Man erinnere sich. >ia'S kun zuvor die /.urciier Bibel den 
grundsätzlichen Ansrhluss an du neuhoebdeuteche Schrift- 
sprache vollzogen baue und .lau am die selb« Zeit die Beratr 
K:mzlei zu dieser oberfriair . 



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SCHW 



69 



Es ist daher nur natürlich, dass sie dieselbe aucli da 
verdrängt, wo zwar an stich mit der Mundart auszukom- 
men wäre, die Schriftsprache aher den Umständen, z. B. 
der W ürde des Orte» oder der Versammlung angemes- 
sener erscheint. Was die Einbrüche der Schriftsprache 
in den Privatverkehr betriin, so können dieselben aller- 
dings als Anzeichen gedeutet werden, dass die Mundart 
auch da nicht für alle Zeiten ihre herrschende Stellung 
behaupten werde: es wäre aber übertrieben daraus 
schliessen zu wollen, dass diese Stellung schon jetzt 
ernstlich erschüttert sei. 

Von der Beschaffenheit des bei uns gesprochenen 
Schriftdeutsch gilt, was oben vom geschriebenen bemerkt 
wurde, in noch höherm Grade, da der Einflus« der Mund- 
dart in der mündlichen Bede sich naturgemäss weit 
stärker geltend macht. Selbst der Gebildetste spricht das 
Schriftdeutsche selten ohne deutliche Anklänge an seine 
Mundart, auch in lexikalischerund phraseologischer Hin- 
sicht : das Schriftdeutsch des Ungebildeten ist dagegen oft 
nicht viel andersals notdürftig verhochdeutschter Dialekt. 
Dazwischen gibt es eine Unzahl möglicher und auch 
tatsächlich vorkommender Abstufungen ; doch nähert sich 
die grosse Mehrheit eher dem zweiten Extrem. Wir pfle- 
gen ein solches Zwitterding zwischen Schriftsprache und 
Mundart spöttisch als ,Grossratsdeutsch' zu bezeichnen, 
insofern mit Unrecht, als diese Mischsprache keineswegs 
bloss in den kantonalen Parlamenten zu Hause ist. Ein 
besonders wunder Punkt, auch bei den meisten Gebilde- 
ten, ist die Aussprache. Da wir die Schriftsprache haupt- 
sächlich aus Büchern lernen, sind wir für die Aussprache 
fast ganz auf die Schreibung angewiesen: diese ist aber 
bekanntlich ein weites und sehr unvollkommenes Kleid, 
das der lautlichen Gestaltung der Bede den allergrössten 
Spielraum gewährt. Uns erlaubt es, die Schriftsprache 
im grossen und ganzen mit mundartlicher Lautgebung zu 
sprechen, wenigstens soweit diese mit den schriftsprach- 
lichen Zeichen nicht direkt in Widerspruch gerät. Die 
ältere Zeit kehrte sich auch an diese Schranken nicht; 
noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderls war es 
ziemlich allgemein üblich, nicht nur in lieh, s</itn<*xcn, 
wo die Schreibung gewissermassen dazu einlud, Diphthong 
zu sprechen, sondern auch in Huorh, llüocher trotz der 
Schreibung mit einfachem 11 «. oder auslautendes >i wie 
in der Mundart abzuwerfen (fefc.» = leben). Selbst Lau- 
tungen wie Hicfi, Hin (— Reich, Haus) lebten damals 
namentlich in der religiösen Sprache noch fort. Später 
:*t der Anschluss an »iie Schreibung enger geworden. 
Wohl von jeher wurde geschriebenes k durch k.r wieder- 
gegeben . auch wo in der Mundart .>• gegenüberstand 
h'-nmit, und so sprechen wir auch Kk.re, zank.ren wie 
wekjrt'rt, tioiik.rt'it trotz mundartlichem <>kk{.>\, tsarjk<> 
neben irek.r.t, tayk.r.i. Das Zeichen d geben wir in der 
Hegel durch f oder <i wieder, auch wo in der Mundart e 
entspricht ( Gt/ste. Ciinle: mundartlich g?*l — Gäste), oder 
das Zeichen Vi i f ür alte Länge) durch ü, auch wo die 
Mundart (i oder i> dafür hat {Slröntf: mundartlich s tratst, 
i tritt»), wahrem) dagegen das kurze o in allen Schattie- 
rungen des mundartlichen lautes auftritt. Auch sonst 
gibt es noch Fälle genug, wo wir der Schreibung zum 
Trotz der .Mundart folgen; so werden st und sp in allen 
Stellungen als st und xp gesprochen ; e und o |öi lauten 
bald geschlossen, bald offen, jenachdem sie in der .Mond- 
än in den entsprechenden Wortern geschlossenen oder 
offenen Laut hauen l Hecht: rrrht bezw. nicht ; tie.schtiicht 
bc/w. He.n-filt'chl ) : man bort tank.ren. Platt trotz ge- 
schriebenem \latikrn, IHalt usw. ; die Beispiele liessen steh 
leicht häufen. Auch in den Vokab|uantitäten ist im all- 
eemeinen die Mundart massgebend: man spricht dem gc- 
m.iss dächte, Üörf ; hährn, selbst AV/e» (igt etc. Den ach- 
und ii //-Laut entgegen der Mundart zu unterscheiden, 
haben wir keine \ eranlassung. weil die Schrift für beide 
dasselbe Zeichen hat. Kür die (legen wart treffen allerdings 
diese Angalien nicht mehr im ganzen Umfange zu. Die 
orthoepische Bewegung, die in Deutschland besonders in 
den letzten Jahrzehnten in Klus* gekommen ist. macht 
ihren Linftuss auch bei uns geltend : seit einiger Zeit meh- 
ren sich die Stimmen, die von der Schule vermehrte Pflege 
der achriftdeulschen Aussprache fordern im Sinne der 
Annäherung oder des Anschlusses an die in Deutschland 
geltenden oder aufgestellten Begeh», und es ist nicht zu 



verkennen, dass diese Bestrebungen vielfach schon prak- 
tische Erfolge erzielt haben. Dass der Einheit des Schrift- 
gehrauchs die Einheit der Aussprache folge, ist zwar an 
sich nicht notwendig, aber nach der tage der Dinge bis 
zu einem gewissen Grade wünschenswert und sicher zu 
erwarten. Doch wird die Entwicklung den verschieden- 
artigen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend in 
verschiedenem Tempo, im ganzen nur sehr allmählich 
verlaufen und keinesfalls derjenigen in Deutsehland vor- 
aneilen; daran werden auch die I 'ebereifrigen, die alles 
über einen Leisten schlagen und uns auf einmal zu nord- 
deutscher Sprechweise bekehren möchten, nichts ändern. 

Der quantitative Bückgang. von dem wir gesprochen 
haben, bildet nurdie eine Seileder rückläufigen Hewegung, 
in welche unsre Mundart eingetreten ist; nicht minder 
bedeutsam sind ihre iiinern Veränderungen. Wenn 
vorhin gesagt wurde, dass das bei uns gesprochene Schrift- 
deutsch oft nicht viel andres sei als verhochdeutschter Dia- 
lekt, so lässt sich umgekehrt von der Mundart sauen, dass 
sie auf dem Wege sei. ein in mundartliche Form gekleidetes 
Schriftdeutsch zu werden. Noch sind wir ja lange nicht 
so weit und werden in absehbarer Zeit auch nicht so weit 
kommen, aber dass die Entwicklung sich in dieser Dich- 
tung bewegt, ist unbestreitbar. Es handelt sich also bei den 
innern Wandlungen des Dialekts um eine allmähliche 
Annäherung an die Gemeinsprache, nicht so sehr in 
den Lauten und Formen, in der Wort- und Satzfügung, 
als vielmehr im Wortbestand und Wortgebrauch : was 
die Mundart hier an Sondergut besitzt, verschwindet 
nach und nach aus dem Gebrauch und wird durch schrift- 
sprachliches Lehe neu I ersetzt. Ursachen und Voraus- 
setzungen dieser Erscheinung haben wir in anderm 
Zusammenhang bereits genannt: die Schule, welche die 
Kenntnis der Schriftsprache in alle Volkskreise trägt, die 
Lektüre von Büchern und Zeitungen, die gesteigerte Teil- 
nahme am öffentlichen Leben, der internationale Verkehr, 
die den letzten Mann aus dem Volke mit der Schrift- 
sprache in tägliche Berührung bringen und derselben 
zugleich ein gewisses moralisches Uebergewicht über die 
Mundart verleihen. Je häufiger und intensiver diese Be- 
rührung, desto intensiver ist ihr zersetzender Einflussaut 
die Mundart: daher ist die Mundart des Gebildeten in der 
Begel weit mehr von schriftsprachlichen Elementen durch- 
setzt als die des Ungebildeten, und entsprechende, wenn 
auch nicht immer gleich starke Unterschiede bestehen 
ans dem selben Grunde zwischen Stadt und Land, zwi- 
schen der jungem und der altern Generation, auch zwi- 
schen Männern und Krauen. Zum gleichen Ergebnis 
trägt noch ein andrer Umstand bei : die Ausdrucksmittel 
der Mundart reichen nicht aus für Gegenstände des 
hohem Kulturlebens; je mehr sich die Bede in dieser 
Sphäre bewegt, desto weniger wird sie mit dem spezi- 
lisch mundartlichen Sprachgut auskommen oder davon 
Gebrauch machen, desto mehr zu Anleihen bei der 
Schriftsprache greifen. 

Auf die Veränderungen selbst kann ich nur mil einigen 
Andeutungen eingehen. Weitaus die meisten betrellen, 
wie schon erwähnt, das flüssigste Element der Sprache, 
den Wortschatz. Dabei ist freilich nicht nur schrift- 
sprachlicher Einfluss im Spiele. Veränderungen im Wort- 
bestand linden in lebenden Sprachen, zumal in solchen, 
die nur von Mund zu Mund fortgepflanzt werden, zu jeder 
Zeit auch ohne Einwirkung von aussen statt. Viele alte 
Ausdrücke unsrer Volkssprache sind mit den Sachen, die 
sie bezeichneten, den Wandlungen zum Opfer gefallen, 
die sich in neuerer Zeit auf allen Gebieten des kulturel- 
len, besonders des wirtschaftlichen Lebens vollzogen 
haben; die Schriftsprache ist daran nur insofern beteiligt, 
als die neuen Verhältnisse meist mit ihren Mitteln be- 
zeichnet werden. Schon von jeher sind allerlei gelehrte, 
amtliche, kirchliche und technische Ausdrücke aus der 
Schriftsprache in die Volkssprache eingesickert. Wirk- 
liche Verdrängung mundartlichen Sprarhgutcs durch die 
Schriftsprache geschieht auf verschiedene Weise. Der ein- 
fachste und gewöhnlichste Kall ist. dass ein mundartliches 
Wort durch ein gleichbedeutende» schriftsprachliches 
ersetzt wird, z. B. tol.thaum durch sürt/, rixst.ir durch 
itnm.tr usw. Sehr oft sind die konkurrierenden Ausdrücke 
auch lautlich verwandt, so dass der Vorgang auf eine 
blosse Umgestaltung des mundartlichen Ausdrucks hinaus- 



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70 SCI1W 

läuft: Jiutjiqi wird zu houiy, fuiilor Iii friislsr, blä zu 
blau usw. Von den lautlich differenzierten Formen eines 
Dialektworles siegt die der schriftsprachlichen Form am 
nächsten stehende : von den Formen Jiu^U und wujit.t 
l— Husten) dringt die erste die zweite zurück. Ebenso 
siegt von mehrern synonymen Dialekt wortern dasjenige, 
das durch die Schriftsprache gestützt wird. Fin mehr- 
deutiger mundartlicher Ausdruck kann für die aus der 
Schriftsprache bekannten Bedeutungen die schriftsprach- 
liche Form annehmen, für die übrigen die mundartliche 
Form beibehalten: .nnjig) wird in der Bedeutung, in der 
das Wort allein literarisch auftritt, durch kxümy ersetzt ; 
in der Bedeutung « Kegel- oder Rattenkönig » bleibt 
.cütjig) vielfach unaugetastet. Öder das mundartliche Wort 
passt sich im Bedeutungsumfang dem schriftsprachlichen 
na: rtt.i. das eigentlich •» zu Wagen, zu Schiff oder zu Pferd 
sich fortbewegen » bedeutet, schränkt seine Bedeutung 
mehr und mehr auf die engere schriftsprachliche ein (im 
übrigen tritt /(i/vdufur ein), oder .«»«,/.-.<•., ..schmecken» 
und « riechen * w ird immer häutiger nm noch inden-rstern 
Bedeutung gebraucht, für die /weite dagegen «las schritt- 
sprachliche riaav entlehnt. Naturlich verlaufen alle diese 
Vorgänge meist ganz allmählich durch eine Heide von 
Zwischenstufen, auf denen sie unter 1 instanden lange ste- 
hen bleiben können ; auch sind Ursachen und Ausgangs- 
punkt verschieden und nicht immer i'e.i/nsielk'ii- V,,n 
wesentlich geringerer Bedeutung nach linfang und Ver- 
breitung sind die schriftsprachlichen Linllu—e auf smi- 
laktischem Gebiet. Her Satzbau der Mondän i>t im (.eg.'-n- 
satx zur Schriftsprache sehr einfach, durchaus v..n der 
Paralaxe beherrscht, die logische Verknüpfung d> r be- 
danken und Begriffe wird sprachlich nur unvollkommen 
ausgedrückt (das geschieht einer nur mündlich ge- 
brauchten Spruche, soweit es nötig ist. durch andre 
Mittel). Nun kommt es nicht selten vor, dass Leute, die 
viel mit der Schriftsprache zu tun haben, in ihr zu den- 
ken gewohnt sind, deren syntaktische Formen mehr oder 
weniger auf ihre mundartliche Ihde uhei tragen, lu-ouders 
wenn der Ge^en^tand <lei>elheu außerhalb der uinnd- 
artlichen Sphäre liegt. Aber der Sprechweise der Invi- 
tern Volksschichten ist dergleichen M1 , allgemeinen fremd. 
Noch weniger kann von erheblichen Fintln-sen der 
Schriftsprache auf die r'ormcnlnldiing ilie It. -de sein; 
was man dafür -mge-pi ochen hat, -ind meist entweder 
bloss gelegentliche Kr-eheitniugen oder Krgebniss, inter- 
ner Kntwicklung. die (allerdings vielleicht nicht immer 
zufällig) mit der Schriftsprache zusammengetroffen ist. 
Als kräftigstes Bollwerk der Mundart haben sich bis jetzt 
die Lautverhältnisse erwiesen. Von dem vielen Spraeh- 
material, das wir aus der Schriftsprache (oder sonst aus 
der Fremde! aufgenommen haben, hat sich das aller- 
meiste der mundartlichen l-autgehung anbequemen müs- 
sen. Ausnahmen kommen wohl gelegentlich vor; solche, 
die festem Kuss gefasst haben I Wie elwa .Fräulein«), 
sind ganz vereinzeil. Dass wir in schriftsprachlichen Wör- 
tern anlautendes A als Am übernehmen und nicht in r 
umsetzen i A.«c.m</i. ist nicht eigentlich mundartwidrig. 
da die Mundart anlautendes Aj laus ;/Wi-i auch in Erb- 
worlern bcsil/t. Indessen gib! es doch Falle, in denen 
die Schriftsprache auch unsern lautlichen Eigentümlich- 
keiten Abbruch tut. Ihirch ein alleres Laulgesetz ist fast 
auf unserm ganzen Gebiet ti vor s. /. .r geschwunden 
unler Dehnung hezw. Diphthongierung des vorangehen- 
den Vokals : hrm.xl wurde zu In üil, ht oust. Die Wirk- 
samkeit dieses Gesetzes ist aber längst abgeschlossen; 
später aufgenommene Wörter lassen das n inlakt. um) 
die von dem Gesetze betroffenen einheitlichen l-'ormen 
weiden sukzessive durch die ent-m hei, den schrift- 
sprachlichen mit erhaltenem « venliangt . U.^t broitit 
durch bruuKl. Die««' Wort Verdrängung kann soweit gehen, 
dass von allen jenen autochthonen Formen keine ein- 
zige mehr übrig bleibt, womit dann ein charakteristisch.-* 
lautliches Merkmal der Mundart zerstört ist. 

Dieser Fall ist nicht der ein/ige seiner Art; meist 
handelt es sich allerdings um Lautersche mutigen, in denen 
nur « in Bruchteil unsres Cebietes von der Schriftsprache 
abweicht, das übrige Gebiet mit ihr einig geht, und dann 
gesellt sich zu dem ausgleichenden schriftsprachlichen 
Kinlluss noch ein andrer, der auch sonst in unsrer 
modernen Spraehentwicklung eine Bolle spielt : ich 



SUIW 

mochte ihn den gemeiusehweixerischen (genauer gemein- 
schweizerdeutsehen) nennen. Die neue Zeit hat nicht 
nur eine gewaltige Steigerung des internationalen, son- 
dern auch des internen Verkehrs gebracht. Die fort- 
schreitende politische Zentralisation, die wachsende Frei- 
zügigkeit auf allen Gebieten, die vermehrten Verkehrsein- 
richtungen. <ler gemeinsame Militärdienst -■ alles die" 
trägt dazu bei, Angehörige der verschiedensten Gegenden 
unsres Landes mit einander in Berührung zu bringen. 
Und nicht bloss in vorübergehende Berührung: es findet 
auch ein allgemeiner Auslausch der sesshaften Bevölke- 
rung statt, der von Jahr zu Jahr grossere Dimensionen 
annimmt. Die statistischen Erhebungen zeigen, dass die 
Zahl der am Wohnort gehornen Schweizer fast überall 
zurückgegangen ist. indes die Gesamthcvolkcrung meist, 
zum Teil bedeutend zugenommen hat. Natürlich tritt 
dies in deu Städten, überhaupt in industriell entwickel- 
ten Orlen am stärksten hervor, aber auch agrikole Gegen- 
den «eis, -n in geringem! Massel«!, ähnliche Verhältnisse 
auf. seihst abgelegene I ie hi i gsl h alc r Meiden davon nicht 
Uilhernhi >. SeldMv, r-'andheh dal eine s, , v, eilgehende 
llevolkei-ungstni-, •Innig auch sf.racdli.de Konsequenzen, 
und /war in der Weise, dass Krseb. mutigen voll bloss 
ol'tllehel Verbreitung vor ueil.encrbr. dielen /.uruckwei- 
ehen. dass s„-h ein Au^lei, h der ]i,kal,-n Verschieden- 
deiteii anbahnt /n gimsten des ,d- m ganzen Gebiet oder 
dem gr,.sseni Teil .h-s,. Iben Gemeinsamen. Schriftsprach- 
licher Kuillu- luaiiedr dabei nicht miWu-pielen. tut 
es aber in-ob in „ft. als l.auigesta I tungen . die durch die 
SchnfNpraehe gestutzt wvndn, eden da, Intel, ein l ebet - 
gewicht erhalten uber andre, die dieser Siiitze erman- 
geln, t e|,i igen- brau, di nicht gesagt /u w< rden. dass 
die nivellierende Hewegung keineswegs dlo-s die I^aui- 
\t-ihaltiii--e. sende, ii auch die andern (..-biete der Gram- 
matik und nicht am wenigsten den Wortschatz berührt 
Innerhalb dieser umfassendem Bewegung treten dann. 
gewiss«-rmassen al* Vorstufen dazu, Ausgleichungser- 
scheiniing. i, .med noch in enger begrenzten Gebieten 
hervor indem /.. Ii die Sprechweise eines bestimmten 
OHes die innerhalb seiner speziellen Einflussspliäre ge- 
sprochene Spra, Ie- beeinflusst. So machen sich stadt- 
heruiseh. Kintlusse im Oberaargau und Oberland. Churer 
Einflüsse in ilen Walserthälern Bünden* in erheblichem 
Masse geltend. 

In solcher Weise arbeiten äussere und innere Ursachen 
an der Verarmung und Verflachung der Mundart und 
damit an der allmählichen Zerstörung eines der ehrwür- 
digsten Zeugnisse schweizerdeutscher Eigenart. Den Pro- 
zess zu hindern liegt nicht in unsrer Macht, «s wäre 
denn, wir vermöchten die ganze moderne Entwicklung 
unsres Landes und Volkes ruckgängig zu machen, den n 
notwendige Folge er ist. Damit soll nicht gesagt sein, 
dass es nicht möglich wäre seinen Verlauf zu verlang- 
samen. Vor allem dadurch, dass di«' Schule es mehr als 
bisher darauf anlegte, der Jugend den Wert der Mund 
art gegenüber der .Schriftsprache zu lebendigem B.wusst- 
sein zu bringen und ihr ein sicheres Gefühl einzupflanzen 
fürdie Unterschiede der beulen Sprachformen. Die Erfül- 
lung dieser alten und immer aufs neue erhobenen 1 ) For- 
derung musste der Pflege der Mundart wie der Schrift- 
sprache in gleichem Masse zu gute kommen. Den wei- 
tern Vorschlag dagegen, die Gebrauchsgebiete von Mund- 
art und Schriftsprache in «1er Weise gegeneinander abzu- 
grenzen, dass die Mundart konsequent nur noch da ange- 
wendet würde, wo mit ihren Mitteln ohne Anleihen bei 
der Schriftsprache auszukommen war«', halte ich so. wie 
die Dinge liegen, für undurchführbar; hier werden wil- 
der naturlichen Kniwicklung ihren Lauf lassen müssen. 
Wie diese aber auch sich gestalten mag. soviel sieht fest, 
dass unsre Volkssprache wenigstens in den Lauten und 
Formen ihr eigentümliches Gepräge noch auf lauge hin- 
aus behaupten wird. 

-}. C/iaraktir unil Clu'ib-rtun/ /tVc Mundnrt. Da- 
Scliweiz«>nl«utsche gebort mit den Mundarten, di«» im 

Zuletzt von O. ina Oreverr in «rrlnein Vurlrar: Di' ifundnrt 
ah Ururi'Hnye ä^n n*uttctiunte>->-ichlt fEtora IWX>l . im Anbanir 
daru sind «Iis V..rgno|r«r .iufg'eiahll. IVsr s*lb«r V»rf»«»er hat in 
wm Her Ofulfhen Spr-tfhtehuU für Btrner \t. Aufl., B«rn IWl> 

; den W»g g«zii|M. auf ,l«n> di« Rtform ia di« Praxis umzuMtMO 

I w«r«. 



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scuw 



SCHW 



71 



KHxm. im Grossherzogtum Baden, im Königreich Würt- 
temberg - je mit Ausschluss de» nördlichen Teil« -. in 
der bairisrhen Provinz Schwaben westlich von Womit* 
und Lech und im Vorarlberg gesprochen werden, zur 
Gruppe der alemanniachen Mundarten, die ihrerseits mit 
den nördlich angrenzenden fränkischen und den bairiuh- 
osterreichischen Mundarten im Osten die oberdeutsche 
Dia lektgruppe ausmachen; die oberdeutschen Mundarten 
bilden mit den mitteldeutschen zusammen das Hoch- 
deutsche, das sich vom Niederdeutschen durch eine schon 
im frühen Mittelalter vollzogene gesetzinässige Verände- 
rung gewisser Konsonanten, die sog. hochdeutsche Laut- 
verschiebung, unterscheidet. Die Einteilung des Ober- 
lientschcn beruht, wie man sieht, auf ethnographischer 
Grundlage: inwieweit sie sprachlich begründet ist, hat 
uns hier nicht zu beschäftigen. Alemannisch heisst also 
die Sprache desjenigen Gebietes, das (wie wir früher ge- 
sehen haben) seit dem Anfang des 6. Jahrhunderts vom 
Stamm der Alemannen besiedelt war. Sprachliche Unter- 
schiede waren innerhalb desselben ohne Zweifel schon in 
der sog. althochdeutschen Zeit ^seit dem 8. Jahrhundert) 
vorhanden, lassen sich aber nicht sicher erkennen, da 
die Denkmaler dieser Periode l'nsr alle aus derselben (le- 
gend (Sl. Gallen und Heu henau* stammen ; erst seit dem 
spätern Mitteln Her treten solche Unterschiede in der 
I eberlieferung deutlich zu Tage. Man pflegt heute das 
Gesamtalemannische zunächst in zwei Teile zu gliedern : 
einen nordöstlichen, das Schwäbische, und einen süd- 
westlichen, das Alemannische im engern Sinne : die 
Grenze zwischen beiden verläuft vom nördlichen Elsass 
aus südlich von Rastatt euer durch die badische Rhein- 
ebene, dann ungefähr der badisch-württembergischen 
Grenze nach südwärts zum reberlingersee und von hier 
in ost-südöstlicber Richtung zum Lech. Einteilungs- 
grund ist die Behandlung der alten langen Tonvokale 
i ü il ; im Schwäbischen sind dieselben wie im übrigen 
Oberdeutschen und im Mitteldeutschen zu Diphthongen 
geworden, das Alemannische im engern Sinne hat sie im 
allgemeinen als einfache Längen bewahrt ; Schwab. Lab 
hstit futixsr (oder mit andrer Lautung der Diphthonge l. 
alem. Hb hüs felsässisch. z. T. auch Schweiz. litis) hu*.ir 
\h\%* \ -.- Leib Hans Hauser. Eine weitere Zweiteilung 
trennt das engere alemannische Gebiet wieder in einen 
nordlichen und südlichen Teil, das Xiedrralcmannische 
nnd das Hochalemannische: die Grenze verläuft durch 
Jas südliche Elsas* und Baden (die Stadt Kasel mit den 
nördlich angrenzenden elsässischen Orten Hüningen und 
St. Ludwig bildet eine niederalemannische Insel! zum 
Zellersee umi verlässt den Rodensee, wie es seheint, bei 
Lindau in nordöstlicher Richtung. Unterscheidendes 
Merkmal ist diesmal eine konsonantische Erscheinung, 
die Vertretung von urdeutschem k im Worlanlaut und im 
Inlaut nach r, /: im Niederalemannischen erscheint da- 
für Verschlusslaut (*V </>. anlautend vor Vokal Kehauehl 
|A/i' t im Hochalemannischen x, anlautend auch A r tauf 
Schweizerboden nur auf ein-m kleinen nordöstlichen 
Gebiet im St. Galler Rheinthal von Staad bei Rorschach 
südlich bis Oberriet, ohne Altstätten und Eichberg, und 
in angrenze iii len appcn/.elii*chcn Kurzenberg: al>er mit 
Fortsetzung jenseits des Rheins i , / II. niederalein. khiml; 
klag* i(i(-K krag-> (;/■•- | ; mark : hochaletn. .rinii: .rlag*t, 
rrarfj bezw. kj-ind usw.; itarx-). Die deutsche Schwei/, 
gehört also mit der erwähnten Ausnahmeganz zum hochale- 
manntschen Gebiet, das überall nach Norden und Osten 
noch über ihre Grenzen hinausreicht. Es würde überhaupt 
schwer fallen, irgend eine lautliche Erscheinung zu 
nennen, deren Grenze anrh nur auf eine längere Strecke 
mit unsrer Landesgrenze zusammenfiele: der Verkehr 
über I Soden see und Rhein war trotz der politischen Grenz- 

'9. 

. »i Di« bi»licr fjMuttio S'he.duriL- t">r m- ksichtigle our den An- 
last und rertiuete < l >« -Uobn-t xmn Nmleralomanoisrhen, w>>- 
bei vohl wo» mit ich der t ' rnitaml : 1 1 1> •- 1 »o □ <1 war, d«»» anlauten- 
dss hx aaen r'ftr 'las elsa\»i-i-he Mun-t' ntnl beten gt i»t. Aber die- 
•*» *_c tat sirlier jun^e Katu i.'kl'inc m;- AA. 08 er*<-beinl nu* vor 
Vokal, vor Konsonant und inlautend nach r / gilt Verschluas- 
laot, wahrend das Ostlieh« kx anoh vor Konsonant nnd neben in- 
laaleadeoir;r.;^r*l«bt. Da»saoebda«BOoda«rIUieintbal von Thu 
«i» bm Maienfabl (mit Ausnahme eine* Teil» dar Pttnf Dörfer) 
aal. AA, vor Konaonaat k bat i neben inl. rx Ix bezw rhtii !l. int 
«ine Kraciieinung fftr «ich und auf Rechnung der jungen Ale- 
■anaiMornng diasa« Gebiete» zn »eilen . 



pfähle immer und überall lebhaft genug, um sprachliche 
Wandlungen herüber und hinüber zu tragen. AVenn wir 
also charakteristische Merkmale des Schweizerdeutschen 
aufzählen wollen, so kann es sich nur um Erscheinungen 
handeln, deren Gebiet entweder die Nachbarschaft im 
Norden oder Osten mit umfaast oder sich dann auf einen 
grossem oder kleinern Teil der deutschen Schweiz be- 
schränkt. Darunter gibt es solche, die nirgend sonst auf 
dem deutschen Sprachgebiet bezeugt, also wirkliche Eigen- 
tümlichkeiten sind; die Mehrzahl aber lässt sich auch 
anderswo nachweisen (Inmierkenswert sind z. R. gewisse 
engere Berührungen mit dem Südbairisrhcn), und das 
Besondre liegt dann einzig in der Verbindung der Einzel- 
erscheinungen, die in gleicher Weise in keiner andern 
.Mundart wiederkehrt. 

In dem durch das Vorstehende angedeuteten Sinne will 
die nachfolgende Zusammenstellung einiger allgemeiner 
und spezieller lautlicher Merkmale «les Schweizerdeut- 
schen verstanden sein ; ins Auge gefasst ist dabei beson- 
| ders das Verhältnis zu den übrigen alemanniachen Mund- 
! arten. Auf dem Gebiet des Akzents ist entgegen der ver- 
] breiteten Ansicht hervorzuheben, dass dasSchweizcrische 
! in der Regel lallende Tonbewegung hat, d. Ii. die starken 
' Silben musikalisch hoher legt als die schwachen ; die 
j einzige sichere Ausnahme macht die Stadt Kasel, dieauch 
hierin mit dem Niederalemannischen und weiterhin mit 
dem Schwäbischen einig geht. Ein wichtiger Unterschied 
des Schweizerischen vom übrigen Alemannischen ist so- 
dann die grössere Energie der Artikulation. Daraus erklärt 
I sich z. R.. dass es «len Gegensatz von starken und schwa- 
chen Konsonanten (Ftirtesund Lenes) bewahrt hol, der im 
Niederalemannischen und Schwäbischen fast ganz zu 
gunsten der Lenis beseitigt ist. Nur bei Sonorkonsonanten 
im Inlaut macht sich auch in unsern Mundarten (aber 
nicht überall) eine starke Neigung zur Reduktion aller 
Fortes bemerkbar, und das gleiche ist im Auslaut auch 
bei Verschluss- und Reibelauten der Kall. Line besondre 
Stellung nimmt in dieser Frage der Nordwesten unsres 
Gebietes ein. indem dort, von bestimmten Fällen abge- 
sehen, teile anlautende Forlis zur Lenis gewandelt ist, 
also z. ß. ilfuj gesprochen wird für sonstiges schweiz. lag ; 
nur die inlautenden Fortes haben sich (auch in Raselstadt; 
gehalten (also z. B, ilnjk* gegenüber niederalem. drtjy*). 
Jede Fortis zwischen Vokalen, und /.war sowohl nach kur- 
zem als nach langem betontem Vokal, wie zwischen r / 
und Vokal sprechen wir gemildert d. h. so, dass der Kon- 
sonant auf nie vorangehende und nachfolgende Silbe ver- 
teilt erscheint und die Silbengrenze in den Konsonanten 
hineinfallt, gleichsam also fal~t.tr ( Vater t, was-w, »af-fj, 
aber auch «/<i/-/.*, hrlf-f*. xlarx-x,< (starker) usw. Aller- 
I dings ist dieGeminata nicht immer gleich stark ausgeprägt, 
und es bestehen in dieser Hinsicht nicht nur okkasionelle 
Unterschiede iz. B. je nach dem Nachdruck, der im Zu- 
: sammenhang der Rede auf die vorangehende Silbe fallt), 
I sondern auch durchgehende Differenzen zwischen den 
verschiedenen Mundarten, so hat z. R. RaselBtadt weniger 
| ausgeprägte Geminaten als der Nordosten. Von der sonst 
! allgemein üblichen Silbentrennung durch Druekgren/en 
| sind meines Erachtens die Fälle auszunehmen, wo silben- 
| trennende Lenis nach kurzem Tonvokal steht, wie in Ixxi-t 
(Roden), indem hier kontinuierliche Exspiration stattfin- 
det und der Eindruck der Zweisilbigkeit lediglich auf dem 
Durchgang durch den schallärmern Konsonanten beruht, 
also reine Schallgrenze vorliegt (so wie in schriftdeut- 
schem Ebbe, Flagge \. 

Aus der speziellen Lautlehre maj; etwa Folgendes ange- 
führt werden. 1. Vokale, a. (Juantitäl. Noch ganz auf 
altdeutschem Standpunkt verharrt die Mundart darin, 
dass sie kurze Vokale in offner Silbe i wenigstens vor 
stimmlosen Konsonanten) in weilein l'mfang erhalten 
hat : Ixul.i. fiHiitl, /luv, xlub.1 usw. Auch jn einsilbigem 
Wort vor Lenis tindeu wir im NO. (nöiill. Zürich. Schap- 
hausen. Thurgau, nordl. St. Gallen, östl. Appenzell) und 
S\V. i Herner Oberland. Wallis mit seinen Kolonien, Ur- 
serni bewahrte Kürz«* iz. T. mit Schürfung der Lenis); 
sonst ist in diesem Kall Dehnung eingetreten {lüg. grab, 
i hilf, x/nh, sporadisch auch vor Kortis. aber gewöhnlich 
I nur vor Sonoren und Reibelaulen (/«', Ina, sli.r, (Iii» 
Fall. Kann. Stich. Klussi. bloss lokal auch in 1 Blatt > 
ii. ä. Allgemein, doch in wechselndem Umfang, lindel 



; 



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72 SCHW 

Dehnung vor »-Verbindung statt, in einigen Mundarten 
(im NO.. Ü. und SW.) auch vor f-Vcrbindunjr, nur auf 
einem kleinen Gebiet im NO. vor u, m Konsonant. 
Die Dehnung ist in der Rege) ohne Einfluss auf die Qua- 
lität de« Vokals. Kürzungen begegnen allerorten, teils 
durch Zweisilbigkeit, teils durch die folgende KoiiBOuanz 
bewirkt. Weiter verbreitet ist Kürzung von f ü »1 vor 
I Verschluss-jFortis (zit — Zeit). — b. Auch in Bezug 
;<uf die Qualität der Vokale ist unsre Mundart wohl 
von allen hochdeutschen Mundarten den altdeutschen 
Verhaltnissen am nächsten geblieben. Vor allem spie- 
len spontane Diphthongierungen der alten Längen nur 
eine sekundäre Holle; nicht nur i ü ü, von denen frü- 
her schon die Rede war. sondern auch<i»*ö sind über- 
wiegend als einfache Längen erhalten, z. T. allerdings 
mit mehr oder weniger veränderter Klangfarbe. Auch 
die alten Diphthonge Laben ihren diphthongischen Cha- 
rakter grösstenteils bewahrt. Altes ri on erscheint auf 
dem Hauptgebict als äi ai bezw. <tu au au. nach West- 
Südwesten zu (auf dem sog. burgundisch-alemannischen 
Gebietlals ei ei e } Itez. j< im nu <» (i, nach Nordosten zu 
als ä ii ö ö".» bezw. ou »(öi. Gebliehen sind auf dem 
grössern *Teil des Gebietes die gerundeten Vokale <> U im, 
deren Besitzstand durch zahlreiche, auf konsonantischem 
Einfluss beruhende Labialisierutigen von e i ei (z.B. frOrnrl. 
SHHiiliir, n'üjt*rf, rtouM, hituii,» — fremd. Schwester, wis- 
sen, rinnen, heischen) noch beträchtlich vermehrt ist. 
Dem Südwesten (östl. Berner Oberland. Wallis und seine 
südl. Kolonien« eigentümlich ist spontane Entwicklung 
von m zu Mi 0. von uo im zu tut in n.», von oi< zu üu nü oi ; 
in ü hat auch Uri, m Nidwaiden, ai aus au l'ri und Nid- 
walden, im ans o Urseren. (Diese n ö nehmen in Bil- 
dungsweisc und Klang eine Mittelstellung ein zwischen 
t< ii und den ü ö. wie sie auf dem übrigen Gebiet gespro- 
chen werden), leberall erscheint Palatalisierung von a 
zu ii bezw. e durch ii ; z. B. /<i**.< — Tasche. Sonst sind 
qualitative Kontakt Wirkungen namentlich noch \<m Nasa- 
len ausgegangen, deren Einfluss sich in der einen oder 
•andern \V eise fast allenthalben geltend macht. Nasalvo- 
kale finden sich auf zwei peripheren Gebieten im Nord- 
osten und Südwesten. Auf beschränktem Gebiet ist Spal- 
tung von u in n und », von t in i und e eingetreten ; weiter 
verbreitet ist Spaltung von o in n und «». Im übrigen 
stehen sich altes i : » und » : t» vorwiegend als i ii) : i (») 
und m (m| : ii i ii | gegenüber; auf einigen Gebieten hat sich 
i u spontan zu >• (>•): o {(>) gesenkt. Von den c-Lauten 
(1. alter Umlaut von ii : 2. germanisches e : 3. jungerer 
I miaut von n; 4. ('miaut von iT und 5. altes >"i sind 1-3 
in Appenzell, im Toggc nhiirg, St. Galler Hheiulhal, obern 
Thurgau, teilweise auch in Claims noch in ursprüng- 
licher Weise uils e »■ ii. im Rhi inthal c <•» e) geschieden, 
meist aber sind 2 und 3 in A oder r zusammengefallen. 
4 stimmt gewöhnlich mit 3 qualitativ uberein. geht aber 
oft auch seinen eigenen Weg und t rillt in einzelnen Ge- 
genden mit r» zusammen, dessen Qualität in der Regel 
der von 1 entspricht. Auszunehmen sind komhinatorischc 
Störungen. namentlich durch Nasale. Im Westen und 
Süden ist u auch vor k k.r ;»/" /.« umgelautet. Dem ganzen 
Süden ist Vokalentwickliiug /wischen slammauslauten- 
dem r +- ii, r -(- m eigen (Ar»»v. ar.i Horn, Arm*, mehr 
sporadisch tritt sie auch iin übrigen Gebiet zwischen »• 
(auch /) und andern Konsonanten i besonders .n auf. Sog. 
Brechung von i « ii be/,w. » ii i5 vor <• und U\.t) kommt 
überall vor, diK'h in sehr verschiedenem l'mfang : xim.'r.i. 
Iif.rl i schmieren, leicht). Im Südwesten und Südosten 
haben sich nicht nur lange, sondern auch (mit Aufnahme 
von i) kurze ungedeckte Kudsilbenvokole der Apokope ent- 
zogen, zum Teil sogar mit Erhaltung der aithochdciit- 
sehen Qualität: txinj<ia (Znngei. tai/n Tage-, imjn (Gen. 
PI. i, hauo ' Hahn i, »imm lieh nehmet. Auf dein Gcsanit- 
gebiet erscheint auslautendes i und in in KihImIImti als i; 
z. lt. tju.iti iahd. ijunlit _ Güte; sh'kii lahd. WiicAihi — 
Stucke. 2. Konsonanten. Von dem für unsre Mund- 
art charakteristischen Stand der A-Verschicbung war 
bereits die Heile ; wir hakieu also : r ausser nach Vo- 
kalen auch im Anlaut und im Inlaut nach r und / unit 
den früher genannten Ausnahmen), nach >j auf zwei ge- 
trennten Gebieten im Osten und Nordwesten K. auf dem 
Hauplgeiiii l Am. im Südwesten und Südosten .r; füi AA die 
selbe Vertretung wie nach »/, mit .las, die Stufe .»• hier 



SCHW 

fehlt. Alle diese Laute werden im hintersten Gaumen- 
. gebiet artikuliert, datier das tiefe, krachende Geräusch 
: des j- k.r, das dem Fremden als ein Hauptmerkmal des 
Schweizerdeutschen gilt. Doch wird im Süden das Ge- 
räusch merklich schwächer und nähert sich vielfach blos- 
sem Hauch {nuthh'i. $lrihj — machen, streichen), die 
Artikulationsstelle rückt weiter nach vorn, und in ge- 
wissen Mundarten (im westlichen Berner Oberland, im 
Wallis und seinen Kolonien jenseits der Alpen, teilweise 
auch im Osten i erscheinen an Stelle der ^ela^e in pala 
taler Umgebung geradezu ausgesprochene Palatale : 
Xint. '/itlpti, /an, rt/t.'. liiXji, milX ; UtaiX. rill'/..*; rix. 
brikji — Kind, Kälbchen, Käse, richten, Löchlein, Milch. 
Bäcker; rücken; Bücken. Brücklein). L'rdeutsches th und 
</ haben sich im Inlaut im allgemeinen als d und t ge- 
. trennt gehalten, im Anlaut ist auch th überwiegend zu / 
geworden: U'kx.i, tarf (aber dnrf), lünn (—decken, darf, 
dünn) usw. Alte Geminaten sind häutig auch nach lan- 
gem Vokal und Konsonanten bewahrt, besonders im Sü- 
den : grillt**, rouÄ.'v, toupfj, tjloup^. uc/rw, iprfrfk.i, 
»mit.» (.1- grüssen, rauchen, taufen, glauben, wölben, 
sprengen, schänden); auch sonore Geminaten haben sich 
im Süden, teilweise aber auch im Nordosten nach langem 
Vokal in weitem l'mfang gehalten; z.B. in Brienz U'min, 
teillnn, timinimiiu, itii'mtutn (— lehren, teilen, träumen, 
meinen). Ebenfalls in den südlichen Mundarten verbreitet 
ist ein Wechsel zwischen inlautender Lenis und auslauten- 
der Fortis bei Verschlusslauten : rat i Plural rftUr > Rad; 
wik :PI. oiif/.») - Auge; Umj> — Laub (dazu tt/utut, J.aub 
sammeln i: doch treffen wir die selbe Erscheinung auch 
au der Westgrenze, z. T. auch bei Reibelauten : fjrap, 
Ali«« <-- Grab. Haus). Spezitis<'h südschweizerisch ist 
ferner 1 ) die teilweise Erhaltung des Unterschieds zwi- 
schen dem germanischen und dein durch die Lautver- 
schiebung aus t entstandenen «-l^ut, insofern der letztere 
| durchweg als s erscheint, das ursprüngliche s aber sehr 
| häutig in * übergegangen ist; 2) die weitgehende Erhal- 
j tutiK von »c im In- una Auslaut : Iiüw.k buw, /Vimv. farxr 
{—Italien, Bau; färben, Farbe); 3i die teilweise Bewah- 
rung des auslautenden n in Endsilben. Die Liquida / wird 
in einer mittlem \o\\ ()st nach West laufenden Zone in ge- 
wissen Stellungen stark n-haltig gesprochen und geht z.T. 
gerade/u in n über {ntibti, wi'uuj — Nebel, w ollen K — Auch 
l auf m or ph o I og i sc h e m und syntaktischem Gebiet 
wären mannigfache Erscheinungen, teils Altertümlichkei- 
ten, teils Neuerungen zu nennen, diennsrer Mundart eigen- 
tümlich sind. Ich weise beispielshalber hin auf das freilich 
nicht ganz durchgeführte Prinzip, den Plural des Substan- 
tivs ent weder durch den I 'miaut oder dann durch Mehrsil- 
bigkeit vom Singular zu unterscheiden </Vi* : hasz mler 
ftas.i: husn -- Hase. Hasen I, auf die Bewahrung des sog. 
Riickuinlaiits im zweiten Partizip der schwachen Verben 
L Klasse im Süden, i. T. noch mit lebendigem Wechsel 
zwischen der umgelauteten flexionslosen Form und den 
nicht umgelauteten flektierten Formen {ksti'Ut. aber 
kstalll.i — gestellt, gesiellteri. auf die Erhaltung uralter 
Bildnngsverschietlenheili-n heim schwachen \erb i,«r 
iwk.it ii.» s/i'.<.<i.<f — er steckt <len S< - hlussel (ins Schlüs- 
; seBoch). dagegen >l.» »tiiniM itfk.ol -■. der Schlüssel 
I steckt; .<» .in.ilt es kühlt, gewährt Kühlung, aber 
.cm.»/.»/ - es wird kühl), auf die reiche Entfaltung der 
Diminution nach Form und Bedeutung, auf die im 
Süden verbreitete Flexion des prädikativen Adjektivs utor 
Sur ml xalt.i. t'xtul'.ni tit mi/».»ci. /'* .und ist jrli*. I'jrrwti 
sind riffi der Schnee ist kalt, die Stube ist sauber, 
das Kind ist klein, die Kirschen sind reif), auf den den 
I südlichsten Mundarten eigenen grössern l'mfang des 
Cenitivgehraurhs in adnominaler und adverbaler Funk- 
! lion (\eriil. 7. B. aus Vispcrtcrmincn im Wallis: rfc.» 
ktttkli-rs hrti i n'i/t »ni./.vjoi In.i.ri' - über den Gauk- 
ler. Spassinaclier habe ich herzlich lachen müssen 'i. 
auf das l'i-rlleben des beweglichen perfektiv ierenden 
;/c- hei Verben, besonders vor dem Infinitiv nach 
modalen Hilfsverben u. K e» may und kluuff.i - et 

v u l cberrine «i|r«oiAni|iche Knt« ii-klonir <i«>« partitivoo 0«oi- 
liv» .J>in-h Vpr.ill<fmeiD<>tung drr K« rm auf-s IQr Singular und 
l'lural »Her Gr «chlfchtor inr B>i<*i<buDg einer unuetahreu 
Ouantitat oder yualilnl s. U HrarnNti-lter . 2>r G«i»»ie in >i«r 
l.uzerner Mundart in 'in- C"ien\carl und Yrryangtuheit tZü- 
noh l»Jt:. 



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SCHW 

bringt e* riiclil fertig^zuTdaufen. die Füsse tragen 
ihn nicht ; dagegen ;»»• «ittfi w»«rf touf},> — er hat keine Lust 
iu laufen). iloch auch sonst; z. H. : « k.cntiui nüd —. ich 
vermag das Ziel nicht (rechtzeitig) tu erreichen; dagegen 
tj-uni.» nüil -■- irh kommt* nicht usw. — Ungleich zahl- 
reicher und bedeutender aber sind die I e x i ka I i sehe n 
besonderheilen ; sie sind es, auf denen neben den 
Ijutverhältnissen die Eigenart des Schweizerdeu lachen ! 
in erster Linie beruht. Mag auch dem nivellieren- < 
den Zug der Neuzeit, von dem wir früher gesprochen ! 
haben, schon sehr Vieles und gerade vom Wertvollsten ' 
zum Opfer gefallen sein, mag sich auch, seitdem unsre ; 
alemannischen Nachharn im Elsass und in Schwaben die j 
Schatzkammern ihrer Volkssprache erschlossen, gar j 
manches, was wir für schweizerischen Sonderbesitz zu 1 
halten geneigt waren, als alemannisches Gemeingut her- f 
ausstellen : bleibt uns auch so noch ein ansehnlicher : 
Reichtum an Eigenem, sei es altes und ältestes Snrach- 
gut. das sich bei uns allein lebendig erhielt, sei es Wort- 
stolL den wir zwar mit andern Mundarten teilen, der 
aber auf unserm Hoden in Form oder Bedeutung eine | 
eigenartige Entwicklung erfuhr. Es gibt im deutschen 
Sprnchbereich zweifellos kein zweites Gebiet von glei- 
chem Umfang, das sich in dieser Hinsicht mit dem uns- 
rigen messe n dürfte, freilich auch kein /.weites, auf dem 
die Bedingungen für die Entfaltung sprachlicher Eigen- 
art ebenso günstig lagen. Denn Natur und Geschichte 
haben dafür gesorgt, dass unser Sprachlehen sich nicht 
um einen oder wenige Mittelpunkte konzentrierte, son- 
dern sich innerhalb einer grossen Zahl kleiner und 
kleinster Volkseinheiten abspielte, die. mannigfach ver- 
schieden nach Beschäftigung. Lebensweise, Einrich- 
tungen. Bräuchen. Anschauungen und Anlagen, in ihrer 
sprachlichen Entwicklung mehr oder weniger eigne Wege 
gingen, wenn auch Zusammenhang und Verkehr mit der 
Aussenwclt in jedem Falle stark genug waren, um ein- • 
schneidende sprachliche Spaltung zu verhindern. Dazu 
kommt, dass das !-and infolge seiner Jahrhunderte allen 
politischen Selbständigkeit und Sonderentwicklung wie 
auch wegen seiner vorgeschobenen Lage an der Peripherie 
des Sprachgebietes ausgleichenden Einflüssen von der 
deutschen Nachbarschaft her wenig ausgesetzt war. Aus 
alledem erklärt sich die .bunte Vielgcslaltigkcil und der 
bodenständige Heichtum unsres Wortschatzes zur Ge- 
erübrigt noch, auf die innere Gliederung der 
Mundart einen Blick zu werfen. Die bunte Vielgestaltig- , 
keil, von der eben die Rede war. besteht nicht nur auf | 
lexikalischem, sondern aus den selben Gründen auch auf 
grammatischem, speziell lautlichem Gebiete, wofür bereits 
freispiele gegeben worden sind. Auch dem Ohr des Volkes 
t-Dtgehen die mannigfachen Lntei-schiede nicht, die schon 
zwischen den Mundarten benachbarter Ortschaften be- 
steh n ; das beweist z. B. die Bolle, die das Sprachliche in 
den Orlsneekereien spielt. Wir konnten noch weiter ge- | 
hen und darauf hinweisen, dass auch die Sprechweise 
einor und der selben Ortschaft niemals ganz einheitlich 
ut. da»s sogar innerhalb der selben Familie (z. B. zwischen 
ihren altern und jungem Gliedern) sehr oft sprachliche 
Verschiedenheiten zu beobachten sind. l>onken wir uns 
die Grenze jeder einzelnen Spracherscheinung auf der 
Karte durch eine Linie angedeutet, so erhalten wir ein 
tiewirr von unzählig vielen Linien, die sich in der denkbar 
ferse hiedenftteti Weise zu einander verhalten, bald sich | 
decken, schneiden oder umfassen, bald nach allen Bich- I 
tungen auseinanderlaufen, bald in sich zurückkehren und 
veschlos-sene Gebiete von der mannigfaltigsten Form und 
firösse bilden (oft hat die gleiche Erscheinung zwei und 
mehr Gebiete), bald sich jenseits der Landesgrenze ver- 
lieren. Das Netz wird freilich nicht überall gleich dicht 
vin wir sehen Gegenden, durch die verhältnismässig 
wenig Linien verlaufen, um! dazwischen solche, wo sie | 
«ich häufen, unter Umständen zu förmlichen Strängen , 
verbinden. Immerhin geht das nirgend so weit, dass der 1 
sprachliche Verkehr der Nachbarn irgendwie erschwert I 
«ire; besteht doch selbst zwischen den entferntesten I 
("unkten des sehweizerdeutschen Gebietes keine so tiefe j 
Kluft, dass sich nicht z. B. ein Landmann vom Bodensee i 
oder aus Appenzell und einer aus dem Thal von Jaun oder I 
au» dem OherwaHis in ihrer Mundart zur N-t noch ver- 



SCI1W 73 

ständigen könuten. Baaskes ganze Gegenden mit relativ 
einheitlicher Sprache gibt, wurde eben angedeutet; aber 
auch auf grössern zusammenhängenden Gebieten herrscht 
oft im allgemeinen Charakter der Sprache und in Einzel- 
erscheinungen eine mehr oder weniger weitgehende spe- 
zielle", l'ebereinstimmung. Bekannt und aus natürlichen 
Gründen leicht zu erklären ist der konservative Zug. der 
die Mundarten des Gebirges auszeichnet im Gegensatz zu 
den beweglichem Mundarten der Ebene. So haben sich 
dort eine grosse Zahl altertümlicher Wörter und Wort 
bedeiitungen erhalten, die in der übrigen Schweiz, zum 
Teil auf deutschem Hoden überhaupt (heute wenigstens} 
fehlen 1 )- Auch Lautstand und Formenbildung tragen im 
Ganzen ein ursprünglicheres Gepräge. Besonders hervor- 
zuheben ist der vollere und vielfältigere Vokalismus der 
Nebensilben: auf einein Teil des Gebiete* sind hier Ver- 
hältnisse bewahrt, welche die nördlichen Mundarten seit 
vielen Jahrhunderten aufgegeben haben. Dies hängt mit 
der weitern Altertiimlichkeit zusammen, dass die Konzen- 
tration iles Nachdnicksak/enls auf die Tonsilbe dort nicht 
so weil fortgeschritten, der Stärkeabstand zwischen Stamm- 
und Nebensilben geringer ist als im Norden. Eine Beson- 
derheit des Gebirges ist ferner die kräftigere Sprechmo- 
dulation: das sog. .Singen' ist hier eine fast durchgängige 
Erscheinung, wenn auch nicht uberall gleich stark ausge- 
prägt (und in neuerer Zeit merklich im Bückgangbegriflen); 
in der Ebene erscheint es mehr nur als Eigentümlich- 
keit einzelner zerstreuter Orte, während sonst der Wech- 
sel der Tonhöhe wenigstens bei afTcktloscm Sprechen 
sich in massigen Grenzen bewegt. Weniger ergibig als 
ein Durchschnitt von Ost nach West ist ein solcher von 
Nord nach Süd. auch wenn man davon absieht, dass der 
Südosten aus bekannten Gründen mit dem Südwesten 
zusammengehört. Zu erwähnen wäre etwa, dass der 
Osten im allgemeinen kräftiger und straffer artikuliert 
als der Westen; dazu kommt ein wichtiger morpholo- 
gischer Unterschied (s. u.i. Wesentlich einheitlichere 
/.üge gewinnt das Sprachbild des Westens erst, wenn wil- 
den Nordwesten davon abtrennen und die Ostgrenze etwa 
vom südwestlichen Aargau zur Furka ziehen. Auf den be- 
sondersengen Zusammenhang zwischen dem BernerOber- 
land und Wallis wurde früher schon hingewiesen. 

Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Ein- 
teilung des Schweizerdeutschen steht noch aus und 
lässt sich auch bei dem dermaligen Stande der Forschung 
noch nicht geben. Die populäre Einteilung nach Kanto- 
nen leidet an dem grundsätzlichen Mangel, das« sie 
sprachliche und politische Grenzen gleichsetzt. Von der 
ungünstigsten Seite zeigt sich dieses Verfahren, wo es 
sich um so junge Gebilde handelt wie etwa beim Aargau 
oder bei St. Gallon, die sprachlich in ganz heterogene 
Bestandteile zerfallen. Aber auch in Kantonen, deren 
Grenzen in die ältere Zeil zunickgehen, hat die Mund- 
art nichts weniger als einheitlichen Charakter. Welche 
Unterschiede bestehen nicht z. H. zwischen der Luzerner 
Mundart im Entlebuch und im Gäu. der sololhurnischen 
südlich und nördlich vom Jura, der thurgauisehen im 
untern und obern Kantonsteil, von grossem und vielge- 
staltigem Kantonen wie Hern oder Graubünden ganz zu 
schweigen. Im Kanton Zürich geht der Norden und 
äussersto Osten sprachlich mit dem angrenzenden Sehall- 
hausischen und riiurgauisclien zusammen und steht in 
ausgeprägtem Gegensatz /um Hauptgebiet des Kantons, 
das sich selber wieder in mehrere deutlich unterschiedene 
Teilgebiete gliedert. Selbst durch den kleinsten Kanton 
Zug laufen starke sprachliche Grenzen. Ks unterliegt 
keinem Zweifel, dass eine auf rein sprachlicher Grund- 
lage fussende Gruppierung unsrer Mundarten ein von 
der politischen Gliederung völlig abweichendes Bild er- 
geben wird. Von gelehrten Einteilungen sei zuerst die 
beliebte Zweiteilung des Gesamlgebioles in ein ostliches 
,rein alemannisches* und ein westliches .hurgundisch- 
alemannisches" Gebiet erwähnt. Ich habe mich schon bei 
früheirr Gelegenheit gegen die Annahme ausgesprochen. 

II Für manche Itisst «ich direkt uacbwei»oo. da-* früher 
Weiter fiber \u»er O«. let verbr.'it-l waren. In keinem F» 1 ) »md 
wir darauf aopewie'-eii. biirgundischen Ur-prunjr xu Hilfe zu 
nehronn. Da« W> rtvi , r/-ichniH von I.. TobUr \Fe*t>chrift der 
Univertit'il Zurieh :itr Zürcher Philoloyenvtiiammlung /«ÄT. 
S.1U6I1.1 bedarf der K«vi«t»n. 



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74 SCIIVV 

das» in der deutschen Bevölkerung des Westens Beste 
nicht romanisierter Burgunden aufgegangen seien ; aber 
selbst wenn es damit seine Dichtigkeit hatte, so musste es 
dennoch als ein aussichtslose« bemühen bezeichnet wer- 
den, in der heutigen Mundart jener liegenden noch bur- 
gundische Einflüsse nachweisen zu woÜen. In Wirklich- 
keit liegt dazu auch gar kein zwingender Anlass vor : unter 
den wenigen Erscheinungen, bei denen man etwa an sol- 
chen Einfluss denken könnte, ist keine, die »ich nicht 
auch als Ergebnis rein alemannischer Sonderen! wicklung 
verstehen lässt. Uebrigens herrscht mit Bezug auf den 
Umfang des .burgundisch-alemannischen' Gebietes keine 
volle Einigkeit: die einen rechnen dazu ausserdem Wal- 
lis mit seinen Ablegern im Süden und Osten, Bern. Frei- 
burg und dem südwestlichen Aargau auch Solothurn. die 
andern auch noch Luzern. Soll aber die Einteilung 
- abgesehen vom Namen — sprachlich einen Sinn haben, 
so konnte von Solothurn höchstens der südliche Teil und 
von Luzern der an Bern angrenzende WesLsti-eifen in Be- 
tracht kommen ; auch war." das Gebiet läng« der Sprach- 
grenze südlich bis gegen den Neuenhurgersee auszu- 
nehmen, das gewöhnlich mit dem Nordwesten geht. Eine 
Einteilung de* ganzen Gebiete«« in sechs Hauptgrtippcn 
hat Ludwig Tobler vorgeschlagen {Klrbu- Svhriftrn. 
S. 21-1 L). und zwar : 1. in eine nordwestliche Gruppe, um- 
fassend da« Gebiet von Hasel und der deuUch-bernisehen 
Juralhäler nebst Biel, den nördlich vom Jura liegenden 
Teil von Solothurn inicl das aargauische Frickthal : 2. eine 
nordöstliche mit den Kantonen Zürich. SchalThausen, 
Thurgan, dem grössten Teil von Sl. Gallen und dem Kan- 
ton Appenzell : 3. eine mittlere, zu der der gn'nate Teil 
der Kantone Aargau und Solothurn, das bernische Miltel- 
und Seeland nebst FreiburK-Murteu. nach Osten das Lu- 
zerner Gau. Zug. Schwvz und Glarus gehört; 4. eine süd- 
westliche Gruppe, die das deutsche Freiburg (ohne den 
Bezirk Murten), das Berner Oberland und Wallis mit 
seinen Kolonien umfasst; *>. eine südöstliche mildern 
st. gallischen Oberland und Graubünden ; «.das Entlehnen. 
Linterwaiden und Tri. die eine Mittelstellung zwischen 
der 3. und 4. Gruppe einnehmen. Tobler selbst nennt 
diese Gruppierung eine vorläufige und bezeichnet als 
leitende Gesichtspunkte neben sprachlichen Eigenschaften 
auch die geographische Beschaffenheit des Landes und Tat- 
sachen (ier politischen Geschichte. In der Tat Hesse sich 
vom rein sprachlichen Standpunkt das eine und andre 
einwenden, so z. B.. daas die It. Gruppe in ihrer laugen 
Ausdehnung doch allzu Verschiedenartige» cinschliessl ; 
auch erscheint es bedenklich, Zürich ohne weitere» mit 
Schaffliauscn. Thurgau etc. zusammenzuspannen, da der 
grosste Teil des Kantons in sehr wesentlichen Hingen von 
denselben abweicht usw. 

Aufein wichtiges morphologisches Ein/elmerkmal, nach 
dem sich das Gesamtgebiet in eine östliche und westliche 
Gruppe scheiden licssc. hat J. Hoashart i Ihf Fle.ri»«*- 
fiHilumji'n «/et *chu<rizrr<letttxclt,-i> VrrhuniH. Frauenfeld 
lH88i aufmerksam gemacht: vergl. dazu I'. Schild im 
Literat urhUilt für ijt'vinanische um! romaiiixt /<»• l'htln- 
tot/ii-. 1889. S. 87 f. (init genauem Grenzangabeii K Es b<-- 
Irilft den Pluralausgang im Praesens Indikativ hei mehr- 
silbiger Form, der in den östlichen Mundarten in allen 
drei Personen völlig gleich, in den westlichen entweder 
in allen dreien oder doch in zweien noch verschieden 
lautet. Dort haben wir iu.tr, ir, *> bi>ul.in{>i) bezw. -ihl 
i -«*'), -ö/ {-il). hier dagegen 1. -e i-ti, -<>;; IL -»■</ -et ; 
III. -fttil -<m,l -hui im Wallis (das in diesem Punkt ur- 
sprünglichere Verhältnisse erhalten hat als unsre Denk- 
mäler des 10.11. Jahrhunderts). I. III. -.», IL -M aufdem 
■ihrigen Gebiet. Die Grenze zwischen den beiden Haupt- 
gruppen verläuft von Laufenbur* am Bheiu östlich 
zur Aare, dann südlich durch den Kanton Aargau und 
•lurch den Westen des Kantons Luzern unfrefahr längs 
der Ostgrenze der Bezirke Willisau uml Entlchuch, zum 
Brienzer Bothorn, von hier ■■stlich /um Titlis und südlich 
zum Gotthard ; das Walsergebiet in Hunden stellt sich 
zur westlichen Gruppe. Analog liegen die Verhältnisse 
bei einsilbigen Formen [niar tu.mtl oder f bezw. m^c 
tu.» oder tu.i wir tum. nur dass ein kleineres, der be- 
schriebenen Grenze im Westen anliegendes Gebiet der 
Kantone Aargau. Solothurn und Lii/ern in diesem Fall 
wie der Osten in allen drei Personen den Ausgang -ml hat. 



SCHW 

Eine Sonderstellung nimmt auch hier Baselstadt ein. wo 
die mehrsilbigen Plurale in allen Personen auf -j. die 
einsilbigen auf -nd oder -n ausgehen. — P. Schild be- 
spricht a. a. O. noch zwei weitere Erscheinungen, deren 
geographische Verteilung Tür die Gruppierung unsre r 
Mundart von Wichtigkeit ist. Auf Grund der einen zer- 
fällt das westliche Gebiet, das sich im Vorigen ergeben 
hat, wieder in einen nördlichen und südlichen Ted. Es 
handelt sich um die Vertretung der urdeutschen l.aot- 
gruppe gk, die im Norden als gk yk.r erscheint, im Süden 
als.i wobei der Nasal mit dem vorangehenden Vokal 
zu einem (im Wallis und Berner Oherlaml teilweise noch 
nasaliert gesprochenen» langen Vokal oder Diphthongen 
von verschiedener Färbung verschmolzen ist; so haben wir 
auf der einen Seite txigk, bagk.r. auf der andern W, l«u . 
Imijl- \lraiX\, /wi.r Imiuj- bezw. 6oj- usw. Bank, auf 

der einen Seite trigka, trigk.ee (oV-i, auf der andern fei.«.» 
(«Vi**!, ti;-t.u bezw. trixj usw . — trinken. Die Erscheinung 
erstreckt sich über das Wallis und seine Kolonien im Sü- 
den und Osten, sowie den sudlichen Teil von Bern uml 
Freihurg bis zu einer Linie, die nach Schilds Feststellung 
an der deuUch-franzosischen Sprachgrenze zwischen Bü- 
dingen und Murten beginnt, nordöstlich von Ueberadorf 
auf die Sense slosst, zwischen Koniz und Scheei ii in .et- 
licher Hiciitung gegen die Aare und über Worb. zwischen 
Burgdorf und Oberburg hindurch in nordostlicher Dich- 
tung an Huttwil vorbei zur Luzerner Grenze verlauft. 
Ebenfalls eine Scheidung in Nord und Sud. die aber das 
Gesamtgebiel umfasst, ergibt der zweite von Schild be- 
sprochene Fall. Er betrith die verschiedene Behandlung 
der alten I-ängen i, », d . der ganze Süden hat die ein- 
fachen Laute in allen Stellungen bewahrt. der Nordeu nu r 
vor Konsonanten, vor Vokalen im Hiatusi dagegen sind 
Diphthonge damr eingetreten. Allgemein heisst es */i</... 
*uff.> i*t)fl.»\. Adner {litw etc. I steigen, saufen. Ilau«er. 
aber nur im Süden auch iriij}*, bü{uu \buwwa etc. . 
mi]<m.'M>- i«ün'M'.«r,in'iew.«-etc.j _ schreien, bauen, neuer: 
der Norden hat dafür «ret.«, feiiw, imu.ir oder ähnlich (die 
Diphthonge lauten verschieden von den Vertretern der 
alten Diphthonge ei , oh, i>u in .breit. Auge. Aeuglein-; nur 
im Nordosten sind sie teilweise damit zusammengefallen' 
Die Grenze zwischen dem diphthongierenden und dem 
nicht diphthongierenden Gebiet setzt im Westen ein sud- 
lich von Murten, zieht sich ostlich zum Thiinei-see. geht 
längs dem Nordrand desselben und des Brienzersee-« zum 
Brienzer Bothorn, dann der Grenze zwischen dem Entle- 
buch und Unterwahlen nach, an Luzern vorbei, zwischen 
Baarund Zug hindurch zum obern Zürichsee. von hier zum 
Speer. umschliesM, in schmaler Schleife nach Norden 
ausbiegend, das Appenzeller Hinterland, kehrt zum Walen- 
se«' zurück, folgt südlich davon der Grenze zwischen Glarus 
und dem St. Galler Oberland und schliesst in Grauhuudcii 
das Bheinthal bis Thusis an das diphthongierende Gebiet 
an. In das südliche Gebiet eingesprengt sind zwei Thal- 
sehaften mit durchgeführter Diphthongierung in allen 
Stellungen: einerseits das äussere SchanfiKg in Hunden, 
anderseits das Thal von Engelberg. wo man, von Eugel- 
berg aus dem Vierwaldstaltcrscc zu gehend, alle Abstu- 
fungen vom voll ausgebildeten Diphthongen bis zur ein- 
fachen doppeltonigen Länge boren kann. — Unverkenn- 
bare Verwandtschaft mit der beschriebenen Diphlhongie- 
ruilgsgrenze Zeigt ilie Grenze zwischen dem südlichen 
Gebiet, das altes <i als <i, zum Teil mit leichler «-Farbun. 
erhalten hat. und dem nordlichen, auf dem es zu ■"» ge- 
worden ist i ftrün» : »Iiuh», $tr«t*r. sie seUt — ich gebe 
nur den ungefähren \ erlauf - südlich vom Bielersee 
zwischen MunUehemier und Treiten ein. geht durch das 
nördliche Bern hindurch («Ier Ober-Anrgau lial (> und •}•. 
dann der Grenze zwischen dem Luzerner Gau und Ent- 
lebuch nach, durchzieht die Kantone Zug und Schwvz 
und fallt vom Walensee an ganz mit der Diphthongie- 
ruugsgrenze zusammen. Das nordliche Gebiet hat >'• im 
Westen, aber auch in einzelnen Gegenden im Osten, wu 
sonst i. herrscht: (sicher sekundäres) << oder ein dein 
ö nahestehender IjuI findet sich auf zwei isolierten Ge- 
bieten an der untern Aare, dann um den Zürich«w*e und 
nordwestlich davon. Anderseits ist dem d-Gebiet ein ge- 
schlossener Bezirk mit (> eingelagert, der das oberste 
Bhunethal. einen Teil des Pommat, Bosco und Ursorn um- 
fasst. Ich schliesse hieran noch eine weitere Erscheinung. 



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SCHW 

«leren Grenzen zu der Diphthongierungsgrenze in deutli- 
cher Beziehung stehen. Der urdeuuwhe Diphthong iu ist 
vor labialen und gutturalen Konsonanten, Kuweit nicht 
ursprünglich ein u oder i in der folgenden Silbe stand 
i. B. in dem Worte .tief 1 ), auf unserm Gebiet in drei- 
facher Weise vertreten : 1. durch i.t im Nordwesten, wo der 
Laut behandelt ist wie vor Dental (Ifctf); 2. durch ü im 
Nordosten und Osten, wo er mit iu vor «" und « zusam- 
mengefallen ist {tüff), und 3. durch einen Diphthongen 
im <»u </u oder «ii et ei usw.. der mit altem ei zusammen- 
gefallen ist. im Sud»»n i tau ff, täiff etc.). Bemerkenswert 
wl nun die Grenze von 3 gegen 2 und 1 : Hie ist in der öst- 
lichen Hälfte so ziemlich eins mit der Diphthongierungs- 
greiue »nur dass sie den Abstecher nach dem Appenzel- 
Ierland nicht mitmacht), im Weateu reicht sie dann 
allerdings weiter nach Norden, indem sie ganz Luzern. 
den sudlichen Aargau und Solothurn südlich vom Jura 
mit umCasst. I und 2 treffen sich auf aargauischem 
Boden. 

Iu der Vertretung de» iu geht der Nordwesten mit den 
anstossenden nördlichen Mundarten zusammen. Das tri in 
auch zu für eine Anzahl weiterer Erscheinungen, die in 
ihrer Gesamtheit für den Nordwesten charakteristisch 
sind, nämlich 1. die Schwächung anlautender Verschluss- 
fortis L dag Tür tag', die sich über beide Basel, das Frick- 
thal. Solothurn und südlich über Biel hinaus bis Fri- 
scheis tun nordlichen Freiburg) erstreckt; 2. die Vertre- 
tung von tik und kk durch ijk und kk, die in Baselsladt, 
dem Birseck. Berner Jura und im angrenzenden Solo- 
thumerGehiet, südlich bis Ligerzam Bielerseegilt ■ > ; 3. die 
Dehnung aller kurzen Vokale in offner Silbe, die in beiden 
Basel, im angrenzenden Frickthal. in Solothurn und südlich 
bis FräscheU sich llndet : 4. die sog. Entrundung von ö u äu 
(."im" zu e i ei (aij: von Basel der Westgrenze entlang 
i früher auch in der Stadt Solothurn» bis Biel und noch in 
Biberea und Kfein-Bosingen. Endlich 5. die Vertretung 
von nd durch g{g) in 7», fimjj usw. (= Kind, linden), 
deren Gebiet vom südKctien Elsa»» aus längs der West- 
grenze in einer Zone von wechselnder Breite südwärts bis 
Salvenach reicht. Aehnlichespezielle l'ebereiustimmungeii 
unsrer Grenzinundarten mit den Mundarten jenseits der 
Undesgrenze linden wir iiu Nordosten und Osten. Dahin 
gehören z. B. die früher besprochi ne Vertretung von an- 
lautendem k durch k.r im untern St. Galler Bheinlhal und 
östlichen Appenzell; die Erhaltung nasalierter Vokale im 
St. Galler Rheinlhal. in Appentell. im Fürstenland, oben) 
Thurgau und in Teilen von Schaffhausen (nid — Manu»; 
die Vertretung von altem ei durch ö» <> bezvv. «i im 
St. Galler Rheinthal, östlichen Appenzell, Furstenland, 
Thurgau (abgesehen von einem südwestlichen Grenz- 
streifen, der ai hat), im Hauptgebiet von Schaffhausen 
und im Nordosten de* Kantons Zürich (/<yf, töl, täl 
= Teil); die zahlreichen Diphthongierungen bezw. Vokal- 
brechungen im St. Galler Hheinthal und teilweise in 
SchaJThauaen (z. B. aber auch irwl — weht)». Manche 
von «Denen Grenzerscheinungen' treten in andern Teilen 
unsrea Gebiete?« auf. So die Vertretung von k nach n und 
in der Verdoppelung durch reine Fortis im Osten, die 
Entrundung von ö u „u im östlichen Heiner Oberland, 
im Wallis und seinen südlichen Kolonien, iu l'nterwal- 
den. Uri. in Bünden am Vorder» und Hinterrhein (Ober- 
nien, FeUherg, Thusit): allgemeine Vokaldehnutig in 
offner Silbe kennt auch das Hheinthal südlich vom riir- 
srhensprung bis hinauf nach Tain ins und Thusis, Nasal- 
vokale das Simine nlhal und Wallis. So Hesse sich leicht 
noch eine Menge weiterer Belege hinzufügen für die 
Külle von Erscheinungen, die sich auf unserm Sprach- 
lxxJen in wechselnder Verteilung drängen. Dessenunge- 
achtet ist das zu Gebote stehende Material noch iu jeder 
Hiiuicht zu luckenhan. um eine den heutigen Ansprüchen 
Kenügende Gliederung unsrer Mundarten durchzuführen. 
Üie Sammlung des Wortschatzes, wie sie das im Ersehet - 
uen begriffene schweizerdeutsche Idiotikon bietet, durch 
eine ebenso umfassende, systematische Aufnahme der 
fcrainmaÜKchcii. vorab der Lautverhältnisse zu ergänzen, 
«ird die schweizerdeutsche Dialektforschung als nächstes 
Ziel ins Auge zu fassen haben. Erst dann wird es ihr 

•) Nur in der Bewsbruiif der Fortis weicht'' «las schneize- 
nvke Oebiet von» nördli<shen ab. 



SCHW 75 

möglich sein, alle die Aufgaben an die Hanil /.u nehmen, 
zu deren Lösung sie im Verein und Zusammenwirken mit 
der Geschichte und Volkskunde berufen ist. 

Literatur zum 1. und 2. Abschnitt : Die Ergebnisse der 
eidg. Volkszählungen ; bearbeitet vom eidg. statistischen 
Bureau. J. Zimmerli: Die deutsch-franzusisclte Sprnch- 

f renze in der Schweiz. 3 Teile. Basel und Geuf 1891, 1895. 
899 (auch mit lautlichen Erhebungen über die deut- 
scheu Mundarten an der Grenze). Dazu Deutsche EruVIlI 
(1904». S. 150 ff. - Heinrich Morr: Deutsche und Roma- 
nen in der Schweiz. Zürich 190t). — Albert Huchi: Die 

historische Sprachgrenze im Kanton Freiburg [Frribur- 
ger Geschichtshlülter. 189ÜI. - Albert Uüchi: Die deut- 
liche Sprache in der Weitisch wetz (Schweizerische Rittui- 
tchau. 1902). - II. Bresslau : Zur Geschieht» der deut- 
schen Gemeinden im Gebiet des Mimte Rosa und im <)*- 
tulalhul. [Zeitschrift der f.eteHsehuft für Erdkunde. XVI 
(1881), S.173 IT.). — Julius Studer: Walliser und Walser. 
Zürich 1886. — Mevervon Knonau im Anzeiger fite Schweiz. 
Geschichte 1892, S. 370. 1893. 445 (über die Walsersied- 
lungen im Hei ner Oberland). - A.Sartorius von Walters- 
hausen : Dte Germatiisiemng der Rätoromanen in der 
Schweiz (in den Forschungen zur deutscheu Landes- und 
Volkskunde). Stuttgart 191«. - J. Hunziker: Der Kampf 
um das Deutsch I um. 10. Heft: Schweiz. München 1898. 

— Ludwig Tobler : Ethnographische Gesichtspunkte 
der Schweiz. Dialektforschung (in leinen Kleinen 
Schriften zur Volks- und Sprachkunde, herausge- 
geben von J. Üäehtold und A. Bachmann. Frauenfeld 
1897. S. 199/2221. - 

Zum 3. Abschnitt: Adolf Socin: Schriftspruche und 
Dialekte im Deutschen nach Zeugnissen alter und neuer 
Zeil. Heilbronn 188«. - Ludwig Tobler: Veiter die 
geschichtliche Gestaltung des \ erhnltnissc* zwischen 
Schriftsprache und Mundart lin seinen Kiemen Schrif- 
ten. S. 222/2*0). - Friedrich Kluge: Von Luther bis Les- 
sing ; sprachgeschichtliche Aufsätze. 2. Aufl. Slrassburg 
1888. ( Darin Schriftsprache und Mundart in der Schweiz. 
S. 60/74 ,Oher- und mitteldeutscher Wortschatz. S. 75/91». 

- Hans Byland: Der Wortschatz des Zürcher alten Testa- 
ments von i:c>~, und 1 "<•"// verglichen mit dem Wortschatz 
Luthers. Berlin 19113. - Albert Gesslei : Reitrage zur Ge- 
schichte der neuhochdeutschen Schriftsprache in Raset. 
Basel 18HM. - Henvv.ird Brandstelle r : Prolegomena zu 
einer urkundlichen Gcschichtcder Luzerner Mundart .Ein- 
Biedeln 1890. - Heim. Branilslelter : Die Receptton der 
neuhoehdeu liehen Schriftsprache in Stadt und Land- 
schaft Luzern KUHt-iMf). Einsiedeln 1891. - Renw. 
Brandsti tter: Die Luzerner Kanzleisprache 1950-1600 
(ein gedrängter Abriss mit spezieller Hervorhebung des 
methodologischen Momentes». — Felix ßalsiger: Untiers 
Sprache und die heruische Mundart (in der Zeitschrift 
für hochdeutsche Mundarien. V. 1904). - Hans Käslin : 
Alhrrcht von Uallers Sprache iu ihrer Entwicklung dar- 
gestellt. Brugg 1892. - Otto von Greven: Die neuere 
Sprnchent Wicklung in der deutschen Schwei:. Zürich 
1892. - Ernst Tappolet : I eher den Stand der Mund- 
arten in der deutschen und französischen Schweiz. 
Zürich 1901. 

Zum 4. Abschnitt: a) G ra mma I i k der Mundart. 
F. J. Stalder: /he Landessprachen der Schuciz aller 
Schweizerische IhalektoUtyie. (Mit der Gleichnisrede von 
dem verlornen Sohn in allen Schwei/ennundarten). 
Aaratt 1813. J. Winteler: Die Kereuzer Mundart des 
Kantons Glarus in ihren Grundzügen dargestellt. Leip- 
zig und Heidelberg 187t> i epochemachende Arbeit). — 
Heinrich Stiekelberger : lAtutlehre der leitenden Mumlart 
der Stadl Schaf] liausen. I.Teil: i Einleitung und Vokalis- 
musi. Aarau 1880/81. Der II. Teil (Konsonantismus) in 
•len Beiträgen zur Geschichte der deutschen Sprache und 
Literatur, herausgegeben von II. Paul und W. Braune. 
Hand XIV(l88»i. S. 381/454. Kenward Branilslelter: 
Die Zischlaute der Mundart tun Rero-Miiuslcr. Einsie- 
deln IK83. — Albert Bachmann. Reilrüge zur Geschichte 
der Schweiz. Gutturallaute. Zürich 18Sf>. Jakob B«iss- 
hait : Die Fie.riousendungen des schweizerdeutschen 
Vertiums. Frauenfeld 1888. Andreas Heusler: Iteralc- 
mannische tZonsunaulisnius der Mundart von Baselstadl. 
Slrassbuig I88N. tlustav Binz: Zur Synlu.c der Itasei- 
städtischen Mundart. Stuttgart IS8K. E.luard Hofl- 



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76 



SCI1W 



SCHW 



mann: Der mundartliche Vokalismus von Hasel-Stadl 
in seinen Grunitzögen dargestellt. Hasel t890. Hermann 
Klaltner: l 'eher die Mundarten des Kanton» Aargau: 
Vokalismus der Schinznaeher Mundart. Rrugg 1890. — 
Peter Schild: Brienzer Mutulart. I.Teil (die allgemeinen 
Lautgesetze und Vokalismus >. Hasel 1891. II. Teil (Kon- 
sonantismus! in den Hei trägen zur Gest lachte der deut- 
schen Sprache und Literatur. Rand XVIII (1894}, S. 301 
bis 393. — Hans Wissler : Bas Suffix-i tn der' Herner 
res/t. Schweizer Mundart. Frauenfeld 1891. PaulSutcr: 
Die Zürcher Mundart in J. M. l'sleris Dialektgedichten. 
Zürich 1901. - Kslher OdermaU : Bie Denitnutinu in der 
Nidtealduer Mundart. Zürich 1904. - Hedwig Haldimanu : 
Her Vokalismus der Mundart von Gnldtmch. (Zeitschrift 
für hochdeutsche Mundarten. IV (1903.. S. 29»>,33l ; V. 
.S. 225/244). — Henward Hruudstetter : Der Genitiv in der 
l.irzerner Mundart im tieijenwart und Vergangenheit. 
Zürich 1904. Für die detitschen Mundarten im Pieinont 
sind noch speziell anzuführen : Albert Schott : Die deut- 
schen Galanten tu l'iemnnt ; ihr Land, ihre Mundart und 
Herkunft. Stuttgart 1842. Giov. Giordani : La cotottia 
tedesca diAlagna- Vahesia e d suo dialetta. Toiino 1891. 
Dazu Anzeiger für deutsches Altertum. XXI, 26 ff. 

b) \\ orUfhati. Ludwig Tobler : Die lexikalischen 
I ntcrschie.de der deutschen Dialekte mit besonderer 
Uucksicht auf die Schweiz. (Festschrift der Vmversität 
Zürich zur Zürcher l'hilologenversammlung 1887. S. 91 
bis 109l. Henward Brandstelter : Drei Abhandlungen 
über das Lehuu-ort. Darin: Dos Lehnwort in der Lu- 
Mundart. Programm. lauern 1900. Wöri er- 
blich er. F. J. Stalder: Versuch eines schweizerischen 
Idiotikon. 2 Hände. Aarau 18I2. Line vermehrte Neube- 
arbeitung liegt handschriftlich auf der Luzerner Kürger- 
bibliolhek. - Titus Tobler: Appenzellischer Sprachschatz. 
Zürich 1837. - Schmidts Idiotien Hernense (Frorn- 
manns Deutsche Mundarten. II IV) - Valentin Huhler: 
Bavos in seinem Walserdialekl. Mit historischen, gram- 
matischen und kulturgeschichtlichen Heigaben, auch einer 
Chrestomathie der Kundnerdialekte. (> Helte i wovon eines 
dem Dialekt von Übersäten gewidmet ist). Heidelberg 
1870-1880. — J. Ilun/iker: Am gauer Wörterbuch tn der 
iMUtform der Leerauer Mundart. Aaraii 1887. (Mit ein- 
leitender l^Utlebrei. - Adolf Seiler: Die Hasler Mund- 
art. Hasel 1879. Mit einem Anhang über Laute und For- 
men. — Martin Tschninperl : \ ersuch eines büudne- 
risclien Idiotikon. Chur 1K80IL (unvollendet, bis jetzt 5 
Hefte;. — Schweizerische Idiotikon; Wörterbuch der 
tehweizertieutschen Sprache. Gesammelt auf Veranstal- 
tung der antiquarischen Gesellschaft in Zürich unter 
Beihülfe aus allen Kreisen des Schweizennlks. Herausge- 
geben mit Unterstützung des Bundes und der Kantone. 
Begonnen von Friedrich Staub und Ludwig Tobler. fort- 
gesetzt von IA. Hacliinann. H.Schorh. IL liruppa« her. K. 
Schvvyzer. IL Hlattuer. J. Velsch n A. Frauenfeld IKKIff. 
(jetzt im 6. Hand». [Vr»t. lir Alb. ri Hv.iimamm. 

III. FKANZU>|m;H. I. Statistische Angaben; heutige ; 
und ehemalige deutsch-französische Sprachgrenze. Nach 
der eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dezember 1900 
lebten in der ganzen Schweiz 730917 Personen mit franzo- 
sischer Muttersprache, von denen rund 700000 oder nicht 
►tanz ein Viertel (2 9i der Gesamtlicvolkcrung der Schweiz 
13315443 Kopfe) auf d ie sog. franzosische oder welsche 
Schweiz entfallen, Ganz französisch sind die drei Kantone 
Waadt, Genf und Neuenburg, wahrend in den Kantonen 
Freiburg und Wallis die romanische Bevölkerung min- 
destens doppelt so stark vertreten ist als die deutsehspre- 
chentle. Für den Kerner Jura, wo das Franzosische die 
Amtssprache bildet, verzeichnen die Volkszählungslisten 
eine frauzosisrlisprcrhendc schweizerische Bevölkerung 
von 83290 Seelen, die zusammen mit den im übrigen 
Kantonsteil zerstreut niedergelassenen Angehörigen fran- 
zösischer Zunge etwa V',i der gesamten Volkszahl des Kan- 
ttins Kern ausmachen. Alle diese Zahlen sind jedoch nur 
relativ genau, da - namentlich längs der Sprachgrenze 

eine doppelsprachige Kevolkening vorhanden ist. die 
von der Statistik notwendigerweise etwas willkürlich 
zugeteilt werden muss. In den fur die französische 
Schweiz bestimmten Zfihlkartcn bat man die früher ange- ■ 
wendete, zu wenig scharf gefasste Frage nach der - Mut- ' 
lersprache (lanpue malernelle^ im Jahr UM) durch die- 



jenige nach der « Sprache (langue) . ersetzt, welch' letz- 
tere in den Weisungen an die französischsprechenden 
llaushaltungsvorstände wie folgt definiert wurde: » Unter 
Sprache, wie sie durch die Volkszählung ermittelt wer- 
den soll, versteht man diejenige, die man in der Kind- 
heit gelernt hat, in welcher man denkt, die man mit 
Vorliebe spricht. » Trotz dieser Vorsichtsmassregel muss 
aber doch in manchen Fällen Zweifel geherrscht haben, 
besonders wenn es sich um auf welschem Hoden gebo- 
rene Kinder von deutschsprechenden Eltern handelte. 

Die französische Schriftsprache ist bei uns ein von aus- 
sen her eingeführten Idiom, während die im Lande selbst 
entstandene Sprache durch die verschiedenen Mundar- 
ten vertreten ist. Die importierte wie die einheimische 
Sprache leiten sich beide von der Sprache des alten Rom 
her und tragen daher auch beide mit dem nämlichen 
Hechte den Namen einer «romanischen» Sprache, 
französisch : r o m a n (d). Dieser Ausdruck stammt aus 
dem lateinischen romanice (loquij und erscheint 
in den geschichtlichen Urkunden unter den Formen 
roinannnm, r o m m a n t etc.. welche sowohl die 
aus Frankreich entlehnte Sprache der Urkunden, als be- 
sonders auch die Idiome des eigenen Landes selbst be- 
zeichnen. So finden wir z. B. den Ausdruck romancium 
als direkten Gegensatz zu gallicum in einer Genfer 
Urkunde vom Jahr 14fl0 (vergl. Hrmiania. 30. S. 408|. 
1424 wird es den Freiburger Notaren freigestellt, ihre 
amtlichen Schriftstücke sowohl en teif ou en rom- 
mant. d. h. in deutscher oder französischer Sprache ab- 
zufassen. Noch heule trifft man hie und da den Ausdruck 
roman als Bezeichnung der modernen Mundart, beson- 
ders des Waadllandes. Die weibliche Form romande 
ist nach dem Muster von allemand-e gebildet, das 
Si lber analogischer Formalion ist 

Unter der steten Voraussetzung, dass sowohl die fran- 
zosische Schriftsprache und die welschen Mundarten 
einerseits, als auch das Hochdeutsche samt seinen Dia- 
lekten andererseits als ein einheitliches Ganzes aufge- 
fas-i werden, verlauft die heutige Sprachgrenze zwischen 
beiden Idiomen wie folgt : Von U.harmoille im nordlichen 
Herner Jura wendet sie sich gegen MontHevclier. wo sie 
scharr gegen Südwesten umbiegt, dann folgt sie, nordwest- 
lich von Biel-Twann-Ligcrz vorbeiziehend, dem Jurakamm 
und erreicht das franzusischsprechende Neuveville /Neu- 
enstadt); hieraufzieht siederZihl (Thielle), dem Neuen- 
burgersee und der Broye entlang, durchquert den Mur- 
tensee und biegt nördlich von Meyriez (Merlach) wieder 
in südöstlicher Richtung ab. Nun bildet sie um Cres- 
sier eine eigentümliche Schlinge, überlässt Courlcvon 
dem deutschen Sprachgebiet und führt durch Courtaman 
nach ßarbereche (Bärtischen», um von hier bis Frei hu rg. 
das sie durchschneidet, der Saane zu folgen. Jetzt zieht 
sie östlich von Marlv-Praromnn-La Roche vorbei, er- 
klimmt die Herra, folgt den das Thal von Charmey be- 
grenzenden Kämmen und setzt sich in nahezu gerader 
Linie bis zum (.Udenborn fort. Hier angekommen, biegt 
sie knieformie aus. um die das Wallis vom Kanton Hern 
trennenden Hochgipfel zu erreichen, wo sie bloss am 
Sanetschpass etwas auf die Nordflanke der Kette hinüber- 
greift. Vom Weisshorn steigt sie ins Wallis hinunter, 
durchschneidet das Hlmnethal nstheb von Mirge-Sierre 
iSiders) -Chinins, steigt dann wieder an und folgt der das 
Lillschthal (Val d'Anniviersi vom Turtmanthal i Val de 
Tourtcmagne) trennenden Kette, um endlich an der 
Dent d'Herens ihr Ziel zu erreichen (vergl. die beige- 
gebene Karte der Sprachgrenze). Kine wirkliche Natur- 
gren/c bildet sie blos in ihrem nordlichen Abschnitt, 
wo sich die Wogen der alten Alemanneneinfälle an der 
Juraketle gebrochen haben ; weiter südlich verlauft sie 
ohne Kucksicht auf politische oder konfessionelle Grenz- 
scheiden durch stark gewelltes Hngel- und Bergland, um 
dann von Hougemont-Saanenan das Waadtland vom Kan- 
ton Hern zu trennen und nachher zw ischen Bern und dem 
Wallis sich zu einer auch konfessionellen Scheide zu ge- 
stalten, worauf sie im Rhonethal wiederum eine bloss 
linguistische Grenzlinie ohne politisch -religiöse Bcdeu- 
lung darstellt. 

Man sieht auf den ersten Blick, dass diese unrepel- 
massige und launenhaft verlaufende Sprachgrenze in der 
Vergangenheit sich verschoben haben muss. Trotzdem 



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ist aber festzustellen, dass sie nun schon seit sieben Jahr- 
hunderten nahezu die nämliche geblieben ist. Eine wich- 
tige Urkunde aus dem Jahr 1273 (alten Stiles; - 1274. 
Vergl. die Fönte* verum Benwnaium III. S. 78, und die 
Mrnxaire* et Documenta de la Soc. d'hül. de la Sumte 
> ""• XXX, S. 217; das Original ist verloren) erlaubt uns. 
den Verlauf der Sprachgrenze für das Ende des 13. Jahr- 
hunderts zu rekonstruieren. Ich habe versucht, weiter 



l im iierner Jura nieder! iesaen, die Burgunder, welche die 

I ganze Westschweiz bis zur Aare besetzten, und endlich 
die Alemannen, welche die Mittel- und Ostschweiz über- 

< fluteten. l)ie hauptsächlichsten linguistischen Schwan- 
kungen und Veränderungen führen sich auf den sehr 
wenig sesshaften und stark kriegerisch gesinnten Volks- 
stamm der Alemannen zurück, dem die Burgunder nicht 

I immer stand zu halteu vermochten und einen Teil des 




Hiatariacbe Entwicklung and hautiger Varlauf der deulsrh-franzO«ischen Sprachgrenze in der Schweiz. 



zurückzugehen und auf meiner Karte noch ältere Gren- 
zen zu ziehen, so weit der gegenwartige Stand der ge- 
schichtlichen Forschung ihre Herstellung ermöglicht. Die 
Resultate dieser Nachforschungen lasseh sich mit Hilfe 
von archäologischen Nachgrabungen, durch das Stu- 
dium der Ortsnamen, von Sitte und Brauch, sowie end- 
lich durch eine genaue I'ntersuchung der Mundarten kon- 
Irolieren und ergänzen. 

Drei germanische Stämme haben sich um die Herr- 
schaft auf unserm Boden gestritten . die Franken, die sich 



Landes abtreten mussten. Ks lassen sich drei starke ale- 
mannische Vorstosse gegen Westen unterscheiden, die 
alle drei mit grossen politischen Umwälzungen zusam- 
menhängen. Der erste reicht ins Jahr 539 zurück, zu 
welcher Zeit das erste burgundische Königreich vernichtet 
ward. Nachdem das Gebiet der Schweiz unter die Herr- 
schaft der Merowinger geraten war, germanisierten die 
Alemannen die Gebiete um Solothurn, zwischen der 
Aare und dem Jura. Biel, das rechte l'fer des Biclcrsees 
und der Sense, das Berner Oberland i ausgenommen^ iel- 



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leicht da* Saanenthal. dessen Mundart eine romanische ! 
Grundlage tu haben scheint», sowie endlich den obersten j 
Abschnitt des Wallis bis zum Zehnten Brig hinunter. 
I'iese erste Periode der Germamsierung niuss im Jahr 
.W mit der Gründung des zweiten burgundischen König- 
reiches ihren Ahsrhluss gefunden haben. 

Kine zweite Periode alemannischer Expansion begann 
nach dem Jahr 1092, als die welsche Schweiz zusammen 
mit dem ganzen transjuranischen Burgund an das deutsche 
Kaiserreich übergegangen war. Während des folgenden 
Zeitraumes fielen die Zehnten Raron und Visp im Wallis, 
das Saanenthal ('")• das linke Ufer der Sense, die Gemein- 
den Ins und Erlach im Seeland, ein dreieckiger Land- 
strich zwischen Murten, Gümmenen uiul der Saane, sowie 
endlich auch Twann an das deutsche Sprachgebiet. Cm 
das eben eroberte l'echtland vor Angriffen zu sichern, 
gründeten und befestigten die Herzoge von Zähringen zu 
dieser Zeit die Stadt Freiburg. Zugleich entsandten sie 
auch schon einige deutsche Vorposten in den freiburgi- 
schen Seebe/irk. 

Mas Knde des 13. Jahrhunderts bezeichnet mit der Er- 
richtung der savoyischen Oberherrschaft über die fran- 
zösische Schweiz eine Rückkehr des romanischen l'eber- 
gewichtes. Doch gelang es den Welschen nicht, das 
gesamte verlorene Gebiet zurückzugewinnen, indem sie 
sich damit begnügen mussten, die feste Einbürgerung 
des Deutschen im Gebiet zwischen Marly und La Boche 
zu verhindern. Dafür begann aber zu dieser Zeit die Ver- 
welschung der Stadt Freiburg, die doch gerade als Boll- 
werk zum Schutze der deutschen Interessen gegründet 
worden war. 

Verstärkt wurdeder deutsche Einfluss hierauf durch die 
Hurgunderkriege. den Eintritt h'reiburgs in den Bund, 
die Eroberung des Waadtlandes durch Bern und des 
Cnlerwallis durch die Oherwalliser, sowie die teilweise 
Zerstückelung des einstigen h'ürsthistums Basel. Damals 
überflutete aas Deutsche den Beut des Seelandes, den 
grössten Teil des freibu epischen Seebezirkes, den Zehn- 
ten Leuk. sowie auch Sitten und llrämi* fliramnis). In 
der Hauptstadt des Wallis wird dem Romanischen ein 
erbitterter Kampf geliefert. Da* Deutsche beginnt in 
Marly, Praroman und La Horde die Oberhand zu gewinnen. 
Murten tritt zur Reformation über und wird ein ein- 
fltiRsreirhe* Germanisations/enlrum. Aus dieser Zeit 
datiert die endgiltige Festlegung derdeutsch-französischen 
Sprachgrenze, die sich seither nur noch unwesentlich 
verschoben hat. 

Immerhin machte sich während der Zeiten der fran- 1 
zosisehen Revolution, der helvetischen Republik und | 
des Eintrittes mehrerer französischer Kantone in den I 
Rund wieder ein schwaches Vordringen des welschen I 
Elementes bemerklich. Seit dieser Zeit romanisieren ! 
sich Freiburg, wie auch Sitten, Brämis, Siders und 
Biel mehr und mehr. In den Hochthälern des Jura ! 
weicht die Landwirtschaft einer industriellen Tätig- : 
keit. was unabsehbare sprachliche Folgen nach sich , 
ziehen sollte. 

Tausende von deutschsprechenden Zuwanderern neh- 
men sich des verschmähten Acker- und Wiesenbodens ; 
im Hochjura an. So sind wir Zeugen einer neuen, 
durchaus friedlichen germanischen l'ebcrllutung von ' 
welschem Boden geworden, die sich als langsame und 
harmlose Infiltration vollzieht. Diese neuen Einwanderer 
passen sich bald ihrer welschen Umgehung an und 
gehen in ihr auf. Als Pächter, Landarbeiter. Dienst- ' 
boten und Kleinhandwerker nehmen sie einen unter- 
geordneten Rang ein, und viele von ihnen leben auf 
isolierten Paehtnofen. Sie vermögen in den Gebieten, | 
die seit einiger Zeit auf ihre welschen Dialekte ver- 
zichtet haben, mit ihrer alemannischen Mundart gegen 
die feinen- und glorreiche Sprache Krankreichs nicht 
anzukämpfen. Das I'ehrige besorgen die Eheschlies- 
sungen mit aus dem Land stammenden welschen Frauen 
und die französische Schule. 

Seit 1888 hat die deutsche Zuwanderung nachgelassen 
und die llomanisicrnng grosse Fortschritte gemacht. Die ; 
nachfolgenden Zahlen beweisen, das« die Rev<>lkcrung j 
wieder mehr und mehr eine homogene wird. Ich «teile die ! 
Verhällniszahlen der Deutschen und Romanen für die , 
beiden letzten Volkszählungen zusammen: 



SCHW 

Zählung von 1888. 



Deutsche 
30 790 
22 579 



Berner Jura . . 

Neuen bürg . . 

Freiburg (exkl. Be- 
zirk Sense) 19780 

Waadt 23873 

Genf 12 317 

Wallis (v. Bez. Siders 
an abwärts i . . 3 804 



Bomanen 
7« 048 

83 7«2 

80774 
2IM3.VI 
89 111 



t»a>4 
Zählung von 1900. 

Deutsche Romanen 



Berner Jura . . 


18 91« 


83 290 


Neuenbürg . . . 


17 629 


104 TA 1 


Freiburg exkl. He- 






zirk Sense) . . 


•20 «58 


86686 


, Waadt ..... 


24 372 


243463 


Genf 


13 343 


109 741 


1 Wallisn. Bez. Siders 






an abwärts) . . 


3 362 


74 096 



Numerische* 
Verhältnis der 
Deutschen 

>" 

Vi 
V, 
": 

'.: 

Numerisches 
Verhältnis der 
Deutschen 



Diese Sprachverschiebung zuGunsten des franzosischen 
Idiomes hält in allen Kantonen der französischen Schweiz 
forldauernd an. In den drei Kantonen Bern, Neuenburg 
und Wallis stellt sich die absolute Zitier der Bevölkerung 
deutscher Sprache heute niedriger als im Jahr 1888. 
während in den übrigen Kantonen der Zuwachs der 
Deutschen hinler demjenigen der Welschen zurückge- 
blieben ist. Soviel scheint wenigstens aus den Zahlen 
der Statistik hervorzugehen; die Verschiedenheit der 
Fragestellung l»*i den beiden letzten Zählungen, Vorein- 
genommenheiten aller Art bei der Ausfüllung der Formu- 
lare, die Kompliziertheit des Durchdringungsprnzes&es 
zweier Sprachen, die schwerlich iu Zahlen ausgedrückt 
wertlen kann, mahnen un», diese Zahlen mit grössler 
Vorsicht zu benutzen. 

Im (tanzen genommen darf gesagt werden, dass die 
Deutschen während der letztvergangenen IMO Jahre auf 
ehemals gallo-romanisehem Boden einige dauernde Er- 
oberungen gemacht haben. Die heutige Grenzlinie ver- 
bindet die am weitesten nach Westen vorgeschobenen 
Orte, die man als vollkommen deutsch ansprechen darf. 
Von Gharmcy bis zur Dent d'Herens erscheinen die 
beiden linguistischen Gruppen ziemlich scharf geschieden, 
wahrend die Sprachgrenze in ihrem nördlichen Ab- 
schnitt in eine mehr oder weniger zweisprachige Grenz- 
zone übergeht, die durch beständige Schwankungen 
zwischen den beiden Idiomen, sowie durch Doppelreihen 
von Ortsnamen (f.pendes-Spinden. Moral-Murten. Anel- 
Ins. Bienne-Biel etc.) und sogar von Familiennamen 
(Gendre-Tcchtermann. Dupasmiicr-Vondcrwcid etc.) ge- 
kennzeichnet wird. 

liihlutgraphir. 1. Sprachgrenze: Zimmerli. J. Die 
deut*eh-f runziutinehe Spmr hg renzein derSrhuiHz. 3 Teile. 
Basel und Genf 1891-1899. Der erste Teil w ird nächstens 
in 2. Auflage erscheinen. Dieses grundlegende Werk 
ersel/t sehr vorteilhaft alle frühem Arbeiten über diese 
Materie. — Knapp. Ch. Sur In f mutiere de* luugue» frattf. 
et allein, eo Suis*? ( in : Timr du .WohoV. 1886). — Hüchi. 
A. Die hi*tur. Spraehgrenze im Kanttm Freifnirg (in. 
Frei hu n/er Ges. hirhlshlatter. III, 185«). — Hoppeler. R. 
Ihr dentneh-roman . Spriie/upenze int 1.1. uiul Ii. Jahr Ii. 
(in : Mutter der H nUmer liexehuhte. I.) — Morf, H. 
Iteutaehe umi Romanen in der Sehieeiz. Zürich 1900. — 
Morel. C.h. Alli'nmnds et llomuntls er» Suinse (in den 
fltreunes lieh etu/ues. I^ausanne 1901). - Stadelmann. J. 
A quelle epoi/ue les Grmtahu elahlis dans nntre poy* 
»nt-ils ele roniuninen * i in der Revue hittur. eaud. 1901). 
2. Statistik: Die verschiedenen Veröffentlichungen des 
statistischen Bureau des eidg. Departement des Innern. 
— Zeiiimrich. J. Verbreitung und Heiregung der llextt- 
Heheu in der frimzus. Srhireiz. Stuttgart |8Ö4. ■- Hun- 
ziker, J. Ihr Spraehrerhnltnifxe in der Wmtschuviz fin 
der Sehireizer. llundse/utu. 189fi). — Hunziker, J. Ih'r 
Kmnnf um dos Heut», h tum . München 1898. — [Zimmerli. 
J J Von derdeut*eh-franzi*ixelu>n Sprarhgrente (in der 



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SCHW 



SCHW 



70 



Xrurti Zürcher Zeilumj \om 30. -21. Juli 1905). In 
neuester Zeit droht leider eine Sprachenfrageeinzureissen, 
die besonders in Zeitungsartikeln diskutiert wird, hier 
it '-r nicht weiter berührt werden kann. Wir machen 
iuf die zahlreichen Artikel von K. Klocher und J. Zemm- 
nch in der Zeitschrift Deutsche Knie (1902-1«07| auf- 
merksam. 

Einführwitf des Fratrz/isitchen als offizielle Spruche. 
Ites Lateinische ist bei uns verhältnismässig lange 
Zeit die Sprache der Urkunden geblieben. Dies gilt 
namentlich für das Wallis, wo diese Tradition bis über das 
IH. Jahrhundert hinaus zu Recht bestand. Ueberall, wo 
das lateinische als Sprache <ier Urkunden in Abgang 
kam, wurde es durch das Pariser Französisch 4 in Freiburg 
gleichzeitig auch durch das Deutsche) ersetzt. Di ältesten 
in französischer Sprache abgefassten (Urkunden datieren 
um 1244 ( Herner Jura), 1250 (Moudon), 1251 (Neuenburg), 
126» • Genf). Das erste französisch redigierte Mandat der 
Stadt Freiburg stammt aus dem Jahr 13i9. Wie man sieht, 
kann eine bestimmte Zeit für die Einführung der neuen 
Sprache kaum aufgestellt wenlen. Diese ist zunächst eine 
Notariats- und Kanzleisprache gewesen, die während 
mehreren Jahrhunderten bei uns wohl geschrieben, nicht 
«her auch Tom Volk gesprochen wurde, und nur sehr 
langsam und unmerklich in allen Verwaltungszweigen I 
obligatorisch wurde. Vor nicht länger als etwa fünfzig I 
Jahren verhandelte man in den Gemeindeversammlungen 
des Val de Ruz noch in der angestammten Mundart, die 
aus den Beratungen der Dorfer des Wallis, des Hemer 
Jura und namentlich des Kantons Freiburg heute noch 
nicht vollständig verschwunden ist. Ein strenges Aus- 
einanderhalten der geschriebenen und der aus dem Volks- 
lierzen kommenden gesprochenen Sprache war überhaupt 
lange Zeit ein Ding der Unmöglichkeit. Das Erlernen 
lies von der allgemein gebrauchlichen Volkssprache sehr 
■'.Ii k abweichenden fremden Idiome* gestattete sich zu 
Zeiten, die unserer heutigen Schul- und Verkehrsverhält- 
nisse noch entbehrten, zu einer fast unerfüllbaren Auf- 
gabe. Die ungenügende Vertrautheit mit der fremden 
Schriftsprache geht in den Texten des 13. bis 15, Jahr- 
hunderts aus der Mischung von mundartlichen und fran- 
tosischen Formen deutlich hervor und zeigt sich ganz 
besonders in der Anwendung einer grossen Menge von 
Ausdrücken der gewöhnlichen Umgangssprache, deren 
franzosische Aequivalente den Schreibern nicht bekannt 
waren. Ala Beispiel dieses Stiles gebe ich folgende Stelle 
einer Urkunde aus dem Freiburger Archiv (die nicht fran- 
tosischen Formen sind kursiv gesetzt ) : ° Fait et duna l'ant 
de l'encamation de mtslrv »egnynur corenl mil /res cent 
et ileyx et mm, DU inoysde /tust. ■• Die falschen Formen sind 
in der Mehrzahl blosse unfreiwillige Versehen, wahrend 
man in gewissen Urkunden allerdings auch eine relativ 
•tandige Wiederkehr von unfranzösischen Formen fest- 
stellen kann. Wir konstatieren die Regularisierung einer 
lokalen l'eberlieferung. die — wie in der deutschen 
Schweiz — zu einer unabhängigen Kanzleisprache hätte 
fuhren können, wenn die Umstände dazu günstiger gewe- 
sen wären. Unüberwindliche Hindernisse bildeten aber 
namentlich die zu grosse Verschiedenheit der romani- 
schen Dialekte und auch das Fehlen eines dominierenden i 
geistigen oder politischen Mittelpunktes. 

Nachdem das Französische zur Hechts- und Amtsspra- 
<'hege worden, ward es auch die Sprache des Gottesdienstes 
und der Schule. Die Venerublc Cumjtayinc des l'iisleurs 
in Genf befiehlt Hi68 den Lehrern am Kollegium, von 
Seiten der Schüler keine Antworten im Dialekt mehr 
n dulden. Diesem Beispiel folgten bald die übrigen 
bedeutenderen Städte. Auf dem Lande hat die Mundart 
im Unterricht bis zum 19. Jahrhundert ausschliesslich 
geherrscht, und noch heute kostet es in den ihren 
l'eberlieferungen treuer anhängenden katholischen Kan- 
tonen den Schulmeistern viele Mühe, ihre Schuler an das 
Französische zu gewöhnen, so dass Widerspenstige oft 
durch Strafen zur Ordnung gewiesen werden müssen. 

In letzter Instanz ist das Französische auch in der Fa- 
milie an die Stelle der Mundart getreten Dieser Vorgang I 
vollzog sich zuerst in den grossem Städten, und zwar ■ 
wahrscheinlich mit nachstehender Reihenfolge: Genf um , 
1750. Neuenbürg und Lausanne um 1800 ( Freiburg und 
Sitten waren zu Beginn des 1». Jahrhunderts vorwiegend I 



deutsch). Es folgten die Landstädtchen und endlich aueb 
die Bauernbevölkerung. Während der Vorgang der Fran- 
zösierung in den Städten eine Zeit von G-7 Jahrhunder- 
ten erforderte, vollzieht er sich auf dem Lande in 30-40 
Jahren. Sobald einmal die sog. u besseren » Familien in 
der Erziehung ihrer Kinder sich der offiziellen Sprache 
zu bedienen angefangen haben, ist es mit der Herrschaft 
des Dialektes vorbei. Das von den Standespersonen gege- 
bene Heispiel »erbreitet sieh wie eine Ansteckung, sodass 
man die Sprache eher aus Moderücksichten als infolge 
von Ueberlegung wechselt. Der ganze Vorgang bedeutet 
für die Kinder ein grosses Glück, da sie ihren Weg in 
der Welt mit einer nahezu internationalen Sprache leich- 
ter zu linden im Stande sind, als mit einem ungelenken 
und altertümlichen Dialekt, der in einer Entfernung von 
50 km nicht mehr verstanden wird. 

In der Beseitigung des Dialektes sind die protestanti- 
schen Kantone mit ihren Reformbestrebungen den katho- 
lischen Landesteilen vorangegangen. Der Vorgang ist 
stark beschleunigt worden durch den Anteil der Städte 
Genf, Lausanne und Neuenburg an der französierten Lite- 
ratur, das Aufblühen der industriellen Tätigkeit im Neu i n 
burger und Waadtländer Jura, sowie den immer inniger 
werdenden Kontakt mit dem Ausland. Grossere Bedacht- 
samkeit zeigten in diesem Punkte die vorwiegend agri- 
kolen Gebiete Frcibiirgs, des Wallis und der Genfer Land- 
schaft. Dazu kommt, dass in den Kantonen Bern. Frei- 
burg und Wallis das Beispiel der ihrer Mundart treu 
gebliebenen Mitbürger deutscher Zunge die linguistische 
Entwicklung der romanischen Bevölkerung verzögern 
konnte Heute erinnern sich noch einige wenige Neuen- 
burger des Dialektes, den keiner mehr spricht, im Kan- 
ton Waadt haben das ganze Uferland am Genfersee, die 
Rhoneehene und das Juuxtlval den Dialekt seit etwa 50 
Jahren aufgegeben, während er im Gros de Vaud und im 
Alpengebiet noch eine kümmerliche Existenz fristet; im 
Kanton Bern kennen ihn die Amtsbezirke Courtelary (St. 
Immerthall und Münster nicht mehr, während in der 
Ajoiet Amtsbezirk Pruntrut) ein Advokat die Mundart noch 
ein wenig verstehen muss, wenn er sich mit seinen Kli- 
enten leicht verständlich machen will. Die alten Genfer 
Ijindgemeinden stehen etwa auf demselben Standpunkt 
wie das (iros de Vaud, während die 1815 dem Kanton neu 
angegliederten Gemeinden die Mundart etwas besser 
bewahrt haben. Auch das Greierzerland beginnt jetzt, der 
allgemeinen Strömung sich anzuschliessen. während der 
Dialekt im mittleren Teil des Kantons Freiburg und im 
Broyehezirk zwar stark eingeschränkt aber doch noch 
lebenskräftig ist. Das Wallis endlich bildet für den Dia- 
lektforscher immer noch das ausgibigste Untersuchungs- 
objekt, mit Ausnahme allerdings der Uferstriche längs 
der Rhone, die dem Beispiele der Städte gefolgt sind und 
eine stark gemischte Bevölkerung aufweisen. Wenn sich 
der Dialekt bis zum Ende unseres Jahrhunderts überhaupt 
irgendwo erhalten kann, so wird dies am ehesten noch in 
den Seitenthalern des Wallis der Fdl sein. 

Die romanische Bevölkerung ist nicht unmittelbar vom 
Dialekt zum reinsten Französisch übergegangen. Bei dem 
Ersatz der altgewohnten Sprache duren die französischen 
Laute hat zunächst die Aussprache zu leiden gehabt. So 
sprechen die Waadtländer. die in ihrem Dialekt « fem la 
tnffttfl Uouza i mit deutlicher Artikulation der Schluss- 
tokalc zu sagen pflegen, den entsprechenden franzö- 
sischen Satz « faire la meme chose » derart aus. dass sie 
die stummen e noch etwas nachklingen lassen. Da sie 
in der Mundart das Schluss-r in Wörtern wie « hiver, 
servir » etc. nicht aussprechen, übertragen sie dies»» Ge- 
wohnheit auch auf die entsprechenden französischen Aus- 
drucke. Weil die Franzosen gewisse Schlusskonsonanten, 
wie in « Iii«, jadi.« . etc., ausnahmsweise artikulieren, 
haben die Welschen angefangen, solche Konsonanten 
auch dann, wenn sie in Frankreich nicht mehr gesprochen 
werden, ertönen zu lassen, wie z. B. in » avis etc. », 
die sie als ttvisse etc. aussprechen. Ferner gibt man oft 
dem französischen Substantiv irrtümlich dasjenige Ge- 
schlecht, welches das entsprechende Dialektwort gehabt 
hatte : « t»n vilre, un poire. une lii'vre, une serpent » etc. 
Die grosste Schwierigkeit bestand aber in der sinnge- 
mässen Aneignung und Anwendung des fremden Wort- 
schatzes. Die Dinge, die ihr Aussehen beibehalten hatten, 



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80. 



SCHVV 



SCHYV 



erinnerten immer noch an den allen Ausdruck, und sehr 
oft entsprach auch das französische Wort dem Gedanken 
nicht genau, sondern erschien entweder als zu farblos 
oder als zu wenig energisch: in allen diesen Fällen hatten 
und haben die Welschen immer noch die starke Tendenz, 
ihre alten Ausdrücke beizubehalten, indem sie dieselben 
allerdings französieren. Daher stammen Wortformen wie 
ruper, rebedottler, aguiller. eciafer, piome, bringue etc. 
Alle diese Sprachfehler lassen sich aus dem Dialekt er- 
klären und sind dessen letzte Lebensäusserungen. Diese 
sog. Provinzialismen werden dank den Anstrengungen der 
.Sprachreiniger, sowie mit der Vertiefung der allgemeinen 
Bildung und zunehmender Entwicklung der Verkehrs- 
mittel, die zurückgebliebene Individuen in eine besser 
französierte l'mgebung versetzen, allmählig verschwinden. 
Hinein patriotischen Antrieb folgend haben verschiedene 
Romanschriftsteller ihre Werke mit prov inziellen Wörtern 
und Hedewendungen gespickt, um ihnen einen ausge- 
prägten hrdgeschmack zu verleihen. Doch ist auch diese 
Zeit bereil» vorüber, indem in der neuern Literatur die 
Provinzialismen mehr nur zur Erzielung eines komischen 
KITektes Verwendung linden. 

Bibliographie, 1. Sprache der I rkundeu: Meyer. P. 
Maiire Cudri/in, horloger, et la rille de Roman* «in der 
Roniama. Bd. 21). — Girardin. J. Le iwa/wnie frihour- 
geoitdu /">. W'Vfeiinder Zeitschrif l für roman . Philologie. 
24). — Ränke. IL Veber die Sprache de» französ. Wallis 
in der Zeit vorn 11. bis I i. Jahrh. Halle 1903. — Jean- 
jaquet. J. I n doeumenl tnetlit du francais dialectal de 
Frittfunt (in: Au* roman. Sprachen und Litt. Halle 
PJUTi.) 2. Vitalität der Mundarten: Ritter E. Re- 
chereltes tur le poloi* tle Geui vc (in den Memoire* et nocu- 
ments de In >oc.d'hist. et d'nrcheut. de Gewie. 19). — 
Tappolet K. / eher den Stand der Mundarten in der deut- 
schen und franz. Schweiz. Zürich 1901. — 3. Haupt- 
sächlichste Sammlungen der Prov inzialismcn: 
Humbert, J. \ouieanglos*airc gene- 
■2 vol. Geneve 1852. - Callet, 



Das darf man aber heule schon versichern, da« alle zur 
Bezeichnung der hauptsächlichsten täglichen Arbeiten 
und Beschäftigungen dienenden Worter rein lateinischer 
Herkunft sind. In dieser Beziehung beschränkt sich in 
den Mundarten, wie im Franzosischen der keltische 
Einschlag auf einen verschwindend kleinen Anteil. 

Die Knnnerung an die ältesten Zeilen hat »ich am bes- 
ten erhallen in den Ortsnamen, die gleichsam eine abge- 
kürzte Geschichte unseres Wortschatzes darstellen. Ob- 
wohl sie heute zum grossen Teil als rätselhafte Be- 
nennungen erscheinen, hatten sie doch ehemals eine 
ganz bestimmte Bedeutung, deren Sinn im Laufe der 
Zeiten verloren gegangen ist. Streng wissenschaftliche 
Forschungen werden uns diesen Sinn wieder enträtseln. 
Die von Prof. E. Mürel in Genf geleitete systematische 
Ortsnamen-L'uter*uchung berechtigt zu den schönsten 
Hoffnungen. 

Kin neues Element haben der gallo-romanischen Sprache 
die Einfalle der Germanen hinzugefügt, durch welche die 
Lautgehung von neuem modiliziert und die ganze Sprache 
vom .j.-9. Jahrhundert von Gnind aus umgestaltet worden 
ist. Dieser Epoche gehören u. a. an : die Palatalisicrung 
des c vor e, t (centum kUentu, heute sä, sc. Je etc.), 
sowie des e vor a ( enrea - vaküa, heule vatsi.*), rets, 
>at*.>, vaJ\; feiner die Diphthongierung der betonten 
Vokale in offenen Silben {habere aveu; heute avae. 
ave etc.. uepote neeout, heute nein*, nevir etc.).') 

bie fränkische Oberhei rschafl |ö.'t2-8S8) llat ein gemein- 
sames Band um alle Dialekte Mittel- und Nordfrank- 
reichs, sowie des allen Burgunderreiches geschlungen. 
Die sprachliche Entwicklung war für diese Lander die- 
selbe, und irgendwo in diesem weiten Ländergebiet aufge- 
kommene mächtige phonetische Tendenzen haben sich 
unmerklich bis an dessen Grenzen fortgepflanzt. 

Mil der Wiederherstellung des Burgunderreiches er- 
hob sich im Westen und im Norden eine Schranke; 



Vokale 



HalbvokHle 



P. M. Gtossaire vaudois 
1801. — Grangier. L. Glossairc fri- 
ttourt/eois. Fribourg 1864. - Bon- 
hote, J. H. Gtossaire neue hat elvi*. 
Neuchätel 1867. - Pludhun. Partim* 

{rancais. — Vergl. auch: Platzhofl- 
.ejeune. E. Her Kampf mit Herrn 
Pluilhun und der sprachliche Puris- 
mus [in den llasler Sachrichten vom 
27. Februar P.Kfi. anläßlich eines im 
Foyer Rmnand für 19Uf> erschiene- 
nen Artikels Parlnn* clair von Phil. 
Godet und einer von der Semaine 
litternnc veranslalleleil Enquete). 

<1) Geschichte der franz»*m:hcn 
Mundarten. Wenn wir von den 
lignrischen Theorien absehen, die 
noch wenig sicher fuiidamentiert 
sind, so war die älteste west- 
schweizerische Bevölkerung, die man 
einer linguistischen Gruppe zuzu- 
teilen vermag, gallischen Stammes. 
Ks ist unmöglich, den Zeitpunkt 
des Erlöschens der keltischen Spra- 
che festzustellen. Die fortschrei- 
tende Romanisierungist in gewissen 
Zentren auf Widerstand gestoasen 
(wie dies i B. die Erzählung von 
Julius Alpinus beweist | und muss 
in den am weitesten abgelegenen 
Alpcnthälern auch nur unvollkom- 
men gelungen sein. Das Lateini- 
sche ist von den Kelten mit einem 
besondern Akzent gesprochen wor- 
den, doch hat mau bis jetzt keine 
sichern Icbcrrcste davon in den 
modernen Mundarten nachzuwei- 
sen vermocht. Solange man den weslsehweizerischen 
Wortschatz nicht vollständig gesammelt haben wird, 
wird es unmöglich sein, die von der Sprache des sieg- 
reichen Horn herstammenden Ausdrucke von solc hen zu 
scheiden, die aus kellischen Dialekten -lamm, n mögen. 



Krki.ahi Ni. neu in hkn Diaukti-iuhikn vohkommknukn Zkjcmcn. 



*'• (< '.'*- ? ~~ "llene Laute. 

"e, i. », ii. <r, a — geschlossene Uute. 

<i. e, i elc. nasalierte Vokale ifranzo*. : an. ein etc.). 

-i halt die Mitte zwischen a und 

ii » n p ii und \>. 

u hat latein.- (italien.-) deutschen Wert i französ. ntou). 

.t _ schwaches e .deutsch ; haften ; frauzo». : tue). 

<} ist Mittellaut zwischen ir und e. 
u ist Mittellant zwischen •< und i'. 

Reduzierte Vokale weiden in kleinerer Schrift über der 
Zeile angegeben. 

"über einem Vokal bedeutet eine Lange; kurze oder mitt- 
lere Vokale werden nicht besonders gekennzeichnet. 

her Wortakzent wird nur angegeben, wenn ein Zweifel 
obwalten kann, und zwar durch einen [Punkt hinter 
dem betreuenden Vokal: iiec.ypa. 



;/ (französ. : yett.i 
zös. : pnts i 



deutsch /ni, «• (fran/o*. : aui\. i'c (ran- 



Konsonanten : $ ist immer sc 

rose i . 

s deutschem *c/i. fran/o* 
weiche Laut (französ. n>ur 
r. g italien. cento, gente; - 
weiter hinten gebildet, 
am weichen Gaumen 



darf i französ. : place), : ist weich französ.: 
eh; i der entsprechende 
</ dieselben Laute, etwas 



en ge 

k am weichen Gaumen gebildete reine Fortis 

ii. alemannisches, am harten Gaumen gebildetes' 

,t Laut des deutschen ach. 

X Laut des deutschen ich. 

i) Ijnit des deutschen Angel, 

f. ii mouilliertes ( oder n italien 



es h . 



fnntigha, eigna\. 



die Reziehungeii zu Frankreich lockerten sich, und die 
Weitereiii« ickluiig der Sprache gestaltete «ich hüben 
und drüben in selbständiger W eise. In die Zeil nach l*W 
fallen sprachliche l'm.indeningeii. die nur unserm Ge- 
•> Sieh« die KrkUrung dnr verweod«l«u Zeichen io d«r T«b«IU. 



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SCI1W 



SC UVV 



81 



Iii« angehören um! unsere modernen Mtimlarten vorbe- 
reiteten. AI* Heispiel hiefur ermahnen wir die Reduktion 
der l.aulgruppe vm auf blosse!* tt t Hvuinnui — «i»««» etc.; 

• ergl dagegen den französischen Ausdruck mninin'). i'n- 
-etv Mundarten gehören der von Ascoli als franko- 
[irnvenjtalisch bezeichneten Gruppe an. welche 
Bezeichnung sich aus dem gleicnzeiligen Auftreten von 
fra iu< "»si sehen und provenzalischen Spracherscheinungen 
herleitel. Der hauptsächlichste provenzalisehc l.autzog 
in unsern Dialekten besieht in der Erhaltung des lateini- 
schen n: pni <le pre.i. ts«t<i (chanlerl etc. Niehl zu 
>ler genannten Ii nippe gehören die Dialekte des Hemer 
Jura, die » an die Stelle des n setzen. Das franko-prnven- 
zalisrhe Sprachgebiet umfasst ausser der französischen 
Schwei/, noch Savoyen. die Franche Comte sudlich 
llesam-un. da» Departement de l'Ain. einen Teil des Lyon- 
iiai« und die nördliche Dauphinc in Frankreich, sowie 

• las Ao-tathnl und das Val Soann in Italien. Die Dialekte 
ill dieser Gegenden sind unter sich eng verwandt. 

Zur Feudalzeit halle die Zerstückelung des Bodens in 
eine (.-rosse Anzahl von kleinen Herrschaften eine Ein- 
><hr itiknng der gegenseitigen Beziehungen innerhalb 
Burgunds und el>erisoviele linguistische Spaltungen zur 
Folge. Einer grossen Interessengemeinschaft entspricht 
»•ine relative Gleichmässigkeit der sprachlichen Entwick- 
lung, dem politischen l'artikularismus dagegen der Zer- 
lall der gemeinsamen Sprache in einzelne Dialekte. In 
I -anschalten . die sich stets einer gewissen Unabhängig- 
keit erfreut unil als politische Einheit erhalten haben, 
weisen die ein/einen Dialektgmppcn sehr ähnliche Merk- 
male auT. wahrend umgekehrt die Sprache in solchen 
'legenden, die ihren Uberherrn oft wechselten und nicht 
(«»Und ig nach demselben Mittelpunkte hin konvergierten, 
nn weniger einheitliches Gepräge erhielt. Isolierung be- 
günstigt die Entstehung von eigenartigen, individuellen 
Ctiaraktcr/ngen. Auf diese Art sind unsere Mundarten 

• nistenden. 

Mit Bezug aufdie alten Zentren wie Avenches. Nyon etc. 
I»»«t »ich behaupten, dass die modernen Dialekte in ge- 
rader Linie auf das Lateinische der gallo-romanisrhen 
Zeit zurückgehen. Man darf dabei aber alle die linguis- 
tischen Strömungen nicht vergessen, die von Uusanne. 
lienfelr. her einwirken konnten und den Mundarten der 
genannten Städte mehr und mehr einen gemischten Cha- 
rakter verliehen haben. Die umliegende Landschaft ver- 
mochte ihre sprachlichen Eigenarten oft reiner zu erhal- 
ten, verfiel aber auch ebenso oft dem Einfluss der L'm- 
waliungen in der Sprechweise d«r städtischen Zentren. 
.Noch verwickelter gestaltet sich die geschichtliche Ent- 
wicklung der Sprache in den erst spät besiedelten Ge- 
cnoVn, wie im Jouxlhal. Val de Travers etc. In erster 
(.mir erhebt sich da die Finge, woher die ersten Ansiedler 
.f kommen seien und welches Idiom sie zu jener Zeit ge- 
brochen. Jede Verschiebung der Bevölkerung bedingt 
'»gleich eine Verschiebung der Grenzen der ein/einen 
mundartlichen Charakterzuge und ebenso der Dialekt- 
Frenzen, die die Summe aller individuellen Merkmale 
Erstellen. 

Ehe wir versuchen, unsere Mundarten in Haupt- und 
Nebengruppen einzuteilen, müssen wir uns von der 
raumlichen Ausdehnung der wichtigeren Merkmale der- 
"«•iVn Rechenschaft ablegen. Erst nach Anwendung der 
kartographischen Methode auf jeden einzelnen dieser 
Charaklerzüge ist es gestattet, aufGrund der gegenseitigen 
räumlichen Verbreitung dar beobachteten Erscheinungen 

• ine Cruppienang vorzunehmen. Obwohl diese Arbeit für 
-he französische Schweiz noch nicht vollständig durch- 
fuhrt i«t. darf doch jetzt -chnii folgendes als feststehend 
-Hten: AUdie stärkste linguistisch, i irenze der welschen 
N-hweii erscheint diejenige, welche die Neuenbiirger 
Mundarten von den Bern, i Muioh.i t. n scheidet. Nordlich 
<be»er Linie, die in La Fernere von der Landesgrenze 
Kegt-n Frankreich abzweigt und dein Kamm des Chasseral 
folgt, um nahe bei Biel ihr Ende zu linden, entsprechen 
•l«e linguistischen Charaktcr/iigc denenderobern Franche 
Comte und setzen den Hemer Jur :i mit der Gruppe der 
tothnngi»ch-walb.iii<< hm Dialekte in Verbindung. Die 
«ark voneinander abweichenden Dialekte des Kantons 
Neuenbürg bilden das Verbindung!«- und Uehergnngsglied 
«lieien eben genannten Typus mit demjenigen, der in den 



Dialekten Freiburgs und des Gros de Vaud verkörpert 
erscheint. Als Ganzes ist der Dialekt des Berner Jura 
ziemlich einheitlich gestaltet, mit Ausnahme von Tramelan 
und Malleray-Court, die mehrere lokale Eigenarten auf- 
weisen, und der Montagne de Diesse <Kh>r <les Tessen- 
berge«, dessen Sprache diejenige des Neuenburger Wein- 
landes ist. Eine starke Grenze scheidet das Neuenburger 
Val de Travers ab und weist es, besonders in seinem obern 
Abschnitt (Les Verrieres - Les Bayar<ls - La Cöle aux 
Feesi. der Franche Comte zu. 

Von Saint Blaise bis Bevaix scheidet der Neuenburger 
See die Neuenburger Dialekte scharf von den Mund- 
arten Freiburgs und der Waadt. wahrend die Sprache der 
Beroche mit derjenigen des Waadtlandes verschmilzt. 
Das Jouxthal erscheint stark isoliert, während die übri- 
gen Dialekte der Waadt und auch diejenigen des Kantons 
Freiburg leicht auf eine gemeinsame Grundlage zurück- 
geführt werden können und nur in nebensächlichen 
Dunklen voneinander abweichen. Im Westen der Waadt 
kündigen sich »tallel weise die Kennzeichen der Genfer 
Mundarten an. die unter sich nur geringe Abweichungen 
aufweisen und sich kaum vom Savoyer Dialekt unter- 
scheiden. Die W : aadlländer Alpen zeigen von Montreux- 
Hlonay an schon Anklänge an die Sprache des Wallis. 
Die Rhone bildet keine scharfe Sprachgrenze. Im Wallis 
lassen sich hauptsächlich zwei Gruppen von Dialekten 
unterscheiden: diejenigen der Bezirke Sitten. Herens und 
Siders einerseits und die des Unterwallis andererseits. 
Beide werden voneinander geschieden durch den Laut 
der Morge und die das Hagnesthai von der Vallee d Here- 
mence trennende Bergkette. Im Untc rwallis. d. h. dem 
einst savoyischen Einllüssen unterliegenden Landstrich 
von Saint Gingolph bis Sitten weichen die Dialekte in den 
Einzelheiten stark voneinander ab. Die Vallee d'Enlre- 
mont zeigt schon einige auf das Ao-talhal hinweisende 
Eigentümlichkeiten. Die Bedeutung der schweizerischen 
Landesgrenze als mundartlicher Grenzscheide ist bis jetzt 
noch nicht eingehend untersucht wonlen. 

Die Nahe der deutschen Sprachgrenze und die Durch- 
dringung des Welschlandes mit germanischen Elementen 
haben den Wortschatz unserer Dialekte wesentlich berei- 
chert. Wir Blossen auf verhältnismässig wenige der Worter 
fränkischen Ursprungs, die von den französischen Wör- 
terbüchern verzeichnet werden. Ilaben die Westsehwei- 
zer diese Worter einsl gekannt, so sind sie ihnen wieder 
abhanden gekommen. Unsere Dialekte unterscheiden 
sieh aber vom Französischen wesentlich dadurch, dasssie 
seit dem 15. Jahrhundert bis in unsere Tage hinein eine 
Masse von deutschen Ausdrucken aufgenommen haben, 
während die im Verlauf der nämlichen Zeil dem französi- 
schen Sprachschatz angegliederten germanischen Wörter 
sich auf einen schwachen Uruchteil beschränken. Zu be- 
achten bleibt in dieser Hinsicht jedoch, dass sich im Wal- 
lis, wo die romanische Sprache vom Deutschen eher zu- 
rückgedrängt als beein ff usst wonlen ist. die Dialekte 
ziemlich rein erhallen haben. Das nämliche gilt für den 
Kanton Genf, infolge seiner von der Sprachgrenze ent- 
fernlen l.age. Je weiter wir gegen Norden gehen, umso 
stärker erscheint die sprachliche Mischung. Die Dialekte 
des Val de Ruz zeigen sich reicher an deutschen Aus- 
drucken als diejenigen des Kantons Freiburg. Am stärk- 
sten vom Deutschen beein llussl und umgeformt sind die 
längs der Sprachgrenze hin gesprochenen Mundarten des 
Berner Jura, so z. B. diejenigen von Plagne, Homont und 
VautTelin. wo man Formen wie iuris (Schürzet. ''a*/iy 
< Bassgeige t. ititarolii- 1 schmarotzen l etc. und selbst halb- 
welsche und halbdeutsche Wortbildungen, wie fWköh'- 
i compter-f- verzählen ) oder tie*l»pl>-\ de-Pstopfen j, anli illf. 

Bihltnjraphit':) 1 Or tsuame'n l'ors c h u ng : Gatsehet. 
A. OrlsfltjnioltHfisrh- Fnrscluimjpu... Bd. 1 (nicht mehr 
erschienen!. Bern I8»>7. — Gatsehet, A. l'nimenaitt> oiwma- 
loltHjitni? nur U-x Und* du lac h inan. Herne 1887. — Egli, 
J.J. />«-»• *rlinri:t'ri*cff Anlril im </ec «/eiN/id/i/iixcAeu 
Xai.irnhiixcliuntj. Programm. Zürich DWl. — Stadel- 
mann. J. Eltolcs ih> fo/Muit/oiM* roHHimle. Fribourg |9l>2. 
— Jaccard, H. Les m;ti* dr* in/t laur dmis lex «o;ns d>- 
liru.r di' In Stnssr frauraiite (im Hitllftm dt> tu lluii- 
lltifnui-. htOSund l!*)i). - Jaccanl, IL Exsaidt-tnfmnymir: 
oriyiiif d>-x nom* >i>- liru.i:.. d>- la Suis*,' ron,n>,dc. \Slr- 
„mh i-H i-l dtH-iiutrnt» iHttil.jtar la Sin', d llixt. de la .Sicht»,- 

19t ÜEOGB. LFJt. V — «» 



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82 



SCHW 



scuw 



ram. 2« seYie, t. VII). Lausanne 1906. — 2) Gruppie- 
rung und allgemeine Charakterzüge derDia- 
lekte. Die Frage der Einteilung und Gruppierung der 
Dialekte hat bereits zu lebhaftem Meinungsaustausch An- 
las« gegeben. Ich habe meinen Standpunkt neulich in den 
Artikeln (übt es Mundartgrenzen •» lim Arc/tiv für das 
Studium der neueren Sprächet». CXI), wo ich die haupt- 
sächlichsten frühern Arbeiten anführe, und in Leg lintites 
dialektale* dant la Suisse romande (im Bulletin du 
(Uossaire de* patots de la Suisse roniande. III. 17) einge- 
hend begründet. — Tappolet, E. L'elier die Bedeutung der » 
Spraehqeographie (in: Aus vornan. Sprachen und Lit. 
Halle 19(15). — Gillidron, J. Petit alias phonetique du 
Valais ronian. Paris (ohne Jahr). — Gillieron. J.. et E. 
Edmont. Atlas linguittiaue de la France. Paris iseit 1002 
in Faszikeln erscheinend). Die Schweiz findet in diesem 
monumentalen Werk ebenfalls Berücksichtigung und ist 
durch 26 Ortschaften vertreten. — Die Redaktion des 
Glossaire des patois de la Suisse rotnande bereitet einen 
Atlas linguintique de la Suisse rotnande vor. 

5) Cha'raklenüge unterer Dialekte. Es ist ein Ding der 
l'nmoglichkeit, von dem Reichtum westschweizerischer 
Laute eine Vorstellung zu vermitteln, ohne auf die Ein- 
zelheiten einzugehen. Ich muss mich hier damit be- 
gnügen, zum Bewein der ausserordentlichen Versehie- 
clenartigkeit unserer Dialekte einige wenige Proben zu 
geben. Es würde schwer fallen, in Frankreich eine in po- 
litischer Hinsicht einheitliche (.andschaft vom Umfang 
der welschen Schweiz zu linden, die eine ebensolche Fülle 
sprachlicher Abwechslung bieten könnte. In der franzö- 
sischen Schweiz liegen die Dinge in sprachlicher Be- 
ziehungganz anders als in der deutschen, wo zwei intelli- 
gente Personen sich schliesslich immer verständigen 
können, aus welchen Kantonen sie auch stammen mögen. 
Bringt man aber einen Jui assier mit einem Waadtländer. 
oder Reibst einen Bewohner des Val d'Illiez mit einem 
Anniviarden zusammen, so werden sie sich gegenseitig 
nicht verstehen. Es erklärt sich dies daraus, dass die 
Entwicklung der gallo-romanischen Mundarten eine weit 
raschere gewesen ist als im allgemeinen diejenige der 
deutschen Dialekte. Dazu kommt, dass die welsche Schweiz 
mit ihren Terrainhindernissen, wo verschiedene auch kon- 
fessionell getrennte Hassen miteinander in Berührung ge- 
kommen sind, mit ihren die verschiedensten Kulturzu- 
stande bedingenden Höhenunterschieden von 370 bis zu 
über 3000 Metern und mit ihrer Ecklage zwischen Frank- 
reich, Deutschland und Italien ein für weitgehende Ver- 
zweigung und Zerstückelung in Dialekte ausserordentlich 
geeignetes Gebiet darbot. 

Zum näheren Verständnis des eben Gesagten will ich 
die beiden Sätze 1 : il femie la fenetre de la ehantbre 
und 2: il Italaye der an t la porte de la granqe in einige 
westschweizerische Dialekte übersetzen. Dabei soll aus- 
drücklich bemerkt sein, dass sich die Aussprache noch 
weit abwechslungsreicher gestaltet, als es die hier ange- 
wendete allgemein verständliche Transskriptinn i ver- 
gleiche die Tabelle der verwendeten Zeichen l erwarten 
lässt. 

I. Saignelegier (Bern): esynlefuelrdiptcey, — IjiGdte 
aux Feesf Neuenbürg) : i kfü la fne.tradu ptrlu.— I.e l-an- 
deron (Neuenburg): e tyü la fmtrdu pa r l. — Monlbovon 
(Freiburg) : i /.tu In" fitni.J-ra du piito. — Villars le Ter- 
roir (Waadt) : # t/;> ytü la Jjtn.tra dao pä.'lo. — Martigny 
(Wallis) : yie' y.ü lajtrnl.ira du )>e.<lo. — Kvolena 
I Wallis): u krüt la fifnt.Jra dmt pe.'to. — l.e Vernier 
(Genf): » fre.nte la f,me.tra d In *n.bra, 

II. Saignelegier : el ekuv d.ne le pit.'ts d le gredi. 
— Ia Güte aux Fees : t renie.s d.nä llt pii.tia d la gredz. — 
l.e Landeron : eke.e d.n e Ja pört d la grädi. - Montbo- 
von : f ekä.V 'derä la puö.rta de a grädi'. — Villars 
le Terro'ir : ye retna.s' deiä la /«i'.rfa de In gränti-'. -- 
Martigny : le e/ylc.r devd la pü.rl'n d.t la\jnh'te'. — Evo- 
lena : #'fto"t' daran la pfi.rta ih In grttt. — Vernier: i 
rmns 'd.nä la pü.t ta d la grder. 

Die nebenstehende Tabelle wird dem Leser einen noch 
klareren Einblick in die Phonetik unserer französischen 
Dialekte gestatten. 

Unsere westschweizerischen Dialekte enthalten eine 
schöne Anzahl dem Französischen unbekannter Linie, so 
das und das Z. sowie ferner das /f, das unter Kombi- 



nation des x mit mouilliertem l als einheitlicher Laut 
ausgesprochen wird; dann auch die im Neuenburjjer 
Bergland üblichen kakuminalen Konsonanten, die man 
unter Zurückschlagen der Zungenspitze nach hinten aus- 
spricht. Von Vokalen finden wir im Berner Jura das nasale 
i und m (ou), den hei den Freiburger und Waadtländer 
Dialekten stark verbreiteten Laut «?. ferner nasale Diph- 
thonge und ganz besonders einen grossen Nüanzenreich- 
tum bei den oralen Diphthongen : ai. tie, äu, rf ie u. s. w. 
Es bietet sich oft Gelegenheit zur Beobachtung von Ueber- 
gangslauten. so namentlich im Wallis, wo eine Unter- 
scheidung zwichen e und ff, u und ü schwer fällt, weil 
die Artikulation sich' vielfach in der Mitte hält. Die Beto- 
nung gibt zu den schwierigsten Problemen Anlas» : neben 
zahlreichen Fällen, wo sich der Wortakzent offenkundig 
verschoben hat (vya - vie; jterdwa, perdya — perdue . 
fa.rna — farine; ko.dra — eoutoure etc.l gibt es eine 
Menge von Wörtern mit schwankendem Akzent. Es kommt 
sogar vor, dass er vom Hauptwort auf den Artikel über- 
tragen wird : la.lna —- la lune. etc. Unsere Dialekte be- 
halten überhaupt demjenigen, der mit ihnen zum ersten- 
mal Bekanntschaft macht, manche Ueberraschung vor. 
So wird man z. B. mit Erstaunen entdecken, dass im Wal- 
lis die Lautgruppe sp zu f wird (Spina — efe.na, vespa 
— we.fa), das» asm Wort tnaturus (mitr) in Montana sich 
zu niäflhr und in Pinsec zu mavuk gestaltet, die faucille 
(Sichel) in Liddes ftewfe.d', in Nendaz fvwte.Lt. in Pinsec 
f uksi.l' (mit zurückgezogenem /) heisst u. s! w. 

Die Berner und Neuenburger Mundart hat mit ihren 
meistens ausgefallenen unbetonten Vokalen einen rauhen 
und herben Charakter, während die Dialekte des Mittel- 
landes mit ihrem Silbenreichtum volltönend und wohl- 
lautend sind und diejenigen des Wallis schon etwas ita- 
lienischen Tonfall aufweisen. Man pflegt von der Mund- 
art oft milder tiefsten Verachtung zusprechen, sie häss- 
lich. arm und roh zu finden, und noch viele Leute sehen 
in ihr nichts anderes als ein verdorbenes und verkom- 
menes Französisch. Doch hat die Wissenschaft ihre Ehren- 
rettung vollzogen und gezeigt, dass sie sich aus den sel- 
ben Elementen, wie das Französische zusammensetzt und 
des seihen Ursprunges rühmen darf. Unsre Zeit wird 
durch den Uebergang zum Französischen gekennzeichnet 
und ist wie alle Uebergangsepochen undankbar. Die von 
stets erneuten Wellen der Schriftsprache überschwemm- 
ten Dialekte haben ihre einstige Originalität und Kraft 
nicht zu erhalten vermocht; sie sind aufs Land hinaus- 
gedrängt worden und dienen bloss noch zur Unterhaltung 
der ungebildeten, d. h. einer höhern Schulbildung und 
sorgfältigen Erziehung entbehrenden Volksschichten 
Diese Tatsache hat zur Entstehung einer Menge von Vor- 
urteilen Anlasa gegeben. Als sich noch ledermann des 
Dialektes bediente, erschien er viel feiner, reicher und 
schöner. Hüten wir uns davor, die Sprache mit den- 
jenigen zu identifizieren, die sie sprechen. Anderseits 
dürfen aber auch die Mundarten nicht uberschätzt wer- 
den. Ihre Isoliertheit macht sie jeder literarischen 
Sprache gegenüber inferior. Während sie in einem Do-fe 
zum Ausdruck von unerwarteten Nüanzen dienen und sich 
den Bedürfnissen einer bestimmten Bevölkerungsschicht 
besser anpassen als irgendwelche Schriftsprache, werden 
sie, sobald ihre Träger ein neues Milieu aufsuchen, zu 
einer unnützen und den spontanen Ausdruck hindernden 
Geheimsprache. Das Franzosische steht ebenso hoch über 
ihnen, wie eine weitsichtige Politik über der kleinlichen 
Kirchturmpolitik steht. 

Ein weiterer Vorwurf, der den Dialekten gemacht wer- 
den kann, besteht in ihrer Unregelmässigkeit in der For- 
menbildung. Zwar erscheint die mundartliche Morpho- 
logie im Prinzip von derjenigen des gesprochenen Fran- 
zosisch nicht verschieden ; sie gestattet aber weit mehr Dop- 
pelformen und Schwankungen zwischen mehreren Mög- 
lichkeiten des Ausdruckes. Keine Akademie hat bis jetzt 
ihn* Formen bestimmt und lestgelegt. Gewisse Zeitwörter 
weisen zwei verschiedene Partizipien auf. so diejenigen 
auf -i des Freiburger Broyedialektes (füyi, fuir . I»arti- 
zipien /"«yi oder/Mt/ri'); die Waadtländer Dialekte bilden 
das Imperfekt von pttuvoir sowohl nach der zweiten als 
nach der ersten Konjugation ; das im Franzmischen auf 
bestimmte Zeilen der Konjugation auf -ir beschränkte 
Inchoalivinlix hat im Dialekt auch andere Gebiete erobert. 



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1. Pruntrut (Porrenlruy) . . 

2. Delsberg (Delemont) . . 

3. Dombresson (Val de Huz) . 1 

4. Noiraigue (Val de Traver») 

8. Le Sentier (Vallee de Joux) 

11. (irimentz (Val d Anuiviersi 
1z. Hermance (Kt. üeni) 



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r vielmehr unurri{s)- 
»• iiiiii /iinaids etc. sagt: der 
air ersetzt otl denjenigen 
ii verdoppelt, so ilas« man 
man gebraucht sogar den 
tut'«' im Sinm* von »junnd 



indem man hier ja itmirriwrai 
Itdi. eu cuuvtxxanl , liuristanl , j» 
Konjunktiv den Zeitwortes mivi 
von »-Irr; die Partizipien werd» 
/.. H. 1/naml /'dl fu /im sagt ; 
Ausdruck »/uaud »I est ru ei< /r 
1/ /W IniKiv etc. 

Aheralle diese Unregelmässigkeiten, die den Philologen 
>elir interessieren, halten ihre Daseinsberechtigung und 
dienen oft /um Ausdruck einer hesoudrrn Nuanzc Die 
Träger der Mundart zeigen auch oft eine ausgesprochene 
Vorliehe für diese oder jene hestimmte Ausdrucksweise, 
sodass maii sich in diesem Formen« irrwarr eher zurecht- 
tindet. Von den seihen Krallen und Gesetzen, die alle diese 
Anomalien geschalten haben, war auch die französische 
Sprache beherrscht, ehe die literarische Tradition ihren 
liehrauch regelte, t'nd oft ist man ober die Einfachheit 
der I nlcrsrhcidungsmitlcl erstaunt, über welche unsere 
Dialekte verfugen. Indem sie einen mehr archaischen Cha- 
rakter zeigen als das Französische, gestatten sie das Ge- 
schlecht der Substantive und Adjektive an ihrer Endung 
zu erkennen : Irr, hin, itnuiü.dzn. >it.il;o Ir Irrnihlr. 
Ir dtnuniaijr. rniujr tu.isk. neben fi'.Tia. Iii.ila. t'a.l*,», 
<<<,i/:,» trmvir, Inilr, rtit-lu'. itiuyr femin. Die Plural- 
form des Maskulinums lasst »ich in einigen Walliser Dia- 
lekten noch erkennen: so spricht man /. Ii. in Kvolcua 
ntü (la main) — Ir nuiii \lr* nitiiiix), t.t /nn Ir )>> >') — 
Ii' /nil* i/r* /irr») etc. Im* Walliser haben sogar noch dir. 
I ntcr>c heidung zwischen dem Nominativ und dem Akku- 
sativ des Artikels bewahrt: Ii l*<i •/<• .«»■ (wo das ir an t> 
anklingt * - Ir rhamp ml *»'<■, dagegen Irurrisn In tun 
I rurrrsrr Ir > htnni>. Unrcgelmässigc männliche Plnrale 
kommen nicht mehr vor, indem man saut: la ls.»rn - Ir 
Ix.ini (rhrral -chrrtiux), <> i.t - »lu ij {un nril-dru.r ijru.»). 
Dagegen zeichnen sich alle Hialekte, mit Ausnahme der- 
jenigen des Herner Jura, durch einen weiblichen Plural 
auf-caus ,[,-. Tut — Ji'.Tii' \f»'iiimr-fi'uiuir*\, rn.ts.t — va.lt»' 
Iii dieser letztern llinsi< 



einen etwas weiter entfernten aber noch leicht zu er- 
reichenden Gegenstand dagegen *»' yrrir Art«) verwendet 
und endlich an Stelle des französischen ht den Ausdruck 
Ir iiUar\ sel/1. 

Die sorgfältigsten Unterscheidungen linden sich aber im 
Wortschatz, umi zwar nicht nur in der auf die Aipwirt- 
schan und andere in der Schweiz übliche Beroisarten 
bezuglichen Terminologie, sondern auch bei den Zeit- 



wörtern und den r« 
zahlreichen Zeitwort 
hnser wiedergeblm. 
schreiben. Für in» 
Greierzer Dialekt hu 
letzlern Ausdruck bl« 
dagegen eher die w< 
leistende Arbeit in RücLsi< 
sind weit reicher als mau 



in abstrakten Begriiren. Lieber die 
■r, die den Ik'grill des französischen 
Messe sich eine ganze Abhandlung! 
mirl rspace de Irnips sagt man im 
.vi oder nü'r.rba; wobei in diesem 
s die rein zeitliche Dauer, im erstem 
hrend dieser Zeit geleistete oder zu 
ht gezogen wird. Die Dialekte 
für gewohnlich anzunehmen 



tztern Hinsicht steht das ge- 
>ch hinter der Mundart zurück. Der 
n und des Tempus beim Zeitwort enl- 
gc- 



( varlie - viictii'H >, 
sprorhene Französi 
Gehrauch der Pers< 
spricht demjenigen des 
sprochenen Franzosisch, in- 
dem das passe delini und der 
Konjunktiv des Imperfekts in 
Abgang gekommen sind. Das 
Futurum wird oft durch da» 
Hülfszeitwoi-t imilnir in Ver- 
bindung mit dem Inliniliv 
ersetzt. Dank der Krhaltiing 
der Endungen unterscheidet 
man besser als im Französi- 
schen zwischen der ersten 
l'erson Singularis und den 
übrigen: I. Isu.ln, 2.-M. txn.tr. 
Die zweite Person des Plural 
hat noch öfter als im Franzö- 
sischen den lateinischen Ak- 
zent beibehalten : »•<) in.tr, r» 

Im.ulr rnus rniii/wz it'um- 

/iilix\ rou« huri'7 (Inhilis). Zu 
bemerken bleibt ferner, dass 
unsere Dialekte auch noch 
die im Altfranzosischen herr- 
schende Unterscheidung zwi- 
schen den Zeitwörtern der 
ersten Konjugation auf-erund 
auf -irr besitzen : drimtmlrr, 
rnuiliwr heissen im Dialekt 
ili iuainUt. kul\i etc. 

' Folgendes lieispiel mag zei- 
gen, über welche Feinheit 
der Unterscheidung der Dia- 
lekt zeitweise verfugen kann: 
Das Französische bezeichnet 
die Kntfernung von Objekten 
mit den Advcridcu n < und In. 
während der (ireierzer Dialekt 
(und auch andere ) den Aus- 
druck s.i {ri rr Im 1 gebraucht, wenn sich der He^ensland 
unter der Hand .Hier ganz, in der Nahe beiludet, für 



fiflegt. So gibt es z. B. Worlerbucln-r eines einzigen Dia- 
ektes mit nicht weniger als 1*21100 Wörtern. Kinzeln be- 
trachtet, vermögen sich die Mundarten jedoch mit der 
französischen Sprache keineswegs zu messen, da sich dies»* 
durch Kntlehnungeii von allen Seiten her sehr bereichert 
und durch die Werke von grossen Denkern und Dichtern 
nach allen Dichtungen hin verfeinert hat. 

Cnscre Dialekte sind dem Untergang geweiht. Ks war«* 
aber schade, wenn man sie verschwinden lies*«*, ohne 
ihnen alle die Geheimnisse entlockt zu haben, die sj». 
noch über unsere Lebensart in früherer Zeit, über du* 
Bedeutung unserer Orts- und Familiennamen, über die 
Bcsicdeliing unserer Thäler. über die Fntstehungswi is.- 
der grossen linguistischen (inippen. sowie über das 
l'rohlem der steten Veränderung der menschlichen Rede 
zuollenbaren imstande sind. Mochten die Historiker. Eth- 
nologen und Geographen sich mit den Dialektforschern 
verbinden und alle an dieser reichlich fliessenden Ouellr 
schöpfen, so lauge sie noch nicht versiegt ist. 

Zum Schluss fuge ich eine Auswahl von Sprichwörtern 
l»ei. die eine allgemeine Vorstellung von den Eigenheiten 
unserer Dialekte geben sollen. Wo möglich, habe ich die 
Schreibweise meiner tjuellen beibehalten. 



Sl'niCMWÖRTKIt IM l'ATOIS. 



1 



Bern : 

Säl kr» im. mi-r-erin d l'iiv. 
/'.. i Im- »Ijtmr d'iu v. r«/' ; »** "V"'' - 

Neuenbürg : 

Sum 11' *' krr /«*. 
Oi«z - u'jtfi u'tfriirf. 
Pru !>»'■ »jii'i- midgr. 

Frei bürg : 

O» si' faolr dr In Uji' doü trnrn. 
Kifirentt gnisna. Intanian inrgiim. 
Midru ä In nirmin ij»> jamr 011 romir. 

Dry ginhi mi-l-iii-d-in Ii. 

Waadt : 

(inlla su »jntta fii In niolln. 
IJur vriu fun'irti rem ciin>i->. 
Kukku /,»»■ kokl.it. 

Sinn »'VW jnu ;«ivi. 

Wallis 

(tu hu, iij <irniij n a jitnir hmi nili. 
tjuaii»! „11 .« >■»;<»• hiiii, im a tn»l:<> /«vi/ 
lanlr. 

Xa yrmism nürit ,■ na »/rillir fruit n'<m 
janir rni 'ii/ fin er. 



Saute crapaud, nous aurons de l'eau. 
Pour un beau jour d'hiver. I'oiseau ne 
siflle pas. 

Personne ne se croit laid. 

Ce qu'on ne sait pas. ne gene pas. 

Assez beau qui est sage. 



On se lasse de tout excepte de travailler. 
Cuisine grasse, tesUment maigre. 
Malheur ä la maison oü jamais l'on ne 



Ivs boucheres (au fi'.'iire pour defauU 
nous en avons tous. 

licutle sur goulte fait le fromage. 
nui devient pauvre, devient mechant. 
WOrllich noix pour noit ; latein jxir 

;iaci rrfrrlur. 
Personne n est fou de la meine moniere. 



I n mauvaisouv rier n a jamais bon oulil. 
Ouand on s aime bien. on a toujours 

assez. de place. 
I n gros vent et une vieille feminc n'ont 

jamais couru pour rien. 



Dihtingraphir. Da die Aufzahlung alb-r unsere Dialekte 
brtretli iideu Arbeiten an dieser Stelle zu viel Platz u> 



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SCHW 

Anspruch nt'liiui'ii würde. beschränke ich mich auf die Er- 
lahm i _ des Wichtigsten und verweise im Lebrigen auf 
die ausgezeichnete Bdilio<iraphie der gullo-romunischen 
Muiulacten von D. Rehren* (französische Ausgabe von 
E Rabiet, Berlin 1893). die für die Jahre 1892 bis 1ÜU2 
u«n 1». Behrens und J.Juni; in der Zeilschrift für fran- 
z.^isthe Sprache und Litt. (Bd. 25. I. S. I96-266J fortgesetzt 
worden ist. Die Redaktion des Gloxsaire des natoit de la 
Smsse rot, i and* bereitet eine neue Bibliographie vor, die 
namentlich mit Bezug auf die im Dialekt geschriebenen 
Werke vollständiger sein soll. Die selbe Redaktion sam- 
melt seit I >!>'.' unter Iteistaml des Rundes und der frau- 
».«ischen Kantone, die Materialien für <'in vollständiges 
Wörterbuch lahnlich dem Schweizerischen Idiotikon!. 
Sie legt in den Rapports annuels über ihre Tätigkeit 
Rechenschaft ah uml sucht durch das Bulletin du Glos- 
*airr, eine seit 1902 erscheinende kleine Zeitschrift, für 
die mundartlichen Studien lnteres.se zu erwecken. 

Hauptsächliche Werke über unsere Mund- 
arten. /. Allgemeine Wirk*: Rridel, Ph.. et L. Favrat. 
Glnuairc dfx patois de la Suissc roiuaiide. {Mrmoires rl 
documenlx publ. par la SOC. d'histoire dr la Sntsse ion>.. 
■.'/ . Susanne 1866. — Ras schon erwähnte Werk \on 
1. Zimmerli gibt Abrisse der Phonetik und Formentabel- 
leo. — Jaherg. K. l'elter die assnzialiren Erscheiuumjen 
im der Verfmi/Irj-ion einer Südost französischen IHalekl- 
orupj*. Aarau 11106. - l.uchsinger. Chr. Das Molkerei- 
ijerul in den romanischen Aliieiulüdekteu der Schweb 
im Schweizer. Archir für Volkskunde. IX). - Gi- 
jmoui. L. La teitninoloqie du rignertm dam les wilmv de 
iaSuisse com. «in der Zeitschrift für roman. Philologie. 

II. Allsten uln-r liestimmte Vi nzelgebiete. 
»; Kant. Dei n: Schindler. D. Voknlisniu* der .Mund- 
art evtl Sornetan. Leipzig 1887. Regen. W. Da* t'atuis 
nm Crrmiues. Halle 1896. — Degen, \V. Ihr Konjugation 
>..• I'alois t on Creminex i in : Aus romanischen Sprachen 
md Litt. 1005). - Alge, A. Die Lautverhältuisme euer 
f'atouoruitjH- des Hemer Jura. St. (lallen 1901. - 
•| Kant. N euenburg: Ilaefelin. F. IHe Mundarten de» 
Kaut. Seuenbuni (in ihr Zeitschrift für cergleichende 
•Sprachforschung. 21). - I ttel, H. Ileitrüge zur Keunt- 
•nt des Seuenhurner Patots. I : \ üpioble und lleroche. 
liarmstadt 1«»7. — Vouga. P. Essai *ur l angine des haln- 
W» du Val de Tracers. Halle IM«. - c) Kant. Frei- 
hurg : Ilaefelin. F.: Les jiatois ronums du canlon de 
hntmurg , in Lemcke s Jahrbuch. 15, 1879). - Gauchal. L. 

f ut.us de Donipicrre (in ih r Zeitschrift für runian. 
h'hdologte. 14». — Savoy, II. Essai de (Iure romande. 
rnU.urg 19t«». — Gauchal. I.. Limite phonetioue dam le 
/«fou (Tun« commune {in .4m* roman. Sprachen und Litt. 
ISMV». - «RKant. Waa.lt: Odin. A. I l honot, M nc des pa- 
tuisdueanl. de Vand. Halle 1886. - Odin. A. Etüde sur 
le terbe dans le patois de Blomnj. Halle 1887. - (Win, 
M" I.. t;i„»s>nre de lllouaij (im Druck). Rvlan.l. A. 
hui Putnis der Melange» caudois con L. f Vitra! (in der 
Zeitschrift für franzüs. Sprache und Litt. 25). — e) Kan- 
lOR Wallis: Cornu. J. Phänologie du Hugnard {in der 
H",„aiiiu. VI). — Gillieron, J. Patois de la commune de 
Vionuaz in der Hiblialheuue de. V finde des Nantes- fltu- 
'Irt. Ul (ascicute). — Lavallaz. L. de. Essai sur le putois 
lll.rr.oence. Paris 1899. - fi Kanton Genf: Yergl. 
ilie schon angeführte Arbeit von K. Ritler. — Ruret. V. 
I'nammaire sncoyartle ; publ. |»ar E. Kosehwilz. Rerlin 
l»*ö. — 3. Wifhligste Sammlungen VOH mumlurllichen 
Testen : llerueil de morceau.c choisis . . . Lausanne 1842. 
- Miorateli. J. L. Bibliothhpie romuue. I (nicht mehr 
<T»chienen!. l^ausanne I8.V1. — Apiiendiee des tebon 
•■mahnten Glnxsnire von Bridel und ravrat. — Le patois 
nmchiilelois ; publ. par la soc. d'hisloire. Neuchätel 1895. 

5. Mundartliche Literatur. Ras Verschwinden der 
»«Uchen Mundarlen als Literatur-Sprache ist kaum zu 
U-flauern. Nicht dass sie nicht im Stande gewesen wären. 
Iiiwhpoetische Oefühle auszulosen, gilt ja doch Mistral als 
«ier Homer seiner heimatlichen Mundart! I nser Welsch- 
land kann sich allerdifigs keines «olchen Mannes rühmen, 
besitzt abt;r doch eine — freilich sehr bescheidene Ria- 
lektlileratiir. die ich hier nicht gänzlich ausser acht 
l4">en mochte. 

Schriftwerke in der Mundart treVn erst *pal auf. Rie 
•<lte>teii Erzeugnisse von Wert sind die die (ienfer Ksealade 



SCHW 85 

von 1602 besingenden und aus dem 17. Jahrhundert 
stammenden Chanson* de l'Etcalade. Rie bc«|ti sie Aus- 
gabe des f.e ,pi i' lainn ist von E. Riller besorgt worden 
und lütJU in Genf erschienen; einen Neudruck der 
Ausgabe von 1702 bietet Jullien (Moutiers-Tarentaise 
1MB). Rie 1 luigen auf die Escalade bezuglichen Lieder 
können im Itecueil des chnnsons de l'Escalade lücneve 
184T» nachgelesen wenlen. Rem gleichen Gedankenkreis 
geboren an die Chanson de Hocali 1 Ausgabe \on P. P. 
Plan. Geneve 1903; und die Comptratüo de Conipetiere» 
(ältestes Manuskript von 1695; veröffentlicht durch Ph. 
Plan. Geneve 1870). 

Im Waadtland beginnt die mundartliche Literatur mit 
dem Conto lau CtKtitU, einer humoristischen Geric'its- 
szene aus dem 18. Jahrhundert, zulelzl veröllenllieht von 
L. Gamhat, Lausanne 1906 (Separalabdruck aus dem 
Bulletin du Glossaire. V i. I'ngelahr zur gleichen Zeit tritt 
auch Freiburg auf den Plan mit einer verunglückten l'eber- 
setzung V00 Vergil 's Hucolüa durch den Advokaten Py- 
thon iFriboiirg 1788; Neudruck in J. Moratel s Biblis 
tluyue romaue. Uusaniie 18T»5). Rie Neuenburger Erzüh- 
lung La xahuulee de Bnrgogmms belichtet in lebhaftem 
Stil von einer Episode aus den Rurgumlerkriegen (die in 
Loch- 1861 erschienene Ausgabe ist, wie diejenige in der 
Sammlung Le /hi/oi* ncuchdleluis sehr sehlecht). Rer 
Bemer Jura darr sich des Werkes Les Puinies des katho- 
lischen Pfarrers Raspieler rühmen, einer aus dem Jahr 
1736 stammenden, in Nachahmung eines Gedichtes aus 
Resaneon entstandenen beissenden Satire auf die Reif- 
i-öcke (beste Ausgabe von A. Rossat im Schirnzcr. Archir 
/,„■ Volkskunde. VIII X IX). 

Der Dialekt hat besonders für politische und satirische 
Ergüsse Verwendung gerunden. So besitzt Genreine ganze 
kleine Literatur von Pamphleten und Gelegenheilsgedich- 
ten. Ras beste Stuck dieser Art ist die im Rialekl ih r Ajoie 
geschriebene Tcheusou paurriolnpie des Louis Valentin 
Cuenin, ein Verzweitlungsschrei des armen Tegels, der 
als Kanonenrutler dienen mus«. vordem aber die Grossen 
der Erde eines Tage» doch Rechenschaft ablegen werden. 
Der Maler Hornung aus Genr verdankt dem Rialekl einen 
grossen Teil des Aufsehens, den seine biltern Satiren Les 
qi os et les melius propo s erreut haben. Deren bekannteste 
ist die I855zum erstenmal erschienene Crcolum du munde. 
Ras eigentlichste Gebiet der Mundart ist aber die Anek- 
dote. Aus der grossen Menge von sehr beliebten kleinen 
Erzählungen in Prosa und in Versen hebe ich hervor 
diejenigen di* liebensw ürdigen und auf die fürstliche Ver- 
gangenheit von Valangin stolzen G. Ouim he; ferner die 
ausgezeichneten kleinen Sittenbilder von Louis Fav rat, die 
den Mutterwitz und den gesunden Sinn den Waadtlander 
Bauern so wohl illustrieren; dann die Schwanke von Ch. 
Renerenz, der den Wörterreichtum seiner Muttersprache 
hervorzuheben liebt und uns immer mit einem herzlichen, 
gutmütigen Lachen entlässt; endlich die reinen Stücke 
von L. Coui-lhioii. der sich hauptsächlich mit den Legen- 
den und alten l'eberliererungen seines heimatlichen Rag- 
nesthales beschäftigt. Viele weniger gelungene, dafür aber 
meistens sehr lustige Anekdoten anderer Autoren füllen 
die Spalten des wackern Couleur caudois, des Jura und 
des Paua du dmmnehe. des .4 »01 du penple, di* l'a/«i* 
romuud, sowie vieler anderer volkstümlicher Zeitungen 
und Kalender. Auch einige Zeitschriften, wie der Conser- 
eateur suisse, die Eli eunes friltourgeoisex uml das Muscc 
neuch.iteluix, machen sich eine Pflicht daraus, die kost- 
barsten Rialektstucke abzudrucken und sie so einer un- 
verdienten Vergessenheit zu entziehen. 

Als einziger Schriftsteller, dem die Hehamllung ernst- 
hafter Vorwurfe im Rialekt gehingen ist. kann Louis Hor- 
nel genannt werden. Fr hat uns u.a. die frische Idylle 
V' tseercs geschenkt, in der ein Kampf zweier Ziegen- 
böcke entscheidet, welchem ihrer beiden Liebhaber die 
reizende Colon ihr Herz schenken wird (schöne Ausgabe 
von J. Beichten im 3. Rand der Grmji re illustre*). 

Vergessen wir zum Schills» nicht die Volkslieder und 
Sprichwörter, die zum Gemcinnut der Volker geboren, 
oft aber mit dem deutlichen Stempel unseres Geistes ver- 
sehen werden. Ras Volk lebl sich in sie hinein und verleiht 
ihnen ein Stuck seiner Seele. Dntftre besten Volkslieder- 
Sammlungen sind diejenigen von J. Cornu i in der Itomamu 
IV, i. Reichten (in der Untuetr ittmleee. iT, V) und 



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86 SCIIW 

A. Rossat (im Schweiz. Archiv für Volkskunde. III ff.). 
Sprichwörter haben gesammelt : J. Chenaux und J. Cornu 
(in der Honiauia. Vi), G. Pfeiffer (im Bulletin du Glos- 
saire. Uli und J. Surdez (im B«//e/i,i du Glassaire. IV); 
ferner finden sich solche im 7. Band des Ctmter- 
ratcur niij«. Unter den Liedern des westschweizerischen 
Volkes steht an erster Stelle der berühmte Ranz de» 
vaches (Kuhreihen) m^t seiner herrlichen Melodie, die 
die Schweizersoldner imdcr Fremde mit Heimweh erfüllte 
und zur Desertion trieb. Das letzte Dialektwort, das 
dereinst aur unsern Lippen ertönen wird, wird das liöba.' 
Imha! seines Hefrains »ein. IFrof. Dr. L. Gaichat.) 

III. Italienisch, i. Einleitende». Das ganze der Sfid- 
flanke der Alpen angehörigc Gebiet der Schweiz hat mit 
Ausnahme der beiden Walliser Dörfer Gondo und Sim- 
peln, sowie desTessiner Dorfes Bosco als Amts- und Kul- 
tursprache das Italienische angenommen. Kerner ist 
das Italienische auch Kirchen- und Schulsprache im la- 
dinischen Dorf Hivio-Stalla (im Oberhalbstein). Unter 
• italienisch» verstehen wir hier diejenige Sprache, die 
infolge ihrer inneren Vorzüge, sowie durch den Einfluss 
der sich ihr zuerst bedienenden Stadl Florenz und der ihr 
vom leuchtenden toskanischen Dreigestini (Dante, Boc- 
caccio und Petrarca) verliehenen Macht als literarischem 
Idiom über alle Dialekte des Halbinsellandes Italien und 
der dazu gehörenden Inseln die Herrschaft erlangt und 
alle übrigen lokalen Schriftsprachen, die sich neben ihr 
gebildet, verdrängt hat. Unter diesen letztern befand sich 
die lombardische Schriftsprache, die nach der Zeit der 
ausschliesslichen Verwendung des lateinischen und vor 
dem Aufkommen des Toskanischen sicherlich in den spater 
die italienische Schweiz bildenden lombardischen Land- 
schaften ebenfalls als Sprache der hultur gedient hat. 

Der Gebrauch des Toskanischen beschrankt sich jedoch 
auf die nicht zum Alltagsleben gehörenden Bedürfnisse; 
es ist die allgemein übliche Schriftsprache, wird dagegen 
als gesprochene Sprache bloss in der Kirche und Schule, 
vor Gericht und im Ratssaal, in Vereins- und Volksver- 
sammlungen, sowie im mündlichen Verkehr mit Ita- 
lienern aus andern Landesteilen und mit Ausländern ver- 
wendet. In allen übrigen Fällen des mündlichen Verkehrs 
bedient man sich der lokalen Dialekte, die zwar zahlreiche 
örtliche Unterschiede zeigen, aber docii (mit Ausnahme 
des deutschen Dialektes von Bosco* in ihrer Gesamtheit 
den gemeinsamen Typus der lombardiftrhen oder, genauer 
gefasst, der westlombardischen Mundart darstellen. Die 
Verbreitungsgrenze dieses auch als « zisabduanisch » (d. h. 
diesseits oder rechts der Adda herrschend) bezeichneten 
Typus wird im Grossen durch die Alpen, den Po. die 
Sesia und die Adda bestimmt. 

Der lombardisrhc Dialekt bildet zusammen mit den 
Dialekten des Picmont, Liguriens und der Kinilia eine 
besondere mundartliche Gruppe, die wegen ihrer Ver- 
wandtschaft mit den transapenninischen Idiomen einer- 
seits und den Iransalpinen anderseits als gallo-italische 
(Jruppe bezeichnet wird. Erscheinungen, welche das Loin- 
bardische mit dem Italienischen gemein hat, sind unter 
anderm die Verwandlung von lateinischem pl, bl, H, gl, 
fl in pu. />;/, kij, gy, ftj, die heute teilweise (Art/, gy) zu 
neuen Resultaten fortgeschritten sind. So entspricht lom- 
bard. pt/ana. t'af dem italien. plana, chiave, während das 
Französische den Anlaut von plaine, clef intakt erhielt. 
Ein wichtiger Charakterzug. der das Lombardische mit 
dem Toskanischen verbindet, ist der Verlust des auslau- 
tenden -«. wie in lat. tetnpus _ ital. tempo — lombard. 
tenip, oder lat. cantas = ital. conti — lombard. teca.nti 
oder ca.nta. gegenüber franzos. lemiis, rhantes. Der Ab- 
fall des -s hätte auch in der Pluralbildung der Substan- 
tive wichtige Konsequenzen. Von den einzig übrig geblie- 
benen lateinischen Kasus des Plurals muri und mnras 
wurde der zweite durch den Verlust des -s gleichlautend 
mit dem Singular »»uro, sodass der Toskancr und der 
Gallo-Italiker sich gezwungen sahen, die Horm muri zur 
Bezeichnung des Plurals zu wählen. Im Französischen 
fällt umgekehrt -i ab. während -* bleibt. Dadurch wurde 
hier der alte Nominativ unbrauchbar und setzte sich der 
Akkusativ als Plural form fest. 

Anderseils stimmt das Lombardieehe sehr oft eher mit 
dem Französischen überein, z. B. in folgenden wichtigen 
Punkten, die wir als charakteristisch hervorheben: I) in 



SCIIW 

den Lauten ä und u, die das Toskanische nicht kennt, 
z. B. lombard. kör, franzos. corur, ital. euore; lombard. 
.mm»-, franzos. mtir. ital. niuro; 2) im Abfall der unbe- 
tonten Endvokale e, i, o, wie aus den selben Beispielen er- 
sichtlich ist ; 3) in der teilweisen oder ganz durchgeführ- 
ten Nasalierung der Vokale vor -n : lombard. pan und |*i. 
franzos. pain, ital. pane; 4) latein. p und t werden zwi- 
schen Vokalen zu c und d, so in lombard. snre. franzos. 
tavoir, ital. »apere, oder in lombard. canta.da, altfranzos. 
chantede (woraus später chantee), ital. cantata. Man ver- 
gleiche ferner noch lombard. piate und franzos. plaitir 
mit ital. piacere, mailändisch jnjata und franzos. place 
mit ital. piazta u. s. w. Auch die Behandlung des Perso- 
nalpronomens ist gleich wie im Französischen, z. B. mai- 
länd. el canta = franzos. il chante, während der Italiener 
das Pronomen auslassen kann : canta. Die Hervorhebung 
der Person erfolgt ebenfalls wie im Französischen : lom- 
bard. miaka.nii, französ. mm je chante. 

Natürlich hat die Gruppe der lombardischen Dialekte 
auch eigene Charakterzüge, die weder im heutigen Tos- 
kanischen noch im modernen Franzosisch wiederkehren. 
Dahin ist vor allem zu rechnen die Pluralbildung, die 
(wie im Deutschen) auf Umlaut beruht. So z. B. mailand. 
vre. Plural ric -— alt; valm. spos, Plural ipus — Gatte: 
fort, Plural fort — stark nergl. im Deutschen Hut - Hüte. 
Loch - I.ücher etc.). Weitere Einzelheiten werden nach- 
her bei der Besprechung der lombardischen Dialekupal- 
tungen noch zu erwähnen sein. 

'2. Geographische, historische und ethnische Grundlage« 
der Dialekte der italienischen Schweiz. Das italienisch 
sprechende Gebiet der Schweiz stellt keine geographische 
Einheit dar. Es verteilt sich auf drei l<andschaften. von 
ungleicher Grosse, die durch dem italienischen König- 
reich zugehörige Territorien voneinander geschieden 
werden und unter sich nicht direkt zusammenhängen. 
Der weitaus grosste dieser drei Teile mit etwa 140 000 
KuewohTiem wird durch die Mesolcina und den Kanton 
Tessin gebildet und gehört fast ausschliesslich dem obern 
Flussgebiet des Tessin und de» nördlichen Längen- 
Rees an, den zweiten Teil stellt das zum Liro (Einzugs- 
gebiet der Adda) sich entwässernde Val Bregaglia (Bergeil i 
mit etwa 1600 Einwohnern dar, und der dritte Teil ist 
dag ebenfalls zum Einzugsgebiet der Adda gehörige Val 
Poschiavo oder Puschlav mit ungefähr 4200 Ew. AB«» drei 
entbehren einer einheitlichen geographischen Geschlos- 
senheit. Sogar der erstgenannte grösste Abschnitt mu** 
als ein fast zufälliges Aggregat bezeichnet werden, da der 
(mit Ausnahme des zum Corners ee sich entwässernden 
Val dl Muggio) zum Einzugsgebiet des Luganersees ge- 
hörige Sottoceneri dem Sopraceneri mehr nur äusserlich 
angegliedert als wirklich organisch einverleibt erscheint. 
Stets hat er sich zu diesem sowohl mit Bezug auf seine 
politischen wie wirtschaftlichen Anschaungen und Inte- 
ressen in Gegensatz gestellt. Dazu kommt, dass ihn nicht 
durchwegs natürliche Grenzen vom benachbarten König- 
reich Italien scheiden. Ein zusammenhängendes organi- 
sches Ganzes bildet einzig der Sopraceneri (mit der Mesol- 
cina). der das gesamte obere Einzugsgebiet des Tessin 
umfasst und im Westen vom Mündungsgebiet der Tosa. 
im Osten von demjenigen der Adda (Val del Liro) und 
oberen Comersee klar begrenzt erscheint. 

Wie die italienische Schweiz der geographischen Ein- 
heitlichkeit ermangelt, fehlt ihr auch der historische und 
politische Zusammenhang sowohl in der Gegenwart als — 
in noch verschärftem Masse — in der Vergangenheit 
Sind doch die Mesolcina. das Bergell und das Ihisch- 
laverthal politisch vom Kanton Tessin geschieden, und 
dem Kanton Graubünden angegliedert. Vor ihrer Zutei- 
lung zur schweizerischen Eidgenossenschaft teilten dit 
in Frage stehenden Gebiete die Geschicke der verschie- 
denen westlombardischen Staatswesen, denen sie ange- 
hörten. Besonders wichtig sind für uns. sowohl mit Be- 
zug auf die staatlichen als auf die kirchlichen Verhält- 
nisse, die Streitigkeiten zwischen Como und Mailand 
und. was die südlichen Bundnerthäler anbetrifft, zwischen 
Como. dem Bistum Chur und den weltlichen Gewal- 
I ten Bültens. Die Bündner Thäler schlössen sich dann 
freiwillig dem <>rauen Bund an, wodurch sie den übrigen 
i Gliedern dieses Bundes an Rechten und Pflichten gleicb- 
, gestellt wurden. Anders stand es mit dem Tessin. dessen 



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87 



einzelne Abschnitte zu verschiedenen Zeiten von den Eid- 
genossen erobert und von diesen bis zum Heginn des 19. 
Jahrhundert* als Untertanenländer behandelt wurden. 
Aber auch in diesem Untertanenverhältnis bildete das 
Land keine Einheit. So gehörte z. B. die Leventina, die 
älteste der « ennetbirgischen * Vogteien, ausschliesslich 
dem Lande Uri, während das Hleniothal. die Bi\ier» 
und Bellinzona den drei IVkantonen gemeinsam unter- 
standen unil die Vogteien Locarno, Valle Maggia. Lu- 
gano und Mendrisio von den zwölf alten Kantonen ver- 
waltet wurden. Von Bedeutung für uns ist die Tatsache, 
dass alle die. mehreren Kantonen Untertanen Vogteien kei- 
neswegs etwa unter einem gemeinsamen Landvogt und 
einer einheitlichen Herrschaft standen, sondern vielmehr 
j«de für sich von einem auf die Dauer von zwei Jahren 
abwechselnd von den verschiedenen Kantonen gewählten 
und mit speziellen Vollmachten ausgerüsteten Landvogt 
verwaltet wurde. Derart ermangelte die Oberherrschaft 
über diese italienischen Vogteien jeglicher Einheitlichkeit 
und blieb jede einzelne Vogtei von den übrigen völlig ge- 
schieden. Ferner ist zu bemerken, das* der jeweilige 
suveräne Kanton, dem hauptsächlich die wirtschaftliche 
Ausbeutung; der ihm für eine bestimmte Zeil zugewiesenen 
Vogtei am Herzen lag. sich nur wenig oder auch gar nicht 
uro die Sitten. Bräuche und I Überlieferungen seiner Un- 
tertanen zu kummern pflegte, die nur dann unangetastet 
blieben, wenn sie den Absichten der Herrschenden nicht 
im Wege standen. Nun waren die territorialen und hi- 
storischen Grenzen der einzelnen Vogteien älter als die 
Kroberung und reichten wahrscheinlich bis zu den Zeiten 
de« oberitalienischen Comune (Gemeindewesens) zurück. 
I nd so bildeten die alten Vogteien, die sich in den heu- 
tigen Distretti oder Begierungsbezirken noch erhalten 
haben, die einzigen historisch administrativen Einheiten, 
bis sie am Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem ein- 
zigen suveränen Staate, dem Kanton Tessin, vereinigt 
wurden Weil längere Dauer hatten im Tessin die lom- 
bardischen geistlichen Hoheitsrechte. "Erst I88H entstand 
da* Bistum Lugano, während bis dahin die « Trc Valli» 
> Leventin.« . ßlenio und Biviera). Brissago und das Val 
Capriasca von Mailand und der Best des Kantons von 
Como abhängig gewesen waren. Die Errichtung eim** 
eigenen Bistums änderte aber nichts an dem Hitus, der 
in den einst von Mailand abhängigen Vikariaten immer 
noch amhrosianisch und in den ehemals unter Como ste- 
henden Kirchen romisch verblieb. Was Graubünden be- 
trifft, kann nicht erwiesen werden, dass das Bergeil und 
ilie Mesolcina jemals einer andern geistlichen Macht als 
dem Bistum Chur unterstanden haben. Das l'uschlav 
seinerseits bildete lange Zeit ein Streitobjekt zwischen 
Chur und Como, bis es im 16. Jahrhundert an Como kam 
und dann 1HG9 neuerdings dem Bistum Chur angegliedert 
wurde. In konfessioneller Hinsicht sind der ganze Kanton 
Tessin. die Mesolcina und drei Viertel der Bewohner des 
l'uschlav katholisch, reformiert dagegen der bleibende 
Viertel de« F*uschlav und das ganze Hergell. 

Geographische Lage und geschichtliche Entwicklung 
bestimmen «lie Mittelpunkte, die auf die Verkehrs- und 
die sprachlichen Verhältnisse einen bedeutenden Einfluss 
auszuüben vermögen. Kin solches Zentrum war für die 
italienische Schweiz und ist heute noch Mailand, sowie in 
beschränkterem Umfang auch Como. Kur die Bündner 
Thäler käme in dieser Hinsicht auch noch Chur in Be- 
tracht, aber nicht das germanisierte Chur sondern das 
alte ladinische Chur. Es scheint aber glaubwürdig, dass 
die grosse Entfernung dieser Stadl und ihre geringe 
kulturelle Bedeutung sie verhindert haben, auf die sprach- 
lichen Geschicke der südlichen Thäler einzuwirken. 
Wichtige lokale Zentren für das Tessin sind Bellinzona. 
l.oramo. Lugano und Mendrisio. fürdas Bergell Lhiavenna 
und für das l'uschlav Tirano. 

Sehr verwickelt ist nochdie Frage nach der ethnischen 
Abstammung und Zugehörigkeit der unsere Gebiete vor 
der Eroberung durch die Börner bewohnenden Völkers- 
chaften. Offenbar hatten sich auch im Tessin keltische 
Stimme niedergelassen, wenn nämlich die Annahme 
richtig ist, dass Ortsnamen w ie Manie | Airolo). Hriijan- 
:o«a. Ihtno (Lugano) und andere Zusammensetzungen 
mit -iluuum, sowie Formen auf -denrn (Cavagnago. Bris- 
tol auf die keltische Sprache zurückgeführt werden 



dürfen. Es scheint, dass solche charakteristische Namen 
und besonders die Formen auf -«cum im Einzugsgebiet 
der Adda wie auch in Graubünden fehlen. Dagegen treten 
in allen unseren Landschaften, sowie im nördlichen Grau- 
bünden Namen auf -asru, -a häufig auf, welches Suffix 
man auf das Ligurische zurückführt. Den gleichen Ur- 
sprung scheint auch das Suffix -inru (in den Ortsnamen 
lAmdarrnra und vielleicht auch Matrum im Veltlin) zu 
haben, das sich später mit dem germanischen -im/u 
vermengt hat. I Einige Gelehrten mochten -aseti ebenso 
wie -ineu allerdings auch noch den Kelten zuschrei- 
ben). Die alten Schriftsteller erwähnen ferner noch 
die Lepontier ivergl. Leivtilina — Le^toulitia) als Be- 
wohner des Thaies von Os&ola iO*crla\ oder Eschenthaies 
und des heutigen Tessin (oder doch wenigstens von dessen 
nördlichem Abschnitt). Auch scheint es, als ob das Velt- 
lin bis zum Comersee von den Bätiern besetzt gewesen 
sei. Von den Sprachen der Bätier, Lepontier und Ligurer 
wissen wir aber nichts oder nur sehr Weniges, so dass 
wir zur Zeit noch darauf verzichten müssen, uns ein 
klares Bild von all diesen ethnischen Verhältnissen 
machen und daraus sichere Schlüsse auf die Elemente 
der heutigen Sprache der lombardisch-alpinen Bewohner 
vor und zur Zeit des Einfalles der Kelten ziehen zu kön- 
nen. — Was dann die infolge des Zerfalles des römischen 
Deiches und der Barbareneinfalle neu hinzugekommenen 
ethnischen Elemente betrilTt, liegt kein Grund vor, die 
südalpinen Landschaften von der übrigen l<ombardei ge- 
trennt zu betrachten. Wir wollen in dieser Beziehung 
einzig bemerken, dass man in der italienischen Schweiz' 
keinerlei Spuren von jener germanischen Kolonisations- 
tätigkeit der Walser findet, die im Eschenlhal (Ossola), 
Sesiathal und im Aostathal noch so olfenkundige Ueher- 
reste hinterlassen hat. Das deutsche Dorf Bosco im Mag- 
giathal scheint einen blosser Ableger der Deutschen /.u 
bilden, die sich im benachbarten rormazzathal (i'ommat) 
niedergelassen hatten. 

htaleklijliedt'rung. Die westlombardischen Dialekt« 1 
können nach praktischen Gesichtspunkten in eigentliche 
lombardische und in alpine Mundarten eingeteilt werden. 
Die ersten finden sich in der Tiefebene und in den Vor- 
alpen linkl. Locarno, sowie das linke Ufer des Tessin und 
des l.angensees in den Bezirken Bellinzona und Locarno), 
die andern in den Hochthälern der Flussgebiete der Tosa, 
des Tessin und der Adda. wovon auf bündnerischem 
Boden das Buschlav und Bergell zum Addagebiet und die 
Mesolcina zum Tessingebiet entfallen und auf Boden des 
Kantons Tessin die l-andscliaften des sog. Sopraceneri 
gehören. Lhe natürlichste Gruppierung ist die folgende, 
die auf die mundartlichen Eigenheiten und die historische 
Zugehörigkeil gegründet ist : I. Lombardische Mund- 
arten im eigentlichen Sinn, mit den Unterabteilungen 
1) Mendrisio. 2) Lugano, 3) linkes Ufer des Tessin und 
des Langensees in den Bezirken Bellinzona und Locarno ; 
II. Alpine Mundarten: a) Tessin und Mesolcina 
mit 4 1 Locarno < Land ; Verzasca, Centovalli und Onser- 
nonei. f>| Valle Maggia, 6) Bellinzona. 7) Biviera. K> Blenio- 
thal, 9; Levenlina, 10) Mesolcina ; b) Flussgebiet der 
Adda mit 11) Bergell. 12) l'uschlav. 

Das hauptsächlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen 
den lombardischen und alpinen Dialekten besteht in der 
Behandlung des k, a vor a und andern Vokalen. In den 
alpinen Mundarten wandelt es sich in einen Palatallaut, so 
/.. B. lombard. camp, aber alpin vamp («Feld«), oder 
lombard. yamlia - alpin t/am Im («Bein»), 

Uebrigens stellt die Unterscheidung in lombardische 
und alpine Dialekte nicht nur ein geographisches, son- 
dern auch ein Klasscmerhälluis dar. Die lombardische 
Gemeinsprache verbreitet sich in den wichtigeren Zen- 
tren (auch im alpinen Sprachgebiet) unter den Gebil- 
deten, die sich ihrer fast ausschliesslich bedienen, immer 
mehr, wobei sich allerdings hie und da die Eigentüm- 
lichkeiten des lokalen Dialektes hineinmischen. 

Zur Illustration der eben angeführten Einteilung mögen 
folgende dialektische Merkmale dienen, a) 
Gemeinsame Merkmale der lombardischen, vor- 
alpinen und alpinen Mundarten: Der Laut S, der dem 
italienischen Diphthong im (/.. B. in nimm) entspricht, 
ist an gewisse Bedingungen gebunden und tritt nur auf. 
wenn ein ->/, ein -i oder ein -« folgte, also lat. um » 



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SCI1W 



SCIIW 



uiif, aber tuten — ««r«. lat. /o/in — /<•/«; mailändischem 
pyaxn und »«'ra entspricht nooh pija.Ua, tue. ihn (inil 
nicht reduzierte n /*, «Vi; nach betontem e wird n zu ». 
so in tu'ue — Ih'ii gegenüber lombardischem he; * vor Kon- 
sonant wird zu * : *;>«» («Gatte«) gegenüber mailändisch 
»/«<*. Damit ist freilich nicht gesagt. das9 nun jedes Merk- 
mal überall vorkommen müsse und zwar schon deshalb 
nicht, weil für viele Ortschaften noch keine sichern Nach- 
richten vorhanden sind, b) Von den Merkmalen, die 
den alpinen Itialekten allein zukommen, seien 
die folgenden hervorgehoben, wobei wiederum zu beach- 
ten ist. das» für verschiedene Gegenden noch genaue 
Konstatierungen des I.autstandes fehlen und das* diese 
Merkmale nicht alle über das ganze alpine Gebiet ver- 
breitet sind : Ä. y vor a und andern Vokalen wird pala- 
lalisiert (wie schon bemerkt): betontes « hat die Ten- 
denz, sich in e zu verwandeln, /. lt. in levenl. ief — ital. 
chiare; -oft« und -tili werden zu -au, -ui, woraus in den 
heutigen Mundarten -on\ im, -o, -tt hezw. -ei/, ri#, -e, -e 
entstehen. /.. It. fimi — ital. prall, purtau -'- ital. (tot lato 
(dies linde! sich auch vereinzelt im Soltoceneri) : dem 
geschlossenen e von ital. fixiert- entspricht hie und da der 
Diphthong ey. so pudet/ etc. ; dem lombardischen iu/ore. [ 
fn:<> - ital. pmeere. fagiuotu stehen im Val Maggia uu'd 
anderswo gegenüber pi/aie, f/tiiiie; mailändiscnem pet 
..: . ital. /»esce entspricht die rorrn pei ; für ital. niaggi'ii, 
lombard. mag haben wir man: mit eingeschobenem u. 
das sich seinerseits in rnngi oder mayni aullost. 

Andere Charakterzüge verbinden einzelne Entergehiete 
'miteinander, die meistens benachbart sind: wir sehen 
aber bisweilen auch entfernle Thalschaften miteinander 
gehen, so i. B. die Bündnerthäler mit dem Anzascalhal 
im Ossolagebiet. Soweit wir heute unterrichtet sind, ist 
es nicht möglich, einen einzigen lautlichen Charakterzug 
anzugeben, welcher der gesamten italienischen Schweiz 
ausschliesslich eigentümlich wäre, ja nicht einmal für die 
alpinen Varietäten gibt es einen solchen. Nur für das En- 
semble der Mundarten des Tessin. von liellinzona aufwärts, 
und der Mesolcina besteht ein solcher, soviel man weiss, 
in der Verwandlung des auslautenden -/ vom Suffix -«/f«) 
in rc: /'a;öte : (agiunhi. llie Hündncrthäler des Adda- 
gebietes besitzen für sich allein die syntaktische Konstruk- 
tion « »i peiiiire* und »*» ;x'i»/e»i</« » statt peniirxi. ften- 
lendim, wie im italienischen. Eine grossere Kinheit war 
bei der politischen Zerstückelung und den gewaltigen 
Schranken, welche die Gebirge und Seen darstellen, nicht 
zu erwarten. 

Endlich wäre eine lange Keihe von Sonder/.ügen auf- 
zuzählen, welche die enger begrenzten Sprachlandsohaf- 
tenvon einanderunterscheiden. Hierbei machen die Merk- 
male nicht immer genau an der politischen Grenze Halt, 
sondern sie überspringen oft die Schranke oder erreichen 
sie diesseits nicht ganz. Schärfere Abgrenzungen lassen 
sich da beobachten, wo die |>olitischen Grenzen älter sind 
und stärkere geographische Einschnitte durchgehen. So 
zwischen Pusehlav und Veltlin. zwischen Bergeil und 
Chiavenna. Die Mundart von Poschiavo stellt geradezu 
eine ältere Phase des Veltliner Dialekts dar. wobei die 
Aussprache -t< der Katholiken für -nlu gegenüber -a des 
Dialektes von Chiavenna und Veltlin besonders charak- 
teristisch ist. Die Protestanten von Poschiavo sprechen 
ebenfalls-«. Das Itergell hebt sich auffallend scharf ah. 
nicht nur von Chiavenna. das ganz lombardisch ist. son- 
dern auch von den einheimischen Mundarten der Einge- 
bung und des San Giacomo-Thales. Dieser tiegensalz 
erklärt sich nicht allein durch alle politische und kirch- 
liche Grenzen, durch die Beziehungen des Hergell zu 
Hunden, sondern, in den letzten Jahrhunderten, durch 
die Verschiedenheit der Konfession. Ziemlich scharf ist 
auch der sprachliche Enterschied /.wischen dem Mi- 
soxerthal und dem benachbarten Gebiet von liellinzona. 
Daran ist die alle politisch-kirchliche Grenze schuld, 
denn l.umino. das letzte bellinzonesische Dorf, ge- \ 
hört eigentlich geographisch schon zum Misox und ist i 
durch keiu Terrainhindernis vom ersten Hundnerdorf 
San Vittort« getrennt. End doch unterscheidet sich Lu- 
mino durch zwei wichtige Eaulziige lomhardischen 
Charakter* von diesem Dorfe: durch das n für » imiir\. 
das /war in Lumino dein Klange nach sich etwas dem 
ii nähert, und durch die Verwandlung von intervo- i 



kaiischem I in r iikara — «ra/a). Viltore hat m und /. 

Auf die Phonetik der einzelnen Enlergebiele können 
wir hier nicht eingehen. Wir zitieren nur einige be- 
sonders frappante Einzelheilen. Dem Gebiet von Mendrisio. 
dessen Dialekt sich vom allgemeinen Lomhardisch am 
wenigsten unterscheidet, ist die Aussprache <> für a 
vor /-(-Konsonant eigen, z. ß. in kell. ital. caldo; im 
Luganesischen treffen wir hier und da noch alpine Züge, 
wie natürlich ; so hat Isone. das übrigens politisch noch 
zum Sopraeeneri gehört, Spuren der Palatalisation von ka. 
Im Sottoceneri linden sich auch einige «-Inseln im «-Ge- 
biet. /.. U. in ßidogno und Brt-no; im Val Colla und an- 
derwärts wird zweikonsonantischer Ausgang der Worter 
nicht geduldet und entweder ein -eoder ein -a angehängt : 
ka.m/ie für comp«, -i. rnlfte — rtdpe, -i. ga.mlte — gamha. 
etc.; padra — jitulrt', kn.rre - capre, ktra.tre — gtiallru. 
ilii.tnja —- dapian, -ppi, -ppte. -ppia, etc. Im Gebiet von 
Locarno erwähnen wir einige interessante Flexionen, wie 
das Perfekt kanlo.fxi — ital. eanlei, das Futur kaiilaro.tia 

— ital. cit ul rii'i : auch das Maggialhal kennzeichnet sich 
durch sonderbare Formen. Wieden Kondizional (aru.nfta 

- ital. farehhe; die Mundart von Hellinzona wandelt o vor 
Konsonantengruppen in « [nuiskn, mosca i und. auf dem 
l.ande. fu in «. z. B. in Sementina. /' in h z. B. in hil da 
her -.- ital. f'ilo di ferro lin Gorduno); die Levenlina hat. 
wie Poschiavo. sem für io twttn, sie kennt im untern Teil 
die Wiederholung des Pronomens vor dem Zeitwort nicht 
al gal kanta, la galina kaula — lomh. el gal el kanla. In 
galina laktn itn, -ferner sind die Vokalassimilalionen in der 
untern Eeventina. und der Hiviera aullällend : so gleicht 
sich auslautendes a regelmässig dem Tonvokal an : rn.ka 
~ cacert. ti'rf = ferro, fitfe.iw ~ iiiemt, /m.rltt ~ fmrhi. 
ii. tii — ora, d ii .i'ii — dum. in tm - Iiitin, ijati.m — ijalhnn . 

Im Adda-Gebiet spürt man etwas deutlich die Nähe des 
Hätoromanischen, wie in der Erhaltung der Gruppen 
/■/. hl, fl. des autlautenden -j» unter gewissen Bedingungen 
u. s. w. Auch das Vokabular verrät den hinfluss des En- 
gadins, wie aus folgenden Wörtern hervorgeht : er, auch : 
darent. weg : trrz. Praepos. - neben : or, dailor — \\\- 
naus ; <;'"/'*"'■ Rem; usrxn, so: edumi. immer; dasmulri-. 
plötzlich: hier, sehr (im Puschlav hirjlier); hop, Vater: 
/«', Sohn i ebenso in der Mesolcina); *ur, Schwester (in der 
Mesolcina neu-}: f'nir, Bruder (in der Mesolcina /roi; 
ne(/mask.. nezza fem.. Neffe. Niclite; ctaneior. sprechen: 
lalli'ir, hören (auch im Veltlin); norta, Schaf: niunlntwhi. 
Murmeltier (ebenso im Puschlav und Hormio): peuk. But- 
ter (auch im Veltlin k td im, Löffel ; Ih'hI. Darm: Dorf, 
etc.. welche Worter dem Bergell angehören ifurdas l*usch- 
lav vergl. ront. völlig; dann, hinten, in geschützler Lage . 
iuletilar. zwischen). 

Als .Sprachproben lassen wir für die einzelnen Dialekte 
den ersten und zweiten Vers des Gleichnisses vom ver- 
lornen Sohn (Lukas XV, 11 \' 12) folgen, wobei wir be- 
merken, dass die Texte z. T. in phonetischer und z. T. 
in traditioneller Umschreibung gegeben sind. d. h. so. wie 
sie mir von meinen (.Miellen genoten wurden. Zum Ver- 
gleich fügen wir ausser dem deutschen Text auch noch die 
französische, rätoromanische (oberengadinische und sur- 
sel vische). mailandische u. schriftitalienische Version bei. 

Deutsch: End er sprach: Ein Mensch hatte zwei 
Sohne ; und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: 
Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. End 
er teilte ihnen das Gut. 

Französisch: l'n hommr: arait deiix fil», dont le 
plus jeunedit n »cm ;» re: hioh pire, donne-moi In pari 
de htm qm me dotl erhnir. Atuxt, le prre lern- parlngea 
*on htm. 

Obcrcngadiniarh: l'n fumi avatra duo» (irjl$. Ed 
il nitieen da t/iiel* dtchrl itl Itap: hajt, tin'm la pnt I della 
roha rhi'm tnocha. t'.d el parlil ad eis la rtdta. 

S u r s e 1 v i s c h : In hum hawa ilua /iyU. Ad il gnue» 
da auf Ii sehet al Itap: l>ap, t»i dai la pari da la $-auha 
ra nuda a nu.' All el pariiftl ad eis la ravbn. 

Italienisch: In tu tun atera due /iglittoli. Ed /»in 
ifini iiie di Iura di»*e al padre; padre, dämmt la /tarle det 
hetn rlie im locro : e il yadre itparlt loro i fVni. 

M a i I a n d e r D i a I e k l : / na nilta q'era an mu kr'i 
ginna düu fuim. E l pnuff ijuvt n de ttir, el ge di- uu 
dt a y« pa.de'r: jxtpa. (am fi»a la pari de rnl>a ke tue 
Inka . e'l /.ader el ge i'o (ada fura. 



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SCHW 

Lom bardische Dialekte des Kantons Tessin: 
a Mendrisio (Valle di Muggiol : In omni al ghera dun 
(u>: el mimir al <i'a dii al to pa: 0 pa. demm la mia 
firt ra ma /.w«. E'l pa l'a spartii sii la ntia tuslanzn Ira 
> m tiiiu fio. 

b. Lugano < Val Colin) : O» om al ghera <lu fioeu ; e'l 
r »uee punin l'a du'al so pa : pa, dam era parte di ben 

• h'fiu lo.ca. E'l />a a g'r'a ilacia. 

c. Lugano (Malcantoiie) : On padra o ghera du» fioeu. 
K »r minor l'a iligg ar so pa: Pa, dem ra mi part de 
vmclanza cant parto ca. hr padra o ga scparttl mlra 
•le lor ra *<> »osrtatiza. 

d Ilellinzona-Sladt : Ina rnlta g'era un om ke'l g'ann a 
duu /yöö. Eni /«•/ dil pusee 'pinin al fa kul txo pa : o pa. 
-/.im (<i pari da'U tua niba ke ma loka mi . r l pa l ga 
t a daya. 

e. Dcllinzona-Land < Linkes 1' fei* de* Tessin: Arbedoj. 
/ mti'um t't g'era dun mal"». El />"*;•;' iu» da »Ii dun 
rl g'a' dir al pa : pa. dam furo la mer' jnxrt da mstan- 
ny<i ke m'ti.ka, e In >•! g'a fa<-(ora g'jiart. 

f. l-ocarno (nach Hiondelli : >nggio, S. 47). O» um 
/■<> arüt du /in. E'l pm gi'oran da cvstm- o gb'n iii al 
jindar : pa, di m la mea {iarl vh'a m'loca : e'l ptidar u 
: ;AYr fai fora i part. 

Alpine Dialekte der 1 1 a 1 i en isc h c n S ch w c i /: 

• Yalle Maggia'Cavcrgno;. Sema'na rolia u y'era um pa 
K'era düy tuzny. Lu fijo minor um di tt lapa-xa tu jta 
•■ u g de: ; /m. a rfd la nie part ila xpartitsymu dla rosa 
n<t*i : e lu fu't ii y l'a dera. 

b. l-ocarno (Yalle Ye'rzasra : nach Monti. S. 421». Ihi 
•".nie» o ghrra du toxi'n. Kl pu pinign o ga dirr al pii : 

dam er taiujenta der ruba ra'm reg» a mi. E <»;/»> 
>< jxirlit fora i'r notetanza. 

c. (>b«Te I^ventina ((>ssaÄCoj. /'ii byt u y era nui /»a 

• v tll'eta dinj tuzu.y. F. n jtxjuitda pt.san l'a du un dl 
'[/ im da de/ la so jtart tl*d rolia. I pa u y l'a dei'a. 

«I. t'ntere Lvventina (Polen^ioi. l'm bot y'era uoni'om 
Ks g'ei a duy f[P'»l. K Ui< dt kel pijimda piu e star-sii e 
•ja <Ji< kul sö pa : pa, dam la /•art det la ruba kern stpeta 
n mi. L'l jhi gl'a daia. 

t. Kleniothal (nach Monti. S. V2t)). 0» tön <>m o ghera 
''t<i lant. K <>/ /tu pisn'n de girigl l'ua dice al pa : »> 
ft. tttini ra jtart dra roba eo'm tma. H lu o g'a tjntrti 
ra er.fea. 

f. Hiviera (Claro). Omn'ntii al g'ere ihm fyey. K al 
j't.r'i/ ion da low l'a rtic al to pa : j>a. dam la ftart ilala 
•>l*> ka'm hik», e'l pa et g'a far fu>» a «/ihn la sno pari. 

f. bewirk Bellinzona iH«»chtes l'fer iles Tessin : (lor- 
ifumn. ttn nnt <» g'ere duü hiyi.i. A'7 pise.e ion o g'a du- 
al v pa : pa, dem hont la purt >a kel ku'm lo.kf. /V Iii 
■> (}'a npartit /»<»r»> la so rob<> da kel k\> g'tuke.re. 

ti. Obere Mesol'cina (Misox). I ii om #7 g'aeero do ma- 
'■t.n : e'l i use i/nrin de kust et ge diz im' di al tso }ki : pa. 
•liidum la pari de rolm ke'nie tu.ko; e'l pii, binta.s, la 
>lMirlu foro tra ile lo j lo fielt. 

i. l'ntere Mesolcina (Sah Yittore). Xu i-olta e g'era 
wii»'<»>i kel g'ayera du /ye. Om »Ii el pixe pinii) el g'a 
i'»' al m )>a : ti fta. dam la mi part. ke mi a reg »a a 
ij>nt'( numt. E'l pa abira el g'a far furo la to i>art. 

k. Berj;<;ll (nach Biondelli : S'ttggio, S. 42 1. I'n om rera 
''»' fi. .1 phi gttiean dgel ron •««■ lnp: liap, ilnm la mi- 
Mir/ ila rolm ; o'l lue »partti i *#'■ lien. 

I. l'uschlav. I'n um al gea tloi fitotj. AI pln gii.an nl 
•ia di% kun se jhi : pd. da. dum la pari da rolia ki mu 
'•>l.a: e'l tut al aa nparln la rolia int tu da Itir. 

Es erscheint leicht verständlich, da<<* der Wortschatz 
unseres ganzen Gebietes rein lombardischen Charakters 
iM, namenilich in jenen Landschaften, die wir ausdrück- 
lich als lombardische bezeichnet haben. Ks handelt sich 
mm grossem Teil um den Mundarten ursprünglich eigene 
'■ememworler und nur zum weitaus kleineren Teil um 
von aussen eingeführte Winter. Doch ist es nicht immer 
leicht, zwischen beiden zu unterscheiden : so erscheint 
' H. der Leven tiner Ausdruck Hgeea \ Nebel) als mai- ' 
landi«ch. weil das Wort nach den Grundsätzen der Leven- 
tiner Phonetik al* xieia ausgesprochen werden sollte. 
Aus klar liegenden historischen (iründen sind ferner von 
der Lombardei her verschiedene alte spanische Wörter 
»•inseführt worden, wie z. IJ. rararo (ein Nichts i. rntzöla 
und »iott<f>gri7('< Namen vonSpeieem. Imalpinen Abschnitt 



semv w 

sind eine grosse Anzahl von Ausdrucken üblich, die meist 
die Alpwirtschaft. Käserei und Landwirtschaft betreiten 
und alpiner Herkunft sind, d. h. die Dialekte der italieni- 
schen Schweiz eher mit denen der Alpen im Osten, 
Westen und Norden, als mit denjenigen der Kbene ver- 
binden. Solehe Sprachform. n. die sich einzig noch in 
den Alpen erhalten haben, sind z. D. \eapm\ löuia { zwei- 
jährige Ziege), levent. bi.ma. calanc. I» mim. aostan. 
bime. hellunes. bi.mba; luiedmlus, Deminutiv von hnetlux 
i— Zicklein , ossolan. und teasin. >. pnsehlav. und velt- 
linisch andzu.t. odui.l, trientin. dzirt. hellunes. and»bi,er- 
gadin. air.ul, surselvisch anxiel ; \ftrimm] reeitlirum i - 
Fmdi.tessii). rede i, red:if. ossolan. artlzt, trientin. ardzi- 
ia und erd ira. friaul. ardzira, sursclv. rascfidtf etc. Die 
speziellen lexikographischen Aehnlichkeiten zwischen 
der ladinischen Mundart und derjenigen des Hergell 
haben wir schon erwähnt; ebenso interessant, hier aber 
nicht weiter auszuführen, sind die lexikographischen 
Yerwandtschaflen zwischen dem Ladinischen und den 
alpin-lombardischen Dialekten. 

Auf die Nachbarschaft der deutschen Schweiz und die 
engen politischen Heziehungen zu ihr sind die in den 
Dialekten Oer italienischen Schweiz vorhandenen vier 
oder fünf Dutzend von Germanismen zurückzuführen, 
die heute aber entweder zum grossen Teil schon wieder 
verschwunden oder im Y'ersch winden heg rillen Bind. Sie 
sind meistens Kulturwiirter und beziehen sich auf Hand- 
werke ige.rber, kra.mer. ih.f er etc. t oder politische 
Stellen und Würden ire.hel |\Yeibel|. latifo.k, landa.ma, 
in der Mesolcina lamlri.ler). Aus dem ladinischen über- 
nommene Lehenworter finden sich dagegen nur sehr 
selten z. H. mesolcinisch natix (schlecht, elend i und 
Im-e.lga (verlassenes, «wies Haus). 

Die Auswanderung nach Frankreich und den über- 
seeischen Ländern mit »panischer und englischer Sprache 
führt ebenfalls einige neue Ausdrucke ein. In grosser Zahl 
treten namentlich ilie Gallizismen auf. die. durch eine 
alte Yorliehe Italiens und der ganzen Welt für ihre An- 
wendung begünstigt, rasch Iturgerrecht erlangen. Yon 
den während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr- 
hunderts aus Australien importierten Anglizismen erwäh- 
nen wir das merkwürdige pi.inix \buHinexx —• Geschälti 
von Cavergno. Die Männer von Cavergno pflegten einst 
als Kaminkehrer nach Holland auszuwandern, von wo sie 
den Ausdruck vaiila fora bell (gut aussehen) heimge- 
bracht haben. Die Ziegelbrenner des Y'al Lugano gehen 
zur Ausübung ihres Berufes nach dem Piemont und brin- 
gen von dort Ausdrücke wie boga.x (sich beeilen, franzos. 
bougeri. lampa (Grube* etc. mit. 

4. Dialektlileralur. Schriftwerke in dieser oder jener 
Mundart der italienischen Schweiz sind selten. Y'om Vor- 
handenen erscheint allerdings manches durch sein Aller 
bemerkenswert, dafür aber auch gekünstelt und wenig 
natürlich. Im 16. Jahrhundert stiftete eine Mailänder Ge- 
sellschaft von Lebemännern, deren hervorragendste Stutze 
der Malerund Dichter Giampaolo Lomazzo war. eine Akade- 
mie der Poesie, ilie sich den äussern Anschein einer Zunft 
(badiai von Weinhandlern und Weinträgem aus dem 
Kleniothal. dessen Sprache angenommen wurde, gab. 
Die künstlichen Erzeugnisse dieser Muse und Mundart 
linden wir gesammelt in dem kleinen liueh llahitu li 
- 'i Arabesken Spielereien» dra arademiglia dar 
n im f ui /arargna, nnbnd tlra rot de Uregn ed turrli i so 
fidigl xiMihitl (1. Ausgabe. Mailand I.V£) : t. Aullage. Mai- 
land Wn : Neudruck in Kerd. Fontana'« Anialogia Sie- 
negltina. Ilellinzoua 1900). Nach der Errichtung des den 
übrigen Gliedern der Kidgenossenschaft gleichgestellten 
Kantons Tessin entstanden zur Yerherrlichung von öffent- 
lichen «der privaten Ereignissen zahlreiche Dialektpoe- 
sien, die sicli in den Zeitungen zerstreut vorlinden oder 
auch als Kinhlntldriicke erschienen, vnn denen vielfach 
vielleicht kein einziges Stück mehr erhallen ist. Einige 
■lieser mundartlichen Stucke haben zusammen mit kur- 
zen Notizen über ihre Verfasser in der schon genannten 
Autiiloifia Meuegliina Aufnahme gefunden. Der l.uganese 
Carlo Maitiguoni 1 1824— 1!<03) behandelte seit 1K73 die 
politischen Tagesereignisse in poetischen I)iulektk»mpo- 
sitinnen, die jetzt in einem Hand gesammelt vorliegen 
( Hiit'i't'lla delle /«»e»»e i" rernarala lugaiiexe tli Carlo Mar- 
tigiu.iii. I.oearno HI03. ÄI8 Seileni. Die Gedichte des aus 



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90 SCHW 

Giubiasco bei Bellinzona stammenden Cesare Mariotti I 
(1852— 1891) sind dagegen nicht politischen Inhalts! Poesie 
in vernacolo giubiaschete. Bellinzona 1900. 57 Seiten). [ 
Diese beiden Sammlungen bilden einen blassen und weil 
abstehenden Reflex der mailäjidischen Gedichte von Carlo 
Porta, des ausgezeichnetsten Dialektdichters von Italien, 
und vertreten die Tessiner Mundarten von rein lombardi- 
schem Typus. Sämtliche mundartlichen literarischen Ver- 
öffentlichungen des Tessin beschränken sich übrigens auf 
die Dialekte vom lombardischen Typus. Der alpinen Dia- 
lektgruppe gehören einzig die vor kurzem anonym er- 
schienenen Poesie in dialetto tli Caveryno-Vafniag- 
gia (im Archhio gloltologieo italiano. XVI, Seiten 
550 — 588) an. Begünstigter als der Kanton Tessin er- 
scheint in dieser Hinsicht das Bergcll, das einen 
würdigen Schilderer seiner Bräuche und einer sehr be- 
deutsamen Epoche seiner Geschichte (des grossen Kampfes 
/.wischen Katholiken und Reformierten) gefunden hat in 
Giov. Maurizio aus Vicosoprano y-\ 1885), dem Verfasser 
von La Stria nssia i stinqual da l'aniur. Tragicmnedia 
nazionale barqaiota. Quiidar dii costimi da la liragaja 
entel seeul AT/(- Die Hexe oder die Liebesneckereien ; 
vaterländische Tragikomödie aus dem Bergeil. Bergeller 
Sittengemälde ans dem 16. Jahrhundert i. (Bergamo 1875. 
188 Seiten). Das Wenige, was aus dem Puschlav vor- 
handen ist, kann in dem in der Bibliographie genannten 
Buch von Michael nachgelesen werden. 

5. Bibliographie (für den Tessin vergl. auch Salvioni, 
C. Bibliografia dei dialetti licinesi (Bellinzona 1900t und 
im Bollettino storico della Svizzera ital. XXIII). — All- 
gemeines : Cherubini, Fr. YoealHdario milanese-italiano. 
5 vol. Milano 1839-1856. — Salvioni, C. Fonetica del diu- 
letiodi Milano. Torino 1884. — Mnnti, P. Vocabotario della 
rittä e diocesi di Conto (Milano 1845i. — Monti, P. Sayglo 
di Vocaltolario della Gallia Gisalpina e reltictt... (Milano 
1856). — Monti, P. Appendice al Yocakolario... (Milano 
1856). — Ascoliim Archivio glottologieo italiano |i, S. "249 
ff.i. — H. Morf in den Göttinguchen Gelehrten Anzeigen 
von 1885. — C. Salvioni in La Leltura (I. S. 718 ff.) und in 
Sludidi filalagut »*>/uan:u ( Vll. S. 183IT. und VIII, S. lff.l 
— Puschlav: Michael. Job. Her Dialekt des Poschiavot hals. 
Halle 1905. — Bergeil: Maurizio, G. La Stria osstai stin- 
qual da l'amur. Bergamo 1875. — Ascoli im Archivio glot- 
tologieo ital. II, S. 442 f. - A. Redolli in der Zeitschrift 
für romanische Philologie. VIII. S. 161 ff. - H. Morf in 
den Gotting. Gelehrten Anzeigen (1885) und den Nach- 
richten der Gesellschaft der Wittewtc haften zu Güt- 
tingen 11886). — Bergeil und Mesolcina : C Salvioni in 
den ttendicottti del r. Istituto lomhanio (Ser. II, vol. 
:i r >. S. 905 ff.). - Bellinzona und Biviera : C. Salvioni im 
Archivio glottologieo ital. XIII, S . 355 IT.). — V. Pellan- 
dini und C. Salvioni im liolletlmo storico della Svizzera 
ital. XVII und XVIII. - Bleniothal: Demaria, L. Curio- 
sitä del vernacolo bleniese. Bellinzona 1889. - Valmaggia 
und Loearno: C. Salvioni im Archivio glottolog. ital. ifX. 
S. 188 f. ; XIV, S. 437 ff. : XVI, S. 549 IT.). im Bollettino 
storico della Svizzera ital. (XIX, S. 133 ff.) und in der 
Hontania I X X V 1 1 1 . S. 409 ff.). - Lugano: G. Cossa im 
Giornale delf I. II. Istituto i.mibanfo. XVI, S. 286 ff. - 
C. Salvioni im Bolleltino storico della Svizzera ital. XIII. 
S. 94 ff. - V. Pellandini im Sehu-eizer. Archiv für Volks- 
kutule. 1904 — Lugano und Mendrisio : C. Salvioni im 
Bollettino stor. della Svizzera ital. XXIII, S. 141 ff. - 
Ortsnamen : Flechia in den Memorie dell'Ac adeniio delle 
Scieme d, Torino. Ser. II, t. XXVII. - C. Salvioni im 
Rollet! ino stor. della Svizzera ital. (XI. S. '214 ff. ; XV, 
S. 1« ff. ; XX. S. 33 ff. : XXI. S. 49 ff. und 8511.; XXII, 
S. a r )IT. ; XXIII. S. 77 IT. ; XXIV. S. I ff. und 57 II. ; XXV, 
S. 93 IT.! und im Arcfiivto storico lomhardo (XXXI, S. 
372 ff. I. • [C Salvi.-.m ) 

IV. HatoKOM.\M.m:h. /. Statistik der Itülonmianen toi 
Verhältnis zu den Deutschen. Die Verteilung der Bälu- 
romanen über Grauhünden nach Dichtigkeitsgraden im 
Jahre 19110 ergibt sich au« der beigegebenen schraffierten 
Karte. Die nachfolgende Tabelle zeigt den Prozentsatz an 
Domänen in den einzelnen Kreisen in den Jahren 1860. 
1870. 1880. 1888, 19(10, um hiedurch einen 1 eberblick 
über die Abnahme des Homanischcn und Zunahme des 
Deutschen zu ermöglichen. Dabei ist zu beachten, das* 
viele Kreise ganz deutsche Ortschaften enthalten, nämlich 



SCHW 

Kreis Buis: Obersaxen; Kreis Lugnez: Valsuod St. Mar- 
tin; Kreis Banz: Valendas und Versam; Kreis Trins: 
Tamins und Felsberg; Kreis Domleschg: Sil*; Kreis 
Thusis: Thusis, Masein, l'rmein und Tschappina; Kreis 
Alvaschein : Mutten ; Kreis Beifort : Schmitten ; Kreis Ber- 
gün : Wiesen; Kreis Remüs: Samnaun. Zieht man die 
deutschen Ortschaften ab, so wird natürlich der roma- 
nische Prozentsatz höher; z. B. hätte Kreis Ruis ohne 
Obersaxen durchschnittlich 99°; 0 Romanen. 



Prozentsatz an FLetoromanes in den einzelnen 
Kreiden (1860-1900). 



Kreis. 


1860 


1870 


1880 


1888 


1900 


EiitwolMMranl 1»» 


Disentis . . . 


100 


99 


98 


98 


f« 


5917 




63 


67 


68 


69 


71 


1866 


Lugnez . ". . . 


77 


79 


7« 


77 


76 


3533 


Banz 


75 


74 


73 


72 


72 


4900*) 


Trins 


55 


55 


56 


56 


5t 


2850 ' i 


Bhäzüns . . . 


82 


87 


84 


84 


81 


2780') 


Domleschg . . 


70 


er» 


61 


61 


54 


2*60«) 


Thusis .... 


39 


33 


28 


3t 


28 


3I00M 


Schams .... 


88 


86 


84 


80 


77 


1498 


Oherhalbstein 


94* 


94»i 


94 


95 


97 


2321 


Alvaschein . . 


89 


85 


87 


88 


81 


1556 ' i 


Bei fort .... 


75 


75 


72 


74 


70 


1230 •> 


Bergun .... 


63 


63 


56 


59 


47 


1210 M 


Ober Gngadin 


85 


74 


65 


60 


59 


4400 h 


Ohtasna • • • • 


93 


90 


87 


88 


86 


2329 


l'nter Tasna . 


92 


92 


86 


85 


8t 


2486 


Bemüs . . . • 


1 1 


•™ 


68 


69 


68 


1468 


Münsterthal .. 


85 


189 


81 


78 


78 


1505 



Das Verhältnis der Bätoromanen zur Gesamtbevölke- 
rung Graubündens stellt sich wie folgt : 









Rntororaaueo 










Jahr 


Gewml- 


RAlu- 


im 


im Verhältnis 


bevOlkerung 


rum. 


K«n- 


zu den 








too 


Deutsche» 


1850 


89895 


'42439 


•47 


•54 


1860 




■1 


42 


49 


1870 




•» 


41 


48 


1880 


94991 


3771)4 


40 


46 


IS88 


94 810 


37036 


39 


46 


1900 


104520 


36472 


35 





Die mit " bezeichneten Zahlen sind jedenfalls etwas zu 
hoch, da 1850 die Sprachangehörigkeit gemeindeweise 
uniformiert wurde. 

In der ganzen Schweiz belief sich die Zahl der Räto- 
romanen 1880 auf 38 705. 1888 auf 38. Tj7, 1900 auf 38 651. 
blieb also seit 1880 konstant In Prozenten ausgedrückt 
zeigt sich jedoch ein stetiger Rückgang: 1850 l,/< %; 
1860: 1.68 « 0 ; 1870: 1.58 «/ 0 ; 1880: 1.36 %; 1888 : 1,30 %; 
1900: 1.17%. 

•2. Sprai-hgrenzen. Das rätoromanische Gebiet erstreckte 
sich einst nordwärts bis zum Bodensee. ostwärts wahr- 
scheinlich bis zum Ziller- und Puslerthal. von dort süd- 
östlich ins Friaul und Triestinische ; im Westen mag^ man 
sich die Grenzlinie etwa von Steckborn direkt nach Süden 
gelegt und dann der Westgrenze der Kantone St. Gallen, 
Scli wyz und l'nterwalden folgenddenken.Von diesem gros- 
sen zusammenhängenden Gebiet sind nur Bruchstücke 
übrig geblieben : das Romanische in Graubünden, die 
Dialekte einiger Thälchen ostlich von Bozen und Brixen 
(namentlich desC-rodner- uni ' Gaderthales) und das stark- 
bevölkerte GeltieF des Friauliscben. Durch Mir alrroan- 
nische Invasion ging schon im 5. bis 8. Jahrhundert der 
Teil nördlich von Bunden dem Italischen verloren ausser 
dem Waleiisee (d. h. walscher See), Glarus('), Sarganser- 

•y Italienische Babnarbeiter «berechnet. 

•) Unter Berichtigung der falsche« Zurechnung das Dialekt«* 
voo Marmel« und Stall« zum Italieaiscben. 



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SCI1W 



SCHW 



91 



lanJ. Rheinthal bis Oberried und Götzis (etwas nördlich 
von Feldkirch), sowie dem Walgau. Etwa vom 9. bis II. 
Jahrhundert mag sich das Romanische annähernd in 
dieser Ausdehnung behauptet haben, vom 13.-16. Jahr- 
hundert ging es dann allmählig bis ungefähr auf sein je- 
tziges Gebiet zurück, wobei auch die meist im 13. Jahr- 
hunderteingewanderten Walserkolonien eine grosse Rolle 
spielten. Im Walgau. Präligau. Schanligg gab's noch im 
Anfang des 16. Jahrhunderts Romanisch-Redende, auch 
in Chur war der Prozentsalz an Romanischen damals 
jedenfalls noch beträchtlich (vgl. das • Welsche Dörfli »). 
Im Montafun soll das Romanische sogar erst im 18. Jahr- 
hundert erloschen sein. Seit dem 16. Jahrhundert hat 
sich das Gebiet des Romanischen in Graubünden wenig 
mehr verändert. Wann Thusis (mit Masein, l'rmein) und 
Tamms germanisiert wurden, ist unklar, um 1750 war 
Thusis schon deutsch. Im 19. Jahrhundert gingen Sils im 
Ikimleschg und Samnaun verloren. Zahlreiche l'ebcr- 
bleibsei im Wortschatz zeugen in den verdeutschten Ge- 



dle Schule, doch hängt viel von der jeweiligen Person 
des Pfarrers ab : an vielen Orten wird abwechselnd deutsch 
und romanisch gepredigt. 

In neuerer Zeit hat namentlich im Oberland und Enga- 
din ein bewusster Widerstand gegen das Vordringen des 
Deutschen eingesetzt. Man will die angestammte Mutter- 
sprache nicht so leichten Herzens hergeben. Sie wird 
eifrig gepflegt in der Schule (treffliche romanische Schul- 
bücher) und im öffentlichen Leben, in Zeitungen und 
sonstiger Literatur, Unter diesen Umständen durften die 
Prophezeiungen eines baldigen l'nierganges des Rätoro- 
manischen kaum so rasch in Erfüllung gehen. Auch dem 
Eindringen deutscher Wörter, überhaupt den Germa- 
nismen, suchen puristische Bestrebungen entgegenzuar- 
beiten. Im Engaain hat sich das Romanische auch gegen 
das Italienische zu wehren (Italianismen gelten vielfach 
als« schön»), doch war diese Gefahr früher grösserals jetzt. 

Bibliographie: Sartorius von Waltershausen. A. : .Die 
Germanisiemny der Hätoromanen in der Schweiz (in^den 






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genden von der früheren Sprache. Die jetzigen Grenzen 
zeigt die schraffierte Karte. Die rechts-links schraffierten 
Orte (Filisur, Rongellen, Fürstenau) sind schon überwie- 
gend deutsch. Stark im Rückgang begriffen ist das Ro- 
manische in Ilanz, Ronaduz, am Heinzenberg, im grüssten 
Teil des Domleschg, im Albulathal von Tiefenkastel auf- 
wärts (wo die Ratische Bahn den Vorgang beschleunigen 
wird), im Fremdenquartier des Ober Engadin, d. h. St. 
Moritz-Pontresina, denen sich Samaden anschliesst. Auch 
in Schuir, beginnt ein ähnlicher Einfluss des Fremden- 
verkehr« sich fühlbar zu machen. Das übrige l'nler Kn- 
gadin ist noch sehr gut romanisch. Etwas schwereren 
Stand hat das Münsterthalische. Sehr fest sieht das 
Obcrhalbstcin. das stärkste Bollwerk aber bildet die 
kompakte Masse des Oberländischen. Die sehr exponierte 
grosse Ortschaft Ems hält sich noch recht gut. wenn auch 
in den WprjtschJdi viel Deutsches eindringt. In den 
Schalen (Statistik von 1895) dominiert im Uberland (aus- 
ser Ilanz) durchaus das Romanische; in 15 Schulen wird 
dort überhaupt kein Deutsch gelehrt, in 39 erst vom fünf- 
ten bis siebenten Schuljahr an. In den übrigen romani- 
schen Gegenden beginnt das Deutsche meist im vietten 
Schuljahr, zum Teil auch früher. Von Ems bis Andrer 
»ind viele Schulen ganz deutsch. Die Predigt ist in den 
bedrohten Gegenden im Ganzen etwas konservativer als 



Heutige Verbreitung uurXHutoromaneo in der Schweiz. 

deutschen Landes- und Volkskunde) 



Forschuntjen zur 

Stuttgart 1900. — Berther :| Carschen e digren dellapo/iu- 
laziun roniontscha et inntun Grischun (in: Ischi; her- 
ausgegeben von Decurtins. Band II, 61-86). 

3. Tieschichte der Dialekte, l'eber die Sprache der 
alten Rätier wissen wir nichts Bestimmtes. Keltisch 
scheint sie nicht gewesen zu sein. Die Römer hielten sie 
für ein verwildertes Etruskisch. Auch das Ligtirische 
kommt in Frage. Ueberreste des Akratischen mögen in 
einzelnen Ortsnamen und unerklärten romanischen Wör- 
tern stecken. Im Jahn- 15 v.Chr. wurde Rätien von den 
Römern erobert, und die rätische Sprache ging im Latei- 
nischen unter. Aus diesem, d. Ii. dem Vulgärlateinischen, 
entstand in ganz allmähligcm Ucbergang das Rätoroma- 
nische, in ähnlicher Weise wie die übrigen romanischen 
Sprachen. Etwa vom Jahr 500 an mag man von * Roma- 
nisch* reden. Vom Italienischen und seinen Dialekten 
'unterscheiden sich die rätoromanischen Dialekte so stark, 
dass man sie als selbständigen Sprachzweig neben Ita- 
lienisch, Französisch, Spanisch usw. stellt. Ein Haupt- 
Unterscheidungsmerkmal ist der rätoromanische Plural 
auf -s. ein anderes das Fehlen des Conditionalis, dessen 
Funktion durch den Conjnnktiv Imperfecti mit versehen 
wird. 

Für den Wortschatz war, wie in allen 



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0-2 SCUW 

Sprachen ausser dem Rumänischen, die Heiührung mil 
• en Germanen von grosser Hedeuluug '). Die älteste 
Schicht germanischer Lehnwörter drang schon in vul- 
gärlaleinischt-r Zeit ein. z. ü. irerm, woraus italienisch 
giwri-a, rätoroman. ujarra «. Krieg ». Die germanischen 
Wörter, die da« Itatoromanische speziell mit dem Ita- 
lienischen gemein hat. Mammen zumeist aus langobar- 
disrher Ze t. z. Ii. sta/fa » Steigbügel ». 

Von Norden her mag schon früh der alemannische Ein- 
lluss begonnen haben, erreichte aber seinen Höhepunkt 
erst in der Zeit der Feudalherrschaften etwa vom i"2. bis 
14. Jahrhundert, indem die Feudalherren seihst und ihr 
Gefolge meistens Deutsche waren. Auch fiel etwa in« 
LI. Jahrhundert dir Ansiedlung der deutschen Walser 
(wahrscheinlich - - Walliser) in vielen Gegenden Grau- 
bündens, wie Davo*. Pratigau, Lang wies. Obersaxen. Vals, 
Avers, Rheinwald. Aus diesen Jahrhunderten wird in der 
Hauptsache die ältere gut nationalisierte Schicht der ale- 
mannischen (sehweizerdeutsehen f Lehnwörter stammen, 
wie oherländiscli hurcla, Kugel, ruor. Krug, txighrgiar, 
bauen, x'anrielar, bereuen, .f/mri/r/m»-, wünschen, urhulwr, 
sauber, glirut, Leute; ferner z. T. die präpositionalen Ger- 
manismen wie parier «ivr, « austeilen ». ihr (/in. «absagen o. 
und l'elierst'tzungen wie cuter mn» nimm « vorhanden 
sein ». regmr pella ritta « ums Leben kommen ». Kine 
neue Welle deutschen Einflusses warf die Reformation 
ins Land mit ihren L'cl>erse1zungeii religiöser Schriften, 
dalu-r Wörter wie ramihgtar. » wandeln ». Roch dran- 
gen diese nicht so tief in die eigentliche Volkssprache. 
Kine Masse deutscher Worter brachte endlich die Neu- 
zeit, namentlich das 19. Jahrhundert, mit all den neuen 
Einrichtungen. Krlindungen usw. Einen Fall für sich 
bildet die Rechtsspraehe : diese war zu allen Zeiten sehr 
stark mil deutschen Elementen durchsetzt. Jedes roma- 
nische Gemeindestatut legt hievon Zeugnis ab. Entleh- 
nungen aus dem Italienischen ( l.om bardischem sind im 
Oherländischen selten, häufiger im Eugadin. In engad. 
Ixchap/M-r neben elapper « fassen » steht das Lehnwort 
neben dem altetnheiinischen Ausdruck. 

'i. Einteilung der romanisrhen Dialekte. Wir können 
zwei grosse Gruppen unterscheiden : die Dialekte des 
Rhcingebictes und das Kngadinische 'mit dem Münster- 
thalischcn ). Die ersleren nennt man oft * Romansch » im 
engeren Sinne, das Engadinische im Gegensatz hiezu »Iji- 
dinisch ». Roch heisst auch das Kngadinische gewöhn- 
lich •• Romansch <>. Die Kngadiner bezeichnen das Rhei- 
nische als «Schalover», von txrheW ora - das andere 
Wasser, d. h. der Rhein. Die beiden Hauplgruppen zerfallen 
wieder in ruterabteilungen : »las Rheinische ins Oher- 
ländische (Sursilvanische i. Ilinlerrheinische. Oherhalh- 
steinische, Filisur-Rergünisehe usw.. das Kngadinische 
ins Obcrcngadinischc. I'nterengadinische und Münster- 
thalische. Riese Entei-abteilungcn bestehen aber ihrer- 
seits wieder aus kleineren l.okaldialekten mit ort recht 
ausgeprägten Besonderheiten. In früherer Zeit waren 
die-»e lokalen Dialekte, deren fast jede grossere Ortschaft 
ihren eigenen halte, starker unter sich verschieden als 
heute, wo die l'nterschicde infolge der modernen Ver- 
hältnisse (Freizügigkeit. Verkehr. Schule usw. ) sich viel- 
fach ausgleichen. 

Einige llaiiplcharaklerisiika lies Oherländischen 1 1 1 ge- 
genüber dein l.ugadinischen \\\ \ sind : 1 /, >•. II naus latei- 
nischem Ii, i, R. I ilir, fem. II dar, finu ans lat. du- 
ra* « hart ». fumux * Rauch »: I II " aus lat. <i. z. R. I 
pi.tr.it, II piir.d aus jmpulnx « Volk » ; I Ig. II I aus lat. « /, 
/ II. I nolff. /«/'/. II ni't. lat aus lat. mute »Nacht". laete 
« Milch« ; I eis ein, II etx tun « sie sind •■: I gie, II sehi » ja " : 
I miliar. II rhatar «linden": I et ei bialx imitdem sog. 
prädikativen ■*>. II rl atx M «er ist schon«. Nur ortho- 
graphisch ist der Lnterschied von I /</ und II «7«. z. R. 
I tgaun. II r/inun « Hund«. Dem Ohcrhalbstcinischen 
eigen sind Formen wie liir, lim r oberland. Iigiar, 
liginu ■■ binden, gebunden ». paer ober). pagnr « zah- 
len f. Das Filisiirisch-Rergüuitiche hat viele z. R. Im 
( latx] — oberland. lutg, engad. /«/«Milch 1 », zaren \dzuren) 

oberland. und engad. gimen «jung». |iem Oberhalb- 
steinischen. Filisiirisch-Rergünischen und Ohercngadini- 

■i l eb«r die Ausspräche der im F<>lfrood«n angeführten roma- 
oiscban Worter sieh* die Vorbemerkung zu d*n Spr»chprobon. 



SCHW 

sehen gemeinsam ist die Entwicklung eines k. g in Fällen 
wie /r(Äraus inur Herz, /«»/./ aus lion) Ochs, ugra aus um 
Stunde. iAraus ir gehen, legvi it aus letrra Hase idas k . 
i) wird jedoch nur gesprochen, nicht geschrieben !. Einig«- 
Unterschiede des Oberengadinischen (OE) und llnteren- 
gadinischen (l'Ki sind: OE e gegenüber I E u. t. B. 
OE uiei. iter. l'K nmt, ilar, aus matu* »schlecht», ilnrr 
«geben«: Aussprache des ««, mm im OE wie um, um, 
i. R. //»oh hmi « gut ]hhii - iniitii « Rrot - ; OK jwch, 
VE pur »wenig»; OK menmui. IE n>u**a «zu» izn viel, 
zu gross etc.i; OK iru n/'|/ic, I E eu tn*i/(n » ich habe . ; 
Participia OE slo. xh-rfa. I E xtat. xiailn »gewesen ». oE 
l>nrti'i, L'E j,nrtri »getragen». DK r«n/«>« (gesprochen 
lemlia), l'K rentlii «verkauft». Für das Münsterthaliscl»' 
charakteristisch sind die Inlinitive mit zurückgezogenem 
Akzent, z. R. ftlirler für i»>rlttr « Iragen » ; ferner ja» 
«ich»' und überhaupt viele mi. daher der 1'ebername il* 
Jauern. 

1. 1 1 lernt ii r. As<-oli: Saggi Latlini ( im Arclm-iu glottu- 
Itxjieti. Rand I u. VII). — Gärtner. Hätorninantxrhe (Iram- 
tnalil,. Heilbiunn — Gärtner, in Gröbers (irutt't- 

riss der rmiimiittcht'n Philologie. Rand I. — Elementar- 
(irammatiken : für das Oberl.indische von Rühler i IH6V. 
Muolh 1 1X90). da Rieti , I9IJ4 1. Simeon ( IH04 >. Conraili , IX^li . 
für das Engadinische von Andeer i 1880). — Wörterbücher 
für da« Oberländische von Carigiet iIHfri). Conrad i r|823. 
deutsch-romanischer lei! 1828i ; für das Kngadinisclie von 
l'allioppi |I8!C). deutsch-romanis4 her Teil l»>2i. — I eher 
die alemannischen Kiemente siehe Renw. lirandstetter 
l>a» xeliweizerdetitselit* Leliwjut im lUmumtscheii. Lu- 
zern 15**."». 

•V Sftitirlipinben (In traditioneller Orthographie-. 1 ■ 
Aussprache. Oberländisch Ig und engadinisch < li 
\t/,l ungefähr deutschem tcli in » Hütchen »; 7»*, g\ wie 
im Italienischen, doch mehr deutschem ilj in « Landjäger - 
sich nähernd; gh, gn(i), gl{>) wie im Italienischen. 
*/. *p wie srlit, »rlii> etc. ; : wie im Deutschen ; /< /■ 
w ie französ. / ; oherländiscli <7ic, ein wie im Italieni- 
schen. 

Sprichwörter etc. Oberländisch: tgi ra ra jwi 
fine, /linnla line; oberengadinisch : ehi r/n ro f>er fu. 
jH'iiltt rin ... Wer tun Feuer geht, verliert den Platz. 
-- Oberländisch : IIa Sogn Gtujl ttnl la Kin n »•« nuegl . 
obereng. : u San Giallum tuot 1/ nuieel $nl jMntum . - an> 
Sankt Gallustage alles Vieh im Stall 1 Hauernrege! 1. - 
Oberländisch : um risaux, niiet xalraux ; unteren- 
gadinisch : tiuhi rixii, nie: salni gewarnt ist halb ge- 
gerettet. Oberländisch: aulta fehgolaila. I*a*sa ttrhirn- 
tiula hoher Flug, tiefer Fall ; lofrlias inatleuns. tsrli»- 
ffa* ranemis putzsüchti^e Mädchen, schmutzige 
Fleischh.ifen : nuuf vgliiau, nunt guihgnau - - nichts 
gewagt, nichts gewonnen ; 01 tm potxa, ilameun en f otsa 
- heute rot. morgen tot; /irret r j»/w/<7«ein» ein ma> 
(tleins — Priester und junge Hühner sind nie satt . folg 
si run rula. ra gilt ruti n/iiria - mit Kreide aufgeschrie- 
ben, geht mit Speichel aus ; hin » -anritt pinlga frhgamiera, 
grniiila hahrula , /mura nnmeula - viel Lärm, kleine 
Rahmkelle, grosses Getue, wenig Geld ; biziu hel*. rualuus 
t* t'a.iiunx ein fargtiutis, iti'tta i*n p**giui ei la madregna , 
tntgttarxa ei ta Ixtxatla, ina /larenlelta xtatwatla _ Pi- 
zokel, Malunaund Maiskiöse sind Geschwister. Ofenkuchen 
ist die Stiefmutter. Schmatzmus ist die l'rgrossmut- 
ter. eine verll ixte Verwandtschaft. — Engadinisch liniin- 
lereiigadinischer Forint : Imin xtragliä mrt /tarhi gut 
gestriegelt, halb gefüttert ; ein tai'lla a fiarai, taiilla >la 
sai — der Horcher an der Wand hört seine eigne Schand ; 
cAi Iiier rrula, IukI inrlitla .- wer viel weint, vergisst 
bald ; rliauu mal monla streit — ein stummer Hund 
beisst heftig ; rlii sin ttain, na 's im»tt, ehi sla mal, a* 
Iura . wer's gut hat, bewegt sich nicht, wer's schlecht 
hat, rührt sich : ein nun ha gialhnax, nun inangla ma~ 
fr/not — wer keine Hühner hat, braucht keine lluhner- 
stange ; giallina ehi ra per rha, o ch'rlla pirla o eh'rlla 
ha pirla - eine Henne, die im Haus herumgehl, pickt 
entweder auf oder hat aufgepickt; il» hau» eussaglx e las 
ehm eas :up/ias regnan da. ,, . die guten Räte und lahmen 
Ziegen kommen hinterher. 

•) Wrnl.auchdi« Sprachprobeo (Gleichai* vom verlornen Soba» 
im Abschnitt Italleaisob« Spreche ... 



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SCIIW 

Cur cha '.' '•('»» ais a cucrun, 
th ami* $un a nunitim, 
cur cha 7 rin xlnlira tu, 
schi atnix nn* i vr:<f /•-». 

— Ist das Wcinfass voll einmal, 
(übt es Freunde ohne Zahl, 
fleht zur Neige dann der Wein, 
Bleibt man ohne Kreund, allein. 

II pursuveran. 
Von A. Huonder. 

(Juri n min grepp, </"*-'« ei min cntpp, 
Cliru Isrhrulrl jru tu in pri. 
Arlmi hat jeu rii* da nun t>al>, 
Sai a nrgm mar»cl-ri. 

(Juri er min prau, ipiri min rlitiaii. 
(Juri tniu rrgn'HS r (Irrig, 
Sai a nrgm ;x rifun d'rngrmt, 
S>iiii chcn jrn mez il rrlg. 

IJuei nies afftmt, min ngicn tann, 
fhi in in cnr Diu sc/irnghrtg, 
Sutcritcfirl elt t un agtrn paun, 
EU •Ivi iuan tut hmii tetg. 

O lihra, lilirn pauprodal, 
Artatlti iln ine- n-gln, 
Drf'endrr ri run Utffindal, 
>cu poppn da nies rgl*. 

Ihr lilirr» tnntlrl jeti natchiti», 
HiiOMSt-irrt» ci ilormtr, 
E lihrrt snmirl »i rarschivx, 
E librrs ri morir. 

Der freie Hauer. 
Von A. Huonder. 

Da« ist mein Fels, das ist mein Stein, hierhin setz 
ich meinen Fuss, geerbt hab' ich euch von meinem Vater, 
»eis» niemand Dank dafür. 

Das ist meine Wiese, das meine Scheune, das mein 
ßcsiu und Recht, weiss niemand dafür Dank, hier bin 
ich selbst der König. 

Da« sind meine Kinder, mein eigen Blut, meines lieben 
<r<Hles Geschenk, ich nähre sie mit eignem Brot, sie 
schlafen unter meinem Dache. 

O freie, freie Armut, geerbt von meinen Vätern, ver- 
leidigen will ich dich mit Tapferkeit, wie meinen Aug- 
Ja. frei bin ich geboren, ruhig will ich schlafen, und 
frei bin ich aufgewachsen, und frei will ich sterben. 

i\. i'ttt-rhlirk ührniie l.iteralinyrsiliuhlf. I. Engadin. 
Zweifellos hat es in Graubünden schon romanische Volks- 
lieder aller Art gegeben, lange ehe die erhaltene rätoroma- 
nische Literatur beginnt. Das rege politische Leben, das 
im fiündnervolke nachdem Niedergang des Feudalwesens 
sich entwickelte, namentlich im 1."». Jahrhundert, mag 
schon damals auch Anlass zu politischen und patriotischen 
Liedern gegeben haben. So ist auch das erste uns erhal- 
tene Denkmal der rätoromanischen Literatur, das um- 
fangreiche Gedicht des Reformators Job. Travers über 
'len Müssork rieg (entstanden 1527, d. h. zwei Jahre nach 
dem krieg) die Antwort aur ein bergellisches Sohmäh- 
gedichl. Bald darauf begann Travers deutsche Dramen 
über biblische StofTe in s Engadinische zu übersetzen 
Joseph in Aegypten 1534, Joseph und Potiphar, Her 
verlorene Sohn), und Andere folgten ihm (ChampeU's 
Judith 1554: Stuppauns Zehn Alter; von Unbekannten: 
Her reiche Mann und der arme Lazarus. Susanna, Hiob, 
Hie drei Jünglinge im Feuerten. Hie Gehurt Christi etc.». 
Hie meisten Dramen sind in neuerer Zeit wieder auf- 
gefunden worden : gedruckt wurden damals keine, so 
**nig als der « Musserkrieg ». Diese Dramen zeigen eine 
urkraffige. oft derbe Sprache, teilweise auch poetisches 
Talent. Sie wurden wahrend des 16. und im Anfang des 
17. Jahrhunderts vielfach und unter grossem Aufwand 



SOHW 9:) 

und Zulauf aufgeführt, und ihr Besuch galt für ein Colt 
wohlgefälliges Werk, bis sie dann durch die strengen 
Anschauungen des 17. Jahrhunderts in Verruf kamen 
und den langweiligen « Singspielen » Platz machen muss- 
ten. Ausser den 1 raversischen Schriften ist aus der Zeit 
vor 1550 nur vereinzeltes Romanisches in Urkunden 
erhalten. 

Die Predigt war im Engadin gleich zu Beginn der 
Reformation rumänisch geworden und trug wesentlich 
zum Erwachen des Sprachgefühles bei. Die tiefe religiöse 
Bewegung der Geister verlangte nun nach religiöser Lek- 
türe in der eigenen Sprache und hat so den Anstoss zur 
Entstehung der romanischen Literatur im engeren Sinne 
Id. h. der gedrucktem gegeben. Ein Notar, Jakob Bitf- 
run von Saniaden, eröffnete 1552 die romanische Buch- 
lileratur mit seiner Fuornin oder Tarfla (Katechismus 
nebst Fibel I; I56Ü folgte seine Uebersetzung de* Neuen 
Testaments. Oun-h die»e Bücher wurde das Oberenga- 
dinische zu einer Schriftsprache mit ziemlich geregelter 
Orthographie (an welch' letzlerer später einige Aender- 
tingen vorgenommen wurden». Auf Biffrun's Neues Te- 
stament folgten 1562 die » Psalmen » von Cham pell, in 
unterengadinischer Sprache geschrieben. Kine Einigung 
auf Ober- oder Unterengadinisch als Schriftsprache fand 
nicht statt, auch in der Folgezeit hat sich das reich ent- 
wickelte religiöse Schrifttum des Engadinischen in die 
beiden Sprachformen geteilt. Die vollständige Bibelüber- 
setzung von 1679 ist unterengadinisch, die Gesangbucher 
wind teils unterengadinisch (l'hilutnela 1684). teils ober- 
engadinisch < Wiezel* Psalmen im 17.. Frizzonis Gesang- 
buch im 18. Jahrhundert). 

Nachdem durch Biffrun und Champell das Eis gebro- 
chen war. tral das Romanische auch in den Urkunden 
und Gemeindestattitcn immer mehr hervor; um 1680 
waren diese wohl fast durchweg romanisch. Das 17. und 
18. Jahrhundert hat ausser religiöser Literatur nur wenig 
hervorgebracht. Ein umfangreiches Gedicht über den 
Velllinerkrieg von Wietzel und die • Rätische Chronik » 
von Vulpius blieben ungedruckt, im Druck erschien 
daeegen 1742 die Chronica Rarlira von ä Porta. 

Hatte früher die religiöse Literatur durchaus dominiert, 
so begann nun im 19. Jahrhundert ein grosser Aufschwung 
der weltlichen Literatur. Die engadinische Poesie der 
neuern Zeit eröffnete 1845 Con nid in von Flugi mit seinen 
Alrhima» rinms rtntiaunsrhan, ihm folgte der form- 
gewandte Z. Pallioppi (der auch die Orthographie einer 
Neuregelung unterzog), der humoristische S. Carratsch. 
der sinnige und gefühlvolle Caderas. der echt volkstüm- 
liche Sandri und einige Andere. Novellen lieferte in 
neuerer Zeit namentlich G. Malhis. Dramen C. Bardola 
und F. Grond. Hie erste engadinische Zeitung entstand 
1843 iL Aurora il Engiadina\, ging aber nach einem Jahr 
wieder ein. 1852-54 erschien eine (iazclta d'lnngiadina, 
seit 1857 dann das noch jetzt bestehende Engl dEngia- 
diria (in neuerer Zeit mit einem Heiblatt: Dmnengia 
Saint, d. h. * Sonntag- Abend «1. Zeiten weise bestanden 
noch andere Zeitungen. 

II. Oberland. Von handschriftlicher Literatur aus 
dem 16 Jahrhundert scheint nichts vorhanden zu »ein. 
Die Buchlitcralur beginnt im Anfang des 17. Jahrhun- 
derts, ein halbes Jahrhunderl später als im Engadin. Der 
erste Druck ist ein reformierter Katechismus 1 nebst An- 
sUndsregeln eto von Honifazi. I-ehrer in Fürstenau, er- 
schienen 1601. Rieses Büchlein und zwei katholische 
Büchlein von Calvenzano tCurl Muftantent 1611. Hrrf 
Apnlogriica 16l2> sind im Domlesohgor Dialekt geschrie- 
ben, wie auch die AnaUnuia von Nanli 1618. eine Streit- 
schrift gegen Ster. Gabriel. Es schien also anfangs der 
Domleschger Dialekt zur Schriftsprache für das Rhein- 
gebiet werden zu wollen, doch schon 1612 gab Sief. Ga- 
briel, Pfarrer in Banz, sein Sulaz da picvrl giuvan (Kr- 
göl/.unc für junge Leute* in richtiger oberland ischer 
Sprache heraus, welch' letzterer nun sehr bald die Allein- 
herrschaft zufiel. Gabriel erhob im Suln: seine mächtige 
Stimme zur Verteidigung derneuen Lehre gegen Rom und 
Spanien. Es war dies die Zeit, alsdnrch die Anstrengungen 
der Gegenreformation das Verbleiben des Hundner Ober- 
landes bei der katholischen Beligion sich entschied 1 ausser 
Banz etc.). Hie Kapuziner und das Kloster Disentis wa- 
ren die Hauplkämpter auf katholischer Seite. Auf protes- 



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94 



SCHW 



SCHW 



tantischer Seite erschien noch vom Sohne Sief. Gabriels, 
Luzi Gabriel, eine Uebersetzung des Neuen Testaments 
1648 (1718 erst die vollständige Bibel) und 1665 von dem- 
selben der Chiet dils Grischunt (Hahn der Bündner), 
eine Sammlung von drei historisch-patriotischen Liedern. 
Doch die katholische Literatur überwog immer mehr. 
1665 gab der Kapuziner Zacharias a Salö seinen Spieghel 
ile devot iun und 1685 das Buch La glisch sin il canrielier 
envidada, d. h. das auf dem Kerzenstock angezündete Licht, 
heraus ; ex folgten mehrere Kirchengesanghücher (En- 
zactmtas canzuns spirilualas 1674, Consolaziun dell'olma 
devoziusn 1690 etc. und, immer anwachsend, eine Menge 
von katholischen Andacht«- und Erbauungsbüchern aller 
Art. Im Uberland wird sogar eine katholische und eine 
reformierte Varietät der Sprache unterschieden, doch 
handelt es sich nur um orthographische Dinge. 

Sehr verbreitet war im Oberland in Abschriften eine 
Anzahl von « Volksbuchern * wie die h. Genoveva, Bar- 
laam und Josaphat etc., sowie die Beschreibung einer 
Heise des Abtes Bundi nach Jerusalem. Von dramati- 
schen Aulrührungen sind zu erwähnen die Passionsspiele 
von Sonn ix und Lumbrein, die jedenfalls aus alter Zeit 
stammen, und die sog. Dertgiras nauschas, Aufführun- 
gen in Form eines Prozesses zwischen Junker Fastnacht 
und Frau Fastenzeit. In der 2. Hälfte des 18. und zu Be- 
ginn des 19. Jahrhunderts wurden eine Anzahl meist 
französischer Dramen ins Oberländische übersetzt, und 
zwar von Gaslelberg, Latour und A. Sie blieben jedoch 
ungedruckt. Als Sprache der Gemeindestatuten und Ur- 
kunden vermochte das Homanische im Oberland nicht so 
durchzudringen wie im Engadin. 

Das 19. Jahrhundert brachte schon in den politisch be- 
wegten 30er Jahren, also etwas früher als im Engadin, 
die Entstehung der oberländischen Zeitungsliteratur : 
1836-39 11 Grischun Romonsch , 1840-41 und dann wie- 
der von 1857 bis zur Gegenwart die noch bestehende kon- 
servative Gazetta Romotticha ; ausserdem bestanden zei- 
tenweise die liberalen Blätter // Amitg dil Pievel, La 
Ligia Grischa, II Patriot, 11 Sursilvan etc., neuestens ist 
// Grischun wieder erstanden. In der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts ervsachte auch die Poesie an den Ufern 
des Vorderrheins. Anfangs der sechziger Jahre entstan- 
den die kraftvoll gedrungenen Gedichte von A. Huonder 
// /wr suveran und A Trun tut igt isrhi, das erste viel- 
leicht die Perle der gesamten rätoromanischen Literatur 
(vergl. die Sprachproben); das zweite ist in Heims Melo- 
die zum Nationallied der Domänen geworden. Neben 
Huonder ist J. C. Muoth der originellste und bedeutendste 
Dichter des Oberlandes. Von ihm sind vor allem zu nen- 
nen die prächtige epische Dichtung // Cumin d'Ursera 
(Die Landsgemeinde im Urserenlhal) und einige Balladen 
und Idyllen . Alfons Tuor hat sich ebenfalls durch einige 
treffliche Gedichte, ferner durch dramatische Arbeiten 
(meist Uebersetzungen) hervorgetan. Von neueren ober- 
ländischen Dichtern erwähnen wir noch den sehr produk- 
tiven F. Camathias. Die volkstümliche Prosa-Erzählung 
wurde namentlich von J. A. nühler, A. Balletta und J. C. 
Muoth gepflegt, in neuester Zeit hat J. Nay einiges ganz 
vortreffliche geliefert (z.B La vacca pugniera, Tontda Ghi- 
schlatsrh). Die meisten neueren Gedichte und Erzählungen 
sind in den noch zu erwähnenden Annalas erschienen 

In den 60er und 70er Jahren versuchte J. A. Bühler 
mit einigen Gleichgesinnten eine Fusion, d. h. Ver- 
schmelzung der verschiedenen romanischen Dialekte in 
eine einheitliche Schriftsprache. Er verwendete diese 
künstlich hergestellte Sprache in der Zeilschrift 11 .Vi>- 
vellist, die jedoch nur zwei Jahrgänge erlebte, und in 
zahlreichen in den Annalas erschienenen Novellen. Das 
Interesse an den Fusionsbestrehungen erkaltete aber bald, 
da dieses « Konfusion* » - Homanisch Niemandem recht 
munden wollte. In neuester Zeit ist das entgegengesetzte 
Prinzip, der Individualismus, sogar soweit durchgedrun- 
dass vier Sprachen, nämlich Oberländiach. Ober- 
bsteinisch. Ober- und Unterengadinisch. alle ihre 
eigenen Schulbücher erhielten. 

bin Wort noch über Sammlung und Herausgabe von 
alter Literatur und Folklore. Den Anfang machte A. v. 
Flugi mit den Volksliedern des Engadin» (1873), den 
Zut-i historischen Gedichten (1865) und vielen Zeitschrift- 
AufsaUen. Die grössten Verdienste aber hat C. Decurtins. 



I Das Resultat seines unermüdlichen jahrzehntelangen 
Sammelfleisses liegt vor in seiner hät<nr<mianiscneit 
Chrestonitstlsse, wovon erschienen sind : Hand 1 : Sur- 
selvisch, Subselvisch (Buchlileratur etc.). Band II : Sur- 
selvisch. Subselvisch (mündliche Literatur: Märchen. 
Novellen, Sagen, Sprichwörter, l^ndwirtschaftsregeln. 
Bätsei, Kinderlieder, Kinderspiele, Volksbräuche, Sprü- 
che. Zaubersprüche, Volkslieder. Aberglaube). Band III : 
die Melodien zu den Volksliedern. Band V: Engadin, 
16. Jahrh.. Band VI : Engadin. 17. Jahrh., Band VII : En- 
gadin, 18. Jahrh.; Band VIII: Engadin, 19. Jahrh. Auch 
A. Vital hat eine verdienstliche Sammlung engadinischer 
Volkslieder, Kinderreime. Bauernregeln. Sprichwörter etc. 
herausgegeben (in den Annalas XII-XIV, XVII). J. Ulrich 
in Zürich hat sich durch eine Chrestomathie mit Anmer- 

j kungen und Glossar (I: Oberländisch; II. Engadinisch. 
— Halle 1882 f.) und durch Herausgabe vieler meist alt— 
oberengadinischer Teite, gewöhnlich mit Glossar, ver- 
dient gemacht. Mitte der 80er Jahre entstand die Sttcietad 
Retorotnanscha, die seit 1886 jährlich einen Band Anna- 

| las herausgibt. In diesen bisher 21 Bänden ist auch viel 
altes Sprachmaterial publiziert, uberwiegend jedoch neue 
literarische Produktion, auch historische und sprachwis- 
senschaftliche Arbeiten. Dasselbe gilt von dem von Decur- 
tins seit 1897 jährlich herausgegebenen Ischi (d.h. Ahorn). 

| dem Organ des oberländischen Vereins Ronianta. In 

I jüngster Zeit hat die So<'ietad Retoromanscha mit kan- 
tonaler und Bundes-Subvention die Arbeiten zur Samm- 
lung und Herausgahe des rätoromanischen Idiotikons in 
Aug n i! nehmen lassen. 

Bibliographie. Hauptdarstellung ist C. Decurtins' Ge- 
schichte der rälin-omanischen Literatur (1901. in Grö- 
ber's Grundrist der rontan. Philologie. Band II, 3. Ab- 
teilung, S. 218-261). — Ferner F. Itausch : Geschichte 
der Literatur des rätonmian. Volkes (1870). — M. Car- 
not: Im Lande der Rätoromanen (1898). — A. Mohr: Sur- 
rista della litteratura ladina (Annalas. XVI 13-152). — 
E. Böhmer : Rätoromanische Rihliographie (in Böh- 
mer 8 Rotnan. Studieti. lieft XX und XXI, 1883 und 
1885 ; berücksichtigt auch das tirolische und friaulische 
Homanisch). [r p.l 

E. GEISTIGE KULTUR. Die kleine Schweiz darf sich 
rühmen, im geistigen Leben der europäischen Völker 
eine sehr grosse Rolle gespielt zu haben und noch zu spie- 
len. Seine öffentlichen Unterrichtsanstalten. Bibliotheken 
und Museen, seine Zeitungen und Zeitschriften, seine 
Schriftsteller, Künstler und Gelehrten haben unserm 
Ijind eine um so bemerkenswerten« Stellung in der Welt 
erobert, als sich diesen Bestrebungen die politische De- 
zentralisation, sowie die Unterschiede in Rasse, Sprache 
und Konfession hindernd in den Weg zu stellen schienen. 

1. SCHULWESEN. Volksschulen bestanden vor der Re- 
formation meist nur in den Städten und fanden auf dem 

| l^i ml bis zu Ende des 18. Jahrhunderts bloss in wenigen 
Kantonen i Zürich, itasei etc.) Eingang. Eigene Schulhau- 
se r waren selten ; in den l-andgemeinden wirkten in der 
Regel Wanderlehrer. Ein Zürcher Gesetz von 1719 organi- 

i sierte oder reorganisierte vielmehr den Primarunterncht 

. in diesem eidgenössischen Stand. Ein allgemeiner Fort- 
schritt mit Bezug auf das Volksschulwesen lässt sich aber 
erst zur Zeit der helvetischen Republik feststellen. Weder 
die Mediationsakte noch der Bundesvertrag, von 1815 be- 
rücksichtigten das Unterrichtswesen, das ausschliesslich 
der Kompetenz der einzelnen Kantone überlassen blieb. 
Dasgleiciiegiltauchvonden Verfassungsprojekten von 1832 
und IS33. Die Verfassung von 1848 enthielt in ihrem Ar- 
tikel 28 bloss folgende Bestimmung : • Dem Bund steht 
das Hecht zu, eine schweizerische Universität und eine 
polytechnische Schule zu errichten. » Der Artikel 27 der 
Bundesverfassung von 1874 überlässtzwar das Schulwesen 
der Souveränetäl der Kantone, stellt aber das Prinzip der 
obligatorischen, unentgeltlichen und konfessionslosen 
Volksschule auf. Ein vom Schweizervolk am 23. November 
1902 angenommener Art. 27 1 "' bestätigte den Grundsatz 
der Unterstützung der Volksschule durch den Bund (vergl. 
das Ausfuhrungseeselz vom 25. Juni 1903. das die Vertei- 
lung der jährlich mehr als 2 Millionen Fr. betragenden 
Unterstützungen regelt). Der jetzige Stand des Unlerrichts- 
wesens auf der Volksschulstufe lässt sich in Kürze folgen- 
dermassen zusammenfassen : Ende 1905 bestanden in der 



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Schweiz 887 Kleinkinderschulen mit 1037 Lehrerinnen 
'Kindergärtnerinnen) und 19001 Schülern: zur gleichen 
Zeit hatten wir (abgesehen von den in mehreren Kanto- 
nen ziemlich zahlreich vorhandenen Privalschulen) 4302 
Primarschulen mit einem Lehrkörper von 6990 Lehrern 
und 4193 Lehrerinnen Tür 502211 Schuler, sowie 609 Se- 
kundärschulen mit einem Lehrkörper von 1545 Lehrern 
und 249 Lehrerinnen für 46 904 Schüler. Die — stets an- 
wachsenden — Ausgaben der Kantone und Gemeinden 
heliefen sich im Jahr 1U05 auf eine Gesamtsumme von 
60558624 Fr., in welcher die Bundessubventionen — für 
da» gewerbliche, landwirtschaftliche und kommerzielle 
Kildungswescn, sowie für die Primarschule (2084168 Fr.) 
— nicht mit inbegriffen sind. 

Die Mittel- und Hochschulbildung datiert in der deut- 
schen wir in der französischen Schweiz (in Zürich, BaBel, 
Genf, Lausanne) in der Hauptsache aus der Zeit der Re- 
formation, trotzdem sie auch von der katholischen Kirche 
nicht völlig vernachlässigt wurde. Die unter den Au- 
spizien von Pestalozzi 1808 gegründete und bis 1812 tä- 
tige schweizerische Gesellschalt für Erziehung, sowie die 
l«10 durch den zürcherischen Stadtarzt Job. Kasp. Hirzel 
gestiftete schweizer. Gemeinnützige Gesellschaft nahmen 
«ich des Volks- und Miltelsrhulwcsens kräftig an. Heute 
besitzen alle unsere Städte von auch nur etwelcher Be- 
deutung und dazu noch die Mehrzahl der grossen I 'ürfer 
entweder ihr Gymnasium, Progymnasium etc., oder doch 
tum mindesten ihre Sekundärschule. Auf das Hochschul- > 
Studium bereiteten im Jahr 1905 35 Mittelschulanstalten ' 
mit zusammen mehr als 12000 Schülern vor. Ebenfalls 
1905 zählten die 30 öffentlichen Lehrerseminarien zu- 
sammen 2198 Schüler (1447 künftige Lehrer und 751 
künftige Lehrerinnen); dazu kamen noch 13 Privatse- 
minarien mit 602 Zöglingen. 

Während der letztvergangenen zwanzig bisdreissig Jahre 
haben wir einen beträchtlichen Aufschwung der Spezial- 
schulen festzustellen. Der Volksschule ist die Berufs- 
«rhule angegliedert worden, was in einer Zeit wie der 
unsrigen keineswegs überraschen kann. Wenn wir die 
landwirtschaftlichen Winterschulen und die Molkcrei- 
schuien beiseite lassen, zählen wir im Ganzen nicht weni- 
ger als 10 landwirtschaftliche Jahresschulen mit theoreti- 
schem und praktischem l'nterricht, denen der Bund einen 
jährlichen Beitrag von mehr als 1200TJ0 Fr. gewährt. An- 
derseits sind an «len verschiedensten Orlen blühende Han- 
dels- und Verkehrsschulen errichtet worden, deren wir im 
Jahr 1903 20 zählten mit zusammen 2412 Schülern und 
einem Budget von nahezu einer Million Fr. (Bundesbei- 
trag: 274664 Fr.). Der schweizerische Kaufmännische 
Verein hat ausserdem noch in allen Industrie- und Han- 
delszentren kaufmännische Fortbildungsschulen einge- 
richtet. Die Ausgaben des Bundes, der Kantone. Ge- 
meinden und beteiligten Gesellschaften und Vereine für 
das Berufsschulwesen hatten 1884 noch 43823 Fr. be- 
tragen und waren 1902 schon auf die Summe von 
3 547 241 Fr. angestiegen, wie auch im gleichen Zeitraum 
dir Zahl der beruflichen Schulanstalten von 43 auf 298 an- 
gewachsen war. In diesen Zahlen sind die Berufs- und 
llau*haltungs*chtilen für das weibliche Geschlecht nicht 
m. [inbegriffen, die 1902 auf 214 mit einem Gesamtbudget 
\on nahezu einer Million Fr. angestiegen waren. 

Nicht weniger erfreulich zeigt sich die Statistik des 
Hoehsrhulunterrichtes. Die Schweiz zählt sechs l'niver- 
«itäten: Basel (1459 gestiftet), Zürich (1833). Bern (1834), 
Genf (die 1550 gestiftete Calvin'sche Akademie 1874 zur 
Universität erweitert), Lausanne (Akademie von 1537 bis 
1890) und Freiburg (1889), welch' letztere gleich der 1839 
gegründeten Akademie Neuenbürg bis heute noch keine 
medizinische Fakultät hat. Die auf Grund des Artikels 22 
der Verfassung von 1848 errichtete und 1855 eröffnete 
Kidgenösssische polytechnische Schule (Eidgenössisches 
Polytechnikum) zähfte im Schuljahr 1906/07 126« Studie- 
rende gegen 720 im Jahr 1893 und 413 im Jahr 18X3. 
Nach einer in der Acndeniia vom 22. Februar 1907 
veröffentlichten ■ Frequenz-Statistik der schweizerischen 
Hochschulen » betrug im Winter-Semester 1906;07 die 
Gesamtfrequenz der sechs schweizerischen Universitä- 
ten, der Akademie Neuenburg und des Polytechnikums 
7667 Studierende plus 2669 Auditoren = 10336 Personen. 
Davon entfielen auf die Universitäten Zürich 1339, Hern 



1626, Basel 580, Freiburg 469, Lausanne 1066 und Gent 
1201, sowie auf die Akademie -Neuenburg 120- imma- 
trikulierte Studierende. Von den 7667 immatrikulierten 
Studenten sind 3382 Schweizer und 4285 Ausländer. Es 
sind also bei uns die Ausländer stark vertreten Zu gleicher 
Zeit hat sich auch das weibliche Element sehr vermehrt, 
indem die Zahl der weiblichen Studierenden an sämt- 
lichen schweizerischen Hochschulen im Wintersemes- 
ter 1906/07 sich auf 1812 belief. Man hat daran gedacht, 
Massregeln zur Bekämpfung der Ueberflutung unserer 
Universitäten durch die Ausländer, namentlich Bussen zu 
ergreifen, doch ist man bis jetzt einzig dahin gelangt, et- 
was strengere Immatrikulationsbedingungen aufzustellen. 

2. Bibliotheken vsd Ml' SEEN. Wir besitzen in der 
Schweiz einige der ältesten Bibliotheken von ganz Europa, 
indem die Stiflsbibliothek von St. Gallen bis ins 9. und 
diejenige von Einsiedeln ins 10. Jahrhundert zurück- 
reicht. Bibliotheken sind in allen Städten des Landes vor- 
handen. Mehrere dieser Büchersammlungen umfassen 
an die Iuhkxi und mehr Bände, welche Zahl von der 
Stadthililiothek Zürich noch um mehr als daB Doppelte 
ühertroffen wird. Die wichtigsten Bibliotheken befinden 
sich in Zürich, Basel, Genf. Bern, Luzern, Neuenbürg und 
Lausanne. Die Bürgcrbibliothek Luzern ist besonders reich 
an Helvelicis. d. h. an die Schweiz betreffender Literatur. 
Durch Bundesbeschluss von 1894 ist in Bern eine schwei- 
zerische Landesbibliolhek gegründet worden, deren Haupt- 
aufgabe in der Sammlung von Helvelicis aus der Zeit nach 
1848 besteht, während die Sammlung der Helvetica vor 
1848 der eben genannten Bürgerbibliolhek Luzern ob- 
liegt. Die Landesbibliolhek veröffentlicht seit 1901 ein 

reriodisch erscheinendes Bibliographisches Bul- 
etin.das die gesamte hei ihr eingehende Literatur ver- 
zeichnet und ein ziemlich vollständiges Bild von der 
gegenwärtigen literarischen Produktion der Schweiz zu 
vermitteln vermag. Neben all diesen Bibliotheken, die 
mehr wissenschaftlichen Zwecken dienen, bestehen in 
der Schweiz noch mehrere Tausend Volksbibliotheken, 
von denen wir die öffentliche Bibliothek der Pestalozzi- 
gesellschaft in Zürich besonders hervorheben. 

Nicht weniger zahlreich als die Bibliotheken sind bei 
uns auch die Museen vorhanden : historische, naturhisto- 
rische, Gewerbe- und Kunstmuseen etc. Das Schweizerische 
tandesmuseum in Zürich ist am 25. Juni 1898 eingeweiht 
worden ; seine reichen Sammlungen bieten ein getreues 
und vollständiges Bild vom schweizerischen Leben im 
Laufe der Zeiten. Die wissenschaftliche Pflege der Ver- 
gangenheit und ihrer Denkmäler hat nicht nur die 
Gründung von Gesellschaften, wie z. B. der schweizeri- 
schen Geschichlsforschenden Geselsrhaft, derGesellsc haft 
zur Erhaltung historischer Kunstdenkmal er in der 
Schweiz, der Vereinigung für Heinialsehutzele. zur Folge 
gehabt, sondern auch eine auf die gleichen Ziele hin stre- 
bende gesetzgeberische Bewegung veranlasst, die mit 
dem VN aadtländer Gesetz vom 18. September 1898 ihren 
Anfang nahm. Zur Zeit bestehen 25 historische und anti- 
quarische Vereine mit periodischen Veröffentlichungen. 
Speziell zu erwähnen sind auch noch die schweizerischen 
Kunstmuseen : Musee Bath in Genf, Musee Arlaud in 
Lausanne, Basler Museum (mit Gemälden von llolbein 
und Böcklin), Musee des Beaux Arts in Neuenburg (Ge- 
mälde von Leopold Bobert und Glevrc) etc. Historische 
Museen sind in den verschiedensten Kantonen vorhanden; 
als das bedeutendste unter ihnen niuss wiederum das 
Schweizerische Landesmnseum in Zürichgenannt werden. 

3. Bildende Ki nste. Wir übergehen hier die Entwick- 
lung der schweizerischen Kunst in den älteren Zeiten und 
beschranken uns auf einige Angaben über das 19. Jehr- 
den. Genf veranstaltete im Jahr 1789 eine erstmalige 
Gemäldeausstellung. Von Genfer Künstlern sind als die 
bedeutendsten zu nennen : der Porträtmaler Liotard, der 
Historienmaler J. P. Sainl-Ours (1752-18119), Adam Töpf- 
fer. der Vater des Novellisten Bodolphe Töpffcr, der 
ausgezeichnete Tiermaler J. L. Agnsxe (1767-1849). Pro- 
fessor B. Menn. Lugardon. Joseph Hornung. sowie die 
Landschafter Francois Didav (18tr2-1877) und Alexander 
Cal.ime. welch' letzterer, obwohl Neuenburger von Ge- 
burt, fast sein ganzes Leben lang in Genf wohnte. In 
Neuenbürg treffen wir ganze Malerfamilien. wie 
die de Meuron, Bobert. Berthoud. Girardet. Maximi- 



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Man und Albert de Meuron wann Schüler von Calame 
und Didav, Charles Girardet zeichnete »ich als feiner 
Landschafter aus. und Edouard Girardet gilt als der 
geistreiche Darsteller des bürgerlichen Lebens. Es ge- 
nügt an dieser Stelle, auf Leopold Robert und seinen 
Bruder Aurele Robert, den Kirchenmaler. hinzuweisen. 
Wir wollen auch die beiden Landschafter Leon Berthoud 
und Auguste Derthoud. sowie Auguste Rachelin, den 
Maler de« deutsch- französischen Krieges. nicht ver- 
gessen. Im Kanton Wandt steht an erster Stelle 
Charles Clevre (18iHM87it, dessen Cemälde illl 
dues, Muri, Herkules und Omuhale) ebenso sinnig und 
harmoniös wie diejenigen von Leopold Robert empfind- 
sam und melancholisch sind. Einen andern \Vaadtlän<ler. 
Alf. Van Minden ( 1818- l8ttK,i. hat man *vn Leofmlil Hattert 
detendu et eujuue ►> genannt. Ferner bleibt noch Emil 
David, der Maler der Mittelmeerküslen. zu erwähnen. 
Von lebenden Malern können wir etwa Burnand, Ciron. 
I*. Robert. Rodler etc. nennen, doch ist es klug, i» dieser 
Beziehung etwas zurückhaltend zu sein, da unsere natio- 
nale Kunst zur Zeit mehr Temperamente und Talente 
hervorbringt, als wirkliche Inspiration oder eine alles 
beherrschende Idee aufweist. Von Bildhauern wollen wir 
wenigstens die Herzogin Colonna. geb. d'Atl'ry (Marcello; 
I8MM8KI). die ihre Sammlungen ihrer Vaterstadt Frei- 
burg vergabt hat, und Charles Iguel. einen hervorragen- 
den Schüler von Rüde erwähnen. 

Die italienische Schweiz hat uns hervorragende Bau- 
meister und Architekten (Simone Cantoni, l.uigi Canonica 
etc.). einige Maler (Ragutli. Ciseri elc.t und den grossen 
Bildhauer Vinecnzo Vela < 18"2»H891 1 geschenkt, dessen 
Sjmrtwu*, Sterbender Sttfioleon und Verzwiflung voll- 
kommene Meisterwerke sind. 

Die bekanntesten Maler der dmttrlteii Svlneeiz waren 
im Hl. Jahrhundert J. II. Füssli, der Historienmaler L. Vo- 
gel, der durch seine Fresken in der Teilskapelle volkstüm- 
lich gewordene Ernst Stuckelberg. Aug. Weckesser, der 
Tiermaler Hildulf Koller, der berühmte Arnold Rocklin, 
der durch seine künstlerische Ausbildung der deutschen 
Schule zuzurechnende Benjamin Vaulier, der im jugend- 
lichen Alter von bloss IJO Jahren gestorbene Karl Stauller. 
Ihnen reiht sich der immer noch rüstige Alberl Anker an. 
der selbst in dieser kurzen Liste nicht tibergangen wer- 
den darf. 

Die 18SK> erfolgte grossherzige Schenkung von Frau 
Welti-Escher erlaubte die Errichtung der Gottfried 
Keller-Stiftung, die den Behörden die Mittel an Rand ge- 
geben hat. die vaterländische Kunst zu untei-stulzen und 
aufzumuntern. 

i. Musik. Mit Ausnahme der sowohl in der katholi- 
schen wie in der reformierten Schweiz erfolgreich kul- 
tivierten religiösen Musik, hat die Musik in unserm 
Land vordem 15*. Jahrhundert beinahe keine Geschichte. 
Im neunten und zehnten Jahrhunderl bildete die Sän- 
gerschule des Klosters St. Gallen » inen blühenden Mit- 
telpunkt des katholischen Kirchengesangs (Notker Bal- 
biifus, Tutiloi. Di der /eil des Rumanismus schein die 
Tonkunst in der Eidgenossenschaft einen grossen Auf- 
schwung nehmen zu wollen: die schweizerischen Huma- 
nisten waren, mit dem bedeutenden Musiklheoretiker 
Clarean an der Spitze sämtlich begeisterte Verehrer der 
Musik (Zwiiigli. Vadian. Atnerbach». und der gnisste 
deutsche l.iedkompoiiist des Iß. Jahrhunderts. Ludwig 
Send, wurde in der Schweiz (in Zürich oder in Basel) ge- 
boren. Der musikfeindliche Zug der schweizerischen De- 
formation ertötete aber die verheissungsvollen Triebe; 
ein neuer Keim zur Musikplh-gc wurde in der deutschen 
Schweiz eingesetzt durch die Einführung der vierstimmi- 
gen CoudimeUchen l'salmen in die Kirche am Anfang 
des 17. Jahrhunderts. Zur 1'ebung dieser bildeten sich die 
t'.vllrgia Miisun (Zürich 161 IL St. Gallen RV2Ü. Winter- 
thtir Hi'JX etc.), die zu vornehmen eigentlichen Vokal- 

I Irislniineiitalniusikgesellschaften wurden und aus 

denen im 19. Jahrhundert die Institution der orchestra- 
len Abonnementskonzerte herauswuchs. In der katho- 
lischen Schweiz bildeten namentlich die Kloster her- 
vorragende l'flegeställen der Musik i Einsiedeln , Kn- 
gelbergi. Von Bedeutung für die Entwicklung der 
InslriimenUlmusik in I». Jahrhundert waren die in der 
deutschen und in der romanischen Schweiz abgehaltenen 



Feste der 1808 zu Luzern gegründeten schweizerischen 
Musikgesellschafl. Die volkstümliche Musik verdankt den 
grossen Aufschwung, dessen sie sich in der Schweiz erfreut 
hat und noch erfreut, in erster Linie dem Zürcher Hans 
Georg Nägeli, der 1790 die erste Musikhandlung und 
später in Zürich den ersten Volksgesangverein gründete, 
sowie selbst auch frische und reizende Melodien schuf. 
Was Nägeli für Zürich, das war für Luzern Xaver 
Schnyder von Wartensee. 1856' veranstalteten die Basler 
zur Erinnerung an die lUijährige Wiederkehr des Ge- 
burtstages von Mozart ein Fest, das des grossen Meisters 
würdig war. Bald lenkten auch die verschiedenen Lieder- 
I Inf ein und Cneitiencereitw unserer grossem Sladte den 
Geschmack des Publikums mehr und mehr der Musik 
zu. Die cidgenotwi&chcn Sängerfeste werden seit dem 
Jahr 1K46 gefeiert. Eine ganze Reihe von schweize- 
rischen Musikern und Komponisten sind sehr ehrenvoll 
bekannt : der « Sängervater » J. R. Weber, der Komponist 
des Sefiiretzeriixulnts Alberich Zwyssig. Wilhelm Baum- 
gartner, der das Gottfried Keller'sche (' mein Heimat- 
Jiiiiil so wunderbar vertont hat u. A. Auch unter unsern 
Zeitgenossen linden wir in der deutschen wie der wel- 
schen Schweiz eine schone Anz-ahl von hervorragenden 
Komponisten, deren aus der Volksseele geschöpften 
Werke von wirklich vaterländischer Gesinnung getragen 
sind. Wir wollen noch daran erinnern, das« sich in den 
französischen Kantonen das musikalische Leben ziemlich 
langsam entwickelte, indem die Sociele de musitjue in 
Genf erst 1824 entstand und Komponisten bis zum Ende 
des 19. Jahrhunderts nur in kleiner Anzahl auftraten 
(Franz (»rast, Louis Niedermeyer, Hugo de Senger etc. I. 
Zu bemerken bleibt, dass der St. Galler Ferdinand Huber 
unter den schweizerischen Liederkomponisten derjenige 
ist. der die nationale Eigenart in der Musik am stärksten 
zum Ausdruck gebracht hat. Er hat in seinen besten Lie- 
dern den charakteristischen Ton des Aelplergesanges echt 
erfassl und poelisch vertieft [Der llenitjätjer. Per lulig. 
Luetjit vo Berg und Thal). Friedrich llegar führte die 
Ballade neu in die Männcrchorkoinposilion ein und hat 
mit seinen packenden Tongemaldcn Totemulk, Schlaf- 
winulet) über die Grenzen unseres tande* hinaus bedeu- 
tende Autvglingen gegeben und auf die sonst vielfach 
seichte Produktion vertiefend gewirkt. Die zeitgenossi- 
schen Tonkünstler gründeten U WO den Verein schuvizer- 
ischer Timkitimtter. der in j dirlichen Festen die Werke 
lebender Komponisten zur Aiilluhrung bringt. — Musik- 
schulen zur Heranbildung von tüchtigen jungen Kräften 
bestehen in Zurich. Basel. Genf etc. Der rniversiiäts- 
bibliothek Itasei ist die reichhaltige schweizerische Mu- 
sikbibliothek angegliedet. 

Man hat behauptet, dassdie patriotische Kantate eine der 
für die Schweiz bezeichnendsten musikalischen Aeusserun- 
gen gewesensei. Nun ist aber die Kantate der direkte Vor- 
gänger der « Festspiele», die sich zu einem unentbehrlichen 
liestandteil aller unserer vaterländischen Feste entwickelt 
haben. Während die Reformation der dramatischen Kunst 
in der Schweiz nur wenig Vorschub leistete, behauptete 
diese in den katholischen Kantonen, in Luzern wie im 
Wallis, in l.'rt wie in Solothurn oder in Graubünden, 
ihre Stellung in der Volksgiinst. Auch in der franzosi- 
schen Schweiz zeugte die Volkstümlichkeit des Winzer- 
festes in Vevey für die fortdauernde Beliebtheit der 
szenischen Darstellungen. Die grossen historischen Fest- 
spiele bilden eine Phase in der Entwicklung unserer 
Gedenkfeiern mit ihren l tnzugen und Kantaten. Sie 
stellen in der Mitte zwischen dem Drama und der Oper, 
indem sie Cesangspartien und daneben auch reine 
Deklamationspartieu enthalten ; sie erfordern die Aur- 
führung unter freiem Himmel. Massenbewegungen, 
mächtig besetzte Chore und einen grossen Aufwand au 
Koslumen und Dekorationen. Wir erinnern uns alle 
noch der prächtigen Festspiele von Bein. Sempach. 
Schwyz. Chur 'Calvenfeier:. Neuenburg, Solothurn 
iSrhlaclilfeier von Dörnach |. Appenzell. Lausanne, und 
es erscheint wahrscheinlich, dass noch manche andere 
folgen werden, da diese Festspiele den Ungeheuern Vor- 
teil bieten, dass sie ein ganzes Volk zur Verherrlichung 
seiner Vergangenheit begeistern können. 

."» fresse und Itnchhundel. Seit dem Mercure Suisxe 
1 163.1 von Fmleric Spanheim oder demjenigen von 



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L. BourgueM 1731), sowie seil dem Juni 'ntil hetcrtinite 
■der den h'.trentiex heheliennex des Dekane Hridel 
uiVn sich in der Schwei* Zeitungen und Zeitschriften 
derart vermehrt, das* heute deren mehr als tausend 
bestehen, von denen etwa hundert laglich erscheinen. 
Hinge unserer Zeitungen hahen des erste Jahrhunderl 
ihrw Bestehens bereits überschritten, so die Zürcher 
Freita gMze itung (gegründet 1685), das Junriud d'Ycer- 
tun tl773i und Journal de Genive (1789; mit Inter- 
brechungen), die Neue Zürcher Zeitung < 17Mi> und 
Cnzettr ile Lausanne < 171*8 1. Leber hundert Jahre alt 
nt auch die aus 1796 datierende Zeitschrift Hihliothegue 
w$\itteteUt, 

Die Pressfreiheit, die schon durch die Verfassung der 
helvetischen Itepuhhk von 17118 gewahrleistet war. dann 
eingeschränkt und nachher von Neuem bestätigt wurde, 
bildet heute ein Prinzip unseres konstitutionellen Hech- 
te*. Sie hat natürlich die Vermehrung der schvveizeri- 
-<hen Zeitungen und übrigen periodischen Literatur be- 
pinstigt. Nicht weniger haben dazu aber auch die demo- 
kratischen Einrichtungen des Landes beigetragen, die es 
ier ■ vierten Grossmacht ». wie man die Presse im Scherz 
oft zu nennen pllegt. erlaubten, sich zeitweise als Meister 
■br ortentlicbcn Meinung zu fühlen. 

In der deutschen Schweiz galt /.u Heginn des 19. Jahr- 
hunderts der von Paul l'steri und Konrad Escher (von 
der I.tnthl herausgegebene Sehweheritche Hepuhtikaner 
als das Musler einer gut redigierten Zeitung, wie es für 
die französische Schweiz die Gazette de Lautanne des 
Dt. Mievdle war. Ihren guten Buf und ihre anerkannte 
Khrenhaftigkeit verdankt die schweizerische Presse einer 
.ariien Anzahl von führenden Organen früherer Jahre 
und der Jetztzeit. Wir nennen bloss den Schweizerltoten 

n Zsehokke. den Xourelliate vnudois von Ch. Mon- 
turd. die H.äetie von Stockmar. das Journal de tieneve. 
I e Herner Zeitunq. Thurgauer Zeitung, Xeue Zürcher 
fyitung. Zürn her f'ost. den Winterthurer Landhoten, den 
Hm,,!, die Höxter Xachrichlen, das Luzerner Vaterland, 
•lie Revue von Lausanne, die Gazette de Lausanne, den 
VtfiuH«/ Suisse von La Chaux de Fonds. Einige dieser 
/«•Hungen sin«! heute eingegangen, haben I mwandlun- 
^■n erlitten oder selbst ihre Parleifarbe gewechselt. An 
Konkurrenten hat es ihnen nicht gefehlt, bestehen doch 
noch eine Menge von lokalen Zeitungen politischer, neu- 
traler oder auch rein geschäftlicher Tendenz. 

Zeitschriften jeden Formates, und jedes Wissenszweiges 
Miid in Fülle vorhanden. Wir können nicht daran den- 
ken, sie an dieser Stelle aufzuzählen. Wahrend die 
•L utsche Schweiz noch auf der Suche nach einem oder 
mehreren führend. >n literarischen Organen ist — die 
l*»l gegründete Schui'izerische Hundnehau ist nach we- 
nden Jahren wieder eingegangen ; Die Schweiz ist eine 
illustrierte Halbmonatsschrift nach der Art der west- 
schweizerischen Palrie Suisse ; die Hemer Hundnehau 
U-tiiidet sich noch in den Anfangen — . besitzt die wel- 
che Schweiz die BibÜOthii/ue I nivernelle unil die Se- 
maku titteraire, die beide mehrere tausend Abonnenten 
«Wen. Einer Arbeit von E. Höthlisberger. des Sekretärs 
<!••* internationalen Amtes fnr geistiges Eigentum in 
llern. entnehmen wir folgende Angaben : Die schwei- 
zerische Press«» ist im Verhältnis zur Bevölkerungsziffer 
'J'e am stärksten verbreitete idie Presse der Vereinigten 
Mjüien von Nordamerika ausgenommen). Sie hat sich 
-■hr rasch entwickelt, namentlich während der zweiten 
Hilft* des 19 Jahrhunderts. So zahlte sie im Jahr 1856 
1 m h 256 Organe. 1871 deren 404. 1885 deren 643, 1891 
'leren 812 und 1902 deren 10U5 Es dürfte wohl nur we- 
nige Lander von der Grosse unserer Schweiz geben, die 
*ie sie volle 95 sechsmal und mehr in der Woche er- 
«cheinende Zeitungen besitzen. Zwei Drittel aller Zei- 
tungen und Zeitschriften erscheinen in deutscher. 30% 
'n französischer und 2,8 % in italienischer Sprache Das 
französische Element zeigt sich auf diesem Gebiet am 
^"ten tatig. indem die welsche Schweiz reicher an Zei- 
tungen ist als die übrigen Landesteile. Mit Hezug auf die 
IMMUiiche Verbreitung der Zeitungen steht die Schweiz, 
m der Spitze aller Staaten, insofern man nämlich die 
\ntahl der expedierten Exemplare {1895: 89 Millionen. 
I»»: 124« , Mill.. wovon Mi Mill. einheimischer Her- 
kauft) mit der Hevolkerungszilfer vergleicht. 



SC UVV «17 

Schriftsteller und Journalisten haben sich zu einem 
i Verein der Schweizer Presse » <2U0 Mitglieder) zusam- 
mengclan, in welchem tüchtig gearbeitet wird. Auch die 
Verleger haben zwei Vereinigungen, eine in der franzo- 
sischen und die andere in der deutschen Schweiz. 

Die Schweiz produziert aber nicht bloss eine rela- 
tiv grosse Anzahl von literarischen Veröffentlichungen, 
von denen sie einen Teil ins Ausland ausführt, sondern 
konsumiert auch in starkem Masse die geistigen 
Produkte i speziell wissenschaftliche Werke) des Auslan- 
des, im besondern Deutschlands und Frankreichs. Wäh- 
rend der Jahre 1X95 bis 1898 erreichte die Einfuhr von 
Huchem und Karten eine durchschnittliche jährliche 
Summe von 8 Millionen Fr., die Ausfuhr eine solche von 2,9 
Mill. Fr. Im Jahr 1899 wurden in der Schweiz einge- 
führt für 8.5 Mill. Fr. Bücher und Karten laus Deutsch- 
land für 4.9 und aus Frankreich für 3 Mill i. für 410 000 
Fr. musikalische Kompositionen, sowie für 2.3 Mill. 
Fr. Gemälde. Zeichnungen. Lithographien und Photo- 
graphien, während die Schweiz nach einer grossen An- 
zahl von Ländern für 3.4 Mill. Fr. Bücher und Karlen 
(nach Deutschland für 2,1 Mill.) und Tur 2.5 Mill Fr. 
Gemälde etc. ausgeführt hat. Diese letztere Summe uber- 
steigt sogar diejenige der Einfuhr. 

6. Litkbati'Ii. o) Deutsche Schweiz. Sehr vollständige 
Auskünfte und Nachweise findet man in Prof. Haechtold s 
tieschichte der deutschen Literatur in der Schweiz (1892). 
so dass an dieser Stelle einige wenige Angaben genügen 
mögen. Der Einlluss des Klosters St. Gallen auf das 
geistige Leben des Mittelalters ist bekannt. Im 12. und 
13. Jalirhunderl linden wir einen ganzen Kranz von epi- 
schen und lyrischen Dichtern, deren erster L'lrich von 
Zatzikofen Idas heutige Zezikon im Kanton Thurgau) ist. 
Während der folgenden zwei Jahrhunderte blühte na- 
mentlich die Spielmanns-. Mysterien- und Schwanklile- 
ratur. Die Erlindung der Buchdruckerkunst und die Refor- 
mation gaben Anlass zu einem neuen Aufschwung. Die 
vaterländische Geschichte wird gepflegt von Aegidius 
Tschudi. Stumpf. Simler. Guillimann u. A. Auch das Volks- 
thealer wagte sich an aktuelle und vaterlandische Stoffe 
heran : des I nu r Spiel des Jakob Huelf versetzt uns in die 
heroischen Zeiten des ersten Hundes der Eidgenossen zu- 
rück, während Nikiaus Manuel in Hern in seinen Fast- 
nachtsspielen die Torheiten seiner Zeilgenossen geisselt. 
Konrad Gessner, der «deutsche Plinius », begründet die 
moderne Zoologie. Thomas Platter entwickelt sich aus 
einem Hirtenknaben zu einem der ausgezeichnetsten Hel- 
lenisten und l.atinisten des Hl. Jahrhunderts. Die z>uf!t.•z> 
Zl</lW,el /b/W i1«3l I ist ein von Luther« Bibelübersetzung 
gründlich verschiedenes Werk. Das 17. Jahrhundert gehört 
den Gelehrten - Linguisten. Naturforschern. Physikern 
— . während das 18. Jahrhundert das goldene Zeitalter der 
deutschen Literatur in der Schweiz darstellt. Das Athen 
dieser Zeit war Zürich, wo der Dichter Kleist im Jahr 
1/52 so glucklich war - zwanzig bis dreissig Männer von 
Genie . zu linden. Aus Znrich stammen die beiden Aesthe- 
tiker und Kritiker Hodmer und Hreitinger. die der ganzen 
deutschen Literatur eine andere Richtung gegeben haben, 
ferner Snlzer. Hirzel. Salonion Gessner. Pestalozzi. Herner 
ist Albrecht von Haller. der 1732 sein Gedicht über Hie A //ich 
veröffentlichte und sich in den Guttmgisehen Gelehrten 
.1 »neigen auch als kundiger und aufmerksamer Beobachter 
der literarischen Bewegung in Frankreich erwiesen hat. 
ohne daneben seine botanischen, physiologischen und 
anatomischen Studien und Forschungen zu vernachlässi- 
gen. Zu nennen wären auch noch Zimmermann, Isaak 
Iselin. von Balthasar u. A. ; besondere Erwähnung ver- 
dient der vaterländische Geschichtsehreiber Johannes 
von Muller. eine der Zierden unseres Landes, der mehr 
als ein Anderer zum Wiederaufleben des schweizerischen 
Patriotismus beigetragen hat. 

Wie in der französischen Schweiz stand auch bei den 
Schriflstellern der deutschen Schweiz die didaktische 
Tendenz stets im Vordergrund ihres literarischen Schaf- 
fens. Am auffallendsten und ,m liebsten tritt diese 
Erscheinung während der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- 
derts hervor, wosie beiden beiden Zürcher Novellisten Job. 
Martin l'steri und l'liieh Hegner. sowie bei dem volks- 
tumlicl.en vaterländischen Romanschriftsteller Heinrich 
Z-chokke deutlich zu erkennen ist. Zu dieser Literatur, 

195 — C.EOC.tt. LEX. V — 7 



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SCHW 



die in der Hauptsache iiuf ilie lielehrungodcrdie Erziehung 
des Volkes abzielt, gehören auch — Irolz der sehr unglei- 
chen l'cgahung der ei meinen Verfasser — die von Marlin 
Distrh illustrierten l-'a'-rlu von A. K. Fröhlich, <lie mo- 
ralisch so vollwertigen und von einer eindringenden Be- 
obachtungsgabe /tutenden Hauer nromanc von Jeremias 
(lotllielf. die Lrzal ilungen von Jakoh Frey, die Humane 
und Novellen Coltfried Keller'» vom llrunen ili'hirwh 
bis /.u Marli» Salitmlrr. Konrad Fenlinand Meyer iJurg 
Jnuiisr/i etc.) hat sich alhnälilig von jeder didaktischen 
Absicht loszuringrn gevvussi. wie man eine solche auch 
in den Werken and« rer deiilsrhschweizeiiseher Dieh- 
Icr, wie Heinrich l.eiilhold. Ferdinand Schmid iDran- 
nior) ele.. Vergehens suchen winde und in den Hueliern 
unserer eigenen Zeitgenossen Widmann. Spittclcr, Zahn, 
Herr, Adolf Frey ele. ebenfalls nicht mehr findel. 

l>ie deutsche Schweiz besitzt ausserdem noeh eine über- 
aus r< ichc Dialckllitcratur, die wir hier nicht ganz mit 
Stillschweigen übergehen dürfen. AI« deren hauptsäch- 
lichste Vertreter nennen wir aus den Zeileuder Mediation 
und der Regeneration den Hallenser Heter Hebel, der 
«durch ilie ah tnatiiii-i he Mundart ganz der 1'nsere» ist, 
die beiden Hemer Kuhn und Johann Kudoll Wyss den 
jüngeren, sowie den Zürcher J. Mai tin Fsleri {In- Ilm- 
Ihm, lir Yiknn), aus spaterer Zeit den Hemer J. J. Bo- 
tnang (//V Friexeiroo in der Mundart des Saanenlandesi, 
sowie die Zürcher Jakoh Stutz. [Crmölile au* ih-m Ynlks- 
ti-hrn. >irlnti mal uflit'n Ja Ii rf aus mriurtii LerV»i( und 
August Corrodi ll>>' Ih-rr l'ro/rn<i\ lh> Herr Yikan, l)e 
Ihrf Ifuliter). I'nsern Tagen endlich gehören an Adolf 
Frey, Leonhard Steiner, J. Ilardmeyer - Jenny. Wilhelm 
Nieilermann u. A. 

h. hrattzi'tsiHt'lw Sr/iweiz. Hier war das geistige Leben 
vw der Ri-foi niation kein sehr rege*, indem auf litera- 
rischem Gebiet ausser einigen Chionisten und Dichtem, 
unter welch' lel/tcrti Otto von Grandson einen Ehrenplatz 
behauptet, sozusagen völlige Stille herrschte. Die Cziro- 
nufiie //ex eliuntmiex (/<• Sruvhtih'l i lä. Jahrhundert), die 
man lange Zeit für ein Meisterwerk des Mittelalters an- 
gesehen, hat sich als eine geschickte lilerar ische Fäl- 
schung erwiesen. Kill vollständiges Mild des literarischen 
Lehens und Schallen* der französischen Schweiz lindet 
man in den beiden liixtmre hltn-aire de In Suinse >i>- 
mamle von Ph. findet und von V. Hossel, die beide von 
der französischen Akademie preisgekiont woiden und in 
zweiter Aullage erschienen sind. 

Im 16. Jahrhundert machten die theologischen Abhand- 
lungen und polemischen Schriften von Calvin. Virel und 
Th. de Ueze. die ausseroidentlichen und hewnndernswer- 
ten Leistungen von Henri Kslienne, des Fürsten der Hu- 
manisten, die Aeusserungen der protestantischen Gelehr- 
samkeit und die Anstrengungen der (ienfer Huchdrucker 
den Namen der kleinen Schweiz auch auf geistigem tie- 
biet weithin ehrenvoll bekannt, nachdem unser Land bis 
dahin einzig durch «Ii«' Tapfeikeit seiner Seidner und 
durch seine Siege über harl den Kuhnen berühmt gewe- 
sen war. Der durch seine (iefangenschalt im Sehloss 
Chillon weltbekannt gewordene Francois Honnivard ist 
der unterhaltendste und fmchlharstt . wenn auch nicht 
wahrheitsliebendste der Chronisten. Her I'annerherr von 
Oi he, Pierre de Picrrellcur, lässt in seinen Mmione* 
die friedliebende und lebensfrohe tiutmutigkeit der 
Waadtländer Volksseele schon ganz gut erkennen. Das 
folgende Jahrhundert wird durch endlose Diskussionen 
über dogmatische und exegetische Streitfragen gekenn- 
zeichnet, wobei J. II. Turreltini. der Fuhrer der neo-kal- 
vinistischeii Schule, immerhin den Versuch unternimmt, 
den religiösen (iesichtskreis der Heformation zu erweitern. 
Marie lluber aus Genf verkündet die sog. "natürliche 
Heligion ». In Lausanne erscheint J. P. de Croiisaz als 
typischer Vertreter der vermittelnden Philosophie und 
einer versöhnlichen und entgegenkommenden Auflassung 
des Christentums. H. L. von Murall, ein Hei ner, veröffent- 
licht seine Utters nur le* Anqlaix et lex h'rouenix, die 
den Verfasser als scharfsinnigsten und aufrichtigsten 
Moralisten zeigen. Damit sind wir bereits ins 18. Jahr- 
hundert eingetreten das Voltaire in Lausanne und (ienf 
gesehen hat, vom Duhm Jean Jacques Rousseau* wider- 
hallt und der Schweiz eine Heihe von Talenten allerersten 
Hanges schenkte: den Philosophen und Naturforscher 



Ch. Honnef; Hör. Heu. de Saussure, den Verfasser der 
Vuijaqrs dann Ist und Pionier des Alpinismus und 

der alpinen Literatur; den grossen (ienfer Journalisten 
Maltet- Dupan, der sich zum beredten Vorkämpfer der 
Gegenrevolution aufwarf; Kticnne Dumont, Heybaz und 
Diirovvroy als Mitarbeiter von Mirabeau; ferner Madame 
de Charriere. die geistreiche und zartfühlende Huinan- 
schril'tstellerin von Colombier, Benjamin Con^lant, Ma- 
dame de Slael, Sismondi, Karl Viktor von l5onsletten. 
Diese Zeit darf als die eigentliche kosmopolitische Peri- 
ode in der Literatur der franzosischen Schweiz be- 
zeichne) werden. Hierauf srhhesst sich die Grenze auf 
einen Schlag und fügt man sich darein « ä v iv re de sa vie r ; 
unmittelbare Folgeerscheinung der schwerlaslenden napo- 
leonischen Hevormundung, die auch den zahmsten Patn- 
oten von seiner Gallomanie geheilt hatte. In der Tat hat 
denn auch das 1'.). Jahr hundert in der ganzen fr anzo- 
sischen Schweiz, von I ienf bis Prunlrut. ein ausgespro- 
chen schweizerisches depräge aufgewiesen. Wenn Frau 
von Slael, Henjamin ConsUmt. Malb t-Diipan. Sismondi 
beinahe schon Franzosen sind, kann dies von Juste Oli- 

! vier, Alexandre Vinet und Hodolphe Töpffer keineswegs 
mehr behauptet werden. Die Literatur hat ihren umfas- 
senden Charakter gegen eine fehlere moralische und vater- 
ländische Grundlage ausgetauscht. Neben Alex. Vinet. 
dem gläubigen Christen und bewundernswerten Kritiker, 
dürfen sich die Waadtländer des feinen und zarten Dich- 
ters Juste Olivier. des fruchtbaren, kraft- und sattvollen 
Kugene Hambert. des geschätzten Erzählers I'rhain Oli- 
vier und — später — des Literarhistor ikers und Dichters 
Henri W'arnery nihmen, dessen Dichtungen Lea Orüjtucs 
und (.Iii-iiiiii tl'rsfieratue den Vorbildern Vinet und Ham- 
bert alle Kln* machen. In fienf fallen die Reimereien 

I des * Ca v call genevois», die spasshaften Verse von Petit- 
Senn, die epischen Gedichte von Albert Hichanl, die 
hochlliegende l.vrik von Henri Hlanvalet weniger ins 
Gewicht als die Novellen von Hodolphe TopITer, da« 
Jimrual intime von II. F. Amiel. das so vielseitige Schaf- 
fen von Marc M titulier oder das /.irre tlr Thuir d«rs 
armen Louis Duchosal. dessen Schicksal ebenso traurig 
sich gestaltete als sein Talent ats Dichter bew undernswert 
war. Hier ist auch noch der Kardinal MermilUxl als einer 
der besten Kanzelredncr des 19. Jahrhunderts anzureihen. 
Die Neuenburger zahlen in ihren Heiden mehr Gelehrte 
als schöngeistige Schriftsteller. Die im Alter von 30 Jah- 
ren gestorbene Alice de Chambrier, «leren Gedichtsamm- 
lung Au heia noch Grosses erhoffen Hess, August Bache- 
lin, Verfasser des allbekannten Humanes Jfint-l.oun. 
sowie die volkstümlichen Erzähler Louis Favre und Oscar 
lluguenin wären mehr als dieser blossen Er wähnung wür- 
dig. Freihurg. der Heimat des Erzählers Pierre Scioberet. 
gehört Ftienne Eggis. der lezte schweizerische Roman- 
tiker an, ein unsteter und melancholischer Dichter. Die- 
ser t eherblick. in dem wir uns auf die Erwähnung nur 
der allerbekanntesten Namen beschranken müssen, darr 
auch ilie Theologen Auguste Houvier und Frederic Godet, 
sowie die Grschiehtschreibcr Merle d'Auhigne, F. de 
Chambrier und Louis Vulliemin nicht mit Stillschweigen 
übergehen. Obwohl wir die heule noch lebenden Schrift- 
steller aus dem Rahmen unserer Betrachtung absichtlich 
ausgeschaltet haben, darf doch folgendes gesagt werden: 
die jetzige Literatur der französischen Schweiz gestaltet 
sich literarischer als diejenige von ehedem; sie zeigt eine 
relative Formen- und Gedankenkühnheit, die man von 
ihr nicht erwartet hatte, und hat uns endlich auch mit 
dramatischen Werken von originaler Auffassung und 
Ausarbeitung beschenkt. 

c| UaUfiiisrlii' und rätaritmanisrlte Sfhireii. Aus der 
Zeil vor den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts besitzen 
wir von rätoromanischer Literatur so zu sagen nicht* 
weiteres als eine Bibelübersetzung, Volkslieder, kleine 
religiöse Trakt. itlein und Kalender. Im Verlauf der letzten 
hundert Jahre hat sich diese Literatur fruchtbarer gestal- 
tet. Von Dichtem sind Th. von Caslelberg. P. A. von La- 
tour und besonders Anton Iluonder allgemeiner bekannt 
geworden, wahrend der Huf der rätoromanischen Erzäh- 
ler und Geschichtschreiber nicht über die rätischen Lande 
hinaus gedrungen ist. 

Die italienische Schweiz hat eher in den plastischen 
I Künsten geglänzt als in der Literatur, in welcher Talente 



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um ausgespi ochener Originalität entschieden fehlen. 
Weiler die Lyriker Pictro Peri und J. H. Buzzi noch der 
Dramatiker Oiovanni Airoldi haben uns ein Werk von 
bleibendem Wert hinterlassen. Dagegen lassen uns einige 
Junge ein Wiedererwachen der Tessmer Lileraliir erhof- 
fen, indem sieh ihre Eignung und ihr Talent stärker zu 
••rweisen scheinen als die besonders ungünstigen Verhält- 
nisse, unter denen die Schriftsteller der italienischen 
Schweiz ru leiden haben. 

7. Tu koi ocilK. a. Protestantismus. Die ersten durch 
.Ii.- »chwoizenselie Deformation veranlassten Schrift- 
werk« (.'clmri-n ebensogut der Literaturgeschichte wie 
der Kirchengt schichte an. I»ie Reformation ist unsere 
Kenaissaiice. (Vergl. E. Bioesch: Geschichte der sc/iuei- 
:tr. ti'i- na irrten Kirchen. ■- V. Honsel. Hmloire litte- 
Miirr ilr Iii Sumse romande). Zwingli ist aus der Schule 
von \\ ytlembach und Erasmus hervorgegangen. Sein 
philosophisches Denken erscheint vielfach von einer 
knhnlx-it. die neine Zeitgenossen kaum geahnt und er- 
nannt hahen. Calvin tritt zuerst mit einem Kommentar 
iilwr die tlh~inrittnt des Seneca hervor und hat uns dann 
mit der 15HG zum erstenmal aufgelegten Institution 
< ■hretienne beschenkt, dm sowohl die vollständigste syste- 
mattM'he Darstellung des christlichen Glaubensbekennt- 
nisse« als zugleich auch einen hochbedeutsamen Mark- 
stein in der Entwicklung der französischen Prosa dar- 
stellt. Farel erscheint in erster Linie als Mann der Tat, 
der «»der iti seinem Stmnnaire noch in seinen übrigen 
Schriften der Calvinschen Lehre etwas Neues beizu- 
fügen vermocht hat. Viret glänzt hauptsächlich als Kanzel- 
niiner. wahrend »eine 1504 erschienene Instruction ehre- 
iieniic weder die religiöse Wucht noch den literarischen 
Wert von Calvin'» Institution erreicht. Olivetan veröf- 
fentlicht 1535 die llible ilr Xeue/uitel. Die von Robert 
Kstienne seit 1550 in Genf gedruckten Werke darf man 
bezüglich der Zuverlässigkeit und Reichhaltigkeit ihrer 
Fussnoten noch über die Krzeugnisse der aldinischen 
Offizin Mellen. In Zurich, Bern, Genf und Lausanne ent- 
stehen Schulen unter der Leitung von Hullinger. Capito, 
(Calvin und Viret. Theodor von Beza endlich ist zu gleicher 
Zeit Theolog«-, Linguist, Dichter und Polemiker. Die 
Theologen dieser Zeiten waren ubrigeiisalle humanistisch 
geschult : es hatte sich ihnen ein neuer moralischer und 
religiöser Horizont aufgetan, an dessen Erweiterung sie 
alle intensiv arbeiteten. Dieser Umstand verleiht ihrem 
ganzen Scharten einen stet» aktuellen Wert, wie ihn die 
nachfolgende theologische Bewegung lange nicht in ähn- 
lichem Mass ;uif/.uweisen vermag. 

Dem Aufschwung und der weiteren Entwicklung der 
reformierten I lenkart beginnen nun die katholische Reak- 
tion einerseits und ein ausschliesslicher starrer Dogma- 
tismus im eigenen Lager anderseits ernstliche Schranken 
zu setzen. Vergebens sieht man sich nach einem Manne 
um. der fähiiz wäre, dem Einlluss des Jesuiten Petrus 
Canisius t-f- 15(17) im Innern und des h. Franz von Sales 
vor den Toren Genfs die Waage zu halten. Im 17. Jahr- 
hundert sind die Schweizer Abgeordneten zur Synode 
von Dortrecht (1018 bis 1 6 1 Ü ) — J.J. Breitinger. llottinger 
und Heidegger von Zürich, sowie Franz Turrettini (-j- 11537) 
von Genf — «ebenfalls Vertreter einer strengen geistigen 
Orthodoxie. Ks herrscht die Formel, die im Consmsm 
von 1675 ihr«? Allgewalt bestätigt erhall. Dogmatische 
Engherzigkeit tritt an die Stelle der allmählig erkalteten 
religiösen Begeisterung. 

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts suchen drei 
aufgeklarte und die Forderungen ihrer Zeit verstehende 
Pietisten von milderer Richtung der Theologie neues Le- 
ben einzuhauchen : Samuel Werenfels in Basel, der in 
seinem Buch he logotnachiis erudilorum die herr- 
schende Scholastik angreift ; Jean Alphonse Turrettini 
in Genf, der in seiner n'uliei Frstium für die Theologie 
die Notwendigkeit der individuellen Gewissensfreiheit 
verlangt; Osterwald, Turrettini'» Freund, der zur Unter- 
stützung der selben Anschauungsweise die bekannten 
Bücher veröffentlichte, welche der Neuenburgcr Volks- 
seele ihren Stempel aufgeprägt haben, den Tratte des 
tourres de la corrtiption (1700). den Catechisnte 11702), 
die Ltturr/ie (1713), eine Bibelübersetzung etc. Leider 
blieben die Anstrengungen dieser drei Männer verein- 
zelt. Daa gleiche Jahrhundert, das 1732 die Uttres tur 



la relitjion essentielle von Marie Hoher erscheinen sah, 
wohnt den Auseinandersetzungen Voltaires mit der Vdne- 
rable Compagniein Genf und denen Rousseau* mit der 
Venerable ('lasse in Neuenburg bei und schlicsst mit 
dem Sieg der Trugphilosophie ab. 

Das 10. lahrhumlert beginnt mit einem kirchlichen und 
religiösen Chaos. Der von Lavater und Antistes Hess in 
Zürich, sowie von Diakon Müslin in Bern gepredigte 
Supranaturalismus vermochte die heftig erregten religiö- 
sen Gemüter auf die Dauer nicht zu befriedigen, rrau 
von Krüdener, Ami Host. Louis Empeylaz, Ccsar Malan 
treten als Vorkämpfer der neuen religiösen Ansprüche 
und Erwartungen auf und bereiten die allgemeine Er- 
weckung vor. Diese hat in Verbindung mit den poli- 
tischen Ereignissen der 1830er Jahre die Gründung von 
freien Thcologenschiilen in Genf i seit IXH) und in Lau- 
sanne (seit 1845) zur Folge, während sie in der Oslschweiz 
entweder durch ihre l'ebertreibungen in Misskredit ge- 
raten oder in der Tätigkeit «ler bereits bestehenden kirch- 
lichen Richtungen aufgegangen ist. Seither nimmt auch 
die — private oder offizielle — Hochschulbildung einen 
erneuten Aufschwung. Von Theologen dieses 10. Jahr- 
hunderts seien folgcmlc genannt : «le Wette if 1K40), der 
Kirchenhisionker Hageiibach (■{■ 187.'1) und der Zwingli- 
biograph Slaehelin <v 1000) - in Basel; der 1830 als 
Professor berufene aber nach dem bekannten « Putsch » 
sofort pensionierte F. D Strauss. Hitzig. Alexander 
Schweizer (ein seine eigenen Wege gehender Schüler 
von Schleiermacher), der kühne und tiefe Denker Bie- 
dermann (r 1885). — in Zürich ; Samuel Lutz (f 1844), 
i dessen Biblische Dogtnntik heute noch nachgeschlagen 
wird. Ed. Zeller, Alb. Immer — in Bern. Seit 1800 finden 
die akademischen Meinungsverschiedenheiten ihr Echo 
auch in der Kirche. Lang und Bitzius bekämpfen in der 
Zeitung Il'-forni. dem Organ des schweizerischen frei- 
sinnigen Christentums, das Prinzip des Glaubensbekennt- 
nisses und ilie traditionelle Theologie, die beide vom 
Basier Professor Riggenbach im Schweizerischen Kir~ 
chen freund kräftig verleidigt werden. Eine vermittelnde 
Auffassung vertreten der Antistes Finaler in Zürich, Pro- 
fessor Hagenhach in Basel. Professor Rüel-schi und Pfar- 
rer J. Ammann (-f 1004) in Hern. 

An der « Ecolc de l'Oratoire« in Genf wirkten Gaussen, 
Merle d'Aubigne. dessen Ihstoiie de la Ucfornmtion eine 
beredte Predigt darstellt. Ed. Scherer, E. Barde; an der 
Genfer Universität Louis Segond, der Geschichlschrei- 
ber ( hastel-Mutiier, die Denker Auguste Bouvicr 1886) 
und Gnston Frommel (•}■ 1000) ; in Neuenbürg, wo eine 
freie theologische Fakultät seit 1873 besteht, Fred, de 
Bougemont, Louis Nagel, A. Grelillat rf 1804), der durch 
seine Kommentarien zu den einzelnen Büchern der Bi- 
bel berühmt gewordene Fred. Godel (-,1001), Felix Bovet 
(-j-|QÜ3|. Von Waadtlundcrn sind zu erwähnen: Alexandre 
Vinet ("J" 1847), den man den Schleiermacher des Pro- 
testantismus franzosischer Sprache genannt hat, der 
Philosoph Charles Secrclan (+1805), J. F. Astie, Paul 
Chapuis ; ferner Herminjard (y I0OU), dessen wertvolle 
CurrcsfHiiidanee des Bcfominleurs leider nur halb voll- 
endet vorliegt, und Jules Dovon (f 1004), Verfasser einer 
schonen Ktude sur l'omere ile la Hedem j>i ton. 

Unsere Zeitgenossen setzen die Arbeit des verflossenen 
Jahrhunderts fort. Die köstlichste Frucht dieser unabseh- 
baren Arbeit wird — wie es scheint — der Bruch mit 
der Einheitlichkeit der den Gläubigen auferlegten Credos 
sein. Die Aufgabe unserer Zeil liegt darin, den überlie- 
ferten Dogmatismus zu brechen und darüber hinaus zur 
Freiheit di*s Glaubens, zu einem persönlichen und aul 
eigenem Nachdenken beruhenden Christentum hinzu- 
führen. 

b. Katholizismus. Während im Mittelalter Italien, Spa- 
nien, Frankreich, Ungarn, Polen, Deutschland und sogar 
die nordischen Reiche ihre Universitäten aufwiesen, die 
hunderte und oft tausende von Schülern zu Füssen von 
hervorragenden Professoren versammelten, und während 
St. Anseimus, Peter Lombard. St. Bonaventura, Albert 
der Grosse, der h. Thomas von Aquino, Thomas a Kem- 
pis, Johannes Tauler und so viele andere Meisler ihre 
unvergänglichen Werke schrieben, blieben die Gebiete, 
die heute die Schweiz Zusammenselzen, etwas ausserhalb 
«ler wissenschaftlichen und literarischen Bewegung jener 



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SCHW 



Zeiten stehen. Die Schweiz besass in ihren Klöstern wohl 
Anstalten von Mittelschutrang, dagegen alwr keine ein- 
zige Universität. Hie Universität Hasel, «leren geistiger 
Vat«-r der gelehrte Jurist Peter von Andl«» ist. wurde 
durch Hülle des Papstes Piu« II. erat am 12. Novemb«'r 
1459 gestiftet. Sie glänzte in der Folge namentlich durch 
ihre Humanisten, während an der theologischen Fakultät 
mit Ausnahme von Heynlin von Stein nur Gelehrte zwei- 
ton Ranges wirkten. Ks erscheint somit verständlich, dass 
die Schweiz zu Beginn des 16. Jahrhunderts keinen ein- 
zigen hervorragenden Theologen ihr eigen nennen konnte. 
Wahrend des ersten halben Jahrhunderts nach der Ein- 
führung der Reformation hatten die Katholiken der 
Schweiz sich mit grosser Mühe ihrer Gegner zu erweh- 
ren, so dass sie keine Müsse zur Forderung der spekula- 
tiven Theologie fanden und. arm und durch Meinungs- 
verschiedenheiten geschieden, wi«' sie waren, nicht an 
die Errichtung von höhern Untcrrichtsanslalten an Stelle 
der ihnen verloren gegangenen Universität Hasel denken 
konnten. So erklärt es sich auch, dass sie am Badener 
Religionsgespräch von 1526 ihre Interessen durch zwei 
Ausländer, ilen Dr. Eck und den Klsässer Thomas Mnr- 
ner, vertreten liessen. 

Uieaufdie öffentliche Hekanntgabe der Beschlüsse des 
Konzile* von Trient folgende Restauration war von einem 
neuen Aufschwung der literarischen und theologischen 
Studien begleitet. Der Kardinal Borromäus stiftete 157» 
zur Heranbildung von Priestern schweizerischer Herkunft 
in Mailand da» Co! leg in in Helveticum (auch borromäisches 
Collegiuin geheissen). Schon 1574 halte er in Luzern die 
Jesuiten eingeführt, dir hier 1577 eine Lehranstalt und 1580 
eine solche auch in Freiburg gründeten. Diese letzl«-re 
stand unter der I. eilung des Paters Petrus Canisius. eines 
hervorragenden Theologen, der trotz der Fülle der auf ihm 
lastenden Verpflichtungen noch Gelegenheit zur Abfas- 
sung von zahlreichen wissenschaftlichen Werken fand. 
In zweien dieser Arbeiten, die in der Hauptsache dogma- 
tischen Charakter tragen, bemüht er sich, die Lehren der 
Reformation zu widerlegen und die alle katholische Lehre 
von Strafe und Vergeltung, vom ewigen Gericht, von der 
Verehrung der Jungfrau Maria und der Heiligen etc. zu 
verleidigen. Das erste dieser Werke erschien 1571 in 
Dillingen und das andere 1577 in Ingolstadt. Daneben 
machte sich Canisitis auch als Herausgeber der Werke 
von verschiedenen and«>rn Kirchenmännern, so z. Ii. des 
Knrdinales Husius. verdient. Seine in Douai und Paris 
1578 zum erstenmal gedruckten homiletischen Werke 
sind nachher vielfach neu aufgelegt worden. Sein tür die 
Hochschuljugend bestimmter Katechismus Summa doe- 
trinae Chrixtimiae per ifuext innen trndita. erschien zu- 
erst 1554, erlebte eine Menge von Neudrucken, breitete 
sich rasch über ganz Europa um! sogar in den Mission»- 
gebieten aus und wurde in eine grosse Anzahl von Spra- 
chen, selbst ins Japanische ubers«'l/t. Eine für das Kin- 
desalter bestimmte kleine Ausgabe, der Parrus Catechis- 
ntu* Cnthnlieoriim. den der Verfasser in Augsburg 1561 
zum erstenmal erscheinen liess, fand ebenfalls die denk- 
bar weiteste Verbreitung. Im Kanton Luzern und auch 
anderswo nennt das Volk jeden Katechismus heute noch 
kurzweg einen «Canisi». Canisius ist in Freiburg am 
21. Dezember I.V.I7 gestorben. Vergl. De vtta ren. )'. I'. 
Canisii per Scbastianum Veronium. Auch der h. Franz 
von Sales. der 1602-1622 Bischof von Genf war und sich 
namentlich bemühte, die Bewohner des Wallis dem alten 
Glauben zu erhallen, darf zu den Schweizer Theologen ge- 
rechnet werden. Er war ein bedeutender Kanzelredner 
und hat eine Reih«- von Schriften hinterlassen, die heute 
noch für zahllose Gläubige eine unerschöpfliche Quelle 
sind, aus der sie täglich Erbauung und Tröstung sich 
holen. Sein erstes Werk, die Inlrodm titm <i In l'ie 
devote, war nach wenigen Jahren schon in fasi alle euro- 
päischen Sprachen übersetzt und erlebte schon 165h seine 
40. Auflage. Sein Hauptwerk ist aber ohne Willerrede der 
1616 zuerst erschienene Tratte de l'unimir de l)ieu. der 
überall voller Bewunderung aufgenommen wurde. Die 
Sorltonni" erklärte ohne Umschweife, dass dieses Buch 
seinen Verfasser neben St. Augustin und St. Gregor sW-llc. 
In seinen an die Schwestern der Visitation gerichteten 
Kntretiem itpiriluel* olTenbart sich der fromme Verfasser 
als liebevoller Vater und als Seelenarz.l. der «las mensch- ; 



liehe Herz und seine Schwächi-n wie kein Anderer kennt. 
Mehr dogmatischen Charakter tragen seine Controvews 
und sein Buch L'P.tendard de ta Sainte Crou: Diejeni- 
gen seiner Sermons, die veröffentlicht worden sind, wei- 
sen zwar grosse Schönheiten auf, geben aber nicht den 
, ganzen Geist des Verfassers wieder, da sie nur von «len 
! Zuhörern gesammelte Bruchstücke bilden, die zudem 
nicht immer den Gedankengang des Redners genau 
wiedergeben. Seine Olmsruhs handeln von den verschie- 
densten praktischen Fragen. Von unschätzbarem Wert 
sind seine L'ttres, von denen in der Lyoner Ausgabe von 
1632 525» veroffenl licht wurden, während ihre Gesamtzahl 
in Wirklichkeit UOO übersteigt. Es ist nach dem Gesagten 
nicht verwunderlich, dass das Leben und die Werke des 
h. Franz von Sales Anlass zur Entstehung einer ganzen 
Literatur gegeben haben (Oeueres ewnpl'tes ile Saint 
Fram uis de Sdles ; publ. par P. Ribadeneira. Paris 1KÄ». 
— Vergl. auch Mülinen's Heiret ia sacra). 

Der Kardinal Zolestin Sfnndrati. Abt von St. Gallen, ist 
«ler Verfasser mehrerer bedeutender theologischer Werke : 
als erstes erschien 1684 die Dtspulatio juridira de £>•«/- 
hi praexumptume ndrersux pruhabilisnitim : dann folgten 
1684 das lieijtile saeerdotum Homano Pimti/iet asser tum 
und 16K7 die tialtm nmlieta zur Bekämpfung der Be- 
schlüsse von 1082. Ferner schrieb er noch ein«- grosse An- 
zahl von dogmatischen W erken, die zu jener Zeit grosses 
Aufsehen erregten. 

Die Mittelschulen (Kollegien) von Luzern, Freiburg. 
Pruntnil und — später — Solothiirn und Brig vermittel- 
ten der katholischen männlichen Jugend eine grundliche 
lihrarische Bildung. Diejenigen, welche sich d»'m Prie- 
aterstaud zu widmen gedachten, studierten Theologie in 
Mailand, am germanischen Kolleg in Rom, sow ie an den 
deutschen Universitäten (so besonders in Freiburg im 
Breisgau, Dillingen. Ingolstadt). Viele «lieser jungen 
Männer brachten bei ihrer Rückkehr ins Vaterland den 
Doktorhut mit sich. 

Als Ausbau ihrer Lehranstalt errichteten die Jesuiten 
in Luzern um IGtiO eine theologische Fakultät, an der in 
der Folg«' ausgezeichnete Professoren wirkten, so u. A. 
Tobias Lohner. II. Heinriei, Laurenz Forrer. J. H. Uysal. 
Nikiaus Wissing, l.eodi^gar von Hertenstein, Jost Amrhvn 
und Franz Amrhyn. 

Während Jean Prevöt aus Delsberg. ehemaliger Zög- 
ling «ler Lehranstalt Pruntnil, sich in Padua auszeichnete, 
wurde «>in ander«»r Zögling der selben Schule, «ler 1600 in 
Charmoillc geborne Georges (k>l>at ein hervorragender 
Professor der Theologie, dessen in Luzern und Konstanz 
verfasslen Werke ihn in der ganzen katholischen Welt 
berühmt gemacht haben. 1649- t 672 liess er in ununter- 
brochener Folge 16 Abhandlungen erscheinen, in denen 
er fast alle Fragen «ler Moraltheologie behandelte Seine 
grosse Sicherheit im Urteil und die im Laufe einer ottjäh- 
rigen praktischen Betätigung erworbene Erfahrung haben 
ihm zu einem Ruhm verholfen. der ihn heute noch zu 
einer der empfehlenswertesten Autoritäten stempelt. 

Unter dem Einlluss des romischen Rechtes und «les von 
Ludwig XIV. gegebenen Beispieles wandten sich die Re- 
gierungen der Schweizer Kantone nach und nach dem 
Absolutismus zu. Auch diejenige von Luzern gab dem 
allgemeinen Zug der Zeit nach und liess sich zugleich 
in gallikanische und jans«-nistische Tendenzen ein. die 
sie mit dem päpstlichen Nuntius und mit d«-r Geistlich- 
keit in Konflikt brachten. So disponiert, nahmen die 
Staatsmänner l.iizerns und anderer Kantone di<* Lehren 
des Fehroniaiiisuius und Jnsephismus mit Begeisterung 
auf. Die eifrigsten Verächter dieser neuen Lehren waren 
in Luzern Felix Baltthasar und Valentin Meier. Der 
ersten 1 , ein verdienter Staatsmann und Geschichtsforscher, 
veröffentlicht«' I7<>8 in Zürich das Buch De Heleetiorum 
)uril>n* eieco saaxi, in welchem er die Yorherrschalt 
des Staates über die Kirche verteidigt. Zur Zeil der Me- 
dialion standen sich in der katholischen Kirche «ler 
Schweiz zwei Parteien gegenüber. Auf der einen Seite 
hielten sich zu den l.uzerner Staatsmännern die mit Dal- 
berg und Ignaz von Wessenberg übereinstimmenden Geist- 
lichen, an deren Spitze der bischofliche Kommissar un«l 
Luzerner Stadtpfarrer Thaddäus Muller. sowie der 1811 
nach Luzern berufene Professor der Theologie Dereser 
traten. Auf «ler andern Seite befand sich die übrige 



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'.eistliehkeit uiil dem Nuntius Testafei rata, dem Propst 
■><ddlin von lieromünster und den Theologieprofessoi'en 
i.etger. Widiuer und Gügler an der Spitze. 

Führer der dun Ansichten von Dalberg und Wessenberg 
kindlich gesinnten Geistlichkeit warder Propst von Bero- 
münster. tiöldlin von Tiefenau. dcr18l4zum apostolischen 
Vikar der durch Papst Pius VII. von der Diözese Konstanz 
losgelösten schweizerischen Landschaften bestellt wurde. 
Kr zeichnete »ich durch umfassende theologische Bil- 
dung aus und hat sich auch als Geschichtsehreiber (Ge- 
%*-tnchte <ii't Bundes der der Waldstätten, Leben des 
flujen Niklnus ron der Flue, sowie eine Biographie des 
Haiders Konrad Scheuber) einen Namen gemacht. F. Gei- 
ger, der in Luzern dem Orden der Franziskaner beige- 
treten war. dann in Regensburg das Hebräische, in Otten- 
burg Poetik und Hhetorik. in Freiburg Philosophie und in 
Solothurn Theologie gelehrt hatte, wurde als Professor der 
Theologie und Kirchengcschichte nach Luzern berufen. 
F.t hat die Kirche überall verteidigt, wo er sie angegrifleu 
»ah. Seine Schriften, die sich durch Logik, genaue Be- 
weisführung und geistreiche Darstellung auszeichnen, 
-ind zu einem Sammelwerk von 8 Oktav bänden verei- 
nigt wonien. Zuerst als Neuerer verschrieen, wurde er 
•rhliesslich zum Reaktionär und Dunkelmann gestempelt 
und von der radikalen Regierung aus seinem Lehramt 
entfernt. Kr starb 1843. Joseph Widmer, ein ehemaliger 
Schüler Sailers in Landshut, wurde 1804 in Luzern Pro- 
fessor der Philosophie, worauf ihm die Behörden, um 
i rotler Platz zu machen. 1819 gegen seinen Willen einen 
Lehrstuhl für Theologie zuwiesen. Die 1830 ans Ru- 
der gekommene Regierung entfernte ihn 1833 aus dem 
l^hraint, indem sie ihn zumChorhcrru von heromünster 
• mannte. Kr veröffentlichte die gesammelten Werke 
Sailer's in 41. diejenigen von Geiger in 8 und die hintcr- 
G**«nen Werke von Gügler in 7 Randen. In seinen 
ziemlich zahlreichen eigenen Schriften zeigt sich Widmer 
als Mann von gesundem l'rleil. obgleich er mehr nur 
als Kompilator denn als eigener originaler Denker er- 
»i heint. Alois; Gügler, der in Landsluit mit Widmer zu- 
simmen Theologie studiert hatte, winde 1805 als Pro- 
fessor der Exegese nach Luzern berufen und damit Kol- 
lege von Geiger und Widmer. Kr war ein bei seinen 
Schülern sehr beliebter, ausgezeichneter Lehrer und 
zugleich auch verdienstvoller Schriftsteller. Sein Haupt- 
werk, dessen erster Rand 1814 in Luzern erschien, führt 
den Titel I)ie heilige Kunst oder die Kunst der Hebräer 
i3 Rande. 1814-1818) und enthalt die Fl üchte seiner Stu- 
dien über die heiligen Schriften. Die von seinem Freund 
Widmer veröffentlichten posthumen Arbeiten umfassen 
' Rande, denen später noch zwei weitere angefügt wor- 
den sind. Gügler starb am 28. Februar 1827 im Alter von 
■*i6 Jahren. 

Neben den eben genannten Theologen hat die katho- 
lische Schwei/, im 19. Jahrhundert mich eine Menge an- 
derer aufzuweisen gehabt, die ebenfalls Erwähnung ver- 
dienten. Wir begnügen uns aber mit der kurzen Nen- 
nung von Theologieprofessor Schlnmpf in Luzern. Doni- 
t'fupst Tauner in Luzern ; Rischof Greith von St. Gallen, 
der uns mit philosophischen, theologischen und histori- 
schen Arbeiten von grossem Wert beschenkt hat : Kar- 
dinal Mermillod. Üisehofvon Lausanne, dereinerder glän- 
zendsten Kanzelredner des 19. Jahrhunderts gewesen ist. 

8. Rechtswissenschaft. Von einer Fliege der Jurispru- 
denz kann in der Schweiz erst seit dem 16. Jahrhundert 
gesprochen werden. Die ersten Junger dieses Wissens- 
zweiges — Amerbacli. Basilius, Claudius und Cantiuncula 
in Basel. Konfidius, Dionysius und Jacobus Gothofredus 
in Genf -- beschränkten sich noch ganz auf die Verbrei- 
tung der ruf io scripta. Selbst hundert Jahre später wird 
das einheimische Recht noch vernachlässigt. Zu dieser 
Zeit sab man sich mit Vorliebe dem Studium des sog. 
natürlichen Rechtes hin, für welches in Rasel (17(16) und 
•n Zürich (1724) eigene Lehrstühle eingerichtet wurden. 
Immerhin werden auch einige lokale Gewohnheits- 
rechte gesammelt, aufgezeichnet und kommentiert, so 
der Coutumier du Payt de Vaud von Pierre Quisard 

I.Vri . seit 1756 kommentiert durch Jacques Francois 
''•«Tve; die Vit et coutuntes de la sottveruhiete dr Xeu- 
•hitelet Valangin von Osterwald ( 1,785): der Gmnmen- 
l'Hresur te» Statuts valaisatts von Ktienne de Torrente. 



Historische oder dogmatische Arbeiten sind selten, doch 
haben wir für jene Zeiten beachtenswerte Werke von 
Jakob Leu (11189-1768). Emmanuel von Haller (1735-I78l!i 
und Göttlich Walther 1 1738-1805). Gleichzeitig mit der 
zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgten Gründung 
mehrerer Rechtsschulen verlegte man sich auch auf das 
Studium des vaterländischen Rechtes, das an Intensität 
gewann, nachdem Bern sein « Politisches Institut * (1787) 
eingerichtet hatte und Zürich (18117) diesem Reispiel 
gefolgt war. I'nter dem Linfluss des Auslandes nahm 
die wissenschaftliche Erforschung des schweizerischen 
Rechtes einen grossen Aufschwung, dank namentlich 
den Arbeiten von Friedrich Ludwig Keller fl799-l860i, 
Joh. Kaepar Rluntschli (1808-1881 ), Kasimir PfyfTer (1794- 
1875), Philipp Anton von Segesser (1H17-1888). Jakob 
Leuenberger ( 1823-1871 1. Francois Rellin 1 1776-1836i. 
Charles Le Fort 1 1821-18*8), Henri Florian Calame <I807- 
186:1). Henri Jacottet. (1828-1873). 

9. Natiiiiwi.ssknschaktkn. Seitdem Beginn de» 18. Jahr- 
hundert« haben wie alle Wissenszweige auch die 
Naturwissenschaften einen sehr grossen Aufschwung 
genommen. 1746 entstand in Zürich eine Physikalische 
Gesellschaft, ungefähr zur selben Zeit in Basel eine 
Societas phgsxco -mathematiro- botitnieo - utedica, und 
einige Jahre später wurden auch in (.ausatme (1783). 
Bern (1786) und Genf (1790) Vereinigungen von Natur- 
forschern gegründet. In Bern hatte man 1797 den Ge- 
danken gelasst, eine allgemeine schweizerische Naturfor- 
schcrgcsellsrhaft zu stiften, doch vereitelten die kurz da- 
rauf eintretenden politischen Ereignisse die Durchführung 
dieses Planes. So entstand erst 1815 in Genf die Allge- 
meine Schweizerische Gesellschaft für die gesamten 
Xalvrwissenschaften, die als natürlicher Sammelpunkt 
der schweizerischen Naturforscher und der Freunde 
der Naturwissenschaften alljährlich in einer Stadl un- 
seres Landes zu tagen pflegt. An diesen Versammlun- 
gen, die für gewöhnlich drei Tage dauern, werden die 
auf die Entwicklung der Naturwissenschaften in der 
Schweiz bezüglichen Fragen besprochen und diskutiert, 
Vorträge gehalten, neue Ergebnisse der Studien und 
Forschungen der Gesellschaftsmitglieder mitgeteilt etc. 
Gewisse Sektionen veranstalten nach Schluss der Tagung 
auch noch wissenschaftliche Exkurstonen. Die Gesell- 
schaft w ird durch ein aus fünf Mitgliedern bestehendes 
und auf eine Dauer von je 6 Jahren ernanntes Zentral- 
komitee, sow ie einen jeweiligen Jahresvorstand verwallet, 
welch' letzterer aus der Ortschaft oderdem Kanton, wo die 
letzte Jahresversammlung stattgefunden hat, bestellt wird. 
Bis 1835 blieben diese Versammlungen in ihrer Gesamtheil 
einheitlich ; dann aber begannen sich die wissenschaft- 
lichen Mitteilungen derart zu häufen. da«s man sich zur 
Einrichtung von verschiedenen Sektionen genötigt sah. 
Heute bestehen deren sieben: Geologie und Mineralogie, 
Botanik, Zoologie. Chemie. Physik und Mathematik, 
Ingenieurwissenschaften, Medizin. Mit der stets zuneh- 
menden Milgliederzahl und den an Zahl wie Bedeutung 
ebenfalls stetsfort anwachsenden wissenschaftlichen Ar- 
beiten sah sich die Gesellschaft nach und nach zur Be- 
stellung von Spezialkommissionen veranlasst, deren jeder 
die Durchlührung einer bestimmt nmsehriebenen wissen- 
schaftlichen Aufgabe zufallt. Zur Zeil bestehen 15 solcher 
Kommissionen : Bibliothek-Kommission. Denkschriften- 
Kommission, Kommission der Schlälli-Stifluug. Geolo- 
gische Kommission imit einer Kohlen-Kommission und 
einer geotechnischen Kommission als Unterabteilungen), 
Erdbeben- Kommission, Geodätische Kommission, Glet- 
scher-Kommission. Limnologische Kommission, Flusa- 
Kommission, Kommission für schweizerische Krvptoga- 
rncnOora. Kommission für dasConciltum Bibliographicum, 
Kommission für das naturwissenschaftliche Beisestipen- 
dium, Kommission für heimatlichen Naturschutz. Jede 
dieser Kommissionen staltet einen jahrlichen Bericht au 
die erste Hauptversammlung der Gesamtgesell schalt ab. 
Seit 1815 erseheinen die Verhandlungen der Schweizeri- 
sche Satur furschenden Gesellschaft (französischer Titel: 
Arles de laSociete helvetii/ue des Soeuces naturelles), in 
denen die Protokolle. Berichte und — seit der neueren 
Zeit — die in den allgemeinen Versammlungen gehaltenen 
Vorträge abgedruckt sind. Ein kurzer Bericht über die 
Verhandlungen der t.esellsehaft erscheint alljährlich auch 



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SCIIW 



in den Archive* de* Scieiu-e* phytlque* et naturelles von 
Genf. Seil IKI7 gab dir Gesellschaft während einiger Jahre 
einen Xtittirwitncn*chal ttichen Anzeiger heraus, dessen 
Nachfolge 1823 und 1821 die Annalen übernahmen. Seil 
1829 erscheinen endlich die l)enk*ehriften oder .llei/ioirr«, 
eine Sammlung; von wissenschaftlich«'!! Arbeiten von Ge- 
sellschaflstuilglicdcrn, die zusammen einen hochbedeut- 
sameu Bei trag zur Nalurgeschirhie der Schweiz darstellen. 
In neuester /eil f Iti0*i. 07) tragt sich ilie Dcnksrhrifleii- 
Kommission mit dem Gedanken, eine neue Zeitschrift. 
Schweizerische nn 1 urtei ssetwehaf tltch->iia thematische Be- 
richte, ins Leben /u rufen, der voraussichtlich vom eid- 
gcn. Departement de* Innern eine kräftige Forderung /ti 
Teil werden dürfte. Bis 1860 sah sich die Gesellschaft 
auf ihre eigenen Mittel angewiesen, die in der Summe 
der Mitgliederbeilräge bestanden. Als dann aber neue 
und auch für weitere Kreise nutzbringende Aufgaben an 
tlie Gesellschaft herantraten, die dringend die Eröffnung 
von neuen finanziellen Hilfsquellen erforderten, sprang 
der Hund bereitwillig mit einer jäht liehen Subvention 
ein. Heute verausgabt er an Subventionen für von der 
Gesells« halt ernannte Kommissionen jedes Jahr 50000 Fr. 
Der 18153 gestorbene Dr. A. Sehläfli ans Burgdorf vergabte 
der Gesellschaft sein ganzes Vermögen unter der Bedin- 
gung, dass die Zinsen zur Ausrichtung von Preisen an 
solche naturwissenschaftliche Arbeiten verwendet werden 
sollten, die einer klingenden Anerkennung würdig sind. 
Das Fondskapital dieser sog. Schläfli-Stiflting belauft sich 
heute auf I / IM) Fr. Der Schiall i preis wird alle zwei 
Jahre ausgerichtet. Die preisgekrönten Arbeiten bleiben 
Eigentum der Ge-ellschah und werden in den Denk- 
schriften oder nach L'ebereinkunft auch anderswo (/.. II. 
in den Heilragen nie geologischen Karte der Schweiz) 
veröffentlicht. Die Schweizerische Nalurforsrhende Ge- 
sellschaft zahlt gegenwartig 8HÜ Aktiv- und 7~> (Ehren- 
mitglieder. Sie besitzt in Hern eine bedeutende und 
wertvolle Bibliothek, die sich alljährlich durch zahlreiche 
Schenkungen und eine geringe Zahl von Ankaufen ver- 
mehrt. 

Die im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
in der Schweiz unternommenen grossen wissenschaft- 
lichen Arbeiten auf dem Gebiete der Naturforschung 
stehen in direktem Zusammenhang mit der Tätigkeit 
der Schweizerischen NatuiTorschenden Gesellschaft. Von 
diesen l'ntersuchungen seien folgende genannt : I) die 
Erkenntnis und der Nae-.ueis iler ehemaligen weiten 
Verbreitung der Gletscher, d. h. einer einstigen grossen 
Eiszeit, die von den Geographen und Geologen der Neu- 
zeit in mehrere abwechselnde Vorst«*«- und Rückzugs- 
phasen eingeteilt wird; 2) die l'ntersuchungen über die 
Gletscher der Jetztzeit und im besondern über ihre perio- 
dischen Schwankungen ; 3) die seil 1861 von der schwei- 
zerischen Geodätischen Kommission veranlassten geo- 
dätischen Aufnahmen und Studien, deren Zweck die 
Mitarbeit an der internationalen Gradmessung zur ge- 
nauen Bestimmung der ("testall der Erde ist ; 4) meteoro- 
logische Studien in der Schweiz, mit denen die 18b"3 er- 
folgte Einrichtung der schweizerischen Meteorologischen 
Zentialanstalt in Zürich und deren bisherige Tätigkeit 
untrennbar verbunden erscheint ; 5| die von F. A. rorel 
ins Leben gerufenen Studien über die physikalischen, 
chemischen, biologischen und allgemeinen naturhisto- 
rischen und geographischen Verhältnisse der Seen ; 
6) die geologische Erforschung des Bodens und Felsge- 
rüstes der Schweiz, die von zahlreichen Geologen priva- 
tim und im Besondern von der schweizerischen Geolo- 
gischen Kommission an Hand genommen worden ist. 
Dies«' letztere hat die '2T> Blätter der Dufourkarte in 
1 : 100000, sowie eine Heihc von Blättern des Siegfried- 
atlas in 1 : 25000 und 1 : 50000 geologisch aufnehmen 
und kolorieren lassen. Als erklärender Text zu diesen 
Kartenblättern dienen die zum Teil sehr umfangreichen 
Bände der Heitiitge zur geoloi/ixchen Karle der Schweiz 
(Malet itniT jutur In carte genlogigue ile In Snix*c\, von 
denen bis jetzt in erster Serie 30, in zweiter 17 und in 
dritter (der sog. geotechnischen Serie) 3 Lieferungen ver- 
öffentlicht worden sind. 

Neben der schweizerischen Muttergesellsrhafl bestehen 
Doch eine Beihe von kantonalen und lokalen Gesell- 
schaften, die sich der Pflege und der Popularisierung 



der Naturwissenschaften widmen. Solche kantonalen 
und lokalen Gesellschaften zählen wir zur Zeit zwanzig, 
die sich auf folgende Kantone verteilen: Aargau. Basel 
Land und Basel Stadt. Bern, Freiburg, (ienf. Glarus. 
Graubünden. Luzern. Neuenburg, St. Gallen. Scbaff- 
| hausen. Solothurn. Tessin, Thurgau, Waadt. Wallis, 
i Zürich (Naturwissenschaftliche Gesellschaft Winterthur. 
i NatuiTorsehcnde Gesellschaft und l'hysikalisrhe Gcsell- 
i schaft in Zürich). Alle diese Gesellschaften zusammen 
i zählen 3450 Aktiv- und 390 korrespondierende und Ehren- 
mitglieder. Jede einzelne lässl sich an den Versamm- 
lungen der schweizerischen Mutlergesellsrhafl durch 
Abgeordnete vertreten und stattet einen Bericht über 
ihre Tätigkeit wahrend des abgelaufenen Jahres ab. Die 
Mehrzahl veröffentlicht eine Zeitschrift {Mitteilungen. 
Jahrbuch, Vierteljnhrtttchrift, Bull lux, Memoiren etc. 
mit den Silzungsprotokollen und Originalarheiten von 
Gesel I scha ftsm i tg I ied e rn . 

Als Tochtergesellschaften und permanente Sektionen 
der Schweizerischen Naturforschcziden Gesellschaft 
haben sich 1882 die schweizerische geologische. 1890 die 
schweizer, botanische, 1894 die schweizer, zoologische. 
1901 die schweizer, chemische und 1902 die schweizer, 
physikalische Gesellschaft konstituiert, die alle ihre Jahres- 
versammlung gemeinsam mit derjenigen der Mutterge- 
sellsehafl abzuhalten pflegen. Einzig die schweizerische 
chemische Gesellschaft versammelt sich noch alljährlich 
für sich in einer der verschiedenen Schweizerstadte. Die 
schweizerische geologische Gesellschaft gibt seit 1888 die 
Eclogar geolfujicae llclceliae heraus, eine Zeitschrift mit 
grosseren und kleineren Arbeiten. Notizen etc. zur Geo- 
logie der Schweiz : tlie schweizerische botanische Gesell - 
schalt veröffentlicht einen Jahresbericht (liuttetiiu, wäh- 
rend das Organ der schweizerischen zoologischen Gesell- 
schaft, die llevue sutsxe <te Zoologie, seil 18ttt in Genf 
erscheint. Ausserhalb des Kreises der schweizerischen 
Natur forschenden Gesellschaft bestehen in der Schweiz 
noch zwei weitere Gesellschaften mit naturwissenschaft- 
lichen Tendenzen : 1) die Schweizerische entomologische 
Gesellschaft, die aus dem Jahr 1858 stammt und über 
ihre Arbeiten jedes Jahr einen Bericht {Bulletin) heraus- 
gibt, und 2) die Schweizerische paläontologische Gesell- 
schaft, die 1874 gegründet wurde und einzig aus den Abon- 
nenten ihrer Abhandlungen (Memoire*) besteht i bis jetzt 
32 Bände erschienen). Zu nennen bleibt noch ein letzte» 
Organ, das der naturwissenschaftlichen Tätigkeit in un- 
serm Lande dient: die seit 1840 in Genf erscheinenden 
Archive» des tetence* phifsigues et naturelle*. Im Eidge- 
nössischen Polytechnikum, ihren 6 Universitäten und 
der Akademie Neuenbürg besitzt die Schweiz Mittel- 
punkte des naturwissenschaftlichen Hochschulunlorrich- 
tes. deren Professoren — zur Mehrzahl schweizerischer 
Herkunft — geineinsam mit zahlreichen weitern Gelehr- 
ten und mit Liebhabern das weite Gebiet der Natur- 
wissenschaften würdig vertreten. (Vergl. zum Vorstehen- 
den : Siegfried, J. (ie*chichle iler Schweizer. Snlnrfornch. 
CenelUcha/t. Zürich 181m. — Abschnitt Siilurwissen- 
schaften von Th. Studer in Seiopel's Sammelwerk : Ltie 
Schweiz im Iii. Jahrhundert. Lausanne und Bern 1900). 

Es ist sehr schwierig, aus der grossen Zahl der be- 
rühmten schweizerischen Vertreter der Naturwissen- 
schaften eine allen Ansprüchen gerechte Auswahl zu 
treffen. Indem wir den \ ersuch machen, wollen wir fol- 
gende der Neuzeit angehörende Namen auffuhren : von 
Chemikern C. F. Schonbein (1799-18081. E. Kopp (1817 
bis 1875* und J. C. G. de Marignac (18I7-189K Viktor 
Merz M839 I9U4); von Phvsikem Aug. de la Bive .flSTSi. 
Albert Mousson il805-18ü0t. Louis Dufour ( IS32-18M5 . 
J. L. Soret (1827-18901 und dessen Sohn Charles Soret 
<1854-I90ii; von Botanikern J. Hecetschweilerf 1789- 1839 1. 
Aug. Pvr. de Candolle (1778-lKll) und dessen Sohn Al- 
i phonse'de Candolle (180ß-1893i. J. Muret < 1799-1877). Gh. 
I II. Gudet 11797-1879). thtwald Heer ( ISII9- 1SS3). Kdrn. 
Boissier 1 1810 - l«85l. K. Nägeli (1817-1891'. L. Favrat 
( 1 827-1 «Kl Aug. Gremli (1833-1895»), C. E. Gramer (1831 
l bis 11*11 ). Marc Mieheli i !84V-1902t; von Anatomen \V. Iiis 
(I831-I5«rti; von Zoologen II. K. Schinz i1777-|80| ;. Louis 
Agassi* ( 1807- 1872*. Ed. Claparede, Karl Vogl. Leop. Huti- 
meyeril825-|895i. Henri de Saussure (|82»-I905[. V. Fa- 
I tio ';-; lOOÜi; von Geologen und Paläontologen Jules Thur- 



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II 1.1 



mann |l804-ia*oi Amanz Grcsslv ( 1814 - 1865), Arnold 
Kschervnn der Linth (1H07-1872I. K.J. Pirlet «Je la Rive 

lnö-ISTTIi. Peter Merlan | I71&-I883). Bernhard Studer 

l7i*4-lKK7i. Ed. Resorl IM 1-18821, J. H. Greppin (1810 bil 
MM). Alb. Muller (I8H>-IK90>. V. Gillieron (1810-1800), 
Alph. Favre { 1815- 1890». F. J. Kaufmann 11825-18112». Aug. 
Jaco.ird, IX«- I «!»."... Leon Du Pasquier I t8GV-IHS>7>. II. Gosse 

IK<1 l'Xth. Karl Moesch IS27-18U8). Franz Lang (1821 Ins 
IX*» . Edm. von Feilender« (1838-1901), Bugen Renevier 
ilKtt-IOiitP. Charles Maver-Evmar ( I82o-PJ»>7i ; von Astro- 
nomen E. Plantamour M8I5-18821. Hud. Wölf (1816-1808), 
Alfr. Hirsch ( I831MM01 ). Charles Rnfour (I827-I902) ; von 
Meteorologen Rob. Rill willer (1849-1905); von Altertums- 
forschern Ferdinand Keller 1 1 SU (-1881 1 ; von Geographen 
\rnold Cuvol <I807-|SHL. Job. Jak. EMI (1835-1896) und 
Paul Chaix 1808-19(11 1. 

|Kei>«kti"> in Verbindung mit verschiedene» Mitarbeitern]. 
F KOXFKSSIONKX. Einleitung. In religiöser Hin- 



Schweiz herrscht der Protestantismus Im alten Kantons- 

leil von Genf, in der Wuadt. in Neuenbürg und im süd- 
lichen Hemer Jura, wahrend «las Wallis, last der ganze 

Kanton Freiburg, die neu mm Kanton Genf gekommenen 

Gemeinden und die ehemals /um Kurs! Ins) tun Kasel ge- 
hörenden (lebiete des Hemer Jura dem Katholizismus an- 
hängen. Die italienischen Schweizer des Tessin, des Ca- 
lancatbales und der Mcsolcina sind katholisch, diejenigen 
des Bergell reformiert und diejenigen des Poschlav IciIh 
reformiert, teils katholisch, zur Mehrzahl aber letzteres. 
Dif Hatoromanen des Kundner Oberlandes gehören dein 
Katholizismus, diejenigen des | ngadin Unit Ausnahme 
von Taraspi dem Protestantismus an. llas Munslerthal 
endlich ist religiös gemischt. 

Zu beachten ist. dass gewisse Kantone nach der Refor- 
mation ganz katholisch geblieben oder es wieder gewor- 
den sind. Diese Kantone Tri. -chwyz. Cnterwalden, 
Luzern, Zug. Appenzell I. lt.. Tearia und Wallis — zahlen 




nrfmtni »fmatl MjttaOh 



Vorteile ig der Geistlichen in'der Sehwsil (na^-h der^eidjf. Volkszählung roa UWÜt. 



■ichl ist die Schweiz ein gemischtes Land, indem die 
Protestanten t Reformierten) etwa 58 die Katholiken 
II ''„und die Israeliten, sowie die Angehörigen anderer 
Konfessionen und die Konfessionslosen rund I "/„derfie- 
-.initltevolkcmngausmachen. Dastiebiel der katlndisehen 
Schweiz ist räumlich umfangreicher als dasjenige der 
reformierten Schweiz, weist aber eine kleinere Itevolke- 
rnng-zitTer auf. weil es die Berglandschaften der Alpen in 
•»ich schliefst. Hie Verteilung der Religionen und Kon- 
fessionen in der Schweiz erscheint ganz unabhängig von 
den geographischen und sprachlichen Verhältnissen des 
Landes, indem sich Deutsche. Franzosen. Italiener und 
Rätoromanen auf die beiden hauptsächlichsten christ- 
lichen Konfessionen verteilen. Wahrend der alle Kanlons- 
teil von Kern, Zürich, (ilarus, Hasel. SehalVhausen, 
Appenzell A. R-, der westliche Aargau. der Thurgaii und 
Graubünden zum grossten Teil oder fast ganz refor- 
miert sind, gehören die t'rkantone Tri, Schwyz und 
I nvrwaldcn, sowie Luzern, Zug, Sololhurn, Appcn- 
«11 I. Ft., der ostliche Aargau und der grossere Teil von 
St. Gallen dem katholischen Glauben an. In der welschen 



keine einzige Gemeinde mit reformierter Majorität der 
Bevölkerung. Ras gleiche gilt nicht für die reformierten 
Kantone, indem diese mit Ausnahme des alten Itasei (vor 
der Annexion des Hczirkcs Arlesheim im Jahr 1815) und 
von Appenzell A. R. alle mindestens je eine oder zwei 
katholische Gemeinden aufweisen. F)ie religiös gemisch- 
ten Kantone Aargau. Thurgau, St. Gallen, Graubünden 
und Genf sind ehemalige rntertanenlatider oder Ver- 
handele der Eidgenossen. Interessant ist die Tatsache, 
dass in mehreren von ihnen trotz der ungleichen Anzahl 
von Anhängern der einzelnen Konfessionen in politischer 
Hinsicht bis in die neuere Zeit hinein Parital bestanden 
hat. 

Die geographische Verbreitung der Religionen unter- 
scheidet sich heute wesentlich von den Verhaltnissen Zill- 
Zeit der Reformation. Die von der schweizerischen Bun- 
desverfassung anerkannte und gewährleistete Gewissens- 
und Glaubensfreiheit, das Recht der freien .Niederlassung, 
die freie Ausübung von Handwerk, Gewerbe und Industrie 
haben die Bevölkerung der einzelnen Kantone auch in 
religiöser Hinsicht stark beeiuQuSSt (vergl. die Karte der 



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"Verteilung der Bevölkerung jeden Bezirkes auf die Kon- 
fessionen >. im eisten Hand der Ergphniwe der eidgenös*. 
Volktziihlutuj nnit /. Dnmilw 1lMHi und für die Einzel- 
heiten die den einzelnen Kantonen gewidmeten Mono- 
graphien unsere« Lexikons). 

I. Photestantis«:he Kirche. Die protestantischen Kir- 
rhen der Schweiz sind, mit Ausnahme der (Gemeinschaf- 
ten der Brüde rgeineine (Herrnhuler) und der beiden lu- 
therischen Gemeinden von Genf und Montreux, welch' 
letztere zur Hauptsache aus Landesfremden sich zusam- 
mensetzen, evangclisrh-rcformierter Konfession. 

Die grosse Mehrzahl der Protestanten gehört den kan- 
tonalen Landeskirchen an. denen auch die in katholi- 
schen Landen bestehenden protestantischen Kirchgcnos- 
senschaften mehr oder weniger direkt angegliedert sind. \ 
Daneben bestehen aber auch noch bedeutende freie Kir- j 
chen und zahlreiche Sekten. 

1. LüMtenkirvhrtt. Ks bestellen zur /eil in der Schweiz. 
15 kantonale Landcskii-chen : Aargau. Appenzell A. It., 
Dasei Stadt, Hasel Land, Hern. Freiburg, Genf. Glarus, 
Graubünden, Neuenbürg, St. Gallen. SchalThausen, Thur- 
gau. Waadt. Zürich. Die vier reformierten Solothurtier 
Kirchgemeinden im Buchcggherg sind der Hemer Lan- 
deskirche angegliedert. Die Verfassung und Organisation 
der verschiedenen l^andeskirchen weist, neben einer ge- ■ 
wissen Anzahl gemeinsamer Züge, von Kanton zu Kanton 
ziemlich fühlbare Unterschiede auf. Da wir an dieser 
Stelle selbstverständlich nicht in alle Einzelheiten der 
Kirchenorganisation eingehen kennen, wollen wir uns 
auf die Nennung der hauptsächlichsten Punkte beschrän- 
ken. 

Die geschichtliche Entwicklung der Deformation in 
der Schweiz hat die Hegierungen der sechs protestanti- 
schen Kantone (Zürich, Hern, Hasel. SchalThausen. Gla- 
rus. Appenzell A. It.) und der verbündeten Stadt St. Gal- 
len ganz folgerichtig dazu geführt, sich selbst an die 
Stelle des Papstes und der Uiscbofezu setzen und damit die 
Leitung der Kirche in die Hand zu nehmen. Zu gleicher 
Zeit führte man die aus allen Geistlichen des Kantons be- 
stehenden Synoden ein. die in allen wichtigen Angelegen- 
heiten befragt werden inussten und das Hecht hatten, 
ihre Wünsche den Zivilbchorden zu unterbreiten. Als 
dann aber die Kcgierungsform der einzelnen Kantone 
sich mehr und mehr aristokratisch und autoritativ gestal- ■ 
lete, wurden die Befugnisse der Synoden auf rein religiöse \ 
Fragen eingeschränkt und ihre Autorität soweit geschma- ' 
lert, dass man sie z.H. in Hern und Hasel überhaupt nicht j 
mehr versammelte. Auf diese Weise bildete sich in den 
Städtekanlonen eine Staatskirchc im absoluten Sinne des 
Wortes heraus. In Glarus und Appenzell A. H. wurde die 
Landsgemeinde zur obersten Autorität auch für die kirch- 
lichen Angelegenheiten. In Graubunden, wo die Zentral- ; 
^ewalt der drei Hunde stark eingeschränkte Machtbe- 
fugnisse hatte und die konfessionellen Fragen gleich von 
Anfang an der Hcsrhlussfassung der Gemeinden unter- 
stellt gewesen waren, erfreute sich die Synode der refor- 
mierten Geistlichen einer nahezu voll igen Unabhängig- 
keit, indem ihre Siivcränität in Kirchensachen einzig 
durch die. allerdings ziemlich ausgedehnten, Hechte der 
Pfarreien beschrankt wurde. In Genf teilten sich in die 
Oberleilung der Kirche die « Gompagnie des pastcurs » 
und das Konsistorium, das aus den sechs Staatpfarrern 
und 12 vom Kleinen Hat ernannten Laienmitgliedem be- 
stand. In Neuenburg endlich lag die Leitung und Ver- 
waltung der Kirche ausschliesslich in den Händen der 
u V6n£rable Classe U'.ompagnic des pastcurs die sehr 
eifersüchtig über ihre Hechte und Privilegien wachte 
und mit dem seine Suveränität sorgfältig wahrenden 
Staatsrat oft in Konllikt geriet. Auch die iNft durch die 
Mediationsakte gegründeten neuen Kantone ordneten 
ihr Kirchenwesen : St. Gallen und Thurgau schufen 

i'e eine aus Geistlichen bestehende Synode mit rein 
onsullaliver Stimme und einen Kirchcnrat. dessen 
Laien- und geistliche Mitglieder von der Regierung ge- i 
wählt wurden; der Aargau begnügte sich mit einem 
Kirchenrat; im Kanton Waadt richtete man wieder die 
. r > ii Klassen i' «Versammlungen von Geistlichen aus den | 
fünf Landschaften des Kantons)ein. dieschon im Mi. Jahr- i 
hundert eingeführt, von der Hemer Regierung aber rasch 
wieder aufgehoben worden waren. Liese Klassen blic- I 



ben reine konsultative Verbände, da der Staatsrat einzi- 
ger und tatsächlicher Herr der Kirche war. Infolge der 
demokratischen Bewegung von 1830 räumte man in ver- 
schiedenen Kantonen den Kirchensynoden eine grossere 
Kompetenz ein und gewährte der Kirche eine gewisse 
Selbständigkeit; doch unterzogen die Kantone erst nach 
der Aufrichtung der neuen Kidgenossenschaft von 1848 
einer nach dem andern ihre Kirchengeselze einer Re- 
vision im Sinne einer bessern Anpassung an die moder- 
nen Ansichten. Die Kirche erhielt so eine demokratische 
Verfassung und damit zugleich eine grössere Selbständig- 
keit. Das jüngste der gegenwärtig in Kraft stehenden 
Kirchengesetze ist dasjenige von Zürich ( 1HÜ2 ). Hasel 
Land behilfl sich ohne Kirchengesetz. SchafThausen siebt 
sich in einer ganz eigenartigen Lage: wahrend die Ver- 
fassung von 187tS eine neue Organisation der Kirche vor- 
aussieht und dieser eine nahezu völlige Selbständigkeit 
gibt, wurde das von der konstituierenden Synode im Jahr 
1877 ausgearbeitete Kirchengeselz vom Grossen Rat nicht 
genehmigt. Damit bleibt immer noch das eine Staatskirche 
im strengsten Sinne des Wortes festsetzende alte Gesetz 
in Kraft, allerdings nur soweit, als seine Bestimmungen 
nicht in direktem Widerspruch zu den neuen Verfas- 
sungsgrundsäizen stehen. 

Im Allgemeinen sind die Kompetenzen der Zivil- und 
Kirchenbehörden folgendermassen ausgeschieden : Die 
rein kirchlichen oder innern Angelegenheilen (Organi- 
sation des Gottesdienstes und des Religionsunterrichtes, 
liturgische Fragen. Gesangbücher etc. i werden von den 
kirchlichen Behörden der Pfarrgemeinden oder der Kan- 
tone behandelt, die sie entweder von sich aus endgiltig 
erledigen oder dann der Begutachtung durch den Staat 
unterbreiten müssen. Fragen gemischter Natur (Verwal- 
tung der Kirchengüter, Besoldung der Pfarrer, Umgren- 
zung der Kirchgemeinden i werden auf Anzeige von 
Seiten der Kirchenbehörde hin von den Zivilheliörrien 
erledigt. In einigen Kantonen (Appenzell. Glarus. Frei- 
burg, St. Gallen, Thurgau, Zürich) ist die Selbständig- 
keit der Kirche so gross als nur möglich und die Kirche 
daher eine wirkliche Volkskirche; in den Kantonen Aar- 
gau, Hern. Hasel Stadt, Genf und Neuenburg besteht 
eine Mischung von Staats- und Volkskircho, während 
in Graubünden und der Waadt selbst in allen rein 
kirchlichen Fragen das Placet des Staates eiugeholt 
werden muss und die Kirche daher eine reine Staats- 
kirche ist. 

Stimmfähig in kirchlichen Angelegenheiten sind alle 
Schweizerburger, die in bürgerlichen Hechten und Ehren 
stehen und sich zur reformierten Konfession bekennen. 
In den meisten Kantonen der deutschen Schweiz steht es 
jedem Kantonsbewohner unter Berücksichtigung von ge- 
wissen Bedingungen frei, seinen Austritt aus der lindes - 
kirchezu erklären: in diesem Falle erlischt seine Stimm- 
fähigkeit in kirchlichen Angelegenheiten und wird von 
ihm auch keine Kirchensteuer mehr erhoben. Appenzell. 
Neuenburgund die Waadtgewahrendaskirchliche Stimm- 
recht auch solchen Ausländern, die seit einer bestimmten 
Reihe von Jahren im Kanton niedergelassen sind. 

In den einzelnen Kantonen sind die Rechte der Kirch- 
gemeinden verschieden. Im allgemeinen wählen sie. d.h. 
die Gesamtheit dei in kirchlichen Angelegenheiten stimm- 
fähigen Hurger die Pfarrer und die kommunalen. Bezirks- 
und kantonalen Kirchenbehorden. In einigen Kantonen 
steht ihnen auch das Hecht der Einsprache zu in allen An- 
gelegenheiten, die die von den kantonalen Kirchenhehör- 
den zugelassenen Liturgien, kirchlichen Gesangbücher 
uud Lehrmittel für den Religionsunterricht het reifen. 
Die kirchliche Behörde der Pfarreien besieht aus einem 
Kirchgemeinderat. dem der Ortspfarrcr von Amtes wegen 
angehört und der verschieden benannt wird: Kirrhenpflege. 
Kireheiivorstehersehaft. Kirchenä Beste, Couseil de pa- 
roisse, College d'anciensetc. Diese Kirchenpflege ordnet 
den Gang des Gottesdienstes innerhalb der Schranken der 
Gesetze und Verordnungen, uberwacht die Ausübung der 
dem Pfarrer zufallenden Funktionen und beschäftigt sich 
neben der amtlichen Armenunterstützung von Seiten der 
Gemeinde mit dem Armen- und Unlerstutzungswesen. 

Im Kanton Zürich bestehen Bezirkskirchenpflegen und 
im Kanton Waadt Kreiskiichenpllegen (Conseils d'arron- 
dissementi. Diese aus Geistlichen und I-aien zusammen- 



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Petiten Behörden beschäftigen sic h mit den religiösen 
Interessen «les Bezirkes oder Kreises und dienen als Ver- 
mittler zwischen den Behörden der einzelnen Kirchge- 
meinden und den kantonalen Amtsstellen, von welch' 
letztem sie um Auskunft angegangen werden und denen 
sie Wunsche und Vorschlage unterbreiten können. In 
Grauhünden fallen diese Rechte und Pflichten den sog. 
Kolloquien, d. h. den Bezirksversammlungen der Geist- 
lichen zu. In den Kantonen St. Gallen. Thurgau und Zü- 
rich bilden die Geistlichen eines jeden Bezirkes ein sog. 
Kapitel, das sich zur Behandlung von theologischen und 
religiösen Fragen alhährhch regelmässig versammelt und 
dem das Hecht zusteht, der Synode Vorschlägt- zu unter- 
breiten. Der einem solchen Kapitel Vorsitzende Pfarrer 
führt den Titel Dekan und hat einige besondere Kompe- 
tenzen 

All.- I^intleskirchen haben als Zentralorgan eineSjuode 
im Genf • Konsistorium» gehcissen) von Geistlichen und 
Laieomilfliedem. die in der Mehrzahl der Kantone von 
dm Kirchgemeinden auf eine Amtsdauer von 3. 4 oder 
<i Jahren gewühlt werden. Bas Zahlenvcrhällnis zwischen f 
den geistlichen unil den Laienmitglicdern der Svnoden 
wird in den Kantonen Basel Stadt, Freiburg. Glarus', Genf, 
Neuenbürg, Thurgau und VYaadt durch das Gesetz gere- 
gelt. In Grauhünden setzt sich die Synode aus allen am- 
tierenden Pfarrern und den vom evangelischen Grossen 
hat. d. h. den reformierten Grossräten gewählten Laien 
;ucammen. In der Waadt werden die Mitglieder der 
Synode von den Kreispflegen gewählt. In Basel Stadt. 
Srhaflhauaen und im Aargau wird durch Gesetzo eine 
Versammlung sämtlicher Geistlicher dca Kantons ange- 
ordnet, die von der Svnode angefragt werden kann und 
das Becht hat, dieser Vorschläge zu unterbreiten. In der 
nämlichen l-ago betindel sich in Genf die? «Compagnie 
de* pastcurs » gegenüber dem Konsistorium. 

Die kirchliche Oberhehörde bildet ein Bai mit einer 
beschränkten Anzahl von geistlichen und Laienmitglie- 
dern, die entweder von der Synode allein oder dann zum 
tinen Teil von der Svnode und zum andern von der Re- 
gierung ernannt werden. Je nach den Kantonen sind die 
Kompetenzen und die Stellung dieser Oberbehörde gegen- 
über der Regierung verschieden. Die Behörde führt in 
Jrti Kantonen Appenzell. Basel Stadt, Grauhünden. St. Gal- 
len, Schaffhausen. Thurgau und Zürich den Namen 
Kircbenrat. in Bern Synodalrat .Conseil synodal i, in Frei- 
Imiy und der Wandt Commission synodale, in Glarus 
Kirrhenkommission, im Aargau Synodalausschuss, in 
Neuenburg Bureau du Synode, in Genf Gommission 
«•ifcutive. Der Präsident oder der geistliche Vizeprä- 
sident des Kirchenrates führt in Basel und Srhaffhau- 
s»n den Titel Anlistes und in Graubünden den Titel 
Dekan. Biese Kirchenräte oder Ausschüsse vollziehen 
die Beschlüsse der Svnode, üben die Oheraufsicht über 
das ganze kirchliche Leben, beschliessen über die Zu- 
lassung und Wählbarkeit von Geistlichen und regeln 
während der Zeit zwischen dem Zusammentritt der Sy- 
noden alle Verwallungsfrngen. Damit sind sie in Wirk- 
lichkeit die eigentliche vollziehende Behörde in Kirchen- 
sachen. 

Die Kirchen*re*etzc der Kantone Appenzell. Grauhün- 
den. St. Gallen und Zürich sehen auch noch sog. Mino- 
ritatsgemeinden voraus, deren Charakter und Organisa- 
tion wohl am besten aus der Wiedergabe des sie betref- 
fenden Artikels 17 des « Gesetzes betreffend die Organi- 
sation der evangelischen Landeskirche des Kantons Zü- 
richs ivom 26. Oktober 1902) ersichtlich werden dürfte: 
" Verbindet sich infolge abweichender religiöser Rich- 
tung eine Minderheit der Gemeinde zu einer kirchlichen 
(lemeinschaft mit gesondertem Gottesdienste und Beli- 
pionsunierrichl unu mit eigener Seelsorge, ohne deshalb 
au« der Landeskirche ausscheiden zu wollen, so hat die- 
selbe, falls sie mindestens den fünften Teil der Stimmbe- 
rechtigten umfasst, unter Vorbehalt des Vorrechtes der 
kirchlichen Mehrheit das Becht zu unentgeltlicher Be- 
nutzung der Kirche und ihrer sämtlichen Kultusgeräte. 
Dieses Recht ist jedoch an die Bedingungen geknüpft, dass 
die Mitglieder ihre Steuerpflieht gegen die Landeskirche 
»■rfüllen. dass sie sich in Binsicht auf die kirchlichen 
Funktionen an die Bestimmungen der kantonalen Kir- 
chenordnung halten, dass sie auf eigene Kosten einen in 



der I^indeskirche wählbaren Geistlichen bestellen und 
sich den kirchlichen Visitationen unterziehen ». 

Solche Minoritätsgemeinden haben sich zu verschie- 
denen Zeiten in mehreren Kirchgemeinden der erwähn- 
ten Kantone gebildet; einige von ihnen waren aber nur 
von kurzem Bestand und haben sich der Majorität wieder 
angeschlossen, sobald der Pfarrer, durch dessen Wahl 
die Spaltung herbeigeführt worden war. sich aus der 
Gemeinde entfernt hatte. Beute bestehen Minoritäts- 
gemeinden in Bern. Heiden (Appenzell). Chur, St. Gal- 
len. Pster und Winterthur. 

Die Pfarrer werden von den Kirchgemeinden gewählt, 
mit Ausnahme des Kantons Waadt, wo sie der Staatsrat 
auf einen doppelten Vorschlag von Seiten der Kirchge- 
meinde hin ernennt. Die Wahl erfolgt in den Kanto- 
nen Appenzell A. B.. Genf. St. Gallen. Thurgau und 
Waadt auf Lebensdauer, in Glarus auf drei Jahre, in Basel 
Land auf fünf Jahre, in Aargau, Basel Stadt, Bern, Frei- 
burg, Neuenbürg und Zürich auf sechs Jahre, in Schaff - 
hausen auf acht Jahre. In Graubünden kann ein Pfarrer 
nach sechsmonatlicher Kündigung jederzeit entlassen 
werden. Obligatorisch ist die Neuwahl in den Kantonen 
Aargau. Basel Stadt, Bern, Glarus. Neuenburg, Schall- 
hauseu und Zürich. In den beiden letztgenannten Kan- 
tonen linden die Neuwahlen für samtliche Pfarrer zur 
gleichen Zeit statt ohne Rücksicht atlfdie seit ihrer Ernen- 
nung verflossene Zeitdauer. Basel Land und Freiburg haben 
fakultative Neuwahl, indem hier ein Pfarrer stillschwei- 
gend als für eine neue Amtsdauer wieder gewählt gilt, so- 
bald die Kirchgemeinde einen formellen Wahlakt nicht ver- 
langt. In den Kantonen Appenzell, St. Gallen und Thurgau 
endlieh können die Pfarrer trotz ihrer Wahl auf Lebens- 
zeit doch in gewissen Fällen uud unter gewissen Bedin- 
gungen von der Kirchgemeinde entlassen werden. Die 
Amtxenlselzung von fehlhar gewordenen Geistlichen wird 
in den meisten Kantonen vom Kirchenrat verfügt ; in den 
Kantonen Freiburg. Glarus. Graubünden und St. Gallen 
gehört die Absetzung eines Pfarrers zu den Kompetenzen 
der Synode und in den Kantonen Genf, Neuenbürg und 
Waadt zu denjenigen des Staatsrates, wärend ein Pfarrer 
in Bern und Zürich nur durch ein gerichtliches Urteil 
seines Amtes entsetzt werden kann. In den Kantonen 
Glarus, Freiburg. Schaff hausen. Appenzell A.B.. St. Gal- 
len, Graubuiiden und Thurgau werden die Pfarrer von 
den Kirchgemeinden direkt besoldet, während sie ihr Ge- 
hali in den übrigen Kantonen vom Staat beziehen, der 
aber an einigen Orten den Kirchgemeinden die Aus- 
setzung einer Zulage zu der staatlichen Pfarrbesoldung 
erlaubt. Hilfspfarrer und Vikare werden von den kanto- 
nalen Kirchenhehörden ernannt. 

Theologische Fakultäten zur Ausbildung der künftigen 
reformierten Pfarrer für ihren Beruf bestehen au den l ui- 
versitäten Basel. Bern. Zürich. Genf und Lausanne, sowie 
an der Akademie Neuenburg. Nach vollendetem Studium 
erhalten die Kandidaten einen — in den Kantonen Genf, 
Neuenbürg und Waadt obligatorisch geforderten — aka- 
demischen Grad oder bestehen ein besonderes Schluss- 
examen. Darauf erteilt ihnen die Synode oder die oberste 
Kirchenbehörde die Ordination, die zu ihrer Wählbarkeit 
als Geistliche der Staatskirche überall unentbehrlich ist, 
mit der einzigen Ausnahme von Genf, wo aber bis heute 
ein nicht ordinierter Geistlicher ebenfalls noch nicht als 
wirklicher Pfarrer geamtet hat. 

Die Landeskirchen der Schweiz besitzen keine obliga- 
torischen Glaubenssymbole mehr, indem die Geistlichen 
bloss durch das Gelübde gebunden sind, das sie bei ihrer 
Ordination abgelegt haben und das unter Weglassung 
jeglichen dogmatischen Beiwerkes einen rein religiösen 
Charakter tragt. In Neuenburg und Genf wird die Ge- 
wissensfreiheit der Geistlichen noch ausdrücklich durcli 
das Gesetz vorbehalten. 

Obwohl die Landeskirchen einen ausschliesslich kan- 
tonalen Charakter tragen, bestehen doch zwei interkan- 
tonale Institutionen, die ein gewisses einheitliches Band 
um sie schlingen und ihre Solidarität sichern : 1 \ das 
Konkordat betreffend gegenseitige Zulassung evangelisch- 
reformierter Geistlicher in den Kirchendienst und 2» die 
schweizerische reformierte Kirchenkonferenz (Conference 
des F.gliscs reformees suisses). Das Konkordat ist am 19. 
Februar 1862 zwischen den Kantonen Aargau, Appenzell 



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A. IL. Glnrtis. Schaff hausen, St. Gullen, Thurgau und 
Zürich abgeschlossen wurden, denen sich 1870 noch Basel 
Stadl und Hanoi Land beigesellten. Ks umfasst somit die 
ganze reformierte deutsche Schweiz mit Ausnahme von 
Horn und Graubündon. hie Kirclienhehorden iler Kon- 
kordalskantoiie lies eilen eine l'rufungshehorde, die ans 
je einem Abgeordneten für jeden Kanton und einem von 
diesen kantonalen Delegierten gewählten Präsidenten be- 
steht. Die Mitglieder diefter l'rüftingsbehorde werden 
auf eine dreijährige Amlsperiode bestellt und sind wieder 
wählbar. Die Uxamensiizutigen linden jedes Jahr im 
Frühjahr und Herbst abwechslungsweisc in Kasel und 
Zürich oder einem andern Kanlonshauptorl statt. Pas 
Prüfungszciiguis verleiht das Anrecht auf die Ordination 
und auf die Wählbarkeit in sämtlichen Konkordatskan- 
tonen. Die Kantone Hern und Graiihündcn haben jeder 



Unterbrach in den Versammlungen der Konferenz ein. 
die erst |H7ö wieder einberufen wurde, diesmal zu dem 
Zwecke der Stellungnahme zum eidgenössischen Gesetz 
über den Zivilsland, bei welchem Anlass einige allgemeine 
Prinzipien aufgestellt wurden. 18SI vereinigte sich die 
Konferenz auf Einladung durch die Synodalkoiumission 
von Aarau von neuem, damals gab sie sieh eine regel- 
mässige Organisation und arbeitete ein Heglement aus. 
das von allen kantonalen Kirclienhehorden genehmigt 
wurde. Seither tritt sie alljährlich im Monat Juni zusam- 
men und hält ihre Sitzungen wahrend je zwei aufeinan- 
derfolgenden Jahren abwechselnd in den verschiedenen 
llauptorten der reformierten Kantone. Ihr Wirkungs- 
kreis hat sich allmählig erweitert und umfasst heut«; alle 
auf kirchlichem Gebiet aufgeworfenen Fragen von allge- 
meinem Interesse. Die Konferenz ist das amtliche ( )rgan 



1 i >„.!..,:„■>., r hu;,.' 
m ■•■ ., ,-. . •(• 



I M Ii K (, * l 

.).-„■. i-u'i-illiMl-.' 





Heformierte SptuiaUchulao. l)i»ipor»gem«in.1eD und bo«onJ«re kirchlich« Gemeioscbaflcn. 



ein eigene» kantonales Kxamen, lassen aber nach einem 
theologischen Kolloquium und bei Vorlegung genügen- 
der Ausweise auch die Geistlichen der übrigen Kantone 
zum Kirchendienst zu. Das gleiche Verfahren beobachten 
auch die Konkordatskantone gegenüber den Herner, Grau- 
bündner und welschen Geistlichen. Die drei welschen 
Kantone Waadt, Neuenbürg und Genf verlangen von den 
Kandidaten einen theologisch-akademischen Grad: der 
Uehergang von einem Kanton in den andern vollzieht sich 
unter den selben Bedingungen, wie sie zw ischen den Koii- 
kordaWkanlonen einerseits, sowie Hern und Grauhünden 
anderseits zu Hecht bestehen. 

Die erste ► onferenz der Abgeordneten iler schweizeri- 
schen reformierten Landeskirchen fand auf Veranlassung 
eines Laien, des durch seine Helsen in Palästina bekann- 
ten Dr. Titus Tobler, im Jahr 18ii8 stall und zeitigte als 
Hesnltat die Anerkennung des Charfreitags als kirchlicher 
Feiertag in der gauzen reformierten Schweiz. His 
vereinigle sich nun diese Konferenz alljährlich und be- 
reitete den Abschluss des Konkordates betr. gegenseitige 
Zulassung der Geistlichen vor, arbeitete für die Feld- 
gottesdienste der Schweizer Truppen je eine deutsche und 
franzosische Liturgie aus und beschäftigte sich auch noch 
mit verschiedenen andern Fragen. Von 18t>-2 an trat ein 



der Landeskirchen im Verkehr mit den Hundesbeliorden , 
bei denen sie zur Wahrung religiöser Interessen schon 
mehr als einmal mit Krfulg vorstellig geworden ist. Ihre 
Beschlüsse und Knlscheidungen sind für die einzelnen 
Kantone nicht bindend, haben aber im allgemeinen bei 
den kantonalen Kirclienhehorden bis jetzt stets einmütige 
Zustimmung gefunden. 

■>. /><o\«i/i<)/-.f</e»>i>'.ii./»vi. In den katholischen Kantonen 
iler Schweiz leben rund Ö20-JO Reformierte. In l-andes- 
gegendon oder Ortschaften, wo sie sich in etwas grösserer 
Zahl niedergelassen haben, bilden sie kirchliche Gemein- 
schaften, die fast alle von den seit I8W bestehenden pro- 
testantisch-kirchlichen Hilfsvereinen begründet und ein- 
gerichtet worden sind. Mehrere dieser Diasporagemeinden 
decken jetzt die Ausgaben l'ur ihren Kultus in vollem 
Umfang selbst, wahrend andere noch ständige oder zeit- 
weise pekuniäre Unterstützungen erhalten. Sieht man 
von den Beziehungen zum Staat ah. so sind die Verfas- 
sungsgrund sätze dieser Gemeinden, sowie die Organisation 
und äussere Gestaltung ihres Gottesdienstes die selben wie 
beiden Landeskirchen. Ks bestehen heule im ganzen A"> 
reformierte Diaspuragemeinden : t in Appen/eil I, R.. üm 
Kanton Freiburgi Bulle-Romoiil und Kslavayer; beide ge- 
boren der reformierten Landeskirche des Kantons nicht 



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an''. 4 im Kanton Luzern (Luzern, Sursee, Willisau- Hus- 
wil, Vilznau), 6 im Kanton Solothum (Stadl Solothurn, 
Itaist hal-Gäu-Biherist - Gcrlalingen. Derendingen. Ollen, 
Schönen werd 1. 3 im Kanton Sehwyz (Brunnen. Siehnen, 
Arth-Goldauj. 4 im Kanton Tessin f Hellinzona-DiaKca, Lu- 
gano, Novaggio. Locarno), 1 im Kanton ('nterwaldcn 
i Alpnaeh -Stans^), I im Kanton llri (Erstfeld -Andermatt), 
2 im Kanton Wallis (Monthey. Sitten) und I im Kanton 
ZugjBaar-Zug:-. Zur Zeit wird über einen von der Kirche 
in Erstfeld (Tri) ausgegangenen Vorschlag zur Gründung 
eines Verbandes der reformierten Diasporagemeinden un- 
terhandelt. Aus dem eben Gesagten ergibt »ich, dassalso 
in jedem katholischen Kanton Mim mindesten eine refor- 
mierte Piasporagemeinde besteht. 

3. freie Kirchen. Wie wir Eingangs dieses Artikels 
bereits bemerkt haben, bestehen in den Kantonen Waadt, 
.Neuenburg und Genf bedeutende freie Kirchen, sowie in 
Andern Kantonen einige zerstreute freie Gemeinschaften. 

Am ältesten ist die freie Kirche von Genf. Hier ent- 
stand 1817 infolge der unter dem Namen des « Hcveil » 
(Erweckung) bekannten religiösen Bewegung eine unab- 
hängige Kirche; 1831 gründete man die Evangelische Ge- 
sellschaft iSociete cvangelique). die — ohne sich von der 
I.andeskirche gänzlich loszusagen — eine theologische 
Fakultät und in der Chapelle Je l'Oratoirc einen Gottes- 
dienst einrichtete. 1849 vereinigten sich dann die An- 
hänger des Gottesdienstes im Oratoire mit der altern un- 
abhängigen Kirche zur freien evangelischen Kirche (Eglise 
evangelique librei. die heute 5 Pfarrer (3 in der Stadt 
(ienf uno je einen in Carouge und in l.ancy) zählt. 

Die freie Kirche /Eglise lihretdes Kantons Waadt ist eine 
Folgeerscheinung der religiösen und politischen Umtriebe 
von 1845 und wurde gegründet am 12. März 1847. Sie 
nmf/isst 41 Kirchgemeinden mit 54 Pfarrern im Knnton 
Waadt. sowie 3 Pfarreien ( Biel. Cormoret-Sonvilier-Cour- 
lelary, Saint Imier- Villeret) und sieben Misstonsstationen 
in der Waadt, eine in Tavannes- Tramelan und 2 in Savoyen 
(Douvaine und Evian-Thonon) mit zusammen 9 Pfarrern. 
Geleitet wird sie von einer Svnode, die aus allen im Amte 
stehenden Pfarrern und von den Kirchgemeinden abgeord- 
neten Laien besteht und zur Erledigung der Geschäfte 
während den Zwischenzeiten der Sitzungen eine Syno- 
dalkommission ernennt. Die Kirche unterhält auch eine 
theologische Fakultät mit 5 Professoren. 1904 zählte sie 
im (tanzen 5128 eingeschriebene Kirchgenossen, worun- 
ter 1604 Wähler, und 3524 Frauen. 

Die freie Kirche (Eglise independante) des Kantons 
Neuenbürg wurde 1873 gegründet als eine Eolge der An- 
nahme des KirchengcscUes, das innerhalb der Landes- 
kirche die völlige Freiheit von jeden Dogma schuf. Sie um- 
faßt im Kanton selbst 22 Kirchgemeinden und ausserhalb 
desselben die Pfarrei Motier-Vully (im Kanton Freiburg). 
Geleitet wird sie von einer Synode, die sich aus allen im 
Amte stehenden Pfarrern und aus je 3 Laienabgeordneten 
für jede Kirchgemeinde zusammensetzt. Wie die waadt- 
linJische freie Kirche unterhält auch Bie eine theolo- 
gische Fakultät mit 4 ordentlichen und 2 ausserordent- 
lichen Professoren. 1904 betrug die Anzahl der einge- 
schriebenen Kirchgenossen 5044 Wahler und 6926 Frauen. 

Freie religiöse Gemeinschaften haben sich auch an 
>erschiedencn Orten der deutschen Schweiz gebildet, so 
in Aarau. Baden, Bern (je eine deutsche und eine frän- 
kische), Heinrichsbad (Appenzell A. R.), Davos etc. End- 
lich findet man in Lausanne und in Genf auch noch je 
eine freie deutsche Kirche. 

Alle diese freien Kirchen verlangen von ihren Anhän- 
gern ein Glaubensbekenntnis und ruhen auf einer mehr 
oder weniger scharf gefassten dogmatischen Grundlage. 

4. Vernchieitene Konyreyationen und Sekten. Ziemlich 
zahlreich sind bei uns che verschiedenen christlichen 
Kongregationen und Sekten vorhanden. Die bedeutend- 
en sind: die Brüdergemeine (Herrnhuter) mitöschwei- 
zerischen Kongregationen (Bern. Basel; Montmirail 
und Peseux im Kanton Neuenburg, Prangins im Kan- 
ton Waadt), die Methodistenkirche, die Darbysten und 
die Baptisten; darauf folgen die Heilsarmee, die Ir- 
vingianer, die Adventisten vom 7. Tag (auch Sabbati- 
«ten geheissen), die Swedenborgianer, Mormonen etc. 
Eine besondere Erwähnung verdient hier die Methodis- 
tenkirchc. die in England 1740 von Wesley gestiftet 



wurde und in der Schweiz 1856 in Zürich. Lausanne und 
Genf Eingang fand. Sie zerfallt heute in zwei Zweige : 
\) die bischöfliche Melhodistenkirche und 2| die Evan- 
gelische Gemeinschaft, welch' letzterein der Schweiz erst 
seit 1865 besieht. Allianzvorschlage zwischen beiden 
Zweigen sind gegenwärtig in Prüfung begrifl'en. Folgende 
Tabelle gibt Auskunft über den Stand der Methodisten- 
kirche in der Schweiz im Jahr 1 9t V» : 

Bischoll. Evangel. 
Methodisten- Gemeinschaft Zusammen 
kirehe 

Arbeitsfelder 4V 28 72 

Kapellen 257 — 257 

Gemeinschaften — 101 101 

Prediger 52 41 »3 

Aktivglieder 9 114 5 420 14 534 

Jahreseinnahmen Fr. 31« 1104 167 K59 4X4 763 

Kirchenvermogen Fr. 204« 904 717 960 2 764 864 

Die Anglikanische Kirche besitzt in der Schweiz IS 
ständige Stationen, zu denen sich in den meisten Heil- 
bädern, Sommerfrischen und alpinen Fremdenzentren 
noch Saisonstatiouen gesellen. Ständige Stationen finden 
sich in Bern. Ben. Caux, Chäteau d'OZx. Ciarens. Davos. 
Genf. Grindelwald, Lausanne, Les Avants, l.e Pont. Lu- 
gano, Luzern, Montreux. .Neuenburg. St. Moritz. Siders, 
Vevey und Zürich. Sie haben fast alle ihre besondere Kirche 
oder Kapelle und werden entweder von Kaplanen mit fes- 
tem Wohnsitz oder dann von Geistlichen bedient, die wäh- 
rend des Sommers jeden Monat wechseln. Eigentlich«* 
Kirchgemeinden, die ihre Auslugen von sic h aus bestrei- 
ten, besteben bloss in Genf, 1-aiisanne und Montreux, 
während die übrigen Stationen entweder von der Society 
for propagatiou of Gosprl. abgekürzt S. P. G. (Gesell- 
schaft zur Ausbreitung des Evangeliums), oder der (kolo- 
nial and Continental Church Society, abgekürzte. CCS. 
(Kirchengesellschaft für die Kolonien und den Kontinent), 
unterhalten werden und abhängig sind. Alle ständigen 
und Saisonstatiouen stehen unter der geistlichen Hoheit 
des Bischofs von London. — Die schottische Preslnteria- 
nerkirche ist durch zwei Kongregationen vertreten/deren 
jede in Ijinsnune und in Montreux eine Kapelle besitzt 

5. Slalixtitrhe \ru/iwise für die verschiedenen refor- 
mierten Kirchen auf das Jahr 1904: 

a. Landeskirche n : 

Kirch- Kon Iii- Kirehl. 

ge- Pfar- Tau- ma- Trau- Becrdi- 
Kanton meinden rer fen tionen ungen gtingen 

Zürich 160 177 7384 5-482 2147 5150 

Bern 195 218 14798 1078« 3474 8798 

Glarus 15 I« 503 433 115 165 

Freiburg .... 8 8 428 333 5« 28« 
Basel Sudt . . 7 22 2IW9 1322 651 10H0 
Basel Land . . 31 31 1374 1*7« 255 8(i0 
Schafihausen . 30 32 794 «62 203 Vfc» 
Appenzell A. iL 19 20 123« 988 429 763 
St. Gallen .. . 49 54 2100 191« 828 1 818 
Graiibünden. . 87 SK 1223 975 296 1 018 

Aargnn 51 56 3063 2 201 743 1 786 

Thurgau . . . . 55 56 1654 145:» 623 1149 

Waadt 139 159 534(5 4 010 1 623 3 781 

Neuen bürg . . 47 55 ! 71*3 1622 544 
Genf ...... 1« 35 842 750 .185 

b. Beformierte Diasporagemeinden. 

Uri 1 I 31 8 I 6 

Sehwyz .... 3 3 52 17 9 15 

I'nterwalden . I 1 «5 3 1 4 

Zug I 1 33 25 14 15 

Luzern 3 4 272 156 85 102 

Freiburg .... 2 2 26 17 4 15 

Solothurn (Öl- 
ten. Baisthal) 2 2 205 109 35 73 
Appenzell I. IL 1 I 7 « 5 

Wallis 2 2 32 15 Jo .32 

Tessin 3 5 27 20 8 15 

c. Freie Kirchen. 

Neuenburg . . 23 3t» «67 51« 190 

Waadt 43 53 296 355 7 4 414 

Genf 1 5 V\ 5 19 

In dieser statistischen Zusammenstellung sind die 



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Hilfspredigcr. Vikare, Spital- und Gefängnispfarrer nicht 
mitgezählt. Die Zahlen für den hanlon Bern umfassen 
frriM'r noch die 4 Solotliurner Pfarreien im Buchcgg- 
berg. Im Kanton Crauhüiideu können sirli zwei oder drei 
benachbarte Pfarreien zusammentun und gemeinsam 
einen einzigen Pfarrer haben. Da solche Zusammen- 
schlüsse von Pfarreien hie und da bloss temporären (Cha- 
rakter trafen, kommen in der Anzahl der Pfarreien 
Schwankungen vor (die Zahl der Tabelle bezieht sich auf 
das Jahr 1004). Je eine staatlich anerkannte französische 
Pfarrei besteht in Hern, Zürich. Basel. Schaphausen und 
St. Gallen, je eine solche deutsche in Lausanne, Genf, 
Neuenbürg. I,a Ghaux <le Fonds und l.e Locle. Für die 
Diasporakirchen des Kantons Solothurn beziehen sich die 
mitgeteilten Zahlen bloss auf die beiden Kirchgemeinden 
Ölten und Balsthal-Gäu, da über andere Diasporagcmcin- 
den dieses Kantonskeinc Zahlenangaben erhältlich waren. 
Mit Bezug auf die freien Kirchen der Waadl und von Genf 
endlich beziehen sich die unter der Hubrik « Konfirma- 
tionen • mitgeteilten Zahlen aufdie Kinder, ileren religiö- 
ser Unterricht im Frühjahr P.Nti abgeschlossen war, da 
die Konfirmation bei diesen Kirchen nicht als regelmäs- 
sige Kinrichtung besteht. 

0. Jleligiose Geselhchaf len. Ueppig entwickelt ist in 
der reformierten Schweiz das religiöse Vereinsleben, in- 
dem zahlreiche theologische Gesellschatten. Bihelvereine. 
Evangelisationsvcreine. Vereine für innere oderfüränssere 
Mission, Sonnlagsschul-Gescllschaflen etc. bestehen. An 
dieser Stelle wollen wir bloss derer kurz gedenken, die 
einen interkantonalen Charakter tragen. 

Die IKK) gestiftete schweizerische Predigergesellschafl 
iSociete paslorale suissc) vereinigt die Geistlichen aller 
Landeskirchen und der freien Kirchen zur Diskussion 
von theologischen und praktischen Fragen in abwechs- 
lungswcise in den verschiedenen Kantonen stalllindcn- 
den Versammlungen. Im Jahr I&I6 hat sie eine Kommis- 
sion für kirchliche l.ichcalätigkcit ((Kommission d'aetivile 
ehr^tienney bestellt, die als nicht-offizielles Organ der 
reformierten Kirchen der Schweiz im Sinne der Einig- 
keit und gemeinsamen Arbeit dieser Kirchen dahin wir- 
ken soll, die christliche Liehestäligkcit auf religiösem, 
moralischem und sozialem Gebiet zu popularisieren, auf- 
zumuntern und auszubreiten. Diese Kommission hat eine 
Spezialbibliothek mit Silz in Bern angelegt, veröffent- 
licht alle drei Monate ihre Mitteilungen und veranstaltet 
jedes Jahr Pastorenkonfercnzen oder Uuterrichlskiirsc, 
in ih nen die in ihren Tätigkeitsbereich fallenden Fragen 
behandelt werden. 

Die tiefgehenden theologischen Bewegungen und Dis- 
kussionen des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts ha- 
ben zur Gründung von besondern Vereinigungen geführt, 
in denen sich die geistlichen und die Laienvertreler der 
hauptsachlichsten theologischen Dichtungen zusammen- 
finden. Solcher Vereinigungen bestehen drei: der Evan- 
gelisch-kirchliche Verein (Union evangelupic nationalei 
mit positiver oder orthodoxer Tendenz, die die Vertreter 
der sog. Vermittiungslhcologic in sich vereinigende Theo- 
logisch-kirchliche Gesellschaft (Sociele ecclesiastiquei und 
der Verein für freies Christentum (Union du christia- 
nisme liberall. Diese Vereinigungen haben während 
längerer Zeit eine ziemlich intensive Tätigkeit entfaltet, 
heute aber viel von ihrem Kinftuss und ihrer einstigen 
Bedeutung eingebusst, da seit der Zeit ihrer Blute neue 
Fragen und Stimmungen aufg- kommen und die Gegen- 
sätze weniger lebhaft und einschneidend gewonlen sind, 
sowie zugleich auch die gegenseitige Stellung der reli- 
giösen Parteien sich seither merklich verschoben hat. 

Auf Initiative der Predigergesellschaft sind seit 1842 in 
den verschiedenen reformierten Kantonen die Protestan- 
tisch-kirchlichen llilfsvereine (Socieles de secours aux 
proteslants dissemines) entstanden. Diese kantonalen 
Vereine haben sich zu einem Bund zusammengeschlos- 
sen, der jedes Jahr eine Delegierten Versammlung abhält 
und von einem Zentralkomite geleitet wird. Sie nehmen 
sich nicht ausschliesslich der in den katholischen Kanto- 
nen zerstreut wohnenden Protestanten an, sondern wen- 
den ihre Fürsorge auch den reformierten Diasporagemein- 
den des Auslandes, besonders denen in Oesterreich. 
Böhmen. Mähren und Frankreich zu. 

Die evangelische Missionstätigkeit in heidnischen Län- 



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i dern erscheint in der Schweiz vertreten durch die 1815 
: gestiftete Basler Missionsgesellschaft. sowie durch die 
Mission roinande, die von der Waadlländer freien Kirche 
im Jahr 1X69 gegründet worden ist, seit 1883 ein gemein- 
sames Unternehmen der drei freien Kirchen von Waadt. 
Neuenburg und Genf bildet und ihre Tätigkeit ausschliess- 
lich auf Sudafrika {Transvaal. Tembe. Lourenco-Marauez i 
beschränkt; 1907 zählte sie 62 männliche und weibliche 
Missionare, II Stationen mit zahlreichen Filialen, sowie 
2 Lehrer- und Evangelistcn-Seminarien. Inden deutschen 
Kantonen entstand 1875 ein schweizerischer Zweig des All- 
gemeinen evangelisch -protestantischen Missionsvereins. 
der seinen Hauptsilz im Deutschen Deich hat und in China 
und Japan arbeitet. Die Deformierten franzosischer Zunge 
interessieren sich lebhaft für die Missionsgesellschaft 
(Sociele des Missions) in Paris. Auch die Mission der 
Brüdergemeine (Eglise morave) zählt so ziemlich überall 
treue und aufopfernde Freunde. 

Christliche Vereine junger Männer bestehen in allen 
reformierten Kantonen und bilden zusammen den 
schweizerischen Zweig der grossen Weltallianz dieser 
Gesellschaften. Zu nennen ist ferner der christliche Stu- 
denlenverein. der Studierende aller Fakultäten der ver- 
schiedenen Universitäten umfasst und sowohl in lokalen 
als in Gruppen- und Generalversammlungen dieaktuellen 
wissenschaftlichen, sozialen und theologischen Fragen 
und Strömungen bespricht. Sehr gut hat sich auch die 
reformierte religiöse Presse entwickelt. Schon 1879 zählte 
man 3 t religiöse Journale, wovon 21 aufdie deutsche und 
13 auf die welsche Schweiz entfielen. Seither hat ihre 
Zahl noch zugenommen. 

7. liililiographie. Finsler, Georg. Kirchliche Statis- 
tik der reformierten Schweiz. Zürich 1854. — Gareis 
und Zorn : Staat und Kirche in der Schweiz. Zürich 
1877. — F. Meyer : Schweiz (in Herzog's Realenzyklo- 
podie für protestantische Theologie und Kirche. 3. 
Ausgabel. • • Protokolle der eranqelisch-reformierteti 
Kiechenkonferetiz der Schultz. — Salis, A. v. Taschen- 
huch für die schuvtzer. reformierten Geistlichen. Jahr- 
gang 1905. [D' A. FKHRocHBr.j 

II. KATMOLlM.llEklHcllK. / . Allgetueines; geschichtliche 
Knlwick iitiii/ und heutiger Heslnnd der schweizerischen 
katholischen Kirche. Die katholische Schweiz umschliesst 
I 379 W»4 Seelen, die sich auf sechs Bistümer und eine bi- 
schöfliche Abtei nullius iSaint Maurice) verteilen. Heute 
sind diese Bistümer unmittelbar dem Heiligen Stuhl unter- 
stellt, der in der Schweiz bis 1874 durch einen in Luzem 
residierenden apostolischen Nuntius mit Bischofsrang ver- 
treten war. 

Die Verteilung des Landes auf die verschiedenen geist- 
lichen Bechtshoheiten fusste ursprünglich auf der romi- 
schen Verwallungseinteilung. so dass das Bistum in der 
Begel mit dem Umkreis einer SUidt und das Erzbistum 
mit demjenigen einer Provinz zusammenfiel. 

Das Christentum drang auf zwei verschiedenen Wegen 
in die Schweiz ein : erstens längs der von Mailand aus- 
gehenden und über Turin führenden Bömerstrasse. die 
den Grossen St. Bernhard überschritt, ins Bhonethal hin- 
unterstieg und dem Genfersee folgte, um dann längs dem 
Juragebirge zum Bhein hinzustreben; zweitens längs der 
ebenfalls von Mailand ausgehenden, aber nach Osten zie- 
henden und die Bündnerpässe überschreitenden Bömer- 
strasse, die sich von Chur aus einerseits gegen den Wa- 
lensee und nach Zürich hin. anderseits gegen den Boden- 
se-e verzweigte, um mit beiden Zweigen schliesslich in 
Basel an die erstgenannte Strasse wieder anzuknüpfen. 
Die romischen Kolonien entwickelten sich bald zu Mittel- 
punkten, in denen das Christentum eine hervorragende 
Bolle spielte. Diese grossen Zentren waren schon seit 
den ersten Jahrhunderten des Bestehens der christlichen 
Kirche zugleich auch Bischofssitze, so Aventicum (Aven- 
chesj. Vindonissa I Windisch). Augusta Baurica (Kaiser 
Äugst,'. Oclodiirum (Martiguv:. Curia Baelonim (Chur), 
Colonia Ei|iieslns iNyoni und Geneva iGenf). 

a. Aventicum lAvenche»), die Hauptstadt des römi- 
schen Helveliens, scheint der erste Bischofssitz der Schweiz 
gewesen zu sein und als solcher aus der Begierungszeil 
des Kaisers Konstantin zu datieren. Als die Stadt Xven- 
ches umsJahr 610 n. Chr. von den ins Land eingefallenen 
Alemannen geplündert und zerstört wurde, soll der da- 



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mahne Bischof St. Marius seinen Sitz schon seit 590 nach 
Ijusann*- vorlest gehabt haben. Hier blieb dieser Sitz bis 
zur Reformation, worauf sieh die Bischöfe, nachdem sie 
im 17. Jahrhundert hier und dort eine bleibende Statt«- 
gesucht, endgillig in Freiburg niederliessen. 1826 glie- 
derte man dem Bistum Lausanne auch die katholischen 
Pfarreien des Bistums Genf an, wahrend es 186t) die Pfar- 
reien des alten Kantonsteib'» von Bern, die zum Bistum 
Basel geschlagen wurden, verlor. 

b. Vindonissa. Diese presse Stadt lag am Zusammcn- 
fluss der Reu«, Limmat und Aare. Als erster sicher be- 
glaubigter Bischof erscheint Bubulcus. der im Jahr 517 
als Teilnehmer des Konziles von Epaunum auftritt. Der 
Einfall der Barbaren im .">. Jahrhundert hatte der Stadt 
Vindonissa einen seh reck liehen Sehlag zugefügt und sie 
vollständig zerstört, worauf sich ihr Bischof ums Jahr 
r**4 nach Konstanz zurückzog. Das Bistum Konstanz be- 
stand bis 1814. in welchem Jahr es aufgelöst wurde. 
Der die heutigen Kantone Aargau, Thurgau. I.uzern. Zug 
und SrhatThausen umfassende schweizerische Abschnitt der 
grossen Diözese kam an das neue Bistum Basel, wahrend 
St. Gallen und Appenzell, die dem Bistum ebenfalls an- 
gehört hatten, zur Zeit ein selbständiges eigenes Bistum 
bilden und die einst ebenfalls von Konstanz abhängigen 
Kantone Zürich. Uri. Schwyz. Unterwaiden und Clarus 
dem Bistum Chur ungegliedert wurden. 

c. August« Baurica. Nach der Niederlage von Bi- 
brakte (58 v, Chr.) hatten sich die mit den llelvetiern 
verbündeten Bauriker genötigt gesehen, ihre Stadt Baurica 
wieder aufzuhauen. Bald nachher (41 oder VI v. Chr.) 
sandte der Kaiser Augustus eine unter der Leitung von 
Munacius Plancus stehende römisrhe Kolonie hierher. 
Itas Christentum predigten die vom h. Petrus ausge- 
sandten St. Maternus. St. Eucharius und St. Valerius, 
Der erste Apostel von Au^usta soll der h. Maternus ge- 
wesen sein. Diese grosse Stadt wurde von den eingefalle- 
nen Barharen ums Jahr 406 zerstört, worauf der Bischof 
samt seinen Gläubigen sich nach Basilea zurückzog und 
den Titel eines Bischöfe* von Augusta und Basel beilegte, 
Das Bistum umfassle ursprünglich den Uber Elsass, den 
Kanton itasei. die Kantone Solothurn und Aargau bis 
zur Aare, sowie den heutigen Benier Jura (mit Ausnahme 
der bis 1781 zu Besaneon gehörenden Ajoie und der 
Amtsbezirke Courlelary. Neuenstadt und Biel, die bis 
IHOI dem Bistum Lausanne angegliedert waren). Zur Zeit 
der Reformation verlegte der Bischof seinen Sitz nach 
Pruntrut, welche Stadt zusammen mit der Ajoie > Eisgau) 
1781 dem Bistum Basel angegliedert wurde. Die französi- 
sche Revolution warf 1793 das Bistum zu Boden, worauf 
der Jura bis 1814 zur Diözese Strassburg gehörte und 
dann neuerdings unter die Herrschaft des Bischofes von 
Basel kam. 18Ö8 fand eine Reorganisation des Ristumes 
statt und wurde als Amtssitz des Bischofes die Stadt 
Solothurn bestimmt. 

d. Oetodurum. Die Abtei Saint Maurice (Agaunum) 
scheint der erste Bischofssitz im Bhonethal gewesen zu 
-ein. Der ('rsprung dieses Bistums gehl bis 302. d. h. ins 
Jahr des Martyriums der thehäischen Legion zurück. Gm 
349 soll der h. Theodor I. oder Theodul I. den Bischofssitz 
nach Oitodiunm (Martinach) nml im 6. Jahrhundert der i 
Bischof Heliodor nach Sitten, der Hauptstadt des Wallis, i 
verlegt haben. Das Bistum Sitten umfassle «las ganze 
Wallis und «lie Waadtlämler Bezirke von Les Ormonts, 
Aigle und Bes. welchen Terrilorialbesland es bis heute 
beibehalten hat. 

e. Curia Haetorum. Curia, die Hauptstadt Bätiens. 
bildete ein römisches l>av r er von gross«>r Wichtigkeit. 
Eine alte l'eberlieferung will wissen, dass das Christen- 
tum den Rätiern durch «len h. I.uzius, einen Jünger 
St. Peters, gebracht worden sei. dessen Wirken ins zw«'ite 
Jahrhundert gesetzt wird. D«ich erscheint (nach einer 
Teilnehmerliste am Konzil von Mailand) ein Bischof von 
Chur erst im 4. Jahrhundert. Dieses Bistum urnfasste 
damals das ßündiierland, den südlichen Abschnitt des 
Kantons St. Gallen, sowie ausserhalb der Schweiz grosse 
Teile von Tirol un«l von Voralberg. Napoleon l. nahm 
ihm alle auf deutschem Beichsboden hegenden Lande 
weji. die er der Diözese Brixen angliederte. Dagegen I 
• rhielt das Bistum Chur nach der Aufhebung desjenigen I 
^n Konstanz die Kantone Schwyz. l'nterwalden, l ri. | 



Zürich und Glarus zugesprochen, sowie I860 auch noch 
die seit der Reformation zur Diözese l.omo gehörenden 
italienischen Bümlnerthäler. Eine kurze Z«'it lang waren 
Chur und St. Gallen zu einem einzigen Bistum vereinigt. 

f. Colonia Equ eslr i s (Nyon). In Noviodunum «»der 
Nyon hatte sich noch zur Zeit Caesars eine römische Rei- 
terkolonie niedergelassen, nach welcher der Ort auch den 
Namen Colonia Kcjuestri* rührte. Das Christentum wurde 
hier schon frühzeitig gepredigt. Es erselu'int als sicher, 
dass nach der Plünderung von Besaneon durch Attila der 
Bischof «lieser Stadt sich nach Nyon flüchtete, wo einer 
seiner Nachfolger vorder Bückkehr nach Besaneon einen 
Bischof einsetzte. Infolge von unaufhörlichen Kriegen 
»oll dann der Bischof von Nyon in Belh'v Schutz gesucht 
haben, welche Stadl derarl als Bischofssitz an die Stelle 
von Nvon trat. 

g. Gen ex a (Genf*. Die l eberlieferting erzählt, dass 
der h. Petrus in «ler Hauptstadt der Allohroger gepredigt 
habe. Im 4. Jahrhundert erscheint liier als erster Bischof 
Dominius und als sein Nachfolger Eleutherius. Das Bis- 
tum umfassle das nördliche Savoven und einen Teil des 
Waadllandes bis zur Aubonne. Zur Zeit der Reformation 
zog sich der Rischöf nach Annecy zurück. 1802 gliederte 
man das Bistum Genf demjenigen von Chambery an, wo- 
rauf der Kanton Genf 1826 zum Bistum Susanne geschla- 
gen w urde, dessen Vorsteher nun den Titel eine« Bischofes 
von Ijusanne und Genf annahm. 

Bis 1802 standen die Bischöfe von Lausanne und von 
Basel unlerdem Krzbischof von Besaneon. sowie diejenigen 
von Chur, Konstanz und St. Gallen bis 1805 unter dem- 
jenigen von Mainz, während das Bistum Sitten schon seit 
langer Zeit dem heiligen Stuhl direkt unterstanden hat. 

Der Einfall der Alemannen warf die ganze christliche 
Organisation, die sich auf den Grundlagen der römischen 
Verwaltung aufgebaut halte, über «len Haufen nml hatte 
«>iiie Verschiebung der Sprengelsmitudpunkte zur Folge. 
Während des Mittelalters und bis zur Reformation ver- 
teilte sich das Gebiet der heutigen Schweiz auf neun Dö>- 
z«'sen, von denen mehrere noch weil in die angrenzenden 
Nachbarstaaten hineinreichten. Ihren Sitz halten in 
Ortschaften der jetzigen Schweiz hlos funfdieser Bistümer. 
Dieser Stand der Dinge überlebte sogar noch den west- 
fälischen Frieden (1648). indem man erst 1H02, nach der 
französischen Revolution, daran dachte, die kirchlichen 
Vcrwaltiingsgrenzen sich mit «b.-n staatlichen Grenzen 
«lecken zu lassen. Folgendes waren die neun eben er- 
wähnten Diözesen : Si t ten und Lausanne in der West- 
Schweiz. Konstanz mit d«*m grossem Abschnitt der 
Ostschweiz, Basel und Chur mit nur geringem Anteil 
am Gebiet der heutigen Schweiz, Besaneon mit dem 
grössten Teil der Ajoie (Berner Jura). Mailand und 
Como mit dein T«'ssin, sowie endlich Genf, dessen Ho- 
heit nebenSavoven in «ler Schweiz das Genler Gebiet und 
einen Teil des VYaadtlamlcs umfassle. Die jetzige Um- 
gi'i'iizung der bestehenden sechs schweizerischen Bistümer 
ist folgende : 1) Bistum Ba»«d-Lugann (Bischofssitz Solo- 
thurn) mit den Kantonen Solothurn, Luzern, Zug und 
den Katholiken in Bern, Basel, Aargau, Thurgau un«l 
Schalfhiiusen, sowie — «lern Titel nach — Tessin ; "2 1 Bis- 
tum Chur ( Bischofssitz Chur) mit den Kautonen t ri. 
Schwvz. l'nterwalden und den Katholiken in Graubunden, 
Zuriefi. Glarus, ferner «las Fürstentum Liechtenstein ; 
3) Bistum Lausanne-Genf (Bischofssitz Freiburg} mit dem 
Kanton Freiburg und «b-n Katholiken in der Waadt, in 
Neuenbürg und Genf; 4) Bistum Lugano (Sitz desBistums- 
verwesers Lugano) mit «lern Tessin; 5) Bistum St. Gallon 
(Bischofssitz St. Gallen) mit den Kantonen Sl. Gallen und 
Appenzell; 6> Bistum Sitten (Bischofssitz Sitten) mit dem 
Wallis (exkl. die zur Diözese Annecy gehörende Gemeinde 
Saint Gingolph) und dem Waadtlander Bezirk Ainle. — 
Ausserhalb «ler Organisation tler Bistümer stehen di<- 
bischötliche Abtei Saint Maurice (mit vier Pfarreien im 
Wallis), die direkt dem heiligen Stuhle unterstellten Ab- 
teien Einsiedeln und Sl. Bernhard, sowie das Chorherren- 
stift von Sl. Nikiaus in Freiburg, endlich zwei apostolische 
Präfekturen in Craubünden : die italienische von Misox 
und Calanca (seit 1&i5; acht l'farrcien mit 4150 Katholiken ) 
und die romanische von Rätien (seit 1621 ; 18 Pfarreien 
mit 6925 Katholiken). 

Da «lie 7 Bischöfe «ler Schweiz (d. h. diejenigen von 



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HO SCHYV 

Hasel. Chur, St. Gallen, Lausantie und Genf. Sitten. Lu- 
gano iTi-ssini nnil der im Bischofsrang stehende Abt von 
Saint Manrieei von keiner Mutterkirche abhängig und 
diiekt dem h. Stuhl unterstellt sind, versammeln sie sich I 
/ur Beratung ihrer Dio/csanangclegenheiten jedes Jahr zu \ 
einer gewohnlich im Kollegium Schwy* stattlindenden : 
Synode. Zur Heranbildung der katholischen Geistlichen I 
bestehen die Priesterseminarien in Luzern, Chur, Frei- 
burg. Sitten, Lugano, Pollegio (in der Leventina) und St. 
Gallen, Ausserdem hat jede schweizerische Diözese das ' 
Anrecht auf zwei Freiplalzc am germanischen Kollegium 
in Hont, dessen l.ehrplan t> Jahreskurse umfasst. Auch in 
Mailand bestehen für die Katholiken der I5crslen Kantone 
Stipendien und Freiplatze, die vom h Karl Borromaus ge- 
blillel worden sind. Item Hislum Sitten stehen ferner 
an der Universität Innsbruck 1U Freiplal/.e zur Verfu- 
gung. 

Der katholische Klerus der Schweiz zahlt gegenwartig 
2215 Weltgeistliche und 919 Konvenlnalen oder Ordens- 
gei*tliche. Katholische Pfarreien bestehen I3U8. Die An- 
zahl der Katholiken betragt für die einzelnen Bistümer: 

Hasel 491 2K3 nnil TlOGeisthchen) 

Chur 338 181 » 417 » 

Lausanne . . . 286 940 - 335 

Lugano .... 135828 » 21k") 

St. Gallen - . . 168495 i 228 

Sitten .... 115903 i 229 
(Diese Zahlen nach der Statistik von Dr. Buomherger in 
der Kirthenzeitung. 1900, Seite 108). 

Die religiösen Mannerorden sind bei uns nicht be- 
sonders zahlreich Es bestehen in der Schweiz ü Män- 
nerkluster. die sich auf die fünf Orden der Henediktiner, 
Augustiner. Karlhäuser, Franziskaner und Kapuziner 
verteilen. Wir geben im folgenden die vollständige Liste 
der schweizerischen Mannet kloster und fugen die Anzahl 
der Konventualen in Klammern bei: 

1. Henediktiner (5 Abteien. die zusammen unter dem 
Vorsilz des Fürstabtes von Kinsiedeln die schweizerische 
Henediktiner-Kongregation bilden) : Mariastein- Beinwil- 
Durnberg (Oesterreich; 40 Konventualen i. Kinsiedeln I mit 
reichslreit m Fürstabl : 143), Kngelberg |57), Disentisi 11»), 
Miiri-Gries-Sarncn (50). 

2. Augustiner (Chorherren; 3 Kloster 1 : Saint Maurice 
(dessen Ahl zugleich Hischof von Bethlehem ist und die 
geistliche Hoheit über drei Pfarreien hat; 54Konventua- 
bn), Grosser St. Hernhard und Simplon | reichsfreier 
Propal mit Mitra und Krummstab; zusammen 1 1."» Kon- 
ventualen |. 

3. Kal thäuser (1 Kloster i : Valsainte I ii Konventu- 
alen). 

4. Franziskaner il Kloster) : Freiburg (20 Konventu- 
alen). 

5. Kapuziner (37 Klöster l. a) Kustodie Luzern (19 Hau- 
ser mit zusammen 135 Konventualen i : Luzern (16), AI- 
torf(ll). Stans(IS>. Schwvz iI.'h. Zug (2t i. Surtee <16|, 
Sarnen !t . Schupfheim [ 1*2). Arth |9>, Andermatt (Ho- 
spiz; 3), Higi Klosterli (Hospiz; 3), Healp «Hospiz; 2). — 
Ii Kustodie Kaden i9 Hauser mit zusammen 04 Konven- 
tualen.: Appenzell (12). Dapperswil (13). Weis (10), Wil 
(14). Nafels (8). Zizers < Hospiz; 3), l'ntervaz I Hospiz ; 1), 
Mastrilserberg ( Hospiz ; 1), Seewis i Hospiz; 2). — c) Ku- 
stodie Solothurn (9 Hauser mit zusammen 13t) Konven- 
tualen!: Solothurn (20), Freiburg i28i. Ölten (Iii. Hülle 
(12, Dörnach (12), Sitten (24), Saint Maurice (10), Le 
Lindeion (Hospiz; 3). Homont (7). — Tessiner Provinz 
(früher der Piopaganda in Horn unterstellt; ."» Häuser 
mit zusammen «3 Konventualen): Lugano (20). l.ocaroo 
(Madonna del Sasso; 7). Faido (17), Digorio (15>. Poschi- 
avo (4). — Tirob r Provinz (2 Hauser mit zusammen 7 
Konventualen): Munster (4), Tarasp (Hospiz, 3). 

In Lulhern befindet sich das Mutterhaus der Kremiten- 
bruder, deren Aufgabe in der Besorgung der Kapellen, 
Wallfahrtsorte und Einsiedeleien der Schweiz und des 
Auslandes besteht. 

F r a u e n k I o s t e r. 1 . Renediktinerinnen. 8 Klöster : 
Santa Clara (Tessin), Au, Fahr, Glattburg, Lugano, Mun- 
ster. S. eburg, Sarnen. 

2. Klarissinnen. 2 Kloster: Muotathal, Solothurn. 

3. Schwestern vom Dritten reformierten Orden des 
h. Franciscus, 16 Kloster: Altorf, Altstätten. Appenzell, 



SCHW 

Freiburg. Griinmenslein. Gubel, Lugano. Nolkersegg. 
Luzern. Horschaeh, Solothurn, Staus, Wonneustein, Zug. 
Pfauberg. Gonten. 

4. Augustinerinnen. 2 Kloster: Locarno. Poschiavo. 

.*». Zi«terzienserinnen. 7 Kloster: Collombey. Ksclien- 
baeh. FilleDieu. Frauenthal. Magdenau, Freiburg, Wurnis- 
bach. 

6. Pi-amonstrateriserinnen. 1 Kloster: Sion iKant. St. 
Gallen >. 

7. Dominikanerinnen, 5 Klosier: Cazis, Kstavayer. 
Schwvz, Weesen, Wil. 

8. Viaitamtinerinnen, 2 Kloster: Freiburg und Solo- 
thurn. 

9. l'rsiilinennnen, 3 Kloster: Pruntrut, Freiburg. 
Brie. 

10. Orden der h. Martha : Spitalsehwestern in Prun- 
Irut, Delsberg, Neuenbürg, Solothurn. F'reiburg, Luzern. 
Zug. Sitten, Martinach. 

11. Schwestern vom Ii. Kreuz iTheodusiancrinnen ) in In- 
genbuhl, mit zahlreichen Krankenhausern in der Schweiz 
und im Ausland. 

12. Orden der Menzingerschwestern : Mutterhaus in 
Mcnziugcn mit zahlreichen Filialen in der Schweiz, in 
Italien. Natal und Kapland. 

Neben eigentlichen klösterlichen Gemeinschaften «ibt 
es in der Schweiz ferner noch verschiedene Kongrega- 
tionen, die sich mit der Fürsorge für Waisen und Kranke 
befa»sen, -owie dem Schuldienst widmen; es sind dies 
die Haldeggerschwestei n. Melchlhalerschwe-lern, barm- 
herzigen Schwestern, Missiunsschwcslern, Schwestern 
vom Guten Hirten. Krankenschwestern. Lchrschwestern 
etc., die sich in allen Teilen der Schweiz niedergelassen 
haben und meistens nicht von einer fremden Kongre- 
gation abhängig sind. 

Kloslcrschulen bestehen in Kinsiedeln. Schww, Frei- 
burg, Sarnen, Sitten, Saint Maurice. Hrig, Nafels, Al- 
torf, Pollegio, Bovercdo, Haierna. Olivone, licllmzona, 
Ascona (Päpstliches Kollegium). Zug, Disentis. 

Im Durchschnitt zählt man in der Schweiz «nach Duom- 
bergeri einen Pasloralionsgeistlichen auft>23 Katholiken; 
Maximum Hasel mit einem Geistlichen auf IM» und Mi- 
nimum!) Graubunden mit einem Geistlichen auf 208 Ka- 
tholiken. 

Die Soldaten der Schweizcrgarde im Vatikan (Horn) re- 
krutieren sich zur Hauptsache aus den l'rkantonen, dem 
Wallis und namentlich dem Kanton Freiburg. Die 
Schweizcrgarde ist 1512 von Papst Julius IL, einstigem 
Hischof von Lausanne, gestiftet worden. Die Garde zählt 
je einen Oberst. Oberstleutnant. Major und Kaplan, vier 
Hauptleute, vier Wachtmeister. 7 Korporale und 130 bis 
litt Gardisten. Mit Ausnahme der Offiziere verpflichten 
sich alle Angehörigen der Garde, solange ledig zu blei- 
ben, als sie der Truppe als aktive Glieder angehören. 
Sie müssen von hoher Gestalt, kräftigem Körperbau, ein- 
fachen Sitten und massiger Lebensart sein. Die Dienstzeit 
betragt im Maximum 20 Jahre. Die ( niform ist die puffige 
Tracht der alten Schweizer. Die Dienstverpflichtungen 
beschränken sich auf die Hut der päpstlichen Privatge- 
macher und der Person des Papstes. Der Kintritt in diese 
Schweizergarde ist an strenge moralische Bedingungen 
und eine robuste Gesundheit gebunden und kann ohne 
Protektion kaum erreicht werden. 

Bibliographie: Leu, Joh.Jak. .4//</et>irt»ie* Helvetisches 
Eydqriimt. mter Schweizer. Lexikon. 20Teile. Zürich 1747 
bis i7»i5. — Mülinen. K. F v. Heh-elta »acra. 2 Bände. 
Hern 1851. IHßl. — Heipke, K. Fr. Ktrchengetchuhte der 
Schveiz. 2 Hände. Hern I85t!, 18fil. — Nuscheier, Arn. 
Die („.titshiiuser der Schweiz. 5 Abt. Zürich etc. 1864 
bis 185)3. — Hurgener. L. Helretia saiu ta. 3 vol. Kinsie- 
deln IStiO. — Schaller. Henri de. Hutuire de la Garde. 
-jmse iMitificale. Fribourg 1897. — Daucourt, A. Le* 
EveeMt sui»*es. Fribourg 1901. - Slatu$ t.leri 1905. 

2. Bnlum Botel-Lugano. Das Bistum Hasel steht so- 
wohl mit Bezug auf seine räumliche Ausdehnung als auf 
die Zahl der der bischoflichen Hoheit unterstellten Gläu- 
bigen unter den schweizerischen Diözesen an erster 
Stelle. FIs erstreckt sich über 8 Kantone mit einer katho- 
lischen Gesamtbevolkerung von 494263 Seelen (ohne Lu- 
gano). Der Sitz des Bistums war zunächst Augusta Rau- 
rica (Basel Äugst) und wurde nach der Zerstörung dieser 



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SQIYV 



SCIIW 



111 



Stadt durch «lio Alemannen i Anfang des .">. Jahrhunderts) 
nach iia-ilra • Basel i verlegt. Zur Zeit der Reformation 
nahm (Iit Bischof 1526 seinen Silz in Prunlrut, der Haupt- 
• latll seines welllichen Fürstentum«, wo seine Nachfolger 
l.is 1793 verhliehen. 1*i8l erbaute man in Arleslieim eine 
Stiftskirche die bis 1828 als llauplkirchc des Bistums 
diente uml der Iiis 171*1 das grosse Domherreiislift ange- 
^Rcdert.war. Das l'iirstbislum umfasstcdie heutigen Amts- 
bezirke Prunlrut, Delsberg. Freihcigen. Munster und 
Laufen im Hemer Jura, den ganzen Kanton Hasel, die lle- 
Vanate Leimenthal. Rurhsgau und Sisgnn im Kanton Solo- 
lhurn. sowie das aargauische Fricklhal und den gesamten 
über hlsass. Durch das Konkordat \on IHM wurden dann 
der ganze Jura und der Uber Khass der Diözese Strass- 
en g angliedert, so dass dein Bischor von Basel bloss 
noch die Solothnrner uml Aargauer Pfarreien verblieben. 
Der Fürstbischof nahm seinen Wohnsitz zunächst in 
Seueiisladt. dann im l.u/erncr Kloster St. l'rhan und end- 
lich bis. IK28in»ler grussher/oglich badisrhen Sladt (Ulen- 
burg- Als der Jura 1814 wiederum von Frankreich losge- 
löst wurde, erhielt der Rischof von Rasel vom Pap«t die 
geistliche Hoheit über diese Landschanen zurück. Die all- 
gemein sich fühlbar machende Notwendigkeit einer Reor- 
ganisation des Ristums gab zu der \om 7. Mai 1828 da- 
tierten Rulle des Papstes Leo XII. Anlas«, die da« neue 
lii«tum innerhalb «einer jetzigen Grenzen uml mit Solo- 
thurn als Amtssitz des Bischofes schuf Wahrend der 
Zeit, da der Fürstbischof fern \on seiner Diözese in 
«Ulenburg residietle. war deren Leitung einem Geiieral- 
provikar anvertraut, als welcher der Pfarrer um Pnintrut 
atntete. Das wellliehe Fürstentum der Risehofe von Rasel 
bestand aus den heutigen Amtsbezirken Prunlnil, Rels- 
berg. Freiherren. Münster und Laufen, ilie ein (.lied des 
deutschen Reiches bildeten, sowie den unmittelbar dem 
Bischof eigenen Amtsbezirken Nenenstadt. Biel und Cour- 
tolary. die aber mit den Schweizern in Bündnis «landen. 

Das Wapnen des Bistums Basel zeigt im weis- 
sen Feld einen roten Ba«elstab. Diesem 




Wappen fügt der gegenwärtige Bischof das- 
jenige seiner Familie bei. Die Devise des 
Bischofes lautet « In lide et lenilate (in Treue 
und Milde) ». Durch die schon erwähnte Bulle 
von 1828 erhielt das Ristum seine heute noch 
gültige Organisation und Verwaltung. An die 
Stelle der Miftskirchc zu Arlesheim trat das Münster 
von Sololhurn. Das Bistum wurde zusammengesetzt aus 
den Kantonen Solothurn, Luzern. Zug. Rasel Land, Aar- 
cau. Thurgau und Rem. Basel Stadt und Schallhausen 
bilden keine integrierenden Glieder des Ristums Basel, 
sondern werden als der Verwaltung des Pischofes von 
Basel anvertraute apostolische Vikanate betrachtet. 

Sitz des Bischofes und des Domkapitels ist seil 1828 
Solothurn. dessen Münster St. Urs und Viktor zur Stilts- 
ii nd Domkirche erhoben wurde. Das neue Domkapitel 
besieht au» 17 Pomherren, inkl. Dompropst und Domde- 
kan, von denen 5 residierend, d. h. zum r.hordienst 
verpflichtet, und 9 nicht residierend sind. Der Stand 
Lern, der das Anrecht auf 3 Domherren hat, lässt sich 
turZeit nicht vertreten. Der Dompropst und 9 Domher- 
ren werden aus der Geistlichkeit des Kollegialstiftes ent- 
nommen. I>azu kommen noch je 3 aus den Kantonen 
Luzern und Bern und 1 aus dem Kanton Zug. Diese letz- 
tem bilden zusammen mit dem Rompropsl und zwei So- 
lolhurncr Domherren den aus 10 Mitgliedern bestehen- 
den bischöflichen Senat, der das Recht zur Wahl des 
Bischofes hat. Dieser muss der Geistlichkeit der Diözese 
entnommen werden. Sobald alle kanonischen Formalitä- 
ten erfüllt sind, erhalt der neue Rischof vom Papst die 
Bestätigung. Den Dompropst ernennt die Regierung des 
Kantons Sololhurn und den Domdekan der Papst. Wäh- 
rend sich Luzern und Zug das Recht der Ernennung der 
ihnen zukommenden Domherren reserviert haben, wird 
der Hemer Regierung vom bischöflichen Senat ein Ver- 
zeichnis von ö Kandidaten vorgelegt, von denen sie 3 
streichen kann, worauf die Wahl durch den Rischof 
erfolgt. Für die Kosten der bischöflichen Verwaltung 
und die Besoldung des Bischofes kommen die Diozcsan- 
kantone im Verhältnis zu ihrer katholischen Bevölke- 
rung auf. Der Bischof schwört den Diözesankantonen 
Treue und Gehorsam und gelobt, nichts zu unterneh- 



men, was die ollentliche Buhe und Ordnung gefährden 
konnte. 

Der Bischor von Rasel hat auf Grund der Bestimmun- 
gen der Rulle von 1828 das Recht, sich einen Slcllverlie- 
ter anzugliedern, den er selbst ernennen kann und dem 
die zur Diözese gehörenden Kanlone ein jährliches Kin 
kommen von 2UK) Franken sichern. Dem Bistum sind bis 
heute 88 Bischöfe vorgestanden. Die Domherren tragen 
das tote Mäntelchen {den sog. Camaili und das violette 
Rarclt mit dem an einem roten Rand hangenden Brust- 
kreuz. Seil der Konvention von 1888 träft der jeweilige 
Bischof von Basel den Titel eines Bischöfe» von Rasel und 
Lugano, bat aber im Tessin, dem ein als apostolischer Vi- 
kar bezeichneter eigener Bischof vorsteht, keinerlei Beeilte 
auszuüben. T_~ 

Das heutige Bistum Basel zählt eine katholische Bevol- 
keiung von 4942u3 Seelen, die sich auf 4<Xi Pfarreien • nd 
IWl Kaplaneien veiteilen. Ausserdem Domkapitel in Solo- 
thurn bestellen im I mkreis des Bistums noch zwei andere 
Chol herrenstilte iSl. Leodcgar in Luzern und Üerotnün- 
slen. sowie '.l Männer- und 27 Fraucnklosler. Im Jahr 
PHiti betrug die Anzahl der in der Seelsorge tätigen 
Geistlichen 7I0. Das Domkapitel zu Solothurn setzt sich 
gegenwartig zusammen aus .*» residierenden und U nicht 
residierenden Domherren. Die drei Dumherrenstollen, 
auf die der Kanton Bern ein Anrecht hal, sind seil 
1874 unbesetzt geblieben. In Luzern besteht das hischölli- 
che Piiestci-seininiir zu St. Kail, das vier Jahreskurse 
unifasst und dessen sechs Professoren vom Bischof er- 
nannt werden. Die katholische Bevölkerung verleilt sich 
auf die zum Bistum Basel gehörenden Kantone wie folgt: 

Solothurn (.»4t»! Seelen 

Luzern 134 (120 , 

Zug 233(12 - 

Bern 8048U » 

Aaigau 9HW9 <• 

Thurgau 35824 . 

Basel Land 

Basel Sladt ! ■'- Mm " 

Schallhansen 7403 » 

Die 408 katholischen Pfarreien des Bistums sind in 22 
Dekanate oder l-andkapitel eingeteilt. 

at Kanton Solothurn. Katholische BevoiKerung: 
CM 4KI Seelen (98 amtierende Geistliche). 3 Undkapilel 
mit 74 Pfarreien : 

1. Kapilel Solothum-Lebem-Kriegstellcn mit 15 Pfar- 
reien : Solothurn. Aeschi, Belllach, Biberisl. Bedingen, 
Fliimenlhal, Grenchen, Günsberg. Kriegstetlen, Luler- 
bach. St. Nikolaus, Oberdorr, Selzach. Subingen und 
Zuchwil 

2. Kapilel Buchsgau mit H8 Pfarreien : Hägenriorl, Bals- 
thal. Dulliken. Kgetkingen. Erlinsbach, Fulenbach, 
Gänsbrunnen. Grelzenbacli. Gunzgen. Barkingen, ller- 
betswil, Polderhank. Ifenlhal. Kappel. Keslenholz, 
Kienberg. I.aupersdorf. Lostorf. Matzendorf, Mumliswil, 
Neuendorf. Niederbuchsilen, Niedergosgen, Oberhnch- 
siten, Obergösgen. Oensingen, Ölten. Bamiswil. Schönen- 
werd, Slankirch. Stüsslingen, Trimbach. Wallerswil. 
Wangen, Welschenrohr, Winznau, Wolfwil und Wi- 
sen. 

3. Kapitel Dorneck-Thierstein mit 21 Pfarreien : Bärech- 
wil, Beinwil. Breilenbach. Buren. Büsserach. Dornach, 
Frschwil, Gempen. Grindel. Rimmelried, Hochwald. Hof- 
stetten, Kleinlützel. Mariastein. Mellingen. Melzerlen, 
Oberkirch, St. Pantaleon. Rodersdorf, Seewen und Wit- 
terswil. 

In diesem Kanton findet sich die Benediktiner-Abtei 
Beinwil-Mariastein, die um 1085 in Beinwil gestiftet und 
H536 nach Mariastein verlegt worden ist. Heute versehen 
einige wenige Klosterbrüder die Wallfahitskapellc Maria- 
stein, während die übrigen zum grossem Teil in Dürn- 
berg ( Oesterreich ) leben. Das Kloster gehört der schwei- 
zerischen Benediktiner- Kongregation an und zählt im 
Ganzen 40 Insassen, wovon 2fi Priester und 14 Laienbrü- 
der. Die Regierung von Fri hat diese Renedikliner vor 
kurzem zur Leitung der Kantonsschule in Allorf berufen ; 
früher halten sie in Delle, wo sie ihren Sitz genommen, 
eine Lehranstalt von weitreichendem guten Ruf unter- 
halten. Der Abt von Mariastein führt den Titel der beiden 
vereinigten Klöster Beinw il und Mariastein, hal das Recht 



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112 SCI1VV 

zum Tragen von Krummstab und Mitra und verfügt Uber 
den Kirchensalz der Solothurner Pfarreien Kein wil, Hrei- 
tenbarh, Hüsserach, Eraehwil, Metzerlen, Hofstetten und 
St. Pantaleon, sowie der Aargauer Pfarrei Wittnau. 

Kapuzinerklöster bestehen in Solothurn ( I:j88 gegrün- 
det; 20 Insassen), (Ilten (gestiftet 1646; Ii Insassen! und 
Dornach (gestiftet 1672 ; 12 Insassen I 

Krauen kl oster : St. Joseph in Solothurn. vom Orden des 
Ii. Franciscus; 1 41» 1 gestiftet, zur Zeit mit 22 Chor* und 
.'•Laienschwestern. — Schwestern vom h. Namen Jesus in 
Solothurn, Kapuzinerinnen; 1607 gestiftet. — Kloster zur 
Visitation in Solothurn, 1644 gestiftet; mit ausgezeich- 
netem Mädrhenpensionnat. — Pflegerinnen der h. Martha, 
im Spital Solothurn. mit 22 Schwestern; 1788 gestiftet. 

In verschiedenen Ortschaften des Bistums gibt es noch 
andere Schwestern, die sich der Pflege von Waisen. Ar- 
men und Kranken widmen. Nahe der Stadl Solothurn 
befindet sich die der Obhut der Eremilenbruder in Lu- 
Ihern anvertraute berühmte St. Verenen-Einsiedelei. 

bl Kanton I.uzern. Katholische Bevölkerung ; 184090 
Seelen (mit 222 Geistlichen in der Seelsorge), 4 Land- 
kapitel mit .SS Pfarreien. Her Bischof ist in diesem Kanton 
durch einen Geistlichen vertreten, der den Titel eines 
bischöflichen Kommissärs trägt. 

1. Kapitel I.uzern mit 19 Pfarreien: St. Leodegar und 
St. Maria in der Stadt Luzern. Adligcnswil. Buchenrain. 
Ebikon. Emmen, Greppen, Morw . Kriens, Littau, Malters, 
Meggen. Meierskappel. ReUMbfihl, Boot, Schwarzenberg, 
rdligeuswil. Vilzuail und Weggis. 

2. Kapitel llochdorf mil 18 Pfarreien : Aesch. Ballwil. 
Munster. Hachenbach. Ilildisrieden, Hil/kireh. llochdorf, 
lloheiirain. Inwil. Kleinwangen. Müswangen. Neudorf, 
Pfeflikon, Bain, Hönierswil. Bolenburg. Sehoiigau und 
Schwarzenbach. 

3. Kapitel Sursee mit 2« Pfarreien: Bnllisholz. Bnron, 
lloppli-scliwand. Kich. Entlebuch. Eschol/matt. Fluhli, 
Geisa, Crosswaiigen, Hasle. Ilellbühl. Knutwil. Marbach. 
Neiieiikirch. Nottwil. Oberkirch. Bickenbach. Bomoos. 
Buswil. Schüpflieim, Sempach, Siusee, Triengen. Wer- 
Ihensleiii. W'mikoii und YVolhusen. 

4. Kapitel Willisau mit I!» Pfarreien : Allishofen. Dag- 
lOerselleii. Egolzwil, Ettiswil. Grossdiclwil. Ilergiswil. 
I.iilliern. Menzberg. Meiiznau. Pfaffnau. Beiden. Bichen- 

ihal, Schot/. St. Urban, Ufflkon, rniusen. WUlimn, Zell, 

/.Olingen. 

Im Kanlon I.uzern betinden sich ferner zwei Kollegial- 
kirchen : 1) Hie herzogliche Sliftskirche zu Sl. Leodegar 
in Luzern. War zuerst ein Beiiediklinerkloster, das durch 
eine vom 22. Mai 14.V. dalierle Bulle des Papstes Calixtus 
III. in eine Sliftskirche umgewandelt wurde. Hie II Chor- 
herren dieses Stilles werden vom Begierungsrat von Lu- 
zern, die 4 KapWine dagegen vom Kapitel ernannt. Hern 
Propst sieht seit 1777 das Hecht zum Tragen des Krumm- 
stabes und der Mitra zu. 2) Das gräfliche Stift Kero-Müii- 
ster. das Ende des IU. Jahrhunderts vom Grafen Bero von 
Lenzburg gegründet worden ist. Bas Kapitel besteht aus 
einem Propst, 18 Chorherren und 10 Kaplänen. Bero- 
müuster ist ein Asyl für die Luzerner Geistlichkeit, indem 
die frei werdenden Stellen oder Benetizien in der Begel 
an solche im Kanton niedergelassene Priester vergeben 
werden, die infolge von Alter oder Krankheit zur p r arr- 
ainllieheti Tätigkeit nicht mehr tauglich sind 

Kapu/inerkloster im Kanton Luzern: I) Luzern. \:<K.i 
gestiftet ; mit durchschnittlich 10 Insassen. 2| Sursee. 
1602 gestiftet; 16 Insassen. 3.1 Schupfheim. I6.V. geslirte«; 
12 Insassen. 

Frauenklosler: Kapuzinerinnen in Luzern ( 1510 gestif- 
tet; jetzt in Gerlisbergi. — Zislerzienserklosler Eschen- 
bach (seit P2ST.>. dessen Aeblissin das Hecht zum Tragen 
des Krummstal.es hat. -- Schweslerngemeinschaft der h. 
Martha (seit 1KW.. im Spital Luzern. — Gemeinschaft der 
Baldeggerschwestern, mit einem Tochterinstitut und Leh- 
rerinnenseminar (183(1 gegründet). 

c) Kanton Bern. Katholische Bevölkerung : 80189 
Seelen. 7 Bekatiate oder Landkapitel mit 84 Pfarreien, die 
zumeist im Hemer Jura liegen und zum einstigen Fürst- 
bifltODl Hasel gehörten. 

1. Kapitel Hern (aller Kantonsteil und katholische 
Pfarreien des reformierten Berner Jurai mit 9 Pfarreien : 
Ilreifaltigkeitskirche in Bern. Bevilard. Biel, Burgdorf, 



SCHW 

Saint linier. Interlakeii. Moulier. Thun und Tramelan. 

2. Kapitel Pruntrut { Porrentruy ) mit 27 Pfarreien : Prun- 
trut. Alle. Asuel, Beuruevesin. Boncourt, Boufol, Bressau- 
court. Buix, Bure. Charinoille. Chevenez. Coeuve, Cor- 
noL Courchavon, Courgenay, Courtedoux, Courtemaiche. 
Damphreux. Hamvanl. Fahy, Fonteuais. Grandfontaine. 
Miecourt, Montignez. Beclere, Boeourt und Vendelin- 
court. 

3. Kapitel Pelsbcrg (Dclemonl i mil 20 Pfarreien : Oels- 
berg, Kassecourt, Üoeeourt, Bourrignoii, Courfaivre. 
Courroux, Courtetelle, Develier. Clovelier. Montsevelier. 
Movelier, Pleigne. Bebeuvelier. Boggenburg. Saulcy, 
Soulce. Sovhieres. l'ndervelier, Vermes und Vicques. 

In der l'mgebung von Bölsberg beiladet sich der be- 
rühmte Wallfahrtsort von Vorburg, dessen Kirche im 
Jahr 1049 vom Papst Leo IX. in eigener Person geweiht 
worden ist. 

4. Kapit. l Saignelegier mit 8 Pfarreien : Saig tielegier. 
Les Bois. Les Breuleux, l.es Geuevez. La Joux. Moiitfau- 
con. I* Noirmonl und Les Pommerats, 

.">. Kapilel Saint Irsaniie mit ."i Pfarreien : Saint l'r- 
sanne. Epauvillers, La Motte. Soubey und Sainl Brais. 

6. Kapitel Courrendlin mit 4 Pfarreien : Courrendlin. 
Corban. Courchapoix und Mervelier. 

7. Kapitel Lauten mit II Pfarreien ; Laufen. Blauen. 
Brislach. Burg, Diltingen, Duggiugen. Grelliugen. Lies- 
berg. Neiizlingen. Ho. dien/, und Wahlen. 

In diesem Kanlon linden sich die Schwestern vom 
Orden der h. Martha, die in den Spitalern von Pruntrut 
iseil 1785) und llelsberg (seit 1850) als Krankenpflege 
rinnen tatig sind; ferner am Spital und Waisenhaus von 
Saignelegier seit 1848 die Schwestern von der Barmher- 
zigkeit ; am liospizium von Saint L'rsanne [seit 1S92i 
und an den Waisenhäusern von Bölsberg. Le Noirmont. 
Beifond, sowie am Spital von Laufen die Theodosiane- 
rinnen. Urtulinerinnen in Pruntrut (seit 1622). am Wai- 
senhaus von Misere/ und in Hamvanl. In Bern wirken 
am grossen Viktoriaspital die Schwestern vom Ii. Kreuz. 

d) Kanlon Zu g. Katholische Bevölkerung 23362 See- 
len. Den Bischof vertritt ein bischöflicher Kommissär. 
Ein Dekanat mit 10 Pfarreien : Haar, Cham. Menzingen. 
Neuheini. Oberageri. Bisch. Steinhausen, I nlerägeri, 
Walehwil, Zug. 

Im Kanlon bestehen. 1) das I.7.J5 gestiftete Kapuziner- 
kloster in Zug mit 21 Insassen; 2i das I8.M gestiftete 
Frauenkloster vom reformierten Orden des Ii. Francis- 
eus; 3) das l.">80 gestiftete Frauenkloster vom reformier- 
ten Orden des Ii. r-ranciscus i Klarissinneni in Zug; 4 das 
aus I2.M datierende Zisterzienserinnenkloster Frauenthal, 
dessen Aebtissm das Hecht zum Tragendes Krummstabes 
hat; 5| die Krankenschwestern vom Orden der Ii. Martha 
am Spilal zu Zug (seit IKT.7) ; 6» das 1844 gestiftete Mutter- 
haus der Theodosianer-Schwestein in Menzingen. welche 
Kongregation in der Schweiz, in Deutschland und Oester- 
reich eine Heihe von Filialen besitzt. 

et Kanton Aargau. Katholische Bevölkerung 91039 
Seelen. 4 Undkapitel mil 86 Pfarreien. 

1. Kapitel Sis- und Fnckgau mit 28 Pfarreien : llornus- 
sen. Eiken. Frick. Gansingen. Ilerznaeh, Btenthal, Kai- 
seraugst, Kaisien. Laufenburg. Leihstatt. Leuggern. Mäg- 
den. Meltau, Möhlin. Mumpf. Obermumpf. Oeschgen, 
Olsberg. Bheinfelden, Schupfarl. Stein. Sulz. Wegen- 
stetten. Wittnau, Wolflinswil, Zeihen, Zeiningen und 
Zu /gen. 

2. Kapitel Mellingen mit 20 Pfarreii n : Aarau. Bettvvil. 
Boswil. Hunzen. Doltikon. Göalikoo, llagglingen. Her- 
metswil. Lenzburg. Mellingen. Merenschwand. Muri. 
Niederwil. Beinach-Menziken, Sarmenstorf. Tägerig, Vill- 
mergen, Waltenswil, Wehlen und Wohlenswil. 

3. Kapitel Bremgarlen mit I.'. Pfarreien: Abtwil. Auw. 
Beinwil. Berikon. Bremgarlen, Dietwil. Eggen wil. Jonen. 
Lunkhofen, Muhlau, Oberwil, Budolfsletlen. Büti, Sin* 
und Zulikon. 

4. Kapitel Hegensberg mil 23 Pfarreien : Baden. Baldin- 
gen, Birmensdorf, Brugg, Döttingen. Ehrendingen. Fis- 
lisbach. Kaiserstuhl, Kirchdorf. Klingnau. Kunten. Leng- 
nau. Neuenhof- Killwangen, Bohrdorf. Schneisingen. 
Spreitenbach, Stetten, l'nlerendingen. Wettingen. Wis- 
likolen. Wuronlingen. Wurenlos und Zurzach. 

Eine aargauische Exklave bildet das ganz von Züreher- 



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SC1IW 



SCIIW 



sehiet umschlossene Benediktiner-Fraucnkloster Fahr, 
das 1 I3n gegründet wurden ist und als dessen Viaitator 
der Kurstal>t von Einsiedeln amtet. Ks ist zugleich das 
einzi« im Kanton Aargau noch bestehende Kloster. Mit 
kranken-, Waisen- und Armenpflege beschäftigen aich 
die Ursulinerinnen in Böttberg und die an zahlreichen 
Orten niedergelassenen Theodosianerinnen. 

f. Kanton [Basel Stadt. Ein Dekanat mit den 3 
<udlischen Pfarreien St. Klara, St. Maria und St. Josef. 

f. Kanton Basel Land. Katholische Bevölkerung 
zusammen mit Basel Stadt) 52665 Seelen. Dekanat Birs- 
eck mit 13 Pfarreien : Arleslit'im. Aesch. Allschwil. Bin- 
ningen. Birsfelden. Eningen. I.ieslal. Oherwil. Pfeflin- 
(icn. Beinach, Sehönenbuch. Sissach und Therwil. 

h. Ka nlnn Tlnirgau. Katholische Bevölkerung 35844 
Seelen. 4 Landkapitel mit 52 Pfarreien. 

I Kapitel Arbon mit 1» Pfarreien : Almau. Arbon. Berg. 
UiM-horszHI. Kmniishofen, Guttingen. Ilagenwil, Heilig- 
kreuz. Kreuzlingen. Munslerlingen. Hnmanshorn, Schon- 
holzerswilen, Sitterdorf, Sommeri. Steinebrunn. Sulgen, 
Welfensbeiy. Wertbühl und Wuppenau. 

i. Kapitel Frauenfeld-Steckborn mit 33 Pfarreien : Aa- 
vlnrf. Au. Hasadingen, Bettwiesen. Bichelsee. Busanang, 
Diessonhofen, Dussnang. Ermatingen, Eschenz, Frauen- 
ft lJ. Fischingen. Gachnang. Gundelhard, Herdern. Hom- 
burg. Hüttwilcn, Klingenzell, Loutmerken, Lommis. Mam- 
mern. Müllheini. Paradies. Plln, Bickenbach, Sirnaeh, 
Steckborn. Tanikon. Tobel, I'eselingen, Wart, Weinfclden. 
und Uangi. 

Ik-n Bischof von Basel vertritt im Kanton Tburgati ein 
bischöflicher Kommissär. 

i. Kanton Scbafriiause n. Katholische Bevölkerung 
im Seelen. Katholische Pfarreien Schaphausen und 
Barnsen. 

B<Uiugrii/,/ne: Neugart, Trudpertus. Enisconatus Con- 
%tautiensis Alemannia^ . . . 2 t. S. Blasii 180(4. Friburgi 
1NÖ2. — Monuments de l'fttstoire de fanden f.'vevhe de 
Htilf : recueillis et publies parJ. Trouillat. 5 vol. Porren- 
truv 1854-1866. — Vautrev, Ls. Histoire den ereques de 
H'iie. 4 vol. Einsiedeln 1884 1886. — Daucourt. A. !)ic- 
tiounaire hixtorique de» paroisses de l'Eveche de Bdle. 
.") vol. Porrentruy 1893-1905. — Biedweg. Mathias, Ge- 
schichte der Stiftskirche Beroniünster. Luzern188l. — 
Fleiner. Fritz. Staat und Bischofswahl im Bistum Ba- 
sel. Leipzig 1897. — Kuhn, Konrad. Thurgovia sacra; 
Geschichte der kathol. kirchlichen Stiftungen des Han- 
um* Thurgau. 3 Ilde. Krauen fehl 1869-1883 - Kiem, 
Mart. Geschichte der Benediktiner Abtei Muri-Gries. 
4 Teile. Stans 1888, 1891. - Sot'r.en zur Geschichte der 
Menzingei'-Schweslem ; von B. L. Solothurn 1888. — 
Status Clert des Bistums Basel für 1905. 

3. Bistum Chur. Das Bistum Chur ist »ehr alt. Es 
nmfajwte ursprünglich den Kanton Graubünden, das l!r- 
serenthal. «las Sarganser- und Gasterland, das Fürsten- 
tum Liechtenstein und einen Teil von Tirol, welch' letz- 
terer ihm im Jahr 1805 verloren ging, nachdem man 
es schon im Laufe des 17. Jahrhundert» der Thalschaf- 
ten Puschlav und Bergcll beraubt hatte. Nach der Auf- 
hebung dea Bistums Konstanz wurden die Urkantone 
vorläufig unter die Verwaltung des Bischofs von Chur 
gestellt. Von 1843-1836 war das Bistum Chur mit dem 
neu eingerichteten Bistum St. Gallen vereinigt. Als 
man dann zur Trennung des Doppelbistums schritt, 
wurde der Kanton Schwyz dem Bistum Chur fest zuge- 
sprochen, während ihm Glarus, l'ri, (Jnterwalden und 
Zürich bis heute bloss provisorisch angehören. 1866 er- 
hielt es auch die italienischen Bünduerthaler (Puschlav, 
(lalanca, Misox und Hergell), die bisher unter Mailand 
gestanden hatten, wieder zurück. Meute umfnssl das Bis- 
tum Chur somit als offiziellen Besitz die Kantone Grau- 
hünden und Schwyz. sowie das Fürstentum Liechtenstein, 
vdann als provisorische Glieder die Kantone l'ri, Un- 
terwaiden, Glarus und Zürich. Mit Inbegrifl des h. Luzi, 
der als erster Bischof von Chur aufgeführt wird, haben 
im Ganzen 94 Bischöfe auf diesem Stuhle gesessen. Der 
Bischof, der Graubündner Bürger Bein muss, wird vom 
Churer Domkapitel ernannt, worauf die Wahl von der 
Itundner Degierunit bestätigt und vom Papst anerkannt 
werden muss. Ihisden Bat den Bischöfe* bildende Kapitel 
b»-« teht aus 24 Domherren, wovon I» zur Besorgung des 



Domes ihren festen Wohnsitz in Chur haben müssen, die 
übrigen dagegen auswärtig wohnen, d. h. nicht residieren. 
Dem Dompropst steht das Becht zum Tragen des Krumm- 
stahe* und der Mitra zu. während die Domherren zum 
Andenken an den h. Luzi das rote Mäntelchen (den sog. 
Camail) und das viereckige Brustkreuz tragen. Die Er- 
nennung der residierenden Domherren steht dem Papste, 
diejenige der auswärtigen Domherren dagegen zum einen 
Teil dem Bischof und zum andern Teil dem Kapitel 
selbst zu 

Bis 1802 gehörte das Bistum zur Metropolitanprovinz 
Mainz und wurde dann dem Ii Stuhl direkt unterstellt. 
Heute zählt es eine katholische Bevölkerung von zusammen 
447 </4 Seelen ("238 181 auf Sehwei/eiboden. von denen 
49 144 auf Graubünden. Kl 537 Schwvz. 18024 I i i. 47 908 
l'nterwalden. 7918 Glarus. 80752 Zürich und 931« aur 
Liechtenstein entfallen. Diese Bevölkerung verteilt sich 
aur 2il9 Pfarreien und 196 Kaplaneien. die von 417 
Pfarrgeistlichen versehen werden und zusammen 16 
Landkapitel bilden. Daneben bestehen in den Kantonen 
Graubünden, Glarus und Zürich noch 26 Missionsstatio- 



Innerhalb der Grenzen des Bistiimcs befinden sich 9 
Männer- und 10 Frauenkloster und haben sich 11 Kon- 
gregationen niedergelassen. Man findet im Bistum zwei 
Stirter: 1) Das Stift zu St. Viktor im Misox, von Heinrich 
von Sax. Herrn von Misox, im Jahr 1219 gegründet ; 
1 Propst und 15 Chorherren. Der Propst wird von den 
Chorherren erwiihlt und steht direkt unter dem Ii. Stuhl. 
Sämtliche Stellen und Aeniter dieses Stiftes sind gegen- 
wärtig unbesetzt. 2) Das Stift zu St. Viktor in Puschlav. im 
13. Jahrhundert durch einen Bischof von Omo ge- 
gründet. I Propst und 6 Chorherren. 

Das grosse St. I.uzius-Priesterseminar in 
. Chur umfasst 4 Studienjahre und zahlt 7 Pro- 
« ^-y fi ] l'essoren, die vom Bischof ernannt und der 
/HB, Geistlichkeit der gesamten Diözese entnommen 
* ^£ I werden. 

<>^'*%\ D»» Wappen des Bistums zeigt einen auf- 
recht stehenden schwarzen Steinbock im sil- 
bernen Feld. 

a. K a n t on G r a u bünden. Katholische Bevölkerung 
49142 Seelen. 10 Landkapitel mit 100 Pfarreien, die zum 
Teil von Weltgeistlichen und zum Teil von Kapuzinern 
der apostolischen Präfektur Bätien, sowie der Vizepräfek- 
tur Misox und Calanca versehen werden. Jedem Kapitel 
stehen ein Dekan. Vizedekan und Sekretär vor. Die Geist- 
lichen eines jeden Kapitels treten jährlich mehrmals zu 
einer Synode zusammen, um die vom Bischof vorgeschla- 
genen Thesen zu besprechen. Die Beferate werden schrift- 
lich abgefasst und nach gehaltener Synode dem Bischof 
zur Prüfung eingesandt. 

1. Kapitel Chur mit 8 Pfarreien: Chur, Arosa, Chur- 
walden, Maslrils, Trimmis, L'ntcrvaz. Zizers. Pardisla- 
Seewis. 

2. Kapitel Disentis mit II Pfarreien: ßrigcls, Danis, 
Dardin, Disentis, Medels, Schlans, Somvix. Babius, Sur- 
rhein, Tavetsch. Truns. 

3. Kapitel Lugnez mit 11 Pfarreien: Camuns, Cumbcls, 
Igels, Lumbrein, Neukirch, Uberkastels, Pleif, Tersnaus. 
Vals, Vigens. Yrin. 

4. Kapitel Grub mit 13 Pfarreien : Andest, Fellers. Banz. 
Laax, Ladir, Obersaxen, Panix, Buis. Buschein, Sagens, 
Schleuis, Seewis, Seth. 

5. Kapitel Mesolcina mit 8 Pfarreien: Cama-Leggia, 
Grono, Lostal lo, Mesocco, Hoveredo, Soazza, Verdabbio, 
San Vittore. 

6. Kapitel Calanca mit M Pfarreien : Arvigo, Augio, 



Braggio, Buseno, Castaneda, Cauco, Santa 



ca. 



Landarenca, Santa Maria, Bossa. Selma, 

7. Kapitel Supramuranum mit 20 Pfarreien : Alvaneu, 
.Mvaschein, Brienz, Conters. Lenz, Möns, Mühlen, Ober- 
vaz, Präsanz. Beams, Salux, Savognin, Schmitten. Slalla- 
Marmels, Stürvis, Sur, Surava. Tiefenkastel, Tinzen. 
Davos. 

8. Kapitel Inframuranum mit 9 Pfarreien : Almens-Bo- 
dels. Bonaduz. Ems. Cazis. Paspels. Bhäziins, Toniils, 
Thusis. Andeer-Splügen. 

9. Kapitel Puschlav mit 3 Pfarreien: Poschiavo iPiisi h 
lav). I.e Prc*e, Bmsio'. 

1116 (,Ko»;it. i.kx. V - S 



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Iii saiw 



10. Kapitel Val Vetiuste und Erigadin mit 6 Pfarreien : 
Munster. Valcava. Saninaun. Tarasp, St. Moritz und Pro- 
innntogno. 

Die zu Ende des 16. Jahrhunderts gestiftete apostolische 
Präfektur Italien ist der Obhut der Kapuziner aus der 
Provinz ßrixen anvertraut und umfasst 52 Kirchen, 38 
Schulen und 18 Pfarreien mit 6250 katholischen Einwoh- 
nern. Diese von 25 Kapuzinern bedienten 18 Pfarreien 
sind : Almen», Hivio. Mühlen. Hoffna, Tinzen, Alvaschein, 
Suravn, Tiefenkastrl, Sagens. Silgin, Savognin. C.umbels, 
Camuns-Danis. Obervaz, Tomils, Alvaneu, Salust. Brusio. 
Der apostolische Präfckl hat seinen Sitz zur Zeit in Sa- 
gens. 

Die 1635 von Spanien gestiftete apostolische Vizeptä- 
feklur Melsolrina-Calanca umfasst 22 Kirchen und Kapel- 
len. 9 Schulen und 6 Pfarreien (Cama, Castaneda. Cnmo, 
Itossa, Santa Maria und Soazza) mit 4150 katholischen 
Einwohnern. Derzeitiger Sitz des apostolischen Vizeprä- 
fokleii ist Cama. 

Kloster im Kanton Graubünden : 1} Forstliche Benedik- 
linerabtei Disentis. im Jahr 014 gestiftet. Dem Abt stand 
bis 178.*» die hohe Gerichtsbarkeit über das Thal von Di- 
sentis und das l'rserenthal zu. Bis I80C1 war er einer der 
drei Vorsteher des Grauen Bundes. Den Titel eines Furst- 
abtvs erhielt er 1570: er trägt Krummstab und Mit™. Das 
Kloster bilde) ein Glied der schweizerischen Benediktiner- 
kongregation, unterhalt eine höhere Lehranstalt und zahlt 
19 konvcntualcn. Dem Fürstaht steht der Kirrhensatz in 
den Pfarreien Ems. Campo. Brigels, Tavelsch. Me<lels. 
Somvix. Valendas, Kellers und Huschein zu. 

2) Die Kapuziner der Provinz Tirol haben Kloster in 
Münster (1734 gestiftet) und Puschlav (seil 16X4». sowie 
das 1734 gestiftete Hospiz Tarasp. 

3) Den Kapuzinern der Schweizerprovinz gehören die 
llospizieti in Zizeis (gegründet 1680). in l'ulervaz (seil 
UW\ auf dem Mastrilserbcrg (seit 1727) und in Pai- 
disla <seit 1899). 

4) Dominikanei'-Frauenklosler Cazis ; war zuerst ein 
II.Mi gestiftetes Augustineriiineiikloster und ging 1647 an 
die Dominikanerinnen über. 

5i Augustiner-Frauetikloster Münster, 801 von Karl dem 
Crossen gestiftet. Die Aebtissin trägt den Krummstab. 

b. Fürstentum Liechtenstein. Hat von ieher 
zur Diözese Chur gehurt. 9593 katholische Einwohner. 
Ein Landkapilel mit 10 Pfarreien: Balzen, Bcndern. 
Eschen. Mauren. Buggel. Schaan. Schellenberg, Triesen, 
Tiieaenheig. Vaduz. Der bischöfliche Vikar hat »einen 
Silz zur Zeit in Triesen. Diese Pfarreien werden von 18 
Geistlichen bedient. 

«-. Kanion Schw\z. Katholische Bevölkerung 53537 
Seeleo. i Landkapilel mit 31 Pfarreien. 

1. Kapitel Selm*.* mit 17 l'fnt reien und 9 Kaplaneien : 
Alplhal, Arth {mit der Kaplauei Goldau ;. Gersau. I >beriberg. 
I nteriherg unil der kaplanei Sludcn i. Illgau, Ingenbohl 
(mit der Kaplauei Brunnen). Küssnachl (mit «Jen Ka- 
ptanzen Immensee und Merlischacheiii, Löwen. Mor- 
schach. Muolathal (mit der Kaplauei Hied). Kiemenslal- 
den. Hotenturm (mit der Kaplauei Bibereggt. Sattel. 
Schwyz (mit den Kaplaneien Seewen und Ifinteriberg). 
Steinen und Steinerberg. Der bischöfliche Kommissär hat 
seinen Sitz zur Zeit in Muotathal. 

2. Kapitel March mit 14 Pfarreien : Allendorf. Einsie- 
del!, (mit den Filialen Willeneil. Euthal. lim«. Egg. 
Itennau und Trachslau), Feiisisberg. Freienbach. Galgenen, 
Lachen, Nuolen. Heichenburg. Schubelbach. Tuggen. 
Hinter Wäggithal, Vorder Wäggithal. Wangen, Wollerau. 
Der bischöfliche Kommissar hat geinen Silz zur Zeit in 
Lachen. 

Alle diese Pfarreien. Kaplaneien und Filialen werden 
durch HO WVligeistliche und Kloslergeistliche aus dem 
Heiiediklinerklosicr Einsiedeln versehen. 

Im Kanton Schwvz liegt die 831 geslilteie füntluhe 
llenediklineralilei .nullius» Einsiedeln, die einzig dem 
h. Stuhle unterstellt ist und deren Abt als Knnsistorial- 
al.t das Hecht hat. an den ökumenischen Konzilen teilzu- 
nehmen. Jeder Fürst abl ist zugleich \on Amtes wegen 
Ehrenbürger dei Stadt Zürich. Er steht als Präsident der 
schweizerischen llenediktinerkongregation vor. die ilie 
Kloster Einsiedeln. Disentis. Engelberg. Mariaslein und 
Muri -Gries mit ihren Filialen umfassl. Hein Abt »teht 



SCIIW 

der KirchensaU über folgende Pfarreien zu: Einsiedeln. 
Feusisberg, Freienbach, Willerzell und Euthal im Kanton 
Schwyz, Eschen/, im Thui'gau, Sarmensdorf im Aargau. 
Oberkirch im Kanton St. Gallen, Eltiswil im Kanton 
Luzern, über 5 Pfarreien im Tirol, sowie über die refor- 
mierten Pfarreien Stäfa. Minnedorf, Meilen. Brüllen und 
Schwenenbach im Kanion Zürich. Er ist Visitator der 
Frauenklöster Fahr im Aargau, Seedorf t L'ri ). Au bei Ein- 
siedeln und Glauburg im Kanton St. Gallen. Ausgezeich- 
nete Klosterschule (Gvmnasium) mit etwa 300 Zöglingen 
Einsiedeln ist zugleich ein weltbekannter Wallfahrtsort, 
dessen Frequenz nur hinter derjenigen von Loreto in 
Italien. San Jago di Composlela in Spanien und Lourdes 
in Frankreich zurücksieht. Das Wappen des Klosters 
zeigt im goldenen Feld zwei übereinander belindlichc 
schwarze Haben mit ausgespannten Flügeln und erinnert 
an die Legende der zwei Haben des h. Meinrad. Biblu-- 
iimphif. Morell. Gall. Uri/rtirti «/er Alitrt Hmt iWW«. 
Chur 1848. — Harlmann. Christoph. Atinnlrx Ilm-on. 
I'riburgi 1«12. — Hinghol/. Odilo. Cexrhu /itf ilrr furni- 
lirlip» Abli'i Hinsn'ilfin. tinsiedeln 1900. — Kuhn. Alh. 
WaUfahrlwjegchiihte von Hitttinlehi. Einsiedeln 1S82- 

Kapuzinerklosler in Schwvz |1585 gestiftet) mit 15 und 
in Arlh 1I6.V» gestiftet) mit 9 Insassen, sowie liospi/ 
Rigi Klosterli (seil 1715) mit 3 Heligiosen. 

Frauenkloster Henediktinerinnen in Au (1602 gestiftet . 
Franziskanerinnen in Muotathal (seit 1288). Domini- 
kanerinnen in Schwyz «seit 1272 1. Das grosse Kloster 
Ingenbohl. Mutterhaus der Theodosianerscnwestern vom 
h. Kreuz, ist I8.V1 mm Kauuzinerpaler Theodosius gestiftet 
worden. Diese Gemeinschaft, die sich der Kranken- und 
Waisenpflege, sowie dem Primarschulwesen widmet, 
zahlt gegenwartig mehr als 4000 Angehörige, die »ich 
aur die ganze Schweiz, auf Deutschland. Oeslerreich und 
selbst Bussland verteilen. 

d. Kanton Uri. katholische Bevölkerung 18924 See- 
len. Ein Landkapilel mit 22 Pfarreien. Den Bischof von 
Chur vertreten ein zur Zeil in Allorf residierender bi- 
schoflicher Kommissär und ein in Andermalt niederge- 
lassener besonderer Deputat 1 Delegierter) für das L'r^eren- 
Ihal. Der Kanton gehört erst provisorisch zum Bistum 
Chur. Pfarreien: Altorf (mit der Kaplanei Beroldingen . 
Attinghaiisen. Bauen. Burglen (mit der Kaplanei Kieder- 
thal). Eretfeld. Flüelen. Goschenen (mil der Kaplanei 
Goscheneralp). Isenthal. Schattdorf. Seedorf. Seeliaberg. 
Silenen. Amsteg. Bristen. Gurlnellen. Sisikon. Spiringen 
Unit der Kaplanei Hrnerbodent. l'nlenchächen, Wassen 
(mit der Kaplanei Meiern; Andermatt. Ilospcnthal und 
Bealp. 

Die Kantonsschule in Altorf wird von Henedikliner- 
palres geleitel. Die 22 Pfarreien werden von 49 Priestern 
(worunter 4 kapuxinen bedient. Kapuzinerklosler Altorf 
il.">8l gestiftet! mit II und Kapuzinerhospiz Andermal) 
iseit 168«) mit 3 Insassen. Frauenklöster: kapuzinerin- 
nen in Allorf (seit 15<*i) ; Benediktinerinnen in Seedorf 
(seil 1097; die Aebtissin tragt den Krummstab). unter der 
direkten Hoheit des Abtes von Einsiedeln. 

e) KantonObw alden. Katholische Bevolkerung15ftft> 
Seelen. 7 Pfarreien und 7 Kaplaneien. die unter einem zur 
Zeit in Sachsein residierenden bischöflichen Kommissär 
stehen. Pfarreien: Alpnach. Engelberg. Giswil imit der 
Kaplanei Grosstheil i. Kern* mit den Kaplaneien Melchthal 
und St. Niklauseni. Lungern mit der Kaplanei Bürgten 1. 
Sachsein (mit der Kaplanei Flühli). Samen unil den 
Kaplaneien Stalden und Kägiswil). Diese Pfarreien wer- 
den von 35 Priestern und einigen Benediktinern versehen. 

Im Kanton liegt die 1120 gestiftete Benedi ktiaerabte. 
Engelberg (mit 57 Klosterbrüdern 1. die ein gutes Gvm- 
nasium unterhält und deren Abt das Beclo zum Tra- 
gen von Krummstab und Mitra hat. — Kapuzinerklosler 
Samen ( Ißt» gestiftet > mit 9 Insassen. — Benetliktiner- 
Frauenklosler Samen iHW2 gestiftet ). deren Aebtissin das 
Becht zum Tragen des Krummstabes hat. In Sarnen lei- 
ten die Benediktiner von Muri-Gries eine höher«! Lehran- 
stalt iGvmnasiumi \on weitreichendem guten Hur. 
f. Kanton Nid walden. Katholische Bevölkerung 12890 
Seelen. Der Bischof ist durch einen bischöflichen Kom- 
missär vertreten, der zur Zeit in Stans residiert. 7 Pfar- 
reien und 9 Kaplaneien: Beckenried. Buochs. Emuietten. 
Ennet bürgen. Ilergiswil. Sintis imit den 8 Kaplaneien 



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sr.nw 



115 



Nan*«Maa«l. Knnctmoos. Büren. Pallenwil. Wiesenberg, 
Ohbürgen. Kersiten und Nieder Rickenbach i. Wollen- 
M-hies!«en i mit der Kaplanci Ober Rickenbach). Etwa 30 
lYiester versehen die kirchlichen Funktionen. 

Kapuzinerkloster Stans (seit 1582) mit 18 Insassen, die 
ein Gymnasium von 6 Klassen leiten. Franziskancr-Frau- 
enkloster vom dritten reformierten Orden in Stans iseit 
IffcM-, dessen Aehtissin das Recht zum Tragen dos Knimm- 
-tabes hat. 

g. Kanton Glarus. Katholische Bevölkerung 7918 
Seelen. Landkapitel March Glarus mit 6 Pfarreien: Gla- 
ru*. Einthal, Na reis. Netstal. Oberurnen und Schwanden, 
ilie vor» 8 Geistlichen bedient »'erden. Kapuzinerkloster 
in Näfels iscit ItiTt; S Insassen}, das eine Lehranstalt 
für die Katholiken der Umhegend linterhall. 

h Kanton Zürich. Katholische Bevölkerung 80752 
"Wien. Kapitel Zürich mit 25 Pfarreien und 54 Geist- 
lichen. Pen Bischof vertritt ein zur Zeit in Rheinau 
rv*idierender Kommissär. Pfarreien nach der Beihen- 
f»lge ihrer Gründung: Dietikon, Rheinau. Winlerlhur, 
/ürich-AiissersiliL Zürich-L'nterstrass. Oerlikon. Dübcn- 
d-irf. Hnrgen. Wädenswil, Langnau. Adliswil, Männe- 
cl->rf. Wald. Uster. Rfilach. Rüli. Allollern. WeUikon, 
k>>llbrunn. Thalwil. Altsletten. Pfungen-Neflenbaeh. Kns- 
naehl. Grafstall. Rauma. Die beiden Pfarreien Zürich 
wi-rden zusammen \on 22 amtierenden Geistlichen be- 
*orgt. 

H»lilii*jroß>hi*>. Eichhorn. Ambro«. Germania ««cm in 
(rftn-inrimt erelesiastica* et dioresis dislrihutn . Tom. II : 
Ejii*'i*v"l"* <.urien*is in Rae t in. Typis San Blnsianis 
1,97. • — Mayer. Joh. Georg. \'at\ctinn-tlurien»in ; unge- 
dmckte ptifutliehe l'rknnden, die Diözese C/iur betref- 
fend au* dein /.'/.-/."». Juhrh. (17. JaJircsherieht der Hi- 
>t-ir.-antif/uar. Gesellschaft von Grauhönden). Chur 1888. 
— Cahannes. Joli. Das Kloster Dtsentis mm Ausgang 
in Mittelalters In* zum Tode den Abtes Christum co« 
(,'"«( W«*ry f~>Hj. — Maver. Hieronymus. Das Renedik- 
"nTStift f£*i<ielf>ertj. (Progr. Gymnas. Kngelberg. 1890 
Li« 1891). Luxem i8SM. — Fetz, Job. Ant. ' Die Srhirm- 
• '*ltri des H'H'hstiftr* Chur nmt die Reformation . Lu- 
dern 18f>6. — Fetz. Job. Ant. Das Histum Chur; histor. 
und statistiueh hexvhriehen, (Schetnntismus des Risttims 
Khur. 1863. 64. «56. 69i. Chur 1863-H9. — Molitiier, E. Le 
trrwr de la eathed rille de Coire. Paris 189». — Ge- 
•fhichte der Sehirestem vom h. Kreuz in lngenbo/il. 
1888. — Mayer. Joh. Georg. St. Luzi bei Chur vom zwei- 
i'-ii Jahr/mtt'lei l bis zur Gegen wart ; Geschichte der 
Kirche, des Klosters und des Seminars. Lindau 187fi. — 
Hager, P. Kirchensrhotzr von Disenlis und l'mgebnng. 
Ihsentis 1897. - Mayer. Joh. Georg. Schematismus der 
lieistlirhkeit des Ristums t.bur für dos Jahr i'.Htl . 
Chur 1901 . 

L Bistum I.atisanuc-Genf , per ursprüngliche Sitz die- 
>4T Ristuni« war Avenrhes, von wo ihn der h. Marius zwi- 
•rhen 585 und 594 nach Lausanne verlegte. Bis 1802 iim- 
fasste das Bistum die Kantone Freiburg. Neuenburg tind 
Waadt exkl. Ai^'f. Los Ormont» und das l'l'er des Genfer- 
von Genf bis Aubonnei, den alten Kanton Bern bis 
an die Aare, «las Dekanat Solothurn. die heutigen Berner 
Amtsbezirke Ittel. Nciieristadl und Courtelary, sowie die 
Jr»?i l'farreien Jcnigne. 1-es Hönilaux Neu Ts und Longue- 
li'le in der Franche Cointe. Bis 1802 war der Bischof 
i"n Lausanne stets auch der erste Suffru^an des Frz- 
bistums Besancon. wahrend er von diesem Zeitpunkt an 
direkt dem h. Stuhl unterstellt ist. 1802 gingen dem Ris- 
tum die jurassischen Bezirke, die an Strassburg kamen, 
und die an Besancon angegliederten drei Pfarreien der 
KreiBraf^chaR verloren; 1828 kam Solothurn an das neu 
••rri'-ritete Bi"tuin Basel, dem 1860 auch der ganze Kan- 
'■•m Bern angegliedert ward. Dagegen ven>inigte man 1819 
ilie bisher zum Kr/.bistum Chambery gehörenden katho- 
lischen Pfarreien des Kantons Genf 
mit dem Bistum Lausanne, das von 
nun an auf ausdrücklichen Wunsch 
des Staates Genf und mit der 1821 er- 
folgten Kinwilliciing des Papste* den 
Titel Bistum Lausanne-Genf fuhrt. 
Pas Wappen des Bistums Lausanne 
besteht aus einem gespaltenen Schild 
Silber un«l Gold, darin je ein geschlossenes Cilw- 




rium i Kelch i, dasjenige des Bistums Genf aus einem 
goldenen Schild mit zwei gekreuzten silbernen Schlüs- 
seln Diesen beiden Wappen pflegt der Bischof von Su- 
sanne und Genf jetzt aucfi noch sein Familienwappen bei- 
zufügen. Der Bischof fuhrt den Titel: Graf und Bischof 
von Lausanne. Fürst de« h. römischen Reiches deutscher 
Nation und Ittschof von Genf. Er wird aus der Mitte der 
Geistlichkeit der Diözese vom Papst direkt ernannt. .Seit 
der Reformation hat er weder Dom noch Kapitel mehr. 
Zur Zeit der Reformation halte sich der Rischof von Lau- 
sanne in die Freigrafscbaft zurückgezogen, wo er als 
Generalvikar des Erzbischnfcs von Resancoii, seines Me- 
tropoliten, amlete. wahrend er selbst das ihm verbliebene 
Stuck seiner Diözese ebenfalls \>>n einem Generalvikar. 
gewöhnlich dem Propst von St. Nikiaus in Freiburg, ver- 
wallen lie'-s. Lrsl zu Ende des 18. Jahrhunderts erhielt 
er die Frlaubnis. sich dauernd in Freiburg nieder- 
lassen zu dürfen. Auf dem Rischofsstuhl von l-ausannc 
sind im ganzen etwa 99 Bischöle gesessen, von denen 
drei die Kardinalswürde erlangt haben: der Benediktiner 
Louis de la Paluz; Giuliano della Rovere (1472-1477; 
Kardinal im Jahr 1471 1. Neffe des Papstes Sixtus IV. und 
unter dem Namen Julius II. vi>n 1."»03-1f>1 3 selbst Papst : 
Kaspar Mermillod im Jahr 1890). 

Das Bistum l-ausanne-Genf zahlt eine katholische Be- 
völkerung von 22>i9tU Seelen, die sich folgendermassen 
verteilt : Kanton Fiviburg I<l8i40. Waadt 33o07. Neuenburg 
17 73t und Genf 67102 Seelen. Es umfasst 19 Dekanale mit 
1H0 Pfarreien und 34 Kaplaneien. die von 335 Geistlichen 
versehen werden, im Bistum leben rund 90 Ordensleute : 
Kapuziner, Franziskaner, Karthauscr. Dominikaner etc. 

In Freiburg besteht das Stift zu St. Nikiaus. dessen 
Kapitel direkt dem h. Stuhl unterstellt ist. Bischof Roger 
\on Lausanne erhob 1182 die Kirche St. Nikiaus zur 
Pfarrkirche, worauf sie im Jahr 1512 von Papst Julius IL 
den Rang einer Stiftskirche erhielt. Heule setzt sich das 
Kapitel aus einem mit Mitra und Krummstab ausge- 
rüsteten Propst, einem Dekan, einem Vorsänger. 9 Chor- 
herren und mehreren Koadjutoren zusammen. Dem Stift 
gehört die Kollatur der vier Pfurreien der Stadt Freiburg, 
sowie der Pfarreien Marly. Büdingen. Tafers, Auligny, 
Estavayer le Gibloux, Trevvaux, Belfaux. Cormondes, 
Villarvolard, Broc, Saint Aubin, Orsonnens, Montbrelloz, 
Vuisternens devanl Romont. Avry devant Pont, Farvagny, 
SAIes, Semsales, sowie ferner die Pfründe S^vaz. Der 
Propst wird vom Freibur^er Grossen Rat ernannt und 
vom Papst bestätigt; der Dekan wird vom Staatsrat er- 
nannt und vorn Bischof bestätigt , die Chorherren werden 
vom Staatsrat ernannt und vom Kapitet bestätigt. Die Chor- 
herren tragen im Winter den grauen Pelzmantel und 
im Sommer das Chorhemd mit engen Aermeln, sowie 
ilas Miintelchen mit amaranthfarhigem Band. Wappen 
des Stiftes St. Nikiaus: Auf blauem Grund geht aus einer 
silbernen Wolke ein silberner Arm mit Hand in Fleisch- 
farbe hervor. 

Line zweite Kollegial- oder Stiftskirche ist Notrc Dame 
in Freiburg, die 1201 gegründete älteste Kirche der Stadt. 
Ihr sind ein Frühmesscr sowie einige Chorherren und 
Ehrenkapläne angegliedert. Grosses Priesterseminar St. 
Karl in Freiburg, mit 4 Jahreskursen und sechs vom 
Diöz.esanbischof ernannten Professoren. An der Universi- 
tät Freiburg lehren Dominikanermönche und Weltpriester 
die theologischen und philosophischen Disziplinen, sowie 
die Kanzeloeredsamkeit. An dem gegen 600 Schüler zählen- 
den grossen Kollegium St. Michael wird der Unterricht von 
19 Geistlichen erteilt. Neben dem Internat dieses Kolle- 
giums besteht in Freiburg noch das von 4 Geistlichen ge- 
leitete theologische Konvikt Alhertinum. wählend ein wei- 
teres Konvikt (Salesianum) im Bau begriffen ist. 

Im Bistum Lausanne -Genf liegen fi Männer- und 7 
Frauenklöster und bestehen eine grosse Anzahl von reli- 
giösen Kongregationen, die sich mit Kranken- und Wai- 
senpflege beschäftigen, sowie dem Schulwesen obliegen. 

a. Kanton Freiburg. Katholische Bew'ilkemng 
108440 Seelen. 14 Dekanate mit I3li Pfarreien. 

1. Dekanat der Stadt Freiburg mit 4 Pfarreien : St. 
Nikiaus. St. Moritz, St. Johannes und St. Peter. 

2. Dekanat Estavayer mit 8 Pfarreien : Bussy. Cheyres, 
Kstavayer le Lac. Font. Lully. Moiitet. Ruevres les Pres. 
Seiry. 



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ST.HVV 



SCHW 



3. Dekanat Gruyrre mit 10 Pfarreien : Albeuvc (mit der 
Kaplanei Sciernesi, Chäteau d'tKx (in der Waadt), r>te- 
vannens. Grandvillard, C.ruveres (mit der Kaplanei Min- 
sieri. Le Päuuicr, Lessoc, Montbovon, Neirivue. Villars 
sous Mont. 

4. Dekanat Romont mit 12 Pfarreien : Berten», Billens, 
Chitelard. Grangettes, Lajoux, Massonnens. Mezieres. 
Romont, Siviriez (mit der kaplanei Chavannes le* Forts). 
Villaraboud. Villaz Saint Pierre (mit der Kaplanei Vil- 
laz-Lussyi, Vuisternens devant Romont (mit einer Kapla- 
nei). In Romont lehren an der Sekundärschule 2 Geist- 
liche. 

5. Dekanat La Part Dieu mit II Pfarreien: Avry devant 
Pont, Rulle. Erhärtens, l.a Tour de Tnme. Morlon. Ria/.. 
S;\le<(rnit di r Kaplanei Ruivres-Trefayes). Sorens, Yaul- 
ruz. Vuadens und Yuippens. Kaplaneien in Vuadens. 
Vuippens, Echarlcns, Run und Marsens. 

ti. Deutsches Dekanat mil 15 Pfarreien: Alterswil. Rö- 
singen. Rödingen (mit den Kaplaneien St. Woirgangiiod 
Ccbcwil oder Villars Ii s Jones i. Schmitten. Gillers, Hei- 
t.nried. PlaHeien. Plasselb. Rechlhalten, St. Silvester. 
Tafers. St. Anloni, St. Ersen, Ueherstorr. Wünnenwil. 
Kaplanei in PlalTeien. 

, . Dekanat Avenches mit 11 Pfarreien : Carignan, Delley. 
Romdidier. Dompierre. Gletterens, Lechelles. Payerne. 
Saint Aubin.TourundMontagny, Villarepos. Kaplaneienin 
Pompierre und Saint Aubin. 

8. Dekanat SainteCroix mit 10 Pfarreien : Barbereche. 
Bclfaux. Courtion i mit der Kaplanei Cournillensi. Grissach 
(Cressier:, Givisiez, Grolley, Gurmels (Cormondes; mit 
den Kaplaneien Wallenried und Wallenbuclil. Matran. 
Murten. Villars sur Glane. 

9. Dekanat Saint Henri mil U Pfarreien: Attalens (mit 
der Kaplanei Hossonen-'. Chätel Saint Denis, I.e Crel. 
Dorsel, Drögens. Promaseiis (mit der Kaplanei Chapellei. 
DemanTcn*. Rue. Saint Martin. Semsales, l'rsv-Morlens. 
An der Sekundärschule Chiilcl Saint Denis unterrichten 
zwei Geistliche in Latein und Französisch. 

10. Dekanat Saint Maire mit 8 Pfarreien : Arconciel. 
Ronnefontainc. Ependes. La Roche (mit zwei Kaplaneien ), 
Marly. Pont la Ville. Praroman, Treyvaux imit einer Kap- 
lanei). 

11. Dekanat Saint Prothais mit 9 Pfarreien : Autigny 
mit den Kaplaneien Cottens und Chenenst. Ecuvillens 

(mit der Kaplanei Gorpatauxi, Estavayer le Gibloux, Far- 
vagny, Neyruz. Orsonncns, Rossens. Villarsiviriaux, Vuis- 
ternens en Ogoz. Kaplaneien in Farvajmy, Orsonncns 
und Estavayer le Gibloux. 

12. Dekanat l.a Val Sainte mit 9 Pfarreien: Rotterens. 
Broe. Gerniat, Charmey. Gorbieres, Cresuz. Hauteville, 
Jaun (Rellegarde; mit der Kaplanei La Villelte). Villar- 
volard. Kaplaneien in Charmey und Hauteville. Ständiges 
Vikariat in Broe. 

13. Dekanat Saint Odilon mil 8 Pfarreien: Aumont.Ciigy. 
Fretigny, Menieres, Murist. Nuvilly. Snrpierre. Vuissens. 

14. Dekanat Saint l'dalric mit 10 Pfarreien: Chäton- 
naye. Corserey. Lentigny. .Mannens. Onnens. Ponthaux, 
Prez, Torny le Grand, Torny-Pittet. Villarimboud. 

Im Kanton belinden sich: das Karthäuserkloster in der 
Valsainle (1294 gestiftetj. das Franziskanerklosler in 
Freihurg (seit 1224), sowie Kapuzinerkloster in Rulle i1665; 
12 Insassen). Freiburg il600; 28 Insassen) und Romont 
1752; 4 Insassen i. An der Universität lehren 14 Domi- 
nikaner. Frauenkloster: La Maigrauge 1 1255 gegründet i, 
vom Orden der Zisterzienser (die Aebtissin trägt den 
Krummstabi: Montorge (1626). vom Orden der Kapuziner; 
l.a Visitation (1nTt5) ; L'rsulinerinnenkloster (1634) und 
Schwestern der h. Martha (seit dem 18. Jahrhundert am 
Spital) in Freiburg ; l.a Fille Dieu t 1268) in Romont. vom 
Orden der Zisterzienser ; Dominikanerinnenklosler in 
Estavayer ( I280i. 

Ii. Kanton Waadt. Katholische Einwohner 33 6i>7 
Seelen. Dekanat Saint Amedee mit 16 Pfarreien : Assens. 
Rotten«, Echallens, Lausanne i mit dem Rektorat Ouchyi. 
Montreux. Morge*. Moudon. Nyon. Founex. Poliez-Piltel. 
Rolle. Saint Rarthelemy. Vallorbe. Vevey. Villars le Ter- 
roir, Yverdon. 

r. Kanton Neuenbürg. Katholische Einwohner 
IT73I Seelen. Dekanat Saint Run i face mit 9 Pfarreien: Le 
Ccriiciix-IV-quigiml, ('...loinlm i . Cressier, Fleurier. Le 



Landeron. U Ghaux de Fonds. Le l.ocle, .Neuchälel. Val 
de Ruz ( Fonlain.es i. In Landeron ein Kapuzinerhospiz 
(1696 gestiftet) mit 3 Insassen. 

d. Kanton Genf. Katholische Einwohner 67 162 See- 
len. 3 Dekanate <Erzpriestertümer) mit 31 Pfarreien. Ih r 
Bischof wird durch einen Generalvikar vertreten, der 
diesen Teil seines Sprengeis verwaltet. 

1. Dekanat Saint Pierre aux Liens mil 12 Pfarreien : 
Notre Dame, Sacre Ca?ur, Saint Joseph und Saint Fran- 
eois (alle vier in der Stadt Genf), Saint Anloine (in L.- 
Petit Saconnex.. Collex-Bossy. La Plaine, Meyrin. Le 
Grand Saconnex. Saligny. Vernier, Vcrsoix. 

2. Dekanat Sainte Croix mit 10 Pfarreien : Caroii^-. 
Aire la Ville, Avusy, Berne.«. Compesi.'-res, Conligiion, 
Grand Lancy, Petit Lancy. Soral. Veyrier. 

3. Dekanat Saint Francoia de Sal. s mit 9 Pfarreien 
Ghene. Ghoulex. Gollonge-Rellerive. Gorsier. ID i inance. 
Meinier. I'n'-singes, Tlionex. Vezenaz. 

In Freibnrg besteht ein Rislunisofli/ialat mit einem 
Oflizial, 2 Assessoren, einem Fiskal, einem Advokatu» 
und einem SekreUir. Die Kommission zur Verwaltung: 
der Stiftungen. Pfründen etc. setzt sich zusammen 
aus dem Rischof und 4 weiteren Mitgliedern. Ferner 
amten noch eine Kommission zur Regelung der Ritualge- 
bräuche und eine Examenkommission für die l'ri.-st.-r- 
aspiranten. 

Hit'lntgi-aphif. Schmitt. Marlin. Meutoirr* /ii»ti» i<fu»s 
mir duH-rtp ilr l.tni»ann*: publies et annolea par l'ahbe 
J. Cremaud lim Memorial de Fi -ibnurg. V und VI.. Fri- 
bonrg 18TiK un.l 1859. -- Esseiva. Frihomy, In .Suis«; <•/ 
lf Son'lrrbinitl. Eribourg 1882. — (ienoud, J. Samtt 
de la Sihhw jruiuaisi'. 2 vol. Barle Duc 1882. — Dellion. 
P. Apollinaire. Dtrhunnoirr hi*tor. et »tatist, des /xj- 
roiurs mthol. du canttin dt' r'rtlteurg. 14 vol. - Jievu,- 
du Ui SutS%r citthiiliaiic. — Af'hires de la Socirtr d'ti>$- 
/ou e df Fribintrg. — Statu» Clin UNIT». 

f». Rtstum Lugano. Das Ristum Lugano ist ein noch 
junges Gebilde. Ris 1885 war der Tessin unter die Spren- 
gel Gomo und Mailand aufgeteilt, um dann 
L_ « L *TJ davon abgelost zu werden. Die schweizerische 
mim Rundesversammlung hatte 1859 den Beschlus* 
^•S. gefasst. dass alle ausländischen bischotliehen 

(loheitsrechte auf Schweizerboden hinfiillig 
sein sollten. Dieser Rcschluss zielte in erster 
Linie auf den Kanton Tessin hin, von dem 
54 Pfarreien zum Erzbistum Mailand und 
183 Pfarreien zum Ristum Gomo gehörten. 
Die ganze Frage blieb aber bis 1884 otTen, in welchem 
Jahr sie durch eine Kombination gelöst wurde. Diese 
machte zugleich der uner<|uiklichcn Lage ein Ende, 
die infolge der Absetzung des Rischofes von Basel. 
I.achat. durch die seinem Sprengel angehörenden Kultur- 
kampfkantone geschaffen worden war. Durch das zwi- 
schen dem h. Stuhl und dem schweizerischen Bundesrat 
abgeschlossene Konkordat vom 1. September 1884 w urden 
die Pfarreien des Tessin unter dit Verwaltung eines apo- 
stolischen Vikarsgestellt, als welchen man l-achat wählte, 
der auf Titel und Rechte eines Rischofes von Basel ver- 
zichtete und dafür den Titel eines Erzbischofes von Da- 
miette erhielt. Dieser Zustand der Dinge war aber ein 
bloss provisorischer, bis die päpstliche Rulle vom 1. Sep- 
tember 1888 im Einverständnis mit dem Bundesrat und 
dem Tessiner Staatsrat den Tessin zum Immediatbistum 
Lugano erhob, das dem Titel nach mil demjenigen von 
Basel-Lugano vereinigt bleiben sollte. Diese rein äusser- 
liche Fusion gibt jedoch dem Bischof von Basel, trotz 
seines neuen Titels als Rischof von Basel und Lugano, 
keinerlei lloheitarechte über den Tessin. der sien im 
Gegenteil als Ristum der vollständigen Selbständigkeit 
erlreut. Die Knthedralkii che von San l.orenzo in Lugano 
ist in kanonischer Hinsicht der Kathedrale von Solothurn 
durchaus gleichgestellt. Das Bistum Lugano wird \>>n 
einem apostolischen Vikar versehen, der im Einver- 
ständnis mit dem Bischof von Basel durch den h. Stuhl 
ernannt wird. Als tiegenrecht kann das Domkapitel von 
Lugano beanspruchen, bei der Wahl eines Rischofes 
von Basel in gleicherweise herangezogen zu werden wie 
dasjenige von Solothurn. Das Domkapitel von Lugano 
besteht aus einem Erzprie<ter und 16 Domherren, von 
dpnen 10 residieren imi-sen. während die übrigen aus 




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wärls wohnen können. Der apostolische Vikar, der Bi- I 
-chofsrang hat. wird der Tessiner Geistlichkeit entnom- ' 
men. Es stehen ihm ein General vikar und das Dom- 
kapitel von Lugano zur Seile. Das Ristum zählt 135828 
katholische Einwohner und umfasst zur Zeit 448 Pfarreien. 
<iie lusammen von 295 Geistlichen besorgt werden. 

Au-.«er der Kathedrale Lugano bestehen im Ristum noch 
"> weitt-re Still«' : 1 1 das Stift Rellinzona tau« dem 13. Jahr- 
hundert stammend i mit einem Propst und 14 Chorherren : 
:!i das Stift Agni» (aus dein 14. Jahi hundert) mit einem J 
Propst und ~ < Ihorherren ; 3i das SUR Locarno (aus dem 
13. Jahrhundert) mit einem Propst und 8 Chorherren ; 
V das Stift Haierna (aus dem 9. Jahrhundert) mit einem 
Noin Papst ernannten Propst und 8 Chorherren, deren 
Wahl je nach den Monaten, in denen eine Vakanz ein- 
tritt, entweder dem Papst oder dem Riözesanbischof zu- 
geht ; Iii »las Stift Mendrisio (aus dein 15. Jahrhundert) 
mit einem Propst und 8 Chorherrenstellen, von denen 
\ in Familien erblich sind. 

Zur Heranbildung von Geistlichen nach dem römischen 

• ■der lateinischen) Ritus besteht in Lugano seit 1885 das 
grosse Priesterseminar Sau Carlo, während das Seminar J 
in Pollegio (in der Leventina) nach ambrosianischom | 
Kitus geleitet wird. 194 Pfarreien, die früher der Diözese I 
i.om.i angehorten, folgen »lern lateinischen Pilus und 54 ' 
einst dem Erzbistum Mailand angegliederte Pfarreien dem 
jmbrosianischen toder mailäudischcn ) Pilus. 

A. Pfarreien in i t 1 a t ei n isch em Hitus. liVika- 
riate n.der Hekanatoi mit 194 Pfarreien. Sie -landen bis 
1751 unter der geistliehen Hoheit des dem Patriarchen von 
Vpiileia unterstellten Rischofes von Como. kamen dann i 
his 17») unter den Krzbischof von Görz und endlich bis 
I*f4 an das Erzbistum Mailand. 

I. Vikariat Lugano mit 31 Pfarreien: Lugano, Agra, 
Uarhengo. liiogno. Rreganzona. Pogno, Hri', Cadro. Ca • 
tn-bbio, Carahhia, Carona. Castagnnla, Cimadera. Colla, 
i •man-i. Curt'gli». Davesco. Gandria. Grancia. Melide. 
Vl-ircoie. Pa/zallo. Porza. San Pietro-Pamhio. Savosa. 
S'nvico. Sorengo. Vezia. Vico-Morcote, Lamonte. Villa. 
Vikariat Haierna mit 17 Pfarreien: Palerna. Cahbio, 

• '-•«lel San Pietro. Coldrerio. Monte. Morbio Inferiore, 
Morbiu Siiperiore, Novazzano, Seudelatle. Va ratio, Chi- 
•sso. Hruzella. Caneggio. Casima. Muggio. Pedrinate. 
Sagno. 

X Vikariat Mendrisio mit 7 Pfarreien: Mendrisio, Alla 
Torr»-, r.apolago. Geneslrerio, Ligornetlo. Salorino, Sta- 
bin. 

t Vikariat San Vitale mit 12 Pfarreien: Arogno, Arzo, 
>**azio. Rissone. Rrusiuo-Arsizio. Maroggia. Melano, Me- 
'ide. Hancale. Rovio. Tremona. Riva San Vitale. 

■"> Vikariat Apno mit 19 Pfarreien: Agno. Aranno, 
f:<*co. Rreno-Fescoggia, Cademario. Caslano, Gravesano, 
Miutano. Neggio. Pura. Torricella. Arosio. Rioggio, Gen- 
lilmo. Isi-o. Magliaso. Mugena, Vernate, Ve/.io. 

« Vikariat Se«*sa mit 8 Pfarreien : Sessa. Astano, Hedi- 
-liora, Castelrotlo. Curio, Miglieglia, Novaggio, Ponte 

7. Vikariat Locarno mit 1 1 Pfarreien: Locarno. Claro, 
SjMnno. Or»eliria Inferiore, Orsclina Supcriorc, Gordola- 
JVoero, Prione, Contra. Cugnasro. Mergoscia. Minusio. 

X. Vikariat Ver/asca mit 7 Pfarreien: Lavertezzo, Rrinne- 
V.Tza»<:a. Curippo. Frwo. Gerra-Verzasca, Sonogno, Vo- 
i.»rno. 

Vikariat Vallemaggia mil 26 Pfarreien: Maggia. Au- 
rigrno. Avegno. Kignaseo. Rosco. Rroglio. Rrontallo. ' 
i'ampo. Caxergnn. Cerenlino. Cevio, Cimalmotto. Coglio, ' 
rusi... Ginmaglio. Gordevin. Linescio. Lodano. Menzonio, 
M. gbegno. Mogno, Niva, Peccia. Someo, Sornico- Prato, 
Valle ili Peccia. 

10 Vikariat Hironico mit 9 Pfarreien: Rironico. Cami- 
^nol... M»'zz"vir«i, Isone. Rivcra. Sigiriiio. Vira di Mezzo- 
■ !'■>•. Medeglia. Hohasacco. 

11 Vikariat Ascona mit 13 Pfarreien: Asroiia. Hoiico 
'l'A»rnna. Arcegno. It.irgnone. Cavigliam>. Golinu, ln- 
'»•a^na. Lusi.ne, Palagnedra, Rasa. San Fedele. Tegna. 
Verdasb». 

Ii. Vikariat Onsernone mit 8 Pfarreien : Anressio. Rer- 
'<>na. Com-dogno. Crana. Loco, Mosogno. Russn. Verge- 
l.-ti... 

13. Vikariat Cainbarogm. mit 9 Pfarreien: Vira-Cam- 



barogno. Caviano, Contone. Gerra-Gtmbaroguo, Inde- 
mini, Magadino, Piizzogna, Sant'Abbondio. Vairano. 

14. Vikariat Hellinzona mit 17 Pfarreien: Rellinzona. 
Ravecchia, Arbedo. Cadenazzo, Camorino, Carasso. Ca- 
stione. Daro, Giubiasco. Gorduno, Cudo, Lumino, Monte- 
Carasso. Piane/zo, Sant' Antonino, Sant' Antonio, Semen- 
tina. 

R. Pfarreien mit a tn bros ian ische m Ritus. 
5 Kapitel mit 54 Pfarreien. Rildeten zusammen vom 
13. Jahrhundert an bis 1884 ein Generalvikariat des Krz- 
bistums Mailand. 

1. Kapitel Rlenio mit Pi Pfarreien: Aquila. Campo, 
Castro. Corzoneso, IKmgio, Ghirone. Largario. Leontica. 
(.oltigna. I.udiano. Malvaglia. Olivone. Ponto-Valentino. 
Prugiasco. Semione. Torre. 

2. Ka[dtel Hrissago mit der einzigen Pfarrei Hrissago. 

3. Kapitel Capriasca mit 4 Pfarreien : Hidogno, Origlio. 
Ponte-Gapriasca. Tesscrete. 

4. Kapitel I.evenlina mit '2~1 Pfarreien : Airolo, Anzo- 
nico, Hedretto. Rodio, Calonico. Calpiogna, Campello, 
Cavagnago, Cliiggingna. Chironicn. Dalpe. Faido. tdor- 
nicu. Mairengo, Molare. Osco. Personico. Pollegio. Prato. 
Ouinto, Rossura, Sohrio. 

5. Kapitel Riviera mit 11 Pfarivieu: Riasca, San Carlo, 
Cresciano. Gnosca, Iragna. Lodrino. Moleno, Osogna, 
Pontirone, Preonzo. Prosito. 

Im Ristum bestehen 4 Kapuzinerkloster : Rigorio (1535), 
Lugano (15no*. Faido (Pid7> und Locarno (1tilJ2f. Die In- 
sassen dieses letztem Klosters versehen den Kirchendiensl 
in der berühmten Wallfahrtskirche der Madonna del 
Sasso. Alle i Kloster sU'hen un!»T «ler Propaganda in 
Rom. - 3 Frauenklösler : Renediktinerinnen von Santa 
Clara |I490). Kapuzinerinnen in Lugano (1714i und Augu- 
stinerinnen in Locarno (Ißlfii, deren Aebtissinnen das 
Recht zum Tragen des Krummstabes haben. Die Kapu- 
zinerinnen in Lugano halten Schulen für die Armen und 
leiten ein gut organisiertes Pensionnat. 

Harmherzige Schwestern am Spital und Menzinger- 
schweslern am Waisenhaus Sant' Anna in Lugano: barm- 
herzige Schwestern ferner an den Spitälern zu Mendrisio 
und Rellinzona : Menzinger Lehrschwestern am Kollegium 
Santa Maria in Rellinzona; barmherzige Schwestern am 
Spital zu Locarno; Theodosianerinnen am Asyl San Carlo 
in Locarno. 

liibliofjrayihir. Franscini, Stefano. F)rr Kanton Texsin; 
hixtor. -getHjvnphisch und n(ali*tisfti tjfitchildi'rt. (Gr- 
ntäMf der Sc/oeeir. 18). St Gallen und Hern 1835. - - 
Monli. Altidr IIa vixtta pattoraU' diw^sana di Mitu/uardu. 
•2 vol. Como 1894. — Rorrani. Siri»>. // Tirinn »acro. Lu- 
gano 1899-I9JJ0. — flantu. Santo. Stm ia M arte nelln 
provhtrm fit mitten dioresi di Como. 2 vol. Como 1901. — 
Morosini, Peri. Ln ipifstutof diocfmna licmt>&? in-vrm 
oi u/ine delln dioce»« di Lugano. Einsiedeln 1892. — Sta- 
tus Cti-ri 1905. 

(>. tlistum St. Gulh'ii. Die Abtei St. Callen fuhrt ihren 
Ursprung und Namen auf den h. (iallns, einen irischen 
Mönch, zurück, der hier ums Jahr 614 eine Kinsiedelei 
errichtete. An deren Steile trat bald ein Henediktinerklo- 
ster. als dessen erster Abt der h. Othmar genannt winl. 
1204 erlangle Abt l'lrich den Püi-steiuang. Der ffustab- 
tische Landbesitz nahm stets gritssern I mfang an, bis das 
Kloster im 14. Jahrhundert unter der Verwaltung von 
herrsch- und prunksnchligen Achten an Ansehen und 
Reichtum zurückging. Zur Zeit der Reformation ward die 
Abtei geplündert und verwüstet, von welchem Schlag sie 
sich aber wieder erhob, um in der Folge neuerdings zur 
Hl fite zu kommen. lb*87 stand ihr als Furstaht Zölestin 
Sfondrali vor, der 1095 die Kardinalswürde erlangte. Ris 
zur Aufhebung des Klosters im Jahr 1805 übte der Fürsi- 
aht von St. Hallen im Namen des Rischofes von Konstanz 
die hisrhöllichen Hoheitsrechte aus; er überwachte die 
Geistliehkeil und visitierte die Pfarreien. Mit Ausnahme 
der unter Chur stehenden Dekanate Sargans und «iasler 
unierstand der heutige Kanton St. Gallen in geistlicher 
Hinsicht der Diözese Konstanz. Als das Kloster aufgeho- 
ben wurde, drückte die katholische Hcvölkerung des 
Kantons den Wunsch aus. dieser mochte zu einem eigenen 
Ristum erhoben werden. Die Kantonsregierung zeigte sich 
dieser Kombination günstig gestimmt und schloss mit der 
kantonalen Geistlichkeit einen Vertrag ub. nach welchem 



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118 



SGHW 



SCIIW 



■las äbtische Ordinariat zu einem den ganzen Kanton um- 
fassenden Bistum umgewandelt weiden sollte, her selbe 
Vertrau sah ferner noch die Stiftung eines Domkapitels, 
eines bischöflichen Pi iesterseminars und einer hohem 
Lehranstalt vor. Das Projekt wai<1 aber nicht verwirk- 
licht, indem eine vom 14. Juli 1K23 datierte liulle des 
Papsies Pius VII. die * i i ündung des Doppclbi>tum» Chur- 
St. fallen verfüg'e. Die Ahtskirche von öl. (.allen erhielt 
den Rang einer Kathedrale, und der Bischof wurde ver- 
pflichtet, je einen Teil des Jahres abwechselnd in Sanki 
Gallen und in Chur zu residieren. Am 16. Oktober 1824 
trat der Bischof von Chur. Karl Rudolf, den Besitz der 
Kathedrale von St. (lallen an. Das «o geschalTcuc Doppel- 
hislum befriedigte aber auf keiner Seite. Der Kanton 
(liaiibündcn als Pn.tcktor des Bistums Chur erhob gegen 
eine derartige Verquikung der Gewalten Einspruch, wah- 
rend zugleich auch in St. (lallen die Unzufriedenheit 
stark war. Als dann Bischof Karl Itudolf im Jahr 1833 
gestorben war. verlangte der katholische Administra- 
tionsrat von St (lallen die Auflösung des Doppelhistums. 
Nach langen und schwierigen Unterhandlungen konnte 
sieh iler Vatikan endlich zu einem Entschluss verstehen, 
indem der Papst am 26. April 1838 die Trennung de* His- 
tum* St. (lallen vom Bistum Chur verfügte. Am 7. .No- 
vember 1845 erfolgte die Vereinbarung eine» Konkordales. 
Das Domkapitel iiesteht aus ."> residierenden Domherren 
ideren einer die Würde des Dekan» bekleidet;.. 8 auswar- 
fen Domherren und 3 Hilfspriealern. Da» Kapitel bildet 
zugleich den bischöflichen Senat. Die Domherren tragen 
das rote Mantelcheu und das violette Harett. Einer der 
Domherren amlet als überbeichtvater und ein anderer 
als Domlehrer. Der Hischof wird innerhalb eines Zeit- 
raumes von spätestens drei .Monaten nach dem Tod des 
Vorgängers vom Domkapitel ernannt, wobei al* Vorausset- 
zung gilt, das» d<-r Gewählte dem katholischen Admini- 
slratiousral genehm Kr wird aus der Zahl der Mio- 
zesangeistlichen entnommen und musg wahrend mehrerer 
Jahre das Seelsorgern int versehen haben Hinsichtlich 
der Neubesetzung von während iler Monate Januar. März. 
Mai. Juli. Seplember und November frei werdenden Dom- 
hi-rrcnstellen legt der Hischof dein Administrationsrat 
eine Kandidatenliste vor. nach deren Durchsicht und 
Prüfung die Wahl durch die Domherren vorgenommen 
und vom h. Stuhl bestätigt wird. Kür die Besetzung der 
während der übrigen Monate frei werdenden Kanonikale 
legt der Hischof dem Administrationsrat ebenfalls eine 
Liste vor, worauf er einen der nicht rekusierten Kandi- 
daten |voii sich aus ernennt. Die Kandidaten für eine 
Domherrenstelle müssen der Diözesaiigeistlichkcil ange- 
hören und das geistliche oder ein Lehramt mit Krlolg 
ausgeübt haben. Alle Domherren haben das Anrecht auf 
eine stand.nsgemässe Widmung. Erster liischof war 1846 
bis 1862 Johann Peter Mirer; ilim folgten 18153-1882 Karl 
Johann Greith, 1882- IM 16 Augustin Kgger und seit 1906 
Ferdinand Hüegg. Das Wappen de« Bistum» zeigt im silber- 
nen Schild einen schwarzen Hären, der auf der Schulter 
eine hölzerne Keule in Naturfarbe tragt. Das Bistum St. 
(lallen umfasst einzig den gleichnamigen Kanton; dazu 
ist der Bischof zu gleicher Zeit noch proviso- 
rischer apostolischer Vikar über die beiden 
llalbkantone Appenzell. Die gesainte katho- 
lische Bevölkerung des Bistums betragt 1684% 
Seelen, d.h. 1Ö0412 für den Kanton Si. Gallen. 
12665 für Appenzell I. H. und 5418 für Ap- 
penzell A. H. 10 Dekanate o<ler l.andkapitel 
mil 117 Pfarreien und 56 Kaplnncien, die /u*am- 
men von -j-jj» pfarrgeisllichen besorgt werden. Im Dorf St. 
(leorgen nahe St. (lallen befindet sich .las bischöfliche 
Priestei-seminar. 

1. Sladtkapitel St. (lallen mit dem Stadlpfarrcr. 7-8 
Vikaren und etwa einem Dutzend weiteren geistlicher 
(.ehilfen. 

2. l.andkapitel St. Gallen mil 15 Pfarreien: Berg. Brüg- 
gen. Eggerariel. Engelburg, tloldach. tlrub. Haggeiiswil. 
St. Josefen. Morswil. Miiolcn. Rorschach. Stein.ich. Tü- 
haeh. l'ntereggen und Wittenbach. 

3. Kapitel Hhcinlhal mit 15 Pfarreien Altstetten. Au. 
Italgach. Berneck. Piepi.l.lsau. K riesern. kohclwald. Mar- 
bach. St. Margrelhen. Moislingen. dbeni.1. Hebst. in. 
Ituti. Thal. Widnau. 



4. Kapitel Sargan* mit 18 Pfarreien : Barschi*, Buchs. 
Flums. Garns. .Niels. Mols. Murg. ITafer». Ouarten. Ba- 
gaz, Sargans. Valeus. Vättis. Villei s. Walen-Iadt. Wangs. 
Wartau. Weisslannen. 

5. Kapitel Castiacensis (Gasten mit 7 Pfarreien Amden. 
Henken. Goiiimisvvald. Masellrangcu. Rieden, Schäum«. 
Weesen. 

6. Kapitel I znach mit 12 Pfarreien : Bollingen. Bus«, 
kirch. ErneUwil, Eschenbach. St. Gallenkanpel. Goldin- 
gen. Jona, Kaltbrunn. Rapperswil. Schmerikon, I tnach. 
Waldi. 

7 Kapitel Ober Toggenburg mit 11 Pfarreien : All St. Jo- 
hann. Hemberg. Kappel. Lichtensteig. Neu St. Johann. 
Ober Helfenlswil, Peterzell, Bicken, Stein. Watlwil. 
Wildhaus. 

8. Kapitel Unter Toggcnburg mit 17 Pfarreien . Hazen- 
, heid. Bichwil. Bütswil. hepersheim. Flawil. Gahwil. Gan- 
. terswil, Henau. Jonswil. Kirchberg. Libingen, l.ütisburg, 
i Magdenau, Mogeisberg. Mosnang. Mulilrüti. Nioderglatt. 

Ö Kapitel Gossau mit 12 Pfarreien : Andwil. Bernhard- 
I zell. Gos-sau. Lenggeuwil. Niederburen. Nieder HelfenLs- 
vvil. Niederwil. Oberburen. Waldkirch. Wil. Zuberwan- 
gen. Zuzwil. 

10. Kapitel Appenzell mit II Pfarreien : Appenzell mit 
den Annexen Eggei>tanden. Schlatt. Schwende ;. Brulis.ui. 
Gonlen. Haslen. Oberegg. Ileiisau. Speicher. Teufen. 
Heiden. 

I Mannerkloster: Kapuziner in Rapperswil 1602 gegrün- 
! det). Mels i>eit 1651 1. Wil i seil 16531 und Appe nzell iseit 
I 1588 1. Frauenklostcr: Dominikanerinnen in Weesen 1 1256 '< 
I und Wil (1608h Borg Sion 1 1767 1 vom Orden der Prämon- 
j slratenser; Bcnediktincrinm-n in Glattburg 1 176t»-.. Bern- 
I hanlineriiin. il in Magdenau (1360) und Wurmsbach i 1259' : 
I Schwestern vom guten Hirten in Altslätlen i|86S.; Frao- 
ziskaucrinneu in Allslallen LRiö). Nolkersegg 1447 .. 
Watlwil ,1451 i. Itors. hacli tlWiN,. Appenzell ;Hi82i. Grim- 
meustein 1124:, Wonnenstein .13701 und Gonten iiaDOi 
An zahlreichen Orlen beschäftigen sich Theod<>-ianer- 
inneu von Ingenbohl mit Waisen-, Kranken- und Greisen- 
pflege in Asylen und Si.iudern. sowie mit dem Erteilen 
von Unterricht. Die Menzingerschwestern unterhalten 
1 in Roischach und St. Gallen blühende Scliulanstaltcn. 
Hiblurtfia/thii'. Baumgartner, Gallus Jak. llfxchfhu- 
./<■» ttchufizfrifi lii-ii fwislnntrn und Kantons St. tinUt-n. 
3 Bände. Zürich. Stuttgart und Einsiedeln 1N68-I880. - 
Weidmann, Franz. (Ifuchu hle >!»•» r/irmtitu/eti Siifir» 
und .'/•>• Litnthiliitft St. tiitltrn nntrr i/cn ncern Irtitri. 
Furtltthten. St. Gallen 1SU4. — Weidmann. Franz. ('•••■ 
»c/u. /i/e der Htt>ltuth?l, coli St. (ialleit. St. Gallen 1841. 

- An. Ildefons von. hie I rto< /ifn ./<■;' Aufhebung ili's 
Stift* St. Halten. 18115. — Am. Ildefons von. Cwst-ku-hlni 
. d>'* Kantons St. Citllrn. 3 Hände, mit Berichtigungen und 
Zusätzen. St. Gallen I8HH830. — Statu» C/cn 19(1."». 

7. linlum Siltm. Ist eines der ältesten Bistümer der 
Schweiz uud umfasst den ganzen Kanton Wallis imit 
Ausnahme derzur Diözese Annecv gehörigen Pfarrei Saint 
üingolph). sowie den Waadllander Bezirk Aigle. 

Der Ursprung des Bistums geht in die Zeilen der the- 
bäischen Legion zurück, die als Märtyrer ihres Glaubens, 
wie man annimmt, am 22. September 302 bei Verolliez 
von den Roinern niedergemetzelt worden ist. I'm den 
christlichen Glauben im Rhonethal zu stärken, sandte 
wie die Legende erzählt St. Prothasius. Erzbischof 
von Mailand, ums Jahr .'CO den Bischof St. Theodor aus. 
der seinen Sitz in Octodiirum nahm. Als das Wallis :fi*> 
von Italien losgelöst und an Gallien angegliedert ward, kam 
das Bislniii ( »cl.slurum unter die Aufsicht de> Erzbistum* 
Lyon. Im Jahr 56 , .l verwüsteten die l.ongoharden das 
Wallis, worauf Bischof St. Heliodor von Octodurum Mar- 
tigny) den Sitz seines Bistums nach Sitten verlegte. 
In Octodurum halten bis dahin im Verlauf von £U 
Jahren elf Bischöfe residiert. 5|(i kam das Bistum unter 
die Hoheit des Erzbistums Vtennc und 7SÄ1 unter diejenige 
des Erzbistums der Tarenlaise. 1.V)2 löste es der Kar- 
dinal-Rischof Matthäus Schinnei von der Metropolilan- 
kirrhe der Tarenlaise l«>s und stellte es direkt unter den 
Ii. Stuhl, welche liiimedialstellung es bis heute beibehal- 
ten hat. Dci Bischof von Sitten, der bis zur französischen 
Devolution d.n Titel eines (.raten und Praleklon de- 
Wallis führte, hat den l'ursteiirang bis zu Ende de« Ih 




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Jahrhunderts beibehalten. Er teilte »ich zusammen mit 
den sieben Zehnten des 4) her Wallis in die Hegierung des 
l,ande*. Ks standen ihm der Dlutbann und das Begna- 
digungsrecht, sowie das Mün/recht zu. Er hatte sehr 
deftige Kämpfe gegen die l.andleole zu bestehen, die 
s^ino weltlichen ijoheilsrerhte zu wiederholten Malen 
einzuschränken suchten. Als Napoleon I. das Wallis 
iiVZ zum selbständigen Staatswesen erhob, entging das 
Bistum Sitten mit knapper Not der Aufhebung. Die Ver- 
fassung »on I8I."> gab dem Bischof das Hecht, im Grossen 
Kai zu sitzen, wo seineStimme derjenigen eines Zehntens, 
d. h. von vier Abgeordneten, gleichkam. Im Hannen zählt 
man etwa 84 Bischöfe des Wallis, von denen 1*2 heilig 
gespr<*hen worden sinil. Deren einer. St. Theodor oder 
St. Theodul. ist der ofti/ielle Schutzpatron des gesamten 
Lande* Wallis. Bei jeder Vakanz des liischotlichen Stuh- 
le« legt das Domkapitel von Sitten dem Grossen Hat des 
Kantons eine Liste von 4 Kandidaten vor, aus denen diese 
Behörde den neuen Bischof erwählt. Das Resultat der 
W ahl wird dem h. Stuhl unterbreitet, der die Wahl regel- 
mässig kassiert, um dann von sich aus den selben Kan- 
didaten zu ernennen. 

Iia» Domkapitel von Sitten besteht aus 1*2 residierenden 
und 12 Titulaidomherren. von welch' letztern die meisten 
als Pfarrer in solchen Kirchgemeinden amten, deren 
koltalnr dem Bischof oder dem Kapitel untersteht. Dem 
Kapitel geboren an der Dekan von Sitten und der Dekan 
von Valeria, sowie der Kustos und der Vorsänger der 
K.ithedrale. Infolge eines durch den Kar.iinal Schinner 
i»m Pap«! erlangten Privilegiums tragen alle Domherren 
«las rote Mäntelrhen. Dein Bischof sind ein Generalvikar 
und ein Kanzler beigegeben. Seilenden Domherren zahlt 
das Kapitel noch 5 l'frundnei «der Kaplane. In Sitten be- 
ilüdet «ich das grosse bischöfliche l'nesterse miliar mit 7 
vom Bischof ernannten Professoren, sowie je eine Kom- 
mission für die Priesterexamina und «lie Verwaltung der 
teistbcbon Stiftungen. Dem Histum Sitten stehen am 
Coilegium Germanicum in Dom zwei Freiplätze und an 
iler Staatsuniversität Innsbruck 10 Stipendien zur Ver- 
fügung. Ks umfasst II Dekanate mit 135 Pfarreien und 
Hl» kaplaneieu. Das Wappen des Bistums zeigt im inten 
Schild einen (silbernen Stab und zwei silberne Degen, 
die ins Kreuz übereinander gelegt sind. Das Bistum zählt 
lläitn? Katholiken, wovon 1l2Ii84 auf das 
Wallis und 3373 auf den waadtländischeii 
«UliTföV Anteil (Aigle und Bex> entfallen. läOT> am- 
^Wjp-fi leten im Bistum 22» Pfarrgeislliche. 141 Klo- 
yC' "< "tergeistliche. wovon 116 Augustiner und 2Ö 

.yfl |X Kapuziner. 

.- ii i^J 1- Dekanat Sitten mit 7 Pfarreien : Sitten, 
'"-^>y^ Grimisuat. Saviese. Bramois, Ayenl, Arbaz, 
Salins. 

2. Dekanat Vex mit 6 Pfarreien : Vcx. Kvolena. Sage. 
Heremence. Nax. Ma*e. 

:». Dekanat Siders mit 16 Pfarreien : Siders (mit der 
Kaplanei Geronde). Vissove, Grimentz. Chippis. Cranges, 
Vercorin, Saint Maurice ilel.aq.ue*. Gröne. Chalais. Kens, 
Venthöne. Miegc. Saint Luc. Montana. Chandohn. Saint 
Leonard. 

4. Dekanat Leuk mit 14 Pfarreien: l.euk, Agaren, Leu- 
kerbad. Turlman. Gampel, Saigesch. Krschmalt, Ems, Al- 
binen. Inden. Varen. Ergisch. Glittet, Feschel. 

.*». Dekanat Haron mit 8 Pfarreien : Raron. l.öUchen. 
I'nterbach. Niedergestelen. Kiacholl. Ausserberg. Ilnr- 
chen. Blatten. 

»». Dekanat Visn mit 18 Pfarreien : Visp, St. Nikiaus. 
Herbriggen. Stahlen, Zermatt. Täsch, Visperterhinen, 
Saas. Tamatten im Grund. Torbel, Kanda, (»rächen. 
Zeneggen. Kmd. Staldenried. Eisten. Fee. Almagell. 

7. Dekanat Brig mit 14 Pfarreien : Naters, Morel. Bet- 
ten. Ried. Goppisberg, Simpeln. Olis. Brig. Thermen, 
brengiots. Mund. Gondo. Ried. Eggerberg. 

H. Dekanat Aernen mit 1.*» Pfarreien : Aernen. Munster, 
• »eschinen. Binn. Obergestelen. Fiesch, Biel, (iluringen. 
Niederwald. Heckingen, Bellwald, l'lrichen. Lax. Blitzin- 
«en. Oberwald. 

9. Dekanat Arduii mit II Pfarreien: Nendaz. Vetroz (mit 
I'lan-Coiitho\ >. Saint Sterin, Lextron. Biddes. Saillon. 
r'ullv. Saxon. Iscrahles. Chamoson. Saint Pierre de ('.lä- 
ge». 



Ii). Dekanat Octodurum mit 0 Pfarreien . Marligny. 
Seinbrancher. Iloxernier, Volleges. Ilagnes. Orsicre». 
l.id<les. Bourg Saint Pierre. Trient. 

11. Dekanat Monihey mit 17 Pfarreien: Troistorrents. 
Vionnaz. Saint Maurice. Vouxry. Val d'Illiez, Mmithey. 
Muraz. Port Valais. Collombcy. Outre Bhöne. Revereu- 
laz. Massongex. Verossaz, Evionna/.. Champerv. Aigle und 
Bex. 

Vier Pfarreien des Wallis iCh.u-x bei Munthey. Vernaya/., 
Sah an und Kinhautl stehen direkt unter dem Abt von 
Saint Maurice, der hier die bischölliche Hoheit ausübt 

In Sitten besteht ein von den Marien hindern geleitetes 
Lehrerseminar, in Brig das von rrsulincrsehwestern gc- 
leitete Lehrerinnenseminar. Am Lyzeum zu Sitten wird der 
l'nlerricht von Wellgeistlichen und einigen Laienprofes- 
soren erleilt. Das Kollegium zu Brig. ehemals Jesuiten- 
kollegium, steht unter der Leitung von vom Bisehof er- 
nannten Weltgeistlichen. Martinaen besitzt ein gutes Pen- 
sionnat der Marienbruder. In Saint Maurice unterhalten 
die Chorherren der Abtei eine sehr gute höhere Lehran- 
stalt, deren Kurse mit der Maturitätsprüfung abschliessen. 

Kapuzinerkloster : Sitten (seil 16*28) mit *2i Insassen und 
Saint Maurice (seit 16*28i mit 10 Insassen, die hier eine 
kleine Schule (ein sog. Scholastikati unterhalten. 

Das vom Ii. Bernhard von Menlhon im Jahr 97*2 ge- 
stiftete reichsfreie Augustinerkloster auf dein Grossen 
St. Bernhard steht seit 1147 direkt unter dem Ii. Stuhl. 
Sein Propst trägt Mitra und Krumiuslab. die Chorherren 
das rote Mäntelchen. Dein Kloster haben bis jetzt 48 
Propste vorgestanden. Ihm gehört der Kirchensat/ der 
Pfarreien Bourg Saint Pierre, Liddes. Orsieres. Sem- 
brancher, Bovernier, Martigny. Vouvry und Lens. Eine 
Annexanstalt unterhält das Kloster auf dem Simplon. wo 
für gewöhnlich 4 Mönche und einige dienende Brüder 
sich aufhalten, um den Reisenden über den Simploupass 
hilfreich beizustehen. Den Grossen St. Bernhanl über- 
schreiten olljährlich 18000 bis 20000 Heisende, denen das 
Kloster die weitestgehende Gastfreundschaft gewährt. 
Die Anzahl der regulären Chorherren auf dem Grossen 
St. Bernhard beträgt 62. 

Frauenklöster im Wallis: Kloster vom Orden des 
h. Bernhard in Collombey (seit 1643|; rrsutineriuneti in 
Brig (seit 166.'» i. die die städtischen Schulen und das 
deutsche Lehrerinnenseminar leiten; l'rsulineriiineu in 
Sitten (seit 1885). wo sie an den Primarschulen und der 
Mädchensekundarschule als Lehrerinnen talig sind; Fran- 
ziskanerinnen in Sitten, die ein Mädcheninstitut leiten ; 
Schwestern vom Orden der h. Martha oder Spitalschwes- 
tern an dem 1781 gegründeten städtischen Spital und am 
Krankenhaus von Martigny. In Verollit /. bei Saint Mau- 
rice hat sich seit 1861 die schweizerische Kongregation 
der Schwestern vom Orden des h. Moritz niedergelassen, 
die hier ein Waisenhaus leiten und auch in Saint Maurire 
selbst dem Waisenhaus für Knaben vorstehen. 

Biblioiiraphie. Iktcuments relalifs ä l'histoire du Val- 
lais recueillis par Jean Gremaud. (JnVniom.'.« 

et daetituents ; puldies par la St>c. d'histoire «/e Itt Suisse 
nmtande. 20-33. 37-:R»). 8 vol. Lausanne 1875-1N97. — 
Briguet. Seb. Vallesia Christiaua seu rliot'cexix Setlti- 
tu'Hsis hisU'ria sm nt. Seduni 1744. — Givmaud. Jean. 
Catalogue de» h'h/kcj de Sum. Lausanne 1864. — Bur- 
gener, Laurenz. Die Hedujru des Walltser hmdes mihi 
den Concilien vuti St. Maitrit: urul Ejmoit. Einsietleln 
1857. — Boccard. Chanoine. Ilistoire du Valtais omni el 
tou» l'i-re chrrtientw. Geneve 1844. — H<pppeler, Hob. Hei- 
tnifif zur Crsrhii hie des Wallt» im Mittelalter. Zürich 
1897. — Grüter. Seh. ft>c Anteil der knttiotitn-fien und 
ftrotettaiilisehen th-le der l-'idijenossetisrliuft iih den reli- 
fliimen und i>ohtischrn A'«t»/>/eii im Widlix WOtt-WI.'l. 
Staus 1HU7. — tiiotter aus der Walliser Ge.ic/nV/i/e. 
herausgegeben vom Geschichlsforschenden Ver«*in \nii 
Ober Wallis. 1800IT. — Hameau. B l.e Vallait hittorinue. 
Sion 1855. — G renal, chanoine. Hislaire vuMterne du 
Valais. Geneve 19t>6. — Status Cleri Ii*)». 

S. Ilisi-höthehr Ahtex •< nullius - Samt Matinee d'A- 
qaune. Die fürstliche und direkt unter dem Papst stehende 
bischöfliche Abtei « nullius- (sc. dioecesis) Saint Maurice 
d'Agaune vom Orden der regulären Chorherren des Ii. An- 
giislin ist das älteste europäische Kloster diesseits der 
Alpen und winde ums Jahr 34« gestiftet. Seine Kirche 



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1-20 



SCI1W 



SCIIVV 



erhielt im Jahr 517 die Weihe, und ei gab eine Zeit, da 
etwa 500 Ordensbrüder darin das Laut perennis sangen. 
Im Laufe der Zeiten bereicherten Papste, Kaiser. Könige 
und Fürsten dieses Kloster, dem bis 1798 eine Menge von 
Herrschaften und Vogteien Untertan waren. Seit 1718 ist 
der Abt erblicher Hilter des savoyisclien Ordens vom 
Ii. Moritz und Lazarus. Später erhielt er auch noch die 
Titel eines Grafen und Commendatore. Im Jahr 1840 Mid- 
lich übertrug der Papst den Aebten von Saint Maurice auf 
ewige Zeiten den Titel eines Bisehofes von Bethlehem, in- 
dem er zugleich das Kapitel zum Domkapitel erhob. Die 
Abtei besitzt die geistliche Gerichtshohcil über vier Pfar- 
reien (Hinhaut, Salvan, Choex und Vernayaz) und über 
die Kirchen und Kapellen Notre Dame de Sex, Saint 
Jacques in Verolliez. I.a Compassiou in Bagnes. von La- 
vey. Sie bildet somit eine Art von kleinem Bistum mit 
einer katholischen Bevölkerung von etwa 3500 Seelen. 

Das Hecht zum Kirchensatz steht der bischöflichen Ab- 
tei zu in den Pfarreien Saint Maurice, Bagnes. Volleges, 
Yetroz, Salvan. Kinhaut, Choex, Outre Hhone. Evionnaz, 
Verossaz und Aigle im Kanton Waadt. Während sie alle 
diese Pfarreien mit ihren eigenen regulären Chorherren 
besetzt, muss sie an die Pfarreien Troistorrents und Mon- 
they. deren Patronat ihr ebenfalls zusteht, Weltgeiatliclie 
der Diözese Sitten berufen. 

DieChorl.erren von Saint Maurice bekleiden den gleichen 
Hang wie die Domherren der Kathedralen, deren Rechte sie 
auch in allen Punkten teilen. Sie ernennen den Abt, der 
dann vom h. Stuhl bestätigt und zugleich zum Bischof von 
Bethlehem erhoben wird. Die fürstliche Abtei zählt gegen- 



wärtig r>4 reguläre Chorherren, die das rote Mäntelchen, 
den sog. Röchet und die Cappa magna tragen. Der Abt 
»erfügt ausserdem noch über 12 Fnrenchorherretitilel. 
die er verdienten fremden Geistlichen zu erteilen pflegt. 

In der Abtei befindet sich eine vom Staat Wallis amt- 
lich anerkannte höhere Lehranstalt ''Gymnasium - Lyze- 
um) mit Maturitätsprüfung, die 200-3(10 Schüler und 18 
Chorherren als Professoren zählt. 

Da dem Abt die geistliche Gcrichlshoheit über einige 
Pfarreien zusieht, hat er das Recht zur Teilnahme an der 
Synode der schweizerischen Bischöfe. Der Abtei sind bis 
heute 102 Acbte vorgestanden. Bis I7'J8 umfassle ihr 
weltlicher Besitz die Herrschaften und Vogteien von 
Bagnes, Salvan. Choex, Vouwy, Chietivs (in 
Hex), Cleibe. Ausscys und Bas*e»s (in Veros- 
saz), Ollon (zum Teil bis Itvfcii, Oron in der 
Waadt (bis BiTli, Auborange» (Freihurg). 
Lavey nud Morcles ( Waadt', Grvon I Waadt ,', 
Bue (Freihurg). Das Wappen der hischollicheii 
Abtei zeigt im roten Feld ein silbernes Klee- 




blatlkreuz. 
upfuc. Auberl. 



liihliiujruphxe, Auberl. Kd. /.*■ Irr.utr de l'abbaije de 
Saint Maurice d'Ayuune. Paris 1872. — Bourhan, Pierre. 
l/antievrifiie Samt Vultchaire. Kribourg 1898. — Bour- 
ban. Pierre. Samt Maurice d'Agaune et ses foutlles (in 
der Revue catholique. 1900 ff. ) — Berlhier, J. J. Lacoufte 
de Charlemagne au tresor de Saint Maurice. Kribourg 
1896. — Boccard, Chanoine. Histuire du Vallais. Geneve 
184-1 — Hoppeler, Rob. Reitritge zur Geschichte des Wallis 
imMitlelaher. Zürich 1897. — Michel, J- Contribution* A 
I histoire de l' Abbaue de Saint MaurUv. Fribourg 1900. 
— Michel. J. Lei /ouilU's de* anciennet fuisilit/ites de 
Saint Maurice. Fribourg 1897. — Gremaud, Jean, (tri- 
ginret ditcHtuents de t'A bltaye de Saint Maurice d' Alaune. 
Kribourg IK r )8. — ■ Status Cleri 1905. [Abbe \ 1)accoi:i,tJ. 

III. Hi ssisi:n-oi<Tiiüi>oxE kirchk. Ks gibt in der Schweiz 
zwei russische Kirchen : in Genf und in Vevey. Sie werden 
\on einem Krzpriester i Popen) und einem Psalmisten ver- 
sehen, welch' letzterer zugleich als Direktor des Kirchen- 
chores amtet. Dieser letzten» besteht für gewöhnlich aus 
8- 10, hei grossen Festen bis zu 12 Personen, die meistens 
Schweizer oder Franzosen, aber nur selten Hussen sind. 
Priester und Psalmist haben ihren festen Wohnsitz in 
Genf, wo der Gottesdienst regelmässig jeden Samstag 
Abend und Sonnlag Morgen, sowie an den russischen Fest- 
tagen stattfindet. Fin- oder zweimal im Monat hegeben 
sich Priester und Psalmist. hie und da auch vom Chor 
begleitet, nach Vevey. Wahrend der übrigen Zeit bleibt 
die Kirche in Vevey. die wie diejenige in (ienf der Obhut 
eine* schweizerischen Abwartes anvertraut ist. geschlos- 



sen. Das Budget beider Kirchen beträgt mit Inbegriff der 
Besoldungen 16000 Franken. Wie alle russischen Kirchen 
im Ausland stehen auch sie unter dem Metropoliten von 
St. Petersburg und dem russischen Ministerium des 
Auswärtigen. Kür jede Kirche ist ein Starost i Aoltester 
oder Aufseher) aus dem (.aienstand bestellt, der seine 
Dienste unentgeltlich zur Verfügung stellt und im Not- 
fall für ausserordentliche Ausgaben aufkommt. Die Zahl 
der Mitglieder der russisch -orthodoxen Kirchgemeiu- 
schafi in der Schweiz schwankt je nach (hm Jahren von 
•30 bis 150 oder 200 und mehr, wobei die Nichtrussen 
kriechen, Rumänen, Bulgaren etc. mitgezählt sind. 
Neben ihren Verpflichtungen zum Gottesdienst müssen 
Priester und Psalmisl in der Schweiz noch häufige Reisen 
unternehmen, um Krankenbesuche zu machen, sowie bei 
Taufen, Beerdigungen elc. mitzuwirken. 

Die erste russische Kirche wurde 1817 in der russischen 
Botschaft in Bern eingerichtet und befand sich bis 1848 
in Privathäusern. Infolge der damaligen politischen Ver- 
hältnisse blieb sie dann aufgehoben, bis sie 1854 in lienf 
neu erstand, wo sie bis 1866 sich ebenfalls in Privat- 
häusern befand. Der Hau einer eigenen Kirche wurde 
I8fi3 beschlossen und 1866 in hyzantinisch-muskowitischem 
Stil ausgeführt. In Vevey wurde seit 1873 in Pmattokalen 
Gottesdienst gehalten, worauf vom Grafen Schuwaloff IH7K 
ebenfalls eine besondere Kirche erstellt ward. Bis jetzt ha- 
ben dem russischen Gottesdienst in der Schweiz 5 Geistli- 
che (Krzpriester. Popen» vorgestanden. [D'M Cj.rsc | 

IV. Ciiristkatiiohsc.uk Nationai.mrchk. Die Organi- 
sation der christkatholischen Nationalkirche ist aus der 
Protestbewegung wider die vatikanischen Dekrete hervor- 
gegangen. Als am 18. Juli 1870 Papst Pius IX. auf dem 
vatikanischen Konzil die lehramtliche Unfehlbarkeit und 
oberste Jurisdiktionsgewalt des Papstes als katholische 
Glaubensichre verkündete, erhob sieh wie in andern Län- 
dern auch in der Schweiz dagegen Widerspruch. Schon 
im Jahr 1869 hatte sich der luzernische Staatsmann Dr. 
A. Ph. Segesser in der Schrift Am Voraltend des Kon:tl* 
gegen die beabsichtigte Dogmatisierung ausgesprochen; 
während des Konzils gaben vier luzernische Geistliche ein 
oppositionelles Blalt Katholische Stimme aus den M'ald- 
xltitten heraus, und im folgenden Jahr wurden in l.uzern. 
Solothurn, Bern und Baden durch l.aicn Pr»le*t Versamm- 
lungen und am 18. September in Solothurn ein Kath<^- 
liken-koiigiTss abgehalten. 

Diese Versammlungen wurden hauptsächlich durch die 
Promulgation der vatikanischen Dogmen durch Rischot 
Lachst veranlasst, die entgegen dem Protest der Diozesan- 
konferenz des Bistums Basel am 6. Februar 1871 erfolgt 
war. l'nler dem Kindruck des deutsch-französischen Krie- 
ges und unter den Vorbereitungen auf die Revision der 
I Bundesverfassung des Jahres 1872 erlahmte jedoch die 
Bewegung bald und zwar so. das* der Luzerner Geisl- 
I liehe J. B. Fgli. der wegen seiner Stellung zu den Dog- 
men von Bischof l^achat exkommuniziert wurde, keine 
Stelle als Seelsorger fand und brotlos worden war. Ferner 
sah sich ein zweiter Geistlicher. Eduard Herzog, der Profes- 
sor an der theologischen Lehranstalt in Luzern war und 
den neuen Lehren seine Anerkennung versagte, genötigt, 
seine Heimat zu verlassen und sich den deutschen Altka- 
tholiken zur Verfügung zu stellen. Erst als Bischöflichst 
einen weiteren Geistlichen, Pfarrer Gschwind in Starr- 
kirch, exkommunizierte (26. Oktober 18721. die Gemeinde 
aber in Mehrheit zu ihm hielt und die solothurnische Re- 
gierung ihn in seiner Stellung schützte, kam die Bewegung 
wieder neu in Fluss. Es war vor allem Prof. Dr. Munziuger 
in Bern, der energisch eingriff. Auf seine Veranlassung 
wurde der Verein freisinniger Katholiken organisiert und 
am 1. Dezember 1872 in der Pfarrkirche von Ollen eine 
Versammlung abgehalten. Es wurde die Losung ausge- 
geben, dem Beispiel soii Starrkirch zu folgen und mm- 
freie katholische Gemeinden zu gründen. Prof. Munziuger 
ersuchte den kirehenhisloi iker Prof. Reinkeiisaus Bn-slau. 
den nachmaligen Bischof der deutschen Allkatholikeu. der 
an der Oltener Versammlung gesprochen h.itle. auch in 
andern Schweizer Stadien Vortrüge zu halten. « Geben Sie 
dem Volk die religiöse Direktive, »unsl gibt es kirchlich 
ein Chaos» sagte er und fugte hinzu, »orlautig stehe das 
politische Element noch im Vordergrund der Bewegung, 
die wesentlich eine religiöse «erden müsse. Prof. Rein- 



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SCIIW 



scuw 



131 



tens hielt in Luzern. Born, Solothurn, Rheinfelden und 
Ra.vl Vorträge. In rascher Aufeinanderfolge bildeten 
»ich altkatholische Gemeinden in Olsberg, Ölten, Trim- 
bach. Zürich. Hheinfelden. Möhlin. Kern u. a. O. 

Nicht religiös- kirchliche Erwägungen, sondern haupt- 
sächlich kirchenpolitische Ereignisse führten zur Hildung 
minfreier Gemeinden in den Kantonen Bern und Genf! 
|)ie Berner Hegierung. die während des Kulturkämpfe«. 
ri9 römisch-katholische Geistliche abgesetzt hatte, suchte 
Jie katholische Kirche im Gegensatz zur Kurie zu organi- 
sieren und die erledigten Pfarreien mit französischen 
•ieistlichen zu besetzen. Durch das Kirchengesetz vom 
18. Januar 1874 sollten die kirchlichen Verhältnisse ge- 
ordnet werden. Die Bomisch-Kalholiken beteiligten sich 
jedoch nicht an den Pfarrwahlcn, da Pius IX. das (leset/ 
verworfen hatte. Die Folge war, dass etwa dreißig der 
^•nannten französischen Geistlichen gewählt wurden und 
ebenso viele i-omfreie Gemeinden entstanden, die sich 
der altkatholischen Bewegung anschlössen. Mit wenigen 
vuMiahmen waren alle zum Teil verschwindend kleine 
Minor itäten. Ihr Schicksal war besiegelt, sobald die Kurie 
die Anerkennung des Kirchengesetzes erlaubt und die 
Berner Begierung ilie verurteilten Geistlichen amnestiert 
liatte. Nur in vier Gemeinden besassen die Altkatholiken 
die Majorität. Auch in Genf halten Konllikle mit der 
Kurie zu einer neuen kirchenpolitischen Gesetzgebung 
{.'»•führt. Der Papst verwarf sie ebenfalls, so dass sieh 
die Bömisch-Katholiken beiden Pfarrwahlen der Stimm- 
abgabe enthielten. Da die freisinnigen Katholiken bereits 
den Widerstand wider dasVatikanum organisiert hatten, 
bildeten sich bald einige romfreie Gemeinden. 

Unterdessen war im Schosse des Vereins freisinniger 
Katholiken der Zusammeiischluss der altkatholischen Ge- 
meinden eifrig besprochen und waren «I je Vorarbeiten 
tu einer Kircheiiverfassnng geti-offen worden. Der; Kni- 
wurf wurde in den Delegiertenversaminlungen zu Bern 
und zu Ölten durchberateu und als offizieller Name der 
<*temeinschaft der Titel « Christkatholiiche Kirche der 
Sthweiz* gewählt. Die Vorschläge fanden die Anerken- 
nung der bestehenden Gemeinden und Ortsvereine. Am 
IL Juni 187."» trat in Ölten die erste christkatholische 
Nationalsynode zusammen. Sie genehmigte die Verfas- 
sung. Die Organisation der Kirche fand ihren Abschluss 
mit der Wahl eines Bischofs, die am 7. Juni I87fi auf 
Kduard Herzog. Pfarrer und Professor an der katholiseh- 
Iheologischen Fakultät in Bern, Bei. Die Bischofsweihe 
empfing der Gewählte am 18. .September desselben Jahres 
durch den Hischofder deutschen Altkatholiken, Dr. J. II. 
Heinkens, in der Pfarrkirche zu Hheinfelden. 

Die Organisation der Gemeinschaft ist folgende. Die 
Kin ne beruht auf den Gemeinden. Jede Gemeinde ordnet 
ihre innern Angelegenheiten, wie Ernennung der Behör- 
den, der Geistlichen, Verwaltung des Vermögens in selb- 
ständiger Weise. Das einheitliche, oberste und entschei- 
dende Organ der Kirche ist die Nationalsynode. Zur Be- 
wahrung der Kinheit des kirchlichen Lebens versammelt 
«ich diese alle Jahre. Ihr steht zu : Aufstellung allge- 
nn-iner Grundsätze über Kultus und Disziplin der Kirche. 
Wahl des Bischofs. Abnahme und Prüfung des Berichtes 
und der Jahresrechnung des Svnndalrales. Wahl de» Sy- 
nodalrale*. Mitglieder der Synode sind der Bischof, 
samtliche christkatholischen Geistlichen, die Mitglieder 
des Svnodalrates und die Delegierten der Gemeinden. 
\uf Iii) stimmfähige Bürger kommt ein. auf je '20t» wei- 
tere ein weiterer Delegierter. Der Synodalrat ist die vor- 
beratende. vollziehende und verwallende Behörde. Kr be- 
steht aus y Mitgliedern. ."» Laien und 4 Geistlichen, mit 
BmcMom des Hiachofs. Der Bischor hat innerhalb der 
durch die Verfassung gezogenen Grenzen alle Hechte und 
('fliehten, die nach altem katholischem Begrifl dem Epis- 
kopat beigelegt werden. An Reformen hat die Svnode 
eingeführt : Anwendung der Landessprache und der ein- 
fachsten und würdigsten Formen im Gottesdienst und bei 
kirchlichen Funktionen. Aufhebung der Verpflichtung 
mr Ohrenbeiehte und zum Zölibat. Der Pflege des reli- 
giösen Üben», dem Ausbau des Gemeindegottesdienstes, 
der Organisation von W r ohllahrlseinrichtungen , der 
finanziellen Kratarkuruz der Gemeinden und der Kirche 
•chenken Svnode und Synodalrat stets alle Aufmerksam- 
keit. Mit den altkatholischen und den rorofreien Kirchen 



anderer Länder werden freundschaftliche Beziehungen 
gepflegt. Diesem Zweck dienen die internationalen Ält- 
katholiken-Kongresse und die in Bern unter der Leitung 
von Prof. Dr. Michaud erscheinende wissenschaftliche 
Zeitschrift « /ferne intcrtutlionale de Theologie i>, die im 
14. Jahrgang steht. Zwei Kongresse wurden in der Schweiz 
abgehalten : 1892 in Luzern und 1904 in Ölten. Die christ- 
kalholischen Geistlichen erhalten ander katholisch-theo- 
logischen Fakultät der Hochschule Bern ihre wissen- 
schaftliche Ausbildung. Sie wurde aufGrund des Kirchen- 
gesetzes durch Dekret des bernischen Grossen Haies vom 
20. Juli 1874 errichtet. Die Zahl der Dozenten beträgt 
fünf; zwei davon lehren zugleich an der philosophischen 
Fakultät. 

Das Bistum hat durch den Bundesrat und die Hegienm- 
gen der Kantone Aargau, Hasel Land. Basel Stadt. Bern, 
Genf. Neuenbürg, Sehallhausen, Solothurn und Zürich 
formell die staatliche Anerkennung erhalten. Mit Aus- 
nahme von Luzern sind die Gemeinden in allen Kan- 
tonen, wo es solche gibt, entweder als katholische oder 
aber neben der römisch-katholischen als chrislkatholische 
Landeskirche staatlich anerkannt. Sie haben von Anfang 
an Anspruch auf das Vermögen und die Benutzung der 
Kirchen der katholischen Kirchgemeinden erhoben mit 
der Begründung, dass sie als Vertreter der nationalen 
Hichtung, die seit jeher neben der papstlichen in der ka- 
tholischen Kirche der Schweiz existiert hatte und mit ihr 
bis jetzt im gemeinsamen Besitz des Kirchengutes gewe- 
sen war, nach vollzogener Trennung den entsprechenden 
Anteil verlangen dürfen. Durch die Bundesvcrfassuug wer- 
den diese Ansprüche geschützt. In vielen Gemeinden 
wurde auf dem Prozessweg die Ausscheidung vollzogen 
und das Milbenutzungsrecht der Kirchen ausgesprochen. 
Da die Kurie ilie Ausübung dieses Hechtes verbot, ver- 
liessen die Hömiseh-Katholiken die In Hellenden Kirchen. 
An einigen Orten kam eine gütliche Vereinbarung zu 
stände, indem die eine Partei gegen eine Abllndungs- 
summe auf ihr Hecht verzichtete. So sind z. H. die 
Chrislkalholiken in Ollen im ausschliesslichen Besitz der 
dortigen Pfarrkirche, während diejenigen von Greuchen 
und Biel eigene Kirchen gebaut haben. Aus eigenen Mit- 
teln haben sich die Gemeinden Luzern, St. Gallen und 
die Genossenschaft Uerlikon Kirchen errichtet oder er- 
worben. Gemeinden und kleinere Genossenschaften gibt 
es in den Kantonen Aargau 9 Aarau. Kais« rangst. Lenz- 
burg. Magden. Möhlin, Obermumpf- Wallbach. Olsberg, 
Hheinfelden. Wegenstetlen-Hc Ilikon-Zuzgcnl, Basel Stadt 
1. Basel Land 2 iAHscliwil, Binningen), Bern S Bern, 
Biel, Burgdorf, Delsberg, Laufen, Münster, St. Immer. 
Thun', Genf 10 lAirc la Ville-La Plaine. Carouge, Gheno 
Boiirg, Collex-Bossy, Corsier-Anieres, Genf französische 
und deutsche Gemeinde, bmey. Meyrin, Versoix). Luzern 
1 (Luzern i. Neuenbürg I iGhauxde Fonds). Schaffhauscn 
1 {Schaflhauscn>. Solothurn 7<Grenchen. Ollen. Sehonen- 
werd. Nieder Gösgen, Solothurn, Starrkirch-Dulliken, 
Trimbach), M. Gallen I (St. Gallen) und Zürich 3 (Zü- 
rich, Oerlikon. Winterthur) mit zusammen etwa 3*2 0< W » 
bis 34000 Seelen. Den Heligionsunterricht besuchen 4772 
Kinder. Das Verzeichnis des Klerus zählt 56 Namen; im 
aktiven Kirchendienst stehen 47 Geistliche. 

In den Kantonen Basel, Genf und Neuenbürg werden 
sämtliche Kultuskosten aus der Staatskasse und in einigen 
aargauischen Gemeinden aus dem Ertragnis der Zinsen 
des Pfnindvermogens bestritten. In den übrigen Gemein- 
den, wo die Zinsen nicht ausreichen, das Kirchengut klein 
oder gar keines vorhanden ist, werden Steuern erhoben 
oder freiwillige Beiträge eingesammelt. Die finanziellen 
Leistungen für Kultuszwecke betrugen im Jahr 1904 in 2fi 
Gemeinden rund (10000 Fr. An die Synodalratskasse wur- 
den H (ÜÖFr. abgeliefert, wovon die Hälfte in jener Summe 
inbegriffen ist. Aus dieser Kasse werden die allgemeinen 
Auslagen der Kirche. Subventionen an einige Gemeinden 
und für die Pastoration der Diaspora, sowie ein jährlicher 
Beitrag von 40U0 Fr. an die katholisch-theologische Fakul- 
tät in Bern bezahlt. Der Svnodalrat verwallet einen 
Stammgutfonds mit einem Kapital von 40534 Fr. und einen 
Stipendienfonds mit 52400 Fr. Der Bischofsfonds betragt 
16344 Fr. und das Kapital der im Jahr 1899 gegründeten 
llilfskasse der Geistlichen 18 Uli Fr. I m die Fakultät in 
Bern linanziell sicher zu stellen, haben die Chrislkatho- 



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s<;ii\v 



scnw 



liken ••iiit'ii Fakullaisfonds aus Legalen, Geschenken und 
Kollekten gestinet, der in wenigen Jahren auf II2UI0 Kr. 
aufwachsen ist. Kr beiludet sieh in der Verwaltung des 
Slaates Hern, ebenso cm /.weiter Stipendieufoiids von 
.Vi IUI Fr 

Der Ausübung der christlichen Nächstenliebe widmen 
sich Krauen- iiikI Hiirsvereiiie. sowie Organisationen der 
Gemcindekiankenpllege. Kin he.miid«'re* Komilee lässt 
Krankenpflegerinnen ausbilden und sendet sie in die Ge- 
meinden. Im Jahr 11*14 haben 22 Krauen- und Hilfsver- 
ciue für wohltatige /.wecke '22 161 Kr. aufgebrachl. Kir- 
clienchore inaeheu »ich die Verschönerung des Gemeinde- 
gottesdienstes zur Aufgabe. Diejenigen der deutschen 
Schweiz bilden einen Verband mit 22 Choren und 1446 
Mitgliedern (im Jahr 191)4). Die Juiigmaunschaft wird 
iluivh die Vereine junger Chrislkatholiken gesammelt, 
die sich ebenfalls zu einem Verband mit 18 Sektionen und 
1 1X1 Mitgliedern ziisammengetan haben. I)ie Forderung 
der katholischen Deform im allgemeinen he/wecken die 
Vereine freisinniger Katholiken, wie sie in einigen gros- 
sem Gemeinden bestehen. Alle die genannten Vereine 
haben im Jahr 191)4 laut Berichten aus 23 Gemeinden 
42(11)11 Kr. zusammengclegl. 

In Genf nnil Srhonenwerd bestehen Hurcaux zur Stel- 
leuwrmitllung und Versorgung von Kindern. Kur Ver- 
breitung der christkatholischcn Literatur und der Presse 
arbeiten das Presskomitee, das Schriftenlager in Basel, fer- 
ner Gemeinde- und Vereinsbihliothckcn. Die beiden Or- 
gane der Chrislkatholiken sind der Kalhulik für die 
deulsclie und der Catholu/ur milumui für die welsche 
Schwei/.. Heide erscheinen in Hern. Ofl'uielleu Charakter 
haben sie nicht. Im Jahr 15<U"» ist ein Verein fur die Dia- 
spora gegründet wurden, der die Aufgabe hat. die Ange- 
hörigen der Kirche in der Diaspora zu sammeln und die 
nötigen Mittel aufzubringen, um eine regelmässige Pasto- 
ralion durchzuführen. Von besonderer Wichtigkeit ist 
diese Organisation, weil den Gemeinden durch Wegzug 
in die Diaspora jährlich eine verhältnismässig grosse 
Zahl von Mitgliedern verloren geht, rntcrrirhtsstationen 
sind schon organisiert. In 2t) Ortschaften, die ausserhalb 
der Pfarrgenieinden und Genossenschaften liegen, wurde 



l'Jtß regelmässig Heligionsunterrieht erteilt. Im eisten 
Wrein.ji.hr traten dem Verein 3000 Mitglieder bei, die 
87««) Fr. auniraehten. (fiarr.r A.l.af Ko.> | 

V. isHAi i.ni.si hkh ki i.iis. Nach den Ergebnissen der 
eidgenössischen Volkszahlung von 1900 betrug die Anzahl 
der in der Schweiz niedergelassenen Israeliten 122G4 See- 
len, die sieh auf die einzelnen Kantone folgendermassen 
verteilen : 

14. Thurgau ... 113 
I.Y Appenzell A. lt. 31 
16 Wall.» ... -r. 
17. Schairhamvet. 22 



1. Zu rieh .... 

2. Has.l Stadl . 1897 

3. Hern I.*>43 

4 Genf 111t» 



5. Waadt . . 11)76 

6. Neuenbürg . IU2n 

7. Aargau ... 990 

8. St. Gallen . . . X£ 

9. Lu/ern ... 319 

10. Freihurg ... 167 

11. Sololhurn . . . IVJ 

12. Hasel Land . I«) 

13. Giauhumlen . 114 



18. Zug 19 



19 Tessin 
21). Schwvz 
2I.G|aru's . 
22 1 ri . . 

23. Obwalden 

24. Nid w ählen 
2.Y Appenzell I 



3 
I 



It. 



Schweiz 122I>4 



Heute kann man die Anzahl der im Land wohnenden 
Juden auf etwas mehr als 1, r >000 schätzen, womit «ir unge- 
fähr ' a „ der Ccsamlhevölkerung ausmachen. Die jüdische 
Heligion ist in der Schweiz durch die Bundesverfassung 
von 1874, die allen Hurgern r reiheil iles Gewissen« und 
Glaubens gewahrleistete, anerkannt worden. Die Nieder- 
lassung von Angehörigen der israelitischen Konfession 
wird seither durch nichts mehr gehindert, und auch der 
Zutritt zu den öffentlichen Aemtern i«l den Juden wie 
jedem andern Schweizerbürger freigestellt. Die seil Jahr- 
hunderten den beiden Aargauer Dörfern Endingen und 
l.engnau zugeteilten Juden erhielten ihre vollen Bürger- 
lichen Hechle und horten damit auf. •Heimatlose" zu 
sein. Sie wurden 1874 in zwei Zivilgemeinden. Neu Kn- 
dingen und Neu l.engnau. organisiert. Seither sind aber 
die judischen Hürger dieser beiden Gemeinden nach Ha- 
llen, Zürich. I.u/ern und in andere Ortschaften der deut- 
schen und der welschen Schweiz ausgewandert und zwar 
in solchem Masse, das* sich die beiden Muttergemeinden 
heute bereits entvölkern. 



ir^*s /&sPh *¥w //tT» - r •■• . ; 




VortHihmi.' I,t Hrsuliiou in -Jit !v-hw«u<( 



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SCHW 

die israelitische Bevölkerung der Schweiz besteht in 
ihrer Mehrzahl aus ausländischen Elementen i7292 Perso- 
nen), die von den benachbarten Uindern her, besonder« 
'lern Kl-ass. dem Groasherzogtum Baden, aus andern Tei- 
len de« deutschen Meiches, aus Oesterreich und Frank- 
reich, eingewandert sind. Ein guter Teil der Israeliten 
um Basel. Biel, La Chaux de Fonds. Genf. Avenches, 

' i ii und Kreiburg stammt aus den beiden elsässischen 
liren/dorfern Hegenheim und Ilagenthal bei Basel. Die- 
jenigen von Zürich, Baden und St Gallen kommen zum 
grossen Teil aus ilem Grossherzoglum Itaden, besonders 
»u* dem Dorf Gailingen und Umgebung. Die neuen An- 
kömmlinge haben in iinserm Land Wurzel gefasst und 
-ich dauernd niedergelassen; sehr viele sind als Sehwei- 
ierhurger naturalisiert worden und vollständig mit ihrer 
muen Heimat verwachsen. Die schweizerische Armee 
uhlt in ihren Iteihen viele Israeliten, und zwar als Sol- 
daten, Unterofliziere und Offiziere. Daraus lässt sich auf 
die Wandlung pchliessen. die in der Volksseele mit liezug 
juf die Beurteilung der Juden vor sieh gegangen int. Das 
Volk hat sich allmählig daran gewohnt, die Juden als 
iilttchberechtigte, sowie als ehrbare und gewissenhafte 
Mitburger zu betrachten und sich von den aus alter Zeit 
her überlieferten Vorurteilen loszusagen. Die israelitische 
Jugend besucht gleich derjenigen der übrigen Konfes- 
sionen die öffentlichen Schulen, und nirgends werden die 
Juden mehr zur Einrichtung von besondern Pi ivatschulen 
angehalten. 

Was den Kultus anbetrilTt. so bilden die Israeliten 22 
Gemeinschaften, die alle nach den Bestimmungen des 
eidgenössischen Vereinsgesetzes eingerichtet sind. Sie 
bilden demnach wirkliche privatreehtliehe Gesellschaf- 
ten, die von den Kantonalregierungen keinerlei Subventio- 
nen erhalten und daher auch nicht abhängig sind. Sie 
verwalten sich alle leibst. Die Rultusgeuosseusrhaft von 
la Chaux de Fonds, der nach dem kantonalen Neuen- 
Imrgischen Kirchongesetz von 1872 der Anschluss an den 
Staat möglich gewesen wäre, hat es vorgezogen, keinen 
(•«brauch davon zu machen. Alle Verwaltuugsfragen wer- 
den in den verschiedenen Gemeinschaften von Kirchenvor- 
stehern erledigt, «leren Wahl den Steuerpflichtigen zusteht. 
Du Budget zur Deckung der Kultuskosten wird auf Grund- 
lage von obligatorischen Steuern aufgestellt, zu deren 
Kutrichtung jedes Glied der Kultusgenosseuschaft ver- 
nichtet ist. Je nach ihrer Vermögenslage werden diese 
teuerpfhehtigen in eine gewisse Anzahl \on Klassen ein- 
geteilt. In jeder religiösen Gemeinde bestehen auch noch 
philanthropische und auf gegenseitiger Hilfeleistung be- 
ruhende Gesellschaften : einige Gemeinden erfreuen sich 
ferner des Bestehens von Vereinen Lesezirkel etc.!. die 
geistige Inlei -essen verfolgen und /. B. durch Veranstal- 
tung von Vorträgen über jüdische Geschichte und Litera- 
tur an der Weilerbildung der Erwachsenen arbeiten. Sol- 
che Ziele verfolgen Ii. a. die • Vereitle jüdischer Geschichte 
und Literatur» in Zürich. Winlerthur und Sankt (lallen. 

Zur Forderung der Bibel- und Talmudstudien stehen 
m gewissen Gemeinden besondere Lokale zur Verfügung 
.so z.B. in Bas. t l das » Bel-Hammidrash » am Spalentor- 
weg 32). wo der Rabbiner wahrend der Woche mehrmals 
und ferner jeden Samstag nach dem Morgengottesdiensl 
homiletische Vortrage halt. Der Zionismus zählt Anhänger 
in sämtlichen Gemeinden, namentlich aber unter den 
jungen Israeliten, die an den Universitäten Bern, Genf 
und Zürich studieren. Zionistische Komitees bestehen in 
.Jer deutschen Schweiz. Die t&SOgegi ündete . Israelitische 
Allianz (Albaner israelile Universelle )». deren Silz in Ba- 
us ist und die den Zweck verfolgt, in den muhammedani- 
•chen Ländern durch Einrichtung von Schulen und von 
Möglichkeiten zur Erlernung eines Handwerke!, an der 
Regeneration des Judaismus zu arbeiten, hat in allen 
schweizerischen israeliüschen Kultusgemeinden ihre Lo- 
kalkomitees. Wohltätige Einrichtungen verschiedener 
Natur sind im Scboss der jüdischen Bevölkerung ziemlich 
■ahlreich vorhanden. Wir nennen u. a. folgende: zwei 
Utersasyle. deren eines von den Basler Israeliten auf 
Wsässischem Boden in Hegenheim gegründet worden ist. 
wahrend das andere, das . Schweizerische israelitische 
Xltersasyl ». aus jüngerer Zeit datiert und sieh in Lcngnau 
befindet! In Basel besitzen die Juden ein Waisen- und 
ein Krankenhaus. 



SCI1W its 

Die 22 israelitischen Kultusgemeinden der Schweiz ver- 
teilen sich auf folgende Ortschaften : Avenches, 1 laden, 
Basel, Bern, Biel, Brcmgarlen, La Ghaux de Fonds. 
Delsberg, Kndingen, Freiburg. Langenthal. Lausanne. 
Lcngnau, l.iestal. Luzern, Prunlrul, St. Gallen. Solothurn, 
Vevey (die jüngste, im September 1905 gegründet). Win- 
lerthur. Yvemon. Zürich. Wir wollen im Folgenden die 
bedeutendsten dieser Gemeinden noch etwas eingehender 
besprechen. 

Der Kultusgenossenschaft Basel gehören von einer 
israelitischen Bevölkerung von mehr als 2(100 Köpfen 350 
als Mitglieder an. Sie besitzt eine vor etwa 90 Jahren er- 
baute und vor acht Jahren vergrösserte schöne Svnagoge. 
Goltesdienst wird alle Tage je Morgen» und Abends gehal- 
ten. Predigt in deutscher Sprache einmal im Monat wäh- 
rend eines Sabbatgotlesdicnstes und ferner an allen 
religiösen Festtagen. Der Beligionsunterrieht wird vom 
Kantor, einem Lehrer und dem Babbiner erleilt. 1904 
hat die Gemeinde auf Basler Boden ein Grundstuck er- 
worben, das zum Friedhof eingerichtet worden ist; bis 
dahin liess die Gemeinde ihre Toten auf dem israeliti- 
schen Friedhof des benachbarten elsassischen Dorfes 
Hegenheim beisetzen. Die Basler Gemeinde hat kon- 
servative Tendenz, und ihr gegenwartiger Babbiner ist 
aus dem orthodoxen Seminar von Berlin (dem sog. Hil- 
desheiner-Seminari hervorgegangen. In Klein Basel be- 
sitzen die infolge der Judenhetzen in Bussland eingewan- 
derten Israeliten ein Bethaus, in dem sie jeden Samstag 
ihren Gottesdienst feiern. 

Die in freisinniger Dichtung sich bewegende Kultus- 
genossenschafl Zürich zählt 370 Mitglieder lauf eine 
jüdische Bevölkerung von mehr als 2000 Köpfen I. Sie Ite- 
sitzt eine schöne Svnagoge. wo alle Tage Gottesdienst ge- 
halten und au allen Festtagen, sowie jeden vierten Sabbat 
lies Monates in deutscher Sprache gepredigt wird. Den 
Beligionsunterrieht erteilen der Kantor, ein Lehrer und 
der gegenwärtige Babbiner. der ein ehemaliger Zögling 
des freisinnigen Seminares in Breslau ist. Neben der 
grossen Gemeinschaft besteht noch eine kleine orthodoxe 
Gruppe, die sog. Israelitische Beligiousgesellschan, mit 
etwa 30 Mitgliedern, die ein privates Bethaus und einen 
orthodoxen Babbiner unterhält. Auch die etwa 40 Mit- 
glieder zählende russisch-polnische Kolonie Aussersihl be- 
sitzt ein — im drillen Stadlkreis gelegenes — eigenes 
Bethaus. In Zürich erscheint das Israelitische Wochen- 
blatt, das gegenwärtig von Babbiner Dr. Litlmann und 
Dr. phil. David Slrauss redigierte Organ der schweizer- 
ischen Juden. 

Die Kultusgenosseiischaft Genf ist freisinnig und zählt 
150 Mitglieder (auf eine israelitische Gesamtbevnlkeruug 
von etwa 1200 Köpfen). Sie besitzt eine in orientalischem 
Slil gehaltene Synagoge. Ihr geistiges Haupt ist der seil 
mehr als 45 Jahren im selben Amt wirkende J. Wert- 
heimer, gegenwärtig Grossrabbiner der Schweiz und Pro- 
fessor au der Universität. 

La Chaux de Fonds hat eine Kultusgenosseuschaft 
mit freisinniger Tendenz. Sie zählt 180 Mitglieder lauf 
eine israelitische Bevölkemug von 950 Köpfen) und hat 
1896 eine prachtvolle Synagoge mit polychromer Kup- 
pel in romanischem Slil erbauen lassen. Dem täglichen 
Gottesdienst dient ein Saal im Erdgeschoss. wo vom Kan- 
tor und dem Rabbiner (einem einstigen Schüler des Pa- 
riser Seminars! auch beligionsunterrieht erteilt wird. 
1872 eingeweihter eigener Friedhof in Les Eplatures. 
(Vergl. die Xotice historique sur Ut communauM is- 
mWirV de Im Chaux de Fond». La Chaux de Fonds 1896). 

Die israelitische Gesamtbevölkerung St. Gallens be- 
steht aus 700 Köpfen ; ihre hultusgeiiosscnschafl ist frei- 
sinniger Dichtung und besitzt eine vor etwa zwanzig 
Jahren erbaute Synagoge. Der gegenwärtige Babbiner ist 
ein ehemaliger Zögling des Seminare in Bifslau. 

Die KuHusge.iossenschaft Bern zählt 73 Mitglieder, 
denen sich je Weilen bei den grossen HerbsUVsttagen 
noch etwa 30 in den umliegenden Ortschaften wohnende 
Juden beigesellen. Da die alte Synagoge an der Ana- 
tomiegasse zu klein geworden war. verkaufte man Bie 
und erhaute an der Kapcllstrassc eine neue, deren Ein- 
weihung 1906 stattfand. Seil 1870 besitzt die Gemeinde 
auf dein Wankdorlleld ein« igenen Friedhof. 

Biel besitzt eine freisinnige israelitische Kultusgenos- 



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SCHW 



SCIIVV 



senschaft vod 60 Mitgliedern, die zweimal im Jahr vom 
Grossrabbiner aus Genf besucht wird. Synagoge. 

Uie Genossenschaft Lausanne zählt wie Biel etwa 60 
Mitglieder und halt ihre Gottesdienste in einem als Syna- 
goge eingerichteten Lokal. Der 1907 verstorbene Philan- 
throp Ügiris in Paris hat der Stadt [.aiisanne ti. a. ein l.e- 
gat von ."iOOOO Fr. für die Errichtung einer Synagoge im 
Stile des isrealitischcn KultusgcbäudcM an der Rue Buf- 
fault in Parin vermacht. Von der Genossenschaft unab- 
hängig sind ilie hier bestehenden drei jüdischen Pension- 
nate (wovon /.wei für Mädchi'ii und eines für Knaben), 
deren Zöglinge zumeist nus dem Ausland stammen. Hin 
weiteres israelitisches Pensionat (mit orthodoxer Rich- 
tung) besteht in Neuenburg. 

Ihe Genossenschaft F re i bu rg zahlt etwa :© Mitglieder 
und hat sich in jüngster Zeit eben'alls eine Synagoge er- 
baut. 

Auf Anregung von l.a Chaux de Fonds hin haben die 
schweizerischen israelitischen Kultusgenossensrhafleii die 
Gründung eines Verban<les mit einem Zentralkomitee 
beschlossen. Kiese nutzbringende Vereinigung wird sich 
mit Fragen allgemeiner Natur, die samtliehe Genossen- 
schaften gleichmässig interessieren, zu befassen haben, 
so namentlich mit der Schaltung von philanthropischen 
Institutionen, der Organisation der lnter*iüizung von 
armen Durchreisenden etc. - Hinrichtungen, welche heute 
noch viel zu wünschen übrig lassen, da jede Gemeinschaft 
bisher auf eigene Fauet handelte und sich um das Vor- 
gehen der andern nicht zu kümmern pflegte. Molfen wir. 
dass dieser geplante Zusammenschluss baldmöglichst zu 
Stande komme, um zum Nutzen und Frommen der 
schweizerischen Israeliten seine Tätigkeit aufzunehmen. 

Nebenden Kultusgenossenachaften linden sich Israeliten 
auch noch über die ganze Schweiz hin zerstreut vor und 
zwar meist in zu geringer Anzahl, als dass sie besondere 
Gemeinschaften zu gründen vermöchten. Solche kleine 
israelitische Kolonien bestehen in Rimlingen. Sissach und 
Gelterkinden ikanloii Rasel Land): Ölten (Kanton Solo- 
thurn):St. Immer. Riirgdorf, Aarberg. Langenthal, Thun. 
Intet laken und L'nlerseen (Kanton Bern} ; Neuenburg und 
Fleurier i Kanton Neuenbürg!; Rex. Montreux. Morges. 
Njron, Cossonay und Aigle (Kanton Waadti; Sitten und 
Monihey (Kanton Wallis); llerisau (Appenzell A. R.(; 
St. Kiden. Wil und Rheiueck (Kanton St. Galleu): Aarau. 
Aarbtirg, Lenzburg und Rheinfelden (Aargaiii; Schaffhau- 
sen; Diessenhofen und kreuzlingen (Thurgau); Ravos 
und St. Moritz «Graubünden): Zug. 

Die israelitischen Kultiisgenossenschaften sind allge- 
mein in blühenden Verhältnissen und entwickeln sich 
unter dem von der Rundesverfassung gewährleisteten 
Regime der Freiheit und Gerechtigkeit uberall in erfreu- 
licher Weise. Der einzige Abbruch, der der Ausübung 
des israelitischen Kultus getan wird, ist das Verbot des 
durch den Ritus vorgeschriebenen Schächteus der 
Schlarhltiere, das die Genossenschaften zum I nternal! 
von liesomlein Schlachthäusern an der Landesgrenze 
veranlasst. [Rabbiner Jola« Wui.rr.| 

G. Wirtscuakti iciti; Zi stamik; Sozialpolitik. Da der 
vierte Teil der Rndenfläche der Schweiz unproduktiv ist. 
müssen die 3 3IÖV4H i Zahlung von 1900) Bewohner de« 
lindes sich zu einem grossen Teil der industriellen Tätig- 
keit zuwenden, wenn sie ihr Auskommen linden wollen. 
Die Verteilung der Ccsamtbevülkerung auf die verschie- 
denen Zweige wirtschaftlicher Tätigkeil zeigte im Jahr 
I900 folgendes Rild: Landwirtschaft 5.'.°,«,. Industrie 44»/,,. 
Handel «'"„, Verkehrs- und Transportwesen 3"„. Ver- 
waltung. Wissenschaften. Künste etc. 5 U \,. 

Die hauptsächlichsten Produzentengruppen haben sich 
zu freien Organisationen vereinigt, deren Zweck die Ver- 
teidigung und Wahrung ihrer speziellen Berufsinteressen 
ist. Diese wirtschaftlichen Verbände sind im einzelnen 
ausserordentlich verschieden organisiert. Die mächtigsten 
und emflusureichsten weisen den Charakter von Genos- 
senschaften auf und haben ständige Sekretariate einge- 
richtet. Jährliche Subventionen werden vom Rund verab- 
folgt an die Sekretariate de» schweizerischen Handels- 
und Inihislrievereines. des schweizerischen Gewerbeve- 
reines, des Arbeiterkindes und des Rauerribiindes. welche 
Vereinigungen hei der Ausarbeitung von Gesetzen, die in 
ihren Interessent reis fallen, omurII um ihre Wunsche 



und Ansichten befragt werden. So hat z B. der Bauern- 
bund zu Gunsten der Annahme des Schutzzolltarifes von 
1902 einen entscheidenden Einflussauf die eidgenössischen 
Räte ausgeübt. The Hebung der wirtschaftlichen Lage 
des Rauertislandes wird ferner noch durch eine ganze 
Reihe von öffentlichen oder privaten Institutioner. be- 
zweckt, wie die landwirtschaftlichen Schulen, die land- 
wirtschaftlichen Versuchsstationen, die Viehzuchlgeno«- 
senschaflen, Konsumvereine, landwirtschaftlichen Ve- 
reine etc. 

Die Verbünde, die sich die Verbesserung der w irtschaft- 
lichen Lage des Arbeiter* zum Ziel nehmen, ruhen zur 
Mehrzahl auf sozialdemokratischer Grundlage. Immerhin 
hat der Gewerkschaftsbuud i Föderation des syndicats pro- 
fessionnels) 1899 seine politische und konfessionelle Neu- 
tralität erklärt, in der • allerdings nur zum Teil zur 
Verwirklichung gelangten — Absicht, die christlichen 
Arbeitervereine zu sich heranzuziehen. Die bedeutendste 
Arbeite rgewerkschaft ist diejenige der Eisenbahuauge- 
stellten. die im Jahr 189ü gegründet wurde. Sie hat sich 
seither von den Eisenbahngesellschaften und dem Rund 
beträchtliche Lohnaufbesserungen erwirkt. Die Nonlost- 
bahiigesellschan. die den Forderungen ihres Personales 
kein Gehör gab. sah sich infolge des zwei Tage (12. bis 
Kl. März 1897) dauernden Generalstreikes zur Nachgiebig- 
keit gezwungen. 

Die allgemeine Organisation der Konsumenten hat der 
Entwicklung derjenigen der Produzenten nicht Schritt 
gehalten, obwohl aie z. R. in der Stadt Rasel in Gestalt 
eines Konsumvereines einen grossen Erfolg erzielte und 
ihre Tätigkeit auch auf das Gebiet des Kreditwesens aus- 
dehnte (Schweizerische Volksbank. Raiffeiscnkassen). 

Hand in Hand mit der privaten Initiative geht mit Hin- 
sicht auf die Verbesserung der l.age der Arbeiter und im 
besonderen des Arheiterschutz.es die kantonale und eid- 
genossische Gesetzgebung fvergl. darüber die Arbeit von 
Dr. J. Landmann: Ihe ArtH?ilew/iuluif$?t7ijefniHg in ilrr 
Srhwei:. Rasel 1904'. Unter den hierauf Bezug habenden 
kantonalen Einrichtungen sind in erster Linie die Poli- 
klinik der Stadt Itasei und die Volksvepdcherungskassc 
des Kantons Neuenbürg (Gesetz vom 29. März 1898) her- 
vorzuheben. 

Die Rundesgesetzgebung beschäftigt sich ihrerseits mit 
dem Studium von zwei weittragenden Problemen. Es sind 
dios die Revision des 1877 in kraft getretenen Gesetze* 
betreuend die Fabrikarbeit und die Ausarbeitung eine» 
neuen Gesetzes über die Kranken- und Unfallversiche- 
rung. Letzteres soll dazu berufen sein, die gegenwärtige 
Einrichtung der zivilen Verantwortlichkeil des Arbeit- 
gebers durch eine eidgenössische Institution zu ersetzen. 
Eine erste auf diese Materie bezügliche Gesetzesvorlage ist 
vom schweizerischen Volk in der Abstimmung v om 2t». Mai 
1900 verworfen worden. 

Ausserhalb des Kreise der gesetzgeberischen oder der 
gewerkschaftlichen Tätigkeit nehmen noch verschiedene 
andere Verbände in uneigennütziger Weise an der sozi- 
alen Bewegung Anteil. Es trilft dies besonders auf die 
zahlreichen Gesellschaften zu, die sich die Rekämpfung 
des Alkoholisinus zum Ziel gesetzt haben und versuchen, 
von den eidgenössischen und kantonalen Behörden eine 
wirksamere Anwendung des vom Rund zum Kampf gegen 
die Pnmässigkeit bevtimmlen Alkoholzehntels zu erlan- 
gen. Während aber dieses Ziel bis jetzt noch nicht völlig 
erreicht ist. hat eine RHK> gegründete andere Vereinigung, 
die sich die Anbahnung des Wege?, zu einem internationa- 
len Arbeiterschulz angelegen sein lässl, einen unmittelba- 
ren Erfolg aufzuweisen. Indem sie sich mit den vom 25. bis 
29. Juli 19U» in Paris zu einein internationalen Kongress 
versammelten ausländischen Verbänden gleichen Charak- 
ters ui gemeinsamer Arbeit vereinigte, kam mau zu dem 
Reschluss. ein internationales Arbeitsamt einzurichten, 
da* denn auch in Rasel am I. Mai 1901 seine Tätigkeit 
begonnen hat und dem der Rund eine jährliche Subven- 
tion von HtlilO Franken verabfolgt, sowie die Regierung 
des Kantons Basel Stadt die nötigen Biireaiiräumtichkei- 
len unentgeltlich zur Verfügung stellt. 

Ausser dein eben Genannten wird die Arbeit auf sozialem 
Gebiet in der Schweiz noch durch eine Reihe von weite- 
ren Erscheinungen gekennzeichnet. Als solche fuhren wir 
an: die kleine Geburtenziffer ; Abnahme der Auswande- 



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SCIIW 



SCI1W 



run): und Zunahme ■)• i Einwanderung; absolute und rela- 
;i»r Abnahm*' der landwirtschaftlichen Bevölkerung; Ver- 
teuerung der Handarbeit und Vermehrung der die Arbeit 
von bloss filier einzelnen Familie erfordernden landwirt- 
schaftlichen Betriebe; Dezentralisation der Industrie, be- 
minstigt durch die Möglichkeit der Fernüberlragung von 
elektrischer Kraft ; Aufschwung und Vermehrung der be- 
ruflichen Vereinigungen, die jetzt auch in den Kreisen 
von öffentlichen Beamten und von konkurrierenden Fa- 
brikanten sich bilden; Zunahme der Streikbewegung; 
»achsende Lust zur Reglementation der Arbeit; Entwick- 
lung des Sparkassen- und freiwilligen Versicherungswe- 
sens. Was den letztgenannten Punkt anbetrilft, so hat die 
Zählung von 1903 ergeben, dass in der Schweiz 43.'>000 
Personen, d. h. 13 %der Gesamtbevölkerung, einer Kran- 
kenkasse angehören. Kieses Verhältnis übertrifft noch das- 
jenige der Lander, in denen das freie Vcrsichernngswe- 
MH am meisten ausgebildet erscheint. [Julas RKVOftO ) 
H. Vebteili nt, dks uiU'NDrjUESTt'Jis. {Allmenden ii.it. 

w.;. Wenn im Nachstehenden über die HenuDungs- 
weise des Grundeigentums gesprochen wird, so soll 
dabei nur du- landwirtschaftliche Uenutzung ins Auge ge- 
best werden. Der Abbau von nutzbaren Mineralien 

Granit, Schiefer, Kalk und Zement, Marmor. Sand», fer- 
ner die Gewinnung von Asphalt. Kochsalz und fossilen 
Brennstoffen, wie Anthrazit. Steinkohlen, Rraunkohlen, 
Srhiefcrkohlen und Torf wird im Abschnitt über den 
Bergbau » behandelt werden. 

hie Betriebsweise der schweizerischen land Wirtschaft 
selbst wird bedingt durch Klima, Lage und Hoden, sowie 
durch die Eigentumsverhältnisse. Leider fehlt uns eine 
zuverlässige landwirtschaftliche Statistik ; eine solche 
kann »ich nur auf die Parznllarvcrmessuug f Katasterver- 
messuug) stutzen. Von den 25 Kautonen der Schweiz 
aber haben nur Genf, Waadt, Neuenbürg. Freiburg. Ita- 
sei Stadt, Solothurn und Schaffhauscn die Katasterver- 
inessung durchgeführt. In Durchfuhrung begriffen ist 
MS in den Kantonen Bern. Basel Land und Aargau. Nur 
in einzelnen Gemeinden oder noch gar nicht in Angriff 
genommen ist die Katastervermessung in den Kantonen 
Tessin. Wallis, Zürich, St. Gallen. Thurgau. Graubünden, 
l.uzern. Uri, Sehwyz. üb- und Nidwaiden, Clarua, Zug, 
Appenzell A. R. und Appenzell I. R. 
Von der Gesamtfläche des Landes (41 381 km*) sind 75% 
ktiv und 25 % unproduktiv, d. h. Gletscher, Seen, 
nde Gewässer, Städte, Dörfer und Gebäude, Schie- 
und Strassen wege. Felsen und Schutthalden. Das 
Waldareal mit 878500 ha nimmt rund 20% der Gesamt- 
fläche oder etwa 28 %der produktiven Flächeein. Doch 
schwankt da« Verhältnis stark in den einzelnen Kantonen. 



Von den Städlekantonen weist Genf nur 9.:«»' 



Basel 
Aber 



Stadt 11,03% der Gesamtfläche an Waldboden auf. 
auch agrikole Kantone zeigen ein ungünstiges Verhältnis ; 
*o besitzt Uri nur 10.21 %. Wallis 14,08 %. Glarus 15,37*',,, 
Waldfläche. Leber 30% der Gesamtfläche wird durch 
den Wald beansprucht in den Kantonen Aargau (31,73%), 
Basel Land ,33.92%!. Solothurn (36,45%) und Schaffhau- 
sen (40,33 %i. Dabei ist nicht zu übersehen, dass bei- 
spielsweise die Kantone Uri 55 %. Graubünden 46 %, 
Wallis 54% und Glarus 35% unproduktive Flächen auf- 



Nach Abzug des landwirtschaftlich unproduktiven Bo- 
dens, sowie der gesamten Waldlläche verbleiben etwa 
•21 000 km* landwirtschaftlich benutzter Boden, llievon 
beansprucht die Hauptbetriebsrichtung, die Viehzucht, 
rund % der Fläche ; die übrige Kullurfläche wird dem 
Getreidebau, Kartoffelbau. Rübenbau, der Produktion von 
Handelsfrüchten und dem Weinbau gewidmet. 

Es leben etwa 40% der Bevölkerung von der Urproduk- 
tion, die ausserdem einem Grossteil der Gcsamlbevölke- 
mngden Bedarf an einigen der unentbehrlichsten Lebens- 
mittel und Rohstoffen liefert. Da die Landwirtschaft im 
Gegensatz zu der ihre Rohstoffe fast ganz aus dem Auslande 
beziehenden Industrie ihren vollen Ertrag dem eigenen 
Hoden und der Arbeitskraft des Volkes verdankt, kann 
mit der landwirtschaftlichen Produktion auch nur der 
Wertzuwachs verglichen werden, den die Industrie auf 
ihren meist auslandischen Rohstoffen durch Umformung 
und Veredelung bew irkt, und dann reicht nach dem Urteil 
der kompetentesten Volkswirtschafler die Gesamtsumme 



der industriellen Produktion kaum an diejenige ihr 
Landwirtschaft heran. 

Der landwirtschaftliche Grundbesitz im schweizerischen 
Flachland liegt, abgesehen vom Walde, meist in den 
Händen von Privaten; im Gebirge dagegen sind die aus- 
gedehnten Weidellächen vorherrschend Eigentum von 
öffentlichen Korporationen. Doch fehlen hierüber genaue 
statistische Angaben. Nur von den Waldungen wissen wir, 
dass etwa 4.3 % dem Staat (den Kantonen). 66.7 % den 
Gemeinden und Korporationen und etwa 29% den Pri- 
vaten angehören. Sicher wissen wir auch, dass die Ver- 
teilung des landwirtschaftlich benutzten Bodens in den 
ebenen Kantonen viel grössere Fortschritte gemacht hat 
als die Waldverteilung, die nur in wenigen Kantonen 
(z. B. Lnzei ni grossere Ausdehnung angenommen hat. 

Verteilung von Privatgütern an Günstlinge oder ver- 
diente Krieger fand in tmserm Lande schon vor Ende 
der Römerzeit statt. Doch war zur Alemannenzeit die 
Zersetzung des durch die Völkerstämme eroberten Grun- 
des und Bodens noch nicht weit gediehen. Man huldigte 
noch dem Prinzip der Markgenossenschaft, und es haben 
sich die Grutidzuge der Agrarverfassung während vieler 
Jahrhunderte, wenn auch unter vielfach wechselnden 
Formen, bis auf den heuligen Tag zu erhalten gewusst. 
Line grossere oder kleinere Anzahl umsäumter Hofstät- 
ten bildete das Dorf, das wiederum nach aussen durch 
einen eigenen Zaun abgeschlossen wurde. Im Innern des 
Dorfes befanden sich ausser einem gemeinschaftlichen 
offenen Tummelplatz für das Vieh auch die öffentlichen 
Brunnen. Ausserhalb lies Dorf/aunes lag das Ackerland, 
nachdem Prinzipder Dreifelder-WirLschaft eingeteilt und 
bewirtschaftet. Zwischen den ein/einen Zeigen waren 
auch «Gewanne^ ausgeschieden, die je weilen in Losen 
den Haushofslätten zugeteilt wurden. Zwischen diesen 
Gewannen und dem Ackerland breiteten sich auf den 
dem Graswuchs günstigen Boden die Wiesen aus. 

Das Ganze wurde abgegrenzt und geschirmt durch einen 
äussern Zaun. Krst ausserhalb dieses Zaunes kamen 
endlich die gemeinsamen Weiden, Alpen und Wälder, 
auch summarisch «AI I nie nd< genannt. An dieser All- 
mend besass jeder einzelne Bürger das Nutzungsrecht an 
Weide. Moorland. Pflanzland und Wald. Wahrend die 
mit Flurzwang verbundene Dreifelderwirtschaft, sowie 
die eingezäunten Hofstätten und Gewanne fast überall 
verschwunden sind, finden wir auch im beutigen schwei- 
zerischen Flachlande * Allmenden », d. h. Allgemeinbe- 
sitz an Grund und Boden noch recht häufig verbreitet. 
Doch erstrecken sich die Nutzungsrechte meistens nicht 
auf alle Ansässigen, sondern beschränken sich auf eine 
abgeschlossene Gesellschaftsklasse (Korporation, Genos- 
senschaft. Burgergemeinde etc. genannt). 

Noch grossere Stabilität der ursprünglichen Agrarver- 
fassung aber linden wir in der schweizerischen Alpwirt- 
schaft. Die alten Markgenossenschaften haben sich hier 
lebensfähig und lebenskräftig erhalten, so in prägnanter 
Weise in den Kantonen Uri. Sehwyz und Appenzell I. H. 
Die Ortsgemeinde-Verbände sind hier ohne irgend welche 
Bedeutung auf die Nutzungsberechtigiing des Allgemein- 
gutesgeblieben, indem die sogenannten « Korporationen i 
die wichtigste, die sogenannten « politischen » Gemeinden 
dagegen nur eine recht untergeordnete Rolle spielen. 
Die Korporationen haben vielfach einen vorherrschend 
öffentlichen Charakter: die Angehörigen besitzen das 
Landrecht und. damit zusammenhängend, auch das Ge- 
nossenschaftsrecht, wie z. B. bei der «Ober-», und « Un- 
terallmend » (Sehwyz), beider Korporation «Uri» und 
« Ursernthai ». bei den sogenannten « Tagwen » (Glarus), 
« Perlenen» (Unterwaiden). « Dauerten » fBern)etc. An- 
dere Korporationen weisen einen mehr privatrechtlichen 
Charakter auf, und zwar besonders da. wo die frühem 
gnindherrlichen Gemeinden nicht auröffentliche Verbände 
übergegangen sind : ♦ Fesselalpen « in Glarus, <• Gemein-» 
tsler i Kapitalisten-Alpen » in Ob- und Nidwaiden. Dazu 
linden wir in unsern Bergen auch Alpen mit ausschliess- 
lich privatwirtschaftlichem Charakter. 

Der Betrieb aller dieser öffentlichen oder privaten Al- 
pen kann nun wiederum ein genossenschaftlicher oder 
Einzelbetrieb sein. Beim Einzelbetrieb bat jeder Wirt- 
schafter seine eigene Dutte. Der Besitzer oder sein Per- 
sonal pllegt das eigene Vieh, jeder « buttert » und < käset » 



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ii>r, schw 

selbst auf eigene llechtiung. In Appenzell I. It. finden | 
wir einzelne Alpen mit 'JU-3U separaten Betrieben und 
entsprechender (ichäudezahl. Auf einer der grössten 
schweizerischen Alp, dem L'rnerboden, mit einer Ertrags- 
fuhigkeit von etwa 1400 Kühen während IUI) Tagen, lin- 
den wir rund 300 einslockige Hütten mit Einzelwirtschaft. 
Heim genossenschaftlichen Uetneb, der sich aus nahe- 
liegenden Gründen ökonomischer erweist, wird die Be- 
sorgung des Viehes gewohnlich Angestellten überlassen. 
Die Ertragnisse der Wirtschaft werden nach Anzahl des 
aufgetriebenen Viehes, gestutzt auf Prohemclken u. s. w.. 
verteilt. l>er genossenschaftliche Betrieb erstreckt «ich 
aber häulig nur auf Alpung und Aufzucht von Jungvieh. 
Ks sind die Alpen meistens « gestuhlt* oder« gcraudet », 
■I. h. auf ihren Ertrag geschätzt, und es darf nicht mehr 
Vieh auf die Alp getrieben werden als diese naeh der 
Sehatzung ernähren kann. Niese Schätzung oder Hegu- 
Urning der Alpnutzung geschieht nach « Stüsscn » oder 
«Kuhesset», auch «Kuhrecht« oder « !Slossreclit » ge- 
nannt. Man versteht darunter eine Ertragseinheit. be- 
rechnet nach dem Bedarf einer Kuh während einer be- 
stimmt abgemessenen Alpzeit. Die einzelnen Viehgatlun- 
gen werden bei der Feststellung des Besatzes, entspre- 
chend ihrem Nahmngsbcdart. auf diese Einheit reduziert. 
Allerdings: ist diese Reduktion nicht überall die ganz 
gleiche. Die Schweizerische Aljtstalislik hat z. B. fol- 
gende Ansätze festgestellt : 1 Kuh =- I Stoss, ein Kalb - 
' i Stoss. 1 Ziege .■- ''.Stoss, I Schaf Stoss. 1 Pferd 
von 5 Jahren Stosse, 1 Pferd von i Jahren =i Stosse, 
I Pferd von i Jahr _ - I Stoss. Die Gesamtzahl der auf 
den schweizerischen Alpen festgestellten Stosse beträgt 
etwa 850000. 

Das Itecht zum Auftrieb richtet sich nun bei den öffentli- 
chen Alpen meistens nach dem Grundsatz, es dürfe nur 
das von den einzelnen Genossen gewinterte Vieh auf der 
(iemeindealp gesommert werden. Diese Bestimmung gehl 
wohl von der Annahme aus, dass die Alp ursprünglich zu 
dem Grundbesitz im Thal gehört hat. Fremdes Vieh 
w ird nur ausnahmsweise zugelassen. So fällt dem Gross- 
bauer. der viel Vieh besitzt, das er selbst wintern kann, 
auch ein entsprechend grosserer Alpnutzen zu, während 
der gewöhnlich unbemittelte Nicht-Viehbesitzer leer aus- 
geht. Damit zusammenhangend erreichen die Güterpreise 
im Thal oft eine dem rernerslehenden unerklärliche 
Höhe. Ktwelchen Ausgleich suchte man zu schaffen durch 
die sog. « Auflage ». Jeder Genossenschafter, der Vieh 
auftreibt, hat einen Beitrag, der nach der Anzahl der 
Stösse berechnet wird, au die gemeinsame Kasse zu be- 
zahlen. Immerhin bleibt diese Auflage noch fast überall 
wesentlich hinter dem wirklichen Wert der Alpnutzung 
zurück. Einzelne Korporationen haben diese Aullage pro- 
gressiv festgestellt. Beispielsweise werden für die ersten 
10 Stösse je 10 Franken, für die weitern 10 Stösse je 
15 Fr. u. s. w. bezahlt. Die Erfahrung zeigt, dass die 
llezahlung dieser Progresssieiier nicht überall gewissen- 
haft erfolgt, was natürlich die l nzufi iedenheil der är- 
mern Genossen nicht mindert. 

Demokratischer ist die Nutzung im H«Mc gestaltet. 
Jeder Genosse kann hier seinen Auteil verlangen. Früher 
erfolgte die Nutzungsaliweisung gewöhnlich auf dem 
Stocke, d. h. es wurden Teile von annähernd gleichem 
Werte im Walde gebildet, nummeriert und dann verlost. 
Jeder Genosse halte das Becht. sein Los Holz selbst zu 
fällen und abzuführen. Diese rohe und jede sorgfältige 
Waldwirtschaft im Gebirge hindernde Nutzungsform ist 
in den meisten Kantonen aufgehoben. Doch haben vieler- 
orts noch die Besitzer von Alpgebäuden «las Becht zum 
freien Hezugdeszum Hütlennnterhalt und zum wirtschaft- 
lichen Betriebe notwendigen Holzes. 

Eine weitere Nutzung, die auch der a rmern Bevölkerung 
zu Gute kommt, ist die Ziegenweide. Die Ziegen werden 
in früher Morgenstunde versammelt und von den Geiss- 
biiben zur Weide geführt. Wahrend sich der Weidgang 
in» Frühjahr nach der ersten Schneeschmelze vorwiegend 
auf die Thalböden beschränkt, zieht er sich im Laufe des 
Sommers immer höher in s Gebirge, hinauf in die Wal- 
dungen über die obere Waldgrenze hinaus, um dann gegen 
Herbst sich allmählich wieder in sThal hinab zu ziehen. 
W ürde dieses Becht des Ziegenanftriebes nur auT die 
ärmern Klassen beschränkt, so verschwänden mich zum 



Sf.HW 

grossten Teil die mit dem Geissauftrieb «.erhundenen 
Lehclslände, mit denen besonders die Waldwirtschaft zu 
kämpfen hat. 

An den iahen Hängen zwischen 1600 und 2400 Meter, 
selbst noch hoher, wird Wildheu gesammelt. Der Ertrag 
der so schwer zugänglichen Wildheupartien ist selbst da. 
wo die Alpen im Besitz von Privaten liegen. Gemeingut 
und als solches gewöhnlich den Unbemittelten zur Ernte 
überlassen. Häufig entsteht Streit wegen der Abgrenzung, 
weshalb da unddortdie Wildheullächcn in Lose geteilt und 
durch Verlosung zur Nutzung übergeben worden. Es kommt 
auch vor, dass die Wildheunutzung verpachtet wird. An- 
derwärts ist der Nutzungstag angesetzt : wer an diesem 
Tag zuerst auf der « Planke» ankommt, nimmt Besitz von 
derselben oder teilt sich mit den übrigen Anwesenden, 
durch Zuweisen oder Loskaufen, im Besitze. Die Besitzer- 
greifung der Wildheupartien erfolgt nicht immer in fried- 
lichster Weise; doch haben sich Sitte und Gebräuche 
derart eingelebt, das Tätlichkeiten selten geworden sind. 
In Lungern (Obwalden) ist z. B. die Bestimmung aufge- 
stellt worden, dass am festgesetzten Tage niemand mit 
der Wildheu-Nutzung beginnen dürfe, « bevor die Sonne 
an den Grat (obersten Bergkammi scheint *. Das Wildheu 
wird von dem. der es gesammelt, in eine der obersten 
Hütten getragen, oder an «Tristen« i Heuschober* ge- 
bracht und im Winter zu Thal geschüttelt. 

Im allgemeinen ist die Nutzungsherechtigung und Ntii- 
zungsweise im schweizerischen Alpengebiet noch keines- 
wegs vollständig abgeklärt. Streitigkeiten hierüber wur- 
den schon früher mit grosser Erbitterung geführt und 
sind auch heute noch recht häulig. 

Bibliographie. Krämer. Ad. nie Landwiritchaft itti 
schweizer. Flachland*. Frauenfeld 1807. — Miaskowski. 
Aug. v. hie Verfassung der Land-, Alffn- und Forst- 
wirtschaft der deutschen Schweiz in ihrer geschichtli- 
chen Entwicklung. Basel 1878. - Miaskowski. Aug. v. 
Die schweizerische Allmend in ihrer geschieht!. Ent- 
wicklung cum 1.1. Jahrhundert hin zur liegenwart. Leip- 
zig 1875). — Geering, Traugott, und Bud. Hotz. H'ii-f- 
schaftskunde der Schweiz. 2, Aull. Zürich DM3. - Stehler, 
F. G. Atn- itml Weidewirtschaft ; ein Handbuch für 
Viehzüchter und Alpwirte. Berlin 19UÖ. — Felber. Theod. 
nie Allmenden de» alten Ixtndet Schwyt und Soziale 
Gegensätze im schweizerischen Alpgehiet (beide im Jah- 
resbericht der geograph.- ethnngraph. Gesellschaft in Zü- 
rich. 19004)1. 1905/061. - Art. Suisse i Kapitel : Regime 
de la pruprietc) im Xuureau Ihctinnnaire de geogr. 
universelle von Vivien de Snint-Martin. Band 17. Paris 
1894. [FW. Th - Fai.aaK.] 

Im nachfolgenden seien über die Kantone Graubünden. 
Wnadt und Wallis noch einige Einzelheiten nachgetra- 
gen 

Im Kanton Grau bünden, dessen Gesamtfläche 71*2.80 
km* misst. beträgt das unproduktive Areal 2888.57 km 1 
oder 40,6 0 „ des Gesamtareahv Von den 42.'U.23 km* pro- 
duktiven Areals entfallen lHOtt.fö auf den Wald. ;t,59 auf 
Hebland und 292H.99 auf übriges land- und alpwirt- 
schaftlich benutztes Land. Der kultivierte Boden befin- 
det sich zum weitaus grössten Teil im Besitz von Privaten : 
der Kanton ist Besitzer einzelner grosser Guter, die zu 
der Korrektions- oder Zwangsarbeitsanstalt Bealta. zur 
Irrenheilanstalt Waldbaus | H >j Chur und zur landwirt- 
schaftlichen Schule Plantahof gehören. Einzelne kleinere 
Güter sind auch im Besitz von Gemeinden und Korpora- 
lionen. Der Wald ist grösstenteils Eigentum der Gemein- 
den und zwar speziell der bürgerlichen Fraktionen dersel- 
ben, zum kleinern Teil auch von andern Korporationen 
und Privaten. In der Landschaft Bavo««, wo vor Jahrhun- 
derten schon sämtliche t'.enieindeguter unter die einzel- 
nen Ansiedelungen und von diesen wieder unter die Bür- 
ger verteilt wurden, gehört er fast ausschliesslich Priva- 
ten. Wie mit dem Wald, so verhält es sich auch mit dem 
Weidegebiet. Die Verwaltung der Gemeindegüler (Wald 
und Weide! steht jedoch auch da. wo dieselben Eigentum 
der bürgerlichen Fraktionen sind, der politischen Ge- 
meinde zu. immerhin muss bei der Benutzung der Ge- 
meindehurger vor dem Niedergelassenen berücksichtigt 
werden, mit der Ausnahme jedoch, dass Vieh, welches mit 
in der Gemeinde gewachsenem Heu gewintert worden ist. 
ein Vorrecht für die Benutzung der Weide hat vor Vieh. 



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da? mit eingekauftem Heu gewintert wurde. In den mei- 
sten liegenden des Kanton» bilden die magern Bergwiesen, 
die nur alle zwei Jahre geerntel wenleri, einen wesent- 
lichen Bestandteil des Privatgrundbesitzes. Das lleu der- 
>elben wird meist in kleinen Heuschobern bis im Winter 
uler Spätherbst aufbewahrt und dann zu Thal befördert. 
Da* Wildheuen auf Gemeindegebiet kommt nur in einzel- 
nen Gegenden des Kantons vor. [3. Miimkh.] 

Mit Bezug auf den Kanton Waadt kann man sagen, 
dass der Grundbesitz stark zerstückelt ist. Doch geht diese 
fcrstuckelunß je nach den einzelnen Landesteilen ver- 
M-Iiieden weit, /.ahlreich vorhanden sind z. R. im west- 
lichen Kantonsteil (Weinland La (löte) die grossen (iüter, 
während der Grundbesitz im Osten (Weinlaml Lavaux 
und Bezirk Aigle) glcirhmässiger verteilt erseheint. All- 
menden kennt der Kanton Waadt nicht mehr. Staat und 
Gemeinden besitzen allerdings ausgedehnte Waldllächen 
und Rebgelünde. deren Betrieb und Nutzung aber aus- 
schliesslich iler Staats- oder den Gemeindcknssen zu (lule 
Vuinml. Bei Vornahme von Handänderungen von Grund- 
eigentum ist durch die Oeflentlirhkcil der Einschreibung 
aller wirklichen Hechte inklusive der Servituten die 
denkbar grösstmögliche Sicherheit geboten. Dank die- 
ser vorzuglichen Einrichtung sind Prozesse um Streitig- 
keiten betr. Grundeigentum, die früher recht häulig 
an der Tagesordnung waren, heule zur Ausnahme ge- 
worden. (Euif. BojouKn.j 

Infolge der auf raumliche Entfernungen von wenigen 
Kilometern hin so ausserordentlich stark schwankenden 
Hiihenunterschiede zeigt das Wallis landwirtschaftliche 
Verhältnisse, die von denen der übrigen alpinen Land- 
M-haften der Schweiz stark abweichen. Im Wallis linden 
sich die Lebensbedingungen der Bewohner viel eher 
neben- als übereinander^creiht, welche Verteilung des 
•>rundbesiUt*s in der Arbeitsweise der einzelnen Angehö- 
rigen einer Gemeinde noch deutlich zum Ausdruck kommt. 
So sieht man z. B. im Wallis nur selten und bloss in den 
tom Weinland allzu stark abgelegenen tiebieten Leute, 
'tu' »ich ausschliesslich der Alpwirtschaft widmen. Im zen- 
tralen Abschnitt de» Kanlones. d. h. von Martinach bis 
leuk ist es allgemeine Hegel, dass die (ilieder einer 
und der selben Familie sämtliche Arbeiten vom Hüten 
de* Viehes auf den Alpweiden bis zum Ackerbau an den 
Hangen der Bergregion und zur Besorgung der Wein- 
reben im Rhonethal gemeinsam verrichten. So erschei- 
nen die Bewohner des Eilischthaies, der Vallee d'Entre- 
mont. von Nendaz. Evolena und Salvan als mehr oder 
weniger nomadisierende Bergbewohner, die ausser dem 
angestammten Bauernhof im heimatlichen Thal zumeist 
auch in den (Gemeinden Siders, Fully. Vdtroz. Sitten. 
Martinach-I.a Croix etc. noch Weinreben und Rebhäus- 
<i»en besitzen. Die volksreichen Gemeinden, die sich im 
«Iben Abschnitt des Rhonethaies an den Südabfall der 
fteraer Alpen anlohnen, haben sowohl Anteil am Pferland 
der Rhone als au den höchstgelegcnen Alpweiden. so das* 
iie in vertikaler Richtung von der Thalsohle bis zu den 
Kommen der Bergketten hinaufreichen. Auf ihren Anteil 
an der Alpwirtschaft haben bis jetzt bloss die etwas bedeu- 
tenderen Flecken und einige vor kürzerer oder längerer 
Zeit von Conthey. Lern» und Martinach losgetrennte Ge- 
winden iVetroz, GrangeB. Gharrnt) verzichtet, und zwar 
fegen Austausch und Kompensation durch Zuweisung von 
Unditrichen im Thalgnind. 

Aus diesen Bemerkungen geht hervor, dass der Walliser 
>tn allgemeinen alle Höhenstufen zwischen dem Hhonelauf 
und der Region der Gletscher bebaut und sich nutzbar 
macht. Ausnahmen von dieser Hegel bilden die Bewohner 
«(es obersten Rhonethaies (Goms), des Lotschenthaies, der 
Nidflanke des Simplon, des obersten Thaies der Visp, des 
Val d llliez und einiger diesem benachbarten Gebiete, die 
<irh beinahe ausschliesslich der Alpwirtschaft widmen. Der 
Walliser ist also, mit andern Worten gesagt, zumeist Hirte, 
S-nn. Ackerhauer und Rebmann zu gleicher Zeit, wenn 
auch nicht stets im gleichen Grade, da dieser natürlich je 
nach Beschaffenheit und Exposition der in Betracht fallen- 
den liegend schwankt. Das nämliche gilt, wie für das 
Zentrum des Wallis, so auch für die Bezirke Saint Mau- 
rice und Monthev. wo die Rehhcrgc eine geringere 
Hache umfassen. 
Ihe Weinrebe bedeckt die untern Gehänge i VöO-lKNi m) 



der Kelle iler Berner Alpen von Marlillach bis Leuk und 
erreicht ihre höchsten Standorte in Fully. I.eytrun. Con- 
they, Saviese, im Mündungsgebiet der Liene und in Ran- 
dogne. Kleinere Bebberge erscheinen dann auch noch 
an den die Rhone zwischen Visp und Leuk im Norden 
begleitenden Hängen. Links vom Fluss stossen wir eben- 
falls stellenweise auf Weinbau, so namentlich in den 
Mündungsgebieten der Visp (Zeneggen, Staldenried, Vis- 
perterbinen; bis zu 1100 in hinauf), der Rdehy, der 
Borgne bei Bramois (Brämis i. der Dranse bei Martinach, 
der Vieze bei Monthev. des Fossaux bei Vouvry elc. In 
den Dransethälern zeigen sich die Rehberge von Üover- 
nier. von Seinbrancherund von La Forclaz (Bagnesthal i. 
welch' letzterer hi« in eine Höhe von nahe/u 1300 m hin- 
aufreicht. 

Trotzdem das Wallis also ein ziemlich ansehnliches 
Rebareal aufweist, ist der Walliser — einige Gemeinden 
am Südfuss der Rei ner Alpen ausgenommen — doch eher 
Ackerbauer und Viehzüchter. Wie die Hebberge sind auch 
Acker- und Wiesland in eine unendliche Menge von klei- 
nen und kleinsten Parzellen zerstückelt. Während sich 
die Wiesen mit Vorliebe auf den Anschwemmungen der 
Rhone und ihrer Nebenflüsse, sowie an den künstlicher 
Bewässerung zugänglichen untersten Gehängen angesie- 
delt haben, linden sich die Aecker meistens an steinigen 
und trockenen Abhängen bis in durchschnittlich 800-WJO in 
Höhe. Darüber folgen bis in nind m hinauf Wald und 
Maiensasse. wovon jener gewöhnlich Eigentum der Ge- 
meinden, diese dagegen Privateigentum sind. Auch die 
Maiensässe erscheinen in ausserordentlich viele kleine 
Parzellen zerstückelt und unterscheiden sich von den Wie- 
sen in der Thalsohle eigentlich bloss dadurch, dass sie 
ziemlich oberflächlich von den Steinen gereinigt, im Juni 
und Oktober vom Vieh bezogen und jedes Jahr nur einmal 
geschnitten werden, l.'eber IPtK) m Höhe folgen die gros- 
sen Alpweiden, die gewöhnlich Gemeindeeigentum sind 
und auf sehr verschiedene Art und Weise bewirtschaftet 
zu werden pflegen. Haid verpachtet man sie an eine ein- 
zelne Drittperson, bald auch an eine Reihe von Privaten 
Hörgern oder Nichtbürgern . wahrend sie an andern 
Orten wieder zumeist der freien Verfügung der Bürger 
überlassen werden, die sich zu einer Korporation iConsor- 
tage) zusammentun und durch bestimmte Leistungen 
(periodische Frohnen, Unterhalt von Hütten und Geraten 
elc.) gewisse Nutzungsrechte erwerben. 

In der Sohle des Bhonethales, d. h. namentlich den 
früher bei Hochwasser überschwemmten rferstrichen 
(wie in den (iemeinden Granges. Charrat, Saxon, Fully 
elc.) existieren eltenfalls noch Gebiete, die nicht dem 
Privateigentum angehören. Nach der Eindeichung der 
Rhone und der Trockenlegung der nassen Uferstrecken 
stellten gewisse (iemeinden Bodenparzellen zur Verfü- 
gung von — besonders frisch — verheirateten Rürgern, um 
diese damit von der Auswanderung abzuhalten. Das Re- 
sultat entsprach aber meist den erhofllen Erwartungen 
nicht. 

So zeigt sich im W al Iis die Erscheinung, dass die keine 
andauernde Bearbeitung erfordernden Alpweiden und die 
stets dem freien Weidgang von Pferden oder Kühen über- 
liissenen und brach liegenden Heiden längs den (.'fern 
der Rhone Landparzellen von grossem l'mfang darstellen, 
wahrend das regelmässig angebaute Acker- und Rehland 
etc. schon durch diese Tatsache des Anbaues als zur Zer- 
stückelung bestimmt erscheint. Die Bauern aus dem min- 
ieren Wallis haben ihrem Hang zur Zerstückelung des 
Grundeigentumes his zur Manie gefröhnt. So kommt es 
z. B. vor. dass die Leute aus Evolena und Nendaz ihre 
Bebhäuschen <Mazols)iri Sitten und Vetroz derart geteilt 
haben, dass his zu 30 und 40 Personen Anteil am Besitz 
eines einzigen Zimmers haben können. Seit die Eisen- 
bahn und andere Transportmittel von grosser volkswirt- 
schaftlicher Redeulung das Familicnregiment über den 
Haufen geworren haben, seit das Geld leichter und in 
grosserer Menge in die Thäler fliessl und die Auswande- 
rung zur Modesache geworden, hat das Grundeigentum 
— besonders im Gebirge — sehr rasch an Wei t verloren. 
Diese Entwertung und «len Mangel an tüchtigen Arbeits- 
kräften betrachtet man jelz» schon als Faktoren, die der 
weitergehenden Zerstückelung des Cnindei^entumes 
Halt gebieten werden. Dagegen vermag man es leider 



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niclil zu hindern, das» dir- durch stetes Anwachsen der 
Lebensbedürfnisse immer weniger einträglich sich ge- 
staltende Alpwirtschaft nach und nach verlassen wer- 
den wird. (L, COCKTHION.) 

VII. Staat und Verwaltung. A. POLITISCHE OR- 
GANISATION DES BUNDES. * Verfettung. Das re- 
volutionäre Frankreich hatte im Jahr 1798 
der Eidgenossenschart der XIII alten Orte 
mit ihren zugewandten Orten und Unter- 
tanenländern eine einheitliche Verfassung 
aufgezwungen, welche aus einer Eidgenos- 
senschaft ohne HomoKeneitüt und in norm Zu- 
sammenhang die nach dem Muster der fran- 
zösischen Direktorial verrassunK vom Jahr III 
eingerichtete »eine und unteilbare» II el vc tische Re- 
publik schür. Diese durchaus kiinstlirhcSchöpfung brach 
trotz der hingebenden Tätigkeit einiger ausgezeichneter 
Männer zusammen, sobald ihr Krankreich den Schulz 
seiner Wallen entzog. Inmitten des Gezänkes der politi- 
schen Parteien und von nahezu anarchistischen Zustanden 
richteten sich die frühem kantonalen Regierungen wie- 
der aur : die unter dem Vorsilz und der tätigen Mitwirkung 
ihn ersten Konsuls ausgearbeitete Mediationsakte 
von IWtt stellte die Souveränität der Kantone, deren 
Atizahl durch Angliederung der ehemaligen Verbündeten 
oiler Untertanen St. Gallen, Graulmnden, Aargau, Thur- 
gau. Tessin und Waadt auf IS» erhoben wurde, wieder her. 
Genf, Wallis und Neuenburg blieben vom Körper des hel- 
vetischen Staatsgebietes ausgeschlossen. Zur Mediations- 
zeit bildete die Schweiz also eine Eidgenossenschaft von 
Ii» selbstherrlichen Ständen, deren gemeinsame Angele- 
genheiten von einem Zentralorgan, der Tagsatzung mit 
dem Landammann der Schweiz, verwaltet wurden. Der 
ganze Tenor der damaligen Bundesverfassung, sowie die 
politische und militärische Ijge des Landes zielten darauf 
hin, die Schweiz unter das Protektorat Frankreichs zu 
stellen, als dessen gefügiges Werkzeug sie sich erwies. 

Mit Napoleons Sturz brach auch das von ihm errichtete 
politische Gebäude zusammen. Die Abgeordneten der 
einzelnen Kantone arbeiteten, nicht ohne Mühe, den vom 
7. August 1815 datierten B und es vert ra g aus. Dieser 
neue Bund umfasste die heutigen 22 Kantone. Die Zen- 
tralgewall, bestehend aus Tagsatzung und Vorort, erhielt 
nur geringe Kompetenzen. Vororlskantone waren abwech- 
selnd untl der Reihe nach Zürich, Bern und Luzern. 
Den einzelnen Kantonen stand es frei, über weitere Ge- 
genstände gemeinschaftliche Grundsätze aufzustellen, 
was sie in Form von Konkordaten auch mehreremale 
getan haben. Nach aussen hin war die Schweiz aller 
dings dem erdrückenden Protektorat Frankreichs ent- 
gangen, doch gab sie die Ohnmacht der Rundesregie- 
rung allen Reklamationen der grossen Nachbarstaaten 
preis. Solche Einsprachen fanden namentlich häufig 
und in immer schärferem Tone statt, seitdem die Kan- 
tone (seit 1830) begonnen hatten, sich freisinnige Verfas- 
sungen zu gehen uuddamitals natürliche Verbündete aller 
in der Schweiz Schulz suchender Revolutionäre zu gel- 
ten. Diese Ohnmacht der Zentralgewalt war einer der 
hauptsächlichsten Grunde zur politischen Neugestaltung 
der Schweiz im Jahr 1848, deren Einleitung der Sieg der 
freisinnigen und reformierten Mehrheit über die katho- 
lischen Kantone im Sonderbund bildete. 

Die Bu n des Verfassung vom 12. September 
1848 wandelte die schweizerische Eidgenossenschaft aus 
einem Staatenbund, wie sie es bisher gewesen, in einen 
Bundesstaat um. Damit wurde sie zu einem zusammenge- 
setzten Staat, der nicht mehr wie früher auf einer aus blos- 
sem freiem Willen eingegangenen und im Einverständnis 
Aller wieder auflösbaren Verbindung der Kinzelständc 
beruhte, sondern sich auf eine eigentliche Verfassung 
stützte, d. h. auf einen Erlass, der, sobald er in Kraft ge- 
treten ist, Gesetzeskraft hat und der Zustimmung der ein- 
zelnen Stände nicht mehr bedarf. Die der Bundesbehörde 
durch die Bundesverfassung zugesprochene Gewalt ist 
daher auch nicht mehr eine von den Kantonen delegierte 
Gewalt, wie es diejenige der Tagsatzung und des Vorortes 
vor 1848 gewesen war. sondern eine auT selbständiger 
Grundlage ruhende, eigene Gewalt de- Hundes. 

Seither hat die < h-ganisation der politischen Behörden 
der Eidgenossenschaft keine tief eingreifenden Veränder- 



ungen mehr erfahren ; selbst die Tolalrevision, aus der 
die heute geltende Bundesverfassung vom 29. Mai 
1874 hervorging, liess die Fundamente des Gebäudes un- 
angetastet. Eine wichtige Erweiterung erfuhr die Verfas- 
sung im Jahr 1891 durch eine Revision ihres dritten Ka- 
pitels, die dem Volk zum Referendum, das es schon hatte, 
auch noch das Recht der Verfassungsinitiative verlieh. 
Als Neuerung zu erwähnen ist ferner noch das 1874 ge- 
schaffene Bundesgericht, ein standiger GerichUhor mit 
weilgehenden und seither noch erweiterten Kompetenzen. 
Die übrigen durch die Totalrevision von 1874 und zahl- 
reiche spätere Teilrevisionen an der Verfassung vorge- 
nommenen Aenderungen betreffen fast ausschliesslich die 
Erw. iterungder Rechte des Bundes gegenüber denjenigen 
der Kantone und zielen auf die Vereinheitlichung und Zen- 
tralisation in Gebieten üb, die bisher rein kantonale Au- 
gelegenhcilen gewesen waren. Die nach heutigem Recht 
gellende Ausscheidung der Kompetenzen zwischen, Dund 
und Kantonen kann nicht als eine definitive betrachtet 
werden. 

•>. Die Frage nach der juristischen Satur der schwei- 
zerischen Eidgenossenschaft hat nahezu ausschliesslich 
theoretisches Interesse, so dass wir an dieser Stelle nicht 
naher darauf einzugehen brauchen. Es mögen folgende 
Angaben nennten. Die Schweiz ist ein Bundesstaat in 
dem bereits näher ausgeführten Sinn. Wenn man dieje- 
nige territoriale Körperschaft souverän nennt, deren Or- 
gane in letzter Instanz zu entscheiden haben, so muss man 
sowohl den Rund als die Kantone im Rereich ihrer je- 
weiligen Kompetenzen als souverän anerkennen, obwohl 
das Oebict. innerhalb dessen die Kantone ohne irgend- 
welche Kontrole durch die Bundesbehörden endgilli^ be- 
schliessen, tatsächlich eng umgrenzt erscheint. Die-se> 
Recht der Selbstbestimmung unterscheitlet die Kanton, 
von einfachen Provinzen. 

Bevor wir auf die Besprechung der Organisation der 
Rundesbehörden im engern Sinn eingehen, müssen wir 
die Kompetenzen des Bundes im Gegensatz zu denjenigen 
der Kantone und das Verhältnis von Rund und Kantonen 
kurz darstellen. 

3. Kunipelenzen lies Hundes. Die wichtigsten Gebiete, 
innerhalb welcher der Bund kompetent ist, sind folgende ; 

a. Das ganze Gebiet des Zivil - und d e s Straf- 
rechtes, seit 1898. Die Organisation der Gerichte, des ge- 
richtlichen Verfahrens und die Bechtsprechung verbleiben 
— die Kompetenzen des Bundesgcrichles vorbehalten — 
den Kantonen. Der Bund ist zur Zeit damit beschäftigt, 
ein einheitliches Strafrecht auszuarbeiten und diejenigen 
liebiete des Zivilrechtes gesetzlich festzulegen, die ilim 
1898 zu diesem Zwecke zugewiesen worden sind. d. Ii. das 
Personen-, das Erb- und das Sachenrecht. 

h. Der Kund stellt gewisse Itedingungen auf. < 
lunn zur Natural isation eines Ausländers i 
verpflichte! jedoch keinen Kanton zur Auftiahm 
länders in sein Bürgerrecht. Zugleich stell! 
allein die Bedingungen auf, unter welchen ein 
bürger aur sein schweizerisches Bürgerrecht 
kann (l.esetz vom 2f>. Juni 191)3 1. 

c. Die Gesetzgebung aufdemGebietedes Militär Wesens 
ist Sache des Rundes. Ihm steht auch z. T. die Ausführung 
der Gesetze und die Militärverwaltung zu. Für das L'ebrige 
bleiben die Kantone unter der Kontrole des Bundes zu- 
ständig. 

d. Der Bund hat das Recht, öffentliche Arbeiten, 
die einem beträchtlichen Teil des Landes zugute kommen, 
entweder auf eigene Kosten selbst auszufuhren oder deren 
Ausführung durch die Kantone zu unterstützen. Letzteres 
bildet die Regel. Auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens 
hat der Bund nicht bloss die Gesetzgebung ; er erteilt 
den Privatbahnunternehmungen die Konzessionen und 
kann, seit 1897. die Eisenhahnen auch selbst betrei- 
ben ; in den Jahren 1901-1903 hat er 4 von 5 Hauptpnvat- 
netzen erworben. 

Ferner hat der Bund das Recht der Oberaufsicht über die. 
Wasser- und Furtspolizei, die den Zweck verfolgt. 
L'eberschwemmungen zu verhüten und den WaUlbestaml 
zu erhallen. Arbeiten, die zu diesem ßehufe unternom- 
men werden, subventioniert er. 

In allen diesen Fallen kann das eidgenössische Espr>>- 
prialionsgesetz zur Anwendung kommen. 



»ren Erfül- 
>tig ist. Er 
eines Aus- 
der Rund 
^chweizer- 
verzichten 



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NatiurHlrals-WatilkrriM 



c Der Bund unterhält eine polytechnische Schule 
unterstützt zahlreiche Unterrichtsanstal- 
ten mit Spezialzwecken : Industrie-, Handels-, landwirt- 
schaftliche und Gewerbeschulen, Kunstschulen, Frauenar- 
beitsschulen etc. Die Primarschule ist bis jetzt Sache der 
Kantone geblieben ; der Bund, der bis 1903 bloss verlangen 
sonnte, dass sie genügend und unentgeltlich sei, sowie 
unter der Leitung der weltlichen Behörde stehe, lässt 
ihr jetzt jährlich bedeutende Subventionen zukommen, 
und zwar im Betrag von 60 Rappen (in den Bergkan- 
tonen 80 Rappen) auf den Kopf der Bevölkerung (Gesetz 
vom 25. Juni 1903). 

/. Auf konfessionellem Gebiet gewährleistet die 
Bundesverfassung die Glaubens- und Gewissensfreiheit, 
sowie die kullusfreiheil ; sie verbietet die Aufnahme des 
Jesuitenordens und der ihm affilierten Gesellschaften in 
der Schweiz, untersagt die Errichtung neuer Kloster und 
religiöser Orden und behält den Bundesbehörden das 
Recht vor, die Errichtung von Bistümern in der Schweiz 
m genehmigen. 

g. Der Bund besitzt folgende Regalien: Zölle, Post, 
Telegraph und Telephon; das Münzrecht; die Ausgabe 
von Banknoten, die durch Gesetz vom 6. Oktober 1905 der 
als besondere Anstalt organisierten Nationalbank zugewie- 
sen worden ist ; Herstellung und Verkauf von Schii 
mUer : Grossverkauf des Alkoho- 

von dem etwa der vierte Teil 
durch konzessionierte Brennereien 
in der Schweiz selbst hergestellt 
wird. 

h. Der Bund hat endlich eine ganze 
Reihe von Gewerbepolizeigc- 
»etzen erlassen und deren An- 
wendung zu überwachen. Solche 
sind z- ß. das Gesetz betreifend die 
Fabrikarbeit (vom 23. März 1877), 
das den Normalarbeitstag auf 11 
Stunden festsetzt und die Arbeit 
der Frauen und Kinder, sowie die 
Sonntagsarbeit regelt ; das Gesetz 
betr. die elektrischen Anlagen (vom 
44. Juni 1902). das Gesetz betreffend 
die Kontrole von Gold- und Silber- 
waren (vom 23. Dezember 1880| und 
dasjenige betr. den Handel mit Gold- 
und Silberabfällen (vom 17. Juni 
1886 1 ; das Gesetz betr. das Verbot 
der Herstellung und des Verkaufes 
von gelben Phosphorzündhölzchen 
{vom 2. November 1898), das Gesetz 
betr. die l'atenltazen der Handels- 
reisenden < vom 24. Juni 1892). daB 
(iesetz betr. die Freizügigkeit des 
Medizinalpersonales (vom 19. De- 
zember 1877 und 21. Dezember 1886), 
welches für Aerzte, Zahnärzte und Tierarzte wissen- 
schaftliche Fähig keitsausweise aufstellt ; die Gesetze, 
welche dem Bund die Kontrole über die Auswande- 
rungsagenturen (vom 22. März 1888), die Versichcrtings- 
eewllschaften (vom 25. Juni 1885) und die Emissions- 
banken ( vom 8. März 1881 ) zuweisen ; die Gesetze 
betreffend Epidemien und Viehseuchen (vom 2. Juli 1886 
nnd 8. Februar 1872), diejenigen betreflend die Jagd 
iTom 24. Juni 1904) und die Fischerei (vom 21. Dezem- 
ber 1888). das Gesetz betreffend Mass und Gewicht (vom 
•1. Juli 1875). Jüngstens (1906) hat der Bund auch das 
Recht der Lebensmittelpolizei zugesprochen erhalten 
• leset 7 betr. den Verkenr mit Lebensmitteln und Ge- 
brauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905i, dessen 
Aosführungsgesetz gegenwärtig in Arbeit steht. Trotz 
der zahlreichen Spezialgesetze des Bundes bleibt es 
doch Grundsatz, dass die Gesetzgebung und die Vollzie- 
hung auf dem Gebiete der Gewerbepolizei Sache der 
Kantone ist. Gegenwärtig beantragt der Bundesrat der 
Hundesversammlung, nach dem Vorbild des Deutschen 
Reiches auch diese Kompetenzen noch dem Bund zu 
übertragen. 

i. Dem Bund steht das Recht zu, die Kranken - und 
l nfa 1 1 v ersi c h e r u n g einzurichten. Er hat »ersucht, 
"on diesem Rechte durch das Gesetz vom 5. Oktober 1899 



Gebrauch zu machen, das aber vom Volk verworfen wor- 
den ist. 

k. Endlich ist der Hinweis noch von Bedeutung, dass ein- 
zig der Bund befugt ist, mit andern Staaten zu ver- 
kehren und dass er es ist, der ausschliesslich mit den 
Regierungen fremder Staaten unterhandelt, und zwar auch 
in solchen Fällen, wo es sich um kantonale Interessen han- 
delt oder um Verträge, die von einem Kanton geschlossen 
werden. Der Bund hat das Recht, im Namen der Eidgenos- 
senschaft jede Art von Verträgen zu schliessen, seihst auf 
die (iefahr hin. dass diese in das Recht der Kantone ein- 
greifen sollten. Solange er jedoch von diesem Recht keinen 
Gehrauch macht, steht es den Kantonen frei, durch Ver- 
mittlung des Bundesrates über Gegenstände ihres Kompe- 
tenzkreises Verträge zu schliessen. Einige Kantone haben 
davon z.B. auf dem Gebiete des Gerichts- und Stt-ucrwesens 
Gebrauch gemacht. Dieses dem Bund zustehende Recht 
der Vertragsschliessung verleiht ihm tatsächlich 
ein unbestreitbares Uebergewicht über die Kantone. 

Aehnliche l'eberlegungen haben dazu geführt, dem 
Bund auch das Recht zur Ausweisung solcher Auslän- 
der zu erteilen, die die innere oder äussere Sicherheit der 
Schweiz gefährden. 

Auf allen den genannten Gebieten steht dem Bund auch 
das Recht der Gesetzgebung zu; die Ausführung der Ge- 




Einteilung der Schweiz in Nationalrats-Wahlkreise. 

Die Anzahl der Abgeordneten ist durch die kleinen Zahlen an, 
die fetten Ziffern bezeichnen die Wahlkreis«. 

setze und Beschlüsse, namentlich auf dem Gebiet der 
Verwaltungspolizei, wird aber zu einem grossen Teil den 
Kantonen überlassen. 

4. Hfzirfiungen zwito'fum [tuurf und Kantons», l'nsere 
bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Bund 
in der Schweiz kein Staatswesen ist, das — wie die?« für 
die Vereinigten Staaten von Amerika und für das Deutsche 
Reich zutrifft — in seiner Organisation und in der Aus- 
übung seiner Befugnisse von den Einzels taa Ion scharf 
getrennt wäre. Nicht nur ist im Verfassungsrecht die 
Scheidelinie zwischen den Kompetenzen des Bundes und 
denen der Kantone schwierig zu ziehen, sondern der Bund 
macht selbst nicht immer vollständigen Gehrauch \on 
seinen Kompetenzen und überlässt einen Teil davon, z. B. 
die Ausführung, den Kantonen. Bund und Kantone 
müssen sich deshalb oft gegenseitig unterstützen, und 
daher greifen auch die Kompetenzen, wie sie tatsachlich 
ausgestaltet sind, vielfach ineinander. Dies trifft z. Ii. zu 
beim Militärwesen. bei der Wasser- und Forstpolizei, 
der Sanitätspolizei, bei der Fremdenpolizei etc. Es ist 
dies das Ergebnis der stufenweise fortschreitenden Ent- 
wicklung unseres Verfassungsrechtes. Kompetenz- 
Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen können 
vor das Biindesgerichl gezogen werden. 
Abgesehen von dieser Ausscheidung der Kompetenzen 

197 ~ GEOtill. lex. V — 9 



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l.iO SCIIW 

bleiben noch die Beziehungen zu erörtern, in denen die , 
Kantone aur ihrem eigenen Kompetenzengebiel »um Kund | 
stehen. Der Mund, d. h. die Gesamtheit den Landes, hat i 
ein lebhaftes Interesse daran, zu wissen, welchen ('■«•- 
brauch die Kinzelstaaten von ihrer Selbständigkeit 
machen. Aus diesem Grund hat die Bundesverfassung 
«lern Hund zwei wichtige Mittel zur Kontrole in die Hand 
gegeben : die Gewährleistung der kantonalen 
Verfassungen und das Intervenlionsrecht. Die Kan- 
tone können sich nur republikanische Verfassungen in 
der Form der reinen oder repräsentativen Demokratie 
geben; die Verfassung muss vom Volk angenommen wor- 
den sein und revidiert werden können, sobald die abso- 
lute Mehrheit der Bürger dies v. 'Hangt ; sie darf, wie selbst- 
verständlich, nicht» dem Kundesrecht zuwiderlaufendes : 
enthalten. Zur Kontrole der Erfüllung dieser Kedingun- j 
müssen die revidierten Kantonsverfassungen oder i 
neu darin aufzunehmenden Artikel der Gewährleis- | 
tun« durch die Bundesversammlung unterbreitet wenlen, ; 
welch' letztere diese Gewährleistung erteilt, sobald sie , 
die Neuerungen als konform mit dem eben Gesagten er- 
kannt hat. Andererseits gewährleistet der Kund die Kan- 
tonsverfassungen aber auch in dem Sinne, dass er sie 
gegen revolutionäre Angriffe, wenn nötig mit bewaffneter 
Gewalt. schützt. Dieses Interventionsrecht verpflich- 
tet den Kund zum Einschreiten in allen den Fällen, in 
denen in einem Kanton die öffentliche Buhe und Ord- 
nung gestört sind. Der Kund entsendet in solchen Fäl- 
len einen Bevollmächtigten, der den Titel eines eidge- 
nössischen Kommissärs fuhrt, und bietet, wenn notig. 
Truppen auf. Fr kann in einem solchen Falle die kan- 
tonale Staatsgewalt für so lange i-clbst ausüben, als 
dies zur Wiederherstellung der Ordnung nötig erscheint. 
Von diesem Becht hat der Hund schon zu wiederholten i 
•Malen Gebrauch gemacht. Die Intervention wird im l'rin- ' 
zip von der Kundesvcrsammlung beschlossen, kann aber • 
in dringlichen Fallen auch direkt vom Bundesrat angeord- ' 
net werden. 

Die Kunilosverfassiing hat ferner noch einige allgemeine I 
Grundsätze aufgestellt, die im Verkehr der Kantone unter | 
sich als Hegel zu gellen haben. Die Kantone sind ver- , 
pllichlet. sich in der Ausübung der Bechtspllege durch 
Vo Us t rec k u ng von Zi v i I u r t ei len und Auslieferung | 
von Verbrechern gegenseitig zu unterstützen. Der Ge- i 
richlsstand des Wohnortes winl dem Schuldner inter- ' 
kantonal gewährleistet. Die Kantone müssen den Bürgern I 
anderer Kantone die Niederlassung gestatten, sofern die ; 
Bewerber nicht durch Strafurteil ihrer bürgerlichen ; 
Hechte verlustig erklärt worden sind und sich während 
der Zeit ihrer Niederlassung nicht mehrere schwere Vor- 
gehen zu Schulden kommen lassen. Dagegen besteht keine I 
Verpllicbtting zur fiile rstutziing von Bedürftigen ande- I 
r<-r Kantone, ausgenommen die ('liege von Kiauken. die 
einen Transport nicht ertragen würden, und die Keerdi- 
gnng von Gestorbenen. In allem l'obrtgeii müssen die 
Kantone den Kürgcrn anderer Kantone dieselben Hechte 
einräumen wie ihren eigenen Angehörigen. Die politischen 
Hechte erwerben die Niedergelassenen indes erst nach 
einem Aufenthalt von II Monaten. Die Kantone dürfen 
auch keinen Bürger doppelt besteuern; die Verschieden- 
arligkeit der kantonalen Sleuergeselze soll nicht zum 
Nachteil des Steuerpflichtigen ausschlagen. Heimat- 
lose, d. h. Schweizerbiirger ohne Kantons- oder Gemein- 
deburgerrecht, werden einem Kanton zur Kinburgeruiig 
zugewiesen. Den Kantonen ist die Selbsthilfe untersagt; 
Streitigkeiten sollen dem Kundesgeriehl zur Entscheidung 
vorgelegt wenlen. 

.">. (lr imtisitl um r/cc tndtji'nt'msitirht'H iSrliürttfix . a. Das 
Volk bildet keine Behörde im gewöhnlichen Sinne des 
Wortes, ist dagegen, was |in istisch aufs selbe hinaus- 
kommt, ein Oigan des Staates. Ilaiiptorgan ist es, wenn 
es iJureh das Hefereudum ander Gesetzgebung oder an 
der Verfassungsrevision teilnimmt. Hilfsorgan dagegen, 
wenn es lleliordeu i Nationalrat und eidgenössische Ge- 
schwornoi wählt. Den Hegriff Volk fassen wir hier auf ' 
als die Gesamtheit der schweizerischen Aktivbürger, j 
Aktivbnrger sind alle Männer nach zurückgelegtem "20. 
Lebensjahr, die nicht nach Massgabe der kantonalen Ge- 
setze von der Ausübung der politischen Bechteausgeschlos- 
sen sind. Sein Stimmrecht in Gesetzes- oder Verfassung«- j 



SCHW 

angelegenheiten übt das Volk durch die geheime Urnen- 
abslimmung aus. wobei die individuellen Stimmab- 
gaben gemeindeweise gesammelt werden. Zur Wahl der 
Abgeordneten in den Nationalrat ist das Gebiet der 
Schweiz in 49 eidgenössische Wahlkreise eingeteilt (Ge- 
setz vom 4. Juni 190*2), von denen jeder 1-9 Abgeord- 
nete wählt, und zwar durch absolutes Mehr im ersten, 
durch relatives Mehr im zweiten Wahlgang. Die eid- 
genössischen Gesch wornen werden in den zu diesem 
Zweck durch die Kantone gebildeten Wahlkreisen auf 6 
Jahre durch relatives Mehr schon im ersten Wahlgang 
gewählt. 

b. Die Bundesversammlung ist gesetzgebende Be- 
hörde und besteht aus zwei gleichberechtigten Kammern : 
dem Nationalrat und dem Ständerat. Der direkt durch das 
Volk gewählte Nationalrat besteht aus je einem Ab- 
geordneten auf '20000 Einwohnerund zählt heute im gan- 
zen 167 Mitglieder. Er wird alle drei Jahre gänzlich er- 
neuert, wobei die abtretenden Nationalräte jederzeit wie- 
der wählbar sind. Wählbar in den Nationalrat ist jeder 
Wähler. Der Ständerat besteht aus 44 Abgeordnelen, 
von denen jeder Kanton zwei und die tt Halbkantone je 
einen ernennen. Die Art ihrer Wahl, ihre Amisdauer und 
die Bedingungen der Wählbarkeit werden durch das kan- 
tonale Becht bestimmt, und zwar in ziemlich mannigfal- 
tiger Weise. Ueberall aber werden die Ständeräle entwe- 
der vom Volk direkt oder vom Grossen Hat (Kantons- 
rai) gewählt. Weiler Nationalrat noch Ständerat stim- 
men nach Instruktionen. Obwohl der Ständerat zur Ver- 
tretung des kantonalen Elementes im Schoss der Bun- 
desbehörden geschaffen worden ist, besieht er doch kei- 
neswegs aus eigentlichen Vertretern der Stände, wie es 
die Abgeordneten zur einstigen Tagsatzung waren. 

Soll ein Beschluss Gesetzeskraft erhallen, so bedarf er 
der Zustimmung beider Bäte. Können sich diese nicht 
einigen, so geht der Gesetzes- oder Besch lussesentwurf 
solange von einem Hat zum andern, bis beide an ihren 
abweichenden Beschlüssen delinitiv festhalten. In diesem 
Fall fallt der Entwurf aus den Traklanden. Zur Erledi- 
gung gewisser Geschäfte, nämlich von Wahlen, Kompe- 
tenzslreiligkeilen zwischen eidgenössischen Behörden. 
Begnadigungsgesuchen vereinigen sich die beiden Haie 
zur vwiiiiiftrn Hundesversammlung. Die eidgenössischen 
Bäte versammeln sich zweimal im Jahr — im Juni und 
Dezember — in ordentlicher Session, wozu meist noch 
ausserordentliche Sessionen {im Frühjahr und auch im 
Herbst) kommen. 

Die hauptsächlichsten politischen Parteien der 
Schweiz, die im Nationalrat und z. T. auch im Standerat 
ihre Vertretung linden, sind folgende: Die freisinuig- 
demokralische Barlei vertritt die leitende politische Rich- 
tung der Eidgenossenschaft. Sie ist es. die vor 1848 
hauptsächlich an der Verjüngung der Eidgenossenschaft 
arbeitete und seither ausgesprochene Zentralisationsten- 
denzen zeigt, weniger aus Feindseligkeit gegen die Kan- 
tonalsouveiiniit.it als solcher, als vielmehr, um den durch 
die moderne Entwicklung von Handel. Verkehr und In- 
dustrie umgeformten und gesteigerten Forderungen des 
wirtschaftlichen und sozialen Lebens entgegenzukom- 
men. Ihr Programm ist seit 1K48 besonders auch dann 
abgeändert worden, dass sie auf dem rein politischen 
Gebiete dem Volk einen direkten Anteil an der Ausü- 
bung der HoheiUrechte zuerkennt. In wirtschaftlichen 
Fragen bekennt sich die Partei im Gegensatz zu den 
individualistischen Liberal-Konservativen zu einem ge- 
mässigten Slaatssozialismus. Zu den ersten Punkten ihres 
Programmes gehörten oder gehören noch die Arbeiterver- 
sicherung, die Verstaatlichungder Eisenbahnen und die Er- 
richtung einer zentralen Notenbank I Nationalbank i. Nach 
den letzten Wahlen vom XL Oktober |!tüT> zählt diese Partei 
im Natmualrat »und 104 Vertreter.— Die katholisch-konser- 
vative Partei bildet imSchoosseder eidgenössischen Rätedie 
Hechte, wahrend das Zentrum aus den liberal-konservati- 
ven Vertretern der reformierten Kantone besteht. Riese 
beiden Parteien verteidigen im allgemeinen i trotz man- 
cherlei Abweichungen im Einzelnem die Souveränität der 
Kantone und ziehen in wirtschaftlichen Fragen föderali- 
stische und individualistische Losungen vor, ohne des- 
wegen den sozialen Beformen eine unversöhnlich«- Oppo- 
sition zu machen. Letzteres freilich unter der Bedingung, 




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131 



dass diese Reformen die politische Macht der Bundesbe- 
hünle nicht übermässig verstärken. Diese beiden Parteien 
*arrn es hauptsächlich, die im Jahr 1890 für das Volk 
das Hecht der Initiative in Vcrfassungsangelegenhciten 
verlangten, sowie später (zusammen mit (Ter sozialisti- 
schen Partei) das Prinzip der Wahl des Bundesrates 
durch das Volk und derjenigen des Xaliunalrates nach 
dem proportionalen Verfahren aufstellten. Die katholisch- 
konservative Partei ist im Nationalrat gegenwärtig durch 
36. das Zentrum durch 15 Mitglieder vertreten. Die Ver- 
treter der sozialdemokratischen Partei im Nalionalrat 
teilen sich in eine sozialpolitische Gruppe mit 5 und 
eine sozialistische Gruppe im engern Sinn mit 2 Abge- 
ordneten : jene will auf dem Wege einer progressiven 
Urform zum neuen sozialen Staat gelangen, während 
diese das Ziel durch einen vollständigen Bruch mit den 
auf dem individuellen Ltesilz beruhenden heutigen sozia- 
len Hinrichtungen zu erreichen hofft. 



des Bundesrates zum Parlament regeln, weichen von den- 
jenigen anderer Staaten nicht erheblich ab. Der Bundes- 
rat ist gegenüber den eidgenössischen Räten über seine 
Amtstätigkeit verantwortlich, doch hat sich diese Verant- 
wortlichkeit auf Grund unserer politischen Ueberliefe- 
mngen praktisch ganz anders gestaltet, als in den übri- 
gen konstitutionellen Staatswesen. Ks wird als selbst- 
verständlich betrachtet, dass sich der Hundesrat dem 
deutlich ausgesprochenen Willen der eidgenössischen 
ltnte fuge und nicht demissioniere, wenn er auch in 
einer Frage von der Mehrheit der Räte nicht unter- 
stützt wird. Daraus ergibt sich die für unser Land so 
segensreiche Tatsache, dass oft die gleichen Männer lange 
Jahre hindurch an der Spitze der (Geschäfte stehen. 

d. Das Hundesgericht, die gerichtliche Behörde der 
Eidgenossenschaft, besteht aus 19 Mitgliedern, die von der 
Rundesversammlung aus der Gesamtzahl der in den Natio- 
nalrat wählbaren Schweizerhürger auf eine jeweilige Amls- 




r 8ore/4C." Attmgersc. 
Die Starke der politischen Parteien der Schweis nach dea Ergebnissen der Nalionalratiwahlen vom ST.'. Oktober 1U0&. 

1. Freiklonig-demokratische (radikale} Partei. 



r. Vollziehende Behörde ist der Bundesrat. Er be- 
fiehl aus sieben Mitgliedern, die von der Bundesversamm- 
lung auf eine Amlsdaucr von drei Jahren aus der Ge- 
samtheit der in den Nationalrat wählbaren Schvveizcrbür- 
ter gewählt werden. Der Bundesrat bildet weder einen 
Ministerrat noch ein Direktorium. Ersteres darum nicht, 
weil er nicht einem ihm übergebenen Staatsoberhaupt 
untersteht und weil die von der Begicrung ausgehen- 
den lii-M-lilii-se nicht unter Mitwirkung eines Ministers 
vom Staatsoberhaupt, sondern vom Bundesrat als Ge- 
<atntb<'hi>rile gefasst werden. Von einem hirektoriiim, 
'*ie es t. lt. zur Zeit der Bevolution «las französische oder 
da* helvetische waren, unterscheidet sich der Bundesrat 
anderseits dadurch, dass er keim- besonderen Minister 
unter sich stehen hat. indem jedes seiner Mitglieder zu 
gleicher Zeit einem bestimmten Verwallungskreis, De- 
partement genannt, vorsteht, wie es bei den Begierungs- 
"der Staatsräten der einzelnen Kantone der Fall ist. 
Ihe fivilreclilliehen Bestimmungen, die die Beziehungen 



dauer von sechs Jahren gewählt werden. Sitz des Gerich- 
tes ist Lausanne. Es zerfällt in drei Abteilungen : die 
erste erkennt über Rekurse aus dem Gebiet des öffent- 
lichen Rechtes und über gewisse Bckursc aus dem tie- 
biet des Privalrechtes, die zweite über die übrigen privat- 
rechtlichen Bekurse und diedrittr i Schuldbetreibung^- und 
Konkurskammerj ober die Beschwerden betr. die Schuld- 
betreibung und das Konkursrecht. Für die Aburteilung von 
Fällen strafrechtlicher Natur bestehen innerhalb des 
Bundesgerichtes eine aus drei Mitgliedern bestehende 
Krimiiialkammer, die zusammen mit P2 Geschworenen 
die eiilgenossiseben Assisen bildet, ein aus fünf Mitglie- 
dern bestehendes Bundesstrafgericht und ein Kassalions- 
hof mit ebenfalls fünf Mitgliedern. Drei Mitglieder bil- 
den die Anklagekammer. Der vorn Bundesrat ernannte 
Itiimlesanwalt vertritt die Interessen des Staates und 
fungiert als öffentlicher Ankläger. In den Füllen, wo 
die Untersuchung nicht den Kantonen überlassen ist. 
treten zwei eidgenössische Untersuchungsrichter i einer 



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für die deutsche und italienische, einer für die roma- 
nische Schweiz) in Tätigkeit (Gesetz betreffend die eid- 
genössische Gerichtsorganisation vom 22. März 1893). 

ö. Befugnisse der eidgenössischen Behörden. Nach 
der vorhergehenden Uebersicht über die Organisation 
der eidgenössischen Behörden müssen wir uns auch 
noch kurz mit der ihnen obliegenden amtlichen Tätig- 
keit bekannt machen. Die Einteilung der Amtsverrich- 
tungen in solche legislativer, administrativer und gericht- 
licher Art deckt sich nicht in allen Punkten mit der 
Gliederung der Behörden in Bundesversammlung und 
Volk, Bundesrat, Bundesgericht. In der Tat beschäftigen 
sich die eidgenössischen Bäte auch mit Fragen der Ver- 
waltung; der Bundesrat nimmt an der Gesetzgebung teil 
und beide üben auch Funktionen der Recht« prechung 
aus. Die administrativen Kompetenzen der Bundesver- 
sammlung sind ausgedehnter, als diejenigen anderer 
Parlamente : die Rate bewilligen nicht nur das Budget, 



Prinzip der Trennung der Gewalten wieder darin, dass 
die Bundesversammlung einen Verwaltunpsakt des Bundes- 
rates, ausdrückliche Ausnahmen desGesetzes vorbehalten, 
weder abändern noch kassieren, sondern bloss kritisieren 
kann. 

7. Gesetzgebung. Das Vorschlagsrecht, d. h. das Recht, 
den eidgenössischen Räten ein Gesetz vorlegen und dessen 
Beratung verlangen zu können, steht jedem Mitglied der 
beiden Räte, dem Bundesrat und jedem einzelnen Kanton, 
nicht aber dem Volke zu. Die Gesetzesvorlagen werden 
fast immer vom Bundesrat ausgearbeitet, und zwar ent- 
weder aus eigener Entschließung oder auf eine von der 
Bundesversammlung ergangene Einladung hin. 

Eine von beiden Räten genehmigte Vorlage erhält Ge- 
setzeskraft, sobald sie die Probe des liefere ndums über- 
standen hat. Innerhalb einer Frist von 90 Tagen, von der 
VenWentlichungderGesctzesvorlage an gerechnet, können 
30000 Bürger unterschriftlich verlangen, dass das Gesetz 




Mehrheit 
J Mehr als 702derWähler 
50-69% 
Minderheit 
35-49% 
2 5-31% 





i . - ^ 



jnti 



' T » * - . 
\ «<-*-'- 




1:2300000 



Die .Slürko int politischem I'»tt«iua dar Schwei* n»cii <1<!U KrgKtiui.i««!) d<*r Natiooslratswahlen vom i?J. Okiober 1W.1i. 

2. Liberal-konservaUve Partei. 



genehmigen die Staalsrechnung, beschliessen die Auf- 
nahme von Anleihen, erteilen die Eisenbahnkonzessionen 
und entscheiden als Rekursinstanz eine ganze Anzahl von 
Streitigkeiten administrativer Natur, sondern müssen auch 
noch sämtliche internationalen Verträge genehmigen ; 
zur • Bundesversammlung » vereinigt wählen sie die Mit- 
glieder des Iiundcsrates und des Bundesgerichtes, sowie 
im Mobilmachungsfall den General. 

Im Bundesstaatsrecht ist somit das Prinzip der Tren- 
nung der Gewalten in dem Sinne, dass jede der drei 
verschiedenen Funktionen auch einer verschiedenen Be- 
hörde zugeteilt wäre, nicht streng durchgeführt. Sie ist da- 
gegen in dem Sinne vorhanden, dass jede einzelne Be- 
hörde in der Ausübung ihres Arnes und innerhalb ihrer 
Kompetenzen von den andern unabhängig ist. was übri- 
gens für das Bundesgericht in höherem Masse, als beim 
Bundesrat gegenüber dem Parlamente zutrifft. Der Bun- 
desratist verpflichtet, der Bundesversammlung über seine 
Amtstätigkeit Rechenschaft abzulegen. Doch zeigt sich das 



der allgemeinen Volksabstimmung unterbreitet werde. 
Sofern die erforderlichen 3U0UU Unterschriften recht- 
zeitig bei der Bundeskanzlei eingegangen sind, wird nach 
einer Frist, die zur Bekanntmachung des Gesetzes durch 
Versendung einer Anzahl von Exemplaren in jede Gemeinde 
des Landes genügend lang bemessen wird, die allgemeine 
Volksabstimmung angeordnet. Das gleiche gilt auch für 
alle Beschlüsse von allgemeiner Tragweite, sofern sie von 
der Bundesversammlung nicht als dringlich erklärt wor- 
den sind. Während der Jahre 1874—1906 fanden im gan- 
zen '28 Referendumsabstimmungen Blatt. 19 mal verwarf 
das Volk das Gesetz oder den ßundesbeschluss, 9 mal nahm 
es sie au. Das angenommene Gesetz wird vom Bundes- 
rat, der den Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestimmt, 
öffentlich bekannt gemacht. 

S. Eidgenössische Verwaltung. Es kann sich an dieser 
Stelle niir darum handeln, den Wirkungskreis der ein- 
zelnsn Departemente in aller Kürze zu skizzieren. Die 
Beschlüsse werden jeweilen vom Bundesrat oder durch 



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133 



belegation vom Departementsvorsteher oder selbst von 
den Abteilungschefs gefasst. In letzterem Fall kann über 
diese Beschlüsse an den Bundesrat Rekursergriffen werden. 

1. Politisches Departement, a. Die politische A t > - 
teilung hat die Aufgabe, die Beziehungen zum Ausland zu 
(»liegen, die Aufsicht über die Tätigkeit der diplomatischen 
und konsularischen Vertreter der Schweiz im Ausland zu 
fuhren und die Einbürgerung von Ausländern in der 
Schweiz zu überwachen. — b. Der Abteilung für das Aus- 
wanderungsweBen fallen folgende Aufgaben zu: Ausübung 
der durch das Gesetz vorgesehenen Kontrolc über die Aus- 
wanderungsagenturen, hrteilung von Ratschlägen an die 
Auswanderer (z. B. über die Gesetzgebung und die 
wirtschaftlich«; Lage der überseeischen Länder). Begleit- 
ung der Auswanderer nach den Einschiflüngshafen zum 
Zweck der Inspektion von Unlerkunftsraumen und 
Schiffen. 

2. Das Departement des Innern überprüft die 



lizeilichen Vorkehren. Dieses Gesetz findet seine Anwen- 
dung namentlich dann, wenn eine Epidemie unser Land 
bedroht oder schon ergriffen hat. Vorbeugungsmassregeln 
sind durch internationale l'ebereinkommen getroffen. 

Seitdem das eidgenössische LebensmitteTgesetz vom 
Volk angenommen worden ist (10. Juni 1906), hat der 
Bund auch die Kontrole an den Grenzen und die allge- 
meine Aufsicht im Innern des Landes auf sich genom- 
men. Unter der Verwaltung des Departements des Innern 
stehen ferner die Polytechnische Schule, die Landeabi- 
bliothek, das Landesmuseum und das Staatsarchiv. 

3. Dem Justiz - und Polizeidepartement obliegen 
ausser der Vorbereitung der Gesetze und der Prüfung der 
staatsrechtlichen Rekurse die Uberaufsicht über die von 
kantonalen Beamten geführten Zivilstands- und Handels- 
register, sowie die Verfügung in Fällen von Heimatlosig- 
keit. Das Departement besorgt ferner die Vermittlung 
und Prüfung der Auslieferungsbegehren und Heimschaf- 




Mehrheit 

Mehr als 70lderWähler 
50 - 69% 
35- 19 



'/////. 



Minderheit .'*' '""Will Jlü jf ^ 

35-49* J ,Ä 
25-34" /'\,.<*~, 




1:2300 000 



f Bore/ 



U cr Bor«/&C? AtbiHjer sc 

Dio Starke der politischen Parteien der Schwell nach den* Ergebnissen der Nationalratswahlen vom SO Oktober 1905. 

3 Katholisch-konservative {Partei. 



zahlreichen Subventionen, die der Bund an Unterrichts- 
und Wohltätigkeitsanstalten, sowie an Künste und Wissen- 
schaften ausrichtet. Bundcsunterslnlzung erhalten auch 
Flusskorrektionen und Wildhachverbauungen, Aufforst- 
ungen und Arbeiten zum Waldschulz überhaupt, Strassin- 
und Brückenbauten von grosserer militärischer oder 
volkswirtschaftlicher Bedeutung. An diese Unterstützun- 
gen werden aber gewisse Bedingungen geknüpft, deren 
Innehaltung vom Departement kontroliert wird. Eine 
Milche Bedingung besteht Z. B. in der Forderung, dass 
der interessierte Kanton in einem bestimmten Verhält- 
nis ebenfalls an die Kosten der auszuführenden Arbeit 
beitrage. Der den Kantonen zugewiesene Vollzug der 
llundi^gesetze betr. die Jagd und Fischerei, sowie betr. 
Mass und Gewicht wird durch besondere eidgenössische 
lieamte überwacht. Das schweizerische Gesundheitsamt 
wacht über die Beobachtung der durch das eidgenössische 
tiesetz betr. Massnahmen gegen gemeingefährliche Epide- 
mien (vom 2. Juli 1886) vorgeschriebenen gesundheitspo- 



fuiik'en, sowie der Kogatorien nnd der Begehren um 
Vollziehung von Urteilen zwischen der Schweiz und 
andern Staaten. Der Bundesanwalt ist mit der Vorunter- 
suchung in Sachen der Ausweisung von Landesfremden 
beauftragt. Das Amt für geistiges Eigentum erteilt die 
Patente für Erfindungen und nimmt die Hinterlegung von 
Fabrikmarken. Mustern und Modellen, sowie von Wer- 
ken der Kunst und Literatur vor. Die Aufsicht über die 
Versicherungsgesellschaften ist dem eidgenössischen Ver- 
sicherungsamt anvertraut. Wie die Auswanderungsagen- 
turen bedürfen auch die Versicherungsgesellschaften einer 
eidgenössischen Konzession. 

4. Das Militärdepartement ist die Oberinstanz für 
die eidgenössische und kantonale Militärverwaltung. Die 
Ausbildung der Truppen aller Waffen, die Bewaffnung 
(Waffen- und Munitionsfabrik) ist Sache des Bundes, wäh- 
rend die Ausrüstung und Bekleidung, die Führung der 
Kontrollisten und z. T. auch die Rekrutierung nach Vor- 
schrift und unter Aufsicht des Bundes den Kantonen ob- 



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\M SCHW 

liegen. Die eidgenössische Militärverwaltung umfasst fer- 
ner noch das Oberkriegskommissariat, die Verwaltung 
der Befestigungen, die Mililärvereicherung gegen Krank- 
heit und Unfall, die Militärjusliz, die eidgenossische Lan- 
destopographie. 

Die schweizerische Armee ist eine Milizarmee, in der 
jeder tauglich befundene Bürger zur persönlichen Dienst- 
leistung verpflichtet ist. während die übrigen Bürger eine 
Ersatzslcuer bezahlen (Gesetz vom 28. Juni 1878). Die 
Anzahl der Dienstfreien ist übrigens grosser als diejenige 
der Eingeteilten. 

5. Finanz- und Zolldepartement. Der Bund 
erhebt keinerlei direkte Steuern, mit Ausnahme der 
Militärsteuer, deren Bruttoertrag KW Hälfte zwischen 
dem Bund und den sie einziehenden Kantonen geteilt 
wird. Die llaupteiiinahmequellen des Bundes sind die 
Zölle, die im Jahr 15)05 einen Bruttoertrag von 635457I5 
Fr. ergeben haben. Der Ertrag des beweglichen Vermö- 
gens belief sich im selben Jahr auf 1 »/ 4 Millionen Fran- 
ken, der Bruttoertrag der Poslverwaltung auf 44 Vj Mil- 
lionen Fr. (Nettoertrag 4 ' , Mill. Fr), der Bruttoertrag der 
Telegraphenverwaltung auf II Mill. Fr. ohne jeglichen 
Gewinn noch Verlust, die Hälfte der Militarpflichtersatz- 
steuer auf 2 144 000 Fr. Die gesamte Staatsrechnung sehloss 
bei rund 116 '/^ Millionen Fr. Ausgaben und 12!) Millionen 
Hinnahmen mit einem Einnahmenüberschuss von 12 Vi 
Mill. ab. Die Alkoholverwaltung und die Verwaltung der 
schweizerischen Bundesbahnen führen besondere Rech- 
nung. Der Reinertrag der Alkoholvcrwaltung wird unter 
die Kantone verteilt i1«U">: »>7K5 000 Fr.i. 

Ein eigentlicher Rechnungshof existiert in der Schweiz 
nicht. Die Kontrole der rechnungsführenden Beamten 
besorgt das Bureau der eidgenössischen Finanzkontrole ; 
diejenige der anweisenden Beamten, d. h. der Departe- 
mcnlsvorstcher. steht den Ruten zu. die aus ihrem 
Schosse eine besondere Rechnungsprufungskommission 
bestellen. 

Die Gesetzgebung betr. das Münzwesen, sowie die Prä- 
gung der Münzen ist Sache des Bundes. Die Schweiz ge- 
hört mit Frankreich. Belgien, Italien und Griechenland 
der lateinischen Muii/uuion an. 

(>. Das Handels-, Industrie- und Landwirt- 
ichftftsdepart ement belässt sich mit der Vorberei- 
tung der Handelsverträge, mit der Aufsicht Uber den 
Vollzug der eidgenössischen Gesetze über die Gewerbe- 
polizei (inkl. derjenigen betr. die Viehseuchen) durch die 
Kantone, sowie mit der Verteilung der Subventionen 
zur Hebung von Handel. Industrie und Landwirtschaft. 

7. Das Pos t- und E i ■ e u ba Ii n d e p a r t e m e n t um- 
fasst die Post-, Telegraphen- und Telephonverwaltung. 
sowie die Aufsicht über die konzessionierten Bahnen und 
über die schweizerischen Bundeshahnen 

0. Reehtsp/teyr. a. Zivilrecht. Das Bundesgericht ist 
kompetent zur Behandlung von Beschwerden gegen t'r- 
teile von kantonalen Gerichten wegen unrichtiger An- 
wendung des Gesetzes, sofern der Wert des Streitobjektes 
21X10 Fr. erreicht. Nur ausnahmsweise prüft das Bundes- 
gericht die Talfrage. Eine »eitere Aufgabe besteht fer- 
ner in der Bestimmung der Entschädigungssumme hei 
Prozessen betr. eidgenössische Expropriationen. 

b. Strafrecht. Die eidgenössischen Assisen sitzen zu 
Gericht über Fälle von Hochverrat gegenüber der Eidge- 
nossenschaft, von Vergehen gegen das Völkerrecht, von 

ewissen politischen \ erbrechen, sowie von Amtsverge- 
en eidgenössischer lleamter. Das Bundesstrafgericht 
beurteilt die übrigen im eidgenössischen Strafgesetzhuche 
und in einigen Spezialgeselzen vorgesehenen Delikte, 
sowie die Uehertretungen der Fiskalgesetze des Bundes, 
sofern ihm der Bundesrat die Beurteilung zugewiesen hat. 
In allen übrigen Fällen, wie namentlich in der Anwendung 
der in den eidgenössischen Polizeigesetzen \orgesehenen 
zahlreichen Strafen sind die kantonalen Gerichte aus- 
schliesslich kompetent unter Vorbehalt der Kassations- 
beschwerde an das Bundesgericht. 

c. Ve r w a 1 1 u n g s r e c h t. Wenn eine eidgenössische 
Verwaltungsbehörde das (iesetz oder die Verfassung ver- 
letzt, steht einzig der hierarchische Rekurs an die nächst- 
höhere Verwaltungsinslanz, ausnahmsweise auch an die 
Bundesversammlung offen. Eigentliche Verwalttingsge- 
richte bestehen nicht, ausgenommen für einige ganz 



SCIIW 

spezielle Zweige (z. R. Rekrutierung. Militärpensionen. 
Flurschaden u. a. m.K 

Wenn eine kantonale Rehorde irgendwelcher Instanz 
ein durch die Bundesverfassung oder eine kantonale Ver- 
fassung gewährleistetes Individualrecht \erletzt, kann 
Rekurs in der Regel an das Bundesgericht. ausnahms- 
weise an den Bundesrat und in zweiter Instanz an die 
Bundesversammlung ergriffen werden. Die hauptsäch- 
lichsten Individualrechte, die durch die Bundesver- 
fassung garantiert werden, sind: Gleichheit vordem (ie- 
setz (inkl. Verbot der Willkür), Inentgelllichkeit um! 
konfessionelle Neutralität der Volksschule. Handels- un.l 
Gewerbefreiheit. Niederlassungsfreiheit und Rechtsgleich- 
heit der niedergelassenen Schweizer, Verbot der Doppel- 
besteuerung durch zwei Kantone; Freiheit des Gewissen». 
Glaubens und Kultus, das Becht zur Ehe. Pressfreiheit. 
Vereins- und Petitionsrecht. Gewährleistung des (ierichtv 
Standes des Wohnsitzes, Vollstreckung der zivilrechtli- 
chen Erteile eines Kantone* in dem andern. 

Endlich kann auch jede Verletzung eines eidgen. ti- 
schen Verwaltungsgesetzes durch eine mit seinem Voll- 
zug betraute kantonale Behörde Gegenstand eines Rekur- 
ses an den Bundesrat und sogar an die Hundes\ ersamm- 
lung sein. 

10. lit'viniim der Runilesvcrfa**ug. Eine Totalrevi- 
sion kann beschlossen werden: entweder durch die Bun- 
desversammlung auf Antrag eines Vorschlagsberechtigten 
«Hier durch das Volk ; zur Volksabstimmung kommt die 
Frage, sobald mindestens 50000 Burger die Totalrevision 
verlangen, oder wenn die beiden eidgenossischen Räte 
sich über die Frage nichteinigen können. Die Revisionsar- 
beit wird immer durch die Bundesversammlung vorge- 
nommen und das von ihr ausgearbeitete Projekt dem 
Volk und den Ständen zur Abstimmung unterbreitet. Als 
Slandrsvotum gilt das Resultat der Volksabstimmung im 
Kanton. Der Entwurf ist angenommen, wenn sich die ab- 
solute Majorität der stimmenden Bürger und die Mehrheit 
der Stände dafür ausgesprochen haben. 

Die Partialrevision kann der Bundesversammlung 
von jeder Person beantragt werden, die das Vorschlags- 
recht hat. Gelangen die eidgenössischen Bäte zur Annahme 
eines revidierten Textes, so wird dieser dem Volk und den 
Stauden zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt. Ferner 
können auch DO 000 Bürger eine Teilrevision Begehren. 
Schlagen sie einen ausgearbeiteten Entwurf vor. so muss 
dieser der Abstimmung durch Volk und Stände unterbrei- 
tet werden, wobei es der Bundesversammlung freisteht, 
ihn zur Verwerfung zu empfehlen oder ihm »"inen Ge- 
genentwurf entgegenzustellen. Verlangen die 5ÜÜU0 Ini- 
tianten von der Bundesversammlung die Ausarbeitung, 
so ist diese dazu verpflichtet. Ist sie mit der geforderten 
Revision nicht einverstanden oder können sich die beiden 
Räte nicht einigen, so wird das Volk über die vorge- 
schlagene Revision angefragt. Erfolgt dagegen die An- 
nahme eines revidierten Textes, so wird dieser dem Volk 
und den Standen zur Abstimmung unterbreitet. 

11. Völkerrechtliche Slrltunif der Schneit. Die Selb- 
ständigkeit und l'nabhängigkeit der schweizerischen Eid- 
genossenschaft ist irn westfälischen Frieden von t(>48 in 
aller Form anerkannt worden und neuerdings durch die 
Wiener Verträgt" von 1815, die ihr — von einigen nach- 
träglichen Aenderungen abgesehen — auch ihren heuti- 
gen t'iebietsumfang gaben. Die permanente Neutralität 
der Schweiz ist ausdrücklich anerkannt und ausgespro- 
chen worden in der Erklärung vom 20. November 1815. 
die auch die Neutralität Savoyens und das Okkupations- 
recht der Schweiz auf dieses Gebiet anerkennt. 

Abgesehen von zahlreichen mit andern Staaten ab- 
geschlossenen Verträgen spezieller Natur, wie Nie- 
derlassung«- und Konsularverlrägen (durch die ein Land 
den niedergelassenen Angehörigen des andern gleicht' Be- 
handlung wie den eigenen Bürgern zusichert), Handels- 
und Auslieferungsverträgen etc.. hat sich die Schweiz auch 
an einer ganzen Reihe von zwischen mehreren Staaten 
zugleich getroffenen internationalen Verträ «en beteiligt 
und sogar oft selbst die Initiative zu solchen interna- 
tionalen Verständigungen ergriffen. Die Schweiz hat die 
Pariser Erklärung von 18.VJ betreffend neutrales Gut zur 
See und Abschaffung der Kaperei mit unterschrieben ; sie 
hat die Initiative ergriffen zum Abschluss der Genfer 



n 



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SCHW 

Konvention (oder der Konvention vom roten Kreuz) vom 
22. August 1864. die im Kriegsfall das Sanitätspersonal 
als neutral erklärt und sowohl den eigenen als den feind- 
lichen Verwundeten eine menschenwürdige Behandlung 
zusichert. Sie hat sich ferner den Haager Abkommen 
von I8U9 angeschlossen, deren eines die Bestimmungen 
der Genfer Konvention auch auf den Krieg zur See aus- 
dehnt, während ein anderes die Verwendung von mit gif- 
tigen Gasen angefüllten Geschossen verbietet und ein 
drittes ein fakultatives internationales Schiedsgericht, so- 
wie eine internationale Untersuchungskommission ein- 
setzt. Einer vierten L'ebereinkunft, die die Gesetze und 
Gebräuche de» Landkrieges regelt, ist die Schweiz da- 
gegen bis jetzt noch nicht beigetreten. 

Auf rein administrativem Gebiet sind als wichtigste 
folgende Verträge zu erwähnen : Die Schweiz bildet ein 
Glied der 186T> in Paris von 30 Staaten unterzeichneten 
internationalen Telcgraphenunion und hat einen hervor- 



SCHW 



1.J5 



Dasa die Schweiz der lateinischen Münzunion angehört, 
ist bereits bemerkt worden. Sie hat ferner noch die 
Meterunion (Paris lS7äi. diejenige für Erdmessung (Ber- 
lin 1K86), zur Bekämpfung der Cholera und anderer Epi- 
demien (Dresden 1893), zur Bekämpfung der Reblaus, so- 
wie eine Keine von andern Konventionen unterschrie- 
ben. 

Zur Erleichterung und Vereinfachung der Zivilrechts- 
pflege in internationalen Streitfällen haben mehrere 
Staaten im Jahr 1896 im Haag eine Konvention betr. 
gegenseitige L'ebermittlung von Ersuchungsschreiben, die 
rautio judifttlutu solri und das Armenrecht (gleiche 
Behandlung der Ausländer wie der eigenen Bürgen. so- 
wieJ1902tlrei L'eberein kommen unterzeichnet, die folgende 
Titel tragen: a. Uebereinkunft zur Regelung des Geltungs- 
bereiches der Gesetze aufdetn Gebiete der Ehesrhliessiing; 
b. Uebereinkunft zur Regelung des Geltungsbereiches der 
Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dein Gebiete der 



t . , . ' , l 5- 10% der Wähler 



flDtlUIIII 



3 10-20- 
20-30 




■ 

* 




Die Stark* der politischen 



Parteien der Schweis nach den Ergebnisse» der Nationalratswahlen 
4. Sozialdemokratische Partei. 



Attintjet' sc. 
». Oktober 100S. 



ragenden Anteil genommen am Abschluss des im Oktober 
187-i in Bern gegründeten Weltpostvereins, der heute 
fast alle zivilisierten Länder der Erde umschliesst. Zwei 
schweizerische Juristen ergriffen die Initiative zum Ab- 
schluss einer den internationalen Eisenbahnfrachtver- 
kehr regelnden Konvention, die im Oktober 1890 in 
Bern geschlossen wurde. Die Idee einer internationalen 
Uehereinkuiifl zum Schutze des literarischen und künst- 
lerischen Eigentums, die dann als sog. Berner Ueberein- 
kunft im September 1886 in Bern von 10 Staaten unter- 
zeichnet worden ist. stammt ebenfalls aus der Schweiz. 
Die Schwei/ ist auch der 1883 in Paris abgeschlossenen 
internationalen Uebereinkunft zum Schutze des gewerb- 
lichen Eigentums beigetreten. Folgende Bureaus haben 
ihren Sitz in der Bundesstadt Bern: Internationales Bu- 
reau des Weltpostvereins, internationales Bureau der 
Telegraphen-Verwaltungen, internationale Buren ux für 
gewerbliches, literarisches und künstlerisches Eigentum, 
Zentralamt für internationalen Eisenbahntransport. 



Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bell ; 
c. Uebereinkunft zur Regelung der Vormundschaft über 
Minderjährige. 

Das sog. Asyl recht, von dem so häutig gesprochen 
wird, bildet keine der Schweiz eigentümliche Einrichtung. 
Es ist vielmehr das Recht der Schweiz gegenüber andern 
Staaten, deren Angehörigen bei sich Zuflucht zu bit ten, 
mit der Verpflichtung, keine Angriffe auf fremde Staaten 
zu dulden. Gerade weil die Schweiz mit der Aufnahme 
von Flüchtlingen diese Verpflichtung internationaler Poli- 
zei übernimmt, kann sie ihnen ein Recht auf Asyl nicht 
anerkennen. Sie bietet den Flüchtlingen bloss aus Wohl- 
wollen eine weitgehende Gastfreundschaft. 

[Uebersotzuog oach dem fr»ni0si»chen Original 
von l'rof. Dr W. Hhuckhaiidt | 

II. EIDGENÖSSISCHE DEPARTEMENTE. I. politi- 
sches DKi'AitTtMKNT. Mit der Organisation des ersten 
schweizerischen Bundesrates im Jahr 18-iU wurden die 
diesem zur Vorberatung und zur administrativen Er- 



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SCHW 



SCHW 



ledigung zugewiesenen Geschäfte auf sieben Departe- 
mente verteilt, deren allgemeine Funktionen im ganten 
bis heute dieselben gehliehen sind, wenn auch im Laufe 
der Zeit ihre Benennung wechselte und ihre Aufgaben 
mit den wachsenden Kompetenzen des Kunde* sich stetig 
erweitert haben. ZuKleich mit der Pflege der allgemeinen 
Beziehungen der Eidgenossenschaft nach Ausseti war das 
politische Departement 1849 auch mit der Aufrechlerhal- 
tung der Ruhe und öffentlichen Ordnung im Innern be- 
traut worden, lhs 1887 blieb nun der GeschäfUkreis des 
Departementes nahezu stationär, während diejenigen der 
übrigen l)epartemente sich ausserordentlich weiter ent- 
wickelt hatten. Daraus folgte, dass man dem neugewähl- 
ten Hundespräsidenten alljährlich das politische Departe- 
ment zuteilte, weil ihm dieses allein die zur Ausübung der 
PräsidciilenpAichlcn erforderliche Müsse zu gewähren 
schien. L'in den ernsten rnannehmlichkeiten vorzubeugen, 
welche der jährlicheWechsel des Vorstehers des politischen 
Departementes und die dadurch bedingten Aenderungcn 
in der Leitung der übrigen Departemente mit sich brach- 
ten, beschlass der Bundesrat 1887 unter Zustimmung der 
eidgenossischen Räte eine provisorische Neuordnung. 
Diese zielte darauf hin, einerseits eine gleichmässigere 
Verteilung der Geschäfte herbeizuführen und andererseits 
sowohl dem politischen Departement als den übrigen Ver- 
waltungsablcilungcn die Itcständigkeit in der Leitung zu 
sichern. So ward das bisherige politische Departement 
zum Departement des Auswärtigen oder der auswärtigen 
Angelegenheiten, das in drei getrennte Abteilungen zer- 
fiel : a; tlie Abteilung für die politischen Angelegenheiten 
mit dem Gesehaflskreis des früheren Departementes; 
Im die Abteilung für Handel und c) diejenige für das Aus- 
wanderungswesen. Letztere beiden wurden vom Handels- 
ti ml l.andwirlschaflsdepartement abgetrennt, das nun den 
Namen des Industrie- und Landwirtschaftsdcpartementcs 
erhielt. Mit dieser Zuteilung der Abteilung für Handel, 
die sich hauptsächlich mit den Vorarbeiten zu den Han- 
delsverlragsiinterhandlungen, milden den internationalen 
Warenverkehr betreffenden Anständen und der Betei- 
ligung der Schweiz an den internationalen Ausstellungen 
(Weltausstellungen) zu befassen hat. fand sich nun der 
gesamte Gcschartskreis der hauptsächlich die Beziehun- 
gen zum Ausland betreffenden Kragen im selben Ik>- 
parlemente und unter der Leitung eines ständigen Vor- 
stehers vereinigt. 

Trotz der sehr etilen Resultate, die diese* System nach 
gewissen Seiten hm ge/.ciligl halle, kam man doch nach 
achtjähriger Erfahrung wieder auf den frühem Zustand 
der Dinge zurück. Ks halte sich nämlich gezeigt, dass 
die Stellung und das Ansehen des höchsten Magistraten 
des Landes unter der Zuteilung eines andern Departe- 
mentes als desjenigen des Auswärtigen an den Bundes- 
präsidenten gelitten halle, indem dessen Einlhiss aufdie 
internationalen Beziehungen nicht mehr so scharf ausge- 
sprochen und so unmittelbar erschien wie froher. So 
stellte man denn 18U.*> das politische Departement von 
Neuem her und vertraute dessen Leitung durch einen seine 
Organisation und das Vorgehen des Bundesrates regeln- 
den RundesbesrhlusB wieder dem Bundespräsidenten an. 
Dies bedeutete die gesetzliche Anerkennung des tatsäch- 
lichen Standes der Dinge vor 1887. Zweck der neuen Or- 
ganisation war vor allem, das politische Departement der- 
art zu entlasten, dass sich sein Vorsteher zugleich den 
speziellen Präsidcntschaftsaufgahcn zu widmen vermag: 
Leitung der Geschäfte des Hundesrates, vorgangige Prü- 
fung der dem Itundesrat von Seilen der Departemente 
unterbreiteten Geschäfte, l' bcrwuchiing des Geschäfts- 
ganges der eidgenossischen Verwaltung als Gan/es. Die 
Abteilung für Handel wurde dem nunmehrigen Handels-, 
Industrie- und LandwirUehaftsdepartemenl zugeteilt, 
das dadurch zum ArbeitsmittelpunKl der vielfach lang- 
wierigen und nichts weniger als einfachen Unterhandlun- 
gen geworden ist, deren Zweck darin besieht, unsere 
Handelsbeziehungen zum Ausland auf dem Wege von 
Ver lragen oder l ebereinkommen zu regeln und ihnen die 
zur normalen Entwicklung sämtlicher Produktionszweige 
notwendige Stetigkeit zu sichern. 

Die Aufgabe des politischen Departementes, alle die- 
jenigen Geschäfte zu prüfen und zu besorgen, die die Be- 
ziehungen der Eidgenossenschaft zu den fremden Staaten 



betreffen, ist also nicht im absoluten Sinne zu verstehen 
In der Tat werden auch noch andere internationale Fragen 
als diejenigen der Handelsbeziehungen, so z. IL solche 
von hauptsächlich technischer Natur, ausserhalb des poli- 
tischen Departementes oder unter dessen Mitwirkung von 
den übrigen Departementen behandelt. Sieht man aber 
von diesen Spezialfällen ab, so darf man sagen, dass der 
Tätigkeitsbereich des politischen Departementes in erster 
Linie auf die Prüfung und die Pflege der auswärtigen 
Angelegenheiten sich erstreckt. Dabei fallen auch hier, 
wie in den übrigen Gebieten der Bundesverwaltung, die 
endgiltigen Beschlussesfassungen in die ausschliessliche 
Kompetenz der Gesamlbundcsrates. 

Eine erste Aufgabe des politischen Departements ist 
die Prüfung alles dessen, was sich auf die Selbständig- 
keit, die Neutralität und die Sicherheit der Eidgenossen- 
schaft nach Aussen hin bezieht. Diese Fragen stellen sich 
ohne Zweifel nicht jeden Tag, verlangen aber dennoch 
eine besondere und unausgesetzte Aufmerksamkeit, weil 
sie die eigentlichen Lebensinteressen des Landes betref- 
fen, völlig unerwartet auftauchen können und dann eine 
rasche Lösung erheischen, bei der das geringste Zaudern 
verhängnisvoll werden könnte. 

Die Bundesverfassung verlangt, dass die amtlichen Be- 
ziehungen der einzelnen Kantone zu den ausländischen 
Regierungen durch Vermittlung des Bundesrates zu er- 
folgen haben. Das politische Departement untersucht in 
jedem einzelnen Fall die Natur und Tragweite der Vor- 
schläge, die Gegenstand von Unterhandlungen sein sollen. 
Ihm obliegt auch das Studium der Verträge, die von den 
Kantonen in volkswirtschaftlichen Fragen, sowie mit Be- 
zug auf nachbarliche und polizeiliche Beziehungen aus- 
nahmsweise noch von sien aus abgeschlossen werden 
können, aber keine Bestimmungen enthalten dürfen, die 
der Eidgenossenschaft zum Nachteil gereichen konnten 
oder den Rechten anderer Kantone zuwiderlaufen wür- 
den. 

Das politische Departement ist ferner mit der reber- 
wachung uiiil dem Schutz der Landesgrenzen beauftragt 
und trifft infolge dessen alle Massnahmen, die in Streitfäl- 
len zur definitiven Festlegung der Landesgrenze als not- 
wendig erscheinen. Es besorgt die Ersetzung aller derje- 
nigen Grenzsteine, die an irgend einer Stelle der Grenze 
beschädigt oder verschwunden sind. 

In allen Teilen der Erde halten sich in verhältnis- 
mässig beträchtlicher Anzahl Schweizer auf. die ihrer 
Arbeitsamkeil und ihrer geregellen Lebensweise wegen 
im Allgemeinen gul aufgehoben werden und gerne ge- 
sehen sind. Doch können es die Verhältnisse, wenn auch 
glücklicherweise nur selten, mit sich bringen, dass un- 
sere im Ausland niedergelassenen Mitbürger zur Anru- 
fung der Unterstützung von Seiten der liundeshehorden 
genötigt sind. Kann deren Vermittlung stattfinden so er- 
folgt sie durch das politische Departement. Im Notfall 
können sich die Schweizer im Ausland auch an die diplo- 
matischen und konsularischen Vertreter der Eidgenos- 
senschaft wenden, die unter der unmittelbaren Aufsicht 
und Kontrolc des politischen Departementes stehen. 

Unsere heule ziemlich vollständig ausgebildete diplo- 
matische Vertretung bei den fremden Staaten ist noch 
jugendlichen Alters, indem es vor I84N ständige schwei- 
zerische diplomatische Agenten nur in Paris und Wien 
gab. Nach den Kriegen in Ohcritalieii und der Abtretung 
von Savoyen an Frankreich lies» der Bundesrat 1861 in 
Turin einen Geschäftsträger beglaubigen, der der italie- 
nischen Regierung 18*W bei ihrer Uebersiedelung nach 
i Florenz (und spater auch nach Rom) folgte. Sofort nach 
I dem Krieg von IHlitf zwischen Preussen und Oeslerreich 
und den dadurch bedingten bedeutsamen Aenderungen 
in der politischen Lage von Deutschland erachtete der 
schweizerische Bundesrat den Augenblick für gekommen, 
sich auch in Berlin diplomatisch vertreten zu lassen. 
Er beglaubigte daher einen ausserordentlichen Gesand- 
ten und bevollmächtigten Minister beim Norddeut- 
schen Kund und den Staaten von Suddeutschland ; 1883 
: richtete er eine Gesandtschaft in Washington ein. und 
1891 sandte er einen auch in Uruguay und Paraguay 
I akkreditierten Ministerresidenten nach" Buenos Aires, 
I sowie einen Geschäftsträger nach London, welch' letzterer 
, in der Folge den Rang eines ausserordentlichen Gesand- 



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138 



SCllW 



SCUW 



len und bevollmächtigten Minister» erhielt und 1901 auch 
in den Niederlanden beglaubigt worden ist. In die neueste 
Zeit endlich (1906) fallt die Schaffung von schweizerischen 
Gesandtschaften in St. Petersburg und in Tokio. Ks be- 
sitzt also die Schweiz zur Zeit folgende diplomatische 
Vertreter im Ausland: je einen ausserordentlichen Ge- 
sandten und bevollmächtigten Minister bei dem Deutschen 
Reiche und dem Königreich Bayern (Sitz in Berlin |, in 
Frankreich (Sitz in Paris), in Grossbritannien und in 
den Niederlanden (Silz in London), in Italien (Sit/, in 
Rom), in Oesterreich- Ungarn (Sitz in Wienl, in Russland 
(Sitz in St. Petersburg), in den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika (Silz in Washington) und in Japan (Sitz in 
Tokio), ferner einen Miniaterresidenlen und Generalkon- 
sul in Argentinien. Paraguay und Uruguay (Sitz in Buenos 
Aires). 

Ausserdem unterhält die Schweiz gegenwärtig auch 
noch 99 konsularische Vertretungen (9 Generalkonsuln. 
71 Konsuln und 19 Vizekonsuln) im Ausland, und zwar 
in folgenden Staaten: Belgien (Brussel und Antwerpen), 
Dänemark (Kopenhagen). Deutsches Reich (Hamburg, 
Bremen, Leipzig. Königsberg, Frankfurt a. M.. München, 
Stuttgart, Mannheimi, Frankreich und Algerien (Hävre. 
Bordeaux. Nizza. Lyon. Resancon. Dijon. Marseille. Be- 
ziers und Algier), Griechenland (Patras und Athen). Gross- 
britannien und britische Besitzungen (Liverpool; Mont- 
real und Toronto in Canada. Port LouU auf der Insel 
Mauritius, Johannesburg und Pretoria in Transvaal ; Syd- 
ney. Melbourne. Adelaide und Brisbane in Australien), 
Italien (Turin, Mailand, Venedig. Genua, Livorno. Flo- 
renz. Ancona. Neapel. Palermo), Monaco (durch das Kon- 
sulat in Nizza besorgt), Niederlande und niederländi- 
sche Besitzungen (Amsterdam, Rotterdam und Balavia). 
Norwegen (Christiania). Oesterreich-Ungarn iTriest. Prag 
und Budapest), Portugal (Lissabon und Porto). Rumä- 
nien (Bucarest und Galat/i. Russland (Moskau. Kiew. 
Odessa, Riga. Warschau und Tillisj. San Marino (durch 
das Konsulat in Ancona besorgt), Schweden (Stockholm). 
Spanien (Madrid und Barcelona I. Vereinigte Staaten von 
Nordamerika (New York. Philadelphia. Charleston. New 
Orleans, Cincinnati. St. Louis, Chicago, Galveston, San 
Francisco. Louisville, Portland, St. Paul. Denver und 
Manila für die Philippinen). Argentinien (Cordoba. Men- 
doza, Concepcion del Uruguay, Parana. Bosario. Espe- 
ranza und Corrientes). Brasilien (Para, Pernambuco, 
Rahia. Rio de Janeiro, Säo Paulo. Desterro und Bio Grande 
do Suli, Chile i Valparaiso und Traigueni, Guatemala 
(Guatemala), Mexiko (Mexiko), Paraguay (Asuneton). Peru 
(Lima). Uruguay i Montevideo, Paysandu und Nueva Hel- 
vecia). Kongostaat (durch das Generalkonsulat in Brüs- 
sel besorgt). 

Keiner der schweizerischen Konsulatsvertreter im Aus- 
land ist reiner Berufskonsul. indem alle einen kommer- 
ziellen, industriellen oder liberalen Beruf ausüben kön- 
nen und die meisten es auch tun. Von der Kidgenossen- 
schaft erhalten sie auch keine Besoldungen, werden aber 
im allgemeinen für ihre Rureauauslagen etc. entschädigt. 
Solche Konsulatsentschädigungen sind im Jahr I9IK) an 47 
konsularische Vertretungen {X Generalkonsulate, 37 Kon- 
sulate und 2 Vizekonsulate i im Gesamtbetrag von 124<IV> 
Franken ausgerichtet worden. Die Uebernahme des zwei- 
fellos ehrenvollen, vielfach aber auch dornigen und un- 
dankbaren Amtes eines schweizerischen Konsuls erfolgt 
somit in erster Linie aus Patriotismus und Hingabe 
für die eigenen Landsleute. Den Konsuln liegt ob. nach 
Massgabe ihrer Kräfte an der Weiterentwicklung der 
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schwei/ und 
dein I-and ihrer Niederlassung zu arbeilen, Auskunft über 
die kommerziellen, industriellen und agrikolen Verhält- 
nisse ihres Konsularbezirkes zu erteilen, die ihre Hilfe 
in Anspruch nehmenden Landsleule zu schützen und 
ihnen endlich in jeder Lage mit gutem Ratschlag zur 
Seile zu stehen. In den Ländern, wo Gesandtschaften be- 
stehen, sind es diese, die im Umkreis der Hauptstadt die 
konsularischen Geschäfte besorgen und. im Namen und 
Auftrag des Bundesrates, die Aufsicht über das Konsular- 
personal im betr. Lande führen. Die Konlrole der Ge- 
schäftsführung der Gesandtschaften und Konsulate, die 
Wiederbesetzung der vakant werdenden diplomatischen 
und Konsulatsposlen. sowie die Auswahl des Personales 



der Gesandtschaften und die Regelung von dessen Wech- 
sel. Versetzung etc. bilden eine der hauptsächlichsten 
Aufgaben des politischen Departementes. An dieser Stelle 
muss auch noch angeführt werden, dass sich die Schwei- 
zer in Ländern, wo weder eine schweizerische Gesandt- 
schaft noch Konsulate vorhanden sind, sich unter den 
Schutz der Vertreter einer der Eidgenossenschaft befreun- 
deten Macht stellen können. Dies ist z. B. der Fall im Tür- 
kischen Reich, in Serbien, Bulgarien. Marokko. China. 
Siam und in einigen Staaten von Mittel- und Südamerika. 
Die Erfahrung hat schon in manchen Fällen gelehrt. das« 
der von den amtlichen Vertretern einer fremden Macht 
unsern Mitbürgern geleistete Schutz und Beistand sowohl 
bereitwillig gewährt worden als auch von Erfolg begleitet 
gewesen ist. 

Wie sich die Eidgenossenschaft bei ihr befreundeten 
Staaten diplomatisch oder konsularisch vertreten l.isst. 
so senden diese Staaten auch ihrerseits ihre Vertreter in 
unser Land. Das in Bern akkreditierte diplomatische 
Korps umfasst nicht bloss die diplomatischen Missionen 
solcher Länder, bei denen sich die Schweiz selbst diplo- 
matisch vertreten IsbsI. sondern auch noch solche anderer 
Staaten, wie z. B. von Belgien. Spanien. Portugal, der 
Türkei. Brasilien und Chile. Mit sehr wenigen Ausnahmen 
unterhalten alle zivilisierten Länder der Erde in der 
Schweiz einen oder mehrere konsularische Vertreter. 
Deren Dienstantrilt und Amtsrührung ist an die Ertei- 
lung des Exequatur durch den Bundesrat gebunden, 
welch" letzterem das politische Departemenl in jedem 
einzelnen Kall einen orientierenden Bericht erstattet. Di- 
plomatisch vertreten sind in der Schweiz : Frankreich 
durch einen Botschafter, Belgien, das Deutsche Reich. 
Grosslirilannien, Italien, die Niederlande. Oesterreich- 
Ungarn. Portugal. Russland. Spanien, die Türkei, die 
Vereinigten Staaten von Nordamerika. Argentinien. Bra- 
silien, Chile. Columbien, l'rupuav und Japan durch je 
einen ausserordenllichen Gesandten und bevollmächtig- 
ten Minister, Rayern durch einen Minislerrestdenten. 
sowie endlich Guatemala durch einen Geschäftsträger. 
Neben diesen Staaten unterhalten noch folgende Länder 
Konsulate in der Schweiz: Dänemark. Griechenland. Mo- 
naco. Norwegen. Rumänien, Schweden, Rolivia. Costa 
Rica, Cuba. Ecuador, Honduras. Mexiko. Nicaragua. Pa- 
nama. Paraguay, Peru, Salvador. Venezuela. Kongosiaat 
und Liberia. 

Neben den internationalen Angelegenheiten, deren 
Ueberwachung und Regelung dem politischen Departe- 
ment unterstehen, bildet dieses auch noch das Organ, 
durch welches der Bundesrat über die Aufrechterhaltung 
der Ruhe und olfeiitlichen Ordnung im Innern, von denen 
unter gewissen Umständen die Sicherheit des Landes nach 
Aussen abhangen kann, wacht. Kerner ist das Departe- 
ment mit der Prüfung aller derjenigen Fragen betraut, 
die die Organisation und die Regelung der Geschäftsfüh- 
rung der eidgenossischen Behörden betreffen. Diese Fra- 
gen setzen langwierige Vorstudien voraus, die sich na- 
mentlich auf die durch die Erfahrung gezeitigten Ergeb- 
nisse stützen müssen. Ebenso fallen dem politischen 
Departement als Aufgaben zu die Anordnung von eidge- 
nössischen Wahlen und Abstimmungen, die Vorlage der 
dieselben betreffenden Berichte an die eidgenössischen 
Räte, die Begutachtung der allfällig eingehenden Wahl- 
und Ahslimmungsrekurse. das Studium von die Prinzi- 
pien des Referendums und der Initiative betreffenden 
Fragen. 

Diese verschiedenen Befugnisse auf dem Gebiete des 
Innern, denen noch die Aufsicht über die Bunde^kanzlei 
anzufügen ist, sind derart, dass sie dem Departement des 
Bundespräsidenten auch auf dem Gebiet der innern Poli- 
tik ein gewisse* Ansehen zu geben vermögen. 

Besonders zeitraubend sinil für das politische Depar- 
tement die N a t ii ra I i sa t io n s- , Wiederein bürge- 
rungs- und Opl i on ssac he n . Die Erteilung eines Ge- 
meinde- und Kantonsburgei iechtes ist an eine vorgängige 
Bewilligung von Seilendes Bundesrates gebunden, dem das 
politische Departement in jedem einzelnen Fall seine Vor- 
schläge unterbreitet. In dieser Sache steht den eidgenössi- 
schen Behörden vollständige Beschlussesfreiheit zu. indem 
sie bloss die gesetzliche Bestimmung zu beachten haben, 
dass jeder die Naturalisation wünsciiende Ausländer wih- 



- 



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SCHW 



scnvv 



139 



r?nd der Dauer von zwei Jahren ununterbrochen in der 
Schweiz ansässig gewesen sein muss. DaB politische De- 
partement halte Bich im Laufe des Jahres 1906 mit 1500 
(1376 im Jahr 1905) Gesuchen um Erteilung der Bewilli- 
gung zur Erwerbung eines Gemeinde- und Kantonsbürger- 
rechtes zu befassen. Von diesen Gesuchen wurden 12XK 
bewilligt (1217 im Jahr 1905t, 5>i abgewiesen (gegen 48), 
23 von den Gesuchstellern zurückgezogen (gegen 42) ; 136 
i gegen 69 am 31. Dezember 1905) waren am 31. Dezember 
190b noch nicht erledigt. Diese Bewilligungen erstrecken 
tich auf insgesamt 3838 (gegen 3848 im Jahr 1905) Per- 
sonen. Dem Bericht des politischen Departementes über 
»eine Geschäftsführung im Jahr 1906 entnehmen wir 
noch folgende Tabelle, die sich auf die letzten 10 Jahre 
beiieht und angibt, wie viele von den Ausländern, wel- 
che in die-sem Zeitraum die bundesrätliche Bewilligung 
erhallen haben, in den Kantonen eingebürgert worden 





Erleilte 


Einbürger- 


°/o 




Bewilligungen 


ungen 
706 


85.99 


1898 


1089 


800 


81,25 


lHi*D 


9-r» 


779 


81.22 


19(1» 


107« 


883 


82.06 


191)1 


1008 


826 


81.94 


1909 


1113 


919 


82.56 


1903 


1017 


835 


82.01 


19t* 


1029 


833') 




19115 


1217 


936'1 




19t« 


1288 


635' 





Die unentgeltliche Wiedereinbürgerung von gewissen 
Personen in ihr früheres schweizerisches Bürgerrecht 
Wlffd auf Antrag des politischen Departementes vom Bun- 
desrat beschlossen und ist grösstenteils eine durch das 
Bundesgesetz vom 25. Juni 1903 eingeführte Neuerung. Her 
W ohltat dieses Verfahrens können, unter Beobachtung der 
vorgeschriebenen Fristen, teilhaftig werden die Witwen 
und geschiedenen Ehefrauen, die durch Heirat ihrSchwei- 
lerburgerrecht verloren haben oder deren iMann ursprüng- 
lich Schweizerbürger war und nachtraglich auf dieses 
Bürgerrecht verzichtet hat, ferner auch solche Personen, 
die durch besondere I mstande zum Verzicht auf ihre 
schweizerische Nationalitat veranlagst worden sind. Die 
Wiedereinbürgerung hat in der Begel auch die Naturali- 
sation der minderjährigen Kinder der wiedereingebürger- 
ten Person zur Folge Im Jahr 1906 sind 235 (gegen 257 
im Jahr 19tX>) Gesuche erledigt worden, wovon 196 (gegen 
2181 bewilligt, 34 (gegen 31) abgewiesen und 5 (gegen 6) 
zurückgezogen wurden. Diese 196 Wiederei nbürgerungen 
kamen im Ganzen 535 (gegen 509 im Jahr 1905) Personen 
in gute und zeigen, dass die durch das Gesetz von 1903 
geschaffene Gelegenheit sowohl von den interessierten 
Personen seihst als auch vom Bundesrat ausgibig benutzt 
wird. I>esgleichen wie bei den Naturalisationen wird 
loch jedes dem Bundesrat eingereichte Gesuch um Wie- 
dereinbürgerung vom politischen Departement begut- 
achtet. 

Die Optionserklärungen sind die Folge des 1879 zwi- 
schen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Ver- 
trages, der bestimmt, dass die minderjährigen Kinder 
von in der Schweiz naturalisierten französischen Eltern 
da» Recht erhalten, im Lauf ihres 22. Lebensjahres zwi- 
«chen dem Bürgerrecht der beiden Staaten zu wählen 
nnd für einen derselben zu optieren. Hie Option findet 
lot der Gemeindebehörde des Wohnortes des Optieren- 
den statt. worauT die im Jahresdurchschnitt die Zahl 150 
«reichenden Optionserklärungen (1906: 183) durch Ver- 
mittlung des politischen Departementes und der fran- 
lötisrhen Botschaft in Bern der französischen Regierung 
übermittelt werden. [Hau. DouaKRT.] 

Abteilung für das Autu*ui<iriimgMwesen. Dem Bericht 
de* politischen Departementes über seine Geschäftsfüh- 
rung im Jahr 1906 entnehmen wir die nachstehenden 
baten und Ausführungen betr. das schweizerische Aus- 
wandern ngs wesen . 

Am 11. April 1906 waren 25 Jahre seil dem Inkrafl- 

'I I>ie«e Zarten sii.il am nllttundig. «eil die in den Jabrrn 
tWH. 1*6 un.i HUT. oltailten Bewdllgungen erat 1907, l'.WS und 
t*X> «rlätchea 



treten des in Ausführung von Art. 3i der Bundesver- 
fassung erlassenen ersten Bundcsgesclzcs betreffend 
den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen ver- 
flossen. Um die Wohltaten, die der Gesetzgeber damit 
den Auswanderern sichern wollte, ihnen in wirksamer 
Weise zu teil werden zu lassen, sind in jenem Zeitraum 
eine ziemlich grosse Anzahl von Verordnungen aufgestellt 
und Massnahmen getroffen worden, bei deren Durchfüh- 
rung auch die Mitwirkung der Kantone und der schwei- 
zerischen Vertreter in den überseeischen Staaten und in 
den europäischen Einschiffungshäfen in Anspruch ge- 
nommen wurde. Das Hauptaugenmerk des eidgenössischen 
Auswanderungsamtes war auf die Verhütung leichtsinniger 
Auswanderung, die Erreichung einer humanen Beförder- 
ung der Auswanderer und eine genaue Sichtung der sich 
mit dem Auswanderungsgeschäft befassenden Personen 
gerichtet. Eine Vergleichung der Auswanderungsverhält- 
nisse vordem Erlsss des Bundesgesetzes mit den heuligen 
gelangt denn auch zu dem nicht zu bestreitenden Ergeb- 
nis, dass die Beförderung der Auswanderer und die Re- 
gelung von Anständen zwischen ihnen und den Transport- 
firmen namhafte Verbesserungen erfahren haben. Hierbei 
muss auch der grossen Fortschritte gedacht werden, wel- 
che die Schiffsgcsellschaften selbst in der Einrichtung 
der Schiffe und der Verpflegung der Passagiere einge- 
führt haben. Die gctroltencn Massnahmen Btellen sich 
nicht allein als Forderungen des Gesetzes, sondern 
auch als solche der Humanität dar und liegen im In- 
teresse der Anhänglichkeit der Ausgewanderten an ihr 
altes Vaterland. Sie scheinen besonders in einem Lande 
angezeigt, das eine relativ hohe Auswanderungsziffer auf- 
weist. 

Im Jahr 1906 sind von den schweizerischen Auswande- 
rungsagenten 5296 Schweizerbürger und in der Schweiz 
wohnhaft gewesene Ausländer nach überseeischen Staaten 
befordert worden. Auf die einzelnen Kantone verteilen 
sich die Auswanderer des Jahres 1906 wie folgt : 

Zürich 826 Schaffhausen 77 

Bern 1081 Appenzell A. R. 77 

Luzern 123 Appenzell I. R. 11 

Uri 27 St. Gallen 411 

Schwyz 158 Graubünden 153 

Obwalden 51 Aargau 195 

Nidwaiden 8 Thurgau 112 

Glarus 96 Tessin 467 

Zug 50 Waadt 170 

Freiburg 53 Wallis 156 

Soh.thurn 189 Neuenbürg 215 

Itasei Stadt 352 Genf 130 

Basel Land 108 To ta 1^7.298 

Gegenüber dem Vorjahr hat die Zahl der Auswanderer 
im Jahr 1906 um 247 oder 4,89 *V„ zugenommen, am meis- 
ten die der Kantone Zürich. Bern, Glarus, Solothurn, 
Aargau und Neuenburg ; abgenommen dagegen hat sie 
hauptsächlich in den Kantonen St. Gallen. Tessin, Wallis 
und Genf. Hinsichtlich der Heimatverhältnisse ist zu be- 
merken, dass von den 5296 Auswanderern 2917 oder 
55.08°/,, Kantonsbürger, 918 oder 17,33°/,, Schweizerbnr- 
ger anderer Kantone und 1461 oder 27.59 f ','„ in der 
Schweiz wohnhaft gewesene Ausländer waren. Die im 
Vergleich zur Uevölkerung der Schweiz nicht unerheb- 
lich starke Auswanderung il.59° (W ) ist auf die wirtschaft- 
liche Lage gewisser Landesgegenden, bezw. gewisser Ge- 
werbe (insbesondere des Klcinhauernstandes). und die 
Anziehungskraft zurückzuführen, welche die Prosperität 
einzelner überseeischen Länder, vorab der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika, ausüben. Neben der landwirt- 
schaftlichen Bevölkerung stellt das Kleingewerbe und der 
Handelsstand das grösste Kontingent zur Auswanderungs- 
ziffer, während die industrielle Arbeiterschaft in der Aus- 
wanderung nur spärlich vertreten ist. Sodann darf nicht 
ausser acht gelassen werden, dass einem Teile unserer 
Bevölkerung von jeher eine stark entwickelte Wander- 
und Abenteuerlust innewohnt, und dass von dem Schick- 
sal vieler Auswanderer, die sich in ihren Erwartungen 
getäuscht sahen, wenig oder nichts bekannt wird. 

Seit 1881 sind 165666 Personen aus der Schwei/ nach 
überseeischen Staaten ausgewandert. Dies ist selbst dann 
eine bedeutende Zahl, wenn man annimmt, dass sieh 



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UO SCHW 

unter ihnen nicht wenige befunden haben, welche die 
Reise übers Meer mehrmals gemacht haben und wahr- 
scheinlich doppelt gezählt worden sind. Durchschnittlich 
wanderten jährlich aus : 

von 1881-1885: 10718 Personen 

• 1886-1890: 7fi77 » 

» 1891-1895: 5929 » 

, lKy6-iyO0 : 2887 » 

» 1901-1906: 4862 » 
Die Auswanderungsziffer des Jahres 1906 steht somit noch 
unter dem Durchschnitt der Jahre 1881-1895, jedoch er- 
heblich über demjenigen der Jahre 1896 bis 1905. Nicht 
übersehen darf auch werden, dass alljährlich eine Anzahl 
Personen aus überseeischen Staaten in die alte Heimat 
zurückkehrt. 

Agenten. Es bestehen gegenwärtig (Ende 1906) in 
der Schweiz 31 Hauptagenturen von Schiffsgesellschaften, 
die 216 L'nteragenten beschäftigen. Die meisten Agen- 
turen linden wir im Kanton Tessin MI und Basel (9), dem 
Sammelpunkt der meisten Auswanderer. 

Aus wanderungsziele. Während die Daten, die 
über die Intensität, die Herkunft- und Heimatverhältnisse, 
sowie den Beruf der Auswanderer Auskunft geben, ziem- 
lich häufigen Fluktuationen unterworfen sind, variieren 
die Ergebnisse der Untersuchung darüber, wohin sich 
die Auswanderer begeben, seit vielen Jahren nur ganz 
unbedeutend. In der Tat stellt sich die Auswanderung 
nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in ge- 
ringerein Grade auch diejenige nach Argentinien und 
Brasilien, als eine ziemlich konstante iievölkerungsbe- 
wegung dar. Die Auswanderung nach den übrigen Staaten 
Amerikas, nach Afrika. Asien und Australien beruht auf 
Zufälligkeiten. Viele der dorthin sich begebenden Per- 
sonen sind tatsächlich nicht Auswanderer im Sinne des 
gewöhnlichen Sprachgebrauches, indem sie sich nicht 
zu bleibendem Aufenthalt nach einem überseeischen 
Platze begeben, sondern in der Absicht, nach einiger Zeit 
wieder zurückzukehren. In diese Kategorie gehören In- 
dustrielle. Kaufleute. Techniker, Leiter grosserer gewerb- 
licher Unternehmungen, Aufseher von Plantagen etc. Ein- 
zig nach gewissen Gegenden Australiens begeben sich 
neben solchen auch Landwirte. 

Angesichts der grossartigen Prosperität, deren sich die 
Vereinigten Staaten \on Amerika auf dem Gebiete der 
Industrie, der Landwirtschaft, des Minenbaus, des Han- 
deln und des Verkehrs erfreuen, dank auch den wohlge- 
ordneten staatlichen Verhältnissen, sowie dem hochent- 
wickelten Schilfahrtsverkehr nach der Union ist es nicht 
auffällig, dass sich die meisten schweizerischen Auswan- 
derer dorthin begeben. Ein weiterer Grund dieser Er- 
scheinung liegt in der Talsache, dass sich bereits eine 
grosse Anzahl von Schweizern dort aufhält. Seit Jahren 
repräsentiert die Zahl der schweizerischen Auswanderer 
nach den Vereinigten Staaten 85-89°/^ der Gesamtaus- 
wanderung. Im Jahr 1906 haben sich 45<J Personen (gegen 
4296 im Janr 1905) oder 86.35% nach der Union begeben. 
Von deren einzelnen Staaten werden hauptsächlich auf- 
gesucht: New York 12514). Kalifornien (386). Pennsylvania 
1192). Illinois (183), Ohio (159). Missouri (125). Utah (74). 
Von denjenigen Auswanderern, die als ihr Beiseziel New 
York angaben, haben sich ohne Zweifel viele nachträg- 
lich nach dem Westen gewendet. Die Vereinigten Staaten 
üben übrigens nicht allein auf die auswanderungslustigen 
Kreise der Schweiz eine grosse Anziehungskraft aus, in- 
dem dort im Fiskaljahr 11105,06 aus allen Teilen der Welt, 
hauptsächlich aus Europa, nicht weniger als 1100735 
Personen, d. h. 74236 mehr als im Vorjahr, eingewandert 
sind. 

Nach Kanada betrug 1906 die Anzahl der schweizerischen 
Auswanderer 135. gefc'en 13 im Jahr 1901, 16 im Jahr 1902. 
66 im Jahr 1903, 63 im Jahr 1904 und 118 im Jahr 1905. - 
Nach Zenlralamerika begaben sich 29 Auswanderer, näm- 
lich nach Mexiko 17, nach Guatemala 4. nach Kuba und 
St. Thomas Insel in danischem Besitz) je 1. nach Porto 
Rico 2 und nach Costarica 4. - Die Auswanderung nach 
Südamerika, die im Zeitraum 1880- 1890 ziemlich btdeu- 
tend war. dann einen starken Blickfang aufwies und im 
Jahr 1905 wieder zuzunehmen schien, hat 1906 wieder 
abgenommen. Nach Argentinien, wo ein wirtschaftlicher 
Fortschritt zu konstatieren und der Wert des Grundbe- 



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sitze« im Steigen begriffen ist, sowie reiche Getreide- 
ernten eine vermehrte Einfuhr industrieller Erzeugnisse 
ermöglichten, begaben sich im Jahr 1906 nur 442 Auswan- 
derer (gegen 471 im Jahr 1905). — Am stärksten erweist sich 
die Abnahme der Auswanderung nach Brasilien und Chile, 
wohin »ich 29 bezw. 2 Personen wendeten. Dieser Rück- 
gang beweist auf das überzeugendste, dass die im 8. und 
zum Teil noch im 9. Dezennium des 19. Jahrhunderts er- 
folgte bedeutende Auswanderung nach diesen Teilen 
Südamerikas nur eine Folge jler Künstlichen Mittel war. 
die, wie in andern Teilen Europas, so auch in der Schweiz 
angewendet wurden, um Auswanderer anzuziehen. Denn 
ihre wirtschaftliche Lage war damals nicht gunstiger als 
heute. Nach Uruguay begaben sich 9 und nach Venezuela 
1 Auswanderer. Nach den übrigen Ländern Südamerikas 
fand nie eine nennenswerte Auswanderung statt. 

Nach Süd- und Üstafrika wandten sich 9, nach den 
Kanarischen Inseln 6, nach verschiedenen Besitzungen 
europäischer Staaten und der Union in Asien 34 Auswan- 
derer, davon 15 nach Ceylon und 7 nach Singapur ; nach 
Japan und China begaben'sich 4 Personen aus der Schweiz. 
Nach Australien wanderten im Ganzen 21 Personen, da- 
von 12 nach Sydney aus. 

Auskunftsdienst. Die Abteilung für Auswanderung 
im politischen Departement befasst sich auch mit der Er- 
teilung von Auskunft über die Aussichten von Landwirten. 
Handwerkern. Handelsbeflissenen, Technikern u. s. w. in 
überseeischen Staaten. Solche Auskunftsgesuche pflegen 
jeweilen aus allen Kanonen und selbst von Schweizern im 
Ausland einzugehen. — Fur weitere Angaben ist auch der 
Abschnitt Schuvizer im Autland des Artikels « Demogra- 
phie» unseres Lexikons zu vergleichen. [Ksuaktioji ] 

2. Department des Innkun. a. Allgenteine». Für die 
Abgrenzung des Geschäftskreises des Departementes sind 
heute noch im Wesentlichen dieselben Bestimmungen 
massgebend, welche schon Art. 24 des bundesbeschlusses 
über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundes- 
rates vom 21. August 1878 enthielt. Allerdings sind im 
Laufe der Zeiten einerseits verschiedene Tätigkeitsgebiete, 
die damals dem eidgenössischen Departement des Innern 
zustanden, abgetrennt worden, so die Organisation der 
eidgenossischen Wahlen und Abstimmungen, die Ueber- 
wachung der Kundeskanzlei, die Ausführung des Rundes- 
gesetzes über Zivilstand und Ehe ; anderseits sind in- 
folge der zunehmenden Zentralisation neue Geschäfte hin- 
zugekommen, die zum Teil die Schaffung besonderer Ab- 
teilungen oder unter der Aufsicht des Departements stehen- 
der Amtsslellen notwendig machten. Diesen Veränderungen 
trägt ein Hundesbeschluss vom 28. Juni 1895 Rechnung, 
der den eben erwähnten Art. 24 des Hundesbeschlusses 
von 1878 den neuen Verhaltnissen entsprechend abge- 
ändert hat. 

Die als Abteilung « Inneres » bezeichnete Departements- 
kanzlei, welcher die speziell der Verwaltung dienende 
eidgen. Zentralbibliothek zugeteilt ist, begutachtet die Ab- 
gabe von Rundesbeiträgen, so in Bezug auf die Subven- 
tionen, welche den Kantonen zur 1 ' nterstützung der I Vimar- 
schulen alljährlich ausgerichtet werden, ferner in Rezug 
auf die Reiträgean Werke öffentlicher Gemeinnützigkeit, an 
wissenschaftliche, literarische und künstlerische Unter- 
nehmungen oder Ausstellungen. Sodann führt die Ab- 
teilung o Inneres» diejenigen Geschäfte, welche dem Runde 
gemäss Art. 27 der Rundesverfassung hinsichtlich des 
Unterrichtswesens zustehen und wozu insbesondere der 
Verkehr mit dem dem eidgen. Polytechnikum und den 
Annexanstalten vorstehenden schweizerischen Schulrate 
gehört. Im folgenden wollen wir auf die Organisation 
und den Geschäftsgang der einzelnen Abteilungens des 
Departementes etwas naher eingehen. 

b. Eidgenössitche* Staat tan- hu: Ras 1861 reorganisierte 
eidgen. Staatsarchiv befindet sich seit dem Jahre 1899 in 
einem eigenen Neubau auf dem Kirchenfeld in Hern, in 
welchem auch die Landesbibliothek untergebracht ist : 
bis zu jenem Zeitpunkte war es in den Souterrainräumen 
des Rundesratshauses installiert. - Der Mittelbau des Ge- 
bäudes ist der Hauptsache nach fur die Verwaltungsbu- 
reaux reserviert, während der ganze südliche Flügel ider 
nördliche ist durch die Landesbibliothek beschlagnahmt! 
die Aktenmagazine enthält. Diese bestehen aus einem ho- 
hen Erdgeschoss und vier niedrigen Halbetagen. die von 



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einander durch massive Flachgewölbe oder in starke 
Eiscnstäbe gefasste Glasböden getrennt und unter sich 



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141 




biv und i 
in I »tu. 



Landeabibliothsk 



mit bequemen Podesttreppen, ganz aus Eisen, verbunden 
»ind. Dazu kommen dann noch ein über die ganze Weite 
des Flügels sich erstreckender Estrich mit Oberlicht und 
einige Souterrainlokale als Lagerräume für minderwertige 
Archivalien und allerlei Utensilien. Sämtliche Aktenge- 
stelle der Magazinräume sind aus Eisen mit leicht ver- 
schiebbaren Reposituren nach System Preiswerk in Basel 
konstruiert, wodurch jegliche Feuersgefahr auf ein ge- 
ringst** Mass reduziert ist. Ueberdies besteht zu Lösch- 
iwecken eine Hydranteneinrichtung, die von verschie- 
denen Punkten, besonders von einer feuersichern Dienst- 
treppe aus in Tätigkeit gesetzt werden kann. Für die Be- 
heizung des Gebäudes ist das Niederdrucksystem in An- 
wendung gebracht ; die Beleuchtung in allen Bäumen ge- 
schieht mit elektrischem l.icht. 

Die gegenwärtigen Aktenbestände des Archivs setzen 
»ich ans vier verschiedenen Abteilungen zusammen. Es 
lind dies : 1) Die Periode der helvetischen Bepublik, 1798 
bwlSOO, etwa 4000 Bände. (UctrefTend das Eigentumsrecht 
und die Benutzung der in den Kantonsarchiven zu Aarau 
and Frauenfeld, ferner Zürich, Luzern und Solothurn 
aufbewahrten eidgenössischen Archivalien aus der Zeit 
iT»- 1798, besteht ein Tagsatzungsbeschluss vom 16. Juni 
1X4.1 — 2) Die Zeit der Mediation. 1803-1814, etwa 700 
Bande. — 3) Die Periode der sog. Bestauration und De- 
generation, 1815-1848. etwa 2500 Bände. — 4) Die neue 
teil seit 1848. Diese letztere Abteilung umfasst bereits 
einige tausend Einzelbände und Aktenfaszikel. An Ur- 
kunden im technischen Sinne des Wortes besitzt das 
Archiv im Ganzen über 1500 Nummern. 

In diesen eben aufgeführten Beständen sind nicht in- 
begriffen die Sammlungen schweizergeschichtlichen Ma- 
teriale*. das seit langen Jahren mit erheblichem Kosten- 
aufwand aus dem Ausland Tür tlas Bundesarchiv durch 
Abschriftnahme erworben wird. Diese Sammlungen sind 
gegenwärtig zu einem ganz erheblichen Umfang 
chsen und werden noch nicht sobald zum Ab- 
gelangen, da immer wieder neue Bezugsquellen 
rieh auftun und die alten noch keineswegs erschöpft 
«ind. Was auT diese Weise für das eidgen. Staatsarchiv 
nisammengebracht wird, bildet ein überaus wertvolles 
und hochinteressantes Material zu unserer Landes- 
geschichte, das hier an Ort und Stelle jedem Benutzer 
iu jeder Zeit leicht zugänglich ist und späterhin der 
Veröffentlichung durch den Druck freisteht. — Ueber den 
Fortgang der daherigen Arbeiten und die Depots, aus 
denen geschöpft wird, geben die alljährlichen Geschäfts- 
berichte der Archivverwaltung den wünschbaren Auf- 
Khluys ; hier sei nur bemerkt; dass bis dahin weitaus die 
grossten und bedeutsamsten Beiträge aus französischen, 
italienischen und englischen Archiven und Bibliotheken 
entnommen wurden, wobei als ganz besonders wichtig 
du vatikanische Archiv in Born hervorgehoben werden 
■ Leo XIII. in uneingeschränktem Masse 



derallgemeinen Benutzungzugänglich gemacht worden ist. 

Was die Oeffnung des Bundesarchivs für das Pub- 
likum anbetrifft, so unterliegt die Benutzung der Akten 
des Zeitraumes von 1798-1848 keinerlei Einschränkung. 
Für die neuere Zeit wird von Fall zu Fall entschieden, 
wobei jedoch die weiteste Liberalität geübt wird, 
soweit es immer mit der schuldigen Bucksicht auf 
Diskretion gegenüber Dritten und aut das eigene Staats- 
interesse vereinbar ist. — Die Organisation und Verwal- 
tung des Archivs basiert auf dem noch immer in Kraft 
bestehenden Archivreglemcnt vom 14. September 1864 
und der dazugehörenden « Instruktion » vom gleichen 
Datum. (Literatur : Schweiter. Archiv- und Landes- 
bibliothck-Gelniude auf dem Kirchenfeld in Bern im 37. 
Bande der Schweizerischen Bauzeitung ; ferner T Mes- 
sing, Dr. Die eidgenössischen GeMude in Bern. Bern 
o. J. (Gott Mitteilung rem Archiv-Direktor Dr. J. Kaubs.) 

c. Die Zentralbiblwthek ist der Departementskanzlei 
des Innern angegliedert und soll in erster Linie den Be- 
dürfnissen der eidgenössischen Zentralverwaltung dienen. 
Bei den Anschaffungen wird jeweilen auch die Unter- 
haltungslitcratur, soweit sie von schweizerischen Schrift- 
stellern herrührt, nicht ganz ausser Acht gelassen. Der 
durch die Uebereinkunft vom 15. März 1886 zwischen der 
Schweiz und einer Anzahl Staaten ins Leben gerufene 
internationale Austausch von Drucksachen ist im Begriffe, 
sich zu einem Stück Weltverkehr zu entwickeln. Die meis- 
ten europäischen und überseeischen Staaten haben näm- 
lich, ohne irgend welches Abkommen und ohne der zitier- 
ten Uebereinlkunft beizutreten, eigene Tauschbureaux er- 
richtet. Die Folge hiervon ist. dass das Tauschbureau der 
Zentralbibliothek statt nur mit einem Dutzend, wie in 
jener Uebereinkunft vorgesehen, nun mit ungefähr 100 
derartigen Stellen in Verkehr treten muss. 1906 sind im 
Ganzen 25030 (1905: 21000) Drucksachenpakete zur Spe- 
dition gelangt. Ausser diesem Tauschverkehr liegt der 
Zentralbibliothek ob, jeweilen die eidgenössischen Pu- 
blikationen (Bundesblatl, Amtliche Sammlung usw.) 
oder mit Unterstützung des Bundes erschienene Werke 
an etwa 90 bezugsberechtigte öffentliche Bibliotheken 
der Schweiz zu vermitteln. 

d. Schulsubrention. In Ausführung des Art. 27 der 
Bundesverfassung, sowie des auf denselben sich gründen- 
den Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 betreffend die 
Unterstützung der öffentlichen Primarschule richtet das 
Departement des Innern an sämtliche Kantone eine 
jährliche Schulsubvention aus. Am 17. Januar 1906 erliess 
das Departement eine Vollziehungsverordnung zu dem 
eben genannten Bundesgesetz von 1903. Es mag inte- 
ressieren, die im Jahr 1905 auf die einzelnen Kantone 
entfallenen Anteile an der eidgenössischen Schulsubven- 
lion kennen zu lernen : 

Kantone Fr. K«ot»«o Fr. 

Zürich 258621.60 Schaffhausen 24908.40 

Bern 353 659.80 Appenzell A. B. 33168.60 

Luzern 87911.40 Appenzell I. B. 10799.20 

Uri 15 760.- St. Gallen 150171.- 

Schwyz 44308.- Graubünden 83 616.- 

Obwalden 12208.- Aargau 123898.80 

Nidwaiden 10 456.— Thurgau 67 932.60 

Glarus 19405». 40 Tessin 110 910.40 

Zug 15055.80 Waadt 168 827.40 

Freiburg 76 770.60 Wallis 91550.40 

Solothurn 60 457.20 Neuenburg 75 767.40 

Basel Stadt 67 336.- Genf 79565.40 
Basel Land 41 098. 20 Total TÖB4 ItfTöÖ 

e. Mass und Gewicht. 1) Kurze historische Ein- 




trug, ergab Bich, dass der Bund ungenügende Hilfsmittel 
besass. um die unter sich sehr abweichenden Probemasse 
der Kantone mit dem Unnas«* zu vergleichen, und dass 
auch dieses letztere mit Mangeln behaftet war. Professor 
Wild schlug deshalb dem Departement des Innern im 
Jahre 1861 die Errichtung einer eidgenossischen Normal- 

») Vergleiche die Einleitung mr Botschaft des Bundesrates an 
die Bundesversammlung betr. Krim* eines neuen Bunde.tgeteties 
Uber Mass und Gewicht umt die Reorganisation der eidg. Eieh- 
9. Juni 1906. 



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U2 SCI1VV 

eichställe und «lio gründliche Hcform der eidgenössischen 
l'rtrusse vor. Eine vom Hundesrat ernannte Expertenkom- 
mission pflichtete den Darlegungen von Prof. Wild bei. 
In der rolge beschloss denn auch der Bundesrat am 
Ii». September 1862 die Errichtung einer Normaleichstätte 
und sandte die Professoren Wild und Mousson mit dem 
Auftrag nach Paria, dort neue Urmasse für die Schweiz zu 
beschaffen. Uber ihre Arbeiten erstatteten die genannten 
Experten 1864 einen ausfuhrlichen Bericht, und es konnte 
im gleichen Jahre die Eichstätte in der Münze eröffnet 
«erden. Als Direktor der Eichstatie wurde Professor Wild 
ernannt, der leider nur kurze Zeit in dieserStellung wirkte, 
da er bald darauf nach St. Petersburg berufen wurde. 

Auf Grund der von Prof. Wild geschaffenen Einrich- 
tungen waren seine Nachfolger im Stande, den vorge- 
sehenen Aufgaben der eidgenossischen Eichstätt* nach- 
zukommen. 

2) Aufgaben der eidg. Eichstätte (vcrgl. das Bun- 
desgcselz über Mass und Gewicht vom 3. Juli 1875). llie 
unter die Oberaufsicht des schweizerischen Departementes 
des Innern gestellte eidgen. Eichstätte steht unter der un- 
mittelbaren Direktion eines wissenschaftlich gebildeten 
Physikers von Fach, welcher für die gute Ausführung 
der ihm ubergebenen Masse, Gewichte und Instrumente, 
sowie für die Genauigkeit der auszuführenden Verglei- 
chungen verantwortlich ist. 

Die Aufgaben der eidgen. Eichstätte sind folgende : 
al Die im Laufe von IU Jahren zu wiederholenden Vcr- 
gleichungen der Kopien der Prototypen des Meters und des 
Kilogramms mit den letztern selbst. — p) Die Anfertigung. 
Prüfung. Adjustierung und Stempelung der Normal- und 
Gebrauchsprobemasse der schweizerischen Eichslälten, 
sowie die periodische Nachprüfung der Probemasse bei 
Anlas* der Inspektionen. — 7) Die Inspektionen über 
Mass und Gewicht in den Kantonen, welche jeweilen in 
einer Periode von 10 Jahren die ganze Schweiz umfassen 
sollen. — Die Ausführung aller zur sichern Begrün- 
dung des Mass- und Gewichtswesens notwendig erschei- 
nenden Untersuchungen, sowie anderer in dieses Gebiet 
einschlagender und von der Aufsichtsbehörde geforderter 
Arbeiten. — n Die Untersuchung und Stempelung der 
Thermoalkoholomcter. — Die Instruktion der neuge- 
wählten Eichmeister. Alljährlich werden im Frühjahr und 
Herbst (sofern Anmeldungen vorliegen! solche Instruk- 
tioiiskurse abgebalten. Die Kosten des Unterrichts werden 
vom Hunde gelragen. 

Die eidgen. Eichstatie hat ferner die Aufgabe, für Be- 
hörden und Private Vergleichtingen beliebiger Massgros.sen 
des metrischen Systems mit den Kopien der Urmasse aus- 
zuführen, insofern die dabei gewünschte Genauigkeit der 
Vergleichung grosser ist, als die von den schweizerischen 
Kichstälten mit ihren beschränkteren Hilfsmitteln zu er- 
zielende Genauigkeit. 

3) Geplante Ausdehnung der Aufgaben der 
eidgen. Eichstätte. In der Zwischenzeit bauten die 
die Schweiz umgebenden Länder auf der von Prof. Wild 
vorgezeichneten itahn weiter, indem sie namentlich die 
verschiedenen im Lande erzeugten Messinslrumenle aller 
Art einer Kontrolle unterzogen und mit dem amtlichen 
Stempel versahen, in vollem Uewusstsein, dass dadurch 
deren Marktwert wesentlich erhöht wird und dass der 
Staat noch weiterhin fordernd wirken kann, wenn er die 
Ergehnisse seiner Prüfungen zusammenstellt, vergleicht 
und aus denselben wissenschaftliche Schlüsse zieht, deren 
Verbreitung geeignet ist. der Technik und Industrie des 
Landes neue Ziele und neue Gi-sichtspunkte zu eröffnen. 
Auf Grund eines Postulates der Bundesversammlung vom 
2. und 211. Dezember 15)01 beauflragle der Hundesrat eine 
Fachkommission mit der Aufgabe, den Entwurf zu einem 
neuen Iiiindesgesetz uber Mass und Gewicht und die 
Heorganisation der eidgen. Eichslalle auszuarbeiten. 
Als Ergebnis dieser Heralungen erfolgle am 0. Juni 
llUXj die Hotschaft des Uumlesrates an Wie liundesier- 
saniniiung betr. Erlass eine* neuen Hundesgesetzes ober 
Mass und Gewicht und die Iteorgantsation der eidgen. 
KichstiUte. 

Vorbehaltlich der Genehmigung durch die Bundesver- 
sammlung werden durch dieses Gesetz die Arbeilen der 
eidgenössischen Eichstätte wie folgt festgesetzt : 

I. Die Kontrolle der kantonalen Eichslälten. 



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2. Folgende Prüfungen und Vergleichungen : 

a) Die Prüfung und Vergleichung von Längenmaßen 
mit den Kopien der Urmasse und deren Stempelung 
(Massstäbe, Handmasse, Messketten, Kalibermasse. litten 
für Nivellements, .Mikrometerschrauben, Ausdehnungs- 
koeffizienten, Kreisteilungen, Libellen etc.). 

b) Die Prüfung und Stempelung von Hohlmassen \ Vo- 
himenbestimmungen fester Körper. Hohlmasse für flüs- 
sige und gasförmige Körper, gradierte Gelasse etc.). 

c) Die Prüfung und Stempelung von Gewichten und 
Wagen (Handelswagen, Wagen für pharmazeutische 
Zwecke, Araeometer, Densimeter. Alkoholometer etc.). 

d) Die Prüfung und Stempelung von Thermometern. 
Barometern. Hygrometern, Manometern etc. 

e) Die Prüfung und Stempelung von Gasmessern. Was- 
sermessern. Wassergeschwindigkcitsmessern, Tachyroe- 
tern etc. 

f! Die Messung und Stempelung von elektrischen Mas- 
sen und Meßinstrumenten 1 Voltmetern. Amperemetern. 
Wattmetern. Ohmmetern, Zählern für (Weich- und Wech- 
selstrom etc.t. 

gt Die Prüfung und Stempelung von Zeitmessern, 
h) Die Prüfung uud Stempelung noch anderer Messinstru- 
mente, dieder Bundesrat bezeichnen kann. iü«d Mmedunjr 
d<r» Herr«.. I>r K. Ka.M«. Ix ekior- a. 1 d*r -id* Kicn-iait-.i 

L Subventionierte Gesellschaften und Vereine. Um dem 
Leser einen Begriff von der Tätigkeit des Bundes auf dem 
Gebiet der Unterstützung von Kunst und Wissenschaft zu 
geben, fuhren wir ganz kurz alle diejenigen auf diese 
Kategorie entfallenden Korporationen etc. an. die im 
Jahr 19U6 sich einer Bundessubvention erfreut haben ; 
1) Allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft der 
I Schweiz (Veröffentlichungen : Quellen zur Schueizerge- 
• schichte. Jahrbuch f ür S< huvtzergrschu hte etc.). — 2 
I Schweizerische nalurforx-hende Gesellschaft, resp. deren 
folgende Kommissionen etc. : Geodätische Kommission 
(18.-23. März 1906 Messung der geodätischen Basis durch 
den Simplonlunnel vermittels Imar-Drähten von 24 m 
I Lange); Geologische Kommission 1 Beiträge zur fjeologi~ 
sehen Kurte der >chweiz und geologische Spezialkartelt 1 ; 
. DenkKChriftenkoinmission i.Viie Denkschriften); Zoolo- 
i gische Gesellschaft ( Herne, sui-se de Zoologie) : Geoteeh- 
nische Kommission ( Untersuchungen über das Vorkom- 
men und die Eigenschaften der mineralogischen llohstotte 
[ der Schweiz): Concilium Bibliographicum in Zürich, 
j schweizerisches naturwissenschaftliches Iteisestipendium. 

— 3) Idiotikon der <leutsch-scl.weizerischen Mundarten. 

— 4) Schweizerische statistische Gesellschaft. — fi) Zeit- 
schrift Heperlorto di Gl uns fmidenza pal rot cantonale e 
federale. —6) Bibliografthie der schweizerischen Landes- 
kunde. — 7) Schweizerische Gesellschaft für Erhaltung 
historischer Kunstdenkmälcr. — H> Schweizerischer Turn- 
lehrerverein (Veranstaltung von Kildungskiirsen fur Turn- 
lehrer und Herausgabe der Monalsblatter für das Schul- 
turtum). — 9) Wörterbuch der Mundarten der romanischen 
Schweiz {Glossaire des ftalois nmtands]. — 10) Unter- 
stützung der Musik ^Subventionen an den Verein schwei- 
zerischer Tonkunsller tind den schweizerischen Gesang- 
und Musiklehrerverein l. — Ii i Jugendschriftenkommis- 
sionen. — 12» Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde 
\Schtreizer Archiv für Volkskunde*. — 13) Mä loroma- 
nische Gesellschaft in Chur 1 Arbeiten am rätoromani- 
schen Idiotikon). — Iii Historischer Verein der V Orte 

1 Luzern, Uri.Schwy/. Unlerwalden und Zug fur Hob. Dür- 
rer'» Geschichte der Scbweizergarde in A»mi. — l."»i His- 
torisch-antiquarische Gesellschaft Graubündens (für die 
Materialieti zur Standen- und Laudesgeschuhte). — Iii] 
Schweizerischer elektrotechnischer Verein , Subvention 

' von 10000 Fr. zur Unterstützung der Einrichtung und des 
Betriebes einer provisorischen elektrotechnischen Eich- 
stätte). — 17) Schweizerischer l.ebensversicherungsverein 
1 Vermögens-Siatus pro Ende 1i**i: Ii 171)722 Fr.). — IM' 
Jahrbuch des l'uterriehtswesens tu iti-r Schweiz von Dr. A, 
Hulier. — 19) Hiiloroninmsi he C.hresltmialh'e von Prof. 
Dr. C. Decurtins. — 20' Schweizerischer Schiilatlas isoll 
1907 in erster Auflage erscheinen]. — 21 1 Schweizerische 
permanente Schulausstellungen ^ in Zürich. Bern. Frei- 
liurg, Neuenburg und l.aiisaunei. — 22 1 Arbeitsplatz am 
zoologischen In-hlut Dr. Ikdirn in Neapel. — 23 1 Arbeits- 
platz am physiologischen Institut Marey in Boulogne sur 



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143 



Seine. — 24t Internationale seismologische Assoziation. — 
i">i [tax £>i-h>r*izerhaus nach seinen landwirlncha( 'Hielten 
V-irnwn uml seiner geschichtlichen Entwicklung von 
l'rof. J. Ilunziker. 

g. Hebung der Kunst; Erhaltung vaterländischer 
Aitertuiner. Dem Departement des Innern unterstehen 
1 1 ii- lOgliederige eidgenössische Kunslkoromission (Ar- 
beitskreis : Ankauf von Kunstwerken. Austeilung von Sti • 
pendien aus dem Kunstkredit, Begutachtung von Gesuchen 
um lieiträge ao die Errichtung nationaler Kunstdenkmä- 
ler, um Veranstaltung nationaler Kunstausstellungen, 
»-•liwi'izcrisfhes Knnsterlextknn etc.) und die 6 gliedcrige 
ridgenosst-rhe Kommission der Gottfried Keller-Stiftung 
Arbeitskreis : Ankauf und He> taiiralioii von Kunstwerken ; 
Erhaltung von solchen bestehenden Kunstwerken, deren 
niTontliehe Zweckbestimmung dem Lande bleibend zuge- 
sichert ist i . sowie das Museum Vela in Ligornetto. lier 
labiebl des Departements unterworfen ist auch das 
Schweizerische La nd es mu neu in . Im Jahr INWt 
machte Professor Solomon Vögelin in Zürich im National- 
st die erste erfolgio«e Anregung zur brtuidung eines 
schweizerischen Nalionalmuseums. Dagegen entstand noch 
io demselben Jahre auf Veranlassung von < »berst Theodore 
de Sauasure in Genf die « Schweizerische Gesellschaft zur 
Erhaltung historischer Kunstdenkmäler >. 18KJ bot die 
erste schweizerische Landesausstellung in Zürich Ge'e- 
genheit zu einer grösseren Ausstellung nationaler Alter- 
tümer, deren Kindruck auf die Besucher ein so grosser 
war. d.is» Prof. Vögelin die günstige Stimmung benutzte, 
um abermals in den eidgenössischen Baten für seine Idee 
etototreten. Die Folge davon war der Gescl/cscrlass vom 
30, Juni I88*i betreifend • die Beteiligung des Bundes an 
■ len Bestrebungen fur Krhalliing und Erwerbung vater- 
ländischer Altertümer » und die Erhebung des Vorstandes 
oben genannter Gesellschaft zur • Eidgenössischen Kom- 
mission für ErhaltunK »chweizei ischer Altertümer », wel- 
che mit dem Jahr I8K7 ihre Einkäufe begann. Letztere 
bestanden von Anfang an hauptsächlich in vollständigen 
Zimmereinrichtungen oder Teilen solcher und zielten da- 
durch direkt auf die künftige Errichtung eines srhweize- 
• - Ii, n Museum* hin. Dies gab im Jahr 188H Veranlassung, 
die Frage der Erbauung eines Nalionalmuseums auls 
Neue anzuregen, um dessen Silz sich bald daiauf die 
Stidtt Basel, Dern, Luzern und Zürich ofliziell bewarben. 
I'ntersliilzl wurde die Bewegung durch ein Legat des 
Iiasler Baumei-lers L. Merian. welcher drr Eidgenossen- 
schaft sein beträchtliches Vermögen samt einer ansehn- 
lichen Aller litmei Sammlung zum Zwecke der Gründung 
«•ines Nationalmuseums vermacht hatte. Durch die An- 
nahme dieses (teschenkes seitens der Uun- 
ilesbehorden war die Errichtung des Mu- 
KDini im T'rinzipe beschlossen. 

Noch im gleichen Jahre erfolgte durch 
die eidgenossische Allertümerkommission 
die Aufstellung eines Programme* für die 
künftigen Sainmhiitgen als Wegleituiig für 
di'' Architekten in den verschieden» n Städ- 
ten. Am 17. Oktober 1tv88 starb Prof. Sal. 
Yogelin. l'mso eifriger arbeiteten seine 
zürcherischen Gesinnungsgenossen nicht 
aar an der Verwirklichung des Projektes. 
Mindern auch daran, dass Zürich /.um Sit/.e 
•le» neuen Institutes erwählt werde. Dieses 
»unle durch einen Bundesbeschluss vom 
i". Juni 1890 begründet, mit dem Zwecke. 
« bedeutsame vaterländische Altertümer ge- 
schichtlicher und ktinslgewerblicher Natur 
aufzunehmen und planmässig geordnet auf- 
lubewahren ». AI« Sitz des Landesmuseunts 
wurde im Jahr IKÜl Zürich bestimmt. Das 
< 1 >a ude des La nd e* museu ms . dessen I irund- 
»teinlegung am 29. April 1893 stattfand, ist 
eine Schöpfung des Architekten G. üall. 
l'K'lnstallation Desorgte die Direktion, wel- 
che für den Ausbau im Innern und die 
Eingliederung der alten Bauteile seit I. Au- 
fu»t IHÜ6 ein eigenes Baubureau hesass. Ers- 
ter Iiirektor des Museum9 warder 1892 gewählte hervor- 
ragende Kenner II. Angst aus Hegensberg. Die L'rollnung 
da Museums erfolgte am 25. Juni IS98. Als (irundstock 



I der Sammlungen dienten die seit mehreren Jahr- 
zehnten im sog. Helmhaus in Zürich aufbewahrten Er- 
werbungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich 
und die von der Eidgenossenschaft seit 1887 angekauften 
schweizerischen Altertümer, die bisher an verschiedenen 
Orten deponiert waren. Dazu kamen sehr wertvolle 
Depositen der Zürcher Stadlbibliolhek und der Zünfte, 
sowie die grosse Sammlung von Altertümern aus 
dem Si'hloss Schwandegg 'geschenkt von C, Fierz-I^n- 
dis). Der Inhalt der Wallenhalle wurde zum grössten 
Teil durch Depositen des kantonalen Zeughauses von 
Zürich geliefert. Eine Anzahl der hervorragendsten 
Stucke wurde durch die eiligen. Kommission der Gott- 
fried Keller-Stiftung erworben und im Landesmuscum 
deponiert. Ebenso bedeutend war der Zuwachs durch 
die Einvet leibung der grossartigen l'rivatsamnilung des 
Direktors II. Angst, die vorerst deponiert, später aber un- 
ter Vorbehalt von gewissen Gegenleistungen als Schenkung 
an die Eidgenossenschaft übergegangen ist. Die Samm- 
lungen sind von einem Beichtum. «ler schon zur Zeit der 
Eröffnung des Museums allgemeine l'eberraschung her- 
vorrief und durch die seitherigen Ankäufe immer noch 
gewachsen ist. 

Die ältesten im LandesmuBcum aufbewahrten Objekte 
sind die Fundstücke aus der von Dr. J. Nüesch in Schaff- 
hausen entdeckten paläolithischen Felsenhohle vom 
• Schweizersbild», sowie aus der Hohle von Thaingen 
(Schallliausen). Die jüngere Steinzeit (bis etwa 2000 vor 
Christus) ist durch Funde aus den schweizerischen Pfahl- 
bauten und aus Hügelgräbern vertreten ; ebensodie Bronze- 
zeit i etwa '2000 — 1000 \. Chr. I. Aus der sog. Ei«enzeit iseit 
etwa 1000 v. Chr.) besitzt das Landesmuseum einen ganz 
besonderen Beichtum von Gegenständen durch die mehr- 
jährigen Ausgrabungen im Kanton Tessin. speziell aus 
den Gräberfeldern von Ceriuasea-Arb. do und Giubiasco. 
Die römische Epoche und das frühe Mittelalter sind im 
Landesmuseum noch verhältnismässig spärlich vertre- 
ten. Mit dem 13. Jahrhundert beginnt dagegen eine fast 

ununterbrochene Reihe von bedeutenden Altertümern. 

welche die Entwicklung des schweizerischen Kunstge- 
werbes bis zum 19. Jahrhundert veranschaulichen. Aus 
dem 13. Jahrhundert sind die schön verzierten Backsteine 
des Klosters St. Urban und der Hilterschild des Arnold 
von Brienz hervorzuheben, aus «lern 14. eine Anzahl Grab- 
steine, Coldschmieilcai heilen. Elfenbeinschnitzereien und 
die berühmte Wappenrolle von Zürich. Ausserordentlich 
reich ist das 15. Jahrhundert vertreten. Es beginnt die 
stattliche Heilte von vollständigen alten Zimmereinrich- 
tungen: die Katslube von Mellingen 1 14(37), die gotischen 





Schweixeritchas Landesmutsum in ZQrich. 

Zimmer aus dem F'raumunslerkloster in Zürich (um 1530). 
die glänzenden Henaissancezimtner aus Chiavenna und 
dem Seulenliof in Zürich u.a. in. Zu den besonderen Spe- 



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zialitäten des Landesmuseums gehört die Glasmalerei, die 
in ungefähr 300 Meisterwerken vom 15.-17. Jahrhundert 




Eidgenöaiinchei Polytechnikum in Zürich. 

vertreten ist. Die Erzeugnisse der schweizerischen Kera- 
mik erreichen ihre Höhepunkte in den Winterthurer 
llafnereien des 17. Jahrhunderts und im Porzellan von 
Zürich und Nyon aus dem Ende des l& Jahrhunderts. 
Winterthurer Keramik und Zürcher Porzellan sind im 
Landesmuseum so glänzend vertreten, dass überhaupt 
nur hier ein gründliches Studium dieser Kunstzweige 
moplich ist. Auch für die Geschichte der schweizerischen 
Möbel enthält das Landesmuseum reichlichere Anhalts- 
punkte als irgend eine andere Sammlung des I .indes. 
Dasselbe gilt von der Sammlung derKostume. l'niformen. 
Waffen und Fahnen. In der Waffenhalle sind die Waffen 
von l'lrich Zwingli und die Geschenke des Papstes 
Julius II. an die Eidgenossen (1512) besonders zu beach- 
ten. In der Schatzkammer sind, hauptsächlich zufolge 
wertvoller Depositen, die Werke der vorzüglichsten 
Goldschmiede von Zürich vereinigt, und auch die mittel- 
alterliche Goldschmiedekunst überhaupt ist durch treff- 
liche Werke vertreten. I)ie Plastik des 15. und 16. 
Jahrhunderts kann vornehmlich an geschnitzten Altären 
und Heiligenfiguren studiert werden. Eine eigentliche 
Bildergalerie enthält das Landesmuseiini nicht; indessen 
sind einige der hervorragendsten schweizerischen Maler 
durch wertvolle Arbeiten vertreten. So z. H., aus dem 
Ende des 15. Jahrhunderts, der Herner « Meister mit 
der Nelke» (wahrscheinlich Heinrich Hichler) der 
Zürcher Hans Leu d. ä. ; aus dem Anfang des 16. Jahr- 
hunderts der ausgezeichnete Hans Fries von Freilmrg. 
Von Hans Holbein d. j. besitzt das I.amlesimiseum die 
berühmte bemalte Tischplatte von 1515; vom Zurcher 
Maler Hans Asper einige gute Bildnisse, vor allrm das 
mächtige Portr.it des Wilhelm Frölich, gen. Tugginer. 
Die Textilkunst bietet als besonders feine schweizerische 
Erzeugnisse eine Anzahl farbig gestickte Teppiche und 
reizvolle Stickereien auf weisser Leinwand. Das am meis- 
ten bewunderte Prachtstück der Textilkunst ist ein ge- 
waltig grosser französischer Gobelin, der das Hominis 
zwischen Ludwig XIV. und den Eidgenossen vom Jahr 
166:) darstellt. 

Die Entwicklung der Sammlungen war seit der Eröff- 
nung des Museums eine so bedeutende, dass bereits das 
Bedürfnis einer Erweiterung des Gebäudes eingetreten 
ist. (Vergl. Lehmann. Hans. Offizieller Führer durch da» 
Schweizer, Landexmuscuni in Zürich). 

In Bezug auf die übrigen im Bundesbeschluss vom 
90. Juni 1886 vorgesehenen Arten der Beteiligung des 
Bundes an der Erhaltung vaterländischer Altertümer sind 
zu nennen : Beilrage an die Erhaltung historisch oder 
künstlerisch bedeutsamer Baudenkmäler i 1906: Fr. 51 930;; 
Beitrage an Ausgrabungen 1906 in Avenrhes, Hasel \ugst. 
Windisch, Irgenhausen bei Pfaftikon. Martigny, Königs- 
felden und Valangin etc. Fr. 12 780): Unterstützungen an 
kantonale Altertumssammlungen (1906: Fr. 7620i. 

h. Eidgenössische polytechnische Schule {Fidgeni'tssi- 



nhet Polytechnikum) . Art. 22 der 'ersten Bundesverfas- 
sung von 1848 bestimmte folgendes : • Der Band ist befugt, 
eine Universität und eine polytechnische 
Schule xu errichten >. Nachdem die eid- 
genössische Hochschule vom Ständerat 
verworfen worden war. nahmen National- 
rat und Ständerat am 4. bezw. am 7. Fe- 
bruar 1854 das Postulat der Errichtung einer 
eidgenössischen polytechnischen Schule in 
Zürich an, die bereits im Jahr 1855 eröff- 
net wurde. Mit ihrer Leitung ward der sog. 
Schweizerische Schulrat betraut, der xur 
Zeit aus 7 Mitgliedern besteht. 1863 bezog 
die Schule das auf einer Terrasse am Hang 
des Zürichberges gelegene grossartige Ge- 
bäude, das nach den Plänen des genialen 
Architekten Gottfried Semper errichtet wor- 
den ist. An die Seite dieses Prachtbaues 
• sind in den letzten Jahren eine Anzahl 
von Neubauten getreten, die mit ihrer in- 
nern Ausstattung für die Zwecke der Wis- 
senschaft Zeugnis davon ablegen, dass die 
Eidgenossenschaft und ihre Organe der 
einzigen bis jetzt bestehenden eidgenössi- 
schen Schule stetsfort eine vor keinen 
Opfern zurückscheuende Sorge entgegen- 
bringen » (O. Hunziker). Ks bestehen am eidgen. Polytech- 
nikum folgende Abteilungen : Architektenschule (Dauer 7 
Semester). Ingenieurschulc(7Semester). mechanisch-tech- 
nische Schule (7 Semesterl, chemisch-technische Schule 
(7 Semester), chemisch-pharmazeutische Schule i4 Se- 
mester). Forstschule (6 Semester», landwirtschaftliche 
Schule (5 Semesten. Kulturingenieurschule (5 Semester). 
Schule für Fachlehrer in mathemalisrh-|>!i\-nkalischer 
Dichtung (8Semeslerl. Schule für Fachlehrer in natur- 
wissenschaftlicher Dichtung (6 Semester |, allgemeine 
philosophische und staalswissenschaftliche i Freifächer- 1 
Abteilung, militärwissenschaflliche Abteilung. Der Ge- 
samtschule steht ein Direktor und jeder einzelnen Ab- 
teilung ein « Vorstand » vor. Das Studienjahr beginnt im 
Oktober. Das jährliche Schulgeld betragt 150 Fr. Das 
Polytechnikum zählte im Studienjahr 1905 06 1325 regu- 
läre Studierende und 879 Zuhörer (1895 96 : 787 bezw. 
463; 1885 86 : 414 bezw. 356). so dass die Gesamtzahl der 
Besucher 2204 betrug. Von den regulären Studierenden 
waren 8(13 Schweizer und 522 Ausländer. Im Studien- 
jahr 1905 06 gehörten dem Lehrkörper an 65 Professoren, 
44 Honorarprofessoren und Privatdozenten, 70 Hilfsleh- 
rer und Assistenten. Es besteht eine Witwen- und Wai- 
senkasse der Lehrerschaft «les eidg. Polytechnikum*, 
deren Statuten vom 24. Juni 1K99 datieren und 11X16 revi- 
diert worden sind. 

Die Schule ist mit allen notwendigen Ijiboratnrien, In- 
stituten und Sammlungen aufs beste ausgerüstet. Beson- 
ders erwähnt möge die Bibliothek »ein, die Ende 1906 
einen Bestand von über 63300 Bänden aufwies. Als An- 
nexan-talten zum eidg. Polytechnikum bestehen : die 
eidg. M a t er i a I p rü fu ngsa ns t a 1 1 , die sowohl durch 
Auftrage wie durch wissenschaftliche Untersuchungen 
ziemlich stark in Anspruch genommen wird, und die 
eidg. Zentralanstalt für das forstliche Ver- 
suchs wesen. Auf das von der eidg. polytechnischen 
Schule im Jahr 1905 gefeierte Jubiläum ihre« 50jährigen 
Bestandes ist eine prachtvoll ausgestattete Festschrift in 
2 Ouartbänden erschienen, deren erster Teil von Prof. 
W. Occhsli verfasst ist und den Titel trägt : Geschichte 
der Gründung des eidg. Polytechnikunis ; mit einer 
l'ehersicht seiner Entwicklung i#55-1905. 

i. Schweizerisches Gesundheitsamt. Durch Beschhits 
der Bundesversammlung wurde 1893 beim Departement 
«les Innern zur Durchführung der demselben durch Ver- 
fassung, Gesetz und internationale Verträge zugewiesenen 
Aufgaben aus den Gebieten der Sanitätspolizei und der 
öffentlichen Gesundheitspflege eine besondere Abteilung 
für Sanitatswesen errichtet. Ueber diesen Dienstzweig 
ibt Auskunft eine im Handwörterbuch der schicnzer. 
'olksvirtsehaft. Sozialpolitik und Yrrunltunq erschie- 
nene Arbeit von Dr. F. Schmid. dem Direktor des Amtes, 
der wir mit gütiger Erlaubnis von Verfasser und Heraut- 
geber (Prof. Dr. N. Beichesberg) folgendes entnehmen : 



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1i5 



1. Entstehung. Durch die Bundesverfassung von 
1874 sind der schweizerischen Eidgenossenschaft auf dem 
tiebiete des öffentlichen Sanitätswesens Aufgaben erwach- 
sen, deren Lösung fachmännische Hilfe nötig machte. 
Diesem Bedürfnis gehorchend, bestellte der Kundesrat 
1£79 eine eidgenossische Sanitätskommission, welcher 
fünf Aerzte angehörten. Der auf drei Jahre gewählten 
Kommission wurde die Aufgabe erteilt: a. Alle vom eid- 
genössischen Departement des Innern ihr überwiesenen, 
iu den Bereich des Art. 64* 1 1 der Bundesverfassung fallen- 
den Angelegenheiten u>rzuheralcn und zu begutachten ; 
b. In Sanitätasaehen, soweit sie in die Befugnisse des 
Hundes fallen, die Initiative zu ergreifen und bei dem De- 
partement des Innern diejenigen administrativen und 
legislativen Schritte anzuregeu, welche ihr im Interesse 
des Landes geboten erscheinen. 

Nach Ablauf der ersten Amtsperiode wurde die Sanitäts- 
Ic/mmissioii indessen aufgelost, weil sie, wie in den eid- 
genössischen Halen betont worden war, der gesetzlichen 
Grundlage entbehrte und man eine solche Grundlage offen- 
bar nicht schaffen wollte. 

In der Folge wandle sich das eidgenössische Departe- 
ment des Innern in den Fragen, zu deren Erledigung ärzt- 
liche Kenntnisse notwendig oderwünschbar waren, an die 
schweizerische Aerztckommission. ein aus Delegiertender 
drei grossen ärztlichen Vereine der Schweiz (Aerztlichcr 
Zentralverein, Society med icale de la Suisse romandc, So- 
cietä medica tlella Svizzera italiana) bestehendes Kolle- 
gium, welchen dem Departement seinen Hat und seine 
Hilfe bereitwillig und unentgeltlich zur Verfügung ge- 
stellt hatte. Trotz der hervorragenden Dienste, welche die 
Aerzlekomiim.sion dem Bunde leistete, erwies sich ein 
derartiges Verhältnis auf die Dauer als nicht ausreichend. 
Die Durchführung <lesam 2. Juli 1886 erlassenen Hundes- 
aesetzes betreffend Massnahmen gegen gemeingefährliche 
Epidemien und verschiedene andere Aufgaben machten 
die Anstellung eines Sanilatshcamlen im eidg. Departe- 
ment des Innern dringend notwendig. Auch die schweize- 
rischen Aerztevereine hatten die Unzulänglichkeit der bis- 
herigen Einrichtung längst erkannt und nach reillicher 
Beratung an kantonalen und an schweizerischen Aerzte- 
Ugen gegenüber den Bundeshehörden den lebhaften 
Wunsch ausgesprochen, es möchte, ähnlich wie für In- 
dustrie und Handel, für Ackerbau und Arbeiterfragen auch 
tur das schweizerische Gesundheilswesen eine ständige 
Idchmäniiische Vertretung errichtet werden. Im Einver- 
ständnis der eidgenössischen Bäte, welche den hierfür 
vorgeschlagenen Dosten im Budget uro 1K89 genehmigten, 
vkunde die Stelle eines eidgenössischen Saiiitätsreferenten 
^-schaffen uud auf den I. Juli 18X1 besetzt. In der Be- 
gründung dieser Neuerung (Budgethotsrhalt vom 22. Ok- 
tuber 18}«) sprach der Bundesrat sich ausdrücklich dahin 
ans, er betrachte die vorgeschlagene Ordnung der Ange- 
legenheit nur als eine provisorische und er behalte sich 
vor. Anträge zur gesetzlichen Regelung der Krage zu stel- 
lt- n, sobald er genügende Erfahrungen gesammelt habe. 

Nach vier Jahren, am DJ. .Mai 1893, beantragte der 
Bundesrat der Bundesversammlung, die Organisation des 
eidgenössischen Sanilätswesens durch Errichtung einer 
besonderen Verwaltungsabteiluiig, des schweizerischen 
''tsundheitsamtes. auf dem Departement des Innern defi- 
nitiv zu regeln. Den Anstoss hierzu gab die am 15. April 
lrtfl zwischen den Delegierten der Schweiz (Minister Dr. 
Roth in Berlin und Sanitalsreferent Dr. F. Schund in Bern) 
uod den Delegierten von 15 andern europäischen Staaten 
Abgeschlossen«! und von der Bundesversammlung rat i Ii - 
ziert*- Internationale SanitäUkonvcntion betreffend ein- 
heitliche Schulzmassnahmcn gegen die Cholera, wodurch 
di« Schweiz gegenüber den übrigen Verlragsstaaten Ver- 
ptlichtuugen übernommen halte, zu deren Erfüllung ein 
gut organisiertes, mit genügenden Arbeitskräften verse- 
henes ständige» Amt notig wurde. Dass aber auch ohne 
diese besondere Veranlassung eine Entwicklung der Ad- 
ministration des eidgenössischen Sanitätsdienstes in dem 
angegebenen Sinne nicht auf sich hätte warten lassen, 
geht aus der Botschaft des Bundesrates betreuend die 
kreitrung des schweizerischen Gesundheitsamtes, vom 

' Art. <:.*!. Dem Bunde steht die fiesatigeburg l> her die gegen 
geiDtiDgeiahrlicbe Kplderaien uod Vicnieurheo zu trelfcndeo 
«esuBdhr.Uj.olixeilichoo Veifftgupgeo iu. 



19. Mai 18B3. deutlich hervor. Es wird darin, unter Hin- 
weis auf die seit 1889 gemachten Erfahrungen, auf die 
Leistungen der neuen ßeamtnng, deren Geschäftsverkehr 
sich in den vier Jahren verdreifacht hatte, auf die dadurch 
bedingte Unmöglichkeit, verschiedene wichtige Arbeiten 
so zu fordern, wie es wünschhar gewesen wäre, auf die 
in Aussicht stehende Erweiterung des Arbeitsfeldes (durch 
das in Angrill zu nehmende Lebensmittelgesetz und an- 
dere legislative und administrative Aufgaben), der evidente 
Nachweis geleistet, » nicht nur, das» die Schaffung einer 
besonderen Beamlung fiirdiesehweizerische Yolk^gesund- 
hcilspllegc einem dringenden Bedürfnisse entsprach, 
sondern dass dieselbe, um allen Anforderungen, die au 
sie gestellt werden, zu genügen, unbedingt noch der Er- 
weiterung bedarf «. Item fugt die bundesrätliche Botschaft 
am Schlüsse folgendes allgemeine Argument bei : - Wir 
stehen in der Kinsurv tu r die Erhaltung und Forderung 
der VulL.-p'MHulljrii. d>-^ gnissten und vornehmsten aller 
Güter, ili-s kapital», auf dem jegliche Arbeit und jeder 
wahrt' Kurts«. -lu-itt \«.r allem aus beruhen, bedeuten«! hin- 
lerun^erii NiU'hliai staah-n zurück, und es ist unsere Pflicht, 
nach Mi^lichU-n dafür /u sorgen, dass dieser Vorsprung 
wieder i-ingi-lmlt werde. Unsere jährlichen Auslagen für 
die YiehsL-uclii-iipoli/.ei allein betragen gegen Kr. 150000. 
während der Bund fur die Yolksgesundheitspllege (Ver- 
hütung und Bekämpfung der Menschenseuchen ■ mit Ein- 
schlug» der Medi/iiiLtlpt iifuiigen bis jetzt pro Jahr nicht 
über Ki . :iii(Kni w-rau-^abt hat. Diese Summen stehen 
nicht im richtigen Verhältnis zu einander und zu der 
Grosse und Wichtigkeit der betreffenden Aufgaben, und 
es ist gewiss nicht unbescheiden und ungerechtfertigt, 
wenn verlangt wird, dass für die VolksgesundheiLspfh-ge 
in Zukunft etwas mehr getan werden mochte. - 

Die schweizer. Aerztekummission hatte bereits in einer 
wohlmotiviertcn Eingabe vom 29. Oktober 1892 an das eidg. 
Departement des Innern den Wunsch ausgesprochen, 
den eidgen. Saiiitätsreferenten an die Spitze einer kleinen 
Abteilung für Gesundheitswesen zu stellen und ihm das 
nötige Bureaupersonal zu gewahren. « damit er selber 
sich dem ganz unerlässlichen Dienste der Initiative, Nach- 
schau und Kontrolle ausgibiger widmen könne als bisher". 

Die eidgen. Bäte verschlossen sich den angeführten 
(iründen nicht, und so kam am 28. Juni 1893 der Bundes- 
beschhiss betr. Organisation einer besonderen Abteilung 
für Gesundheitswesen (schweizer. Gesundheitsamt) beim 
eidgen. Departement des Innern zustande. 

2. Organisation und Aufgaben. Das schweizer. 
Gesundheitsami besieht nach dem vorerwähnten llundes- 
beschluss aus: einem ärztlichen Direktor, einem Adjunk- 
ten und einem Kanzlisten. Weitere Kanzh-iaushulfe wird 
nach Bedürfnis angestellt. Entgegen der in den meisten 
andern Staaten und auch in der Mehrzahl der schweizer. 
Kantone bestehenden Einrichtung eines ständigen Bei- 
rates in Form einer Sanitälskommission, besitzt das 
schweizer. Gesundheitsamt kein standiges amtliches kon- 
sultatives Kollegium. Dagegen hat sich die schweizer. 
Aerzlekommission dem eidg. Departement des Innern, 
bezw. dem schweizer. Gesundheilsamt für die Beratung 
und Begutachtung \on sanitären Kragen zur Disposition 
gestellt, ein Anerbieten. \on dem in allen sich bietenden 
Fällen Gebrauch gemacht wird. Da es aber auch Kragen 
gibt, zu deren Behandlung sich die Beiziehung anderer 
Fachmänner (Tierarzte, Apotheker. Chemiker. Bakterio- 
logen, Techniker etc.) empfiehlt, so wird in solchen 
Källen die Zusammensetzung der zu konsultierenden 
Kommission jeweilen dem vorhandenen Bedürfnis an- 
gepasst. Ausserdem hat das Gesundheitsamt die Kompe- 
tenz. Kachmänner oder wissenschaftliche Institute mit 
der Vornahme experimenteller Untersuchungen oder mit 
der Abgabe von Gutachten zu betrauen, wenn es derselben 
zur Lösung gewisser Fragen bedarf. 

Die Aufgaben und Kompetenzen des Gesundheitsamtes 
sind im Wesentlichen folgende : a. Behandlung der ihm 
vom Bundesrate bezw. vom eid^. Departement des 
Innern überwiesenen Geschäfte, namentlich aller der- 
jenigen, welche sich auf das eidgenössische, das inter- 
kantonale oder das internationale Sanil. ils- und Medi/.inal- 
wr-sen beziehen. — b. Sorge fur die richtige Vollziehung 
des eidgen. Lpidemiengesefzes : Kontrolle. Zusammen- 
stellung und Veröffentlichung der Erkraiikungsaiizeijjen ; 

19« - (itOGR. i.kx. V - Ut 



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146 SC1IW 

U e b e r w:i ch u n g d er e rg r i ffe n e n Massnahmen und eventuelle 
Anordnungen; Prüfung der lterichte über die abgelaufe- 
nen Epidemien und der Kostenrechnungen, sowie Antrag- 
stellung über die seitens des Bundes auszurichtenden 
Entschädigungen ; Begutachtung der subventionsberech- 
tiglen Projekte für Absonderungshäuser und Desinfektions- 
anstalten und Kontrolle der in Betrieb gestellten ; peri- 
odische Inspektionen sämtlicher zur Bekämpfung der 
gemeingefährlichen Kpidemien erstellten Einrichtungen j 
l'eberwachung des Sanitätsdienstes auf den Verkehrs- 
anstalten und an der Landesgrenze. — c. Regelmässige 
Sammlung. Zusammenstellung und Veröffentlichung der 
Berichte und Mitteilungen über das Auftreten exotischer 
Setichen, namentlich Cholera und Best, im Ausland. — 
d. Sorge für eine wöchentliche Berichterslaltung seitens 
der kantonalen Sanitätsbehörden über da« Auftreten auch 
der nicht unter das Epidemiengesetz fallenden anstecken- 
de« Krankheiten, Zusammenstellung und Veröffentlichung 
der erhaltet)*!) Meldungen ZU Banden derSanitatsbehörden 
und Aerzte. — e. Veranstaltung besonderer Enqueten 
nber das Auftreten bestimmter Krankheiten (z. B. der 
Inltuenza. der Diphtherie). f. Fortlaufende Sammlung 
der inländischen und ausländischen Gesetze und sonstigen 
Erlasse über das Gesundheit*- und Mcdizinalwescn. — 
g. Sammlung der Sanilalsberichte der Kantone und der 
grössern Schweizerstädte. der Berichte von Kranken- 
nnd Pflegeanstalten u.s. w. — h. Materialsammlung und 
Ausarbeitung von Entwürfen für gesetzgeberische Erlasse 
und fur administrative Verfügungen im Sanit ts- und 
Medizinalwesen. - i. Auskunflserleilting an in- und ans- 
ländi-ehe Sanitätsbehörden und Medizinalpersonen in 
Sanilats- und Medizinalangelegenheiten und Vermittlung 
gegenseitiger Anregungen. k. Statistik des schweizeri- 
schen MeJizinalpersonals (Aerzte. Zahnarzte, Apotheker 
und Hebammen ' und, soweit möglich, auch de« Kranken- 
pflegepersonals. — I. Herausgabe (in Verbimlung mit 
dem eidgenössischen statistischen Bureau) des Saiuta- 
riseh-tlftmtgrafiltiiirht'n W'ai'henbuUetius nVr SrhweK, 
welches den Sanitätsbehörden und Aerzten unentgeltlich 
zugestellt wird. — m. Zusammenfassendr Berichterstattung 
über die Leistungen des Bundes (und der Kantone) auf 
dem Gebiete des Gesundheils- und Medizinalwesens. 
Ii . Seit Beginn des Jahres 1905: Hie Besorgung der Ge- 
schäfte de* eidgen. Medizinalprufiingswesens. 

Ausserdem kommen dem Direktor des Gesundheitsamtes 
noch folgende besondere Obliegenheiten zn : 

o. Teilnahme an den Sitzungen des leitenden Aus- 
schüsse! fur die eidgenossisc 1 - en Medizinalprufungen (mit 
beratender Stimmei. p. Ausstellung von Leichenpässen 
fuiLeirhentransporte ans dem Auslnnd in orler durch die 
Schweiz. 

3. Bisherige Leistungen. Es kann sich hier nicht 
darum handeln, einen auch nur annähernd vollständigen 
Bericht ober dicTaligkcit des Gesundheitsamt« zu geben. 
Es sollen vielmehr nur einige Dunkle hervorgehoben 
werden, um einen Begriff von der Bedeutung des Amtes 
zu geben. 

Ein.' Hauptaufgabe war die Sorge für die richtige Ausfüh- 
rung des Bundesgesetzes betreffend Massnahmen gegen ge- 
meingefährliche Krankheiten Best. Cholera, Flecktyphus 
und Borken', sowie der internationalen Sanitatskonven- 
tionen von Dresden i 185«) he! rettend Massnahmen gegen 
die Cholera und von Venedig 1 1-SüTi betrellend Massnahmen 
gegen die Best. Es ^alt. diese nationalen und internati- 
onalen Vorschriften in Eebereinslimmung zu bringen und 
«leren Befolgung durch eine Beihe von Erlassen zu sichern. 
Es seien davon bloss folgende erwähnt! Verordnung betr. 
den Leiehentransport. vom b\ Oktober 1X91 . Anleitung zur 
Desinfektion bei Cholera, vom 28. Juli 1893; Verordnung 
nlier die Massnahmen zum Schutze gegen die Cholera, 
soweit sie die VerkehrsaiMallen. den l'ersonen-. den 
Gepäck-und Warenverkehr be reifen, vom l. August 1X93; 
Anweisung zur Entnahme und Verpackung der an die 
bakteriologischen Unlersu. hungsstellen einzusendenden 
Cholera verdächtigen Untersuchun jsobjekte. \.>m 28. Juli 
181«. Eebereinkunfl zw isehen ihr Schweiz und Oesterreich- 
Ungarn betrellend die Anwendung besonderer Sanitäts- 
n a -nahmen für den Crcnzvcrkehr und fur den Verkehr 
über den Bodensee bei Choleragefahr. vom 20. Marz 1896; 
Reglement betrellend die Desinfektion bei gemeingefahr- 



SCHW 

liehen Epidemien, vom,,4. Dezember 1899; Verordnung 
über die Massnahmen zum Schutze gegen die Cholera 
und die Pest, soweit sie die Verkehrsanslalten, den Per- 
sonen-, den Gepäck- und den Warenverkehr betreffen, 
vom 30. Dezember 1899; Verordnung betreffend Pestlabo- 
ratorien und die Vornahme von Untersuchungen in Fällen 
von Pestverdacht zur Feststellung der Diagnose, vom 30. 
Juni 1900. Die Ausarbeitung der Ltesinfektionsverordnun- 
gen und die Anweisungen zur Vornahme von Untersuch- 
ungen in Fallen von Cholera- oder Pestverdacht halte eine 
Reihe von experimentellen Vorarbeiten nötig gemacht, 
mit deren Vornahme, in Ermangelung eines eigenen bak- 
teriologischen Laboratoriums, das Institut für Infektions- 
krankheiten in Bern beauftragt wurde. Daselbst fanden 
1901 auch InstruktiooskurBe statt für die vom Bundesrat 
bezeichneten bakteriologischen Sachverständigen, denen 
es obliegt, bei vorkommenden Fällen von Pestverdacht 
die Diagnose festzustellen. Die Gefährlichkeit derartiger 
bakteriologischer Untersuchungen machte die Erstellung 
besonderer, den Anforderungen der oben erw ähnten Ver- 
ordnung entsprechenden Pestlaboratorien notwendig, die 
mit Bundeshilfe in Bern. Zürich. Basel. Lausanne und 
Genf errichtet worden sind. 

Von Anfang ihrer Tätigkeit an haben der eidgen. Sani- 
tätsreferent und dann das schweizer. Gesundheitsamt 
sich bemüht, die Erstellung zweckmässig eingerichteter 
Absonderungshäuser und Desinfektionsanstalten mit allen 
Mitteln zu fordern. Als Wegleitung für den Bau und die 
Einrichtung solcher Bauten waren schon 1889 besondere 
Normalien mit Planskizzen publiziert worden. Die Zahl der 
bis Ende 1906 mit Bundessubvention (gegen 70OQOH Fr.t 
errichteten oder im Bau begriffenen Absondern ng^häuser 
beträgt .V», die Zahl der angeschafften transportablen Ba- 
racken II, die Zahl der Desinfektionsanstalten 47. die 
Zahl der angeschafften fahrl>aren Dampfdesinfektionsap- 
parate 31, die Zahl der Formaldc hyd-Pcsinfektionsappa- 
ratc .77. Im fernem wurden durch die Verordnungen be- 
treffend die Massnahmen gegen Cholera und Pest die 
Eisenbahnverwallungen verpflichtet, in Zeiten von Cho- 
lera- oder IVstgefahr auf den vom Bunihnrat bezeichneten 
Krankenühergabeslationen lim Ganzen BÖ. davon 21 I.. 
•24 IL und 58 III. Klasse, je nach ihrer Wichtigkeit* i-2 
zweckmässig eingerichtete Lokale fur den Sanitätsdienst, 
die Untersuchung und vorläufige Isolierung der verdäch- 
tigen Kranken und fur die notwendigen Desinfektionen 
zur Verfügung zu stellen, eine Vorschrift, aufweiche bei 
dem Neubau von Bahnhöfen gebührende Bücksicht zu 
nehmen ist. Auf einigen Stationen sind zu dem angege- 
benen Zwecke besondere Baracken erstellt worden ; die 
internationale Grenzstation Buchs besitzt ein nach den 
Vorschlägen des Gesundheitsamtes errichtetes neues Ge- 
bäude Tur den gesamten Seuchen - Sanitälsdienst mit 
Warte-, Untersuchungs-, Isolierungs-, Pouche- und 
Waschräumen. Desinfektionsanstalt und Arzlzimmer. 

Mit Schutzmassnahmen gegen die Cholera hatte sich 
das Gesundheitsamt hez.vv. der eidgen. Sanitatsreferent 
zu befassen hauptsächlich in den Jahren 1892 und 1893 
(Kosten Fr. 91766. wovon der Bund den Kantonen die 
Häirte vergütete) und mit Massnahmen gegen die Ein- 
schleppung der Best sei! dem Jahre 1896 ununterbrochen 
bis zur Gegenwart. Um in dieser Hinsicht nichts zu un- 
terlassen, wurde vom Gesundheitsamt eine Sammlung 
der eidgen. Erlasse betreffend Massnahmen gegen gemein- 
gefährliche Epidemien Bern 1901t zusammengestellt und 
sämtlichen Sanitätsbehörden und Aerzten zugesandt. Auch 
an Vorträgen und Publikationen zur Belehrung über die 
Verhütung und Bekämpfung der Pest und Cholera lies« 
man es nicht fehlen. Im Sommer 189-2 wurde in Zürich 
bei einer aus Paris zugereisten, leicht erkrankten Dame 
Cholera konstatiert, sonst ist in dieser ganzen Zeit weder 
ein Cholera- noch ein Pestfall auf Schweizergebiet vorge- 
kommen ; verschiedene vorsorglich internierte verdach- 
tige Falle erwiesen sich bei genauerer Untersuchung und 
Beobachtung als Erkrankungen anderer Natur. 

Die vom 10. Oktober bis 3. Dezember 19113 in Paris ab- 
gehaltene, von 25 Staaten beschickte internationale Sani- 
tätskonferenz hat zu einem neuen internationalen l eber- 
einkommen betrellend die gemeinschaftlichen Massnah- 
men zur Abwehr der Cholera und der Pest geführt, wel- 
ches in einigen wesentlichen Punkten von den Bestiro- 



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SCHW 



U7 



der Konventionen von 1893 und 181)7 abweicht. 
Die neue Konvention bedingt eine partielle Üevision der 
bestehenden eidg. Cholera- und Pcstverordnungen. 

Von den im eidgenössischen Epidemiengeselz genann- 
ten gemeingefährlichen ansteckenden Krankheiten ist 
j«it dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausschliesslich die 
Pockenkrankheit (Variola. Blattern) in der Schweiz auf- 
getreten, in sehr verschiedener Verbreitung und fast im- 
mer aus dem Ausland (namentlich aus Italien und Frank- 
reich! eingeschleppt. Wo der erste Fall sofort erkannt 
und isoliert wurde, gelang es in der Hegel, die Epidemie 
im Keime zu ersticken. Das schweizer. Gesundheitsamt 
bemühte sich jederzeit, mit allen ihm zu Gebote »lehen- 
• i' n Mitteln auf eine möglichst prompte Anwendung der 
Vorschriften des Epidemiengesetzes nicht nur bei au-;c- 
»prochenen. sondern auch schon bei bloss verdächtigen 
Krankheitsfällen hinzuwirken. Die daherige Tätigkeit wird 
am besten illustriert durch folgende Tchersicht der jähr- 



Knie wichtige Angelegenheit, mit der sich das Gesund- 
heitsamt seit Jahren beschäftigt, ist die Frage der Revi- 
sion des eidg. Epidemiengesetzes, bezw. der Ausdehnung 
desselben auf andere epidemische oder ansteckende Krank- 
heiten, wie Diphtherie, Scharlach, Abdominaltyphus, viel- 
leicht auch Tuberkulose. Gerade für die Bekämpfung 
der letztgenannten, wichtigsten Volkskrankheil, hat sich 
das Gesundheitsamt stets in hohem Masse interessiert 
und der Gründung von Volkssauatorien für Iii ustkr.itike 
in der Schweiz, sowie den weitern nationalen und inter- 
nationalen Bestrebungen (schweizerische Zentralkomniis- 
sion zur Bekämpfung der Tuberkulose, schweizerische 
Enquete zur genauem Eruierung der Ursachen der Ver- 
breitung dieser Krankheit, Gründung von Fürsorgean- 
Ntallen. Erholungsstalionen und Spezialspitälern für Tu- 
berkulöse, internationale Tuberkulosekonimission, inter- 
nationale Tuberkulosekongresse) grosse Aufmerksamkeit 
geschenkt und dafür gearbeitet. 




Kart« dar Heil- und Reltuu^saniUlten «Irr Schweis. 



ch in der Schweiz konstatierten Pockenfälle und der aus 
der Bekämpfung derselben erwachsenen Kosten: 

Knttatider Ilnk.lmpliirig, 
Pocken- Pocken- inr ll.illle mm llundn und mr 

Jshr ersrankungon tudesfulla Hallte von deo KasttOMS und 

GeiueiodeQ getragen 



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4 


42U0.49 


lüüfj 


255 
74 


85 
13 


J 176372.60 



Seit 19U0 besteht in Bern ein vom Bunde subventio- 
niertes I'asteur'sches Institut zur Behandlung der von wul- 
kranken Tieren gebissenen Personen, über welches dem 
Gesundheitsamt die Oberaufsicht zusteht. 

Ueber das Auftreten und die Verbreitung der Inlluenza 
in der Schweiz in den Jahren 1889-1894 wurde eine Er- 
hebung vorgenommen und ein Bericht darüber in der 
/eilst jtrtft [tu- xchuviwrixrhr Sliitisltk i I8i)5. 3. Heft) 
verollentlicht. Ebenso veranstaltete das Gesundheitsamt 
in den Jahren 1896 bis 1898, unter ausgedehnter Zuhilfe- 
nahme der Bakteriologie, eine möglichst genaue Statistik 
aller in der Schweiz vorkommenden Diphlhcriefälle, um 
sichere Anhaltspunkte über die Verbreitung dieser Krank 
heit und wo möglich auch über ihre Aetiologie, ihre DuV 
gnoseelc. zu erhallen. Das ausserordentlich umfangreiche. 
16590 Fälle umfassende Material ist seither statistisch be- 
arbeitet worden und wird den Gegenstand einer dem- 
nächst erscheinenden Publikation bilden. 

Die Vorarbeiten für ein schweizerisches l.ebensmitlel- 
gesetz, dem schon seit dem Ende der 70er Jahre des 19. 
Jahrhunderts durch Postulate der eidg. Bäte und durch 
Petitionen aus verschiedenen Volkskreisen wiederholt ge- 
rufen wurden war, sind von dem eidgen. Sau ilatsrei'ei etilen 



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148 



SCHW 



SCIIW 



begonnen, dann von dem Gesundheitsamt fortgesetzt und 
unter Zuziehung von mehreren Fachkommissionen zu ' 
Knde geführt worden. Am Ii. Juli 1897 wurde der von , 
iler Bundesversammlung gutgchcissene Entwurf zu einem 
neuen Artikel 69 |J,> der Hundesverfassung, welcher dem ! 
Hunde das Hecht gibt, über den Verkehr mit Nahrungs- 
und Genussmitteln und mit Gebrauchs- und Verbrauchs- 
gegenständen, soweit solche das Leben oder die Gesund- 
heit gefährden können, zu legifeneren, vom Volke und 
den Ständen mit grossem Mehr angenommen. Anderthalb 
Jahre später, am 2*. Februar 1899. unterbreitete der Bun- 
desrat der Bundesversammlung einen Gesetzesentwurf 
nebst zudienender Botschaft, begleitet von den durch das 
Gesundheitsamt zusammengestellten Materialien, worun- 
ter eine 784 Seiten umfassende systematische Zusammen- 
stellung der bestehenden Gesetze und sonstigen Erlasse 
des Rundes, der Kantone und der grossem städtischen 
Gemeinden über den Verkehr mit Lebensmitteln und Ge- 
brauchsgegenständen, sowie der wichtigsten ausländi- 
schen I.ebensmittcIgeseUe. Das seither vom Standerat 
und vom Nationalität durchberatene. am 8. Dezember 1905 
von der Hundi-sversammlung und am 10. Juni 1900 vom 
Schweizervolk angenommene Bundosgeselz betr. den Ver- 
kehr mit l.ehensmilteln und Gebrauchsgegenständen sieht 
die Schaffung einer neuen besondern Abteilung für Le- 
bensmitlclkontrole auf dem schweizerischen Gesundheits- 
amte vor. 

Eine weitere Aufgabe wird dem Gesundheitsamt er- 
wachsen aus dem durch die Hrüsseler Konferenz vom 15. 
Iiis 20. September 1902 vorbereiteten internationalen Ueber- 
einkommen betrelfend Vereinheitlichung der Vorschrif- 
ten für die stark wirkenden Arzneimittel, das am "29. No- 
vember 1908 zum Abschluss gelangt und dem auch die 
Schweiz beigetreten ist. Die am 17. März 1903 vom Bun- 
desrate zur Ausarbeitung einer neuen (vierten) Ausgabe 
iler schweizerischen Pharmakopoe ernannte Pharma- 
kopöckommi&sion hat übrigens schon von sich aus be- 
schlossen, den Hestimmungen der Vereinbarung bei ihren 
Arbeiten Rechnung zu tragen. 

Schliesslich sei noch der Beteiligung des Gesundheits- 
amtes an iler schweizerischen Landesausstellung in Genf 
1890, sowie an der Weltausstellung in Paris 1900. an der 
Tubcrkuloseausstelliing in Paris 1905 und iler Simplon- 
ausstellung in Mailand 1900 Erwähnung getan. Diese Aus- 
stellungen des Gesundheitsamtes, welche in erster Linie 
ein Bild seiner eigenen Tätigkeit zu geben versuchten, 
fanden allseitige grosse Anerkennung, namentlich seitens 
iler Fachkreise, und wurden in Paris und Mailand mit 
dem Grand Prix ausgezeichnet. 

Das Gesundheitsamt steht mit den obersten Sanitätsbe- 
hörden zahlreicher Staaten in schriftlichem Verkehr und 
gegenseitigem Schriftenauslausch, Beziehungen, welche 
\on grossem Nutzen sind und durch die Teilnahme an 
den internationalen Kongressen für llvgiene und Demo- 
graphie ganz wesentlich gefordert werden. Diese alle drei 
Jahre stattfindenden Kongresse haben überhaupt für die 
Kiilwirklung der nationalen und internationalen Gesund- 
heitspflege, sowie der Sanilats- und der Medizinalverwal- 
Hing die allergrösste Bedeutung- In Würdigung dieser 
Tatsache hat denn auch der schweizerische Bundesrat, 
neben andern offiziellen Delegierten, regelmässig einen 
Vertreter des Gesundheitsamtes an die genannten Kon- 
gresse abgeordnet. Die von den Delegierten jeweilen er- 
statteten Berichte an die Üundcsbehorde über die Aus- 
führung ihrer Mission enthalten viel schätzbares Material 
und zahlreiche für die Schweiz nützliche Anregungen 
und haben wiederholt den Anstoss zu zweckmassigen 
Verbesserungen gegeben. 

Das von dem schweizerischen Gesundheitsamt in Ver- 
bindung mit dem eiligen, statistischen Bureau seit dem 
Beginn des Jahres 1894 herausgegebene Sanitarisch-de- 
mographixrhc W'iwhenbulletin der Schweiz enthält aus- 
ser der Kataliläts- und der Mortalilätsstatistik und der 
Statistik der Kranken- und Irrenanstalten etc. wöchent- 
liche Nachrichten über das Auftreten der epidemischen 
Krankheiten im In- und Auslande, die eidgenössische und 
kantonale Gesetzgebung über das Gesundheit»- und Medi- 
/inalwesen und die öffentliche Krankenpflege, Berichte 
über die eidgenössische Sanitätsverwallung, über hygi- 
enische Kongresse, fachwissenschaftliche Kollegten und 



I Vereine. Institute etc., bibliographische und andere den 
! Hygieniker und die Sanitätsbehörden interessierende Mit- 
, teilungen. 

4. Bibliographie. Baader, A. Die Organisation des 
\ schweizer. Gesundheitsamtes (im Korrespondenzblatt für 
Schweizer Aerite. 1887). — Sonderegger, L. Ikis soge- 
nannte eidgen. Gesundheitsamt (im Korrrspondenzbiat r 
für Schweizer Aertte. 1888). — Orenville, de. Hapjiort 
presente u l'assemblee des medeeins suisnes ü Lausanne 
sur un projet <l 'Organisation »anitaire federale. (Herne 
medicale de la Sui'sse romande. 1888). — Sonderegger, L. 
Die Reorganisation des schweizer. Sanitülswesenx in, 
Jahre il<>ilt (im Korrespondenzblntt für Schweizer Aerzte. 
1889). - Schmid, F. Das schweizer. Gesundheitswesen. 
Bern 1891. — Eingabe der schweizer. Aerztekommissum 
an di'n Bundesrat betreffend Kreierung einer besonder n 
Abteilung für Gesundheitswesen auf dem eidgen. Depar- 
tement des Innern i schweizer. Gesundheitsamt i : vom 49. 
Oktober 1892. — Carriere, II. L'hygiene publique en 
Suisie. Geneve 1900. — Geschäftsberichte des Bundesra- 
tes (im Schweizer. Bundetblatt). — Weitere Literaturan- 
gaben in : Schmid, F. Gesundheitswesen. {Bibliographie 
der schweizer. Landeskunde. V 8). 

k. Eidgen. Statistisches Bureau. Die Statistik hat in 
der Schweiz ihren fruchtbringenden Aufschwung und 
ihre umfassende Entwicklungerst seit der 180*» erfolgten 
Gründung des eidgenössischen statist'achen Bureaus ge- 
nommen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts begnügte 
man sich mit einer Zählung der Personen zum Zwecke 
der Erhebung von Steuern und der Feststellung der 
Starke des militärischen Aufgebotes. Nachher fugte mau 
auch noch eine Zählung der Haushaltungen und des Vieh- 
bestandes bei. Vor 1798 konnten nur wenige Kantone 
wirkliche Volkszählungen aufweisen. Die er^te bekannte 
Zählung, die diesen Namen wirklich verdient, ist die- 
jenige, die in Zürich auf Veranlassung des Antistes Fins- 
ter im Jahr 16*34 stattfand und kirchliche Zwecke ver- 
folgte. Auffallend ist, daas man die erste regelmässig 
wiederkehrende Volkszählung einem ausländischen Für- 
sten verdankt: Friedrich II. von Preussen verordnete 
nämlich im Jahr 1752, dass in seinem Fürstentum Neuen- 
bürg alljährlich im Dezember eine Zählung der Bewoh- 
ner staltlinden solle. Die erste allgemeine Volkszählung 
ist das Werk der Behörden des helvetischen Einheits- 
staates. Wahrend der Zeit der Mediation (18tÖ-18l5> fan- 
den in verschiedenen Kantonen Volks- und Viehzählungen 
statt, und der Schweizerische Beobachter veröffentlichte 
neben Berichten über Landwirtschaft und l'nterrichL*- 
wesen selbst statistische Tabellen über die Geburten. 
Todesfälle und Eheschliessungen. In Ausführung eines 
Tagsatzungsbeschlusses vom 7. September IH36 schritt 
man in den Jahren 1836-1838 zur Vornahme einer all- 
gemeinen schweizer. Volkszählung, die nach Kantonen 
ausgeführt wurde und als Grundlage zur Bestimmung der 
Militärkontingente und Geldleistungen der einzelnen eid^. 
Stände dienen sollte. Die so erhaltene Gesamtsumme der 
Einwohner war 2190258 Personen. Dies ist die erste, 
wirklich durchgeführte allgemeine Volkszählung in der 
Schweiz; sie fand aber nicht an einem bestimmten Tai: 
statt, wie dies heutzutage allgemeine Hegel ist. 

Mit 1848 ist für die Statistik eine neue Aera angebro- 
chen, dank zum grossen Teil dem Bundesrat Stefano 
Franscini, einem in volkswirtschaftlichen Fragen und in 
der Statistik sehr kundigen und erfahrenen Mann. Da* 
Bundesgesetz vom 2S Mai 1849 über die Organisation und 
die Befugnisse der verschiedenen Departemente teilt die 
» Statistik der Schweiz » dem Departement des Innern zu. 
dem zujener Zeit gerade Franscini vorstand. Da die neue 
Verfassung die Wahl des Nationalrales auf Grund der 
Bevölkerungsziffer vorsah, fand in der Woche vom 18. auf 
den 23. März IKV) eine allgemeine Volkszählung statt, 
die seither periodisch geworden ist und alle zehn Jahre 
wiederholt wird. Wenige Jahre später einigten sich der 
Bundesrat und die Kommissionen des National- uml 
Ständerales zu dem gemeinsamen Beschluss der Grün- 
dung eines ständigen Bureaus, dem die Vornahme von 
statistischen Erhebungen ausschliesslich übertragen sein 
sollte. Das ilie Gründung eines statistischen Bu- 
reaus betreffende Bundesgesetz vom 21. Januar lt*Su 
stellt dieses Amt unter die Aufsicht de* Departementes 



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SCHW 

uec Innern und umgrenzt seine Aurgaben und Zwecke. Ea 
liegt dem Bureau ob a) die Aufstellung einer vollständigen 
Statistik der Schweiz ; b) die Herausgabe von periodischen 
Publikationen über diejenigen statistischen Elemente, 
die besonders raschem Wechsel unterworfen sind, und 
liegebenen Falles auch die Veröffentlichung von Mono- 
graphien über Spezialgebiete. Der Rundesrat setzt jedes 
Jahr da« vom statistischen Bureau auszuführende Arbeits- 
programm fest. Zur Beschaffung des benötigten stati- 
stischen Materials setzt sich das Bureau mit den Kan- 
tonsregierungen in Verbindung. 

Von nun an hat sich das statistische Bureau sielig 
seiter entwickelt. Ben rein demographischen Zählungen 
Volkszählungen, Eheschließungen, Geburten. Todesfälle) 
haben sich mit der Zeil andere Erhebungen und Zählun- 
gen angegliedert, von denen wir ala die hauptsächlichsten 
netinen: die seit 1866 zehnjährigen und seit 1896 fünf- 
jährigen Viehzählungen ; Statistik der Versicherung ge- 
k-en Feuerschaden. HandelssUtislik, Unfallstatistik. Ar- 
tiieostatistik, Statistik der Sparkassen; pädagogische 
Prüfung, ärztliche Untersuchung und Prüfung über die 
physische Leistungsfähigkeit der Stellungspflichtigen bei 
>!en Hekrutierungen ; Bestand und Bewegung der Bevöl- 
kerung in den Irrenanstalten und den Gefängnissen, 
Herausgabe des Statistisch™ Jahrbuches dfr bchieeiz, 
Mitarbeit am Sctnitariseh-dentogranhisrhen W'oehenbnl- 
Ir-nn der Schweiz ; eidg. Zählung der landwirtschaft- 
lichen, industriellen und kommerziellen Betriebe vom II. 
AuguM 190T»; Verifikationen der Unterschriften von Re- 
ferendums- und Initiativbegehren. 

Am 1. Januar 1907 zählte das Personal des eidg. sta- 
tistischen Bureau« 26 ständige Beamte und Angestellte, 
sowie 46 provisorische Gehilfen, welch' letzlere sich aus- 
schliesslich mit der Durchsicht des Zählmaleriales be- 
«chäfligeu. 

Seit dem 1. Januar 1885 besteht beim Finanz- und 
Z"lldepartement eint* besondere Abteilung für Handels- 
Statistik, wie auch dem Post- und Eisenbanndepartement 
eine eigene statistische Abteilung angegliedert ist. (Gell. 
Mitteilung des Direktors des eidg. statistischen Hureaus). 

Die Metcitrulogische Zentralanstalt, die im eidg. 
I'hysikpebäude in Zürich untergebracht ist, ist verhält- 
nismässig jungen Dalums. Regelmässige und auch stren- 
geren wissenschaftlichen Anforderungen genügende Be- 
obachtungen besitzen wir von einzelnen Orten unseres 
Lande« schon aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; 
<••« sind hier besonders zu nennen die langjährigen, guten 
Heobachtungsreihen von Basel, Genf und vom Grossen 
Si. Hemhanl. Eine die ganze Schweiz umfassende ein- 
heitliche OrganiHation ist alter jungem Datums. Im Jahr 
]-^3 errichtete die schweizerische Nalurforscheiide Ge- 
<ell«ch.ift unter finanzieller Mitwirkung der Kantone und 
namentlich des Hundes ein Netz von 80 Stationen, an 
welchen nach einheitlichem Plan und mit uniformen In- 
•trumenten meteorologische Beobachtungen angestellt 
■•unten. Diese Beobachtungen sind noch heute in allem 
Wesentlichen dieselben. Betr. Instrumentarium und Art 
tmd Weise der Beobachtungen vergl. die Instruktionen 
'■•rdit! llcoltachter tier meteorolog. Stationen der Schweiz. 
I'ie Zentralstelle für Sichtung und Drucklegung der 
Beobachtungen wuchs sich im Laufe der Zeit zur heu- 
tigen Meteorologischen Zenlralanstalt aus. die seit 1881 
ab Bundesinstitut der aus acht Mitgliedern bestehen- 
den eidg. Meteorologischen Kommission, sowie einem 

i^enen Direktor unterstellt ist. Die Anstalt publiziert 
jährlich die Heobachtungsresultate aller Stationen in 
einem Jahrbuch, das 1864 bis 1880 unter dem Titel 
S'liiceizermche nteteorologische Heotmehtiintfen und seit 
IWI als Attmtlfti der schieeizerischen meteorologischen 
Irntrulnnttalt herausgegeben wird. Die Anstalt gibt fer- 
ner ein täglich erscheinendes Wetterbullelin heraus, das 
jetzt die Morgenbeobachlungen von 24 Stationen der 
Mi weiz. gleichmassig über alle Teile des Landes ver- 
teilt, und dazu noch die Mitlagsbeobachtungen von 13 
übrigen, ausgewählten BeobachtungspoBten enthält, sowie 
im Interesse des Kurwesens und der Fremdenindustrie 
«■it 11)06 auch die Beobachtungen der Stationen Engel- 
brrv. Einsiedeln und Zermatt veröffentlicht. Seit 1901 
•^scheinen ferner noch die Ergebnisse der tüglichen Xie- 

i'ruhlagsmestungenaufden meteorologischen und He- 



SCHW 149 

genmess-Stalionen der Schweiz, welche neue Publikation 
vorwiegend praktischen Zwecken ihre Entstehung ver- 
dankt. Im ganzen funktionierten auf Ende 1908 119 me- 
teorologische und 2Ti9 Hegenmcssstationen, total 378 
Beobachtungsposten . 

Die Zentralanstalt beteiligt sich auch an den an gemein- 
sam vereinbarten Termintagen erfolgenden internationa- 
len Ballonaufstiegen zur Erforschung der meteorologi- 
schen Zustände in den höhern Luftschichten. 1906 wur- 
den 10 Freiballons lanciert, die alle die Höhe von 10000 
Metern beträchtlich überschritten. Im Ganzen fanden au! 
Veranlassung der ZentralansUlt seil Mai 1903, d. h. seit 
Beginn ihres Eintrittes in die internationale Vereinigung 
für wissenschaftliche Luftschiffahrt. 44 Registrierballon- 
aufetiege statt, nämlich im Jahr 1903: 9, 1»04: 11. 1905. 
14 und 1906: 10 Aufsliege. Nach dem Beschluss der eidg. 
meteorologischen Kominission soll die Zentralamitalt zu 
der internationalen Vereinigung im gleichen Verhältnis 
wie bisanhin verbleihen, sich dabei aber das Recht vor- 
behalten, die für unser Alpenland besonders interessan- 
ten freien Versuchsfahrten mit ins Arbeitsprogramm auf- 
zunehmen und sich dabei nicht zu strenge an die Ter- 
m in tage hallen zu müssen. 

m. Schuwizerische Landeshibliothek .Die Vorgeschichte 
der schweizer. Landesbihliothek beginnt schon mit dem 
Ende des 18. Jahrhunderls, indem der helvetische Minister 
Stapfer neben der Gründung einer schweizerischen Hoch- 
schule, einer Kunstakademie, eines naturhistorischen 
Museums, in Verbindung mit dein Archiv auch eine N a- 
t i on a 1 b i h I i ol he k plante. Schon waren die Anfänge 
davon vorhanden, als der helvetische Einheitsstaat im 
Jahr 1803 zusammenbrach. Damit war auch das Schick- 
sal der Hibliothek besiedelt, deren Bestände bei der Li- 
quidation im Jahr 1803 zu Spottpreisen verschleudert 
wurden. Doch war der Gedanke Slapfers nicht begrahen. 
und Besonders in den 40er und 50er Jahren wurden wie- 
derholt Anstrengungen gemacht zur Gründung einer 
schweizerischen « Natioualbibliothek • entweder als selb- 
ständige Schöpfung oder in Verbindung mit einer eidge- 
nössischen Hochschule. Die letzlere kam indessen nicht zu 
Stande, und auch für das erstere Projekt war bis in die 
letzten Jahrzehnte wenig Aussicht auf Verwirklichung vor- 
handen. Zwar bestand in Verbindung mit dein Departement 
des Innern schon seit den 50er Jahren eine «eidgenös- 
sische Hibliothek», später « Zentralbibliothek » genannt. 
Diese war, ursprünglich nur für die Beamten «ler Verwal- 
tung bestimmt, filier diesen engen Kähmen bald hinausge- 
wachsen, und so musste der Gedanke nahe liegen, dieses 
Institut zu einer Nationalhildiolliek auszubauen. Am 
4. März 1891 richtete Dr. F. Staub. Redaktor des Idiotikons, 
eine Eingabe an den Rundesrat, in welcher er eine Er- 
weiterung der « eidgenössischen Zenlralbibliothek » in dem 
Sinne befürwortete, dass ihr neben ihrer bisherigen Tätig- 
keit zur Aufgabe gemacht werde: «eine vollständige Zu- 
sammenstellung sämtlicher Schriften des In- und Aus- 
landes bis auf den letzten Rechenschaftsbericht, welche 
unser Volk und unser Land betreffen, mit Einschluss ar- 
tistischer Darstellungen von Sitten. Trachten und Ge- 
bräuchen, von Kunst- und Hauwerken. Prospekten und 
Portrait*, auch von geschichtlichen Ereignissen, ferner 
aller Schriften, welche Schweizer zu Verfassern haben •>. 
Mit diesen Worten war die Formel gegeben, welche alle 
früheren Anregungen auf diesem Gebiete zusanunenfasste. 

Die Denkschrift von Staub wurde unterstützt durch die 
Zentralkommission für Bibliographie der schweizerischen 
Landeskunde und die Literarische Gesellschaft in Bern, 
welche im Frühjahr 1902 mit ausführlichen Eingaben an 
die Bundesbehorden gelangten ; später schlössen sich noch 
andere schweizerische Vereine und Gesellschaften an. 

Diese Gesuche fanden günstige Aufnahme. Schon in den 
Rudgetenlwurf für 1893, welcher der Bundesversammlung 
im Dezemlier 1892 vorgelegt wurde, halle das Departe- 
ment des Innern einen Posten von 2301)0 Fr. für eine zu 
gründende zweite Abteilung der eidgen. Zentralbihliothek 
eingestellt, der die spezielle Aufgabe zufallen sollte, • alle 
Werke und Drucksachen zu sammeln, die vom wissen- 
schaftlichen, kulturhistorischen oder literarischen Stand- 
punkt aus als Beitrag zur Kenntnis der Schweiz und ihrer 
Bewohner zu betrachten sind i>. Die Budgetkominission 
beantragte indessen, diesen Ansatz für einmal zu streichen 



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150 



SCHW 



SCHVV 



und den Bundesrat einzuladen, der Bundesversammlung 
hierüber eine besondere Vorlage zu unterbreiten. Dieser 
Vorschlag wurde von beiden Hüten angenommen. Das 
cidgen. Departement des Innern nahm die Sache sofort 
;m die Hand und beauftragte zunächst , die Zentralkom- 
mission für schweizerische Landeskunde mit einer Er- 
hebung, welche Aufschlua* geben sollte, wie sich die 
Schwei/frischen Bibliothekare, Archivare, Buchdrucker, 
Verleger, Buchhändler, Antiquare und Bedaktoren zu dem 
Projekt der Gründung einer derartigen Bibliothek ver- 
hallen. Die Fragebogen wurden im Dezember 1892 ver- 
schickt und die Antworten liefen prompt ein, sodass 
schon Ende Januar 1893 mit der Verarbeitung und Druck- 
legung derselben begonnen werden konnte. Am 3. Marz 
wurde das Resultat der Enquete der üelTenllichkeit über- 
leben. Im Ganzen war das Ergebnis derart, dass der 
Bundesrat der Bun ^Versammlung in einer Botschaft 
vom 8. März 1893 die Gründung einer Nationalbibliothek 
empfahl, und zwar sollte dieselbe als selbständige* In- 
stitut geschaffen werden, dem ein Flügel im Neubau für 
das eidgenössische Archiv einzuräumen wäre. Vonlerhand 
liedurfte aber die ganze Frage, die einer lebhaften Be- 
sprechung in der Presse gerufen hatte, noch der Abklärung. 
Dies war umsomehr der Fall, als« von verschiedenen Sei- 
len der Vorschlag gemacht worden war, keine neue Di- 
liliothek zu gründen, sondern eine der schon bestehen- 
den schweizerischen Anstalten zur Nationalbibliothek aus- 
zubauen. Die Zcntralkommission für Landeskunde be- 
sprach ilie Angelegt nlieit in ihrer Sitzung vom 22. April 
1893 und stellte eine Reihe von Thesen aul. Diese dienten 
mit dem Entwurf eines Buiideslicschlusses zwei Tage 
später einer Expertenkommission, die aus den Vorstehern 
der bedeutendsten schweizerischen Bibliotheken zusam- 
mengesetzt war, als Diskussionsgrundlage, liier wurde 

• lie Bezeichnung « Nalionnlbibliolhek », die beanstandet 
worden war. in die bescheidenere « Landesbibliothek » 
umgewandelt und hauptsächlich die Aufgabe und Organi- 
sation dieser Anstalt eingehend beraten. Bei diesem An- 
lass tauchte der Vorschlag auf, dass die Landesbibliothek 
bei ihrer Sammeltätigkeit nur bis auf das Jahr 1848 zu- 
rückgehen und die Sammlung der älteren Drucksachen 
der Bürgerbibliotiiek l.uzern. die seit 9t) Jahren beinahe 
ausschliesslich auf diesem Gebiete arbeite, überlassen 
solle. 

Dieser Antrag erscheint wieder im Bericht der stande- 
rätlichen Kommission vom 4. Dezember 1893. Dort wird 
der Salz aufgestellt, dass eine neu gegründete 1-andes- 
hibliothek die ältere schweizerische Literatur nicht mehr 
mit Aussicht auf einige Vollständigkeit wurde sammeln 
können. Man müsse daher eine Grenze ziehen, und diese 
sei gegeben mit dem Jahr 1848. das einen Wendepunkt 
in der gesamten politischen Entwicklung der Eidgenossen- 
schaft bilde. Die Sammlung der älteren Literatur solle 
der Bürgerbibliotiiek in Luzern, einer ausschliesslichen 
Helvetica-Bibliothek, überlassen bleiben, die mit einer 
relativ bescheidenen Bundesuiiterslutzung zu einer wir- 
kungsvollen Ergänzung gelangen werde. Von einem Ver- 
hältnis zu der Zentrallubliuthek ist nur noch insofern 
die Rede, als diese ihre Helvetieabestande an die l-andes- 
liibliothek abgeben und sich in Zukunft damit begnügen 
»olle, eine reine Vi-rwaHungsbihliothek zu sein. Trotz 
verschiedener Anregungen, die Landesbibliothek zu einer 
universellen kosmopolitischen Bibliothek auszubauen, 
war an dem (bedanken festgehalten worden, dass nur 
Helvetica gesammelt werden sollen, dass man aber diesen 
Begriff nicht zu eng fassen dürfe. Die Benutzung solle 
nicht nur an Ort und Stelle erfolgen können, sondern der 

• irundsatz. aufgestellt werden, dass die Bücher an jeden 
Interessenten, wo er auch sei. ausgeliehen und wenn 
nötig mit der Post verschickt werden. Nur auf diese 
Weise könne die Landesbibliothek ihren Zweck richtig 
erfüllen. Als Aufgabe der Landesbibliothek wird auch die 
Erstellung eines Nachweiskataloges der im Ausland und 
Inland zerstreuten Helveticalileratur bezeichnet. Später 
hätten sieh daran noch weitete bibliographische Arbeiten 
zu reihen. 

Der Ständen«! hielt sich in seinem Reschluss vom 5. 
Dezember 1893 in allen Hauptpunkten an die Vorschlage 
seiner Kommission, und auch die Beratung im National- 
rat im Juni 1894 ergab wenige Aenderungen von Belang. 



Die noch schwebenden Differenzen zwischen den Räten 
wurden am 28. Juni 1894 ausgeglichen, und damit war 
der i Bu nde sbe sch luss betr. Errichtung einer 
schweizerischen Landesbibliothek* ganz un- 
erwartet rasch zu Stande gekommen. Am 15. Januar 
1895 wurde vom Bundesrat eine « Verordnung lietr. Lei- 
tung und Verwaltung der schweizerischen Landesbiblio- 
thek i erlas-sen, und am gleichen Tag erfolgte die Wahl 
einer Bibliothekkommission von fünf Mitgliedern. Am 
2. Mai 1895 erfolgte die Installierung der landesbibliothek 
in provisorischen Räumlichkeiten. Der Umzug in einen 
Flügel des Neubaues für das Archiv erfolgte im Oktober 
unuNovemlM-r 1899. und am 1. Mai 1900 konnte die Bib- 
liothek offiziell der öffentlichen Benutzung zugänglich 
gemacht weiden. Seither hat sie sich viel rascher ent- 
wickelt, als vorauszusehen war. Schon die Anzahl der 
aus alli n Teilen der Schweiz und auch ans dem Ausland 
einlaufenden Geschenke betrug von Anfang an «las Mehr- 
fache des ganzen Jahreszuwachses, auf den man gerechnet 
halte; fernerzeigte es sich, dass auch die laufende lite- 
rarische Produktion derSchweiz viel reicher ist. als bisher 
angenommen wurde. Die Bestände der Bibliothek betru- 
gen auf En le 1899 etwa 108000 Nummern mit rund 164 U00 
Stücken; auf Ende 1905 etwa 155000 Nummern mit rund 
330000 Stücken; auf Ende 1900 etwa 168800 .Nummern 
mit rund 353 200 Stücken. Um eine Vorstellung von der 
äussern Wirksamkeit «ler Ribliothek zu vermitteln, geben 
wir folg» n le lU'iiutzungsziffern für das Jahr 1906: es wur- 
den ausgegeben 12535 Werke mit 17714 Bänden; in den 
Lesesaal gingen 3872, in die Stadt Bern 9270 und nach 
auswärts 4772 Hamb', wovon 4692 in «lie Schweiz und N» 
nach dem Ausland Di«- Bibliothek ist gegenwärtig damit 
beschäftigt, ihre Kataloge in den Druck zu geben. Sie 
wirkt ah schweizerisches < Regjonalbureau« am internati- 
onalen Katalog der Londoner Royal Society mit. il«»m »ie 
all|ährlich die Tilelzeltcl schweizerischer natiirwisseii- 
schaft lieber Neuerscheinungen abliefert (Nach den Jahres- 
berichten der Bibliothek und dem Bericht des Departc- 
meiite» des hinei n für 19116). 

n. /<<i* Lshrt>rasif( drr Bersrt-Multrr-StiftuHti auf 
dem Melchcnhuhl bei Bern, dessen oberste Leitung eben- 

' falls dem Departement des Innern übertragen ist. nimmt 
Lehrer und Lehrerinnen, auch Lehrerwitwen, schwei- 
zerischer oder deutscher Nationalität auf. welche das 55. 
Altersjahr zurückgelegt haben und wenigstens 20 Jahre 

j in der Schweiz im Lehrerberuf tätig gewesen sind. Es 
zählte auf Ende 1906 einen Bestand von 12 Plleglingen. 

<», v- Die Annahme der neuen Verfassung von 1874. welche 
in Art. 23 dem Bund das Recht zur Errichtung und Unter- 
stützung von öffentlichen Werken, sowie in Art. 24 und 
37 das Oberaufsichtsrecht über die Wasser- und Forstpo- 
lizei im Hochgebirge und in gewisser Reziebung auch 
über die Strassen und Brücken gah, bedingte die Errich- 
tung der neuen Abteilung * Bauwesen ». In einem Bundes- 
gesetz aus dem Jahr 1888 wurde diese in zwei Sektionen 
getrennt : das eidg. O berhau i nspe k t ora t und die 
Direktion der eidg. Bauten. 

r». Otorbattinsprkt'trat, Durch Bundesgesetz vom 1*!. Mai 
1849 betr. Organisation und Amtsverrichtungen des Bun- 
desrates wurde ein Post- und Bautendepartement ge- 
schaffen, dem man folgende öffentliche Arbeiten zuwies : 
Ii Aufsicht über die Strassen und übrigen öffentlichen 
Werke, soweit in dieser Beziehung «ler Bund kompetent 
ist ; 2i Ausführung von öffentlichen Bauten. Ein Beschlus* 
der eidgenössischen Räte vom 26. Januar 1800 gliederte 
die Abteilung für öffentliche Bauten dem Departement 

| des Innern an. 1?458 zentralisierte man die Erstellung und 
den Unterhalt der eidg. Bauten, die bisher versehie- 

I denen Departementen unterstanden hatten, in der Art. 
dass man dem eidg. Departement des Innern die Sorge 

' um iliese Arbeiten überband. 

Infolge der durch die Hochwasger von Ende September 
1868 angerichteten grossen Verheerungen, die beide 
Flanken der Alpen, vom Wallis bis zur ausser« ten Ost- 
grenze in Graubünden heimsuchten, trat an den Bund «lie 

i Notwendigkeit der Schaffung eines technischen Spezial- 
«lienstes für die Wasserhauten heran. So wurde durch 

j lieschluss der eidgenössischen Räte vom 23. Dezember 
1870 die Stelle eines eidg. Oberbauinspektors geschaf- 

1 fen, welcher Beamte «lern Departement des Innern, Ab- 



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SCIIW 



SCI1W 



IM 



teilung für Bauwesen, zugeteilt wird. Ende 1873 bestand 
4m Personal dieses Dienstzweiges aus je einem Oherbau- 
inspektor. Adjunkten, Sekretär und Kanzlisten. Infolge 
■ter beträchtlichen Ausdehnung der Arbeilen, besonders 
»eit dem Inkrartlreten des Bundesgesetzes vom '22. Juni 
tSR uber die Wasserpolizei, niussle das Personal IK79 
und dann wieder 1880 vermehrt werden. Die neue Or- 
«inh wtion wies dem eidg. Oberbauinspektorat folgende 
Uifgaben zu : a. Unterhalt der durch die eidgenossische 
Tarwallung errichteten Gebäude, mit Inbegriff aller bau- 
lichen Aenderungen an den den verschiedenen eidgenössi- 
«:hen Dienst zweigen dienenden Lokalen, der Feuerver- 
sicherung, sowie des Ankaufes und Unterhaltes des be- 
. < ii Mol'ili.n > : b. die Begutachtung der vom Bund 
;u subventionierenden öffentlichen Arbeiten in den ver- 
miedenen Kantonen; c. die Oberaufsicht des Hundes 



Zl'SAMMENSTELM NC 

dar tob der Kidgonoasenscbaft bis t. Jaoaar 11)08 den einzelnen Kaotonon zugesicherten 
and verabfolgten, sowie Ober die von diesem Zeitpunkte an noeh auszubezahlenden 
Beitrag« för 

Strassen- imi Bp.Cckenba.uten. 



Kantone 



a. Bereits ausbezahlte Beitrago, bewilligt 
durch [lumifsbeschlQs.se. 



Zürich .... 
Hern .... 
Lozern .... 

Cri 

Schwyx. . . . 
'•hwalden . . . 
Niil«alden 
(darus .... 
Zog ..... 
Freiburg . . . 
Solothurn . . . 
Hasel Stadt . . 
Basel Land . . 
SchafThausen . 
Appenzell A. R. . 
Appenxell I. n . 
St. Gallen . . . 
6raubünden . 
Aargau .... 
Thurgau . . 
Tessin .... 
Waadt .... 
Wallis .... 
Neuenbürg 
Genf .... 

Total 



Pariode 


Periode 


Perioda 




1875-1803 


1891 .p.H». 


Fr. 


Kr. 


Kr. 


53200 


545 100 


r.11442 




:w«.t3!i 


73550 


885 (x:o 


245 200 


244)3000 


250000 


55 260 




400000 






•20 IHK.) 










840000 


26:1672 






100000 


IUI 


INI 


1240000 




160 986 


133000 


71000 


441311 


387732 


52900 


174100 


3 732« vi 


1008 399 


4 730989 



ToUl 



Kr 



t>. Am I.Jan 
flu. noch 

lusiultezah- 
lemle Bei- 
trage. 



Kr. 



Gesamt- 
betrag. 



I 188749 
119 488 

362380t» 
305 260 
iioism 

20 (MX) 
810000 

263(572 



Ihm im 

106086 



645311 
614732 



9 »71 992 



Fr 



I 188748 
119488 

36'.' 3 800 
305 260 
100 000 
20000 
810000 

26:1672 



über die Strassen und Brücken, sowie über die W asser- 
polizei; d. die Hydrometrie und e. alle übrigen in das 
Arbeitsgebiet des Inspektorates einschlagenden Arbeiten, 
die im vorhergehenden nicht besonders aufgeführt sind. 
Im Jahr 188» zeigte sich die Notwendigkeit i-iin-r Tun- 
• V in zwei verschiedene Dienstzweige : I. Das Ober - 
laninspekto rat und 2. die Direktion der eidg. 
Bauten. Zu dieser Zeit bestand das Personal des Ober- 
l*ninspektoratc* aus einem Oberbauinspeklor. einem Ad- 
innkten, vier Ingenieuren, zwei Zeichnern und einem 
frühsten. Der Oberbauinspektor. sein Adjunkt, drei 
Ingenieure und ein Zeichner beschäftigten sich mit den 
Korrektionsarheiten an Flüssen und Wildhachen, sowie 
mit dem Slrassenbau. während einem Ingenieur samt 
^•irhiier im speziellen die hyiirometrischen Arbeit, n iu- 
.•*ieaen waren. 

L Wasser- und Strasscnbau. Die Hauptarbeit des 
''brrbauinspektorates, die den grossten Aufwand an Zeit 
■M Muhe erfordert, ist unzweifelhaft die Prüfung der 
korrektionsprojekte von Flüssen und Wildharhen. Die 
Antone unterbreiten dem Bundesrat die Projekte der- 



jenigen Korrektiousarbeiten, an welche sie einen Bun- 
desbeitrag zu erhalten wünschen; hierauf werden Pl;n:* 
und Voranschläge dem eidg. Oberbauinspektorat über- 
mittelt, das zuerst einen örtlichen Augenschein vorneh- 
men lasst, um dann auf dem Bureau die Pläne zu prü- 
fen, sowie den Bericht und die Bolschaft an den Bun- 
desrat abzufassen. Später folgen die Ueberwachung der 
Arbeiten au Ort und Stelle, die Unterhandlungen mit den 
technischen Organen der Kantone mit Bezug auf Bau- 
fragen spezieller All. die Konliole und Revision der Ab- 
rechtiungeu etc. 

Einen weiteren bedeutenden Teil der Aufgaben de» 
Oberbauinspektorales bilden andere Arbeiten vorbereiten- 
der Natur, wie die Aufnahme von besonders interessanten 
(Hier nützlichen Profilen : Aufnahme von Langen- und 
Uuerprolilen von Flüssen und Wildbacheii /um Zweck 

_ der Konlrole der ltesultate 

von ausgeführten Verbau- 
ungs- und Korrektionnarbei- 
len, sowie um grundlegende 
Vorarbeiten für neue Pro- 
jekte ähnlicher Art zu schaf- 
fen. Viel Zeil erfordert ferner 
die Aufsicht und Inspektion 
der vom Bund subventionier- 
ten oder von der eidge- 
nössischen Post befahrenen 
Strassen. Endlich fällt auch 
noch <lie Krledigung verschie- 
dener Fragen betr. den Bau 
neuer Brücken in das Ar- 
beitsgebiet des Oberbauin- 
apeklorates. 

Zur Veranschaulichung der 
grossen Ausdehnung, die die 
Geschäfte dieser Abteilung 
genommen haben, mögen fol- 
gende Zahlen namhaft ge- 
macht werden : Totalausga- 
ben 1888 : Fr. 1875217: 1900: 
Fr.6 499036; 1005: Fr.HiSI 965». 
somit durchschnittlich pro 
Jahr Fr. 4003323. d. h. mehr 
als das Doppelle der Ausgaben 
von 1888. Die im Zeitraum 
1885—1905 gewährten Dun- 
desbeiträge schwanken jähr- 
lich von Fr. I 113 791 bis 
Fr. 9370130 und betrugen 
im Durchschnitt pro Jahr 
Fr. 2 770014. Die während 
des nämlichen Zeitraumes 
ausbezahlten Biinde«beilra- 
Mchwnnken jährlich von 
«Kl 007 bis /um Maxi- 
mum von Fr. 3657 065 und 
betrugen im Durchschnitt 
pro Jahr Fr. 2374583. 1908 
waren noch rund 350 ver- 
schiedene Stibventionsbewilligungen fällig, die entweder 
vom Bundesrat oder von den eidgenössischen Bäten be- 
-chlos-en worden sind. Dies,- Verwaltungsabteilinig hat 
im Jahresdurchschnitt 31100 Geschäfte behandelt und 1133 
Rechnungen kontrolliert. 

Q, llydrometrisches Bureau. Die hydrometrischen 
Arbeiten haben in besonderm Masse zugenommen, seit- 
dem die eidgenössischen Rate im Jahr 1895 eine BiMotto 
über die Wässerverhäl Inisse der Schweiz als Grundlage 
für eine Ermittlung der noch zur Verfügung stehenden 
Wasserkräfte angeordnet haben. Zu diesem Heimle 
wurde die hydrometrisehe Abteilung des Oberbauinspek- 
lorates um drei Ingenieure und drei Zeichner verstärkt, 
denen die Ausführung der vorbereitenden Arbeiten zu 
folgenden Veröffentlichungen übertragen war : t. L'eber- 
sichlstabellen über die Einzugsgebiete der verschiedenen 
lliessendeu Cewässer der Schweiz j 2. Längen proflle die- 
ser Gewässer ; 3. Tabellen der niiniiualen Wassermengen 
derselben Gewässer. 

I Mit Bezug auf die Einzugsgebiete im t'mfang von 
mindestens 10 Um 1 waren /u bereelinen die Flachen aije. 



788400 



19118 



817 848 



Im., im 

2 205386 



69» 759 
6U732 



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SCIIW 



SCIIVV 



des einzelnen Einzugsgebietes als Ganzem; b) von Vcrtikal- 
z.onen von 300 zu 300 in u. M. : r) von Fels und Schutt ; 
di der Waldungen : e) der Gletscher und Firnfelder; 
fl der Seen ; gj all«-!- übrigen Uudt-n. Ferner war auch 
der (mfang des Einzugsgebietes für jede einzelne Pegel- 
station /u berechnen, an der regelmässige Bi-obachtungen 
gemacht werden. 

2. Die Längenprofilc umfassen : a) die Landen der ein- 
zelnen Flnssahschnilte und deren Kilomeirierung ; b) 
den Niedrig Wasserstand für alle charakteristischen Punkte 
der in Betracht fallenden Iiiessenden Gewässer: c> die 
an diesen Gewässern schon vorhandenen Kraftwerke; 
dl die Längi-nprolllc der Zuh-itiingskanäle dieser Werke 
elc. ; eidie in diesen Gewässern vorhandenen Stauwehre 
und Schh-iisenau lagen, sowie die Hude und Länge de* 
Staues; U die über diese Gewässer führenden Brücken 
und Sle^-e : gl die Einmündungen der Zuflüsse ; h) die 
Lage der Pegclslationcn und die Höhe ü. M. ihrer Fix- 
minkte; i) die Lage und Höhe anderer Fixpunkte; ki die 
Hochwassersiünde ; I i die sommerlichen Miltelwasser- 



tuiigen. der Luf I lemjteraluven und Xiedertchlagahöhen 
und Tabellarische /u$ammentlellung der Hauptergeb- 
»imc //er tchwizevitchen hydramet vitchen Reohcu-h- 
lunqen. 

Neben den eben erwähnten Aufgaben beschäftigt sich 
das hydrometrische Bureau gegenwärtig auftragsgemäss 
auch noch mit den Vorarbeiten für die Elektrifizierung 
der Schweizerbahnen. Ks geschieht dies einerseits durch 
seine Mitwirkung an den l'nteratichungen der schweize- 
rischen Sludienkommission für den elektrischen Bahn- 
betrieb und anderseits durrh die Schatrung von Grund- 
lagen zur Sicherung der für die elektrische Traktion er- 
forderlichen Waase rkräfte. Im Jahr 1906 kam der Vertrat 
zu Stande, laut welchem der Gotthardbahngesellschaft 
sämtliche Wasserkräfte der obern I.eventina für den elek- 
trischen Betrieb des der Gotthanlbahn gehörenden, süd- 
lich des Gotthard gelegenen Eisenbahnnetzes konzediert 
worden sind. Die Verhandlungen mit den Behörden de« 
Kantons Uri betreffend die Nutzbarmachung der dortigen 
Wasserkräfte für den elektrischen Betrieb der Nordrampe 



T.vüku 1: 

rilier 'Iii 1 von ilt-r |'nl/tTt!i,<t.<rriseh;(fi bin t. Jinnar l'->. itoci K»ri t< . n« n je • j e«!«:churt«!|> utlil Y*rJ«bl'<>U-!<rri. «nwm ril^r die arii 



/«i'.jiilakl u.K-h au)?«ii]. *za]ilt?nö--:i ISvilr.'i^c lur I". u<- korrekt n.ncn, Wil.Jhichv^rlia'iunffiM), 

.1 Fi i r.t> tsv, n»>: Yiaemi i m, 



S.^rouiilirr.m^n unj KntsunijpfHnyeQ. 



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stände; nOdie mittlere Tiefe : n > den Thalweg ; oi die all- 
fällig vorlianileiien Bainmbaiilen. 

3. Kinen sehr bedeutenden Teil dieser hvdrolo^-isehen 
rnlersiichungen bilden die Messungen der Wasserführung 
der z-ii untersuchenden Gewässer bei verschiedenen 
Wasserständen. Wichtig sind diese Messungen namentlich 
deswegen, weil die verfügbare Wasserkraft in Verbindung 
mit dem Gefälle vom Minimalwasserstand abhängt. Bas 
bydroinetrisclie Bureau hnt schon eine grosse Anzahl von 
solchen Wasserslnndsmessiinnen vorgenommen, und 
zwar hauptsächlich zu dem Zwecke, die Minimulwasser- 
mengen unter den verschiedenartigsten l'rnst.inden zu 
bestimmen. Damit ist das Bureau gegenwärtig in der 
La^'e. alle zur Bestimmung einer bestimmten Wasser- 
kraft eines fltessenden Gewässers notwendigen Auskünfte 
erteilen zu können. Die Veröffentlichung aller dieser ver- 
schiedenen Arheilen und I'nlersuehungen ist in vollem 
Gange, indem von dem den Gesamttitel Wasserrevhidt- 
ni.sse der Sclurriz führenden grossen Werk bereits 3 die 
Kin/iigsgehicte und 4 die Längen- und •Juerprofile behan- 
delnde Bunde erschienen sind und an der Fortsetzung 
idine rnterbrueb gearbeitet wird. Neben diesem umfas- 
senden Werk vemllentliehl das hydi-omelrisehe Bureau 
noch alljährlich folgende zwei Binde: tirn/dusrhe lUn- 
steUumj der srhicrizevisrheii hydvtmielvifieheu Heuhtteh- 



der Gotthardbahn sind ebenfalls in Angriff genommen 
worden. Dem Bureau liegt endlich auch noch das Stu- 
dium aller technischen Fragen ob, die sich auf die neuen 
gesetzgeberischen Arbeiten auf dem Gebiete des Wasser- 
rechts und der Verwendung der Wasserkräfte beziehen. 

In den llauptflussgebieten der Schweiz bestehen auf 
Kmle 19CI»! folgende regelmässig beobachtete Pegelsta- 
lionen : Pegelstationen 



Flussgebiele 
Bhein 
Aare 
Beuss 
l.immat 
Bbone 
Tessin 
Adda 
Inn 



Total BW») : 332 

Total 1905: 313 

Zuwachs 1S»»i l<» 

Total IS8T>: Tvi 

Zuw. IS8T. IHOfi: 279 
Das eid, 



Schweizerische 
88 
«10 
4(» 
%\ 
\S 
IS 

a 

13 



Ausländische 
31 



Total 
109 

yo 
40 
33 
t>2 
18 
3 
13 



33 
3 
4 

>>•> 



:i58 

336 
33 
57 

301. 



is eidg. Oberbauinspektorat besteht gegenwärtig 
dem (djerbauinspektor, einem Adjunkten. 3 Ingent- 



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SC1IW 

euren erster Klasse, einem Hilfsingenieur. 3 Zeichnern, 
einem Begistrator-Bechnungsführerund einem Kanzlisten 
erster Klasse. Dem hydrumetrischen Bureau gehören an 
der Chef, zwei Ingenieure erster und funf Ingenieure 
i unter Klasse, fünf Zeichner und drei Kanzllsten. 

Erläuterungen tu den heigegebenen Tabel- 
len. I. Strassen- und Brückenbauten. Die Subventi- 
onierung von Strassen, deren Oau für den Hund wichtig 
ond aus unwiderlegbaren strategischen Hücksichten be- 
gründet worden war, geschah jeweilen durch die Bundes- 
versammlung auf Grund des Artikels 23 der Bundesvor- 
daun^: vom Jahr 1874, welcher dem Bund das Recht ein- 
räumt, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines 
grossen Teiles derselben, auf Kosten der Eidgenossen- 
schaft öffentliche Werk»' zu errichten oder die Errich- 
tung derselben zu unterstützen. 

Gemäss Artikel 37 der Bundesverfassung vom Jahr 1871 
übt der Bund die Oberaufsicht über die Strassen und 



Tahfxi.k 

aber die von der Eidgenossenschaft bis t. Januar i'.*V> dm 
Kantonen zug«sicbert«n und varabfol jlen, sowie über die 
awf diroen Zeitpunkt noch «utzubezabkn.len Beitrat.'« I'fir 
FliiMkorrektionen.Seerei;ulierung<:n.\Vildti»ch\erb:iumigv>ii 
und KoUumpluageti. 



B. Kantonsweisk Vr.itTEtu NR. 





Bereit» aus- 


Noru aus- 
zubezah- 
lende Hel- 
tritif» Fr. 


Oosaint- 


Kantone 


bezahlt» 
Beiträge Kr. 


butrag 
Kr. 


Zürich .... 


4282338 


;>io 5:» 


4 792 868 


Bern 


12 102 2öti 


1 590 467 


13 «92 72:1 


t.uzern .... 


1 «9 «59 


1050 533 


2 '»00 192 


Uri 


."•71 IKri 


«0018 


«32250 


Schwyx .... 


525158 


•287 1«". 


«12323 


Ohwalden . . . 


l IUI 27 1 


188 i«l0 


121» 1671 


XtdwaJden . 


«172« 


99 730 


533 45« 


ularus .... 


1090142 


80885 


1 177 027 




4701»« 


197«» 


48982« 


| Preiburg . . . 


376 :**» 


217 «72 


«21252 


äolotburn 


87820 


390880 


484 70« 


Has.t Stadt . . 


405710 


91 :t«i) 


497070 


Hasel Land . 


78 039 


37 «7 


ll«08« . 


Schallhausen . 


458919 


128358 


.'»87 277 j 


Appenzell A. R. • 


189888 




189*88 ' 


Appenzell I. R. 


74 293 


H705o 


191 :t43 ' 


St. Gallen . . . 


17 403979 


1 130133 


18. '»31 10.» 


«rau bänden 


39öit642 


1 «889:1« 


."»«39578 


Aargau .... 


809310 


0885 


87« 19.'. 


Thurga» 


1 887 577 


425:180 


2 312957 


TVs-in .... 


3899032 


l 452542 


:»3T»I ."»74 


Waadt .... 


Ö250 70T> 


1 101 «24 


«3.V2 329 


Wallis ... 


5413504 


448898 


5802 402 


Neuenbürg . . . 


971511 


54831« 


1 .-.19 827 


Genf 


92« 884 


117« 10 


1 OH 4M 


Gesamtbetrag 


642732« 


11 s;« 17.'» 


76 KU» V»7 











Brücken, an deren Erstellung die Eidgenossenschaft ein 
Interesse hat. 

In den Subventionsbesehlüssen sind diese Strassen eini- 
gen R<-dingtingen unterworfen betreffend Strassen breite 
und Strigungsvcrhältnisse : im fernem halten die interes- 
sierten Kantone für d>-n spätem Unterhalt selbst aufzu- 
Iwoinm.-n und dafür besorgt zu sein, dass die Strassen 
.om 15. Juni bis 15. September für den Postdicnst «(Ten 
'ind. 

II. Klusskorrektionen, Wildbachverbauungen, Seeregu- 
lienmisen. Kntsumpfungen etc. Burch Artikel 21 der 
Bundesverfassung vom Jahr 1848 wurde dem Bunde das 
rWht eingeräumt, im Interesse der Eidgenossenschaft 
"dir eines grossen Teiles derselben auf Kosten des Bun- 
de« öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung 
ifereelben zu unterstützen. Auf (.rund dieses Artikels 
wurden durch Besondere Bundesbeschlüsse im Anfang 
d>-r «Oer Jahre an die Korrektionen des Bheines (auf Go- 
bi' t der Kantone Graubünden und St. Gallen;, der Bhone 
<»uf (Jebiet der Kantone Wallis und Waadt 1 und der 
Juragew.isserkorrektMtn Bundessubvenlionen bewilligt. 



SCIIW 153 

Aber erst das denkwürdige Hochwasser vom Jahr 1868 
gab den Anstoss zu einem systematischen Vorgehen des 
Bundes bezüglich solcher Ameliorationsarbeiten. Es 
konnte sich, angesichts der Verwüstungen, die sich vom 
Hochgebirge bis in die Niederungen ausdehnten, nicht 
nur um eine einmalige Hilfe oder um ein auf einen be- 
stimmten Zeitpunkt abzuschliessendes Werk handeln, 
sondern um systematische, allgemeine Verbesserung 
der Zustände an den Gewässern zu Berg und Thal, zur 
möglichsten Verhinderung der Wiederkehr von Verhee- 
rungen, wie sie obgenanntes Hochwasser verursacht 
hatte. 

Dcmgemäss entstanden in der Eolge: a) I>er Bundea- 
heschhiss vom 21. Juli 1871. welcher ohne Beschränkung 
die Korrektion und Verbauung der Wildwasser und die 
Aufforstung ihrer Quellgebiete als vom Bunde zu unter- 
stützende Werke erklärte und die nötigen Bestimmungen 
iiber das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen bezüg- 
lich solcher vom Bunde subventionierten Arbeiten auf- 
stellte. — b) Ber Artikel 24 der Bundesverfassung vom 
Jahre 1874, der im zweiten Alinea im Grunde alles das 
enthält, was in der Verfassung vom Jahr 1848 (Art. 21), 
in den besonderen Subventionsbeschlüssen und in dem 
oben erwähnten allgemeinen Beschluss vom 21. Juli 1871 
stipuliert war und welcher ferner in seinem ersten Alinea 
dem Bund das Hecht verleiht, die Oberaufsicht über die 
Wasserbaupolizei auszuüben. — c) Das Bundesgesetz vom 
22. Juni 1877. betreffend die Wasserhaupolizei im Hoch- 
gebirge, welches den vorhin erwähnten Verfassungsartikel 
weiter ausführt und jenen Bundesbeschluss vom 21. Juli 
1871 ersetzt. 

Die hauptsächlichsten Abschnitte dieses Gesetzes, wel- 
ches heute nocli unverändert in Kraft steht, sind folgende: 

» III. Kundcshciträge. Art. 9. I»er Bund beteiligt sich nn 
den int vorliegenden Gesetze vorgesehenen Bauwerken 
durch Beiträge aus der Bundeskasse. 

Unterstützungshegehren müssen stets durch die Kantons- 
regierung dem Bundesrat, mit den nötigen Angaben über 
die Beschaffenheit und Wichtigkeit, sowie über die Kosten 
der auszuführenden Arbeiten versehen, eingereicht wer- 
den. 

l»ie vom Bunde zu leistenden Beiträge sollen in der 
Bogel 40% der wirkliehen Kosten nicht überschreiten. 

Ausnahmsweise können dieselben, wo die Kräfte der 
Kantone nicht ausreichen und ein namhaftes öffentliches 
Interesse an dein Zustandekommen eines Werkes in Frage 
lie^t. bis auf die Hälfte der Kostensumme erhöht werden. 

Art. 10. Ber Bundesrat setzt alljährlich die Beiträge an 
die Kantone nach Massgabe der im eidgenössischen Bud- 
get bewilligten Summen fi'st. 

Ueber Beiträge, welche für ein und dasselbe Werk die 
Summe von 50000 Franken überschreiten, entscheidet die 
Bundesversammlung durch besondere Beschlüsse. 

Wenn die wirklichen Auslagen den Kostenvoranschlag 
überschreiten, so ist für die Berechnung des Bundcsheitra- 
go« in der Hegel und soweit die Ueberschreitung nicht un- 
zweifelhaft durch unvorhe rzusehende ausserordentliche 
Ereignisse oder notwendig gewordene Mehrarbeiten ge- 
rechtfertigt werden kann, der mit den Ausfuhrungsplänen 
eingereichte definitive Voranschlag massgebend. 

Art. 11. Wenn infolge von Naturereignissen und ungeaeh- 
letsorgsamen Unterhaltes Werke von grosserer Bedeutung 
zerstört werden, so leistet der Bund an deren Wieder- 
herstellung angemessene Beiträge. 

Unter dem gleichen Vorbehalte können bei solchen 
Werken, an deren Wiederherstellung andere Kantone 
wesentlich milinleressierl sind, auch diese zu verhältnis- 
mässigen Beiträgen durch den Bundesrat angehalten 
werden . 

Art. 12 Gegen Beschlüsse des Bundesrates findet Be- 
kurs an die Bundesversammlung, soweit aber dieselben 
die Verlegung der Kosten an ilie beteiligten Kantone be- 
treffen, an das Bundesgericht statt, x 

Bieses Bundesgesetz ist durch eine hiindesrätliche Voll- 
ziehun^svorordniing vom 8. Marz 1879 vervollständigt 
worden. 

Bie mm Bund bis Ende 1905 subventionierten Korrek- 
tionen, Verdauungen etc. lassen sich in folgende 5 Ka- 
tegorien einteilen: a> Diejenige der grossem Gewässer- 
korrektionen, welche als einheitliche Unternehmungen 



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154 



SCI1W 



SCHYV 



zur Ausführung gelangen. (Hierüber ist im Jahr 1883 
erschienen: von Salis. Dag $chuvtzeri*che W'aswbau- 
wesen). b) Diejenige der Seeregulierungen, c) Die Ver- 
bauungen der Wildbäche, die in bedeutender Zahl ver- 
treten sind und den Zweck haben, den Bodenbewegungen 
und der datierten Geschiebebildung iu begegnen. 2 Rande 
einer Abhandlung (von Sali«: Die n'ililbachvfrbauung in 
<'er Schti<eiz) über einige der ausgeführten Werke Bind 
in den Juhren IHltO und 1801 erschienen, dj Die besonder» 
am obern Laufe der Gewässer vorkommenden lokalen 
Schutzbauten, welche, indem sie planmäßig als Teileeines 
ausgedehnten Korrektionswerkes erstellt werden, sich 
nach und nach zur vollständigen Ausführung desselben 
aneinander reihen, e) Die Anlegung von Kutsumpfungs- 
und Entwässerungskanalen. 

Wie aus der beigefügten detaillierten Tabelle ersichtlich 
ist, sind bis Hude 1905 für Wasserbauten aller Art vom 
Hund Fr. 64273 232 ausbezahlt worden und auf diesen 
Zeitpunkt Fr. I I 83317.'» noch zu bezahlen. 

In diesen Summen sind nicht inbegrillen diejenigen 
öffentlichen (ieldgaben. die den vom Hochwasser vom 
Jahr 1868 betroffenen Kantonen Uri, St. Gallen . Grau- 
bünden. Tessin und Wallis ausbezahlt wurden und meh- 
rere Millionen betragen. 

Gemäss eidg. Wasserbaupolizeigesetz haben die Kantone 
für den l'iilrrhalt der mit Dundessubvention ausgeführ- 
ten Werke selbst zu sorgen. Dieser Unterhalt wird von 
den Organen des Bundesrate« überwacht. > ( i o tl . Mitteilung 
des eidg. OlK-rbauinspckUirates;. 

/>. Die IHrfktiou oVr <'•</«/. Hauten wurde durch Bundes- 
gesetz vom .lahr ISsS als blondere Verwallungsabtcdung 
errichtet. Ihre Aufgaben sind : a. Unterhalt der eidgenos- 
sischen Gebäude. Umbauten und Erweiterungsbauten in 
denselben, Neubauten; b. Unterhalt und Ausführung der 
Strassen- und Wasserbauten auf den Liegenschaften de« 
Hundes: e. Ausführung von dem Hunde obliegenden bau- 
lichen Arbeiten in von ihm gemieteten Gebäuden ; d. lie- 
gutachtung bautechnischer Fragen für andere Abteilungen 
der Bundesverwaltung i e. Besorgung der Brandvei>ielie- 
rung der eidgenössischen Gebäude; f. das Mobiliarwesen 
der eidgenössischen ZenlraHerwaltung, die Muhiliarvcr- 
sicherung und Führung der MohiliRrkontrollcn ; g. Be- 
sorgung des Haus- und Zimmcrdienstes in den Gebäuden 
der eidgenössischen Zentralverwaltung; h. Besorgung des 
Gärlneidienstes für die Pllanzt- iidekoralion in und bei den 
Bundeshäusern, sowie der Gartenanlagcu daselbst und 
bei den übrigen Geliäudeu der eidgenössischen /.entraHcr- 
wallung , i. .Miete von Lokalen für die Zenlrulverwullung. 

Das Bureaupersoiial besieht aus einem Direktor, einem 
Adjunkten. ."> Architekten. 2 Buuinspekloreii. 7 Bauführern, 
13 B.-iiueichnern und 8 Katiz.leiheamten. 

Der liund bosass auf Kode des Jahres 1906: 1299 Ge- 
bäude, welche sieh auf die verschiedenen Departemente 
wie folgt verteilen : 

Anzahl Schatzung«- 
der Gebäude wert Fr. 
Departement des Innern 50 22 262500 

Militärdcpartemeiil 75(1 21633200 

Fin.mzdepailement 61 2290600 

Zolhb-partemeiil 317 6.V>3IOO 

ljuidwirtschaftsdepartement 55 2 2O7 600 

Postdcparl erneut 66 27 306 Ol 10 

Total P>99 K2253UIÜ 
iC!«rt. Mitteilung der Direktion ii«r «udg. Iiaiil«m. 

q. Das eiiUj. < »te> f'<rslin^fteklinal , wie die mit Uel>er- 
wachung des Vollzugs der auf Forstwesen. Jagd un I Fi- 
scherei Bezüglichen 'Gc«rlzesv<»rschriften betraute Abtei- 
lung des eidg. Departementes des Innern derzeit heisst, 
wurde kreiert durch Bundes!« -chltiss vom 24. Dezember 
1874. Deisel!»- sah die Anstellung eines Forstinspektors 
und eines ihm beigeordneten Adjunkten \or. Nach In- 
krafttreten dieses liesehhissses mit dem 8. April 1K7."» 
wurde auf den 1. Juni desselben Jahres die Stelle des 
Inspektors besetzt und auf den I. Juni des folgenden Jah- 
res auch diejenige des Adjunkten. 

Das inzwischen am '21. Marz. 1876 erlassene Huiidcs- 
gesetz betreffend die eidg. Oberaufsicht über die rorst- 
polizei im Hochgebirge, das in Art. 6 die durch den zitier- 
ten Bundeshescnhiss geschaffene Einrichtung bestätigte, 
bildete die Grundlage für die Tätigkeit des Iuspektorates 



in forstlicher Hinsicht. Durch Verordnung vom 12. März 
1880 wurde ihm jedoch, nachdem es inzwischen vom De- 
partement des Inn rn an das Handels- und Landwirt- 
schaltsdepartement übergegangen war, auch die Besor- 
gung der Geschäfte in Jagdsachen und in Sachen der 
Fischerei übertragen. 

Mit der fortwährenden starken Zunahme der GesctiänV 
in allen diesen verschiedenen Dienstzweigen machte «ich 
im Laufe der 90er Jahre neuerdings das Bedürfnis einer 
Reorganisation geltend. Durch das Bundesgcsctz vom 
22. Dezember 1892 wurde dem nunmehr dem cülg. In- 
dustrie- und Landwirtschafl.Mjepartem« nt unterstellten 
Oberforstiiispektonit als Abteilung für Forstwesen, 
Jagd und Fischerei folgendes Personal zugeteilt . ein 
Oherforstiuspcktor. zwei Adjuukte, ein Sekretär und ein 
Kanzlist. 

Durch Abänderung von Art. 24 der Bundesverfassung 
im Jahr 1897 erfuhr bekanntlich das bis dahin auf «las 
Alpengebiel beschrankte Recht der Oberaufsicht de* Bun- 
des über die Forstpolizei eine Erweiterung im Sinne einer 
Ausdehnung auf das ganze Gebiet der Schweiz, was für 
das Oberforstin -pektoral. das *,.j| 1895 wieder wie ur- 
sprünglich «lern Departement des Innern zugeteilt ist. 
neuerdings eine bedeutende Geschallswrniehrung mit 
sich brachte. Ks nimmt denn auch das neue Bundes- 
gesetz betr. das Forstwesen vom II. Oktober 1902 in Art. 5 
die Neuordnung der Organisation der in Frage stehenden 
llc|>ai lemelilsai.leiluilg durch «'in besonderes Gesetz m 
Aussieht. Vorderhand aber erforderte »las Bedürfnis eine 
weitere Vermehrung des Personals, «las zur Zeit aus einem 
Ohe rforstinspektor. einem 1.. einem 2. und einem 'A. 
Ajdütikteu. e:n -in Abteiliiiipssekretär und zwei Kanz!is|> u 
besteh l. 

I. Korst Wesen. Der Ktat lies wissenschaftlich ge- 
bildeleii I i rslpersDiials der Schwei/ setzt sich auf Ende 
IlHiti zusammen aus II eidgenössischen Beamten. i;ftt kan- 
tonalen lii-amlen und 39 Ceamlen von Gemeinden und 
Korporaiii neu total aus IMS Uearuteti 1 1905 : 175 Heamte . 

Der Hund verabfolgt Subventionen au ilie Besoldungen 
und Taggelder der hohem und nutet n Korst beamten. sowie 
an die Kosten der Versicherung von Forstbcamten gegen 
Unfall. Am Polytechnikum unterhalt er die «-idg. ruisi- 
schule zur Heranziehung von wissenschaftlich gebildetem 
Korstpersoital. wahrend zur Heranbildung des untern 
Forstpersoualü mit Uuterslülzuiig des liumles kantonale 
und interkantonale For*ikui>c abgehalten wmleti. 

Bundesheitiago werden feiner ausgerichtet all Wald- 
wegebauten und andere IIidztran«portcitirichtiingcii. so- 
wie an Entwässerungen. Aufforstungen und Verbaue. 
Dem schweizerischen Ko|s|\erein wird ein budgelgemä*- 
s«-r Jahresbi'itr:ig ausgerichtet, der für das Jahr 1906 
Kr. 5000 betrug Keiner erhalten Beiträge die Alpengar- 
leu Linnaea in Boin g Saint Pierre ( haut. in Wallis '. Pont 
de Nant und Bochers de Naye (Kanton Waadt:, s»i«|i' 
Rigi Scheidi'gg (Kanton Sehwy/i. 

iL Jagd- ii Ii tl Vogelschutz. Am 20. August 1908 
wurde im Einverständnis mit den betr. Kaiitoueii eine 
neue Verordnung ober die Jagilbanubezirkc für das Hoch- 
wild erlassen (siehe dieses Lexikon Hand IV. S. 72."» . 
nachdem diejenige vom 13. August 1901 abgelaufen war. 
Die neue Verordnung tritt, gleich den \orhergehciidcn. 
auf 5 Jahre in Kraft. Nach ihr hat sich du' Anzahl der 
Bannbezirke von 21 auf 20 und die Gi -ainlaiisdehnuii,. 
■b rs< Iben von 1789 auf 1581 km 1 vermindcrl. ebenso die 
Anzahl «ler Wildhütcr von 42 auf 40. Im ganzen wunhu 
im Jahr 1906 \uu den Kantonen für die Wildhut in den 
Bannhezirken Fr. 46 483 (19)6: Fr. 46911) v.raiisgabt. 
woran sich der Hund mit einem Drittel o.b'r Fr. 13 191 
(1905: Kr. 10 637t beteiligte. Der Wiblstand hat durchg« - 
Bends ziig« nomineu oder ist doch nirgend.« zurückgegan- 
gen. Häufig U obai hl. le man Gemsriid. l Ins .VI. ja sogar 
bis BJO und im grauhuiidnci ischen B. /irk Traversina In« 
200 Stuck. Auch die Murmeltiere vermehrten sich stark. 
Der HehstanJ erweitert sich immer mehr iibcrdio Schweiz, 
leidet aber sehr durch Wilderer und unter d« n allein ja- 
genden Laufhun Jen. 

Amt». Dizi-mber 1906 ist die in Paris <len 19. Marz 1902 
abgeschloss, i,e internationale Lebereinkunfl betreffend 
den Schutz der der Landwirtschaft nutzlichen Vogel in 
Kraft getreten. 



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SCHW 



SCHW 



155 



a) inländische Arten : 
Lachse 

Lachsbastarde 
S«*forellen 

Flu-s- und Bachforellen 
Rot-Ii (Saibling,-) 



III. Fischerei. Die Zahl der kant. Fischereiaufseher 
bt lier sich Ende 1906 auf 208 ; ihre Besoldungen, Tageclder 
■ind Reiseentschädigungen betrugen Fr. 77 736 (1905 : Fr. 
"071), an welche Ausgaben der Bund einen Beitrag von 
50*.<„ d. h. Fr. 38868 leistete. Die Anzahl der Schon re- 
siere belief sich Ende 1906 auf 45 mit einer Flusslänge 
vod 608 km und einer Gesamtwasserfläche von 127,45 ha. 

1905 06 waren 166 (1904/05: 163) Fischbrutanstalten im 
Betrieb. Die Fläche der Eierunterlage betrug 444.90 m* 
und die Stückzahl der Brutgläser 337. Aus 83348 500 
Stück eingelegter Eier wurden 64915500 Stück Fischchen 
gewonnen, von denen, nebst 24 200 Stück Sommer- und 
Jährlingen. 64 318500 Stuck unter amtlicher Kontrolle in 
öffentliche («-wässer ausgesetzt wurden. Nach den ver- 
schiedenen Fischarten stellen sich die erbrüteten Fisch- 
chen wie folgt 

Stück Stück 
906:100 
72500 
2032000 
6892 100 
42559(10 
30735(10 
46 322 300 
1 122000 
13 000 

und Jährlinge (Forelle n! 21200 
b) auslandische Arten : 
R-;enbi<genfiii-ellen 142 200 

Hach«aiblinge Kl 700 

Zii*;uuiiien 64939700. 
Ikr den Besitzern der Brutanstalten für Aussetzung 
obiger Fischchen zuerkannte Bundcsheitrng belief sich 
Mi auf 27 630 Fr. (1905: 21015 Fr ). 

Dem schweizerischen Fischerei rerein wird ein jähr- 
licher Beitrag von Fr. VNXI ausgerichtet. 

'Nicb dem B^nchl de* D*j>ari-rne»U« d«-j Inn«rn fOr 190C>| 
von d«r Rrdaktion h«arb«iteO 
3. Ji sm- i'ND Pol j z ki dei' a rtkm en t . Das Arbeitsgebiet 
des Justiz- und Polizeidepartementes umfasst ausser der 
Vorbereitung der Bundesgeselzc. sowie der Prüfung der 
staatsrechtlichen Rekurse und der Gewährleistung von 
kantonsverfassungen noch die Oberaufsicht über die von 
kantonalen Beamten geführten Zivilstands- und Handels- 
register, sowie die Verfügung in Fällen von Heimatlosig- 



Frleh.n 
Hechte 



64 712800 



226! 100 





Requisitorien und Notifikation von Gcrichtsakteni 
■hren um Vollziehung von Urteilen zwischen 
und andern Staaten. Die Bundesanwalt- 
Khau behandelt die Geschäfte, die in das Gebiet des 
es. der Bundesstrafpolizei. der Wider- 
eidgenossische Fiskalgesetze, der Aus- 
egnadigung. des Mädchenhandels, der 
fgeaetzgebung und der politischen Polizei ein- 
Daa Amt für geistiges Eigentum erteilt die 
für Erfindungen, besorgt die Eintragung von 
Fabrik- und Handelsmarken und nimmt die Hinterlegung 
>on Mustern und Modellen, sowie die Einschreibungen 
ittr das l'rheberrecht an Werken der Kunst und Litera- 
tur vor. Die Aufsicht über die Versicherungsgesellschaften 
i»t dem eidgenössischen Versicherungsaint anvertraut. 
Wie die Auswanderungsagenten bedürfen auch die Ver- 
sicherungsgesellschaften einer eidgenössischen Konzes- 

a Die Jtutizabtetlung bereitet die zu erlassenden 
Itundesgesetze vor. und zwar entweder durch ihre eige- 
i Organe (Abteilungschef für Gesetzgebung und Hechts- 
mit zwei Adjunkten) oder dann durch namhafte, 
halb der Bundesverwaltung stehende Rechtsgelehrte, 
• Ausarbeitung eines GeseUesentwurfes eingeladen 
_J. Die Abteilung erledigt die auftauchenden Fragen 
«i<* internationalen Rechtes, wie z. B. verschiedene Aus- 
fuhrungsfragen betr. die Haager Uebereinkünfte, betr. 
jenseitige Vollziehung von Zivilurteilen, Hausierwesen 
'tc.; sie bereitet auch die internationalen Verträge vor. 
tturch Vermittlang di-s Justiz- und Polizeidepartementes 
unterhält der Bundesrat mit Frankreich seit 1876 und mit 
l^utschlan.l seit 1885 einen periodischen Austausch meist 



berischer Publikationen. Gegen die Gesetze des 
Bundes und der Kantone, die Entscheide des Bundes - 

Cichtes u. s.w. erhält der Bundesrat: von Frankreich 
BulU'tin tles Loi» und verschiedene andere fran- 
zösische Publikationen, wie z. B. die französische Ueher- 
setzung ausländischer gesetzgeberischer Erlasse (die 
Uebersetzung besorgt das zum franzosischen Justizmini- 
sterium gehörende Comitede legislation Prangere) ; von 
Deutschland das Reichtgesetzblatt und die preussische 
Gesetzessammlung. — Im Zeitraum 1875-1906 sind von 
den Kantonen 110 Gesuche um Gewährleistung von Kan- 
tonsverfassungen (Partial- und Totalrevisionen) einge- 
gangen, die von der Abteilung geprüft und begutachtet 
werden mussten. 

Die Oberaufsicht über Zivilstand und Ehe besorgt 
die Abteilung durch eidgenossische Inspektionen in den 
Kantonen (betr. in der Hauptsache den Bestand, die Er- 
haltung und die Aufbewahrung der Originalregisterdoppel. 
sowie die Revision der Zivilstandsämtert, Sammlung der 
Berichte über die Führung der Zivilstandsämter, Heraus- 
gabe und Nachführung des Handbuches für die schwei- 
zerischen Zivilstandsheamten. Erlass von K rcisschreiben 
an die Regierungen der Kantone. Vermittlung des Aus- 
tausches von Zivilstandsakten, zivilstandsamllichcn Ver- 
kehr mit den schweizerischen GesandtschaOen und 
Konsulaten im Ausland, ilehandlung von Heimatlosen« 

Reihe von 
Vermeh- 
dieses In- 
waren auf 31. De- 



fällen etc. 

Im Handelsregister zeigt sich seil einer I 
Jahren eine zwar langsame, dafür aber stetige 
rang der Eintragungen und der sonstigen auf < 



Eintragungen 



stitut bezuglichen Geschäfte. Im ga 
zemher 1906 eingetragen: a. im Hauptregister 34506 
Einzellirraen (1905: 31437; 1W3: 24 023 1. 7101 Kollektiv- 
und Kommanditgesellschaften (1905: 6883; 1883: 3666). 
8429AktiengesellBchaflen. Kommanditaktiengesellschaft. il 
und Genossenschaften f|»i5: 7837; 1KK3: 1417». 2514 Ve- 
reine (1906:2334; 1883: 134) und 1074 Zweigniederlas- 
sungen (1905: 1032; 1883: 308 1; b. im besonderen Regi- 
ster 545 Personen (1905 : 592 ; 1883 : 2052); im Ganzen 
54932 Handelsfirmen, sonstige Gesellschaften und nicht 
handeltreibende Einzelpersonen (1905:53 1 15; 1883:31 740 f. 
Die für die Eintragungen bezogenen Gebühren belaufen 
sich 190« im Ganzen auf Fr. 85 684 (1905: Fr. 83206). 
wovon der KidgenossenschaO als Vergütung für die Ver- 
öffentlichung durch das Handelsamlshlalt ein Fünftel, 
d.h. Fr. 17137 zukommen |I905. 16653). Im Zwangs- 
verfahren erfolgten 46 Eintragungen. 

Die Abteilung behandelt ferner noch Beschwerden ver- 
schiedener Art, die das Wirtschaftswesen. die Besteuerung 
des Gewerbebetriebes, die Gewerbepolizei, die Handels- 
und Gewerbefreiheit im allgemeinen, das Niederlasstings- 
recht und andere vertragsm.issige Hechte der Fremden, 
Konfessionelles, die Anwendung von Bundesgesetzen etc. 



b. PolizeiabteUung. Die Abteilung für Polizeiwesen hat 
sich in erster Linie mit Auslieferungen und Strafverfol- 
gungen zu befassen. Die Gesamtzahl der im Jahr 1906 be- 
handelten Auslieferungsfalle betrug 707 gehen 693 in» 
Vorjahr und 667 im Jahr 1904. Es wurden 162 Begehren 
von der Schweiz, beim Auslande und 545 von auswärtigen 
Staaten bei der Schweiz anhängig gemacht. Im Ganzen 
hat die Schweiz im Zeitraum 1875-1906 3324 Auslieferungs- 
begehren beim Ausland anhangig gemacht, während die 
auswärtigen Staaten nn die Schweiz 8737 Begehren um 
Auslieferung von Staatsangehörigen stellten. Die Auslie- 
ferungsbegehren des Auslandes bei der Schweiz verteilen 
sich folgendermassen auf die einzelnen Slaaten : Deutsch- 
land 335. Italien 116. Oesterreich-Engarn 52. Frankreich 
32, Bussland 6, Belgien 2, Bulgarien und die Niederlande 
je I. Von diesen Begehren sind \u bewilligt worden. Von 
den Auslieferungsbegehren, welche die Schweiz im Jahr 
1906 bei auswärtigen Staaten gestellt hat, fingen an 
Deutschland 63. Frankreich 71, Oeslerreich-l'ngarn 12, 
Italien 7, Belgien 4. Argentinien und die Türkei je 1. an 
verschiedene Staaten gleichzeitig 5. Die Kosten, welche 
nach dem Auslieferungsgesetz von 1892 vom Bund an die 
Kantone zu vergüten sind, betrugen im Jahr 190(5 Fr. 
13780. Im Jahr 1906 wurden durch das Justiz- und Poli- 
zeidepartement :»5 gerichtliche Bequisitorien zum Zwecke 
der Erwirkung ihrer Vollziehung, sowie in 358 Fallen die 



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156 SCHW 

Notifikation von Gerichtsakten vermittelt. Die Zahl der 
Fälle von Heimschaffungen verlassener Kinder, Geistes- 
kranker und der öffentlichen Wohltätigkeit anheimgefal- 
lener Personen helief «ich im Jahr 1906 auf 260. Gesuche 
des Auslandes an die Schweiz und solche der Schweiz an 
das Ausland betr. HeimschalTungeti erfolgen auf diploma- 
tischem Weg. Das vermehrte Auftreten von Zigeunerban- 
den an unserer Landesgrenze veranlasst das Departement 
zu besonderer Aufmerksamkeit und Massregeln, die geeig- 
net erscheinen, unser Gebiet von diesen lastigen Eindring- 
lingen freizuhalten. Nach wiederholten Versuchen, die 
Zigeunerfrage durch kantonale Vereinbarungen zu regeln, 
ist im Jahr 1887 von einer Konferenz kantonaler Polizei- 
direktoren in St. Gallen der Grundsatz aufgestellt worden, 
den Zigeunern ohne Ausnahme die schweizerische Grenze 
zu verschliessen. Demgemäss ladet das Departement je- 
weilen die Grenzkantone ein, die Landesgrenze gegen die 
Einwanderung von Zigeunern aufs sorgfältigste abzu- 
schließen und die datierige Ueberwachung namentlich 
auch an den Grenzbahnhofen eintreten zu lassen, um an- 
kommende Zigeuner am Aussteigen oder Weiterfahren 
durch unser Land zu verhindern. Samtliche Kantone 
werden angewiesen, auftretenden Zigeunerbanden das wei- 
tere Vordringen ins Innere des Lande* zu verwehren und 
dieselben auf dem Wege, auf welchem sie eingedrungen 
sind, über die l.andeegrenze auszuschalten. Zur Unter- 
stützung der kantonalen Organe ist durch das eidg. Zoll- 
departemenl das gesamte eidgenossische Grenzwachtper- 
sonal angewiesen, auch von sich aus alle Zigeuner beim 
Detreten den schweizerischen Gebietes aufzuhalten. Fer- 
ner ist den schweizerischen Transportgesellschaften, ge- 
stützt auf einen Artikel des Dundesgesetzes vom 211. März 
1893 betr. den Transport auf Eisenbahnen und Dampf- 
schiffen, die Beförderung von Zigeunern und ihrer mit- 
gerührten Tiere. Wagen und Gepäckstücke, soweit es sich 
nicht um l'olizeitransporte handelt, gänzlich untersagt. 
Es ist beabsichtigt, zu einer gründlichen .Sanierung des 
Zigeunerwesens eine internationale Konferenz der be- 
nachbarten Staaten anzuregen. 

Das seit dem 1. April 1904 bestehende Zentral polizei- 
hureau besorgt das anthro|K>melrische Zentralregister. 
das Ende 1906 12524 anthropometrische Signalemente 
enthielt, die Identifizierung von Personen, die anlässlich 
hrer Verhaftung unrichtige Namen angegeben hatten, die 
Fuhrung eines Zcntrnlslrafeiiregislers. die Veröffentli- 
chung lies SchwizeriH.heii l'ohzeinnreiger* und seiner 
HeHtig,: Diese Publikation enthalt Steckbriefe, Aufent- 
haltsaiisfhrschungen. die vom Bundesrat oder dem Bun- 
desstrargericht verfugten Ausweisungen aus der Schweiz, 
Anzeigen von Diebstählen und andern Vermögensdelik- 
ten, sofern der eingetretene oder beabsichtigte Sehaden 
mindestens?» Franken beträgt. Anzeigen von qualifizierten 
Diebstählen ohne Ducksicht »uf den eingetretenen oder 
beabsichtigten Schaden, sowie andere Bekanntmachungen 
polizeilicher Natur von allgemeinem Interesse. 

r. Die Hunttesanwatttchaft behandelt folgende Ge- 
schäfte: Bundesstrafrecht (Gefährdungen des F.isenbahn-, 
Tramway-. Post-, Automobil- und Dampfschiffbetriebcs. 
unbefugte Stimmabgabe, gewaltsame Defreiung eines Ver- 
hafteten, anarchistische Verbrechen, durch eidgenossische 
Beamte begangene Amtspftichtvcrletziingen, durch Post- 
angestellte begangene Amtsdelikte. Fälschung von Bun- 
desaklen. Uebertretung der Landesverweisung, Spreng- 
shdl verbrechen. Beschädigung oder Störung elektrischer 
Anlagen etc.|. Bundesstrnfpolizei (Widerhandlung gegen 
das Bundesgesetz betr. Fabrikation und Vertrieb von 
Zündhölzchen. Widerhandlung gegen das Bundesgesetz 
betr. Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Ge- 
biete des Versicherungswesens, 1'ebertretung des Bundes- 
gesetzes über die Arlx-its/eit in den Fabriken. Uebertre- 
tung des Biindesges<-t/es betr. die Palenttaxen. I Vertre- 
tung <les liundesgi-selzes betr. Koulrollicrungund Garantie 
des Feingehaltes der Gold- und Silberwaren etc.). Wider- 
handlung gegen eidgenössische Fiskalgesetze iZoll- und 
Alkoholgesel/.), Begutachtung von Ausheferungsbegehren 
und von Begnadigungsgesuchen, Erhebungen betr. den 
Mädchenhandel i internationales l Vhoreinkommen betr. 
Unterdrückung des Mädchenhandels, vom 18. Mai 1904* 
und direkter Verkehr mit den dem gleichen Zwecke die- 
nenden Amtsstellen des Auslandes, Massnahmen gegen 



SCHW 

! anarchistische und antimilitaristische Propaganda etc. 

d. Dem Vmuherung$amt steht die Aufsicht über die 
Versicherungsunlernehmungen zu. Als solche sind in der 
Schweiz konzessioniert: Lebensversicherungsgesellschaf- 
ten, Unfall Versicherungsgesellschaften, Feuerversicher- 
ungsgesellschaften. Glasversicherungsgesellschaflen, Ge- 
sellschaften für Versicherung gegen Wasserleitungsseha- 
den. Gesellschaften für Versicherung gegen Einbroch- 
diebstahl, Viehversicherungsgesellschaften. Hagelversi- 
cherungsgesellschaften , Transportversicherungsgesell- 
schaften, Gesellschaften für Kautionsversicherung, Rück- 
versicherungsgescllsc haften. Das Versicherungsamt lässt 
bei den konzessionierten Gesellschaften durch seine Ma- 
thematiker lnspektionen vornehmen und erteilt Auskunft 
auf Anfragen der mannigfaltigsten Art seitens des Pub- 
likums (Erkundigungen über die Solidität konzessionier- 
ter Gesellschaften. Anfragen rechtlicher und technischer 
Natur, insbesondere die Berechnung von Umwandlungs- 
und Dückkaufswerten). Zahlreich sind ferner stets die von 
Agenten und Gesellschaften vorgebrachten Beschwerden 
wegen unlauteren Wettbewerb«-», die sich namentlich ge- 
gen die Herabwürdigung der von den Beschwerdeführern 
vertretenen oder geleiteten Gesellschaften durch Konkur- 
renten richten. Die konzessionierten Versicherungsunler- 
nehmungen haben eine Staatsgebühr von 1 ":,„ der von 
ihnen in der Schweiz eingenommenen Prämien zu ent- 
richten. Ihre Konzession lauft, von Spezialfällen abgese- 
hen, in der Regel von sechs zu sechs Jahren. 

e. Das Amt für gei$lige$ Eigentum ist durch Gesetz 
vom 2». Juni 1888 geschaffen worden. Es fertigt die Pa- 
tente für Erfindungen aus. übernimmt die Hinterlegung 
von Mustern und Modellen und trägt die Fabrik- und 
Handelsmarken ein. Auf diesem Gebiete gehört die 
Schweiz folgenden internationalen Vereinharungen an 
1) der Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums 
gemäss der Konvention vom 20. März 1883; 2) dem die 
Konvention vom 20. März 1NK3 abändernden Zusatzab- 
kommen vom 14. Dezember 15)00 : 3i der I Vbereinkunft 
betr. die internationale Eintragung der Fabrik- und 
Handelsmarken, vom 14 April 1«H. abgeändert durch 
Zusatzabkommen vom 14. Dezember 190» ; V der Ueber- 
einkunft betr. das Verbot falscher Herkunftsbezeichnun- 
gen auf Waren, vom 14. April 1X91 : .*•» dem Verband zum 
Schutze des Urheberrechts an Werken der Literatur und 
Kunst. Von 1889 bis 1906 hat das Amt im ganzen 12396 
Patente für Erfindungen ausgestellt, während im gleiclien 
Zeitraum 15022 Gesuche um Patentierung bei ihm ein- 
gelaufen waren. Der Entwurf zu einem neuen Dundes- 
gesetz betreffend die Erfindungspatente liegt zur Zeit bei 
den eidgenössischen Räten. 1906 wurden 3582 Gesuche 
hinterlegt, von denen 1290 oder 36 • ■'„ auf die Schweiz und 
2292 «Hier »Vi % aur das Ausland entfallen. Hauptpatente 
sind im Jahr 1906 im Ganzen 2695 erteilt worden. Musler 
und Modelle sind durch zwei I ehereinkiinfte mit Frank- 
reich, vom 30. Juni 1864 und vom 23. Februar 1882. sowie 
durch Bundesgesetz vom 21. Dezember 1888 geschützt. 
1890-1906 wurden im ganzen 52115 Gesuche hinterlegt. Der 
Schutz von Fabrik- und Handelsmarken ist durch Iiundes- 
geseU vom 26. September 1890 gewährleistet : 18SO-190H 
sind im ganzen WILS, im Jahr 1906 allein auf dem eidge- 
nossischen Amt 1572 und auf «lein internationalen Bureau 
749 Marken eingetragen worden. Im Zeitraum 1865-1906 
entfallen auf die Schweiz 15641 und auf das Ausland 5802 
nationale Eintragungen. Das l'rheberrecht an Werken 
der Literatur und Kunst endlich wird durch Dundesge- 
setz vom 23. April 1883 geschlitzt: 1884-1906 hat das Bu- 
reau 1487 diesbezügliche Einschreibungen vorgenommen. 

I iVergl. die Berichte des Justiz- und Polizeidepartementes 
im Schweizer, liuudesblatt). [Ksoakti.h».] 

4. Mn.iTiiiDEi'ABTF.üEM. A. Ritherige HVArver/<u*un- 
gen der Schweiz. Die Grundlage zur schweizerischen 
Wehrverfassung bildet das Gesetz vom 13. November 
1874. Als Wehrverfassungen allgemeiner Natur können 
wir. vorgängig derjenigen von 1874, bezeichnen : den 

I Sempacherbrief von 1393. den Wiler Abschied von 
1647. das eidgenössische Dcfen*ionale vom 18. 

j März 1668, das eidgenossische Schirmwerk vom 7. 
September 1702. das Gesetz über die Organisation 
der helvetischen Miliztruppen vom 13. Christmo- 
nat 1798. In diesem letzteren Gesetz linden wir zum er- 



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SGHW 



SCHW 



157 



a*nmal die Bestimmung der obligatorischen Dienstleis- 
tung für sämtliche Schweizerbürger ; das Milizheer wird 
m Auszug und Reserve eingeteilt. Am 22. Juni 1804 er- 
schien, auf der Mediationsakte basierend, das Allge- 
meine Militarreglement für den schweizeri- 
schen Hundes verein, welches die Bildung eines eid- 
genössischen, etwa 15000 Mann starken Kontingent- 
kon»* verlangte ; dieses Reglement erwuchs am 5. Juni 
I&T/7 in Rechtskraft. Ihm folgten das Allgemeine Mi- 
litärreglement für die schweizerische Eidge- 
no**en*cha ft vom 20. August 1817; auch diese Organi- 
sation basiert auf dem Prinzip der allgemeinen Wehr- 
pflicht : < nach angeerbter Ver pflichtung ist jeder waffen- 
fähige Schweizer Soldat, b Ferner das Gesetz über 
die M il i tä ro rga n i«a t ion der schweizerischen 
Eidgenossenschaft vom 8. Mai 1850; Bundcsge- 
* et* über die Bei trage der Kantone und der Eid- 
genossenschaft an Mannschaft, Pferden und 




der pädagogischen RokrutonprOfungon von 18}«» bi* l'Mi. 



angenommene < M il i tärorgan isat ion der schwei- 
zerischen Eidgenossenschaft (vom 12. April 1907}». 
die in Kraft treten soll, sobald sie. Benutzung des Hechtes 
des Referendums vorausgesetzt, vom Volk und den Stan- 
den angenommen sein wird. 

B. öfterste etiigi'nöxaischß und kantonale Militär- 
behörden. Die oberste Gewalt de« Bundes wird durch die 
Bundesversammlung ausgeübt, unter Vorbehalt der Rechte 
des Volkes und der Kantone ; sie erlässt die auf das Mili- 
tärwesen bezüglichen Gesetze. Der Bundesrat ist die 
höchste ausführende Behörde, die über alle wichtigeren 
Fragen entscheidet ; unter der Leitung eines Katsmitglie- 
des hat das schweizerische M 1 1 i lä rdep a r tem en t 
alle gefassten Beschlüsse zu vollführen. Die Rundesver- 
sammlung trifft die Massregeln für die äussere Sicher- 
heit, für Behauptung der Unabhängigkeit und Neutralität 
der Schweiz: Kriegserklärungen und Friedensschlüsse 
gehen von ihr aus. 

Sobald ein Aufgebot von 
mehreren Armee -Divisionen 
in Aussicht steht, wählt die 
Bundesversammlung den Ober- 
befehlshaber (General) der 
eidgenössischen Armee, wel- 
cher bis zur Truppenentlas- 
sungdasOberkommando über- 
nimmt. In Fällen von Dring- 
lichkeit ist der Rundesrat 
befugt, sofern die Bundesver- 
sammlung nicht hesammelt 
ist, die erforderliche Trup- 
penzahl von sich aus aufzu- 
bieten und über sie zu »er- 
fügen, unter Vorbehalt un- 
verzüglicher Einberufung der 
Bundesversammlung, sofern 
die aufgebotenen Truppen 
2000 Mann übersteigen [oder 
das Aufgebot länger als drei 
Wochen dauert. 

Dem schweizerischen Mili- 
tärdepartement steht die Vor- 
prüfung und die Besorgung 
der das Militärwesen betref- 
fenden Geschärte zu. Darunter 
sind nach Massgabc der Mili- 
tärorganisalion verstanden : 
militärische Gebietseintei- 
lung, Rekrutierung, Organi- 
sation des Heeres, Beförde- 
rung und Entlassung von Of- 
fizieren und Besetzung von 
Kommandostellen. Unterricht, 
einschliesslich den Vorunter- 
richt ; Bekleidung, Bewaff- 
nung und Ausrüstung. Besol- 
dung und Verpflegung, Mili- 
tärversicheruiig, Rechtspflege, 
Landeslopographie. Landes- 



kriegsmaterial zum schweizerischen Bundes- 
hrere vom 27. August 1851. Der Militärorganisation von 
IST» endlich gebührt das Verdienst, aus dem lose zusam- 
mengehaltenen Kontingentsheer der Kantone den Un- 
tergang zum Rundesheer geschaffen zu haben. 

Durch Bundesbesrhluss vom 2. Mai 1895 beantragte der 
Bundesrat der Bundesversammlung eine Revision der 
schweizerischen Wehrverfassung ; am 25. und 27. Juni 
1805 mit unwesentlichen Alanderungen von beiden Räten 
angenommen, wurde jedoch die Revision vom Volke und 
d*>n Kantonen am 3. November desselben Jahres zurück- 
gewiesen. Am 9. Juni und 8. Oktober 1897 endlich stellte 
die Bundesversammlung dem Bundesrate das Postulat 
«□f. wonach dem letztem die Reorganisation der schwei- 
terischen Wehrverfassung vom 13. November 1874 an- 
empföhlen wird; alle zur Zeit bestehenden militärischen 
Gesetze und Dekrete sind nun zu einer einzigen 'einheitli- 
chen Wehrverfassung zusammengegliedert worden. Dies 
i*t die von der Bundesversammlung dorchheratene und 



befestigung. Mobilisierung des 
Heeres, Ergänzung der Feld- 



armee. Militärpensionen und l'eberwachung der Vollzie- 
hung der Militarorganisation in den Kantonen. 

Die Landesverteidigungskommission, aus dem Vorste- 
her des Militärdepartementes, den 4 Korps-Kommandan- 
ten und 2 Abteilungschefs bestehend und vom Bun- 
desrat auf drei Jahre ernanut. hat zur Aufgabe, die 
wichtigsten Fragen zu prüfen, welche die lindes Ver- 
teidigung betreffen, und bezüglich der Ernennungen der 
höheren und der Stabsoffiziere Vorschläge zu machen. 
Der Chef des Militärdepartementes fuhrt den Vorsitz über 
diese Kommission. Die obersten Militärbehörden der 
Kantonesind die kantonalen Regierungen, welche die mili- 
tärischen Geschäfte von einem Milgliede (Militärdirek- 
tor. Chef des kantonalen Militanleparlernentes) besorgen 
lassen. Demselben sind in den meisten Kantonen ein 
Kriegskommissär und ein Zeugwart jZeughausverwalter. 
Zeughallsdirektor) beigegeben. Ferner stehen unter den 
kantonalen Militärbehörden die Kreiskommandanten und 
unter diesen wiederum die Sektionschefs. Diese letztern 



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158 



SCHW 



SCHW 



rühren die Militärkootrollen, überwachen daher die 
Wehrpflicht und vermitteln die Aufgebole. 

C. liekrtttierung. Jeder Schwei zerbürger ist wehr- 
pflichtig. Die Wehrpflicht beginnt mildem zurückgeleg- 
ten 19. Altersjahr und dauert im Auszug bis zum 32., in 
der Landwehr bis zum 44. und im Landsturm bis zum 
zurückgelegten 50. Altersjahr. Die Aushebung geschieht 
in jedem Divisionskreis durch einen vom eidgenössischen 
Militurdcparlement bezeichneten Stabsoffizier (Aushe- 
bungsoffizier), welchem beigegeben sind : für die ärztliche 
l'nlerauchung der Divisionsarzt oder dessen Stellvertreter 
und zwei weitere Aerzte ; für die pädagogische Prüfung ein 
vom Militärdcpartement bezeichneter pädagogischer Ex- 
perte; ferner der Kreiskommandant desjenigen Kreises, 
in welchem die Aushebung jeweilen stattfindet, und 4 
Sekretäre, Rei der Aushebung wird jedoch nicht nur die 
Krage über die Wehrpllichtigkeit entschieden, sondern 
auch die Zuteilung zu den verschiedenen Waffengattun- 
gen vorgenommen. Die pädagogische Prüfung hat den 
Zweck, den Stand der Schulbildung bei Beginn des mili- 
tärpflichtigen Alters zu konstatieren, und dient auch da- 
zu, dem Aushebungsoffizier eine richtige Ausscheidung 
der sich Stellenden zu den verschiedenen Waffengattun- 
gen zu ermöglich«-!!. Das Dienst büchlein ist der Ausweis 
über die militärische Zugehörigkeit und die Dienstleis- 
tungen. Jeder im dienstpflichtigen Alter stehende Sehwei- 
zerhürger, der keinen Militärdienst leistet, hat dafür 
einen jährlichen Ersatz in Geld zu entrichten (Militär- 
pllichtersatz). Seit 1904 haben sich die Rekruten auch 
einer physischen Prüfung zu unterziehen. Im Jahr 1906 
haben sich 40286 Jünglinge zur Hckrutenprüfung gestellt, 
wovon 50,3 als diensttauglich erklärt wurden. Die 
Gesamtzahl der für 1906 ausgehobenen Rekruten beträgt 
16 136 Mann. 



zierskorpa dazu vorgeschlagen werden. Die Wahl und 
Beförderung von Offizieren wird vorgenommen : a. vom 
Bundesrat für die Offiziere de« Armeestabes und der Stäbe 
der zusammengesetzten Truppenkörper, für die dem 
Bundesrat direkt zur Verfügung stehenden Offiziere, die 
Offiziere der vom Bund gestellten Truppeneinheiten, für 
diejenigen der Stäbe der Schützen- und der kombinierten 
Füsilierbataillone ; b. von den Kantonen für die Offiziere 
der Einheiten der von den Kantonen gestellten Truppen. 
Den endgiltigen Vorschlag zur Beförderung zum Offizier 
macht, nach stattgefundener Prüfung, der betreffende 
Waffenchef. 

Zu Offizierbildungsschulen der Sanitätsoffiziere werden 
nur solche wissenschaftlich gebildete Aerzte und Apo- 
theker zugelassen, welche bereits eine Rekruten- und 
eine Unleroffiziersschulc bestanden haben; die Veterinäre 
haben nur eine Rekrutenschule als Trainsoldal durch- 
zumachen. Die nötige Zahl der zum Besuche der Oflizier- 
bildungsschulen Einzuberufenden wird für die vom liund 
gestellten Truppen vom eidgenössischen Militärdeparte- 
ment, für die von den Kantonen gestellten Truppen von 
den kantonalen Militärbehörden bestimmt. Die Fähig- 
keitszeugnisse werden von den Kreisinstrukloren ausge- 
stellt und sind ferner noch zu visieren vom Di visionär für 
die Infanterie und von den Waffen- und Abteilungschefs für 
die übrigen Waffen. 

Die Beförderung vom Leutnant zum Oberleutnant er- 
folgt nach Bedarf und nach dem Dienstalter, diejenige 
vom Oberleutnant zum Hauptmann und vom Hauptmann 
zum Major (Rataillonskommandanten j auf ein Zeugnis ge- 
nügender Fähigkeit ausschliesslich nach der Tüchtigkeit, 
ohne Rücksicht auf das Dienstalter. 

Diese Zeugnisse werden von den Oberinslruktoren der 
Waffe ausgestellt, und zwar hei der Infanterie und den 

Schützen für die Beför- 



Ekgkbnissk tiöt Rekiutiehi M. vom Herbst 1906 kCr das Jahii 1907. 

Nach Jahrgängen. 



! 

II 
III 
IV 
V 
VI 
VII 
VIII 

Total 



'.Ii 



1887 



l 

~ 
3 
4 

10 

7 
7 

39 



1 921 
1 601 
1 944 

1 372 

2 061 
1 885 
1 811 
1 355 



13 950 



19X6 



18S5 



152 
112 
166 
111 
156 
167 
222 
197 



1283 



82 
62 
66 
44 
43 
04 
72 
6T> 



528 



ISS3 



1HS8 ! IKSi 



1830 



28 
9 
15 

i:t 

10 

30 
17 

30 



15 
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20 
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18 



152 



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11 



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36 



19 



14 



8 



20 



Total 



2 212 

1 802 

2 226 

1 549 

2 287 
2 211 
2 135 
1 714 



16 136 



Unteroffiziere. Die Ernennung und Beförderung v on 
Unteroffizieren steht hei den im Kompagiiieverbaiid «le- 
benden Truppen den Konipagnurhel's zu; stehen die 
Kompagnien im Balaillonsverhand. so bedarf es der Be- 
statigung durch den Bataillonskommandanten. Die zur Be- 
förderung Vorgeschlagenen niussen entweder in der Re- 
krutenschule oder in einem Wiederholungskursein Fahig- 
keits/etignis erworben und den fiirihi-eu Grad vorgesehrie- 
benen Unterricht mit Frfolg bestanden haben. Den Kom- 
pagiiieofli/ieien stellt das Vorschlagsiecht zu für die Ein- 
berufung in eine I ntel Offiziersschule ; sie üben dieses 
Recht aus entweder bei den Rekrutenschulen oder bei 
den Wiederhol ti n gsk ursen ; die l'nterofüziere der Stabe 
werden vom betreffenden Kommandierenden und die 
Stalissekreläre vom Itundesrat ernannt. 

Offiziere. Zum Offizier kann nur ernannt werden, wer 
eine Oflizierbtldungsschule der betreffenden Waffen- 
gattung mit Erfolg bestanden hat; zu derselben werden 
nur diejenigen Unteroffiziere zugelassen, welche am 
Srhlusse einer Rekrutensrhule von dem Instriiklionskorps 
oder am Schlüsse eines Wicdcrholungskurses vom Ofli- 



derung zum Oberleut- 
nant im Einverständnis 
mit dem Hauptmann: 
für die Beförderung zum 
Hauptmann im Einver- 
ständnis mit dem Ratail- 
lonskommandanten ; für 
die Beförderung zum 
Major im Einverständnis 
mit dem Hegimentskom- 
mandanten . bei den 
übrigen Waffen unter 
Zustimmung des Abtei- 

lungskommandanten. 
unter welchen die zu er- 
nennenden Hauptleute 
zu stehen kommen. Für 
die Wahl der Komman- 
danten der zusammenge- 
setzten Truppenkorper 
■ Regiments-. Brigade - 
u. Divisionskommandan- 
ten l entscheidet ein kom- 
missioneller Vorschlag. 
Die Offiziere sind wehrpflichtig: I. Im Auszug; Leut- 
nantsundOberleulnantsbis/iim/u rückgelegten :14.. Haupt- 
leule bis zum 38. Altersjahr ; 2. in der l^andwehr : sämt- 
liche Offiziere bis zum 48.. 3. im Landsturm: sämtliche 
Offiziere bis zum zurückgelegten 55, Altersjahr. Die 
Stabsoffiziere i Majore. Oberstleutnants und Obersten) kön- 
nen nach dem Ermessen der zustandigen Behörden bis 
zum zurückgelegten 48. Altersjahr entweder dem Auszug 
oder der Landwehr zugeteilt werden. 

I». Autriisluntj, Hi-u\i(l nung und VuWrrtcht. Die Be- 
kleidung und persönliche Ausrüstung der Truppen, 
auch der vom Rund gestellten, geschieht durch die Kan- 
tone, jedoch auf Kosten des Rundes. Den Unterhalt tragen 
die Kantone. Die Rekruten sind mit neuen Gegenständen 
zu versehen, die vom Rund nach einem alljährlich von der 
Bundesversammlung aufzustellenden Tarifbezahlt werden. 
In den Ansalzen dieses Tarifs ist die Entschädigung an die 
Kantone fur den Unterhalt und den allfällig notig wer- 
denden Einatz inbegriffen. Die Entschädigung fur Be- 
kleidung und Ausrüstung (exkl. Bewaffnung» variiert 
zwischen Fr. 125.35 , für Infanterie f und Fr. 208.90 <fur 



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SCHW 



159 



Trainsohlalen i. Dir Ueherwachung hinsichtlich vor- 
.chriftsmä-siger Lieferung der Bekleidungsgegenstände 



30 DO 



10000 



15000 



\rtattruss 



Hernien 




Sehschwache 

I 1 ' l 1 1 

j ! I Ii zu geringe Körperfänge 

l ! ; t 




An* 

Krankheiten des Herzens 
Fussschtmss 



f 4rti*gtr~Sc 



Sjmtarncbo U ul«r»uchun» der Rekrutao: H»npU.1chlich»te 
UrQnde der Diea»lUBUQglicbk«it i ra Z.Urauro l«*-190l. 

nach Form und Qualität besorgt ein eigener Ausrüstungs- 
knntroleur. Fussd>ekleidung und Leibwäsche hat sieh der 
Mann wölbst anzuschaffen. Der Hund liefert jedem Wehr- 
manne des Auszuge» und der Landwehr ein Paar Orden« 
aanzipjartierschuhe zum Preise von Fr. 5. - ; der Wehr- 
mann i-t zu dieser Anschaffung gezwungen, wenn sich 
-«•ine eigen r Fussbekleidung als unzweckmässig erwiesen 
hat. Bekleidungs- und persönliche Ausrüstungsgegen- 
•:. n.J.- werden, gleich wie die Bewaffnung, der Mannschaft 
nach Hause mitgegeben, bleiben aber Kigentum des Staa- 
te und dürfen weder veräussert noch verpfändet werden. 

Bewaffn u ng. Für die persönliche Bewaffnung hat der 
Hund zu sorgen. K- geschieht dies, abgesehen von Ab- 
änderungen im BewafTnungswesen, dadurch, dass die 
Ftekruten mit neuer Hewalfnung ausgerüstet werden. All- 
jährlich lindet gemeindeweise eine Inspektion der sämt- 
lichen in Händen der Mannschaften belindlirhen Waffen 
»latt. zu welcher die Dienstpflichtigen aufgeboten werden, 
bie Instandhaltung der Handfeuerwalfen wird in jedem 
Diriakmakreis durch einen WalTenkontroleur überwacht, 
diese sind eidgenössische Beamte, stehen jetzt ausschliess- 
lich unter der Aufsicht der administrativen Abteilung der 
eidg. Kriegsmaterial Verwaltung, nehmen die Inspektion 
nb und haben für Disziplin während derselben zu sor- 
gen; was das Materielle anbetrifft, haben sie sich streng 
an die Weisungen der administrativen Abteilung des 
schweizerischen Militärdepartementes /u hallen. Im 
schweizerischen Heer sind folgende Handfeuerwalfen und 
Geschütze im Gebrauch: 1. Kurzes Gewehr. Modell 
I?**.* 190O. Kaliber 7.5 mm; 2. Schwei/.. Bepetiergewehr, 
Modell l«XS» 9»; Kaliber 7,5 mm, mit Magazin 12 Patronen 
enthaltend : 3. Schweiz. Bepetierkarabiner, 1893/95, Kali- 
ber". ."> nun. mit Magazin ('» Patronen enthaltend ; 4. Kavalle- 
riekarabiner. 7,5 mm. Modell 1905; 5. Schwei/. Bevnlver, 
b*<2, Kai. 7,5 mm für berittene Unteroffiziere ; ti. Pistole 
l'.Bt), Kai. 7.65 rnm. für Offiziere und höhere Unteroffi- 
ziere; 7. Feldgeschütz. Kai. 7.5 cm ; 8. Gebirgsgeschutz, 
kal. 7.5 cm ; 9 Geschütz. Kai. 12 cm ; 10. Morser. Kai. 12 
cm; 1|. Geschütz. Kai. 8,4 cm ; 12. Maximgewehr, Kai. 
7,5 cm. 



Hie Belastung des Infanteriesoldalen beträgt in Frie- 
denszeilen ohne Munition und eiserne ßation 24.140 kg. 
im Kriege 29.910 kg. Der Kavallerist tragt 10,755 kg und 
das Pferd ohne Mann .11,290 kg. 

Unterricht. Her militärische Unterricht wird auf 
Kosten des Bundes durch das Instruklionskorps unter 
Mitwirkung der ( )fliziere und Unteroffiziere erteilt. Das 
Inslruktionspersonal ist für jede Waffengattung dem Imj- 
trellenden Oberinstruktor unterstem ; auf F.nde I9u6 wies 
das Instruklionskorps folgenden Bestand auT: 

Definitive 

Instruk- Instruktions- 
toren aspiranten 

Infanterie IS9 12 

Kavallerie 15 3 

Artillerie 35 — 

Genie 12 1 

Sanität hl 1 

Verwaltung (i 1 

Gotthard und St. Maurice . _5 2 

"Total 200 20 
Der theoretische Unterricht in den Spezialkursen, so- 
wie die Instruktion der Offiziere im Allgemeinen wird 
fast ausschliesslich durch Instruktionsoffiziere erteilt. 
Die Unterrichtspläne werden von den Oberinstrukturen 
ausgearbeitet und den Wallen- und Abteilungschefs vor- 
gelegt, welche sie mit ihren eigenen Anträgen dem 
schweizerischen Militärdepartement zu endgültiger Ge- 
nehmigung unterbreiten. Die verschiedenen Unterrichts- 
kurse bestehen aus: Bekrutenschulen, Wiederholungs- 
kursen. Offiziersbildungsschulcn. Spezialschulen, Schiess- 
üliungen und Inspektionen. In den Bekrutenschulen er- 
hält der Mann, abgesehen vom Vorunterrichl, den ersten 
Militärunterricht und zwar bis zur Ausbildung zum Sol- 
daten. In die Bekrutenschulen können auch noch Leute 
einberufen werden, welche schon im landwehrpflich- 
tigen Alter stehen. Die Hauer der Bekrutenschulen be- 
trägt bei den einzelneu Waffengattungen, ohne Kinrück- 
ungs- und Fntlassungstag : bei der Infanterie 45 Tage 
(nach dem Vorschlag zur neuen Militärorganisation 05 
Tage). Kavallerie SO (nach dem neuen Vorschlag 90) Tage, 
Feld- und Positionsartillerie 55 (75) Tage, Train 42 Tage, 
Genie 50 (75) Tage, Sanität 46 (60) Tage. Verwaltung .18 
Tage. 

Die Wiederholungskurse der Kavallerie finden jährlich 
statt und haben eine Dauer von 10 Tauen, diejenigen 
der übrigen Waffengattungen alle zwei Jalire und dauern 
je nach der Waffengattung 14-21 Tage. Diejenigen der 
Landwehr finden alle 4 Jahre statt und dauern 5-(i Tage 
mit einem Kadresvorkurs von 4 Tagen. Laut Vorschlag 
zur neuen Militärorganisation sollen die Wiederholungs- 
kurse des Auszuges alljährlich stattfinden mit einer 
Dauer von II Tagen; die Landwehrwiederhulungskurse 
sollen, wie bis dato, all« 4 Jahre stattfinden. 

Von Spezialkursen mögen erwähnt sein : die Schiess- 
schulen für Infanterie (4 Wochen), die Zentralschulen 
für Offiziere (20-42 Tage). Kavalleriekadrcskursc für Un- 
teroffiziere (42 Tage), taktische Kurse für Kavallerieofil- 
ziere 1 12 Tage), Artillerie-Sehiesskurse (14 Tage), tech- 
nische Kurse für Genie-Offiziere (28 Tage), Spitalkurse 
für Krankenträger (3 Wochen), taktisch-klinische Kurse 
für Sanitätsoffiziere (3 Wochen). Die Generalstabsschule 
zerfallt in 3 Kurse, von denen die 2 ersten je 6 und der 
dritte 3 Wochen dauern. 

Die Oniziersbildongsschulen dauern : bei der Infanterie 
42 Tage mach dem Vorschlag zur neuen Militärorganisation 
80 Tage), bei der Kavallerie 60 80) Tage, bei der Artillerie 
105 (105) Tage (beim Train 60 läge), beim Genie 83 
(105) Tage, bei der Sanität 28 ( 45) Tage, bei der Verwal- 
tung 35 (60) Tage. 

Am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich ist eine 
kriegswissenschaftliche Abteilung errichtet worden, deren 
Unterricht zwei Semester umfasst. 

K. VrrwattuiHi des Bundeuhrwx und Mililäranstot' 
ten. Der Bund sorgt für die Verwaltung und den Unter- 
halt des ganzen Kriegs- und Korpsmaterials, inbegriffen 
Hewalfnung und Munition. Zur Prüfung und F.rledigung 
der militärischen Geschäfte sind dem schweizerischen 
Militärdeparteiiieiit 10 vom Bundesrat gewählte Waffen - 
und Abteilungscliefs (höhere Militärbeamte) zugeteilt : 



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SCIIVV 



Sf.liW 



der Chef der Gcneralslahsahteilung. die Wallenchefs der 
Infanterie, Kavallci to, Artillerie und des Genie, der Ober- 
feldarzt, der Obernferdearzt, der Obcrkiiegskomuiissär, 
der Chef der administrativen und der Chefde r technischen 
Abteilung der Kriegsmalerialverwaltung. Alle Wallen- 
chefs liaben. |eder für 9eine Waffe, diejenigen Angelegen- 
heiten zu bearbeiten, welche sieh auf die Hekruticrung 
und den Hesland de* Korps, den Unterricht, das Inslruk- 
tionspersonal. die Hcwaffnung und Ausrüstung der Trnp- 
pen, die Korpsausruslung und die jährlichen Voran- 
schläge beziehen. Dem Watlenchef der Infanterie liegt 
ausser den «eine Walle im speziellen betreffenden Ar- 
beiten auch noch die Vorprüfung. Hcrichler>taltung und 
Antragstellung in allen denjenigen Angelegenheiten oh. 
welche sich auf die Armee als Ganzes beziehen ; er über- 
wacht den (lang der Zentralschulen, hat die Aufsicht über 
den militärischen Yortinlerriehl, sowie über das freiwillige 
Schiesswesen. Her Waltenchefder Kavallerie hat die Kon- 
trolle über die Kavalleriepferde in besorgen ; derjenige 
des Genie übt die Aufsicht aus über die Festungswerke 
und hefasst sieh mit der technischen Ausführung der- 
selben. I)aa Generalslabsbureau leitet und besorgt alle 
Vorarbeiten für die Aufstellung und die Hewegung der 
Armee und für den Kriegsbetrieb der Eisenbahnen ; diese 
Abteilung zählt sechs Unterabteilungen, nämlich : Sektion 
fnr das Nachrichtenwesen, Sektion für den Generalstabs- 
dienst, Sektion für die Mobilmachung, ideographische Sek- 
tion, Sektion für das Eisenbahnwesen und Sektion für den 
Territoriatdiensl. 

I)ie technische Abteilung der Kriegsmaterialverwaltung 
befisst sich mit der Ausarbeitung der Heglcmcnte und 
Ordonnanzen für sämtliches Kriegsmaterial (Hcvvall'nung. 
Hekleidting. persönliche und Korpsaiisrüsluug, Muiiiti.'ir. 
Sie besorgt die Anschattung desjenigen Kriegsmaterials, 
das der Hund selbst anzuschalten hat, und beaufsichtig) 
die Hcgiewerksiätten, welche der Hund behufs Herstellung 
und Heparalur von Kriegsmaterial enichtel hat. Der ad- 
ministrativenAbteilung der Kriegsmater ialvervvaltung liegt 
dieAufhewahriing und der l'nterlialt des sämtlichen Ki iegs- 
materials ob. Eidgenossische Kriegsmaterial-Depots, jedes 
mit einem besonderen Verwalter, bestehen gegenwärtig in 
Aarau. Hellinztma, Hern. liiere, Hrugg. (.hur, Flueleri. 
Krauenfeld, Freihurg. St. Gallen, Inteilaken, Lieslal. Lu- 
zern. Lnzisteig, I'ayerne. Happcrswil. Schwyz. Thun, 
Wangen, Zoiingcn und Zürich. 

Uem nberfeldarzt liegt ausser der Leitung des gesainten 
Militär - SanitäUwesens auch diejenige der Militärver- 
sicherung ob; er überwacht ferner die Militarpensionen. 
Das Oherkriegskommissariat hat für die Verpflegung. He- 
soldung und die Unterkunft der Truppen, sowie für das 
Militarrechnungswesen zu sorgen. Der Oberaudilor leitet 
und überwacht die Verwaltung der Mililarrechtspllege 
(er ist nicht Heamtcri. Als militärische Gerichtsbe- 
hörden kommen in Het rächt : die Divisinnsgerichle, die 
Ersatzgerichte, das militärische Kassation^ericht, das 
ausserordentliche Militärgericht und das Disziplinar- 
gericht. 

Verzeichnis der eidgen»»ssischen und kantonalen Walfen- 
plätze : Aarau. Hasel, Hcllinzona, Hern, liiere. Hnigg. 
Chur. Coloinbier. Krauenfeld. Freiburg, Genf, llerisau, 
Lausanne, Liestal. Luzern, Morles, Moitdon. St. Gallen. 
Sitten, Thun. Walensladt. Winterihur. Yverdon und 
Zürich. 

Mtlitörititslalli'H. Die e i d g e n o ss i s c he P f e r d e- 
regiea u stall in Thun ist dazu bestimmt, in Friedens- 
zeiten abgerichtete Hcitpferde an berittene Offiziere zu 
verkaufen und zu vermieten. Pferde abzurichten, frei- 
willige Heitkiirsc für Offiziere zu fordern, Heitlehrer 
(Zenlral-Ki|uitalionssehulei und Pferdewartcr heranzu- 
bilden. 

Das eidgenössische Kavallcrie-Hemon- 
tendepot in Hern bezweckt, die fnr die Unteroffiziere 
und Soldaten der Kavallerie nötigen Pferde anzukaufen 
und dieselben abzurichten. Die Ablichtung der Pferde 
vollzieht sich in den Heuirmtenkiirsen in einem Zeitraum 
von HO HN) Tagen und wird durch eidgenössische Iterviter 
ausgefuhrt. 

Die Munitionsfabriken v»n Thun und Alhrf 
er>lellen die Kriegsmunitiou für alle Handfeuerwaffen und 
die tieschütze. 



Die eidgenössischen Konsiruktions Werk- 
stätten in Thun besorgen «lie Erstellung und Uep.iratur 
des Ariuee-kriegsmalenals und der Fuhrwerke iFuurgon-. 
Caissons. Hnsiwagen u. >. w.). 

Die eidgenössische W äffen fahr ik in Kern 
kauft und verfertigt Gewehrbestandteile und montiert 
die Waffe n, deren der Hund bedarf. 

Die Kriegspulverfabrik in Worhlaufen bei Hern 
beschäftigt sich mit der Fabrikation von Pulver zu Kriegs- 
zwecken. 

Der Abteilung für Landestopo,; raphie in Hern 
liegt neben der Vermessung des lindes in topographischer 
Hinsicht auch die Hevision und hompletierung. sowie 
die Heschalfung der für den Armeegebrauch nötigen Kar- 
tenwerke ob. 

F. Tt'rritorHilttii'nst . Klap/w»- uml KiseiilHi/iiiiln'uxt. 
Dem Territorialdienst fallen folgende Aufgaben zu 
die militärische Verwaltung de» Landes, die Aufbringung. 
Verarbeitung und KereitBlcllung «ler Nachschütte und die 
I ebcrnahuie der Hui'kschübe der Arme»». Die Leitung 
des Territorialdienstes liegt dem schweizerischen Militär- 
departement ob; zur Heihilfe unterstehen ihm hiefür fol- 
gende Organe: die Terrilorialkreiskominandanlen, die 
Landslurmkommandanten. die Abteilungschefs oder 
deren Stellvertreter, die kantonalen Militärbehörden, die 
Kommandanten der für den Territorialdienst verwendeten 
Truppen 

Das Gebiet der Eidgenossenschaft wird für die mili- 
tärische Verwaltung des Landes im Kriegsfalle in i* 
Territorialkreise eingeteilt, die folgende Kantone um- 
fassen: I. Genf. Waadt, Wallis mit Kreissitz in Lausanne: 
i. Freiburg, Neuenburg mit Kreissilz in Neuenburg . 
IL Hern mit Kreissitz in Hern : 4. Luzern. Nid- und Ob- 
vvalden. Zug mit Kreissitz in Luzern: .*». Aargau. Hasel 
l.and, Hasel Stadt. Sololhuin mit Kreissitz in Aarau; 
6, Zürich, Schnffhausen mit Kreissitz in Zürich ; 7. Thur- 
gau. St. Gallen. Appen/eil A. H. und I. H. mit Kreis- 
sitz in St. Gallen ; ». Graubunden. Glarus mit Kreis- 
sitz in Chur; <J. Tessin. Uli, Schwyz mit Kreissitz in 
Hcllinzona. 

Jedem Territorialk reis ist ein Territorialkreiskomman- 
dant vorgesetzt, welchem ein Stab heigegeben i«t : für 
jeden Territorialkreis ist ein Landsturmkonnnandant er- 
nannt. 

Der Klappend ienst vermittelt den Verkehr zwischen 
der Armee und den Territorialbehörden ; er hat zur 
Aufgabe die Heranführung des Nachschubes und dessen 
Zuruckführung. sowie die Vorsorge für Unterbringung 
und Verpflegung von auf dem Marsch und Transport 
befindlichen Menschen. Pferden und Material, sowie 
die militärische Sicherung dieses Verkehrs. Für die 
Organisation dieses Dienstes werden verschiedene 
Ktappenorte bezeichnet. Den Oberbefehl Uber den ge- 
samten Transporld ienst. d. h. Etappen- uml Eisen- 
bahndienst. fuhrt das Armeekommaudo: die Leitung 
hat der Chef des Transportdienstes, welchem als 
Ausführungsorgane unterstellt sind: der Obnretappen- 
kouimandant zur Leitung des Etappendienstes und der 
Oberbetriebsdirektor als Chef der dem Kriegsbetrieb 
unterstellten Eisenbahnen und Dampfschiffe. Fnr den 
Kriegsbetrieb werden die schweizerischen Transport- 
anstalten in Hetriebsgrunjjen eingeteilt, an deren Spitze 
je ein Hetriebsgruppendirektor gestellt wird ; die Crup- 
iieneinteilung entspricht »ler Friedenseinteilung der 
Eisenbahnen. 

G. FcstiirH/siwI.r. Gegenwärtig befinden sich befestigte 
Stellungen am St. Gotthard, bei Saint Maurice und ander 

l.UZIsteig. 

In Friederweiten stehen die Kommandanten der He- 
festigungen vom St. Gotthard und von Saint Maurice 
unter ih m Hefehl des schweizerischen Militärdi parte- 
nientes. im Kriege dagegen unter demjenigen des Ober- 
befehlshabers. Den Kommandanten der Uefestigimgen 
iderjenige vom St. Gotthard ist < >ber*t-Divisiouar uml 
derjenige von Saint Maurice ist Oberst- Hrigadier) unter- 
stehen : das Platzkomniando. die Abschnitts- Komrnandan- 
teii. die Kommandanten der einzelnen Werke, alle den 
Hefestigungeii zugeteilten Truppen, die ständigen Sicher- 
heit. vvachler und die Thalwehren. Die Sicherheitsvvachc 



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Ifi IM 



GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ v*ri M »on «i«-brüd«r Atu»«,r. wni.ur» 




VERTEILUNG DER AKTIVEN TRUPPEN (AUSZUG) 




VERTEILUNG DER AKTIVEN TRUPPEN (LANDWEHR) 



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SCHW 



SCIIW 



161 



i>( die erste Besatzung der Befestigungen, die j«> nach 
Bedarf ans freiwillig angemeldeten Schweizersoldalen 
rekrutiert wird. Die Beamten und SicherheiUtwächter der 
tofestigungm vom St. Gotthard und Saint Maurice werden 
l*fidiet und wind dem schweizerischen Mililärslrafgericht 
unterstellt. Sämtliche Rekrutenschulcn und Wieder- 
holungskurse der Fe^tungstrnppen tinden in der Umgeb- 
ung des St. Gotthard und von Saint Maurice statt. Die 
Truppen für die Befestigungen von Saint Maurice wer- 
Jen au* den Kantonen Freiburg. Waadt. Wallis. Neuen* 
ttirg und Genf rekrutiert. 
Nach den im Stantsrechniingshericht niedergelegten 



a ) Truppenkörper der Infanterie | Füsi- 
liere und Schützen). Die Einheit l»ei der Infanterie 
bildetdaslnfanterie-Balaillon. Füsilierbataillone: iiumme- 
riert von 1-96 im Auszug und 101-133 in der Landwehr 
1. unil 2. Aufgebote». Schützenbataillone: nutnmeriert 
von 1-8 im Auszug und 9-12 in Landwehr 1. und II. Das 
Infanterie-Bataillon besteht aus dem Stab und 4 Kom- 
pagnien ; Bestand : 25 Ofliziere. 740 Unteroffiziere und 
Soldaten, 8 Beitpferde, 20 Zugpferde und 10 Fuhrwerke. 
Die Infanterie-Bataillone der Landwehr 2. Aufgebotes ha- 
ben einen gesetzlichen Bestand von 24 Offizieren. 721 
Unteroffizieren und Soldaten, sowie 2 Beitpferden für das 



Männer 

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Kontroll*litrke de* Ui 



wahrend des Zeiträume. ts7tM905. 



VJUingerso 



Angaben betrug 
den letzten 10 J 

Jahr 

1X97 

1*J8 

l*W 

1910 

Barl 



■n die M i I i tä ra n sgab en des Bundes in 
ihren : 



Jahr 
IM »2 
1903 
IWOi 
BN In 
1900 

H. Hrertfsorganisatioii. Die schweizci 
trhtau* dem Auszug, der Landwehr 



Fr. 

24 4K! 747. 57 
20 498 057. 62 
27 472117.45 

27 7»G384. 14 

28 388370. 44 



28 713 031. - 
28 081 430. 50 

2i» 142 5:»;. Ol» 

311511 498. 05 
35 220 Bfl. 07 
rische Armee he- 
und dem Land- 

dorm. Der Auszug' wird aus den Wehrpflichtigen der 
iwölf jüngsten Jahrgängen (20-32) gebildet. Die Land- 
wehr besteht aus zwei Aufgeboten, dem ersten Aufgebot 
au* den 7 Mannschaftsjahrgängen vom 33. bis und mit 31». 
Altersiahr und dem zweiten Aufgebot aus den 5 Jahrgängen 
de« 40. bis 4i. Altersjahres. Der Landsturm setzt sich zu- 
sammen aus Schweizerbürgern im Alter von 20 bis 50 Jah- 
ren, welche weder im Auszug noch in der Landwehr ein- 
geteilt sind ; es können ausserdem auch noch Freiwillige 
ans jüngeren oder älteren Jahrgängen in den Landsturm 
aufgenommen werden. Bei der Kavallerie dauert der 
Dienst im Autzug bis zum zurückgelegten 30. Altenahr 
and in der Landwehr bis zum zurückgelegten 44. Alters- 
jahr. 

Das Bundesheer besteht aus folgenden Truppengattnn- 



24 Offizieren, 717 Unteroffuie- 
Beilpferden für das Schützen - 



Füsilierbataillon und von 
ren und Soldaten, sowie 
bataillon. 

Das Infanterie-Regiment (Nr. 1-32 Auszug. 33 bis 43 
Landwehr I, 44-54 Landwehr II; besteht aus dem Stabe 
und 3 Bataillonen und hat folgenden Bestand : 81 Offi- 
ziere, 2625 Unteroffiziere um 1 Soldaten, 32 Beitpferde. 64 
Zugpferde und 32 Fuhrwerke. 

Die Infanterie-Brigade (I-XVI Auszug, XVII-XX Land- 
wehr I ) besteht aus dem Stahe und 2 Begimentern und 
weist einen Bestand auf von 108 Offizieren, 5260) Unter* 
oftizieren und Soldaten, 75 Beitpferden. 130 Zugpferden 
und 65 Fuhrwerken. 

b) Truppenkorper der Kavallerie. Die Ein- 
heiten der Kavallerie sind die Dragonerschvvadron, Mie 
Guidenkompagnie und die berittene Maximgewehrkom- 
pagnie. Dragonerschwadron. nummeriert von 1-24 in Aus- 
zug und l-andwehr. Bestand : 4 Offiziere, 124 Unteroffi- 
ziere und Soldaten. 123 Beitpferde, 8 Zugpferde. 3 Fuhr- 
werke. — Kavallerieregiment (Nr. 1-8). tiesteht aus dem 
Stahe und 3 Schwadronen. — Kavalleriebrigade (Nr. 1-1V), 
besteht aus dem Stabe und 2 Begimentern und hat einen 
Bestand (ohne die berittene Maximgewehrkompagnie) von 
38 Offizieren. 764 Unteroffizieren und Soldaten, 761 Reit- 
pferden. 50 Zugpferden und 19 Fuhrwerken. 

Die Guidenkompagnie (Nr. 1-8), den Divisionen als 

199 — GEOGR. LEX. V — 1 1 



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10-2 



SCHW 



SCHW 



Divisionskavallrrie zugeteilt, hat den gleichen Bestand i wagen. 1 Fourgon, i Proviantwagen und 106 Zugpferden, 
wie die Pragoncrschwadrun ; die Guidenkompagnien I lue Feldartillerie-Abteilung besteht aus dem Stäbe und 



Kl NT EI 1.1' NC l'ND Nt'MMERIKRI'NG UFR iNrANTtWE. 

1. Auszug. 













I 








Divisionen 












Ii 




Infanterie-Brigaden . . 




1 


ii 


in 


IV 


Infanterie- Regimenter 


1 




3 


i 




8 


7 


8 


Pteilier- Bataillone . . 
Schulzen-Bataillone . 


! \ 

1 3 


4 

5 

13 


7 
8 
9 


111 
II 

88 


13 
14 

15 


1« 
17 
18 


4» 

■2») 
•21 

2 


22 
23 
1-24 










II 








Divisionen 




III 






V 




Infanterie-Brigaden 


v 


VI 


IX I 


> 


I 


Infanterie- Regimenter 


9 




tt 




17 


« 


19 


») 


Füsilier-Bataillone . . 
Schulzen-Bataillone . 


25 
2n 
27 


28 
29 
:«» 

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32 
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36 


vi 

50 
51 


52 
53 
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55 
56 
57 


7,8 
59 
IX) 



Armeekorps 

Divisionen 

Infanterie-Brigaden . . 
Infanterie- Regimenter 

Füsilier-Bataillone . . 

Schützen-Bataillone . 



III 



vi 



gl 



63 
W8 



VII 



Armeekorps 

Divisionen 

Infanterie-Brigaden. . 
Infanterie- Regimenter 

Füsilier-Bataillone . . 

Sch ii Uen- Bataillone . . | 4 

Anmrrkung : l-7i«tlier. Bataillone 47 und <7 den Gotthard!) festigungen lugeteilt. 

Kiisiiier B»t.n.lo . lg den Rerea'iifungen von St. Ma..n«-« lugeteilt. 



VII 





XII 


XIII 


xiV 


« 


?! 


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ST. 


*; 








67 


70 


73 


76 


79 


82 


115 


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71 


74 


5 


m 


83 


66 




63 


75 




81 


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ii 


15 


Di 


37 


40 


43 


46 


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41 


44 


48 




42 


45 


97 



Nr. 9-12. welche dem Armeestabe und den Armeekorps- 
stiiben zugeteilt werden, haben einen durchschnittlichen 
Bestand von 2 Offizieren und 75 Keilern. 

Die berittene Maiimgewelir-Kompagnie (Nr. I - 1 V ) weist 
folgenden Bestand auf: 4 Offiziere, 72 l'nlerofliziere und 
Soldaten. t>9 Beilpferde. 8 Maximgewehre, 16 Parkpferde. 
6 Fuhrwerke und 14 Zugpferde. 

c) T r u p p e n k o r p e r der Artillerie. Die Ein- 
heilen der reldarlillerie sind; im Auszuge die Feldbatte- 
rie, in der Landwehr die Parkkompagnie und die Depot- 
parkkompagnie. Die Einheil der Gebirgsartillerie ist im 
Auszüge die Gebinibatterie, in der Landwehr die Saum- 
kolon ne. Die Einheiten der PoMtionsartillerie sind die 
Positionskompagnien und die Positionstrainkompagnien. 



3 Batterien. Das Feldartillerie-Begiment Nr. 1-12) besteht 
aus dem Stabe und 2 Abteilungen und weist einen Be- 
sland auf von 41-47 Offizieren, 844-850 l nleroffmeren 
und Soldaten. 144-150 Reitpferden. 650 Zugpferden. 24 
Geschützen und 87 Fuhrwerken. Die Infantene-Parkkom- 
pagnie und die Artillerie-Parkkompagnie (No. 1-24 wer- 
den je aus den 7 jüngsten Landwehrjahrgängen gebildet; 
die Korpspark-Abteilung besteht aus dem Stabe, sowie 1 
Infanterie- und 2 Artillerie-Parkkompagiueu. Der Korps- 
park iNr. 1 - 1 V > besteht aus dem Stabe und 2 Abteilungen 
und hat folgenden Bestand: 33 Offiziere, Wir» l'nteruffi- 
ziere und Soldaten, 78 Beilpferde, 818 Zugpferde und 237 
Fuhrwerke. 

Die Depotpark-Kompaguie 



:». Lnndwt'hr I. 



Den Armeekorps 


1 




II 


III 


IV 


sind zugeteilt : 


















Infanterie-Brigaden 


XVII 


XVIII 


XIX 


XX 




:« 


34 


35 




37 


38 


39 


40 




t 101 


106 


um 


117 


121 


126 


113 


IUI 


_ 


I 102 


107 


110 


118 


122 


127 


115 


123 




105 


108 


in 


120 


125 


128 


116 


124 


Srhützen-Bataillone 


9 

— = 


10 


11 


12 



Re* H (Bat. 130, 131, 133| wird ad.- mi»trallv der XX. B ipade ruKrteili. 

Reg « IB.». 103. 10») wird der Sicherheit.beaalaung d. r B.le»ti K un({. n von St Maurice gtigeleili 
Reg 43 (Bat. Iii, IM, 1«), 132» wid der -. am 8t. Gotthard ■ 



3. Ixindwhr II. 



Regimenter 44 



Den Regimentern administrativ zuge- 
teilte Schützen-Bataillone .... 



Rag. 53 (Bat 103, lOtl wird der Sicherheiube»atxuug der Befestigungen von St Maurice tugeteilt 
R*g. 54 (Bat 11» U4. 1». 139) wird i e r • „ .. am St Gotthard » 



U4 




46 


47 


48 


49 


50 


51 


52 


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103 


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107 


110 


118 


122 


127 


115 


123 


131 


104 


114 


' 105 


108 


III 


l-io 


125 


128 


116 


124 


133 




129 






















132 


9 




10 




11 




12 











Die 7.5 cm Feldbatterie fNr. 1-72) hat einen Bestand 
von 5-6 Offizieren. 138-139 rnterofliz.ieren und Soldaten, 
21-22 Reitpferden, 4 beschützen, 10 Caissons, 1 Ratlerie- 



Landwi 
oMizi« 



iNr. I-.YIL umfasst die 5 
iiitesten Landwehr-Jahr- 
gänge. - Der Depotpark 
(Nr. l-IVi besteht aus dem 
Stabe. 1 Infanterie- und 
2 Artillerie-Parkkompag- 
nien ; Personal- und 
Pferdebesiand wie bei 
den Kompagnien des 
Korpsparkes ; als Fuhr- 
werke : Infanterie- und 
Artillerie Caisson». Er- 
gänzungsgeschuUe, Rust- 
wagen u. s. w. 

Der Restand der Ge- 
birgsbatterie [Nr. 1-41 
ist : 7 Offiziere. 165 Unter- 
offiziere und Soldaten. 12 
Reitpferde. 71 Saumtiere. 
6 tieschütze. 60 Muni- 
tionskislen. - Die Saum- 
kolonne (Nr. 1-4» besteht 
aus : 9 Offizieren. 108 
l'nteroffizieren und Sol- 
daten. 4 Reitpferden. 80 
Saumtieren. 30 Artillerie- 
munitionakisten. — Das 
Gebirgsartillerie - Regi- 
ment besteht aus dem 
Stabe, 4 Batterien und 
4 Saumkolonnen. 

Die Poaitionakompag; 
nie (No. 1-10 Auszug. 1-15 
hri hat folgenden Bestand: 7 Offiziere. 162 l'nter- 
und Soldaten. 1 Reitpferd. — Positions-Trainkom- 



pagnie i.Nr. 1-V), Restand : 4 Offiziere, 106 l'ntcroffiziere 



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SCJIW 



SCHW 



103 



•■ad Soldaten. 10 Reitpferde, 150 Zugpferde. — Die Posi- 
tionsartillerie-Ableilung (Nr. I-V) besieht au« dem Stabe, 
i Kompagnien Auszug, 3 Kompagnien Landwehr, ! Posi- 
»itiuns-Trainkompagnie und dem Material der Abteilung. 
Bestand : 46 l »fliziere, etwa 920 Unteroffiziere und Sol- 
daten. 25 Reitpferde, ISO Zugpferde, 40 Geschütze, 87 
Fuhrwerke. 

d) TruppenkörperderGenietruppe. Oie Ein- 
heiten der t.enietruppe sind: das Genie-llalhbataillon, 
die Krieg«t>nicken -Abteilung, die Telegraphen-Kompag- 
nie, die Eisenhahn-Kompagnie, die Ballon-Kompagnie, 
A:>- Land w ehr- Sappeur- Kompagnie. 

Das Geniehalbbataillnn (Nr. I— H i besteh I aus dem Stabe 
und 2 Sappenrknmpagnien ; Bestand: 13 Offiziere. 399 
l"nter<>ffizieiv und Soldaten. 10 Beilnferde, 30 Zugpferde, 
Ii Fuhrwerke. — Die Kriegshrückenabtc ilung (Nr. 1-4 
Auszug. 1 und 2 Landwehr) besteht aus dem Stabe. 2 
f'ootonierkompagnien und 1 Kriegsbrückcn-Trainablei- 
lung. Bestand : 16 Offiziere, 866 Unteroffiziere und Solda- 
ten, i*i Reitpferde. 154 Zugpferde, 37 Fuhrwerke. — Die 
TVb>-rapht- nkompagnic iNr. 1-4 Auszug und Landwehr) 

Mehl aus dem Stabe und 2 Abteilungen. Bestand: 7 
Offiziere. 143 Unteroffiziere und Soldaten, 9 Reitpferde, 
Zugpferde. 9 Fuhrwerke. — Das Eisenbahnbataillon 
besteht aus dem Stabe und 4 Kompagnien (Nr. 1-4 Aus- 
. Lesland: 17 Offiziere, 359 I nterofli/.ieie und Sol- 
dalen. 11 Reitpferde. 58 Zugpfenle, 17 Fuhrwerke. — Die 
llallonkomi agnie hat einen Bestand von 8 Offizieren. 185 
I nleroftizieren und Soldaten, 9 Reilpferden, 'Jl Zugpfer- 
I n und 28 Fuhrwerken. 

ei Truppenkörper der Sanitätstruppe. Die 
hinheilen der Sanitätstruppe sind: die Ambulance, die 
Sanitätstrainkompagnie, die Transportkolonne, der Sani- 
tatszug, die Spilalsektion. Ambulance (Nr. 1-40 Auszug), 
Sanilatstiainkoinpagnie (Nr. l-IVi. Das Divisionslazaret 
Nr. I S besteht aus dem Stabe, 3 Ambulancen und dem 
Laian ttrain : Restant!: 29 Offiziere. I.V.» Unteroffiziere und 
Soldaten. 0 Reitpferde, 33 Zugpferde, 15 Fuhrwerke. — 
I>as korpslazaret (No. I bis IV) besteht aus dem Stabe. 
i Ambulancen, der Materialreserve. Fuhrwerkskolonne 
und dem Lazarettrain. Bestand: 42 ( )fti/iere, 273 Lnler- 
ofliziere und Soldaten, 18 Reitpferde, 132 Zugpferde, 56 
Fuhrwerke. — Die Transportkolonne (Nr. I V) besteht 
aus dem Stabe und 2 Zügen. Bestand : 4 Offiziere, 79 
l'ntcroffiziere und Soldaten, (i Reitpferde, 67 Zugpferde, 
X> Fuhrwerke. — Iler Sanitätszug (für Eisenbahntrans- 
port) hat einen Bestand von 3 Offizieren und 18 Unter- 
ottneren »in«l Soldfttea, die 
Spitalaektion (Nr. I VIII) 

• ••!! solchen von II Ofli- 
iieren und 32 Unteroffi- 
ueren und Soldaten. Der 
Spital ist auf 200 Kranke 
hamteat 

OTruppenkörperder 
Verwaltungstruppe. Die 
Einheiten der Verwaltungs- 
truppe sind : die Verwal- 
tungskompagnie und die 
Verpflegt! ngstrainabtcilung. 

Verwaltungs-Kompagnie 
Nr. 1-8 Auszug und Land- 
wehr). Im Auazug sind die 
Verwaltungskompagnien auf 
"inen Stand von etwa 5 Off- 
neren nnd 175 Hann ge- 
kracht worden ; diejenigen 
der Landwehr zählen durch- 
s-hmttlich 4 Offiziere und 
t'O Mann. — Der Korps- 

erpflegungatrain iNr. I-IV) 
besteht aus einem Stabe 
und 2 Trainabteilungen (Nr. 

Bestand : 7 < >fli/.i.re, 
I4i Unteroffiziere und Sol- 
lten, 21 Reitpferde, 182 
Zugpferde. — Die Horpsver- 

PWgungsansUlt (Nr. I-IV) besteht aus dem Stabe, 2 
Verwaltungskompagnien (Auszug) um! dem Korpaver- 
train. Die Korpsverpflegungsanslalt ist einge- 



teilt in Feldbäckereien, Feldschlächtereien und Ver- 
pllegungskolonne und zählt 208 Fuhrwerke und 610 
Zugpferde. 

g) Festu ngstruppen. Zu diesen gehören: die 
Pettangaartillerie (Kanoniere uml Beobachter), die Ma- 
schinengewehrschützen nnd die Festu ngssappeure. Die 
Einheiten der Festungstruppen sind : die Kanonier- 
kompagme. tlie Reobachterkompagnie, die Maschinen- 
gewehrschutzenkompagnie und die Festungssappeur- 
kompagnic. Mehrere hanonierkompagnien und eine 
lieobaeiiterkoiupagiiie werden vereinigt zu einer Fes- 
tiiiigsarlillerie-Ahteiluiig, au deren Spitze ein Stab 
stellt. 

Aus dem Auszug bildet die schweizerische Armee 8 
Divisionen oder 4 Armeekorps. Die Division besteht 
normal aus : dem Divisionsstab, zwei Infauteriebri- 
gaden, einem Srhützenhalaillon, einer Guidenkom- 
pagnie, einem Feldartillerieregiment zu 2 Abteilungen 
a je 3 Batterien, einem Geniehalbbataillon und einem 
Divisionslazaret. d. Ii. also aus zusammen 13 Batail- 
lonen. I Guitlenkompagnie, 6 Ratlerien, 2 Sappen r- 
kompagnien und 3 Ambulancen. Das Armeekorps 
besteht normal aus dem Armeekorpsstabe, zwei Divi- 
sionen und den Korpstruppen. Die zur direkten Ver- 
fügung des Armeekorpskommandanten stehenden Korps- 
li'tijipen bestehen normal aus: einer Land wehr-Infan- 
teriebrigade 1. Aufgebot, einer Kavalleriehrigade, einer 
berittenen Maximgewehrkompagnie, einem Feldarlil- 
lerieregiment zu 2 Abteilungen ä je 3 Batterien, 
einem Korpspark, einer Kriegsbrückenahleilung, einer 
Telegraphenkompagnie, einem Korpslazaret, einer Korps- 
veriillegungsanslalt. Gesamtbestana also normal : 33 Ba- 
taillone, 8 Schwadronen (tiavon 2 Guidenkompagnien), 
1 berittene Maximgewehrkompagnie, 18 Feldbatterien, 
6 Parkkompagnien, 4 Sappeurkoinpagnien, 1 Kriegsbrü- 
ckenabteilung, eine Telegraphenkompaguie, 10 Ambulan- 
cen und 1 Korpsverpflegungsanslalt. 

Total Ausrückungsbestand der Division ä 13 Bataillone 
rund 13000 Mann. 1200 Pferde. 

Total Au*rüekiingsbestand des Armeekorps (ohne Land- 
wehr-Brigade) ä 26 Bataillone rund 30000 Mann, 5300 
Pferde. 

Total Ausrückungsbestand tles Armeekorps (mit Land- 
wehr-Brigade) ä 33 Bataillone rund 36 000 Mann, 5500 
Pferde. 

Truppenkorps des Auszugs. Im Auszug werden 
ausser dem AtineeMah folgende Truppenkorps formiert : 



22000 Männer 



20000 




MM 



Genie 




KontrolUtnrke dar Speiitlwaffon (Auszug) von I.S7VM9W. 

4 Armeekorps (deren Korpsinfanteriebrigaden, Korps- 
parks und Lazarettrains aus Landwehr gebilde 
sind) ; 3 Infanteriebataillone (12, 47, 87), sowie die 



164 



schw 



SCHW 



Festungstruppen Pur die Befestigungen de» St. Gotthard 
und von Samt-Maurice ; 4 Gebirgsbalterieii. lü P<>- 
sitiotiskompagnien. I Eisenbahnbataillon. I Ballonkom- 
pagnie. 

Tru p nc nkorns der Landwehr. In der Landwehr 
werden (olgende Tnippenkorpa formiert : 



[ gedienten kanoniermannschaften zu '2—4 Poaitionskom- 
pagnien bis auf 3m Mann stark. 

Im unbewaffneten Landsturm werden gebildet: a« 
Pionierbataillone von 3—8 Kompagnien mit kompa- 
gniestarke bis auf 20i» Mann, bi Spozialabteilunjrea 

j (Sanilatsmannschaft, Fuhrleute und Pterdewärter. Si*- 



Hi>iam> nui Fimicj ikn na. h Ol I 1/ii.hkn. I nj i.HnH i/rf.t:i.N i \n S.i.oukn vi r I. jam ai: It* IT. 

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Infanterie 



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Total de» I. .Vrmt'Okoip^ . . . . 
Total ilrs Ii. Armeekorps . 
Total des III Armeekorps . . . . 
Total .l.-s IV". Armeekorps ... 
BeNal/uiigstrtippen vom Gotthard 
vi.nSt. Maurice 
Disponible Truppen 

Total >les Aits/iiges 

Landu-i-!tr 
init 12.be/kv. 1 V Jahresklassen 
Landwehr I. Aufgebot 
Landwehr II Aufgebot 

Total per Wnlleiigaltuny 



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Tnlal des I. Armeekorps. . 
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Total des III. Armeekorps 
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Ilesatznn^stnippeli vom I .oltliard 
von St. Maurice 
Disponible Truppen 

Total .les Aiis/o-rs . . 
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mit 12. Irrov. 1 i Jaht'1-r.klassen , . 
Landwehr I. Aufgebot 
Landwehr II. Auf-, hol . 
Total per Watletvaltmig , . 



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(.Infanterie, al Landwehr t. Aufgebotes (7 Jahr- 
gänge, 33. bis 39. Altersjahr), 37 Landwehrbataillone ; 
b) Landwehr 2. Aufgebotes <5 Jahrgänge. 40. bis 44. Al- 
tersjalir), 37 Landwehrbataillone. 

2. Kavallerie (Mannschaft vom 31. bis 44. Alters- 
jahre). 24 Schwadronen, 12 Guidenkompagnien. 

3. Artillerie. '24 Parkkompagnien (7 Jahrgänge. 33. 
bis 39. Altersjahr), 12 Bepotparkkompagnien (5 Jahr- 
gange, 40. bis 44. Allers|ahr), 4 Satimkolonnen, 15 
Landwehrpositionskompagnien, 5 Posilionslrainkompa- 
gnien. 4 Sanitätstrainkompagnien, 9 Landwehrtrainkom- 
pagnien. 

4. G e n i e t r u p p e. Iß Sappcurkompagnien. 2 Krieg«»- 
hrückenabteilungen, 4 Telegraphenkompagnien, 4 Kisen- 
bahnkompagnien. 

5. S a n 1 1 ä t s t r u p p e. 16 Ambulancen. 5 Transport - 
kolonnen. 3 Sanitätszüge. 8 Spitalsektionen. 

«1. Verwaltungstruppe. 8 Verwahungskompag- 
nien. 

Tru p pen k or ps d c s La nd st u r m s. Im bewaffneten 
Landsturm werden formiert: a) 06 Füsilierbataillone von 
3-6 Kompagnien zu 80—200 Mann, b) Schützenkompagnien 
in nicht bestimmter Anzahl. c> Kanonierabteihingen aus 



nahslen. Gebirgsträger. Werkstättenarbeiter. Maga- 
/inarbeiter, Bäcker, Metzger. Büreaugehüfen und 
Schreiber. Mannschaften zur Verfügung des Militär- 
kommandos, Radfahrerl in der Stärke bis zu h)0 Mann 
mit je 1 Offizier als Chef und auf 10 Mann einem Unter- 
offizier. 

Rapport über die landsturmpflichtige Mannschaft auf 
1 . Januar 1907 : 

Terntorialkreis I (Genf, Waadl, Wallis): 34833_Mann. 

• II (Freiburg. Neuenbürg): 22956 Mann. 

III ;Bern) : 50996 Mann. 

IV ( Luzern. Obwalden, Nidwalden. Zug 
2072Ö Mann. 

V Solothurn. Basel Stadt. Basel Land. 
Aargau) : 4538(1 Mann. 

m VI iSchallhausen. Zürich) : 4M 3*27 Mann. 

VII ( l'hurgau. Appenzell A. K. und I. H . 
St. Gallen) : 48308 Mann. 
» VIII (dlarus, Graubünden I : 10785 Mann 

- IX iSchwyz, Uri. Tessin): 15116 Mann. 

Zusammen 306 432 Mann, wovon 44294 auf den bewaffne- 
ten und 202 138 auf den unbewaffneten Und stürm ent- 
fallen. |Kug«n Yoihx.; 



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."». Finanz- i n» Zou.dki'artejjknt. A. Finanzwesen." 
I . CewhtchtHch»'*. l'nter der allen Eidgenossen- 
schaft. Hei dem überaus lockeren Bande, welches die 
einzelnen Glieder zusammenhielt, und bei dem Mangel 
einer "bersten ausführenden Hundesbehörde konnte in 
<W alten Kid Genossenschaft von einem geineinsamen 
Staatshaushalt und von einem zentralen Finanzorgaii nicht 
die Rede sein. Hie Verwaltung der « gemeinen Herr- 
schaften • der VIII allen Orte, deren Jahresrechnung 
j.-wcilcn an den ordentlichen Tagsatzungen abgelegt 
«tirde, verdiente diesen Namen nicht. Ks handelte sieh 
hierbei bloss um die Nutzbarmachung eines nur einem 
Teil der Bundesgliedcr angehörenden gemeinsamen Eigen- 
tums, wodurch die übrigen finanziellen Verhältnisse eines 
jeden der autonomen Stände nicht berührt wurden Nicht 
einmal in Kriegszeiten fand eine gemeinsame Verwaltung 
<ier im Felde stellenden Heere statt, da nach M ausgäbe des 
1291 erstmals abgeschlossenen und nachher erneuerten 
Rundnisses die Hundesglieder verpflichtet waren, sich 
gegenseitig bei eintretender Not «auf eigene Kosten » *u- 
mziehen und somit jedes Kontingent sich selbst zu verpfle- 
gen hatte. 

Hie Helvetik. Wie in so vielen andern Landern 
Krachte das Zeitalter der französischen Revolution auch 
für die Schweiz eine vollständige Umwälzung der seit 
langem bestehenden politischen uud sozialen Ordnung. 
Die 1798 in die Schweiz eingedrungenen Franzosen setzten 
an Stelle de« losen Staatenbundes mit seinen patriarcha- 
lischen und oligarchischen Regierungen einen stark zen- 
tralisierten Einheitsstaat mit fünf Direktoren und sechs 
Ministem als obersten vollziehenden Behörden. Hie erste 
helvetische Verfassung bestimmte, dass die Steuern zum 
allgemeinen Nutzen ausgeschrieben und unter den Steuer- 
pflichtigen nach Vermögen, Einkünften und Nulzniessun- 
^en verteilt wcnlen sollten, dass die Hesoldung der offent- 
l>> hen Beamten nach Verhältnis der Arbeit und der er- 
forderlichen Talente und, sonderbarerweise, auch in 
rinem Ounntuin (ietreide auszurichten seien, dass kein 
h>*yendes Gut unveräusserlich erklärt werden könne und 
das* der Grund und Boden mit keiner Last. Zins und 
Oienstbarkeit beschwert werden dürfe, wovon man sich 
nicht loskaufen könne — . alles Hinge, die sich auf dem 
Panier sehr schön ausnahmen. 

Biese Grundsfit/e gelangten dann in folgenden Mass- 
re^'< ln, worin der französische Kinlluss wiederum stark 
mr Geltung kam. zur Anwendung: Abschaffung der Ab- 
zu^rechte und Einführung der Handelsfreiheit ; Resitz- 
ergreifung des Staatsvermogens der bisherigen Kantone 
durch die helvetische Republik gegen llehernahme Her 
rechtmässigen Schulden ; Sequestrierung des Vermögens 
der Klöster, geistlichen Stiftungen und Abteien; unbe- 
dingte Aufhebung der Personalfeudalrechte und Abschaf- 
fung der dinglichen Feudallasten, teils ohne, teils gegen 
«eringe Entschädigung; Monopolisierung zu gunsten des 
rmheitsstaate* des Handels mit Salz und Schiesspnlver, 
-I« Postverkehn«, des Rergbaus, der Münzprägungen; 
Aufstellung einesStcuergeselzes(vom17. Weinmonat 1798) 
ü it direkten und Luxusabgaben ; Erhebung von Eingangs- 
hallen und Abschlus» von Handelsvertragen, zu welch 
l-lzii-ren e« aber in dieser äusseret bewegten Zeit und bei 
der ephemeren Dauer der helvetischen Republik nicht 
kommen konnte. 

Die Verwaltung der Finanzen wurde dem Finanzmini- 
sterium, das als Vorläufer des heutigen eidg. Finanz- 
deprtement» betrachtet werden kann, übertragen. Die 
Einnahmen, welche der erste helvetische Finanzminister 
von seinem Steuersystem für die Kassen des neuen Ein- 
Ix tUstaats erwartete, waren auf Fr. 14 150 600 Schweizer- 
franken angeschlagen worden, die Ausgaben dagegen auf 
1'WifiOU Schweizerfranken. Aber das Gegenteil dieser 

Bei drn Abschnitt«?«! Geich ichllishrs, (in*<h<ifi»k>r<» und 
''■-j'i.tKjtion >ies l'inanZ'leixtrttments und Pitfli/et der Kid- 
W,mn,chafl Ist der VoriMaer dieser Arhoit Id dar Hauptaacho 
d*a Au»rtihraDg«n »weier Artikel gefolgt, die er Ober diese Ma- 
terie in dem von Prof. N. Reicbesberg in Born berau'gegebeneo 
Handwörterbuch der schweizeritcAen Volkswirtschaft, Sozial- 
}"ütlk und Verwaltung veffllfentlicht bat. Kbeoto bildete ein 
<a Schweizerischen Finanzjahrbuch (Jahrgang I r«0*>) crsobieoe- 
o«" Aof»etx ober «II« Staaltschultfcn der schweizer. Kidneno.itrn- 
^Aa/V die Granula«« da» nicastehendeo, den namh.-nen Titel 
trijreodeo Abschnitte t. 



Erwartungen traf ein. Die Ausgaben überstiegen sofort 
die Kinnahmen. Das flüssige Staatsvermögen der Kantone 
war von den Franzosen geraubt, das ganze Land durch 
die französischen Truppen und später auch durch die 
ebenfalls in die Schweiz eingedrungenen österreichischen 
und russischen Heere ausgesogen und teilweise verwüstet 
worden. Die wenigen Leute, die damals noch Steuern 
hätten bezahlen können, taten es nur notgedrungen. Die 
Abschaffung der Feudallasten hatte das Volk begreiflicher- 
weise gerne gesellen, für die Entrichtung der neuen di- 
rekten Abgaben war die Begeisterung dagegen weniger 
gross. Ende 1799 waren z. B. die Steuern aus dem Vor- 
jahr noch zum grossen Teil ausstehend. So kam es denn, 
dass trotz der anscheinend reichen Einnahmequellen, 
welche dem neuen einheitlichen Staatswesen durch die 
genannten gesetzgeberischen Verfügungen eröffnet worden 
waren, dieses bald zahlungsunfähig wurde. Der finanzielle 
Ruin der Helvetik war auch eine der Hauptursachen ihres 
politischen Zusammenbruchs, ein Beweis dafür, dass gute 
Finanzen die Hauptbedingungeiner guten und dauerhaften 
Politik sind. 

Die erste eidgenossische Finanzverwallung steht noch 
jetzt in keinem guten Andenken, und doch war sie besser 
als ihr Huf. Die neue Ordnung der Dinge hatte sich auch 
im Finanzwesen allzu sehr von dem Boden der geschicht- 
lichen l'eberlieferungen entfernt ; die meisten Massnah- 
men waren überstürzt, die Verwaltung zu zentralisiert, 
und der ganze komplizierte Haushalt mit seinen zahl- 
reichen und für die damalige Zeit sehr gut bezahlten Ma- 
gistraten und Beamten passte nicht zu den einfachen, zum 
Teil noch ganz patriarchalischen Verhältnissen unseres 
Landes. Aber auf der andern Seite darf nicht vergessen 
werden . dass seither doch die meisten wesentlichen 
Funkte des helvetischen Finanzprogramms zum Wohle 
unseres Landes verwirklicht worden sind. Hie persönlichen 
und dinglichen Feudallasten sind während der ersten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Kantonen aufgehoben 
oder abgelöst worden. Hie kantonalen Zölle, von denen 
das Ohmgeld noch das letzte Ueberbleibsel war. sind ver- 
seil wunden, und Niemand wünscht sie mehr zurück. Das 
Zollwesen ist in die Hände des Bundes gelegt, und unsere 
kommerziellen Reziehungen zum Auslande sind durch 
Verträge geordnet, wie sie schon die helvetische Regierung 
in Aussicht genommen hatte. Die Herstellung und der 
Verkauf des Schiesspulvers, der l'ostverkehr. das Münz- 
wesen sind dem Runde übertragen worden. 

Die Mediationsperiode. Mit der ihm von dem 
damaligen ersten Konsul Ronaparte aufgezwungenen sog. 
Mediationsverfassung kehrte unser I.and vom Einheits- 
staat zum Staatenbund zurück. Die Bundesgewalt wurde 
sehr beschränkt und das wenige, was davon verblieb, in 
die Hände des Landammannes der Schweiz gelegt. Salz-, 
Pulver-, Stempel, Münz- und Postverwaltung wurden dem 
Rund weggenommen und auch die Zolle an der Grenze 
wiederum den Kantonen überlassen. Jeder Kanton hatte 
seine Abgeordneten zur wiederhergestellten Tagsatzung 
selber zu honorieren; für die übrigen geringen eidgenös- 
sischen Ausgaben ( Hesoldung des Landammannes, des eidg. 
Kanzlers u.s. w,i musste der |eweilige Vorort (wechsel- 
weise je für ein Jahr Freibarg, Bern, Solothurn, Basel, 
Zürich und Luzernl aufkommen. Einzig die Kosten für 
die von der Kidgenossenschaft in Paris. Wien und Mai- 
land unterhaltenen «diplomatischen Agentschaften »(etwa 
25000 Schweizerfranken im Jahr) trug die Gesamtheit. 
Die Bundesatisgaben sollten aus den Geldkonlingenlen der 
Kantone bestritten werden, welche noch heute in der 
Bundesverfassung als Einnahmequelle des Rundes vor- 
gesehen sind. Das damalige einfache Geldkontingent 
betrug 409;VÖ Franken; aber gewöhnlich genügte schon 
ein Zehntel; das höchste war im Jahr 1811 ein Viertel. 
Der «undeshaushalt war also auf ein Minimum beschränkt. 
! Aber noch wahrend der Mediationsperiode sah man sich 
veranlasst, das Finanzsystem der Helvetik in einem Punkte 
wieder aufzunehmen. Am 26. November 1813 setzte näm- 
lich die Tagsatzung einen neuen Tarif für die Eingangs- 
gebühren fest und bestimmte, dass deren Krtrag nicht 
mehr den Kantonen zutliessen. sondern \on der Tag- 
satzung zur Bestreitung der ausserordentlichen militäri- 
schen Ausgaben verwendet werden sollte. Nach der tat- 
sächlichen Aufhellung der Napoleon'schen Konlincnlal- 



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sperre war die Einfuhr so gros«, dass trotz der sehr be- 
scheidenen Ansätze schon Ende des Jahres 1813 teils dem 
Landammann der Schweiz, teils dem Oberkriegskommis- 
sariat 63877 Schweizerfranken abgeliefert werden konnten 
and noch 8*i04 Schweizerfranken in der Kasse der Grenz- 
anstalten verblieben. Ks wurde so ein Finanzsystem ein- 
geleitet, das dem Bund die Krfüllung seiner ersten und 
obersten Pflicht ermöglichte und ihn im weitern Verlauf 
von den Geldbewilligungen der Kantone unabhängig 
machte 

Von 181 5 b i s 1 848. Her diesmal unter Vermittlung 
der europaischen Grossmachte zu stände gekommene 
Bundesvertrag von 1815 bedeutete keinen Fortschritt. An 
die Stelle der Dircktorialkanlonc und des eidgenössischen 
Landammannes traten die Vorortkantone Zürich. Bern 
und I.uzern. unter welchen der Tagsat/ungssitz alle drei 
Jahre wechselte. Kinzig ein eidgenössischer Kanrler und 
ein Staatsschreiber blieben als ständige Vertietung des 
Bundes übrig. Doch wurden die Geldkontingente beibe- 
halten und deren einmaliger Gesamtbetrag auf Fr. ."»40 107 
festgesetzt. Zur Bestreitung der Kriegskosten wurde eine 
< gemein-eidgenössische Kriegskasse » errichtet, deren 
Höhe bis auf den doppelten Betrag eines Gcldkonlingents 
anwachsen sollte. Diese Kriegskasse war ausschliesslich 
zur Bestreitung der Militärkosleu bei eidgenössischen 
Auszügen bestimmt, in der Weise, dass bei einem Truppen- 
aufgebet die eine Hälfte der Ausgaben durch Hinziehen 
eines Geldkontingents und die andere Hälfte aus der Kriegs- 
kasse bezahlt werden sollte. Die Kinkünfte der Kriegskasse 
bildeten die vorerwähnten, dem Bunde gegen das Knde 
der Medialionsperiode zugewiesenen Kingangsgehühren, 
welche auf Waren erhoben wurden, die nicht zu den 
notwendigsten Bedürfnissen gehörten. Diese Gebühren 
wurden von den Grenzkantonen bezogen, welche alljähr- 
lich der Tagsalzung darüber Rechnung abzulegen hatten 
(Art. 4 des Bundes Vertrages). 

Im Jahr 1820 beschlossen die Stande die Beibehaltung 
der Kingangsgebühren. bis die Kasseden Betrag von vier 
Geldkontingenten erreicht haben werde, und IfCij wurde 
der Bestand der Kasse auf Fr. 4 '2770(10 festgesetzt, wovon 
laut einem Beschluss vom 8. August 1837 nicht mehr als 
Fr. 1100000 bar in der Kasse liegen sollten. Dazu kam 
dann noch die französische Kriegsentschädigung von drei 
Millionen Franken aus dem Jahre 1815. welche aber in 
Wirklichkeit nur Fr. 2020014 abgeworfen hat. Alle diese 
Beträge bildeten den sogenannten « eidgenössischen Kriegs- 
fonds«, der im Jahr 1848 als Grundstock des eidgenös- 
sischen Staatsvermogens an den Bundesstaat überging 
und laut der eidg. Staalsreehnung von 1840 trotz der 
durch den Sondcrbundskrieg verursachten Auslagen noch 
4116207 Schweizerfranken und 51 Happen betrug. 

So hatte sieh trotz der Ungunst der Verhaltnisse und 
gegen den ursprünglichen Willen der Urheber des Ver- 
trages von 1815 neuerdings eine, wenn auch bescheidene 
eidgenossische Einanzverwaltung entwickelt. Deren Aus- 
gaben bestanden aus den Verwaltungskosten des Kriegs- 
fonds, den allgemeinen Militärkosten und den Auslagen 
für die diplomatische Vertretung im Ausland, die eidg. 
Kommissionen und die Bundeskanzler (Die Entschädi- 
gungen an den Bundespräsidenten, sowie für die Lokale 
der eidg. Kanzlei und das Zeremoniell, die einen lahr- 
lichen Betrag von Fr. 10000 bis Fr. 20 000 ausmachten, 
wurden vorn jeweiligen Vorort getragen). Die Bundesein- 
nahmen dagegen bestanden aus den Zinsen der Kapitalien, 
dem Ertrag der Kingangsgebühren und, wenn nötig, aus 
den Geldkontingenten der Kantone, lieber diesen Finanz- 
haushalt wurden zwei Rechnungen geführt, diejenige des 
eidg. Kriegsfonds und die der sog. Zcntralkaste. Gemäss 
Verfügung vom 14. August 1816 bestanden Tür die Verwal- 
tung des Kriegsfonds drei Kassen in den Vororten (Zürich. 
Bern, I.uzern; unter der Oberleitung eines Administrators; 
die Aufsicht und Hechmingsahnahme dagegen war einem 
Verwaltungsrat von sieben .Mitgliedern übertragen. Die 
Führung der Zentralkasse besorgte die Htindcskautlei. no- 
minell wurde die Rechnung dieser Kasse abgelegt vom 
jeweiligen Bundespräsidenten [Präsidenten des eidg. 
Vororts). 

Unter der neuen Kid ge nossen sc ha lt. Die Er- 
fahrungen der letzten 50 Jahre halten dargetati. dass ein 
Staat ohne gesunde Finanzen keine Dauer haben kann 



! und dass eine Zentralgewalt ohne hinreichende Geldmittel 
I ohnmächtig ist. Die Urheber der Bundesverfassung von 
I 1848 waren deshalb bestrebt, für das Finanzwesen des 
! neuen Bundesstaates eine möglichst solide Grundlage zu 
1 schallen. Zu diesem ßehufe wurden durch Art. 30 der 
. genannten Verfassung dem Bund zur Bestreitung seiner 
Ausgaben zur Verfügung gestellt : der Krtrag des eidg. 

• Kriegsfonds, der Krtrag der schweizerischen Grenzzolle, 
I der Poslverwallung und Pulververwaltung und endlich 
i die Beiträge der Kantone, d. h. die schon früher erwähn- 
ten Geldkontingente. Von den Grenzzollen musste jedoch 
den Kantonen eine Entschädigung abgegeben werden. 
Für die Abtretung des Postregals bezogen die Kantone 
ebenfalls eine Rückvergütung. Als neue Einnahmequelle 
kam zu den vorerwähnt n schon im Jahr 1851 der Er- 
trag des TeUvrai'hi'iiuinnopols. 

Zur Bewilligung .irr neuen Aufgaben, welche die revi- 
dierte Idinile^vcctasMiiig von 1874 der Kidgenossenschaft 
auferlegte, wurde dein tiund die Hälfte des Bruttoertrages 
der von den Kantonen bezogenen Mililärpllichteraalt - 
Steuer zugewiesen ; ferner wurden die Zoll- und Po»lenl- 
, Schädigungen beseitigt. Zu dem Telegraphennionopol ge- 
sellte sieh 1878 noch das Telephonmonopol Das dem 
! Bund durch eine teilweise Verfassungsrevision im Jahr 
( 1887 übertragene Alkoholmonopol berührt die Bundes- 
finanzen in keiner Weise, weil dessen Reinertrag unver- 
' kür/i den Kaoli nen /ulln— *t. Auch das dem Bund seit 
i 1848 /.u^ew ii — t - t l r • Mnn/regal bringt, wie hiernach unter 
i dem kapilel M mitir, .~.,-n iiii-^efuhrt wird, seit 1875 keine 
I Einnahmen mehr dir die eidg. Finanzverwaltung. 
I Es ist seliiMM-rsLuulIh h. das- mit der Schädling ein« ' 
umfangreicher- n riii,;. I- 'iriatuhaiishaltes ilie Rundes- 
' kanzlei nicht langer mit dessen Fuhrung, die sie von 

• 1815 bis 1848 besorgt halte, beauftragt werden konnte, 
sondern dass ein eigenes Organ hiefur bestellt werden 
mussle Die llimile-vri -la-suiij; von 1848 ubertrug deshalb 

■ die Ver\i;iltut>u der l- m.iii t< n dem Bundesrat. Dies« r 

! wurde duri h liundr.ve-.el/ v , . r i « 10. Mai 1849 behufs Vor- 

1 berat ii ii^ und u-iU*ei-er Erledigung der Geschäft«.' in sie- 
ben Denai 'i r 1 1 1 ■ t i ! • • ^i't. dt. widiei das Finanzwesen dem 
, Finn ii r dc(i:iiifini nt zugewiesen wurde. Su war nun emi- 
i lieh, tiii^'d'.'i!i i rin halbes .l:iln hundn t nurti der lielicti- 
scheti Itepi i l.l i k . v. wdvriiin , in zentrales -cli w eizerist'lie- 
Piiian /i -r :it» jj,.„-iii<il*.'n wurden. 

//. Ut :<rl. •![ I <K rt'ts ui'il I > i'i/<tn im twn ii»'* t ' nanZ' l''fnn - 
teniriilfi.il,' l»e*r/oi/ ei«. In der BundeskerüiS-iuilg von 
1874 wird in Art. 102 die Aufgabe des Bundesrates mit 
Bezug auf das Finanzwesen folgendermassen umschrie- 
ben : « Der Bundesrat hat innert der Schranket) der ge- 
genwärtigen Verfassung folgende Befugnisse und Obliegen- 
heiten : Kr sorgt für die Verwaltung der Finanzen de* 
Bundes, für die Entwerfung des Voranschlages und die 
Stellung der Rechnungen über die Einnahmen und Auf- 
gaben des Bundes ». Art. 103 der nämlichen Verfassung 
schreibt ferner vor, dass die Geschäfte des Bundesrati-s 
nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder 
verleilt werden, dass diese Einteilung aber einzig zum 
Zweck habe, die Prüfung und Besorgung der Geschäfte 
zu fordern, und dass der jeweilige Entscheid von» Bundes- 
rat als Behörde auszugehen habe. Es ergibt sich daraus, 
dass die Organisation des Bundesrates auf kollegialer Ver- 
fassung beruht. Das eidgenössische Finanzdepar- 
lement hat somit nicht eine so unabhängige Stellung, 
wie sie in anderen Staaten dem Finanzministerium zu- 
kommen mag: es isl eigentlich, soweit es wenigstens die 
wichtigeren Angelegenheiten im Finanzwesen anbetrillt, 
mehr eine vorbereitende Instanz, wobei ihm allerding> 
vermöge seiner Sachkenntnisse bei der Beratung der 
Finanzgeschäfte im Schosse des Bundesrates ein hervor- 
ragender Einlluss gesichert ist. Immerhin kann das Fi- 
mmzdcpni ti hirtii , « ..• all»- utingen Departemente, unter 
Vorbehidl . •n.Lr.'u'.'ii I n!-< Leides des Bundesrates, um 
sich aus .hijei,.,eri -eiiafi. erledigen, welche ihm. sei 
es kraft ,r- lu i lie-iwiiriningen, sei es infolge beson- 
derer SeliliiBMiaiiineii des Bundesrates überwiesen sind 
l Art. iü» des Itnndesbeschlusses über die I »rganisation 
und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 21. Au^t 
I87.S . 

Das Finanzdi partemeiil umfasst nicht nur die Finanz- 
\ erwaltung. sondern auch die Zollverwaltung und 



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Alkohol \ e r wa I tung : sein offizieller Titel ist Finanz- 
uod Zol Idcparteitu'tit. Die drei genannten Verwaltun- 
gen sind aber vollständig unabhängig voneinander or- 
ganisiert und nur dadurch miteinander verbunden, das* 
sie in der Person dea Chefs des Finanz- und Zolldeparte- 
mentes einen gemeinsamen Vorsteher haben. Die an das 
Finanz- und Zolldepartement gerichteten Erlasse, Hin- 
gaben und Korrespondenzen aller Art gelangen zwar an 
die Departementskanzlei (Finanzbureau), werden jedoch, 
nachdem sie dort registriert worden sind, durch Verfü- 
gung des Departementes au die betreffenden Verwaltungen 
pelcitet. Kür alles, was die Zollverwaltung und Alkohol- 
Verwaltung anbelangt, wird auf die dieser Abhandlung 
nachfolgenden bezüglichen Spezialartikcl verwiesen. 

Dem Finanz- und Zolldepai tement liegt nach Massgabe 
von Art. '27 des Hundesbeschliisses vom '28. Juni 189T» mit 
Bezug :iuf das Finanzwesen die Vorberatung und Be- 
sorgung folgemliT Geschäft«: oh : 

1. L>te (•«•sette, Verordnungen und Instruk- 
tionen über die Finanz- und Staatskassa Ver- 
waltung. Ks bedeutet dies vor allem die Vorbereitung 
und Ausfuhrung der Vorschriften über das Finanz-, Kassa- 
und Rechnungswesen im engern Sinne. Ausserdem aber 
wirkt das Finanzdepartement mit bei der Aufstellung der 
übrigen gesetzgeberischen Krlasse. welche, irgendwie mit 
dem Finanzwesen verknüpft sind ; doch ist hier Kein«? 
Tätigkeit mehr auf die Wahrnehmung der fiskalischen 
Interessen beschrankt. Auch bei der Normierung der 
(«ehalte und Entschädigungen an Beamte und Angestellte 
ist nalurgemass Heine Mitwirkung eine wesentliche. 

i. Di«? Verwaltung der Liegenschaften, soweit 
nicht andere Departemente damit beauftragt 
sind, und der eidgenössischen Fonds, s«>wie 
die Vorkehrungen für Darleihen und deren 
l'eberwac h u ng. Die Liegenschaften, welche gegen- 
wärtig dem F'inanzdenartement unterstellt sind, sind die 
WatTenplätze Thun, Herisau, St. Gallen. Frauenfeld und 
Biere. sowie der Schiessplatz im Sand bei Schönbühl und 
einige vereinzelte Besitzungen. Die übrigen Liegenschaf- 
tendes Bundes (Festungsareal. Begieanstalten desMilitär- 
departementes, Zeughäuser. Munilionsmagazine. Zoll-, 
I'ost-und Telc^graphengebaude, Hengstendepot in Aven- 
dies. landwirtschaftliche Versuchs- und Untersuchungsan 
stalten u. s. w. ) werden von den betreffenden Dienslabtei- 
lungen verwaltet. — Unter eidg. Fonds sind nicht nur 
die Spezialfonds, sondern auch die Bundesgelder über- 
haupt (eidg. Wertschriften, Wechselportefeuille) zu 
erstehen. — Beschlüsse über die Aufnahme von Staats- 
anleihen fallen in die Kompetenz der Bundesversamm- 
lung (Bundes Verfassung Art. 85, Ziffer 10) ; ebenso die 
Beschlüsse* über Konversion und Rückzahlung von An- 
leihen, obschon dies im soeben zitierten Artikel nicht aus- 
drücklich gesagt ist. Die Vorbereitung dieser Massnahmen 
und deren Ausführung fallen dem Finanzdepartement zu. 
Von der Eidgenossenschaft auszustellende Schuldtitel 
tragen die Unterschrift des Vorstehers des Finanzdcpar- 
(«■mentes. des Staatskassiers und «les Wertschriftenvcr- 
»alters. Ueber An- und Verkauf von YWrtschriflen v«-r- 
fügt das Finantdepartement vorbehaltlich der Bestim- 
mungen de» Gesetze» über die Anlage der eidg. Staats- 
zelder . ebenso über An- und Verkauf von Wechseln. Bei 
Abtretung von nominativen Wertachriften unterzeichnen 
tbenfalls du- obgenanulen drei Amtsstellen. 

3. M a s s n ah menbetreffenddie Bestimmung 
der Geldskala und anfälliger Beiträge der 
Kantone an die Ausgaben der Kidgenossen- 
• chaft. 

4 Aufstellung desjährlichen Vor ansc hl n- 
pes und «ler Staatsrechnung. 

5. Die Aufsicht über die. Staatskasse und 
das gesamte ilcchnunpwesen der F.idge- 
nossensr ha ft. 

6. Die Vollziehung de» Art. 3!) der Bundes- 
verfassung und National hankan gelegen- 
heiten. Ümch Bundesgesetz vom B. Oktober 1 110."», das 
nach dem Scheitern einer Referendumsbewegting am 
lfi. Januar 190»« in Kraft erwachsen ist. ist unter dem 
Namen Schweizerisch« National ha nk eine zen- 
trale Notenbank geschafTen worden, die das ausschliess- 
liche Hecht zur Auagabe von Banknoten besitzt und unter 



Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet wird. Diese 
Bank hat als Hauptaufgabe, den Geldumlauf des Landes 
zu regeln und den Zahlungsverkehr zu erleichtern; sie 
hat ferner den kassenverkehr des Bundes, soweit er ihr 
übertragen wird, unentgeltlich zu übernehmen. Die 
Schweiz ist damit vom System der Vielheit der Noten- 
banken zu demjenigen einer einzigen Notenbank überge- 
gangen. Der Bund ist bei «ler Aufbringung des Grundkapi- 
tals der Bank nicht beteiligt, aber er wird die ihm durch 
Art. 3U der Bundesverfassung übertragene Mitwirkung und 
Aufsicht bei der Verwaltung ausüben durch a die v om Bun- 
desrat zu wahlende Vertretung in den ltankbehonlen ; 
b) durch die dem Bundesrat vorbehaltene Genehmigung 
der Reglemenle. des Geschäftsberichtes und der Jahns- 
rechnung ; c) durch «Ii«' Berichterstattung des Bundesrates 
an die Bundesversammlung ; dj durch die d«'in eilig. 
I" inanzdepartement unterstellten speziellen Organe, deren 
Ernennung tlem Bundesrat ausschliesslich zukommt und 
j deren Funktionen durch das Gesetz über «lie Organisation 
I des Finanzdepartementes festgestellt werden. Das Fiuaiiz- 
departement wird hier die vorbereitende und ausfuhrende 
Instanz sein. 

Das llimdesgesetz. vom 8. März 1881 über die Ausgabe 
uixl die Einlösung von ( anknoten und dessen Volltie- 
hungaveronlnungen bleiben bezüglich der bisherigen 
Kmissionsbaiiken in Kraft bis zu dem Zeitpunkt, wo diese 
sich von allen ihren Verpflichtungen gegenüber den No- 
teninhaberu befreit haben weiden. 

7. Das Münz wesen. Dieser Wirkungskreis umfasst 
nicht etwa nur die Oberaufsicht über die eidgenossische 
Münzstätte, sondern auch die I eitung des Munzwesens 
im allgemeinen und namentlich auch die Ausfuhrung 
«ler bezüglichen internationalen Verträge. Bnndesgeselze, 
Bundesbeschlusse, Bundesratsbesehlusse und sonstigen 
Bestimmungen. 

8. Kontrollierung von und Handel milGold- 
und Silberwaren. Durch Bundesratsbeschluss vom 7. 
Februar I9U"> wurde das eidgenossische Bureau für Golil- 

j und Silberwaren, welches bis dahin eine Abteilung des 
llandelsdepartementes gebildet hatte, bis auf weiteres dem 
Finanz- un«l Zollde|iartement zugeteilt. 

Die speziellen Kompetenzen des Departementes sind : 
Abänderung der Instruktionen fur die Kotitrollboreaux ; 
Kreisschreiben allgemeinen Charakters ; prinzipielle Fra- 

fen ; Anstände mit Ausnahme «lerjenigen über Proben; 
Iberaufsicht über die Kasse und Prüfungen der beeidigten 
Probte« er, Ausstellung von Probiercrdiplomen ; Ermächti- 
gungen zum Handel um! Verkehr mit Gold- und Silberab- 
fällen. 

Dem Finanzdepartemeiit waren durch «las Hundesgesetz 
vom Di. Mai 184 u auch unterstellt die Pul verve r wa 1 1 ung 
und Zündkapsel f a brikation (Vorlaufet in der jetzi- 
gen Munitionsfabrik). Infolge der teilweisen Zentralisie- 
rung des M'litärwesens durch die Bundesverfassung von 
1874 kam letzlere Verwal ung in diesem Jahre zum Mi- 
litärdepartemenl. Dagegen erhielt das Finanzdepar- 
tement «frei Jahre später nach Massgabe des Bundesbe- 
schlusses vom "21. August l87Heinen neuen Geschaft-zweig 
dadurch, dass ihm der Bezug der M i I i tä r p f I ich t e r - 
Batzsteuer übertragen wurde. Der lliindesralsbcschlitsä 
vom 8. Juli 1887 brachte wiederum eine Aenderung. in- 
dem versuchsweise der Bezug «lieser Steuer und zugleich 
auch die Oberleitung «ler Pulvcrverwaltiing dem M i I i - 
tardepartement zugeteilt wurde, mit dem diese 
beiden Geschäftszweige trotz, ihres fiskalischen Charak- 
ters doch sachlich näher verwandt sind als mit dem 
Finanzileparteinent. Diese vorlaulige Abtrennung wurde 
durch Bundesbeschluss vom '28. Juni PJOö eine defi- 
nitive. 

Der Vollständigkeit halber sei hier noch beigelugt, dass 
bis 187.'} das Zoll wesen mittlem Handel vereinigt war 
und m t diesem das Handels- und Zolhlepni tement 
bildete. Durch llun.h sgcsetz. vom '28. August 187.1 kam «las 
Zoll wesen zum Finanzilcparlemcnt. «las seither den Titel 
Finanz- und Zolld.-parteiiient trägt: «lie Alkoholverwal- 
tung wiinh- seit Beginn ihres Illebens, d. h. seil 1887. 
dem Finanz.- untl Zolldeparlement zugeteilt, ohne «lass 
dessen Titulatur änderte. Die Alkuholverwallung bildet 
eine «Im« haus in sich abgeschlossene Abteilung und steht 
mit den lluntleslinanzcn, wie schon weiter oben ang. deii- 



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tet, in keiner Berührung, obschon ihr Kassadienst \on 
der eidgenössischen Staatskasse besorgt wird. 

b! Oi-ganisatiim. Das letzte Organisationsgesetz des Fi- 
nanzdepartementes datiert vom II. Dezember 1882. Ks 
entspricht jedoch den tatsächlichen Verhaltnissen nicht 
mehr. Wie soeben ausgeführt, ist die Pulververwaltung 
seither auf das Mililärdepartement übergegangen; auf der 
andern Seite sind zwei neue Vcrwalliingsabteilungen 
entstanden : die Banknotenkontrolle und die Werlschrif- 
tenverwaltung ; ferner ist zu der Liegenschaftsverwaltung 
in Thun diejenige von Herisau getreten, und endlich 
wurde dem Departement das Hureau für Gold- und Sil- 
herwaren zugeteilt. Das Gesetz über die schweizerische 
Nalionalbank (vorn (i. Oktober IfNVii verpflichtet dieses 
Institut, den Kassaverkehr des Hundes, soweit er ihm 
übertragen wird, unentgeltlich zu übernehmen, und in 

er von der Itundesversammlung am 13. bezw. 19. No- 
vember 1906 genehmigten Verordnung betreffend die 
Ausscheidung der Geschäfte der schweizerischen Natio- 
nalbank ist in Art. 3 dem Notendepartement in Dem n. 
a. die Verwaltung der Werlseh riflen des Hundes uber- 
wiesen worden, I eberdies wird nach dem Heginn der 
Tätigkeit der Nationalbank das Verhältnis der Hankno- 
tenkontrolle zu dieser Hank geregelt werden müssen. Kin 
neues Organisationsgesetz wird somit in nächster Zeil zum 
unabweisbaren Hedürfnis werden. 

Kbenso revisionsbedürftig ist das Heglement über die 
Organisation der Kinan/verwaltung und die Kinrichlung 
und Fuhrung des eidg. Kassen- und Hechnungswesi-ns 
vom 19 Januar 1877. Dasselbe musste schon am 24. April 
des nämlichen Jahres ergänzt werden. Kin anderer Nach- 
trag datiert vom 19. Mai 1886. Seither haben noch an- 
dere Krganzungen oder Abänderungen stattgefunden, 
wie z. H. durch die Vollziehuiigsverurdniing für die 
eiilg. Werlschriftenverwaltung und das am 24. Fe- 
bruar 1903 in Kraft getretene neue Hegulativ über die 
Finanzkontrolle. 

An der Spitze des Finanzdepartementes steht das mit der 
Leitung des Finanz- und Zolldepartementes beauftragte 
Mitglied des Hundesrates 1 ). Ihm sind zur Zeit folgende 
Verwaltungen unterstellt : A, Finanzbureau ; R. hon- 
troll hu rea u ; C. Ha n k no ten kon t ro 1 1 e ; D. Staats- 
kasse: K. Werlschriftenverwaltung; F. Liegen- 
schaf tsver wal tu Ilgen : G. Münzverwaltung: IL 
Hureau für Hold- und Silberwaren. 

A. Finanzbureau. Dasselbe und die Staatskasse sind 
die ältesten der gegenwartigen Dienstabteiluugen des 
Finanzdeparlemenles. Dem r inanzbureau liegen folgende 
(.ieschäfte ob : Das Sekretariat des Finanzdepartementes ; 
die Rechnungsführung über die eidg. Kapitalien, Spe- 
zialfonds und Depots , die Aufstellung des jährlichen Vor- 
anschlags und der Staatsrechnung auf (irund der von den 
Departementen eingereichten Spezialbudgets und Jahres- 
rechnungen 1 ! ; Aufsicht über die Liegenschaftsverwaltun- 
gen und Verwaltung derjenigen Liegenschaften, für die 
keine besonderen Verwaltungen bestehen und die dem 
Finanzdepartement unterstellt sind. Das l'ersonal des 
Finanzbureaus besteht aus dem Chef, der zugleich Depar- 
tementssekretar ist. dein Staatsbuchhaltei . dem Ifeber- 
aetzer, dem Registratur, dem Buchhallung«gehilfen und 
einem Kanzlisten, im ganzen 6 Reamten. 

R. K on t r o 1 1 b u rea u. In den Geschaflskreis dieser 
Amtsstelle fallt das Sekretariat des Finanzdepartementes. 
soweit es die Finanzkonirolle betrifft, sowie die Revision 
de* gesamten Rechnung*- und Kassawesen« der Bundesver- 
waltung. Dazu gehört auch die Kontrollierung der Ver- 
zinsung und Tilgung der Staatsanleihen, die Revision der 
Inventarean Ort und Stelle, die Kontrollierung des Wech- 
selverkehrs, der Wertschriftenverwaltung und de% Inspek- 
torates der schweizerischen Emissionsbanken, sowie auch 
die Hegulachtung neu zu erlassender Rechnungsvor- 
schriften. " 

"Vorsteher" iK"*""eidg«nö»«i»<.'lion l'in»DJ:.l«;'»rlHtnmit.'H w»r<?*n 
•elt tsvs dl« Buo.letrate : MiiDZiDifer IlSJsts.V), IHM, Uruev 
(1S51, 1H.V3. I.HMi. KnOvl its.V.. ISVi, IStl«, |s.Ui Stai„|,lll il«5f. 
tsoHi. Fornnrud (IXW-l*>l t, ChalUt-Venel iisill- !*•>?, i*V,9i, Ruffv 
(|S*W). Ceresolo ils»-ls7|), Schenk HWi. >ntf i |s73-lsT.M, Hai», 
uier (1816-1818. 1880-1«*», BaviaritHTVi. Hau«.-r ,l*yi-lK99, 1901. 

v.nrt). Ruoimi ii9oit. c«>mi««»e mm, v»a und *»it r.«r>). 

«) ll.'i6Kli.-b il.'s Vttran-rhlag» und die Staal«r<>ehiiiiiig wird 
auf du- MCil'dgeDd«Mi Lesondem Alxu-hnitl« verwiesen. 



His Ende 1876 war der Kontrolldieiist \om Finanzbureau 
versehen worden. Mit Heginn des Jahres 1877 schuf die 
Hundesversammlung auf dem Budgetweg provisorisch ein 
besonderes Kontrollbureau, dem durch das Hundesgesetz 
vom 11. Dezember 1882 betreffend die Reorganisation des 
Finanzdepartementes die gesetzliche Grundlage gegeben 
wurde, liezüglich der Ausübung der Kontrolle wird auf 
den nachstehenden Abschnitt * Kontrollierung der Buo- 
destinanzen » verwiesen. An der Spitze der Finanzkon- 
trolle steht ein Chef, dem 1 Adjunkt. 5 Revisoren I. Klasse. 
7 Revisoren IL Klasse und 2 Revisionsgehilfen unterstellt 
sind, zusammen 16 Heamte. 

C. H a n k n o t e n ko n t r o 1 1 e. Diese Abteilung ist in 
Ausführung des Hundesgesetzes vom 8. März 1881 über die 
Ausgabe und Einlösung von Ranknoten errichtet worden, 
das in Art. 54 den Hundesrat mit der Vollziehung dienet 
Gesetzes und mit dem Erlasse der erforderlichen Vollzie- 

; hungsverordnungen beauftragt hat. 

W ir haben unter dem Abschnitt » Geschaflskreis • bereit« 
gesehen, dass die bisherigen Emissionsbanken bezuglich 
ihrer Notenemission dem obigen Gesetz und mithin der 
Aufsicht der eidg. Behörden unterstellt bleiben, bis sie 
ihre Noten eingelöst haben werden, und dass auf der an- 
dern Seite eine Kontrollierung der Nationalbank durch 
speziell dem Finanzdepartement unterstellte l irgane in 
Aussicht genommen ist. Die Ranknotenkontrolle ist luelur 
die gegebene Amisstelle ; ihre Tätigkeit wird deshalb in 
der ersten Zeit eine doppelte sein. Auf der einen Seite 
wird sie fortfahren, die bisherigen Notenbanken bis zum 
obgenannten Zeitpunkt zu inspizieren, auf der andern 
Seite wird sie die neu zu errichtende Nationalbank kon- 
trollieren. 

Die Funktionen mit Bezug auf die neue Nationalbank 
werden wohl in manchen Beziehungen ähnliche sein. Die 
Stellung der Hanknotenkontrolle gegenüber dem genann- 
ten Institut darf verglichen wenlen mit derjenigen, welche 
die Eisenbahnableilung des eidg. Rost- und Eisenbahn- 
departementes gegenüber den Bundesbahnen einnimmt. 
Gegenwärtig besteht das ordentliche Personal der Rank- 
notenkontrolle aus I Inspektor. 1 Adjunkten. 2 Revisoren 
und 2 Kanzlisten, zusammen 6 Beamten. 

D. Staatskasse. Zur Bewältigung des Kassenver- 
kehrs der Eidgenossenschaft bestehen : ai die eidg. 
Staatskasse in Hern ; b| die eidg. Kreisposl- und llaupt- 
zollkassen : c) die übrigen Kassen «ler Bundesverwaltung 

a) Die eidgenössische Staatskasse zerfällt in 
die vom Staatskassier selbst verwaltete Haupikasse, sow ie 
in die Militärkasse und die Alkoholkasse, welche beide 
von Kassengehilfen geführt werden und nichts anderes 
sind als Hilfskassen der Hauptkasse. Die Hauptkasse um- 
lässt die laufende Kasse, das Gewölbe und die De|K>tkasse. 
Die llauplkasse ist die eigentliche Hundeskasse, durch 
welche alle Einnahmen und Ausgaben des Hunde« gehen. 
; Das Gewölbe enthalt Munzvorrate zur Disposition der 
i Staatskasse und steht unter zweifachem Verschluss ; einen 
Schlüssel führt der Chef des Kontrollbureaus, den andern 
i der Staatskassier. Für die Depotkasse bestehen drei 
Schlüssel, wovon der eine vom Departementsvorsteher. 
der andere vom Chef des Kontrollbureaus und der dritte 
vom Staatskassier verwahrt wird. 

Alle Einnahmen der Departemente und Verwaltungen 
sind unmittelbare Bestandteile der Staatskasse und mes- 
sen entweder zu festgesetzten Perioden in diese letztere 
oder stehen zur Verfugung des Kassiers. Heber sämtliche 
an die Staatskasse gemachten Zahlungen, Ruckerslattun- 
gen oder Depositen ist das Finanzdepartement in Kennt- 
nis zu setzen. Imgekehrt leitet der Staatskassier seine 
Zahlungen oder Vorschusse nur gegen Mandate oder An- 
weisungen, welche vom Kontrollbureau des Fmanzoepai- 
tementes visiert sind. Die Staatskasse kann Einzahlungen 
und Bück/.uge bei Banken in Depot oder laufender Rech- 
nung nur mit Ermächtigung des Finanzdepartementes \or- 
nehmen. Diejenigen Rankinstitute, bei denen die eidg. 
Staatsgelder in Depot oder laufender Rechnung angelegt 
werden können, werden alljährlich vom Hundesrat be- 
zeichnet, welcher zugleich auch das Maximum der einer 
Hank anzuvertrauenden Summe feststellt. Der Staatskas- 
sier verwaltet das Wechselportefeuille. l'eber An- und 
Verkauf von Wechseln xerlugt das Finanzdepartement. 
Das Indossament von weilerzubegebenden Wechseln wird 



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161» 



vom StaaUkassier und dem Chef der Finanzkontrolle un- 
terzeichnet. Letzterer führt da* Wechselinventar und 
überwacht den ganzen Verkehr. 

I>er Staatskassier. wie übrigens jeder Kasaenheamte 
de« Bunde«, int Tür die ihm anvertrauten Gelder persönlich 
verantwortlich ; es ist ihnen untersagt, da«) Geringste da- 
von zu ihrem FrivatnuUen zu verwenden oder i.lTeiitliche 
Gelder mit ihrer Privatkassc zu vermengen, liier sei noch 
ermahnt, dasa der Gesamtumsatz der eidg. Staatskasse im 
Jahre 1906 betrug : 

An hinnahmen Kr. 431 682 417 

An Ausgaben » 426 924 566 

Zusammen Fr. RVi6üß983 
was einen monatlichen Durchschnitt von Fr. 71 550581 
und einen täglichen (das Jahr zu 30O Ar- 
beitstagen gerechnet! ergibt von * 2862023 
bi l»ie k reisposl- und H a u p t /. ol I ka ssen. Die I 
einnehmenden Beamten der Post- und Telegraphenver- 
waltung sind angew iesen, die eingehenden und verfügba- 
ren Gelder vnn zehn zu zehn Tagen ihrem betreffenden 
krvispostka aarer einzusenden, sofern dieselben nicht we- 
niger als hundert Franken betragen ; in diesem letztem 
Kalle hat die Einsendung monatlich zu geschehen. Bei der 
Zollverwaltung geschieht diese Einsendung in gleicher 
Frist durch alle Nebenzolleinnehmer an die llanptzoll- 
einnehmer und von diesen an die Hauplzollkassiere. 

Die Kreispost- und Hauptzollkassiere stehen in unmit- 
telbarer Verbindung mit dem cidg. Staatskassier und 
empfangen einzig von diesem letztern die Verfügung über 
ilte in ihrer Kasse liegenden Gelder. Alle zehn Tage ha- 
ben sie dem eidg. Staatskassier einen summarischen 
kassenausweis einzusenden und ein Doppel davon dem 
l'ost-. bezw. Zolldepartement zu übergehen. 

ci Auch die übrigen Kassen, auf deren Aufzählung 
ber verzichtet wird, stehen in direktem Verkehr mit der 
odg. Staatskasse. Lieber die meisten dieser Kassen be- 
stehen besondere Reglemente. auf deren Einzelheiten ein- 
rutreten der Rahmen dieses Artikels nicht gestattet. 
Wo keine besonderen Vorschriften bestehen, gelangen die 
allgemeinen Bestimmungen des Heglemeutes über die 
r inanzverwailuug vom 19. Februar 1877 zur Anwendung. 
Endlich sei noch erwähnt, das« die Staatskasse zur Be- 
treuung von Ausgaben, wie Bureauhedürfnisse u. dgl.. 
lUrvorsohüsse macht an eine Anzahl von Verwaltungen, 
welche keine besonderen Kas-sen besitzen und über die 
Verwendung dieser Vorschusse von Zeil zu Zeit Rechnung 
s Liegen. — Die Staatskasse zählt 12 Beamte: 1 Staats- 
güter. 1 Adjunkten. 6 Gehilfen. 1 Expedienten und 3 
Munz/ahler. 

F.. Werlschriftenverwaltung. Die Verwaltung 
der eidg. Kapitalien und Spezialfonds, sowie die Auf- 
iTwahrung der Depots wurde früher von der eidg. Staats- 
kasse besorgt, bis die stets zunehmende Arbeil dieses 
(reschäftszweiges die Errichtung einer hesondem Abtei- 
lung notwendig machte. Es geschah dies durch Bundea- 
,e»etzvoml8. Dezember 1891. Die neue Verwaltung begann 
ihre Tätigkeit im Laufe desJahres 1892. und ihreAufgaben 
sind in einer Vollziehungsverordnung vom 25. Januar 1895 
n.her umschrieben. 

Iier Geschäft-kreis der Wertschriftenverwalluiig um- 
f*»t:ai Die Aufbewahrung und Verwaltung der Wert- 
schriften aus den Anlagen der eidg. Staatsgebiet- und 
'^Spezialfonds ; bj die Aufbewahrung und Ueberwachung 
»r>n Kaulionen und Hinterlagen, welche dem Hund auf 
orund von Gesetzen, Beglementen und Vertragen oder 
au* anderer Ursache als Faustpfand übergeben werden, 
"•wie von allfalligen Depots, deren Zuweisung das Depar- 
tement verfugt. 

Die Wertschriftenverwaltung erstaltet dem Fiuanz- 
Hepartement Bericht und Antrag über die Anlage von ver- 
fügbaren Staatsgeldern, sowie über Verkäufe von Wert- 
schnfien und Ruckbezüge von Hankdepositen, lieber 
>lie Xe »anlagen. Konversionen und Hückzahlungen wird 
'lern Finanzdepartement allmonatlich ein Hericht ein- 
K«*reicht, welche* dann seinerseits dem Bundesrat hier- 
über, sowie über die Mutationen im Wechselportefeuille 
rapportiert. 

Hie Anlage der eidgenossischen Staatsgelder geschieht 
nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 10. April . — ■ 
hie l'eberwachung der Kautionen und Depots beschrankt 



sich auf die Wahrnehmung der fiskalischen Interessen de« 
Hundes. Vorbehaltlich spezieller Verfügungen oder Ueber- 
einkommen für den einzelnen Fall, nahen die Departe- 
mente alle auf die Verwaltung der Hinterlagen bezüglichen 
Vorkehren selbst zu besorgen. 

Die Wertschriftenbestande werden, nach ihrer Zu- 
sammengehörigkeit geordnet, in feuer- und einbruch- 
sicheren Schränken, die in einem feuer- und einbruch- 
sichcren Gewölbe sich befinden, aufbewahrt. Zur grossem 
Sicherheit ist kurzlich noch eine Versicherung gegen 
Fiinbruehdiebstald abgeschlossen worden. Die Schranke 
stehen unter dreifachem Verschluss : einen Schlüssel führt 
der Vorsteher des Einanzdepartementes. den zweiten der 
Chef der Finanzkontrolle und den dritten der Chef der 
Wertschriften Verwaltung. Ausnahmsweise können nur 
vorübergehend aufzubewahrende Werl sch riften unter 
zweifachen Verschluss (der Finanzkontrolle und Wert- 
sohriflenverwallung) gelegt werden. 

Auf Ende 1906 war der Stand der Wertschriften und 
Depots folgender : 

a) Wertschrirten. deren Aufbewahrung und Verwaltung 

der Werlschriftenverwaltung obliegt : 
Eidgenössische Wertschriften .... Er. 17 140585.25 
Spezialfonds (ohne Eisenbahnlönds) . . •> 72 427152.47 

"Fr. 89567737.72 

b) Wertschriften, welche die genannte 

Verwaltung bloss aufzubewahren 
hat: 

Kautionen und Depots Fr. 29 31 4 389. 65 

Total des Wertsohriftenhestandes Fr. II8882P2T37 

Im Laufe des Jahres 1906 ist der F^iseubahnfonds den 
schweizerischen Bundesbahnen übergeben worden, so 
dasssich der Wertschriftenbestand gegenüber den frühem 
Jahren um mehr als 50 Mill. FY. vermindert hat. — Die 
Arbeit der Werlschriftenverwaltung wird von 2 Beamten 
bewältigt: einem Chef und dessen Gehilfen, 

üb nach Eröffnung der Nationalbank die Wertschriflen- 
verwaltung ganz an dieses Institut übergehen wird und 
inwieweit der Kassendienst des Bundes ebenfalls an die 
Bank wird übertragen werden, lässt sich zur Zeit nicht 
bestimmen. 

F. Liegenschaft Verwaltungen. Für die Waffen - 
platze Thun und Herisau-St. Gallen sind besondere Liegen - 
schaftsverwaller ernannt, die den Charakter von Beamten 
haben; ihre Obliegenheiten und Befugnisse sind in zwei 
Instruktionen vom 3. Oktober 1882 und I. August 1884 
niedergelegt. Die Liegenschaftsverwaltung des Waffen - 
platzes Thun hat ihren Silz in Thierachern, wahrend der 
Verwalter von Herisau-St. Gallen in Herisau wohnt. 
Diese beiden Liegenschaftsverwalter führen jeder eine 
Kasse und stellen vierteljährlich Rechnung. 

Die Verwaltung des Waftenplalzes Frauenfeld ist dem 
dortigen Plalzkommandanten ubertragen, diejenige des 
Waffenplatzes Biere dem Verwalter des Kriegsdepots da- 
selbst. - Die Bewirtschaftung des Schießplatzes im Sand 
bei Schönbuhl. zu dem grössere Waldungen geboren, 
besorgt ein vom Finanzdepartement angestellter berni- 
scher Forster. 

G. Münzstatte. Die Organisation und der Betrieb 
der eidg. .Münzverwaltung sind im Hinblick auf den 
Bezug des neuen Münzgehäudes durch Verordnung vom 
29. De/ember 1905 neu geregelt worden. Die cidg. Münz- 
verwaltung zerfällt in die Unterabteilungen : a) Miinz- 
fahrikatinn und b) Postwertzeichenfabrikation. 

Die Fabrikation der Münzen schliesst in sich alle Stadien 
von der Schmelzung des Hohmetalls bis zur Prägung 
der fertigen Münzen, ausgenommen in den Fällen. *o 
aus besondern Gründen vorgearbeitete Plättchen bezogen 
werden oder die Erstellung derselben unter Lieferung 
des Metalls durch die Münzstätte einer Fabrik übertragen 
wird. — Bis jetzt umfasste die Fabrikation von Postwert- 
zeichen bloss das Gummieren, Schneiden und Perforieren 
der von der Postverwallung gedruckt gelieferten Marken- 
bogen. Nachdem nun aber das neue Münz.gebäude bezogen 
wurden ist, wird die Münzstätte auch den Druck besor- 
gen. — Die Mutiz.vervvaltung kann auch die Ausführung 
anderweitiger Arbeilen für die Bundesverwaltung oder 
für Private unternehmen. Diese Arbeiten werden Neben- 
arbeiten genannt und bestehen bis jetzt in der Anfertigung 
von Medaillen. Denkmünzen und Konsuinmarken. 



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170 



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Der Münzdirektor erstattet monatlich Bericht an das 
eidg. Fiuanzdepartcment. Kr ist zu denjenigen Anschaf- 
tungen ermächtigt, welche nach «lern bereits im Ka- 
pitel o Geschaflskreis * Gesagten nicht in die Kompetenz 
des Finanzdepartementes fallen. Ihm sind als weitere 
Beamte noch ein Buchhalter-Verinkalor und zwei Werk- 
führer beigegeben. 

lue Penning des Gewicht* und Feingehalts der von der 
Münzstätte erstellten Münzen iKt einem au* der Zahl der Be- 
amten des Finanzdcparteinentes /u bezeiehnenden Miiiiz- 
kominissar und ferner zwei Essayeurs übertragen, welche 
vom Bundesrat ernannt werden und gleich wie die eidg. 
Beamten alle drei Jahre einer Ei ncuerungswahl unter- 
ließen. Hie Obliegenheiten des Munzkommiss.irs und der 
Mnnzessaycurs und die An und Weise, wie die Kontrol- 
herung stattzufinden bat. sind durch da» Beg.ilativ vom 
5. August Is08 fe-lgesetzt. Im übrigen winl noch auf den 
Abschnitt « Münzwesen » verwiesen. 

II. Bureau f u r Go I d - u n d S i I b e r w a r e n. Ben 
Anstoss zum Knass des Bundesg.-selzes belr. Kontrol- 
lierung und Garantie des Feingehalts der Gold- und Sil- 
herw.nen gaben betröget -ische Manipulationen von l'breii- 
fabrikanten. welche die goldenen und silbernen Uhrge- 
häuse aus weit unter den auf den Schalen angegebenen 
Feingehaltshe/eiehnungcu stehenden \a gierungi n erstell- 
ten und so den guten Huf der schweizerischen l hren- 
induslric erhehlich schädigten. Nach Massgabe des genann- 
ten Gesetzes ist die Kontrollicriing obligatorisch für alle 
Uhrgehäuse, welche in irgend einer Sprache eine Feinge- 
hallshezeichnuug in Tauscndstclodcrin Karat trafen. Eine 
Ausnahme wird gemacht für die l'hrgehäuse von niederm 
Feingehall (unter Ii Karat (0.. r i83| für das Gold und unter 
0.800 fur das Silber). Knie Stempelung dieser Gehäuse 
findet nicht stall, dagegen müssen sie, sofern sie eine 
Feitigchallshczcichnung aufweisen, mit der Marke des 
Fabrikanten versehen sein. 

Gold- und Silberwaren, die eine Fciugchallsbczc ichnurig 
tragen, müssen diesem Feingehaltsgrad entsprechen. Itie 
Fehlergrenze hei den Proben betragt drei Taiisendteile 
für das Gulil und funf Taiisendteile fur ilas Silber. I)ie 
amlliche Stempelung der Schmucksachen und Gerate in 
Gold und Silber ist fakultativ. Auch die nicht kontrollier- 
ten Schmucksachen und Gerate dürfen, was ihre Mi- 
schungsverhältnisse anbetrifft, keine andere Bezeichnung 
tragen als die ihres Feingehalts. Enthalt en sie ein • solche 
Bezeichnung, so müssen sie ferner mit der Marke oder 
dem /eichen des Fabrikanten versehen sein. Die Fabrik- 
marke der einheimischen Fabrikanten ist auf einem Kon- 
trollamte, diejenigen der ausländischen Fabrikanten 
auf dem eidg. Amt für Gold- und Silberwaren in Bern 
zu hinterlegen, Die Anbringung der Feingehaltshezeich- 
niing auf den Gold- und Silberwaren be- 
sorgt der Fabrikant, wahrend der amtliche 
Garant icsteinpel von den Kuiitrollämtit n 
aufgedrückt wird. Bei der Kinfiiliruiig der 
Kontrollierung verfugte, die Schweiz keinen 
fiskalischen /weck, sondern diese Massregel 
halte nur das Interesse der Industrie und 
des Handels im Ange. 

Früher kam es oll vor, dass Abfalle, die 
sich bei der Bearbeitung von Edelmetallen 
in derl liren- und Schmink waiviifuljiiUalion 
ergaben, von Arbeitern n Dil Lehrlingen tum 
Schader. iler Arbeitgeber unter Mithilfe von 
gewissenlosen Händlern und Schmelzern 
veruntreut wurden Zur Beseitigung dieser 
Vorkommnisse w urde das Bundesgesetz vom 
IT. Juni I880beirelletiil den llamlel mit Gold- 
und Silberabfällen erlassen. Alle diejenigen, 
welche gewerbsmässig Abfalle, Schmelz- 
prodnkte oder Barren von Gold und Silber 
ankaufen oder austauschen, solche Abfalle 
einschmelzen oder fur die bei rell'eiideii 
Waren den Beruf als llandclsprobie er aus- 
üben wollen, bedürfen einer Bewilligung 
des eidg. Departementes. Ilnndelsprohiei er mussen ferner 
das eidg. Prohiercrdiplom besitzen. Die gemachten h:iufe, 
Eiiiscliuielztingcn und Proben sind in ein >om eidg. 
Bureau fur Gold- und Silberwaren zu beziehendes Re- 
gister einzuschreiben. 



Zur Ausführung der beiden erwähnten Gesetze und ihrer 
Vollziehungsverordnungen bestehen neben dem Bundes- 
rat und dem mit diesem Geschäftszweig beauftragten De- 
partement zweierlei Organe, das eidg. Bureau fur 
Go Id - u n d S i I he r w a re n in Bern und die verschie- 
denen K o n I ro 1 1 ä m t e r inden Kantonen. 

Das eidg. Bureau ist die eigentliche Aufsichtsbehörde 
in technischer Beziehring ; es überwacht die Vollziehung 
der bestehenden gesetzlichen und reglementarischen Vor- 
schriften, es verfertigt die eidg. Kontrollstempel, inspi- 
ziert die Kontrollamier und deren Kontrollsleinpel. Ks 
l.isst die "ouchenregister für den Handel mit Gold- uml 
Silberabfallen erstellen, liefert dieselben an die Berech- 
tigten aus und inspiziert sie ebenfalls. Ks ist Itevisions- 
instanz bei Prohcanslnnden und bearbeitet die Statistik. 
— Das Personal des eidg. Bureau setzt sich zusammen 
aus einem ("lief, einem Adjunkten, einem Begislralor 
und zwei Kanzlisten in Bern, einem Spezialkominissär in 
La Cham de Fonds und einem Kontrolleur bei den Zoll- 
-tatlen in Basel. Daneben besieht noch eine Kommission 
für die eidg. Probiererprufurigen, welche vom Chef des 
eiilg. Bureaus pr.isidiert wird. 

Die Konlrollämter sind die eigentlichen ausführenden 
Behörden. Sie nehmen die Proben vor und bilden die 
Vorstände der Aufsichtskreisc für den Handel mit Gold- 
und Silberwaren. Mit Bezug auf den technischen Teil 
ihrer Aufgabe sind sie den Anordnungen der Bundesbe- 
honle unterstellt und für die von ihnen vorgenommenen 
Proben und Stempelungen verantwortlich. Dagegen sind 
Verwaltung und Finanzen Sache der Kantone. Gemein- 
den oder Interessentenkreise, welche die Bureaus einge- 
richtet haben ; immerhin ist auch hier das Recht der 
Genehmigung durch die Bundcsbchordc vorbehalten. 

Es gibt zur Zeit in der Schweiz 13 Kontrollämter, näm- 
lich : Biel. I.a Cham de Fonds. DeUberg. Fleiirier. Genf. 
Grenchen (Solothurn ), Le Loele. Neuenburg. Le Noir- 
mont, Prunlrut, St. 
hngen. 

Nach einer Berech mit : sollen von 1882 bis iyuw in Oer 

ninduslrie fur über eine Mil- 
verarbeilet worden sein, wäh- 
dass der Wert der fertigen 
Fabrikate einschliesslich der l'hrwerke und Metalluhren 
ungefähr auf das Dreifache angestiegen sei. Es gibt dies 
einen Begritf von der wirtschaftlichen Bedeutung dieser 
Industrien fur unser Land. 

Im Jahr lt*»> wurden von den verschieden -n Kontroll- 
ämlern folgende Stempelungen und Proben um Gold- unJ 
Silberwaren vorgenommen : 



üner Berechnung * 
I hren- und Bijouteriewar« 
liarde Franken Edelmetalle 
rend angenommen wird. 



Schallhausen und Tram- 

iooa in 



! 




Oilciniwll« ("h'ffi'lnei»r 


i;««t«nip»lt«' 


Piubeti v.m 










: Bijoulerie- 


Gold- uod 


Kontrollamler. 




•ill.erD« 


T..UI 


utxi Suber- 


Silb«r- 










w Jt ' nn 


w»»i»n 




Stfi.k. 


Stfi.-k 


sta.,». 


Strt.k. 


A a » a Ii 1 


Biel 


43 213 


474041 


.".I7 2.M 


7 721 


a 4<r» 


('.haut de Fonds 


005 000 


78<««t 


083000 


1 418 


y :t80 


Delsberg 




118 -3H 


118 204 


1 


398 


I Fleurier 


7 877 


tautioo 


147.MO 


80 


."«.'58 


I Genf 


ITTkSI 


'222 Uli 


210.Y22 


38 183 


47 


Grenchen iSulothurn ■ 


28-27 


M3 010 


MO 17« 




. k. it» 


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///. Yufunsclilnrf und Sttwlirrchnunti der tchwetzer. 
Kidtjeiumiit'Uiichtil l . «• Vam nschliHf. V o r s c Ii r i f t e D 
betreffend il e n Voranschlag. I'eber den Voran- 
schlag bezw. das Budget der Eidgenossenschaft besieht 
kein besonderes Gesetz, sondern die massgebenden Be- 



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SCHW 



SCIIW 



171 



rtunmungen sind sowohl in der Bundesverfassung als in 
verschiedenen Erlassen der Bundesversammlung und de» 
bundesrate* enthalten. Die Bundesverfassung beschrankt 
>ich darauf, in Art. 85 die Aufstellung, d. h. aie delitiitive 
Festsetzung und Votierung des Hudgels in die Befugnis 
der Bundesversammlung zu legen und ferner in Art. 10'2, 
Ziffer 14 die Aufgabe der Entwertung des Voranschlages 
dem Bundesrate zuzuweisen. Durch Bundesheschluss be- 
treffend Organisation und Geschäftsgang des Bundesrates 
der letzte datiert vom 28. Juni 1895) ist. wie wir bereits 
ersehen haben, die Aufstellung des Voranschlag», d. h. 
dessen Vorbereitung dem Finanzdepartement übertragen 
worden. Die wichtigsten Detailbestimmungen über da» 
ilndget (es sind nur wenig*') sind enthalten im Reglement 
aber die Organisation der Finaiizverwaltung und die Ein- 
richtung und Fuhrung des eidg. Kassa- und Rechnungs- 
wesens vom DL Februar 1877, das frühere Vorschriften 
tu^animenfasst und ergänzt. Daneben sind als fernere 
Wegleitungen zu betrachten die Beschlüsse, welche die 
Bundesversammlung im Verlauf der Jahre jeweilen an- 
läßlich der Budgetheratung und der Abnahme de« Ge- 
«chäftsbe rieht n und der Staatsrechnung fasste, sowie die 
einschlägigen alljährlichen Hundesratsbeschlüsse und end- 
lich eine vom Bundesrat am 17. Dezember 1877 geneh- 
migte Verordnung des Mililärdepartcmentes über die Auf- 
stellung des Budgets dieses Departementes und über die 
Zuteilung und Verwendung der beireifenden Kredite. In 
neuester Zeit sind einige Bestimmungen anfgestelltwor- 
deo im Bundesgesetz vom 9. Oktober KN)*2 über den 
Geschäftsverkehr zwischen der Bundesversammlung und 
dem Hundesi-at. Der oflizielle Name des eidg. Budgets 
i«t Voranschlag. Die Bundesverfassung spricht in den 
beiden obenerwähnten Artikeln von dem «Voranschlag ». 
Des nämlichen Ausdruckes bedient sich der Bundeshe- 
schluss über die Organisation und den Geschäftsgang des 
Bundesrates. Demgemäss trägt das Budget den Titel « Vor- 
anschlag der schweizer. Kidgenossenschaft %. Doch findet 
sich auch in ßundesbeschlüssen und Verordnungen die 
(Wcichnung • Budget ». Hagegen ist das in Deutschland 
vielfach angewandte Wort «Etat» in der Bundesverwal- 
tung nicht gebräuchlich. 

I m f a n g , Aufbau und Form des Budgets. I 'r- 
»prunglich erstreckte sich das Budget der Kidgcnossen- 
schalt auch auf den Statu« und die Bewegungen des Ka- 
pitalvermögens des Bundes, während der jetzige Voran- 
schlag nur mehr die Verwaltungsrechnung ins Auge fasst 
and sich mit den Kapilalbewegungen bloss insofern be- 
schäftigt, als für die Bemessung der in die laufende Rech- 
nung einzustellenden Liegenschaft»- und Kapitalzinse der 
Stand derLiegen*chaften,sowiederangelegtenund verzins- 
lichen Betriebskapitalien ermittelt, bezw. berechnet wird. 

Her Voranschlag zerfällt in zwei Hauplteile: Kinnahmen 
und Ausgaben. Die Einnahmen setzen sich zusammen aus 
ner Abschnitten : 1. Krtrag der Liegenschaften und Kapi- 
talien; IL Allgemeine Verwaltung (A. Bundeskanzlei und 
B. Hundesgericht) ; III. Departemente (A. Politisches. B. 
Inneres, C. Justiz und Polizei, I). Militär, E. Finanzen und 
Zoll. F. Handel. Industrie und Landwirtschaft, G. Host 
und Eisenbahnen mit Telegraphen i; IV. Unvorhergesehe- 
nes. Hie Ausgaben umfassen ebenfalls vier Abschnitte. 
Abschnitt I trägt den Titel Amortisation und Verzinsung 
(der eidgenössischen Anleihen i; Abschnitt II zerfällt in 
k. Nationalrat. B. Ständerat. C. Bundesrat. D. Bundes- 
kanzler E. Bundesgericht: die übrigen llaupttitel sind 
die nämlichen w ie bei den Einnahmen. Am Schlüsse des 
Einnahmen- und Ausgabenkapitels befindet «ich je ein 
Zosammenzug; dem Znsammenzug der Ausgaben folgt 
die Bilanz, an welche sich eine L'ebersicht der mutmass- 
lichen Heinergebnisse der einzelnen Departemente I Hein- 
Her Voranschlag "ift eine zahlenmässige Zusammen- 
stellung ohne weitere erläuternde Beisätze. Hie Begrün- 
dung der einzelnen Posten wird in einer besondern, an 
die eidgenossischen Bäte gerichteten Botschaft gegeben, 
m welcher nach einem allgemeinen, einleitenden Ueber- 
blick. gemäss den Vorschriften des Art. 75 des schon «e- 
unnlen Reglements vom 19. Februar 1877 namentlich 
<)»• Abweichungen gegenüber den frühem Jahren, sowie 
die neueingestelRen Ansätze zu beleuchten sind. 
Her Voranschlag wird möglichst spezialisiert, nament- 



lich bei den Ausgaben der Zentralverwaltung. Weitere 
Einzelheiten enthält die Botschaft, in welcher eine ganze 
Reihe von Hudgclansatzen in Unterrubriken zerlegt wer- 
den, insbesondere bei einzelnen Kapiteln des Heparle- 
mentes des Innern, des Militärdepartemenles, des Land- 
wirUchaflsdepartemenles, der Postverwallung und der 
Telegraphenverwaltung. Ks wird auf möglichste Stabilität 
des Ruhrikcnbaues gehalten, da dies die Vergleichung 
mit früheren Budgets erleichtert. Neue Rubriken werden 
an passender Stelle eingereiht und entsprechend num- 
meriort. 

Ks bestehen keine sogenannten Speziell- «»der Neben- 
budgel«, sondern der Voranschlag umfasst die gunze lau- 
fende Verwaltung des Hundes. Das sog. Materialbudgel 
der Militärverwaltung, das, um die rechtzeitige und vor- 
teilhafte Beschallung von Kriegsmaterial zu ermöglichen, 
jeweilen schon in der Junisession von den eidgenössi- 
schen Räten festgesetzt wird, kann nicht als Speztaletat 
angeschen werden, da es dem Hudlet der Militärver- 
waltung einverleibt wird und mit diesem einen Bestand- 
teil des Gesamlvoranschlages bildet, desgleichen sind die 
Budgets der Alkoholverwaltung und der Schweizerischen 
Bundesbahnen nicht als Nebenelats des eidgenössischen 
Budgets zu betrachten, da die Reinergebnisse der ersten 
Verwaltung an die Kantone verteilt werden und die Bundes- 
bahnen vom eigentlichen Hundesstaatshaushalt vollständig 
getrennt sind. Aus diesem Grunde werden diese beiden 
Budget«, obschon auch sie der Genehmigung der Hundes- 
versammlung unterliegen, hier nicht berücksichtigt 

Es gibt auch kein sogenanntes ausserordentliches Bud- 
get, sondern nur ein ordentliches. 

Her Voranschlag ist ein Brutto-Budgel. indem sowohl 
die Kinnahmen als die Ausgaben in ihrem vollen l'mfange 
darin enthalten sind. Es besteht immerhin eine Ausnahme 
beim Militärdeparlement für die Pulververwaltung, die 
Pferderegieanslalt und die Mililärwerkstälten (Konstruk- 
tionswerkslälte. Munitionsfabriken und WalTenfabrikl. 
weil nur deren Reinergebnisse in die Hauptkolonne ein- 
gestellt werden. Ks geschieht dies, um die Gesamtaus- 
gaben des Militärdenartementcs nicht hoher erscheinen 
zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Hiersei auch noch 
beigefügt, dassdas Budgetder Münzverwaltung das llaupt- 
budget des Hundes in keiner Weise berührt, da Einnah- 
men und Ausgaben dieses Verwaltungszweiges ebenfalls 
ausserhalb der Ilaupikolonne gestellt sind und Vorschläge 
auf den Münzreservefonds übertragen werden, während 
umgekehrt dieser Fonds auch alllullige Rückschläge zu 
decken hat. 

Nac Ii t r ags k r ed i te. Kin Wirlschaftsplan sucht für 
eine bestimmte Zeit den dauernd erforderlichen Bedarf 
und die zu seiner Befriedigung dauernd verfügbaren Mittel 
festzustellen und in das richtige Verhältnis zueinander 
zu bringen. Er kann somit seinen Zweck nur erfüllen, 
wenn er so genau als möglich festgestellt wird. Da man 
aber genötigt ist, mit den Vorarbeiten für die Hudgels 
grosser Verwaltungen schon recht frühe zu beginnen, um 
den Veranschlag rechtzeitig genehmigen lassen zu können, 
und da nach Verlauf einiger Monate die Bedürfnisse 
manchmal erheblich zunehmen, so ist es nicht immer 
möglich, alle Ausgaben genau vorauszusehen. Derart 
erweisen sich mitunter im Laufe eines Rechnungsjahres 
verschiedene der bewilligten Kredite als unzulänglich. 
In solchen Fallen ist es in einem Lande mit einem geord- 
neten Finanzhaushalt nicht gestaltet, drauflos zu wirt- 
schaften, sondern es muss alsdann eine Erhöhung der 
betreuenden Budgetansäl/e nachgesucht werden. 

Die Nachlragskredilhegehren werden der Bunilesvei- 
sommlnng jeweilen mittels einer Botschaft des Hundes- 
rates unterbreitet ; gewöhnlich gelangen im Laufe eines 
Jahres drei Nachtragskredilbegehren an die oberste Be- 
hörde. Die von der Bundesversammlung bewilligten 
Spezialkredite werden, soweit möglich, auch in das Bud- 
gel oder in die Nachlragskredile aufgenommen. 

Die Nachtragskredite betrugen in den letzten fünf Jah- 
ren : WO-2 I i . 4 HIV,:!"«;. HWtt Fr 71171 8<L\ I90i Fr. fil>07iJW5. 
ÜXI5Fi ÜWIKI. HU*. Fr. II 405 775 Ks ist aber zu be- 
merken, dass bei diesen Summen sich ganz erhebliche 
Posten befinden, die nicht als eigentliche Nachlragskre- 
dile zu betrachten sind, wie (Vbertragungeii von nicht 
erschöpften Krediten aus dem Vorjahre, Ausgaben reMil- 



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sr.nw 



SCHW 



tierend aus seit der Annahmedea Budgets erfolgten Bundes- 
beschlüssen u.s. w. Werden diese Beträge abgezogen, »o 
bilden die Nachtragskredite im Jahre 1902: 2.2%, 1903: 
1.5° 0 . 1904: 1%, 1»*:»: 1,3" 5 . 1906: i.\ •;„ des ursprüng- 
lichen Ausgabcnbudgets, was sicherlich nicht als ein 
Missverhältnis bezeichnet weiden kann. 

B ud ge t ü bersch re i l u n g en . Ist es nicht mehr 
möglich, für eine dringliche, nicht budgetierte Ausgabe 
oder für eine Kreditübcrschreitung vor Abschluss der 
Jahresrechnung einen Nachtragskredit zu verlangen, so 
wird, nachdem der Bundesrat die Ausgabe vorläufig ge- 
nehmigt hat. hierfür im Staatsrechnungsbericht um In- 
demnität nachgesucht. Ks handelt sich hier jeweilen im 
Verhältnis zu den Gesamtausgaben um unbedeutende 
Ausgaben. 

G i 1 1 i g kei t s dau er des Budgets und der beson- 
deren Kredite. Heule ist in den meisten und nament- 
lich in den grossem kulturstaaten die Dauer einer Finanz- 
periode auf ein Jahr festgesetzt worden. Ks entspricht dies 
besser den mehr als früher sich verändernden Verhält- 
nissen und insbesondere den stets sich steigernden Be- 
dürfnissen des Staates. Früher waren meist längere 
Budgetperiuden üblich, üb einjährige oder mehrjährige 
Finanzperioden vorzuziehen seien, kann grundsätzlich 
kaum entschieden werden. Es fallen hier verschiedene 
Faktoren, wie spezielle nnd geschichtlich überkommene 
Verhältnisse und die politischen Sitten mit in Betracht. 
Zu gunsten längerer Budgctperinden sind folgende Grunde 
angeführt worden : Da die gesetzgebenden Behörden nicht 
jedes Jahr sich mit dem Budget befassen müssen, wird 
Zeil für andere gesetzgeberische Arbeiten gewonnen. 
Wenn ausserordentliche Bedurfnisse auf mehrere Jahre 
verteilt werden, so können sie eher befriedigt wenlen. 
Der Vollzug des Budgets wird elastischer, indem dann 
innerhalb einer Budgetperiode i'ehcrtrasungen Min einem 
Jahre zum andern gemacht wenlen können, sofern die 
Gesamtausgabe den für die ganze Periode ausgeworfenen 
Gesamtkredit nicht übersteigt. Der grosste Vorteil scheint 
aber dann zu liegen. dass dabei planmässig verfahren 
wird, indem man genötigt ist, mehrere Jahre zum Voraus 
die Bedürfnisse und die zu ihrer Bestreitung vorhandenen 
oder zu beschaffenden Mittel ins Auye zu fassen, wahrend 
man bei einjährigen Budgets mehr oder weniger von der 
Hand in den Mund lebt. Das richtigste wäre wohl die Auf- 
stellung eines mehrere Jahre umfassenden Finanzpro- 
grammes mit einjährigen Budgets: man konnte so die 
Vorteile der beiden Svsteme miteinander verbinden. 
Belgien, das Deutsche Deich, Frankreich. Oesterreieh- 
l'ngarn, Bussland haben einjährige Finanzperioden, 
wahrend einzelne deutsche Mittelstaaten ( Baiern. Sachsen, 
Württemberg, Hessen' und. wenn wir nicht irren, auch 
einige kleinere Kautone der Schwei/, die Gepflogenheit 
mehrjähriger Budgets beibehalten haben. Die neue Eid- 
genossenschaft halte von Anfang an nureinj. ihrige Finanz- 
perioden. Das eidgenossische Budget geht vom 1. Januar 
lüs zum 31. Dezember und fallt somit mit dem Kalender- 
jahr zusammen. Immerhin können sämtliche Abteilungen, 
mit Ausnahme des Militardeparlementes, Anweisungen auf 
das Budget noch bis zum 1.». Februar des nächstfolgenden 
Jahres ausstellen; diese Frist wird für da» weilschichtige 
Mililardeiiartement bis Knde Februar erstreckt. Früher 
lief der Termin für Anweisungen auf alte Bechnung für 
alle Departemente schon am 31. Januar ab. Zu Anfang 
eines jeden Jahres sind also während 1'^ bezw. wahrend 
i Monaten zwei Budgets in Kraft, das alte, dessen Giltig- 
keilsdauei' eigentlich erst mit «lein 15. bezw. 28. Februar 
aufhört, und das neue, dessen Wirksamkeit mit dem 
1. Januar begonnen hat. Nach dem 15. Februar bezw. 
nach Knde dieses Monats dürfen keine Zahlungen mehr 
auf Bechnung des abgelaufenen Budgets gemacht werden ; 
die nicht erschöpften Budgets- oder Nachtra^skredite 
fallen dahin, und es darf im neuen Hechnungsjahre keine 
Ausgabe darauf begründet werden. I ehertraghar von einem 
Jahre zum andern sind nur solche Kredite, welche durch 
spezielle Bundesbeschlusse bewilligt, aber nicht auf .-in 
bestimmtes Jahr angewiesen sind. 

l eb ert ra g un gen oder Virements sind unter- 
sagt. Das Beglement über die Hinrichtung und Führung 
ile* eidg. Kassen Wesens und die Kassen Verwaltung vom 
4. Dezember 185t enthielt in Art. 33 bereits die Bestim- 



i mutig, dass keine Kredite während des Laufes eine« 
Jahres auf andere Abschnitte oder Bubriken des Budget» 
; übertragen werden können. Art. 75 des Beglementes über 
die Organisation der Finanzverwaltung vom 31. Dezember 
1861 drückte sich noch deutlicher aus. indem er weiter 
vorschrieb, dass auch keine Ausgaben auf einer andern 
Bubrik als auf derjenigen, wohin sie ihrer Natur nach 
gehören, verrechnet werden dürfen. Im nämlichen Sinne 
sprach sich die Bundesversammlung au», welche im Buu- 
desbeschluss zum Budget für das Jahr 1870 den Bundes- 
rat ausdrücklich einlud, darüber zu wachen, dass von dem 
Mittel der Uebertragungen ( Virements ) gegenüber den 
I Budgelansälzen kein Gebrauch gemacht werde. 

Art. 82 des gegenwartig in Kraft bestehenden Begle- 
mentes über die Organisation der Finanzverwaltung vom 
19. Februar 1877 reproduziert den bereits genannten Art. 
75 des Beglementes vom 31. Dezember 1861 und lautet 
' folgendermassen : * Ebensowenig können irgend welche 
I Kredite während des Laufes des Jahres auf andere Ab- 
schnitte wler Bubriken des Budgets übertragen oder Aus- 
gaben auf einer andern Bubrik als auf derjenigen, wohin 
sie ihrer Natur nach gehören, verrechnet werden. • 

Vorbereitung und Aufstellung des Budgets. 
Das Beglement über die Einrichtung und Fuhrung des 
eidg. Bechnungswesens vom 4. Dezember 1854 bestimmte 
in Art. 26. dass das Budget schon Ende Mai der Bundes- 
\ersammlung vorgelegt werden solle. Es hatte diese Zeit- 
bestimmung ihren Grund darin, dass früher in der Hegel 
I nur eine Session im Jahr und zwar im Juni stattfand. 

Demgemäss enthielt auch das Beglement vom 31. Dezem- 
, ber 1861 die liestimunin/. ilass -imtliche Departemente 
ihren Voranschlag Iii» »p iti'steu» den 30. Mär/ dem Fi- 
nanzdepartement zuzustellen hätten. I m ihre Budgets 
| rechtzeitig aufzustellen, mussten deshalb die Departe- 
mente schon im Laufe des Monats Februar oder spätestens 
I anfangs März mit ihren diesbezüglichen Vorarbeiten be- 
| ginnen. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Verfah- 
, ren, die Bedürfnisse für eine zukünftige Hechtiungspe- 
riode beinahe ein Jahr zum voraus zu bestimmen, allerlei 
l'nzukömmlichkeiten nach sich ziehen und man mit der 
Zeit davon abgehen musste. Die Bundesversammlung be- 
' schloss denn auch am 22. Dezember 1863, dass als Fort- 
setzung der ordentlichen Junisession in der Regel all- 
jährlich im Dezember eine zweite Sitzung angeordnet 
werden solle, in welcher die Beratung des Budget» für 
das folgende Jahr stattzufinden habe. Eine Folge hiervon 
war ferner der ßundesbeschluss vom 17. Dezember 1864 
betrellend das Budget vom Jahr 1865. Ziffer 16, wonach 
der Bundesrat eingeladen wurde, künftig nicht nur das 
Budget, sondern auch eine die einzelnen Ansätze dessel- 
ben in einlässlicher und möglichst verständlicher Weise 
begründende Botschaft dem Drucke übergeben zu lassen 
und dafür zu sorgen, dass alle Budgetvorlagen jeweilen 
spätestens bis zum 1. November der Kommission desjeni- 
gen der beiden gesetzgebenden Bäte, welchem in Sachen 
die Priorität zusteht, und längstens bis zum 15. November 
den Mitgliedern der Bundesversammlung zur Verfügung 
gestellt werden konnten. Diese Fristbestimmungen wur- 
den nachmals durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 
187« zum Budget für das Jahr 1877 dem Bundesrat in Er- 
innerung gebracht. Das obzitierle Bundesgeaetz über den 
Geschäftsverkehr zwischen den eidg. Räten und dem Bun- 
desrat bestimmt nunmehr in dieser Hinsicht, dass das 
Budget den Finat)zkommi--ioiieii spätestens einen Monat 
vor Besinn 'ler Hr/r mlnTse»Mc>n gedruckt zugestellt wer- 
den soll. Du- mchrerw atmte Ke<.]rtnent vom 19. Februar 
1877 enthalt die Bestimmung, «lass ihrerseits sämtliche 
Departemente >{<n Entwurf ihres Voranschlages je bis 
spätestens den 15. September dem Finanzdepartement 
zuzustellen haben. Durch Sehlussnahme des Bundesrates 
vom 7. Juni 1902 ist dieser Termin auf den 1. September 
festgesetzt worden. 

Die bezügliche Einladung wird jeweilen vom Bundes- 
rat auf Antrag des Finanzdepartementes gegen Ende des 
Monats Juni erlassen. Die auf dem Finanzdepartement 
eingehenden Beitrage werden von der Abteilung Finanz- 
bureau gesammelt, arithmetisch geprüft und zusammen- 
gestellt; die nämliche Abteilung besorgt auch die Druck- 
legung. Die so erstellten Entwürfe. Budget und Botschaft, 
werden alsdann »um Finanzdepartement nach allen Rich- 



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SCI1W 



SC11W 



173 



tanken sorgfälig geprüft und hierauf dem Bundesrat mit 
eventuellen \ l>;<nderungsanträgen gewöhnlich in der ersten 
Hälfte Oktober unterbreitet. Die eingehende Beratung 
des Bundesrates, welche jeweilen eine Anzahl besonderer 
Sitzungen in Anspruch nimmt, hat sehr oft eine nicht 
unerhebliche Umarbeitung des Budgets im Gefolge. Das 
Kinan/departement wird dann mit der Bereinigung des 
Budgets und der Botschaft nach Massgabe der vom Bun- 
desrat gefassten Beschlüsse beauftragt. Die Frist vom I. 
September bis zum 1. November für Zusammenstellung, 
Drucklegung und Beratung der Budgetvorlagen ist immer 
noch eine sehr knappe, umsomehr als diese Arbeiten an 
(mfang von Jahr zu Jahr zunehmen und der Termin zur 
hinreichung des Budgets nicht immer von allen Departe- 
menten innegehalten wird. 

B e r .1 1 u n g u n d B e s c h I i e s s u n g des B u d g e t s in 
der Bu ndesve rsammlung. Wie schon am Eingang 
dieses Abschnittes ausgeführt wurde, hat die Bundesver- 
fassung die definitive Festsetzung des Voranschlags in die 
Hände der Bundesversammlung gelegt. Da weder in der 
Verfassung noch in irgend einem Gesetz oder Bundesbe- 
sehluss eine Umschreibung dieser Befugnis enthalten 
i-t, so um ss angenommen 
»erden, dass das Budget- 
recht der Bundesver- 
sammlung ein unbe- 
schränktes ist. Theore- 
tisch gesprochen ist also 
die Bundesversammlung 
befugt, alle ihr gutschei- 
nenden Abänderungen am 
Budget vorzunehmen. In 
Wirklichkeit aber ist das 
Hecht zur Bewilligung 
der Kredite wie auch in 
indorn Ländern durch 
Ii. Macht der Verhalt- 
beschrankt und fur 
ganze Beihe von 
die auT Verfas- 
MJOgsbestimmungen. auf 
Osetzen oder auf Ver- 
tragsbedingungen ruhen, 
welche mit Zustimmung 



1889). dassNachlragskredite, weil die bezügliche Botschaft 
etwas spät eingereicht worden war. in einem der Bäte 
nicht behandelt wurden. Die Angelegenheit fand dann 
ihre Erledigung dadurch, dass die betreffenden Ausgaben 
nachträglich durch Genehmigung der Slaatsrechnung pro 
1881», in welcher sie als Kreditüberschreitungen figurier- 
ten, gutgeheissen wurden. 

Die Beratungen im Schosse der Bundesversammlung 
erfolgen nach Massgabe der Bestimmungen der (ieschäfts- 
reglemeute beider Bäte und des Bundesgesetzes über den 
Geschäftsverkehr zwischen denselben und dem Bundes- 
rate. Gewöhnlich wird ein Abschnitt oder ein Departe- 
ment kapilelwi'ise in Beratung gesetzt, wobei es natürlich 
der Kommission oder einem einzelnen Mitgliede unbe- 
nommen ist. einen einzelnen Posten herauszugreifen und 
darüber einen Beschluss zu veranlassen. Einen bisher 
ungebräuchlichen Modus halte der Nationalrat anläaslüii 
der Beratung des Budgets hir das Jahr 1 9t>i einzuführen 
versucht, indem er ii. a. an den Druck- und Bureaukosten 
der Bundesverwaltung einen allgemeinen Abstrich von 
Kr. 100000 beschloss. es dem Bundesrate überlassend, die 
Bcduktionen vorzunehmen. Der Ständerai trat auf diesen 



eingegangen 
wurden, zur blossen 
Formsache geworden. 
Auch im Falle eines poli- 
tischen Konflikts mildern 
Bundesrate könnte die 
Bundesversammlung 
Dicht ohne weiteres die 
für Amortisa- 
Verziiisung der 
fur Besoldun- 
in- 



su.s.w. 
so die 
Slaatsmaschino zum 
Stilleslehen zwingen Bis 
jetzt sind mit Bezug auf 
den Voranschlag keine 
erheblichen 



I - 


Bi ix;kts iikr sciiwf.I7.KM8CHBN RlUGEKOtt 


'KNSCIUFT VON 1849 IIIS 


1907. 








Hinnahmen- 












Hin- 
nahmen. 




Qherschuss 




Ein- 
nahmen. 




fiiinrftrhtlMN i-i- 1 

■IllVIftllUO] 1 | 1 


Jahr. 


Ausgaben. 


beJtW, 

Ausgaben- 
Oberschuisl — ) 


Jaor. 


Ausgaben 


bezw. 
Ausgaben 

ubemehussl — .-. 


1849 <| 


6894010 


7 («9 438 




65418 


1879 M 


35135345 


36598:145 


— 1 463000 


1850«) 


10182 979 


{»782423 




|- 400 556 


1880'j 


362508» 


3H 433 850 


— 183000 


1851 


10 788 796 


10 477 726 




- 251009 


1881 'i 


37 427 575 


37641 575 


— 214000 


1852 


II 8I0ÜO0 


II 510000 


-f- 300000 


1882 ',i 


38 (»41 574 


38 406 574 


- 365600 


1&53 


12 150000 


11850855 




(- 509145 


1883 •') 


80878800 


30688800 


50000 


1854 


13768 500 


14689 771 




- 921 271 


1884 'i 


40875565 


40940565 


— 65000 


1855 


16065001) 


15475000 


- 


|- 590 (MIO 


1885 •<; 


41 521 042 


41 379642 


-f- 1 42 000 


18Ti6 


16 250000 


16083000 




- 167000 


1886<| 


466:19849 


46 779849 


— 14( »000 


1857 


15686000 


1520600U 




- 480000 


1887») 


48 4» »4 401) 


48564400 


— 160000 


1858 


16540000 


16:170000 




- 170000 


1888 3 ) 


50822900 


51672900 


- 850000 


1859 


16818000 


16283000 




- 565000 


1889'i 


54 948 700 


55063 700 


115000 


1860 


15966000 


15731000 




h 2351 »00 


1890'! 


5786.3200 


70413500 


13550800 


1861 


18791778 


18151778 




- 640000 


1891 i 


50643900 


(53533 200 


12889300 


1862 


19 364000 


18 298000 




-1066000 


18!« 'I 


51 351 365 


64 179 »15 


12828000 


1863 


17 334000 


17224000 




- 110000 


18B8 3 ) 


57183600 


67 348600 


— 101650011 


186* 


17 806 300 


18566800 




1 750000 


1894') 


73213000 


76 788000 


— 3575000 


1865 


1889.3000 


20 1181«) 




1 225 100 


1895 


76532000 


78 895000 


— 236.3000 


1866 


19170000 


19 426000 




256 000 


1896 


78 905 000 


79745000 


— 840000 


1867 


20173000 


19809000 


4- 364 ODO 


1897 


84 970000 


83935000 


+ 1035000 


1868 


20812700 


20 74000t» 


4- 72 700 


1898 


91 .'175000 


91330000 


4- 45000 


1869 


21 873300 


22 124180 




- 250880 


1899 


96525000 


98620000 


— 2095000 


1870 


22 273500 


22391500 




118000 


1900 


102825000 


103605000 


— 840000 


1871 


22269300 


22 404000 




134 700 


1901 


102865000 


I(C» 675 000 


- 2810000 


187-2 


25735000 


25 »i.V. 000 


4- 80000 


1902 


102 290000 


107890000 


- 5600000 


1873 


28941001) 


28779100 


+ 161900 


1903 


106 4:10000 


110585000 


- 4 155001» 


1874«) 


36993000 


37003000 




- 100110 


1904 


111335000 


115050000 


3715000 


1875'» 


380186» 


327686»» 


+ 250000 


1905 


115 7.30 000 


117860000 


16»»000 


1876<i 


858*6680 


36 981280 


- 11.34600 


1906 


121 lUOOnO 


123800000 


- 2610000 


1877'! 


36580774 


37508774 


928000 


1907 


188885000 


134365000 


- 2140000 


1878'» 


34613000 


36989000 




-2376000 











zwischen der gesetzgebenden 



und der vollziehenden Behörde entstanden. 

Abgesehen von zwei in ausserordentlichen Verhältnissen 
begründeten Ausnahmen (1872 und 1874), ist der Voran- 
schlag immer rechtzeitig, d. h. vor Beginn des betreffen- 
den Budgetjahres, erledigt worden, so dass zu den in 



vom Standpunkte der Konstilulionalität anfechtbaren Be- 
schluss, durch welchen die Bundesversammlung sich einen 
Teil ihres Budgetrechtes begeben hätte, nicht ein. I m 
den Bäten sein Bestreben, die erwähnten Kosten nach 



deren Staaten gebräuchlichen Notmilteln, wie proviso- 
rische Zwölftel u. s. w. nicht gegriffen werden musste. 
Sollte aber aus irgend einem Grunde das Budget wieder 
»inmal nicht rechtzeitig bereinigt werden, so musste dem 
Bundesrat, ähnlich wie dies im Jahre 1873 der Fall war. 
die Vollmacht erteilt werden, das von ihm aufgestellte 
Budget einstweilen provisorich zur Anwendung zu brin- 
gen, öderes müssten provisorische Kredite eröffnet wer- 
den. Zu beiden Massnahmen ist die Bundesversammlung 
offenbar kompetent. 
E» ist bis jetzt ein einziges Mal vorgekommen l im Jahr 



>) Die. Summen dieser Jahre sind umgewandelt in neueWahrunp. 
>) lo diesem Jahr ml eine neue Bundesverfassung iu Krall 
getreten. 

') Zur Vermeidung einer doppelten Anrechnung wurden mit 
Anfang der '.Wer Jahre zuerst die Militilrregieanslalten (inklu- 
sive Pulrerverwaltung). spater auch die Monaverwaltung, deren 
Kinnahmen und Ausgaben sich autgleichen, im Voranschlag nur 
mehr in einer innern Kolonne pro memoria aufgeführt, l'in die 
voll ata ndipe Vergleich bar keil der unter der Herrschaft 
der neuen Bundesverfassung aufgestellten Budgeta herstellen 
zu konneu. wurde dieser Modus auch auf die froheren Budgeta 
bia lb"7T> inklusive angewandt. Die Kinnahmen und Ausgaben 
pro t*75-1!e.M stimmen infolgedessen nicht mit den entsprechen- 
den Ziffern de» Voranschlag» Oberein. wohl aber die Kinnahmen- 
bezw. AusgabenQberachusse. 



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m schw 

Möglichkeit herabzusetzen, zu bekunden und um einen 
unliebsamen Konflikt zu vermeiden, nahm dann der 
Rundesrat nachträglich an den Ausgaben des Voranschlags 
fur das Jahr 1904 noch Abslreichungen vor im Gesamt- 
beträge von Fr. 105 20U, welche die Hundesversammlung 
aKdann unterm 14. hezw. i'l. Juni 1904 genehmigt«. 

Wie für jeden andern Iteschluss, ist tur die * iilti^ kcit 
einer Kreditbewilligung die Zustimmung beider (täte er- 
forderlich. Ein Kredit, auf den sich die Rate nicht einigen 
können, ist al- dahingefallen zu betrachten. 

Im Gegensatz zu ifer Praxis anderer Parlamente wird 
die Üudgclhcratting gewöhnlich nicht zu allgemeinen poli- 
tischen Diskussionen benutzt ; auch werden Postulate be- 
treuend die Verwaltung. Gesetzgebung u, s. w. eher bei 
der Geschäftsprufung zur Sprache gebracht. 

Die Schhissnahme betreffend das Budget erhält nicht 
die Form eines Gesetzen, sondern eines Bundesbeschlus- 
se«. Dieser unterliegt der Volksabstimmung nicht, da die 
liiindesvcrfussung kein Finanzreferendum kennt. 

Vollzug des Budgets. Das Hudget wird nach An- 
nahme durch die gesetzgebenden Rate auf den Anfang des 
folgenden Jahres vollziehbar. indem vom 1. Januar an auf 
die darin enthaltenen Kredite Anweisungen ausgestellt 
werden können. Die Verfügungen ober die Departemental- 
kredite stehen den betreuenden Departementen zu ; über 
die Kredite •■ llundeskan/lei » und « Hundefgericht » dis- 
ponieren diese Verwaltungsabteilungen ; die Anweisungen 
über Abschnitt I (Amortisation und Verzinsung) und Ab- 
schnitt IV(l'nvorhergeM-henes> werden vom Finanzdepar- 
temenl ausgestellt. Fur den eigentlichen Vollzug wird auch 
auf die Abschnitte « liundeslinanzen » und « Kontrollie- 
rung der Üundeslinanzen » dieses Artikels verwiesen. 

Wachsen des Budgets. Wie alle modernen Kultur- 
staaten ii-t auch die schweizerische Eidgenossenschaft dem 
Gesetze der wachsenden StaatstätigkciteB unterworfen. 
Ks war dies schon unter der Herrschaft der 1848er Ver- 
fassung der Fall, ganz besonders trifft dies aber zu seit 
der Revision von 1874, welche dem Bunde eine ganze 
Heihe neuer Aufgaben überwies und schon bestehende 
erweiterte. Am deutlichsten bringt dies die heigedruckte 
Tabelle zum Ausdrurk. welche zeigt, dass das eidg. Hudget 
im Zeiträume eines halben Jahrhunderts von nicht ganz 
fünf Millionen Franken auf über hundert Millionen Fran- 
ken angestiegen ist. 

h. Stmilsrecfiniing. Geschichtliches. Hei der Er- 
richtung des Hundesstaates im Jahr 1848 musste das Rech- 
nungswesen neu geschaffen werden. Die Aufgabe war 
keine leichte. Allerdings hatte man eine gewisse Richt- 
schnur in Bezug auf das Rost- und Zollwesen in den von 
den Kantonen hierüber aufgestellten und bisher ange- 
wandten Vorschriften, und auch die Komplabilität des 
eidgenössischen Kriegsfonds und der allgemeinen Ver- 
waltung boten einige Anhaltspunkte; daneben musate 
aber doch vieles ganz neu geordnet werden. Der Hundes- 
rat wandte sich u. a. an die prenssische Regierung, deren 
Verwaltung von jeher einen vorzüglichen Ruf genoss, um 
von ihr eine Sammlung der in ihrem Lande geltenden 
Bestimmungen über das öffentliche Rechnung«- und 
Kassawesen zu erhalten ; sein Gesuch wurde jedoch aus 
verschiedenen Gründen abschlagig beantwortet. Hierauf 
erklärte der Bundesrat im Jahre 1849 ein vom Finanzde- 
partement, Militärdepartement und Postdepartement ge- 
meinsam aufgestelltes Reglement in Kraft. 

Später berief der damahgeChef des Finanzdepartements. 
Munzinger. den Hankdirektor Joh. Jak. Speiser aus Hasel, 
der, wie aus dem Abschnitt ■ Münzwesen • ersichtlich ist. 
sich bereits um die Einführung der Münzreform verdient 
gemacht hatte, als Sachverstandigen behufs Einrichtung 
der Zentralkomptabilität. Speiser vereinfachte das kom- 
plizierte Rechnungswesen und gab ihm eine richtige 
Grundlage. Das unter seiner Mitwirkung ausgearbeitete 
Reglement über die Einrichtung und Führung des eidg. 
Rechnung»- und Kassenwesens und der Kassenverwal- 
tung vorn 4. Dezember 1854, welches das bereits erwähnte 
provisorische von 1849 ersetzte, stellte mit Bezug auf die 
Stellung des Finanzdepartementes, das Kassawesen, die 
Rechnungsablegung und die SUatsbuchhaltung Grund- 
satze auf. von denen die meisten noch heute Geltung 
haben. Dieses Reglement wurde dann im Jahr 1861 er- 
weitert, namentlich durch die Verschmelzung mit dem- 



SCHW 

jenigen vom 28. Dezember 1851 betr. das Personal der 
Finanzverwaltung. Nach dem Inkrafttreten der neuen 
Hundesverfassung machte sich auch die Notwendigkeit 
einer Revision des Reglementes von 18til fühlbar, und so 
entstand das in seinen Hauptteilen noch in Kraft beste- 
hende Reglement über die Organisation der Finanzver- 
waltung und die Einrichtung und Führung des eidg. 
Kassen- und Rechnungswesens vom 19. Februar 1877. 

F m f a n g . Aufhau und Form der Staatsrech- 
nung. Die Staatsrechnung zerfällt in zwei Abteilungen : 
in die Verwaltungsrechnung und in die Ge- 
neralrechnung. 

Die Verwaltungsrechnung umfasst sämtliche im Lauf- 
des betr. Jahres gemachten Einnahmen und Ausgaben der 
eigentlichen Verwaltung nach den im Hudget aufge- 
stellten Abteilungen. Das Hudget bildet also die Grund- 
lage der Verwaltungsrechnung, und es w ird deshalb hier 
mit Bezug auf den Aufhau und die Form dieses Teils der 
Staatsrechnung auf das unter dem Kapitel «Voranschlag» 
(iesagte verwiesen. 

DieGcncralrechnungumfasst : 1 )die Vermehrungen und 
Verminderungen im Hereich des Kapitalvermögens. 2 t die 
I Vermehrungen und Verminderungen im Bereich des Ver- 
mögens an Mobilien und Gerätschaften, mit Ausnahme 
derjenigen, welche einen integrierenden Restandteil der 
den Verwaltungen zugewiesenen Betriebskapitalien bilden 
und welche unter dem Kapitalvermögen figurieren. Die 
betreffenden Verwaltungen haben die uiesfälligen Abgänge 
ans ihren laufenden Einnahmen zu ergänzen, und ebenso 
sollen etwaige Vermehrungen an Mobilien und Gerat- 
schaften in der Jahresrechnung entweder von den Aus- 
gaben abgezogen oder den Einnahmen zugeschrieben 
werden. Verwaltungen mit derartigen Betriebskapitalien 
sind : die Postverwaltung, die Pferderegieanslalt, die 
Konstruktionswerkstatte. die Kriegspulverfabrik, die 
Munitionsfabriken, die Munzverwaltung. die Post- und 

Telegraphenverwaltung. _ 

In die Jahresrechnung gehören alle in demselben Jahr 
erworbenen Zahlungsansprüche dritter Personen gegen 
die Eidgenossenschaft oder dieser letztern gegen dritte. 
| Die Jahresrechnung umfasst den nämlichen Zeitraum wie 
. das Budget, d. h. vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 
eines Jahres. 

Jede Verwaltungsstelle hat über die ihr zugewiesenen 
Mobilien ein besonderes Inventar zu führen, und zwar in 
der Weise, dass jeder einzelne Gegenstand darauf ver- 
zeichnet ist und der jährliche Zu- und Abgang nachge- 
wiesen werden kann. Der Erlös aus veräusserten Liegen- 
schaften und inventarisierten beweglichen Gegenständen 
ist der Generalrechnung zuzuschreiben. 

Die äussere Form der Staatsrechnung hat natürlich im 
Laufe der Jahre entsprechend den wechselnden Verhält- 
nissen und den jeweils in Kraft gesetzten Bestimmungen 
betr. das Rechnungswesen verschiedene Veränderungen 
durchgemacht, auf die alle einzutreten der Rahmen dieses 
Artikels nicht gestattet. Die hauptsächlichste Einteilung 
in Verwaltungsrechnung und Generalrechnung ist geblie- 
ben. Bezüglich der Verwaltungsrechnung ist zu bemerken, 
dass bis und mit 1873 die Einnahmen und Ausgaben der 
verschiedenen Zentral Verwaltungen (Departemente] von 
denjenigen der sogenannten Spezialverwaltungen (Militär- 
verwaltung, Zollverwaltung. Postverwaltnng. Telegraphen- 
verwaltung, Pulververwaltung, Münzverwaltung. Poly- 
technikum, Pferderegieanslalt, Konstruktionswerkstätte, 
Laboratorium und Patronenhülsenfabrikation I getrennt 
waren. Im Jahr 1874 wurden dann die Einnahmen und 
Ausgaben ausschliesslich nach Departementen, d. h. nach 
den administrativen Ressorts klassiert, und diese Eintei- 
lung ist seither beibehalten worden. Schon seit 1856 fi- 
guriert der Vermögens-Status (Eingangsbilanz) nicht mehr 
an der Spitze der Rechnung (vor der Verwaltung* rech- 
nung), sondern er ist in die Generalrechnung verlegt 
worden. Die gesamte Staatsrechnung umfasst jetzt fol- 
gende Abschnitte: Verwaltungsrechnung mit 
Betriebsbilanz (oder Zusammenstellung der Reineinnah- 
men und Reinausgaben); Generalrechnung ent- 
haltend die Uebersicht der KapiUlbewegungen (Venno- 
gensrechnung» und die Rechnungen der Spezialfonds. 
In die Generalrechnung fallen ieweilen auch spezielle 
Rechnungsverhältnisse, die nicht in der Verwaltungs- 



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SCHW 



SGMVV 



1 75 



r.fhnung Platz finden. AI« 
»Ich? sind aus den letzten 
Jahren zu erwähnen der Eisen - 
batinfonds. die Rechnung über 
die ErMelhinjrskosten de» Uun- 
<lr«hauses-Mittelbau, die Rech- 
nung nber die Ausgaben für 
die VubewafTnting der Feld- 
artillerie. Am Schlüsse der 
V.rmiitiensreehniinK folgt je- 
»rilen die Bechnung über ilie 
^pejuilfonds der Kidgenosien- 
vhaft, 

Seit IHM wird infolge eines 
P,*lulatea iNr. :*>4 der Postu- 
late*ammlunji ) die Staalsredi- 
nunjr den eiilg. Halen mit 
• rifin einlasslichen besonde- 
ren Bericht, Staatsnchnungs- 
kncht genannt, unterbreitet, 
».hrend früher die Erläute- 
rungen «Iiizii in ileni Coscliäft«- 
t-ru-ht enthalten waren. — 
Vergleiche ferner die Ab- 
shnitte . Organisation und 

».•"chafUkreis des Finanzde- 
partementes t, « Budget « und 

kontroll iening der Blindes- 
te nanzen ♦. 

IV. hie Umult'sfinattzi'n. 
1 n*r Artikel * l inanzilopar- 
Vment • wäre unvollständig, 
»<nn ihm nicht ein (Jeher- 
Mick nlrt-r die Bundesfinanzen 
beigefügt würde. Leider müs- 
•^n die Angaben aus Baum- 
r'jck-irbten auf das aller- 
m-twendigste beschränkt «er- 
at 

Itt-wr als irgenil welcher 
kummentar zeigen die Zahlen 
'2w beigedruckten Tabelle in 
Verbindung mit der Zusam- 
men«tellung bet reifend den 
Vnranvhlag die gewallige Knt- 
«icklung des. eidg. Finanz- 
hauitultes. Im Jahr 1849 be- 
trugen die Einnahmen und 
\ii«gaben de« neuen Bundes 
•und 6 Millionen Franken, was 
mgffähr den Zahlen der heu- 
tigen Betriehsrechnung des 
Kanton» St. Gallen entspricht; 
m Verlaufe eines halben Jahr- 
•iondfrt< sind die Kinnahmen 
i'if l.'ö Millionen, die Au*ga- 
t»en auf 128 Millionen Franken 
.»liegen. I)ie Vermehrung ist 
Ji'mlich genau eine Zwan zig- 
fache. Ks sind hierbei zwei 
Perioden zu unterscheiden. 
Von \m bis 1874. d. h. unter 
4» Herrschaft der 1848er Ver- 
jüng, ist die Entwicklung 
dW eidg. Finanzhaushalles 
»ine geringere und ziemlich 
»leiehmässige, obgleich die 
i'rt'gression schon Anfangs der 



T"erJa 



rinnt, eine starke 



"i werden. Es hängt dies zu- 



.4. VKIUil.EICMK.MIK DaHSTKI.U MI DKK IIa) PIKHUKHMSSE IlKR VkRWAI.TI MiSRECIIM N<! 

I N» GeNKRALRKCIIM NCi 
beiiehunga« eise der Hinnahmen uiid Aii.gnb.-ii, d-s Wroirtgen» und der Schulden 
der Ki«l •tno'»««ii'i.i! afi v.-n 1SI'.<-|;m;. 



VnWAI.TVKUIHKUM'X). 



Jahr. 



Kin- 
nahinen. 



I849< . 

1850') 

1851») 

1852 

1853 

1854 

1855 

1856 
1857 
1858 
1859 
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87 262 389 
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101924682 
107 2088-11 
112558 270 
115 .364 000 



Ausgaben. 



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10 77381« 
12456331 
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14230672 
15 492095 
160X7 707 
10313 79ii 
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21 913768 
20.122324 
19286039 
18 071 651 

18 710 212 

19 41051*9 
21 552 495 
19 572 9X9 
20343579 
•21 744 459 
: 10 905 410 
24 782306 
27 559 245 
33613325 
45586 171 
35 531 927 
37 Ol «958 
30 154 990 
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38978653 
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1880 






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1881 






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1882 






422 372 


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1883 






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IUX 4.51 II« 


71 I12l«l 


37330085 


1890 




3970 HO 


97 521 891 


609tvi575 


3« 557 3 9 


1891 






10 2X580« 


988507.58 


64 12X 422 


:t4722.-«« 


1892 




8071912 


95855802 


64 516 830 


31.3H8972 


18!« 






371 .500 


130 835812 


85210585 


51 «12 227 


1894 






4 602!kY. 


114 800183 


8:18X9 4.-» 


60 IM 0744 


1895 






7702732 


1551 Hl 515 


84)870 764 


74170781 


1896 






4 239 179 


l«l 8.54827 


838916X8 


7791« 139 


1897 






1 167 511 


1697(10563 


81392065 


R53liK4"8 


1898 






2423692 


183115674 


901096.3!) 


9307«ar, 


1899 




1 724 121 


186732810 


92424.186 


94 31 «423 


15*00 






3008 407 


187 277 210 


88315881 


98961 :i59 


1901 


i 


- 


«68759 


191647 742 


90158 37« 


IOI48!i:«Hi 


1902 






2 471 «!»8 


221 449 199 


118552 918 


1028962.51 


1903 


4- 


707«> 


200168010 


UM 707318 


!« 460722 


1904 




- 


12 587 084 


212876613 


102 52« 673 


110349970 


1905 


1 




4838 0t« 


•207 901491 


100 775 5)50 


107125541 


1906 



' Z»r Varmaiduog «inar doppallen Aorecbnung werden mit 
•laftagder 90.rJal.n- nur m«br die KeinerlrlKniaa« der Militar- 
••.-■•■«a»Ulleo (tnkloair« Pulverrerwallung) in Recbnung fre- 
t^arat. kbanao Warden die Hatriebaarirebninae dar Monxver- 
»«•la»e, daran UeberacbQaaa in dan M bnireaervefonda (f ele Jr» 



werden, »ait IH91 jn der VerwaUungsrecbnunjr niebt mehr be- 
rQcksicbii>/t. Um die vullatt* udi*e Vergleicbbarkeit der 
unter der liemchafi der neuen Bun-lenverfearkung »ufc«»tellleQ 
Rechnungen beratellen zu können, wurde dieser Mudus aueb 
auf die TrOberen Recbnung-eo bia 1H7. F > inkluaiv« angewandt. 
Die Einnahmen und Auagaben pro 1875- 1WM alimmen infolf 
deaaan nicht mit den entsprach 
nungen Oberem, wohl aber die 
ÖberacbOsae. 



t.praehenden Ziffern der 8U 



2SS. 



Digitized by Google 



176 



SCHW 



SCIIW 



tt. Rull Kl NN AHMEN INI» ItOH AI S..AHKN , Hl INKINN AHMEN I M> HtlNAt M.AHEN HEU Vl.ll- 

WAtrtmCSRSCHM no fCr das Jahr 1905 natu ih:n Hai itk« hiukkn. 



Ilauptrubrikso. 



L 

Ertrag der Liegenschaften 
Erlrag tler Kapitalien . . . 
Anttirtimtum uml Vertinsung . 

II. 

A I . I . < i KM II M-. V KI l \V A I T I s < < . 

S'ationalrat 

Stündei-at 

Bumlesmt 

I'.uudeskanzlei 

liundesgerirht 



Ein- 
nahmen 



Fr. 

1 MW 

2 795628 



III. 

DEPARTEMENTE. 

Politisches Departement : 
Politische Allteilung . . 
Auswandeningswesen 



393517«; 



44517 
IS 465 



Departement des Innern : 

Kanzlei 

Zentralbil.liothek 

Archi\e 

Statistisches llureau 

Gesundheitsamt 

Reilragc an Arbeiten Schweiz. Vereine 

Heilrage an Anstalten 

Schweizerische Primarschule . . . 

Verschiedene« 

Oberbauinspektorat 

Direktion der eidg. Hauten .... 
Forstwesen, Jagd und Fischerei . . . 

Mass und Gewicht 

Schul Wandkarte der Schweiz . . . . 

Justiz- uml l'ultzeidepartement : 

Juatizabteilung 

Polizeiabteilung und Departements- 

kanzlei 

Htindesanwaltschift 

Versicherungswesen 

Amt für geistiges Eigentum . . . . 

Mthtärtleparletnent : 
Halbe Militärpflichlersat/steuer . . . 
Heinertrag ihn Pulverregals . . . . 
Heinertrag der Hegieanslalten . . . 
Militärverwaltung 



Finanz- und Xulldepartement . 

Banknotenkonlrolle 

Hureau für (iold- und Silberwaren . . 
Uebrige Finanzverwaltung (ohne Lie- 
genschaften) 

Zollverwaltung 



Handel-»-, Industrie- 
Schaftsdepartement : 

Handel 

Industrie 

l.ari<hvirLschafi . . . 



und Landwirt- 



92 982 



16500 

uote. 



195«:. 
45 

12 MC. 

MC. 



49812 
531t 



69 5X0 

69057 



63:. v 

2 I ii 419 

185324 
xoi :■:,■> 

I lri'1002 



Auagaben. 



4 15409' 

238 45« 

i Kiy 



«3545 716 



«3 7x«o2l 

121 844 
4971f.7 



I'uxt- und Enten Ita/indepart erneut 

Eisenbahnwesen 

Postverwaltting 

Telegraphenverwaltung . . . . 



IV. 



I 'mnrheiijetehene* 



618511 

120971 
44 519 955 
1I»H151 



B6 974 077 

37 m 



129:103 2(4 



Fr 

15 293 

5 37« »4 



5 421 «77 

:t27 otiti 
:.iii83 
«17(1011 
145509 

453 Olli 



I :ix6<>«x 



812X79 
22 11*9 



835 (»78 

4i05x 

7020 

Iii 253 

414 94X 
154 992 

88)861 
1 797:121 
I 083 690 

1 22731 
3 6xi 9f.ii 
8848808 

859270 
8927 



Reinein- 
nahmen. 



Fr. 

1091866 

2 79562X 



8888888 



13149171 
1(18180 

i.ii 523 

49140 
60 442 

2! 4 787 



044 578 



»»51 I 498 



30 511498 

52430 
29 158 

1377596 

:,57»i 91 i 



5977 



5977 



»138 
205784 



Heit.au»- 

g-alxrn. 



831988 

2 144 419 

185324 
XOI352 



3131095 
18602« 



57 968 802 



70300061*18154888 

773618 
1 «9503« 
3 37«o54 



5844 708 

503 «41 
10068887 
1 1 »ö 151 



54 880980 

25 774 



4196118 



1 16 71« 17'.' 
12587 085 



129 808881 



1496118 
11787 



«9 964 610 



Fr. 



>:r:6:w4 



5376384 
327066 

MOS.! 

107 000 
100992 
4(4 545 



I 293686 



788878 
19134 



81551.5 

41 U58 
7020 
61 20X 
194 94X 

118087 

223851 
I 796 429 
•2 (Kl 526 

122731 
.-16X1969 
3612»« 

N59 270 
8 927 



131053»! 
102X69 

131 688 
19(46 



2>4o3> 



29 Ins \>m\ 
29488496 

37309 
1377598 



I W4 915 

652274 
1 «950 « 
28788*7 



5226 197 
382970 



:tX2970 



57 377 525 

l2riX7 OKT. 



scheidenen Wirkungskreis, 
welchen die Verfassung dem 
jungen Bundesstaat gezogen 
halle. Viel starker ist du- 
Zunahme in der zweiten 
Periode. Sie ist nicht nur der 
Vermehrung der Aufgaben 
des Hundes durch die revi- 
dierte Bundesverfassung, 
sondern auch dem gewalti- 



699(4 610 



gen Aufschwung d<-s politi- 
schen und wirtschaftlichen 

Lehens gesell 'las Ende d- - 

letzten Jahrhunderts 
schreiben. Wäre das 
wartig im Gebrauch 
liehe Rechnungsschema, das 
in unsern Tabellen bis 1875 
zurück durchgeführt wurde, 
auch auf die Jahre von 1848 
bis 1X74 angewandt worden, 
so wurde -ich da» Verhältnis 
noch mehr zu gunsten des 
zweiten Zeitabschnitts ver- 
schoben haben. Es war aber 
dies nicht möglich, weil vor 
1874 überhaupt die ganze 
Rechnangasteliung eine an- 
dere war. Aber auch ohne 
dies ist die gesteigerte Ent- 
wicklung seit 1874 hinrei- 
chend ersichtlich. 

Im Gegensatz zum Voran- 
schlag, der meistens, nament- 
lich seit 1874. mit einem 
Fassivsaldo ahschliesst, weist 
tlie Verwallungsrechnung de» 
Hundes ziemlich selten Aus- 
gabeniiberschüsse auf. I'nter 
der Herrschaft der Bundes- 
verfassung von 1848 linden 
wir Defizite nur in den Jahren 
1849. 1850. 1800, 1865. 1806 
und 1870. uml wir werden 
nicht fehl gehen, wenn wir 
sie mit den allgemeinen po- 
litischen Verwicklungen die- 
ser Jahre in Zusammenhang 
bringen. 

Der Anfang der neuen Aera 
nach 1874 war kein günsti- 
ger. Die Kosten de» nunmehr 
fast vollständig zentralisier- 
ten Militarwesens waren bei 
den Beratungen über die 
\ 1 t T.i-Miru ;n:l annähernd 1 1 
Millionen geschätzt worden, 
und man Klaubte, dass sie 
durch den Wegfall der Ent- 
schädigungen an tlie Kan- 
tone für Zolle und Posten un- 
gefähr würden gedeckt wer- 
den, während sie je« loch bald 
12 Millionen und mehr be- 
l rügen. Infolgedessen uber- 
stiegen in den Jahren 1875, 
1876 und 1877 die Ausgaben 
'In- Hinnahmen um ein be- 
trächtliches. Durch Reduk- 
tion der Ausgaben uml na- 
mentlich durch die Erhöhung 
der Eingangszolle gelang es. 
das Gleichgewicht wieder 
herzustellen, und es begann 
hierauf für die eidg. Finan- 
zen ein Aufschwung, wie ihn 
wenige linder zu verzeich- 
nen haben. 

Die Defizite von 1891. 1892 
untl 1893 sintl nur schein- 



Google 



SCHW 



SCHVY 



177 



bare. Sie rühren her von den beträchtlichen Kosten der 
Vubewallnung der Infanterie. Iliofur war ein Anleihen 
>.id 25000000 aufgenommen uml liefen Ertrag in die 
i.neralrechnung eingestellt worden, wahrend die Ver- 
valtuinisreehnung nicht nur für die Verzinsung dieses 
Ailingens, sondern auch für die sämtlichen Erstellungs- 
Vosten des neuen Gewehres aufzukommen halte. Waren 
:(ie*e Ausgaben, wie es gegenwärtig mit denjenigen für die 
Vubewallnung der Feldartillerie geschieht, in der Kapi- 
ulrechnung verrechnet worden, wo die zu diesem Zwecke 
aufgenommenen Gelder ligtirieren. so würden die Jahre 
1*0. t892 um) 1893 keine Defizite verzeigt haben. Die 
ViiSjahenüberschusse von 1900 und 1901 haben ihre l'r- 
•i.hen in der um die Jahrhundertwende eingetretenen 
*irL*diaaiichen Depression, die in einem starken Rück- 
ens unserer Zolleinnahmcn zum Ausdruck gelangle. Eine 
ähnliche Zunahme wie die Vcrwaltungstechniing zeigt 
auch die General- oder Vermögensrechnung. 

I«a* Brutto-SlaaUvermögen de« Hundes ist von 13 Mil- 
lionen Knde 1849 nur 212 Mill. Kr. Ende 1905 angestiegen. 
Das reine Vermögen betrug Ende 18*9 7 Mill.. heute be- 
l.mrt es sich auf 110 Mill. rr. ; es ist somit 16mal grosser. 
0»t Zuwach» in den letzten 30 Jahren ist aber in Wirk- 
lichkeit noch viel beträchtlicher: denn Ende 1874 zeigte 
•he Vermogensrechnung infoige der zu Endf der 60er 
iid<I zu Anfang der 70er Jahre gebrachten grossen Opfer 
für die.V iihi waffnungiles Heeres und der Kosten derGi enz- 
k-setzung im deutsch-französischen Kriege eine l'nter- 
bilanz von mehr als drei Millionen Kranken. 

Inder Tal>elle auf Seile 176 sind den Hoheinnahinen und 
h<>hau*gaben die Heineinnahmen und Heinausgaben ge- 
genübergestellt, weil bei den Netlocrgebnisaen die wirk- 
liche Bedeutung der einzelnen Posten am richtigsten zum 
Aufdruck gelangt. 

A. Kinnahmeti. Beim Ertrag der Liegenschaften 
füll der weitaus grossle Teil auf die Zinsen, welche die 
lietriebedes Militärdepartementes, die Zollverwaltung, die 
^»(Verwaltung und lelegraphenverwaltung für ihre I.ie- 
t-nschaflen zu entrichten haben und denen gleich hohe 
! 'osten bei den Ausgaben gegenüberstehen. 

die Kinnahmen aus den Kapitalien setzen sich zu- 
sammen aus : 

Zinsen von angelegten Kapitalien (inklusive 
diejenigen des Anleiliensamortisations- 
<<>nds und des Munzreservefonds) Kr. 1 485865 

Zinsen von Betriebskapitalien » 1309763 

Bezüglich dieser letztern ist das nämliche zu bemerken 
bei den von den eidg. Betrieben bezahlten Liegen- 
tchafuzinsen, nämlich, dass sie ihre Gegenposten bei den 
Aufgaben der betr. Verwaltungen haben. 

I'ie Einkünfte der B u nd es kan z le i bestehen aus 
Abonnementen auf das stenographische Bulletin der Bun- 
■l^versammlung und das ßundesblatt, sowie aus Legalisa- 
tionen und andern Kanzleiemolumenten. Bas Bundes- 
,'ericht bezieht von den streitenden Parteien beschei- 
dene Gerichtsgebühren, Die Einnahmen des politi- 
schen Bepartem entes bestehen aus den von der poli- 
tischen Abteilung einkassierten Taien für Bewilligungen 
rur Erwerbung des schweizerischen Bürgerrechts und aus 
tinigen vom Auswanderungsbureau auferlegten Gebühren 
"nd tiussen. — AeiiHsersl bescheiden sind die Einnahmen 
(Im Departementes des Innern und. abgesehen von 
den beim Gesundheitsamt eingestellten Medizinalprüfungs- 
'■ml l>i|ilomgcbühren. denen übrigens noch grossere Alis- 
t>b»'n gegenüberstehen, kaum nennenswert. Das 
J ust izdep a r te rn c n t hat zwei Abteilungen, deren 
Einnahmen die Ausgaben übersteigen, es sind dies das 
Wr*iclierurigsamt »nd das Amt für geistiges Eigentum. 
In) Jahr 1905 belief sich die Summe der von den Versi- 
1 '• rang*gesellscliaflen bezahlten Kon/essionsgebübren 
1 ' * der in der Schwei/ vereinnahmten Prämien) auf 
*r. «jr>3|ii. [Jie übrigen Hinnahmen des Versjcherungs- 
«mles rühren her vom Verkauf seiner Geschäftsberichte. 
ficht unbedeutend sind die Einkünfte des Amts für das 
ZfiMige Eigentum ; daran partizipierten pro I9»fi die Ta- 
ten für Erlindungspatente allein mit Kr. 512682 und die- 
;«-nven für Kabrik- und Handelsmarken mit Kr. 41 183. — 
l!*im M i I i ta r d e pa rtem en t begegnen wir Einnahmen 
•••rvlnedener Natur. Bie wesentlichste ist die Militär- 
i'flichlersalzsleuer. von der die Hälfte des Brulto-Ertrages 



durch die neue Bundesverfassung von 1874 dem Bund als 
leilweises Entgelt für die Lehemahmeder Militarausgabcn 
zugewiesen wurde. Es ist die einzige direkte Steuer, 
welche der Bund bezieht. Sie wird von den Kantonen auf 
Grund des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 erhoben. Von 
1875 bis zum Erlass dieses Gesetzes wurde sie konform den 
damals in den Kantonen geltenden Bestimmungen bezo- 
gen. Nachstehende Tabelle gibt Auskunft über die Zu- 
nahme dieser Abgabe. 

Halbe Ersatz- Halbe Ersatz- Halbe Ersatz- 

steuer Steuer Steuer 

Jahr Kr. Jahr Kr. Jahr Kr. 

1875 .»1674 1884 1 152 371 1898 I R» 161» 
187«i 1165764 188«; 1331807 1900 1 747097 

1877 «501100 1888 Cffli.lV.I 1902 1924 751 

1878 675 0110 1890 1373779 1904 2067966 

1879 I .«1.542 1802 1 432 174 1905 2144 418 

1880 12200U) 1894 1 489 475 1906 2 232363 
18K2 litt) 000 1896 1537658 

Von 1875 bis 1878 wurde der Bezug der Militärpflicht- 
ersatzstcuer vom Militärdepartement, von 1878 bis und 
mit 1887 vom Kinan/.deparlemenl besorgt; 1887 ist dieser 
Dienstzweig wiederum dein Militärdepartemeul übertra- 
gen worden. Von 1875 bis 1878, d. h. bis zum Inkrafttre- 
ten des eidg. Gesetzes war der durchschnittliche Jahres- 
ertrag der Steuer Kr. (556349; die seit 1901 konstatierte 
raschere Zunahme ist auf das Nachtragsgesetz vom 29. 
März 1901 zurückzuführen, das gegen diejenigen, welche 
in schuldharter Weise den Militärpflichtersatz nicht be- 
zahlen, schärfere Bestimmungen enthalt. 

Nachstehende Tabelle zeigt, wie sich die Steuer im 
Jahre 1905 auf die einzelnen Kantone verteilte. 

Halbe Ersatz Halbe Ersatz- 



steuer 
Kantone Kr. 

Zürich 362229 

Bern 364178 

Luzcrn 87 344 

Uri 10580 

. 26839 
7 296 
. 5708 
. 19663 
. 15302 
. 63360 
. 53216 
. 121744 
. 28 416 



Schwyz . . 
Ohwalden . 
Nidwaiden 
Glarus . . . 
Zug .... 
Freiburg - 
Solollmrn . 
Basel Stadt 
Basel Land 



Steuer 
Kantone Kr. 
Schaffhausen . . 20633 
Appenzell A.R. . 37398 
Appenzell I. R. . 4 419 
St. Gallen .... 176154 
Graubünden. . . 64183 

Aargau 13931 1 

Thurgau Gl 501 

Tessin 61 218 

Waadt 104895 

Wallis«) 28079 

Neuenburg . . . 107 449 
Genf. ...... 107*« 



Kr. 1753115 
<> 209 445 
» 185324 
* 166863 



Beim Militärdepartement ist auch das Erträgnis des 
Pulverregals eingestellt. Das Monopol der Pulverfabrika- 
tion war schon 1848 an den Bund übergegangen. Die 
Einnahmen seit 1849 waren folgende : 
1849*) Fr. 23 520 I87M Fr. 115593 1895 
IHUl*) • 17 460 1875 » 155412 1900 
1855 » 135915 1880 » 1.1897« 1905 
1860 » 1370 1885 » 125 439 1906 
180.5 .1 4:1426 1890 » 95:198 

Die Heinerträgnisse der Begieanstalten der Militärver- 
waltung sind nur zufälligerweise so hohe und haben ihren 
Gnind in der gesteigerten Produktion, welche die Neube- 
wall'nungder Feldartillerie. sowie derGebirgsartillerie und 
die Vermehrung der Munitionsvorräte bedingte. Sie sind 
sonst viel geringer, weil man, da der Bund der Hauptab- 
nehmer der Erzeugnisse ist, so viel als immer möglich die 
Parität zwischen den Erstellungskosten und dem Abgabe- 
preis herzustellen sucht. — Bie übrigen Einnahmen der 
Militärverwaltung bestehen in der Hauptsache aus dem 
Erlös der an die Kavalleristen zu halbem Preise abgege- 
benen Hemotileu. 

Ki na n z - und Zolldepartemenl. Die seit dem Er- 
lass des Hundesgeselzes vom 8. März 1*81 über die Aus- 
gabe und Einlösung von Banknoten bezogene Banknoten 
kontrollgebühr wird mit dem Beginn der Tätigkeit der 
schweizerischen Xalionalhank und dem sukzessiven Btiek- 
zuge der bisherigen Emissionsbanken verschwinden. Die 
Einfuhrzölle bilden namentlich, seitdem 1874 die 
Rückvergütungen an die Kantone weggefallen sind, die 
wichtigste E i n n h Ii nie n >| uel le des Bundes. Wie 

ii Kniscblievtlieb emisi Sal i«« von Kr. ».) *u» dorn Jabr« HNO. 
t.'mgevnndvlt in neu.« Wahrung. 

200 - «KOKK. U-X. V — 12 



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SCI1W 



SCHW 



aus der obigen Zusammenstellung hervorgeht, waren die 
Reinerlrägnisse der Zollverwaltung allein hinreichen«!, 
um die AiiHgabenüherschiisse aller andern Verwaltungen 
711 decken. 

Fi» folgen hier die /.olleinnahmen seil I8"i0 in Zeiträumen 
von funf zu fünf Jahren, verglichen mit der Bevölkerung 
der Schweiz nch^t einer Berechnung des auf den einrei- 
nen Einwohner fallenden Betrellniases. 



Jahr. 


lirutlo- 
/...lleinnabmen. 


K»kti»>-he 
Bevölkerung 
ilnr Schweiz. 


U«l*«(ung 
per Kopf der 
Bevölkerung 




Fr. 




Kr. 


trViO 


4 255 560" } 


2 :»»•» 74*» 


1. 78 


1S55 


5 726 IX» 


2 450 687 , 1 


2. :i4 


1S60 


7 7<>5 926 


2 .M7 170 


3. Ki 


INS5 


8 723 310 


2: xi iis*j 
2 tm 1 17 


3. :w 


1871 > 


k .v«5 094 


3 21 


i«7r> 


17 135949 


2 750 251«) 


6 23 




17 211 4*3 


2 KW 102 


fi U*i 


isx:, 


21 um m 


2 K9t> 07'.* 1 " 


7. 32 


1890 


:n 258 296 


2 950 .VW* I 


10. .Ml 


1895 


43 279 725 


3 124 67t**» 


13. 85 


p.rno 


iJ-i OKI 01 1 


3 325 023 


Ii. w 


lauT) 


4Ci 5V> 71."» 


3 49i.Y»Mi 


18. 18 



Die Brutlo-Zolleinnahmcn sind also im Zeilraum eines 
halben Jahrhundert« von V/, Mill. Fr. auf 6*3' 1 MiH. Fr. 
gestiegen und die daraus resultierende Belastung auf den 
ciiuelnen Einwohner von Fr. 1.78 auf Fr. 18.18, also um 
mehr ah das Zehnfache. Nimmt man an, dass die Zolle fast 
ausschliesslich vom Konsumenten getragen werden, so hat 
in der Schweiz eine Familie von fünf Köpfen dem Hund 
gegenwärtig eine indirekte Abgabe von mehr als neunzig 
Franken jährlich zu entrichten. Dabei ist zu bemerken, 
das« der neue Zolltarif um! die auf! »rund desselben al»ge- 
schlosseneii neuen Mandelsverträge mit den erhohlen 
Zollen erst auf den 1. Januar 190b in Kraft getreten sind. 
Allerdings hatte auch im Jahr 1905 im Hinblick auf die 
bevorstehende Erhöhung der EingangBgehühren eine ver- 
mehrte Einfuhr stattgefunden. 

Heim Handels-, Industrie-und Land wirtsrbafts- 
depa rtement hat die Abteilung Industrie gar keine Ein- 
künfte aufzuweisen. Die Handelsablei hing kann mit den 
Abonnemenlsgebühren und den amtlichen und nichtamt- 
lichen Inseraten die Kostendes Handelsamtshlaltes decken. 
Die Abteilung Landwirtschaft hat zweierlei Einnahmen : 
einerseits die Betriebsergebnisse der eidg. landwirt- 
schaftlichen Versuchs- und Cntersuchungsanstalten, der 
eidg. Versuchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau 
in VVädenawil und des Hengsten- und Fohlendepots in 
Avenches. andererseits die Gebühren für tierärztliche 
Untersuchung der eingeführten Tiere an der Grenze. 
Letztere Einnahme belu-r sich 1916 auf . . Fr. 276 853 
Hieraus wurden gedeckt die Kosten der Vieh- 
seuchenpolizei mit » 149 481 

und der Uehersehuss im Betrage von . . . FrT 127 372 
in den Viehseuchenföiids gelegt. 

Post- und Eisenbahndeparlement. Die Konzcs- 
sionsgebühren der Eisenbahnen, welche den Hauptbestand- 
teil der Kinnahmen der Eisenbahnableilung bilden, sind 
seit der Verstaatlichung der fünf schweizerischen Haupt- 
bahnen stark zurückgegangen. 1901 wurden an Eisenbahn- 
konzessionsgebühren eingenommen Fr. 331 466. 1905 nur 
noch Fr.9493l. Der Rückkauf der Gotlhardbahn wird 
eine weitere Verminderung dieser Einnahme von etwa 
Fr. 50000 zur Folge haben. Für die Abtretung des Post- 
regals im Jahr 1848 ntuaste den Kantonen die Durch- 
sclinitlssiimme des reinen Ertrags, den sie in den Jahren 
1844 bis 1816 vom Postwegen auf ihrem Gebiete bezogen 
halten, rückvergütet werden, wobei jedoch, wenn der Rein- 
ertrag der Postverwaltung nicht hinreichte, um diese 
Entschädigung zu bezahlen, den Kantonen der Fehlbetrag 
nach Verhältnis der festgesetzten Durchschnittssumnien 
in Abzug gebracht werden konnte. Später aber, nach- 
dem einigemale den Kantonen nicht die volle Entschädi- 
gung hatte ausbezahlt werden können, wurde von di-r 

■i Imgewandelt 1a neue Währung. 
Ii Berechnet. 



Hundesversammlung beschlossen, das» l'eberschuss«? eines» 
Rechnungsjahres über die Rückvergütung an die Kantone 
hinaus zur Nachveigütung an letztere verwendet werden 
mtissten. bis diese für alle Ausfälle früherer Jahre ent»cli.»- 
digt seien. Ferner licssen sich die Kantone im Jahre 1f*X' 
den Wert des Postmaterials, für das sie schon |850entsch;i- 
digt worden wareu, nochmals vergüten, wodurch die bis- 
herigen, in die Dundeskasse gefallenen Heinerlragnisseder 
Post aufgebraucht wurden. Da seither der Ertrag der 
Posten nie so gn>ss war, dass nach Ablieferung der Ent- 
schädigungen an die Kantone noch etwas verblieben war»-, 
haben die Riindcslinanzen von 1849 bis 1874 vom Post- 
regal nichts profiliert. Erst seit 1874 nach Wegfall der 
Rückvergütungen an die Kantone ist da» Postregal fur 
den Hund zu einer Kinnahmenquelle geworden. Die ge- 
waltige Entwicklung von Handel und Verkehr ist natur- 
gemäas in einer starken Ausdehnung des Po*tdiensü^s 
zum Ausdrucke gekommen. Sowohl die Einnahmen als 
die Ausgaben dieser Verwaltung haben bedeutend zuge- 
nommen. Hier folgl eine Zusammenstellung der Reiner- 
tragnisse von fünf zu fünf Jahren seil 1875: 



l 



Reinerträgms der 

Jahr Postverwaltung Jahr 
Fr. 

1875 139 232 1895 

iHMti 2 011864 1900 

1K85 I 508 1. « 1905 

1890 2 271 362 190« 



Heinerträgnis der 
Postverwallung 
Fr. 

1 452 492 

2 70U35I 
4 496 117 

3 679 059 



Es geht aus diesen Zahlen hervor, das« die Reineinnah- 
men der Post bis 1900 ziemlich stabil gewesen sind. In 
den letzten Jahren und namentlich im Jahre 1905 war da« 
Anwachsen der Einnahmen allerdings ein stärkeres ; aber 
schon das Jahr 1906 hat infolge der periodischen Besol- 
dungserhohung ein kleinere* Reinerträgnia aufgewiesen. 

Es ist aber hierzu folgendes zu bemerken. Der Hund hat 
von jeher aus Mitteln der allgemeinen Verwaltung die viele 
Millionen Franken betragenden Baukosten der Post- und 
Telegraphengebäude bestritten. Er unterhält und amorti- 
siert sie ebenfalls aus den allgemeinen Mitteln und l>e rech- 
net der Post dafür nur einen Zins von 3' 5 %des Schätzungs- 
wertes der Gebäude. Ferner sind der Post aus allgemeinen 
Mitteln die notigen Millionen für die Beschaffung ihres 
Inventars geliefert worden, und es erheischt der Betrieb 
dieser Verwaltung während eines Rechnungsjahres stän- 
dige Vorschüsse von mehreren Millionen Franken. Es 
darf also behauptet werden, dasa die obigen l'eberschüssr 
der Postverwaltung. wie sie gegenwärtig durch die Staat? 
rechnung ausgewiesen werden, in Tat und Wahrheit 
erheblich geringer siod und von llskalischer Auslieutun^- 
dieses Regals nicht gesprochen werden kann. 

Was das Telegraphen- und Telephonmonopol anl*etrifTt. 
so wirft es schon seil einigen Jahren gar kein Erträgnis 
zu gunsten der Verwaltungsrechnung mehr ab, indem die 
Betriehsuherschüsse zur Amortisation des zirka 16 Mill. 
Franken betragenden Baukontos verwendet werden. Nebst 
diesem Baukonto besteht dann noch ein Inventarkonto 
von mehr als 11 Mill. Fr. Die Vorschüsse hierzu sind 
ebenfalls aus allgemeinen Mitteln der Bundesverwaltung 
geleistet worden und werden auch nur zu 3',," 0 verzinst 
Von 1899 bis 1904 hat der Bund ausserdem zur Durch- 
führung der Amortisation von 15% auf dem Baukonto 
der Telegraphenverwaltung nicht weniger als Fr. 63Ü6Ü67 
aus seinen allgemeinen Einnahmen angewendet, eine 
Summe, welche den Reinerlrägnissen der Telegraphen- 
verwaltung aus den fruhern Jahren wohl nahe Kommen 
mag. Die*e wenig gunstigen Rechnungsergebnisse rühren 
her von den gewaltigen Kosten der Erstellung des sich 
noch immer stark ausdehnenden Telephonnetzes, die im 
Baukonto zum Ausdruck gelangen. Finanziell gesprochen 
ist das Telephonmonopol für den Bund bis jetzt kein lu- 
kratives Geschäft gewesen, womit jedoch nicht bestritten 
werden soll, dass die Entw icklung (les Telephonwesens auf 
Handel. Gewerbe und Verkehr fordend eingewirkt hat* 
B. Ausgaben. Von den Ausgaben für Amortisation 
u nd Verzi nsung der öffentlichen Schuld fallen 250)000 
Fr. auf die Tilgung und Fr.283783*>aufdie Verzinsung. Daio 
kommen noch Fr. 38549 für Verzinsung von Paasivkapi- 
lalien. d. h. von nicht sofort wieder angelegten Zinsen 
und Kapilalrnckzahlungtn der Spezialfonds. Vergleiche 
im Uebngen den nachstehenden Artikel • Staatsschulden • 



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179 



Die Kosten der allgemeinen Verwaltung (Bundes- 
versammlung. Kundesrat. Bundeskanzlei und Bundesge- 
richt) bedürfen Weines Kommentars. 

Der Aufwand für das pol i t ische Depa r lernen t hat 
.«ich im l-aiife der Jahre nicht unerheblich vermehrt, was 
hauptsächlich davon herrührt, dass die Zahl der diplo- 
matischen Vertreter vermehrt wurde und der Bund die 
Besoldung des Kanzleipersonals der Gesandtschaften über- 
nahm. Als (Gesandte beiw. Ministerresidenten neueren 
Datums sind diejenigen in London. Buenos Aires, St. Pe- 
tersburg und Tokio zu erwähnen. Ferner erheischen auch 
die Entschädigungen an schweizerische Konsulate und 
die Beiträge an schweizerische Hilfsgesellschaften im 
Ausland stets grössere Summen. 

Nächst den Ausgaben des Mililärdeparlements fallen 
diejenigen des weitschichligen Departements des 
Innern am meisten ins Gewicht, steht doch seiner Ge- 
«amtausgal.e im Betrag von rund Fr. 13150000 nur eine 
i.esamtemnahme von rund Fr. 50000 gegenüber, so dass 
wir es hier mit einem Defizit von Fr. 13 1000(10 zu tun 
hahen. das aus den übrigen Beineinnahmen gedeckt wer- 
den muss. Von den Ausgabeposten seien hier nur die 
wichtigeren erwähnt. Das statistische Bureau hat nahezu 
eine halbe Million ausgegeben, wovon mehr als die Hälfte 
»uf die in Bearbeitung liegende grosse eidgenossische Ge- 
werbezählung fallt. — Das Budget des Gesundheitsamts 
betragt dermalen nur etwa Fr. 150000. wird sich aber, 
nachdem nun das eidg. Lebensmittelgesetz angenommen 
worden ist. in Bälde um 300000 bis 401)000 Franken ver- 
mehren. — Die Beiträge an Arbeiten schweizerischer Ver- 
eine betreffen Subventionen an eine Beihe wissenschaft- 
licher, literarischer und gemeinnütziger Bestrebungen, 
deren Bedürfnisse sich zwar langsam aber stetig steigern. 
[He Bubrik < Beiträge an Anstalten » umfasst u. a. folgende 
vom Bund unterhaltene Anstalten : Polytechnische Schule, 
Meteorologische Zentralanstalt. Anstalt für Prüfung von 
Baumaterialien, Forstliche Zentralanstalt und Schweize- 
risches Landesmuseum in Zürich, sowie die Schweizerische 
l^ndesbibliothek in Bern. Das eidg. Polytechnikum er- 
schien zum erstenmale in der eidg. Staatsrechuung im 
Jahre 1858 mit einer Ausgabe von Fr. 1721*35. 1905 ist 

diese Summe auf , . . Fr. 1114618 

angewachsen. Hechnet man die Ausgaben 
für die vorerwähnten drei Annexanstalten 

io Zürich hinzu mit » 150274 

M gelangen wir zu einem Gesamtaufwand 
für das Polytechnikum im Betrage von . Fr. 1 264892 
Du schweizerische Landesmuseum debütierte 1892 mit 
einer Ausgabe von Fr. 16 500; ein Jahr später waren es 
Kr. 71988. jetzt sind wir bei Fr. 230968 angelangt. Aehn- 
lich ist auch das Budget der Landesbihliothek von Fr. 
260110 im Jahre 1895 auf Fr. 77 830 angewachsen. Die Sub- 
vention an die schweizerische Primarschule bedeutet seit 
19*4 eine regelmässige jährliche Mehrbelastung von Fr. 
20K"i()00. Für Förderung und Hebung der schweizerischen 
Kunst werden unter dem Posten u Verschiedenes » Fr. 
100(100 verausgabt. 

Zu einer der segensreichsten Tätigkeiten des Bundes 
hat sich die ihm in Art. 21 der Verfassung von 1848 und 
in Art. 23 und 24 der Verfassung von 18*4 übertragene 
Befugnis zur Errichtung oder Unterstützung öffentlicher 
Werke und das Hecht der Oberaufsicht über die Wasser- 
bio- und Forstpolizei im Hochgebirge entwickelt. Zahl- 
reich waren schon die Werke, die von 1848 bis 1874 er- 
richtet oder unterstützt wurden, noch grosser aber sind 
die Opfer, die seit 1874 gebracht werden. Die daherigen 
Aufgaben sind unter « Oberbauinspeklorat » rubriziert. 
Während der ersten Periode (1848-1874) wurden für 
Strassen- und Brückenbauten, für Flusskorrektionen und 
Wildbachverbauiingen insgesamt verausgabt Fr. 10 445300 
von 1875 bis 1905 dagegen » 63300279 

Rechnen wir hinzu : 
die Subvention an die Gotthardbahn (inkl. 

Entschädigung an Basel Stadt) . . . . » 6800000 
die Subvention an den Simplondurchstich 

(abzüglich des infolge des frühzeitigen 

Rückkaufes nicht einbezahlten Betrags) . » 1836000 
die Bündner Schmalspurbahnen .... » 8000000 
» kommen wir zu der ansehnlichen Summe 

»°n Fr. 90381 579, 



welche bis 1905 vom Bund ftir öffentliche Werke 
gabt wurde. 

Ausserdem werden den Kantonen IM, Graubünden. 
Tessin und Wallis seit 1874. gemäss Artikel 30 der Bundes- 
verfassung, alljährlich Fr. 530000 für Unterhall der inter- 
nationalen Alpenstrassen bezahlt; ferner erhielten Uri 
und Tessin von 1874 bis 1882 für Sehne« bnieh auf dem 
Gotthanl jährlich Fr. 40000; bis 1874 waren diese Kan- 
tone für diese Arbeit von der Zollverwaltung entschädigt 
worden. 

Direktion der eidg. Bauten : Erhebliche Ausgaben 
verursachten die Bauten der Eidgenossenschaft. 1905 
sind für Hochbauten folgende Summen ausgeworfen 
worden : 

Ordentlicher Unterhalt der eidg. Gebäude . Fr. 159994 
Umbau- und Erweiterungsarbeiten . ...» 324144 

Neubauten » 2 447 773 

Bauliche Arbeiten in gemieteten Gebäuden . » 23153 

Fr. 2 955064 

Diese Ausgaben betreffen in der Hauptsache Gebäude 
der Post-, /oll- und Militärverwaltungen. Von andern 
Bauten sei hier nur das Bundeshaus-Mittelbau erwähnt, 
das in den Jahren 1894 bis 1901 mit einem Kostenaufwand 
von über 7 Mill. Fr. inkl. Baugrund) erstellt wurde. 

Die Bundesverfassung von 1874 übertrug dem Bund 
das Beeht der Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hoch- 
gebirge und die Befugnis zum Erlass gesetzlicher Be- 
stimmungen über die Ausführung der Fischerei und Jagd. 
Durch eine teilweise Verfassungsrevision vom Jahre 1897, 
Hundcsbcschluss vom 15. April 1898 und Bundesgeselz 
vorn 11. Oktober 1902 wurde das Oberaufsichtsrecht des 
Bundes auf sämtliche Waldungen des Landes ausgedehnt. 
Aus der Ausübung dieser Befugnisse sind dem Bund er- 
hebliche Ausgaben entstanden, wie nachfolgende Zahlen 

Ausgaben für 
Forstwesen Jagd u. Fischerei Total 



Jahr 

1875 

1879' i 

1885 

1890 

1895 

1900 

191X5 



Fr. 
4 083 
46 704 
83114 
145 882 
290 459 
514 492 
769 172 



Fr. 

18 410 

25 627 
48 935 
73 677 
78 842 
9» 098 



Fr. 
4083 
65114 
108 741 
194 817 
; :r i \ 136 
593 334 
859 270 



Die Ausgaben des Justiz- und Polizeideparte- 
ments sind ebenfalls im Steigen begriffen. Abgesehen von 
dem im Jahr 1886 errichteten Versicherungsamt und dem 
Amt für geistiges Eigentum, das 1888 nach der im vorher- 
gehenden Jahre stattgefundenen Annahme eines neuen 
Verfassungsartikels betrellend Erfindungsschutz gegründet 
wurde, liegt die Ursache der Vermehrung in den Vor- 
arbeiten für die Vereinheitlichung der Zivil- und Straf- 
gesetzgebung und in der Schaffung der Abteilung Bundes- 
anwaltschaft und des Zcntralpoii/cihurcaus. Die Aus- 
gaben des Versieherungsamtes werden jetzt durch seine 
Einnahmen gedeckt ; das Amt für geistiges Eigentum 
weist sogar einen nicht unbeträchtlichen Einnahmenüber- 
sehuss auf. 

Beim M i I i tä rd e pa rt emen t sind zwei Perioden zu 
unterscheiden: diejenige von 1848 bis 1874. während 
welcher der Bund nur beschränkte Befugnisse in Militär- 
sachen besass (höherer Militärunterricht, Ausbildung der 
Instruktoren, Unterricht der Spezialwallen, Ueberwa- 
chung des übrigen Unterrichts und Lieferung eines Teils 
des Kriegsmaterials i, und diejenige seit dem Inkraft- 
treten der Verfassung von 1874. welche die fast vollstän- 
dige Zentralisation des Militärwesens brachte. 

Die nachstehenden Tabellen enthalten die Ausgaben 
des Militärdepartementes nach Massgabe der gegenwärtig 
für die Staatsrechnung geltenden Bechnungsmethode, 
d. h. die Brutto-Ausgaben des Militärdepartementes ohne 
die Ausgaben der Pulververwaltung und der übrigen 
Militärregieanstalten, denen entsprechende Einnahmen 
gegenüberstehen. Diese Bechnungsmethode ist auf alle 
Staatsrechnungen bis 1849 zurück angewandt worden, 
wodurch die \ ergleichbarkeit der verschiedenen Jahres- 
ergebnisse ermöglicht wird. 

') B«gian der Aufgaben fOr Jagd und Fitcherei. 



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1X0 



SCIIW 



SCIIW 



Augi/iihtm dt» MililanifiHtrtements 
r„n IXUt his /.V" ). 
Jahr Kr. Jahr Fr. Jahr Kr. 

Mi»"} .7i0 643 18.7* 2 173 336 1807 2 WH 261 
I8Ö0 92.'. 722 18.7.»' i -J.kC. 11« 1868 2 161 928 
1851 999 oö9 IttiO-i 2 623 6KT. 1869 2 .'»82 007 
18.72 1310 <C.| 1861 3 783 7C» 1870'i 2 216 215 
18.71 1428 280 181.2 3 270« «7 I871V2 472 097 
I8T.4 I Ü7I t>:V» 18»« 3 31 9 7.7* 187-2 3 2U7I48 
18V. |:»itra". 1864 3 449 07 t 1873 3.7»|Ot9 
18.71 1728 643 1867> 4 133 0U> 1874 4 4<>oOS6 
1877' < I 443 982 \m*'\ 1 098 107 
Zu vor8lcl.ontlcrTal.ellc sei ferner l.emerkl, «lass in 
den Jahren 1867-1874 fnr Umänderung des damaligen 
Infanteriegewehrs, Anschaffung von neuen Hinlerlader- 
gewchren und llinterladergeseriutzen folgende Summen 
bezahlt wurden : 

1807 Kr. 4 418 DU) 

I8»>8 « 3093999 

1809 » I 360 077 

1X70 • 1023 Ol o 

1871 2 364 KCl 

1872 <• 3 i'.l 861» 

is7:t » 3 152 388 

1874 » 626 854 
Diese Summen vvunlen auf Kapilalrechnung bezahlt, 
während in den Jahren 1861- 1800 ». hon ziemlich helrachl- 
liche ausserordentliche Ansahen vvie Umänderung voo 
«lewehren, Anschaffung von neuen Gewehren und Ge- 
schützen, Beitrage an den Hau der Fuika-. Oheralp- und 
Axenstrasse, Bau der Kaserne in Thun .las ordentliche 
Budget des Militärdepartements, d. h. die Verwaltungs- 
rechnung belasteten. 

A»$gaften des MilitihiO-partetueiits 

von 1H1', bts l'.MG. 
Jahr Fr. Jahr Fr. Jahr Kr. 

187:. 11018 301 188C") 14 884 »Kl 181*7 24 4X1747 

1876 12 546 800 1887 16 778 030 18!« 26 498 657 

1877 13 H« 876 1*88 18 037 214 18!»9 27 472117 

1878 1-2 274 «177 1889 19 730 337 1900 27 7U13X1 

1879 1-2 94:1(174 1890 20 575 336 19it| 28 .388 370 
1881) 11730070 1891»! 24 045 833 1902 28 713 IUI 

1881 12 453 183 1892") :U 023 580 1903'«) 28 061 150 

1882 13213568 imw'i 32320075 1901 29 142 530 

1883 13 455 4R-. IW'i 24 780 828 1U05 :»» .MI V«H 

1884 i4i:n;:«8 1805 23012301 1906") 35220103 

188*. 14 093 510 1890 23 2m 848 

Abgesehen von den allgemeinen Verbesserungen im 
Militarwesen und von der voni hergehenden ausserordent- 
lichen Heiastun« des Militärbudgets durch die Neube- 
waffiiung der Infanterie anfangs der 90er Jahre lies ver- 
gangenen Jahrhunderts sind es namentlich folgende Ur- 
sachen, welche seit 187.". die Militäransgahen erheblich 
vermehrten; Hie Krailling und der Unterhalt der Be- 
festigungen am Gotthard und bei St. Maurice, die An- 
schauung von Vorräten aller Art für die Kriegsbereitschaft, 
die Vermehrung der Truppen bestände infolge stärkerer 
Kckrolierting. 'die Einführung der Militärversichcrut.g. 

Kur die Neubewaffnung der Keldartillerie hat die Hundes- 
versummlung unterm 23. Juni 1903 eine Summe von 

') Niehl inbegriffen Kr. ins t'Xl K<»U'ii der (ironzhcsetiuiig im 
K.inton re»»i» und Fr I HiiSH« Kesten der Bewachung der 
Nordgrenze .Irr Schwei*. 

i) Niehl inbegriffen Kr. 31* 2?7K"sU<ti derOkkupation de* Kan- 
ton« Nu iburg und Kr. 2 Ws 337 Kulten der Rhi>injrr«-iul»e>w.i- 

Ctllllljf 

'i Niclil inbcjrriiren Fr. 1 131 718 Ko«tcn 'lor Itawarbung tlerr 
SQdgrci.zo waiircnd tloi» Kriejre* vun tH,V..;iK n. Italien 

4 t Nicht inl.i'gritfou Fr li/O'fifl Ro-ten i|*r Bcw.icbung 'Ipr 
SQdgrviiie w^lireml -le« Kriuu'c» von isV>.<) m |t a ti Ptl 

'i Nicht inbcif rillen Kr I.U'.I » K«»t«.Mi der (>Kk<i|>atiiin vn 
fJiMif und Kr Hi;it:t K < >s i,< ii der Grcii»hewachuiig w.ihrecid d«s 
Krict'cs vun IS/üi 

"i Nicht inbi'tfriiTcu Kr. '.. '>'< I ikt'» Kn^tou rU-r OrciuhowachuiiK' 
>\:i)ir< ii'l du« d" iit« h- |'ran*iisi»chi'ii Krivgc*. 

T ' Itf^iiii. iler HeleMti^unK- "irl.LMlcn am Ontthard. 

■i llcgini. der HelV.librinig.urlicilcn bei si. M-mncc 

"i Kiiischlu-slich der A<isgabcu för dan ntue li.fan Icriugowrhr 
ncl>-"l Munition. 

i"i Inkrafltrclcii <|cr Militarv^rsicbcning. 

ll> Kni>chlie*Hlicb aiiMorurdeotlicl.cr Aimraben fftr Neubewarl- 
imiig d«r OfltirgxartilUri«.. rmhirg*»<i«rii«linik' l'Hr Infanterie 
uad Vermehrung der Muniln>iiab<-sUade. 



Fr. 21 700 OU) bewilligt, die bald verausgabt sein wird, 
aber nicht au« den laufenden Kinnahmen sondern aus 
dem eidg. Anleihen von 191111 bestritten wird. 

Am 26. und 28. Mar/. I9J6 sind ferner dem Bumle*rati' 
Kredite im tlesamtbetrage von Fr. 1309*2 000 bewillig-, 
wonlen für die Neuhewallnung der (iebirgsartillerie, die 
(iebirgsausruHtung der Infanterie und die VernWirtitt«' 
<ler Munitionsvorrate. Diese Kosten sind auf die Hetrieb-- 
budgeti* fVerwaltung»rechnungeni derJafire 19D6 Uxh I '.*■■< 
iu verteilen. 

Die obigen Tabellen über die Ausgaben des MiliUrdepar- 
ments stellen die Bru tto-Ausgaben diesj-r Verwaltniu' 
dar. Nach Abzug der Einnahmen stellen sich die Ausgal.cn 
<ler Militärverwaltung nicht unerheblich niedriger. Diese 
Xetto-Ausgaben betrogen : 



187." 
18X0 
18K". 



10 804 248 
9 03t 989 
l2«>9)i2X7 

18HM r*:» 



Dietiesamlausgaben der F 



18!G Kr. 20 674 183 
19>m • '24 »üCi 6.7) 
I9iC. « 20:C.7 M 
1906 * 29S8T.8i"» 
ina n / ve r wa 1 1 u n g l.eiiefi u 



sich im Jahre I9U> auf Fr. 1 4.7» 1S4 oder auf Kr. !C*<» Isv. 
wenn die halbe Million, welche jährlich in den eidg. lu- 
vaiidenfonds gelegt werden musg. unbenicksichtigt bleibt. 

Nicht nur die Zunahme des Verkehrs sondern auch oic 
Steigerung der /.ollansatze vermehrt die Ausgaben der 
Zollverwaltung, weil hei ln'.heren (iebiihren der 
Schmuggel einen gronscren Protit bietet und infolgeile*.« ;i 
di»> Leberwnchiingder Grenze eine v iel strengere seifi mnss 
Ks ist deshalb das Ansteigen der Verwaltungskosten der 
Zollverwaltung eine ganz natürliche Erscheinung. Immer- 
hin sind dielte Kosten, wie nachstehende Zahlen zeigen, 
so ziemlich im gleichen Verhältnis zu den Boheinnahineo 
geblieben. 

Auf je 10t) Franken 
Hoheinnahmen 
Jahr ausgaben betragen die Verwaltungskoster. 

13. U2 



187) 
1860 
1870 
18*1 
I88T. 

lau 

I89T. 
1«» 
1901 
191 r2 
190.1 
1904 
1911.-. 



Verwaltungs- 
ausgaben 

5Ö4 216 
867 609 
1 (HO 906 
1 .Mfil 2.75 

1 861 067 

2 IC16 47:1 
3.7J8 9I8 
4 »Ötl XU 
4 7<r2 -282 
4 917 21:. 
.-.162:189 
.-..-.14 946 
.-..-.76 914 



11. 17 

12. 73 
8. 94 
8. 78 
8. 43 

8. 32 

9. 70 
10. 31 

9. 7.'. 
9. 67 
10. 24 
8. 78 



Das Handels-, Industrie - und Landwirtschaft^ 
departement in seiner jetzigen Gestaltung ist erst neu- 
eren Dalums. Vor 1874 war das Handelsdepartemenl mit 
dem Zolldepartement vereinigt ; die Unterstützungen an 
Handel. Gewerbe und Industrie wurden aber damals mcf- 
tens vom Departement des Innern verabfolgt. AU nam- 
hafte Bundesbeilrage aus frühem Zeiten sind zu verzeich- 
nen : 18M : Gewerbeausstelluug in London Fr. 18960 1 neno 
Wahrungi; 1XV.: Ausstellung in Baris l Kredit- Fr. Ait«» 
I8'.7: Gewerbeausstellung in IU*rn Fr 400U). 1862: Han- 
delspolitische Mission nach Japan vom Handels- undZo'l 
departement bestritten) Kr. 9*.l :{30 und Industrieausstel- 
lung in London Kr. 73178; li-OO. 18ti7 und 1S»>8 : Inter- 
nationale Ausstellung in Paris Kr. 101.710; 1873 und IKTi 
Industrieausstellung in Wien Kr. 482 191 . 187.V 1)s7»iun<i 
1877: Weltausstellung in Philadelphia Kr 232»»8i); l>*" 
und IH7H: WelUussUdliing in l*aris Kr. .171778. Beitr^e 
an die l.aml Wirtschaft linden sich in der eidgenössi- 
schen Staatsrechniing r<'gelmäsaig seit dem Jahre l* 4 'I 
in Korm von Subsidien au landwirtschaftliche Gesell- 
schaften, sei es für Hebung der Pferdezucht, für Herau»- 
gabe populärer oder wissenschaftlicher Werke, fnr ein - 
mische Untersuchungen n. dergl. Die jährlichen Ge«atnl- 
be trage schwanken /wischen Fr. OtlUO bis Fr. .'»i»»" 1 
Danei.en sind noch folgende Beiträge an Ausstellungen «1 
verzeichnen; I8»VS: Kr 2.">O0ll schweizerische Viehati-- 
stellung in l-angenthal ; schweizerische Inndwirtscliaf- 
liche Aus-tellungen : 1871 in Sitten Kr. 22 000 .Gesamt- 
betrag'. 1873 in Leinfelden Kr. 43 0m. 187.'. in Kn-ibm.' 
Fr. .7it>l0. 



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SCHW 



SCHW 



181 



Seit 1874 erscheint in der Staatsrechnung eine Handcls- 
ji»i«eilun^ als Bestandteil «Jes Eisenbahn- und llandels- 
«i'-parlenient» ; spater werden dort auch Aufgaben för das 
Fabrik- und Gewerbewesen und für die Landwirtschaft 
•.errechnet: 1878 wird da» Handels- und Land» irUchafts- 
<lepartement geschaffen, und IK79 begegnet man /um 
i r*lenmale einer selbständigen Hubrik mit dem Titel 
lamlwirtschafl ; 1888 endlich wird dasGewerbewesen vom 
Mandel abgetrennt und bildet seither eine eigene Abteilung 
^•■nannt Industrie. Das Anwachsen der Aufgaben fur 
Kandel. Industrie und Landwirtschaft seit 1879 wird 
dutvh nachstehende Zahlen veranschaulicht: 



Jahr 


Handel und Industrie 


Landwirtschaft 




Kr. 


Kr. 


IST!« 


74 326 


:.l 431 


18*» 


88 590 


fil Oll) 


InNI 


129 1«2 


I28 2X» 


l*d 


1 i3X» 972 


90 IX» 


1SKI 


■)4I9 918 


•281 887 


M\ 


216005 


l«7 407 


1885 


Sil 1.18 


27.'. 783 


LS?« 


SM 918 


344 974 


1*7 


483 «57 


: 1589 727 



1888 

1880 
1»«» 
1X91 
1X92 
I8II3 
1894 
1X95 
189« 
1897 
I«* 
181» 
I!««» 

l»rt 

19t r2 
1903 
1904 
1905 

Au* der, 
«teil sich 



Handel 
Kr. 
-0229 (00 

3) 386036 
172 o38 
19-2 -2!« 

02t>5 191 
' 1479 712 
'244 751 
251 519 
310889 
375 2-2;} 
1)774095 
> 1819-234 

4 xuy3«« 

4 ) 877 7<i3 
836 0»2 
«8» 78« 
«92 9Ki 

•i773«17 
>')l 398 7X9 



615 .285 
«72 190 
811 4.39 
063 843 
9X> 97(1 
1 1«5 Ii« 
Jl 705 920 
il «59! 626 
1 «87 957 

1 967 774 

2 4X4 301 
'2575 047 
2 7Xi 365 
2 869 333 

2 985 597 
i3 307 328 

3 1 73 X»S3 
3 376 033 
3 5I5 995 



Kr. 
119140 
477 468 
498 717 
MI 824 
«28 2IWi 
««8 ti'.IO 
f i1 (09 723 
'"1 II« 999 
*ft 25« 923 
990 821 
1 129 923 
I 20« 212 
I 271 332 
1 378 287 
1 465 9112 
I 574 729 
1 «16 841 
1 695 0.3« 
1 703757 

IbteihlDg Handel und Industrie entstanden und 
davon sukzessive ab folgende, gegenwärtig an- 
dern Departementen zugeteilte Abteilungen : 1888 das Amt 
für geistiges Kigentum und das Hureau für Auswande- 
!Gngswes«'ii. 1893 das Amt furGold-und Silberwaren. 1896 
da« liuivau (Vir Mass und Gewicht. Die haupsächlichstcn 
\u«gal>epusten waren 1905 bei derllandelsabteilung : Kom- 
merzielles Bildungswesen 'Kr. 514314): bei der Abteilung 
Industrie : Gewerbliche und industrielle Berufsbildung 
fr. 1180 607), sowie hausw irlschartliche und berufliche 
Bildung lies weiblichen Geschlechts (Kr. SOS 618); bei 
der Landwirtschaft: Landwirtschaftliche Versuchs- und 
\ isurstichungsanstalten |Kr. 308 990), Rindvieluucht 
>fr. 5(0980), Pferdezucht (Fr. 473338). Bodenverbesse- 
niDgen iFr. 5»Ot»1l0). Massnahmen gegen Schäden, welche 
<i .' landwirtschaftliche Produktion bedrohen | Kr. 754719). 

Post- und K isenbahndeparlemenl. Die Ausgaben 
d»-r mit der (*el>erwachiing der Kundesbahnen und der 
nl'igen Eisenbahnen, sowie der Slrassenbahnen und der 
Jtampf»chinV beauftragten Eisenbahnahteilung sind in den 

1 Kni»chlie»»hch de» Beitrags an die schwei«. Landt*»au»sk>l- 

lung in /Orich. 

i> ii » * * Weltau— dellung in l'nriv 

■ » nun n ii» Chicago. 
» mm»* n 1» Pari«. 

• der Beitrage an die Aufteilungen in LO I doli 

und Mailand. 

■ de» Beilrag« an die -oh wen. Lindo»au»«lel- 

hing in Genf 

■ • ■ » » n laiidwirticliatl 

liehe Ausstellung in Neuenbürg. 
derHeitraifefOrMa-niiabinen gegen die Kottor- 

mit. 

, ». ■ an die landwirt-chatlliche Au«- 

fttelltmg in Bern. 
» » >• u latid«ir(»rhal"tltebe Au»- 
Stellung in Krauenteld. 
de- Beitrag* an die Ati«»tolluug in Mailand. 



letzten zehn Jahren um rund Kr. 150000 gestiegen. An die- 
ser Vermehrung partizipiert die Kontrolle der Stark- 
stromleitungen mit Kr. 40000-45000. 

Die Steigerung der Betriebskosten der Post- und der 
Telegraiihenverwaltutig ist in der Hauptsache auf die 
durch die stetige Verkelirszunahme bedingte Personal- und 
Materialvermehning, dann aber auch auf Verkehrserleich- 
terungen und Verbesserungen zurückzuführen, ferner auf 
die ökonomische Besserstellung des Personals infolge des 
Besoldungsgesetzes' von 1897, dessen Wirkungen bei den 
nach Tausenden zählenden lieamten und Angestellten 
dieser Dienstzweige sich hier >:anz. besonders fühlbar 
machten. Ks folgt hier eine lieber* ich I der Ausgaben 
beider Verwaltungen in fünfjährigen Zwischenräumen 
seit 1875. 

Postver- Telegra- Poslver- Telegra- 

Jahr waltung. phenver- Jahr, waltung. phenver- 
waltung. waltung. 
Kr. Kr. Fr. Fr. 

1875 14452 7« 2 047 671 1895 2V 338 912 5 606 820 
1881) 13501574 1 81290« 1900 .El 4.30462 10150157 
1885 146965(15 2655810 19o5 100&3836 II 303 151 
1890 St 908657 3 266834 

Indem Bückgang der Betriebskosten derbeiden Verwal- 
tungen von I875auf 1880 kommt wohl die Sparlendenz tum 
Ausdruck, die nach den ungunstigen Kechnungsergeh- 
nissen der ersten Jahre nach der Annahme der neuen 
Bundesverfassung von 1874 Platz grill. Die gewaltige 
Ausgabenzunahme der Telcgraphenvei waltung von 1885 
bis 1900 ist namentlich auch dem Ausbau di s Telephon- 
netze«, zuzuschreiben. Von den Ausgaben im Jahre 1905 
fallen 

bei der Postver- bei der Telc- 
waltung graphen Ver- 

waltung 
Fr. Fr. % 

auf Besoldungen 25 015 075 62.45 4.50756,3 .'»,88 

auf übrige llettiebskosten 15038781 37.55 6 "SC» 588 60.19 
Im übrigen wird aur das bei den Kinnahmen Gesagte 
verwiesen. 

C. Das Staatsvermogen. a) Die Aktiven. Laut 
unserer Zusammenstellung betreffend die Ergebnisse der 
Generalrechnung belief sich das rohe Staatsvermögen des 
Bundes Ende des Jahres 1849 auf Fr. 13098073. Es setzte 
sich zusammen aus folgenden Posten : 

A. Liegenschaften: (Allmend bei Thun, Liegenschaften im 
bernischen Bezirk Seftigen und in Bappersw il. Festungs- 
werke bei Aarberg. Saint Maurice. Luziensteig. B_ellin- 
zona und Gondoi Fr. 374669 

B. Angelegte Kapitalien : 

1. Schuldbriefe des ehema- 

ligen Kriegsfonds . . . Fr. 4504551 

2. Freiburgische Bodenzins* 

und Zehnttitel . ...» 1O44070 

3. Schuldbriefe des Invali- 

denfonds _» 459806 r 6 008 427 

C. Guthaben und Vorschusse : 

1. SchuKIrestanzder Sonder- 

bundskantone .... Fr. 460661« 

2. Buckslande von Zinsen . « 40757 

3. Ausstände 9685« » 4 744259 

D. ln\entarbestände, einschliess- 

lich Kriegsmaterai ... » 1585918 

E. Barschaft in Kassa . . . 40 4 80» 

Zusammen wie oben Fr. 13098073 
Der sub B. 3 aufgeführte Invalidenfonds wurde Ende 

1853 vom Staatavermogen ausgeschieden und seither als 

Spezialfonds verwaltet. 

Von der sub C. 1 erwähnten Schuldrestanz. wurde laut 

Staatsreehnung von 1852 erlassen iZins nicht inbegriffen!: 

a. dem Kanton Luxem Fr. 1634065 

b. I Obwalden » 2« 548 

c. « i Nidwaiden 81880 

d. i - Zug • II 830 

e. ■ i Freiburg • 479353 

f. • - Schwyz • HOISS 

g. I nverteilte Nachlragsforderung . . 953189 

Total Fr. 3 2W80Ö 

Nach der oben erwähnten Zusammenstellung betrug 



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182 



SCHW 



SCIIVV 



■ 




I ! : \ 












— i 






















(ii-siimtcitmahmeH 

Z.ol!\'ft'Wtfft 

Ausgaben : 
ür.snmfa angeben 












































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50 



10 

5 



Einnahmen uaii Au«gabi-o der »chwoiierischen Eidgaoosieosrhaft von lS$0-iW3. 



das rohe Staatsvermogen des Hundes auf Ende 1905 
Fr. 412876643 und setzte «ich zusammen aus folgenden 
Einzelposten : 



A Liegenschaften ; 
I. Produktive . . 
II. Unproduktive 
B. Angelegte Kapitalien 

1. Wertschriften 

2. Bankdepositen 

3. Wechsel . . . 



Fr. 37062470 
„ 26375200 Fr. 83 437 670 



Fr. 23109-100 
. 4864*68 
. 4 IM 340 



4 34 m 617 



C. Verzinsliche Betriebskapi- 
talien : 
1. Pulververwaltung 

(Schwartpulver) . . .Fr. 
4. Pferderegieanstalt in 
Thun » 

3. Konstruktionswerkstätte 

inTliun : a. Werkstätte » 
b. Kraft- u. Lichtanlage » 

4. Kriegspulverfabrik in 

Worblaufen bei Bern » 

5. Munitionsfabriken : 

a, in Thun .... 

b. in Altdorf. . . . 

6. Waffenfabrik in Bern 

7. Münzverwaltung . . . 

8. Postverwaltung . . . 

9. Telegraphenverwaltung 

a. Inventar .... 

b. ßaukonto .... 
Ü. Unverzinsliche Bestände : 

Barvorrat im Gewölbe 

Uebrige unverzinsliche Be- 
stände 

K. Venichiedene Cuthaben . 
F. Inventarrechnung : 

Militärverwaltung . . . 

Uebrige Verwaltungen . . 

(i. Alkoholverwaltuug . . . 
II. ßundesbahnverwaltung . 
I. Eisenbahnfonds .... 
K. Staatskasse 



287 481 

837050 

.kff i 

82 irvl 

86463« 

1955021 
807 652 
II 5565 
140 643 

5000506 



A. I. IV"<U)lUi\( Liegenschaften. 

B. Alle an^elcj; t«-n Kapitalien 

C. Di«' vei /i!i>lichfh Betriebskapitalien 
Ferner .lie Posten V. Ii II. und 1 

K. Der Üarv.jriiit m ib-i Staal-kas-e 



- 



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» 

-r. 



•v-J l.^tU" 

3? «71 u.- 

5661 ir>» - 
\t 77ri 3fö 



« 11164458 
» 15830606 

Fr. 10704 500 
y 10352165 



Fr. 36 ."»08073 
r 053674» 



37ir71418 



21056665 
686 ttCi 

4.'! 134822 

i 39x860 

2773578 
81« 613 
0 77H 



Gesamtbetrag des Brutto- Vermögens Fr. 212876043 
Von den obigen Aktivposten sind als produktiv im 
gewohnlichen Sinne des Wortes zu betrachten : 



als unproduktiv: die unproduktiven 
Liegenschaften, die unverzinslichen 
Bestände sub 1>. und das unverzinsliche 

Inventar sub F. mit 9050688: 

Total wie oben Fr. 212 876 64,1 
Der Begrilf » produktiv » wird bald enger, bald weiter 
aufgefassl, je nachdem es sich um eine private oder öffent- 
liche Finanzwirtschaft handelt. Im staatlichen Leben sind 
nicht bloss Liegenschaften. Wertschriften. Verkehrsart- 
stalten und industrielle Betriebe als produktiv zu betrach- 
ten, sondern alles das, was zur Erfüllung der richtigen 
Staate wecke dient. Der Staat schafft nicht nur materielle 
sondern auch ideelle Werte. Der vornehmste Zweck, den 
die schweizerische Lidgenossenschaft verfolgt, derjenige, 
der in unserer Bundesverfassung an die eiMe Stelle ge- 
setzt ist. ist die Behauptung der Unabhängigkeit de- 
Vaterlandes nach aussen. Von diesem Gegicht-punkte au» 
gesehen, sind die Liegenschaften und Vorräte, welche tu 
Militarzwerken bestimmt sind, ebenfalls produktiv im 
weitern Sinne, obschon sie kein klingemies Geld ein- 
bringen, desgleichen diejenigen staatlichen Einrichtungen, 
wie z. B. l'nlerrichlsanstalten u. s. w.. welche zur For- 
derung der allgemeinen Bildung und Wohlfahrt dienen. 

Bei den produktiven Liegenschaften figurieren u. a. der 
Ertrag abwerfende Teil dei Waffenplätze mit Fr 2 220300. 
die verschiedenen Militärwerkstätten (Schwanpulverfa- 
briken und Pulvermagazine.Kriegspulverfabrik. Munitions- 
fabriken. Knnstruktionswerkstatte mit KraO- und Licht- 
anlage. Waffenfabrik) mit Fr. 2898870. die Zollgebäude 
mit Fr. 6165200. die Postgebäude mit Fr. 24 785Ö0O. Ih. 
Militärwerksfc.tlen. Zoll- und Poslgebäude bezahlen dem 
Fiskus einen Zins von 3'.y7 ( , ihrer Liegenschaftsschatmng 
Die unproduktiven Liegenschaften umfassen den nicht 
ertragsfähigen Teil der Waffenplätze, Festungswerke uml 
MilitaranstalUn. die Zeughäuser und Militärmagazine 
aller Art. sämtliche Verwaltungsgebäude u. s. w. 

Die verzinslichen Betriebskapitalien stellen die Inven- 
tar« der betreffenden Verwaltungen dar. welche au» all- 
;emeinen Mitteln beschallt wurden und ebenfalls im 



ri 



, u verzinst werden. 



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l nverzinsliche Bestände. In dem Barvorrat im Gewollte 
ist die eidgenössische Kriegsreserve von 10 Millionen 
Kranken in neuem Srhweizergold inbegriffen. 

Uie übrigen unverzinslichen Bestände bestehen der 
Hauptsache nach aus Vorräten aller Art lür die Armee 
r.etreide. Hafer, Fleischkonserven, Zwieback, Heu, Ar- 
meeverprovianticrung, Schuhwerk u. s. w. I. 

Hie Posten E., (>., H., I. betrelTen vorübergehende Vor- 
schüsse der Bundesverwaltung an verschiedene Verwal- 
tungen und Fonds. 

lue Inventarrechnung umfasst das unverzinsliche In- 
ventar. 

Ik-r Barvorrat der Staatskasse war letztes Jahr in An- 
betracht der damaligen unsicheren politischen Lage etwas 
hoch gehalten : er beträgt sonst in normalen Zeiten 3 Ins 
'< Millionen Franken. 

b Passiven. Auf Ende 184l> war der Bund mit folgen- 
den Schulden belastet : 

A. Eidg. Staatsanleihen von 1848. Bestanz Fr. 4335309 

lt. Hypothekar-schuld : Bestanz de« Kauf- 
preises der Thuner Allmend ....>■ 1094/i 

('.. Schwebende Schuld : Vorschüsse ver- 
schiedener Lianken, Guthaben der Kan- 
tone für das Pustmaterial u. s. w. . . » 1277 727 

t>. Depositum der Sonderbundskasse . . » 23933 

Fr. 746 440 

Auf Ende 1905 waren die Passiven des Bundes : 
\ Staatsanleihen von 1897 und 1903 ä 3% Fr. 94248000 
K. l'neingcloste Obligationen und Coupons » 239877 
C. An die Spezialfonds geschuldete Barsaldi i> 3021 "wl 
Ii. Verschiedenes * 5017 245 



Fr. 102520 673 

Von den auf Ende 1905 bestehenden Passiven sind nur 
die Staatsanleihen als eigentliche Staatsschulden zu be- 
trachten. Uie übrigen Posten sind sogenannte Verwal- 
tungsschulden und durchaus vorübergehender Natur. Die 
• Barsaldi • zu gunsten der Spezialfonds bestehen aus 
Zinsen und KapilalrückzahluDgen. welche die Staatskasse 
im Laufe des Rechnungsjahres zu gunsten dieser Fonds 
eingenommen hat und welche wieder angelegt werden 
«ollen, l'nler » Verschiedenes » figurieren u. a. der 
Krlos aus altem Kriegsmaterial mit Fr. I 886 240 und der 
Simplon-Subventionskonto mit Fr. 2604 (NN), welch letz- 
lerer in der Staatsrechnung für das Jahr 1900 verschwun- 
den ist. Gegenstand nachstehender Erörterungen wird 
also nur die erste Kategorie der Passiven sein. 

Ii. Die eidgenössischen Staatsschulden von 
1848 bis 1905. a) Die festen Staatsschulden. Die 
Regierung des durch die Bundesverfassung vom 12 Sep- 
tember 1848 geschaffenen Schweizerischen Bundesstaates 
balle nicht nur eine ganz neue Zentralverwaltung ins 
Leben zu rufen, sondern sie mussle auch das bisher von 
den Kantonen verwaltete Postwesen und Zollwesen ent- 
sprechend den veränderten Verhältnissen umgestalten 
und erweitern. Ausserdem war sie gezwungen, sowohl im 
Norden gegen Baden, das sich gegen den Grossherzog 
erhoben hatte, als auch im Süden, wo das damalige Konig- 
reich Sardinien gegen Oeslerreich kämpfte, die Landes- 
(trenze militärisch zu besetzen. Kerner hatte der Bundesrat 
(Vir die zahlreichen politischen Flüchtlinge aus fast allen 
Staaten Europas zu sorgen, deren Unterbringung ihm 
neben mancherlei Unannehmlichkeiten nicht unerhebli- 
che Kosten verursachte. 

Zur Durchführung dieser und sonstiger Aufgaben 
bedurfte es sofort nicht unerheblicher nüssiger Mittel, 
und es ist deshalb begreiflich, das der Bund noch im 
Jahre 1848 ein festes Anleihen aufnahm im Betrage von 
Fr 3300 000 alter Wahrung oder Fr. 4 817 010 neuer 
Währung, rückzahlbar in 10 Jahren und verzinslich zu 5%. 
Noch bevor diese Schuld getilgt war, musste die Eidgenos- 
1 wiederum den öffentlichen Kredit in Auspruch 
Es war damals, als wegen Neuenbürg ein Krieg 
auszubrechen drohte. Zur Bestreitung der 
Konen des Truppenaufgebots und der übrigen für die 
Vorbereitung tum unvermeidlich scheinenden Kriege 
Massnahmen wurden in den ersten Tagen 



des Jahres 1857 Verträge über zwei Anleihen abgeschlos- 
sen, das eine von 6 Millionen zu 5 «/„. das andere eben- 



falls von 6 Millionen zu 4 %. Nicht lange nach dem 
Vertragsabschlüsse trat die Aussicht auf eine friedliche 
Losung des Konflikts ein. und es liess dann der Bundesrat 
von dem 5% igen Anleihen sofort einen Betrag von1 Mil- 
lion Franken zurückkaufen. Der Best dieser letzleren 
Schuld konnte übrigens schon 1860 gänzlich zurückbezahlt 
werden, da die Kosten der Okkupation von Neuenburg und 
der Bewachung der Bheingrcnze zusammen nur etwa Fr. 
2780000 betrugen. Hervorgehoben zu werden verdient 
hier die wohl Wenigen noch bekannte Tatsache, das«, 
ohschon es sich um Buslungen gegen einen deutschen 
Staat handelte, die Gelder bei einer Bank in Stuttgart 
beschafft werden konnten ! 

Im Hinblick auf die kriegerischen Ereignisse des Jah- 
res 1866, wo die hesser bewaffneten Preussen den Sieg 
über die Oeslerreicher davon gelragen halt« 1 n, beschlossen 
die Btindesbehorden, gezogene Hinlerladergeschutzc ein- 
zuführen und die vorhandenen Vorderladergewehre teils 
umzuändern (Milbank-Amsler- und Prelat-Burnand-Ge- 
wehre) teils durch neue Hinterlader (Winchester-, spater 
Vetterli-Gewehrej zu ersetzen. Die hierzu nötigen Mittel 
wurden beschafft durch ein Anleihen von 12 Mill. Fr. zu 
4 1 j ".„. das in den Jahren 1867 und 1868 eingezahlt 
wurde. DieTilgung des Anleihens sollte in jährlichen, stets 
zunehmenden Baten vom Jahre 1876 bis 1892 stattfinden, 
wobei jedoch dem Bund das Recht vorbehalten wurde, 
stärkere Bückzahlungen alsdie im Amorlisationsplan vor- 
gesehenen gegen vorausgegangene Anzeige zu leisten. 

Zur Deckung der sich auf nahezu 10 MdL Fr. belaufen- 
den Kosten der Grenzbewachung in den Jahren 1870 und 
1871, zu deren Bestreitung Kassenscheine im Betrage von 
über 7 Mill. Fr. hatten ausgegeben werden müssen, wel- 
che ihrer Einlösung harrten, zur Wiedererstellung eines 
genügenden Betriebsfonds und der verfassungsmässigen 
Kriegsreserve, sowie zur Beendigung der Neubewaffuung 
der Infanterie wurde im Februar 1871 eine neue Schuld 
von 156fX»0O0Fr. kontrahiert. Dieselbe war zu 4'/, 
verzinslich und sollte von 1877 bis 1886 zurückbezahlt 
werden. 

Zum Zwecke der Deckung von Defiziten und allfälliger 
ausserordentlicher Ausgaben wurde dann der Bundesrat 
am 23 Juni 1877 ermächtigt, sich die nötigen Summen 
bis zum Bei rage von 6 Mill. Fr. durch Ausgabe von ver- 
zinslichen Kassenscheinen oder durch Geldäufnahtnen zu 
beschaffen. Infolgedessen wurden 4 Mill. Fr. gegen Obli- 
gationen auf 3 Jahr zu 4 0 n und 2 Mill. Fr. gegen 
Kassenscheine auf I Jahr zu 4% aufgenommen. In den 
nachstehenden Tabellen ist die letztere Anleihe ihrem 
Charakter entsprechend unter die schwebenden Schulden 
eingereiht worden. 

Es konnte im Jahre 1880 ohne Schwierigkeit die Kon- 
version der bisherigen 47*°/uigen Anleihen in ein einheit- 
liches Anleihen von 4 erfolgen. Für die Buckzahlung 
der Ende 1879 bestehenden Staatsschuld zu 4'/«% waren 
rund 29'ij Mill. nötig; hierzu kamen noch 5' t Mill. 
für Erfüllung verschiedener Verpflichtungen (Gotthard- 
bahnsubvention) und für Bauten, so dass das neue 4% 
ige Anleihen 35 Millionen betrug. 1887 konnte dann zur 
Konversion in 3 V s °/ 0 geschritten werden. 

Die 3 V 4 % igen Anleihen von 1889 und 1892 von 25 und 
5 Mill. ermöglichten die Neubewaffnung der Infanterie 
mit dem Gewehr Modell 1889 und die Beschaffung von 
Vorräten aller Art für die Armee. 

1894 wurde die Emission von Obligationen im Betrage 
von 20 Mill. zu 3 % notwendig zur Vermehrung der 
Betriebsmittel des Bundes, die infolge verschiedener 
Ursachen (Errichtung einer Kriegsbarreserve, Vermehrung 
der unverzinslichen Bestände und der verzinslichen 
Betriebskapitalien) in den vorhergehenden Jahren stark 
zurückgegangen waren. 

Drei Jahre spater. I897. schritt man zur Konversion des 
3 0 p igen Anleihens von 1887 in ein solches von 3 °/ 0 . 
Diese Operation gelang indessen nur teilweise, weil das 
französische Bankhaus, welches das umzuwandelnde 
Anleihen seinerzeit emittiert hatte, sich mit der ihm 
zugestandenen Vergütung nichl begnügen wollte und 
sich deshalb passiv verhielt. Von den Fr. 24 248 INN» wur- 
den nur Fr. 10091 000 zur Konversion angemeldet, 
wahrend Fr. 13 557 000 zurückgezahlt werden mussten. 
Die diesen letzleren Betrag repräsentierenden 3 % igen 



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Obligationen konnten aber später zum grosseren Teile 
zu vorteilharten Kursen hegeben werden. 

Messern Erfolg hatte «lie Konversion und Ver- 

einheitlichung der 3 % igen Anleihen von 
1889. 1892 und 1894 im Jahre 1903. welche mit 
der Aufnahme eines Anleihens für die Ausrüs- 
tung der Feldartillerie mit Schnellfeuerge- 
schutzen verbunden wurde. Das neue 3 ";„ ige 
Anleihen umfasste 70 Mill. Kr. Zur Buekzah- 
lung der 3 V .. " „ Obligationen bedurfte es einer 
Summe von Kr. 424690(0: die NeuhewalTnung 
der Artillerie erforderte rund "21 Mill. Kr.; Kr. 
4 00)1000 wurden für unvorhergesehene und 
nicht budgetierte Ausgaben in Aussicht genom- 
men und der ReBt zur Deckung des Kursver- 
lustes, der Slempelkoaten und der Titelanfer- 
tigung verwendet. 

her Hund schuldet also gegenwärtig folgende 
zwei Anleihen : dasjenige von 1897 im Betrage 
von Kr. 240(0000 und dasjenige von 1903 im 
Betrage von Kr. 70000 000. beide verzinslich 
zu 3 °; n . 

l)ie Rückzahlungshedingungen sind folgende : 
Anleihen von 1897 : Rückzahlung in der Periode 
von 1906 bis 1910 mit Vorbehalt beliebiger Ver- 
stärkung der Amortisation oder gänzlicher Auf- 
kündigung innerhalb dieser Zeitdauer. — An- 
leihen von HMl3 : die Rückzahlung hat stattzu- 
finden von 19I3 bis 1952 mittels jährlicher Aus- 
zahlungen nach Plan ; die Eidgenossenschaft 
ist jedoch befugt, von 4 IM 3 an die Auslosungen 
heliebig zu verstärken oder das ganze Anleihen 
zu künden. Hei diesem letztern Anleihen lau- 
ten die Titel auf Schweizerwährung, d. h. die 
Verzinsung sowohl als die Rückzahlung des Ka- 
pitals hat in Schweizerwährung zu erfolgen, 
wumit den volkswirtschaftlichen Bedenken ge- 
gen ein Zahlungsversprechen in anderer Wäh- 
rung Rechnung getragen ist. 

Die Obligationen des Anleihens von 1897 sind 
in Abschnitten von je 1000 Kranken, diejenigen 
des Anleihens von 19tÖ in solchen von je Kr. 
fiOÜ ausgegeben und mit halbjährlich zahlbaren 
Coupons versehen. Die Zinsen des Anleihens 
von 1897sindam 30. Juni und 31. Dezember, die- 
jenigen de* Anleihens von 1903 am 15. April und 
1.1. Oktober fällig. 

Der Bund ist also mit seinen Anleihen in die 
Kategorie derjenigen Staaten vorgerückt, die 
ihre Anleihen zu 3"/,, in der Nähe des Pari- 
kurses emittieren. Seine Titel können somit 
als erstklassige bezeichnet werden, und sie be- 
haupten an den ausländischen Börsen einen 
guten Bang neben denjenigen der finanziell 
hestsituierten Staaten Europas, was nachste- 
hender Kursstand ans den ersten Tagen des 
Juli 1906 beweist. Ks notierten damals: 
3 % Eidg. Anleihen von 1897 : 98 <\, in Paris. 



hi Die schwebenden Staatsschulden. Die Staa- 
ten kommen öfters in den Kall, vorübergehend tiekler 



Stani» i mi Bkwkm ng nr.it i--i-_sien Staat**«:»»! i.hkn otn sr.Hwn/. 

El IMi EN«) SCHAFT VON I8i8-|!0i1. 



3 % 



* 1903: !*5.80 1 



3 ° n Französische Rente: 96.80 °l„ in Paris. 
3 ",„ PreussischeKonsols81.25" 0 i. Krankfurt. 
3% Deutsehe Reichsanleihe : 88.10 % in 
Krankfurt. 

Renlenschulden haben nur die Bundesbah- 
nen. Der Haushalt dieser letztern ist von dem- 
jenigen der Bundesverwaltung vollständig ge- 
trennt : ihre Einnahmen fallen nicht in die 
Bundeskasse. für ihre Ausgaben haben sie 
»elhst aufzukommen, und die Beinerträgnisse 
werden zur Amortisation der Eisenhahnschul- 
den verwendet, die bis längstens 1960 durch- 
geführt sein soll. Die Anleihen der Bundes- 
bahnen sind deshalb nicht als Staatsschulden 
der Kidgenossenschaft im eigentlichen Sinne 
des Wortes zu betrachten. ohsehon diese subsidiarisch 
dafür haftet. Sie werden infolgedessen hier nicht berück- 
sichtigt. 

Hier folgt eine zahlemnässige Darstellung des Be- 
standes und der Be wegu n g der fe sten Staatsschul- 
den des Bundes von 1818 bis 190,1. 







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18.12 


1813 


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1855 


1926804 





481 701 


1 44.1 103 


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1 445 103 




481701 


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18.17 


18.18 


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18.19 


10 450000 


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250000 


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258912010 


161661010 j 







aufnehmen zu müssen. Derartige Anleihen, welche ge- 
wohnlich gegen Kassenscheine emittiert werden, nennt 
man bekanntlich schwebende Schulden zum l'nterschicd 
von festen« •eidaufnahmen. Auch die Eidgenossenschaft sah 
sieh mehrmals genötigt, von diesem Mittel Gebrauch zu 
machen. Aufschlusshieruber gibt dienachfolgendeTabelle. 



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SCI1W 



SCHW 



185 



Schon wahrend des ersten regelmässigen Bechnungs- 
J( hres <l*i'.»t kontrahierte der neue Hund schwebende 
schulden durch : 

1 Ausgab«' von eid^. Gutscheinen .... Fr. 3<>4925 

2 Erhebung eines Vorschusses bei der Bank 

in Basel ,....» HOT t KW 

3. Erhebung eines Vorschusses bei der Bank 

iii St. (lallen XI 770 

4. ('übernähme de* Postmalcri&lsder Kantone » 7851877 

Zusammen (in neuer Währung) Kr. I iiHiTnTo 
lüese Summen konnten bis nun Jahre I8.Y2 samtlich 
'imu'k bezahlt werden. In Ausführung des Bundesgesetzes 
nm 23. Dezember 1851 nahm der Bundesrat im folgen- 
•Inn Jahre behufs Bestreitung der ersten Erslellungskostcn 
'i«?r elektrischen Telegraphen ein unverzinsliches Anleihen 
auf von rund Kr. 400 000, das in jährlichen Baten bis tum 
Jahre 1858 getilgt wurde. 

Zur Durchführung der Münzreform halte ferner die 
•< hweizerische Mun/kommission 1851 im Auftrage des 
liuttdesratesein temporares Anleihen von insgesamt ."> Mill. 
Kr. gemacht, wn/u noch die Ausgabe von Mütuscheinen 
lam, Biese Schuld wurde bis zum Abschluss der Münzre- 
fonn zurückhezahlt : sie figuriert nicht in der nachfol- 
? enden Tabelle, weil sie nicht in die StaaUrechnung des 



Bis /um Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 
von 187o kam die Bundesverwaltung nicht mehr in die 
Notwendigkeit, auf dem ausserordentlichen Wege Geld- 
mittel beschälten zu müssen. Zur Zeit der Kriegserklä- 
rung hesass die Eidgenossenschaft an eigenen verfügbaren 
Mitteln bloss etwa V< t Mill. Fr., mit Inbegriff einer im 
Kassengewolbe hrllmllu hen halben Million Kranken zum 
Teil abgeschlilTener Nickelmunzen. Man versuchte, sieh 
das notige Bargeld durch Emission von einjährigen, zu 
V j o l0 verzinslichen Kassascheinen mit Vorausbezahlung 
des Zinses und Entrichtung einer Provision von '^"„auf 
Einzahlungen von Kr. lOOOOÜund darüber zu verschärfen. 
Es wiin Ich aber nur fur elwa 2 Mill. Kr. gezeichnet 
Ausserdem wurde Nationalrai Keer-Herzog aus dem Aar- 
gau, der sich zufällig in einer andern Mission in Baris 
oefand. beauftragt, dort oder anderswo über ein grosseres 
Anleihen zu unterhandeln. Die Bank von Frankreich wäre 
Willens gewesen, 4-6 Mill. zum laufenden Zins und gegen 
Entrichtung einer massigen Kommission vorzuschiessen. 
Bas Geschäft aber zerschlug sich, weil noch andere Be- 
dingungen für dessen Abschluss aufgestellt wurden und 
namentlich auch wegen des Vorbehaltes der Genehmigung 
durch die Minister der Finanzen und des Auswärtigen, 
auf den der Bundesrat aus politischen Gründen nicht ein- 



STANtl IM) Bl:W£Gt M» IltCR S«:ilWElllCNI>KN StaATSSi:||1 IUEN |»KR SC.IIWEIZIimSCHKN KltH.fcNOSSENSaiAFT 

von 1818 iiis n»iü. 



— 

mehruog. 



Jjar ! Stand am Anfang d«a J»hre». 



ISW 



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K.l 



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1 

KV. 
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i>:m 



Auleihen v..n 



Eidg. Gutscheine . . 
Vorschuss der Bank 

in Ba*cl .... 
Vorsjcliiia* der Bank 

in St. G:illen . . . 
Guthabon der Kantone 

für Postmaterial 

Guthaben der Kantone 
Tür Postmalcrial 
» 

Guthabender Kantone 
für Postmaterial 

L'nverz. Telegraphen- 
anleihen ... 



Kassenscheine 



Kassa^cheine zu 4% . 
» 

Alkoholanleihen . . 
« -Kassascheine 

.. » 



Kr. 



ihihs 

3OT038 
81770 
78» 8771 

780877' 
7«) 877 

' I0t»48l 



:wo205 

.TM 15:1 

400205 

320 164 
240 1-23 
148 142 
74 Uil 



6 700000 

«1 21») 

2 0000)10 
2 lOOOU» 



-2->(iiH »n» 

5-2IMMNNI 



I 



I 



380 205 



200U» 



0000 



2000000 

Ioooini 



•2 -2« mi Ml 
5700 000 



ügjssm:. 



Verminderung. 



Kr. | 
364!r2.V|i 

:tU7 u'W> j 

84770') 

7K0877M 



Bück Zahlung 



Rückzahlung 



Abzahlung . 
Kuckzahlung 



- 



Kr. 
351 787 



13 I3S 
HOT 038 
84 770 I 



77818» 
101118 



80041 
80011 
itl!WI I 

ki li»l 
74011 | 
«46<»»i 1 

6038 soo 
hl 200 



2I00INN» 



2 7oi)i «in 
5 201 HM) 

P.»3S88|5"| 



Sund am Knd« de- Jahres 



Kidg. Gutscheine . . 
Vorschuss der Bank 

in Basel .... 
Vorschuss der Bank 

in St. Gallen . . . 
Guthaben der Kantone 

für Postmaterial 



Guthabender Kantone 
fur Postmaterial 



l'nverz. Telegraphen- 
anleihen .... 



Kassascheine . . 

>■ 

<- 

Kassa scheine zu 4% 
» 

>• 

Alkoholanleihen. 



Pr. 
13138 

hotuw 

84770 
78t» 877 



I 281 823 



781» 877 



789877 
10 »48 

.380205 



31*1 153 
400 205 

320 161 
240 123 
148 142 
70041 

.0 700000 
612011 

21«» »Odo 
2loou»o 



22OOO0O 
5200 000 



l'uitdes aufgenommen wurde; der Vollständigkeit halber 
»IM ihrer dennoch hier gedacht. 
' N*ue Wahrung. 



treten konnte. Ein hierauf von Keer-Herzog in England 
unterhandelte« provisorisches Anleihen von einigen Mil- 
lionen Kranken hätte ebenfalls nur unter erschwerenden 



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SCI1W 

Klauseln und zu etwa 36 0 tO abgeschlossen werden können. 
Andere Vorschüsse, Hei es aus Frankreich, sei es aus den 
Niederlanden, wären nur auf »5-1-2 Monate liefen Einräu- 
mung von Vorrechten hei einem definitiven Anleihen und 
ebenfalls nur zu einem «ehr hohen Zinsfuss (bis 20";«,) er- 
hältlich gewesen. 

Bei der Unmöglichkeit der HerbeischalTiing fremden 
Geldes zu annehmbaren Bedingungen, bei den stets wach- 
senden und immer dringender werdenden Bedurfnissen 
der Staatskasse und da die Banken ihre Depots nur nach 
Massgnbe der vorangegangenen Kündigung zurückzahlten, 
enlsehloss sich der Bundesrat unterm Iti. August 1 H7< >. den 
Zinsfuss der Kassenscheine von 4 , /. i ,, ; 0 auf«" „ zu erhöhen, 
was zur Folge hatte, dass binnen weniger Tage eine 
Summe von Kr. «7000.0 zur Stelle war. Vorher halten 
noch Fr. 646« WO gegen Ausstellung « "/„iger Kigenwechsel 
auf .'1 und ti Monate aufgebracht werden können. Ein- 
schliesslich Zins. Provision, Bruck- und Insertionskostcn 
kam diese* Geld auf ti' ,° ;„ zu stehen. Nach einer vom 
damaligen Finanzsekretar dem Schreiber dieser Zeilen ge- 
machten mundlichcn Mitteilung sollen namentlich Genfer 
Bank kreise die Bundesregierung in dieser kritischen Zeit 
wirksam unterstützt halten. 

Seither wurden noch unter zwei Malen Vorschüsse 
gegen Kassenscheine erhoben, das erste Mal 1877 wahrend 
der magern Jahre nach dem Inkrafttreten der Bundesver- 
fassung von 1874 und dann später 1887 und 1888 bei der 
Einführung des Alkoholmonopols. 

Der Bund hat also gegenwartig keine schwebenden 
Schulden. 

e) Verzinsung, Amortisation und Verwen- 
dung der Anleihen. Die Ausgaben für die Verzinsung 
tler Staatsschuld sind im Laufe der Jahre nicht unerheb- 
lich gestiegen ; immerhin ist die Zunahme der daherigen 
Belastung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des 
Bundes nicht eine so grosse, wie man es auf den ersten 
Anblick der Staatsreehnungsergebnisse versucht sein 
könnte zu glauben. Ks gehl dies aus folgender Zusammen- 
stellung hervor. 

Ausgab« fDr Vit- Auf Kr. HJO der 
iiiikuiik der SUats- Oe«aiut;.U»gali«»n 
schuld ein- de» Hunde* lallen 
Gesamtausgaben »cblio«*lit-ti Pro- fOr Veninnunjr 
Jahr de* Bunde« Vision und Simsen der Slsalsachuld 

Kr. Kr Kr 

1850 9 875 .UV 227 807 2.30 

1800 21913 766 345 288 1.12 

1870 30 HOT» 4-4« «25940 2 . <r2 

1880 :«6 888 708 1 325 013' \ 3. 6!» 

1890 631 «9 «09 1929 373 3. 05 

1900 102 757 837 2 320 «72 2.2« 

1905 I I« 71« 180 2 837 835 2.43 

Der prozentuale Anteil der Ausgaben für Verzinsung 
der Staatsschuld an den Gesamtausgaben ist somit gegen- 
wärtig nicht \iel grosser als bei der Gmndung der neuen 
Eidgenossenschaft und sogar etwas geringer ah in den 
Jahren I8K0 und 1890. Zu diesem günstigen Resultat hat 
auch der Umstand beigetragen, dass der Staat unter Be- 
nutzung der veränderten l-age des Geldmarktes sich bil- 
ligeres Geld verschaffen konnte als früher. 

Nachstehende Vergleichung bringt die Erfolge, welche 
der Bund im Laufe der Jahre mit Bezug auf die Deduktion 
des Zinsfusses erzielt hat. zum Ausdruck : 

Anleihen von Zinsfuss 

1848 .W n 

1857 5 und 4 , / 1 <> 0 

1867 4V' l( 

1871 und 1877 .... 4' 

18811 4"„ 

1887 3'V\. 

1889. 1892 und 1894 . . 3-,% 

185(7 3% 

19(13 3 fl „ 

Ks ist dies der nominelle Zinsfuss ; der tatsachliche, d. h. 
derjenige, der sich unter Berücksichtigung des Kmis- 
sionskurses und der Anleihenskosten herausstellt, war 
;ewohnlich etwas hoher. Immerhin betrug der Zins der 
nleihen von 1892 und 189V in Wirklichkeit etwas weniger 
als 3 1 da für beide dem Bund ein et welches Aufgeld 
') O.iue den Seiiio«tiT»iiis de. in .liesrin Jährt k..n vertierten 
Anteil 



SCHW 

bezahlt wurde. Der effektive Zinsfuss des letzten Anleihen* 
kommt auf zirka 3,13% zu stehen. 

Die Lehrer der Finanzwissensehaft haben den Satz 
aufgestellt: * Mit der zunehmenden Kultur sinkt d«r 
Zinsfuss.* Ks wäre vielleicht richtiger, zu sagen, das» «Dt 
Zinsfuss mit der ökonomischen Entwicklung eines Land.-* 
und mit der auf dem allgemeinen Geldmarkt zunehmen- 
den Geldabundanz. die durchaus nicht immer die Merk- 
male einer wirklich steigenden Kultur sind, zurückgeht. 
Damit ein Staat billiges Geld bekomme, müssen aber no<-h 
andere Bedingungen vorhanden sein, wie geordnete poli- 
tische Zustande, eine sorgfältige, stets auf die Erfüllung 
ihrer Verpachtungen und auf die Erhaltung des i.leich- 
gewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben bedachte 
Finanzverwaltung. Beschränkung der Anleihen auf das 
Notwendigste und namentlich auch möglichste Tilgung 
der letztem. 

Die Bundesregierung hat der Amortisation der eidg. 
Staatsschulden stets eine grosse Aufmerksamkeit geschenkt 
Ks ist fast kein Jahr verstrichen, ohne dass nicht eine 
Amortisation in irgend einer Form erfolgt wäre. In den 
Jahren, wo nach Massgabe der Anleiherishedingungen 
keine direkte Bückzahlung geleistet werden könnt»-, 
wurden sogenannte Amortisationsfonds errichtet und ^f- 
speist. aus denen dann später Entnahmen zur Tilgnri,: 
der Schulden staltfanden. Ein derartiger Fonds bestand 
von 1873 bis 1881. dann wieder von 188« bis 1889. Als 18V7 
infolge der Konversion des 87er Anleihens die Rück- 
zahlungen auf dasselbe sistiert werden mussten. begann 
man jährlich je eine Million in einen neuen Amortisation*- 
fonds einzuschiessen. 1903, anlässlich der Konversion der 
Anleihen von 1889, 185*2 und 1894 und der Aufnahme der 
Gelder für die NeubewalTnung der Feldartillerie, wurde 
noch der « Anleihens - Amortisationsfonds für Fehlar- 
tillerie-Material 19u3» gegründet mit jährlichen Isola- 
tionen von anderthalb Millionen Franken. Beide Fonds zu- 
sammen betrugen auf Knde 1905 12 Mill. Fr., und zwar 
sind sie nicht etwa durch eine blosse Skriptur unter den 
Passiven dargestellt, rundem sie sind tatsächlich vom 
übrigen Staatsverniogen gelrennt und in Wertschriften 
vorhanden. 

Die Summe aller seit 1848 aufgenomme- 
nen festen Anleihen beträgt .... Fr. 258 912 OK» 
Davon wurden zu verschiedenen Malen 

konvertiert » t27 554 (WO 

Die talsächlichen Geldaufnahmen beliefen 

sich somit auf Fr. 131 358 01" 

Heute lieträgt die Schuld des Bundes noch » 94 24* «WO 

Es hat also der Bund bis 1905 tatsächlich 
an festen Schulden zurückbezahlt die 
Summe von Fr. 37 1 10 OKI 

Hierzu kommen noch getilgte schwe- 
bende Schulden für » 19 388 815 

Gesamtbetrag der zurückbezahlten Schul- 
den . . Fr. 56 498 82.-, 

Bezüglich der Verwendung ist folgendes zu bemerken. 

Zu militärischen Zwecken sind verwendet worden: 

Von den Anleihen von 1857, für die Grenz- 
besetzung Fr. 2 "SO Oft» 

Das Anleihen von 18R7 (NeubewalTnung I » 12 0Ü00ÜU 

Von dem Anleihen von 1871. für die Grenz- 

besetzung * 9 554 000 

und fürVollendung der NeubewalTnung. ca. « 2 500000 

Das Anleihen von 1889 | NeubewalTnung 

der Infanterie! * 25 000 000 

Das Anleihen von 1892 i Kriegsbereitschaft \ ° 5 000 00Ü 

Vom Anleihen 1903 iNeubewaffnung der 

Feldartillerie) » 21 000 00» 

Zusammen Fr. 77 834 000 
Der Best diente teils zu produktiven Anlagen { Beschaf- 
fung von Betriebsmitteln u. s. w.). teils zur Deckung ver- 
schiedener ausserordentlicher Ausgaben (Subvention an 
den Gotthard u. s. w.). Die Geldaufnahmen zu Zwecken 
der Landesverteidigung sind allerdings nicht unbeträcht- 
lich. Doch was bedeutet die obige Summe gegenüber der 
Milliarde, welche nach der Schätzung der Geschicht- 
schreiber der Verlust der Unabhängigkeit in den Jahren 
1798 und 1799 unser Und kostete! 



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SCIIW 



187 



Die Berechnung des Betreffnisses der eidgenössischen 
Staatsschuld pro Kopf der Bevölkerung jeweils am Ende 
einer zehnjährigen Periode, sowie auf hnde 1905. ergibt 
Zahlen : 



; 

| Jahr 


f\l 1 III — 19*1 11 U III 

der Kidjfeii«*«en- 
ichaft nach Absup 

der jeweilen W- 
»tebcudcu Am<>rli- 
sationsfoml*. 


Bevölkerung 
der Schwei* 


Kel.i«lutiir 
|in> Kopf. 




Fr. 




Kr. 


1850 


4 <»43 485 


2 390 1 16 


1. 9V 


1860 


4 250 UUO 


2 . r »IO 494 


i. m 


1870 


20 400 OUO 


2 655 001 


7. 70 


INNO 


34 754 001) 


2 831 787 


12. 27 


1«*) 


54 150000 


2*038 009') 


18. 43 


1900 


64 437 000 


3 299 939 


19. 52 


, 1905 


«■2 -248 000 


3 463 609') 


23. 74 



Von 1850 auf 1860 war die Staatsschuld zuriickgegjingen ; 
«•ither aher hat sie. namentlich von 1860 Iiis 1870. von 
^0-1880. von «8801890und von 1900-1905 ziemlich gleich- 
missig zugenommen. Man könnte also versucht werden, 
zu glauben, es halle sich die Finanzlage der Eidgenossen- 
schaft im Laufe der Zeil erheblich verschlimmert. Dies 
ist aber durchaus nicht der Fall, wie aus der früher ge- 
botenen Zusammenstellung über das reine Staatsver- 
mögen der Eidgenossenschaft hervorgeht. 

Nach Abzug sämtlicher Passiven, also auch der Slaats- 
ichulden, beträgt das eidgenossische Staatsvermögen laut 
jener Tabelle auf Ende 1905 110 Mill. Fr. oder etwa 
Fr. 32 pro Kopf der Bevölkerung, nachdem es im Jahre 
1873 seinen tiefsten Stand, d.h. nahezu 4 Millionen Fran- 
ken unter Null erreicht hatte. 

Einen Schatten auf das sonst nicht ungünstige Bild der 
eidg. Staatsschuld wirft die Tatsache, das» dieselbe zu 
etwa zwei Ürittel bis drei Viertel im Ausland (namentlich 
in Frankreich) untergebracht ist. Unser Land besitzt 
nicht wie z. B. Frankreich eine grosse Zahl kleiner Kapi- 
talisten, die sich mit einer bescheidenen Staatsrente be- 
gnügen, sondern unsere Leute ziehen es vor, ihre Er- 
sparnisse auf die Sparkasse zu tragen oder sonst irgendwo 
to einem höhern Zinsfuss anzulegen. Man hat überdies 
die Nachteile der Verschuldung ans Ausland vielfach 
übertrieben. Zudem besitzt auch die Schweiz fremde 
Siaauoapiere, hatte doch der Bund allein auf Ende 1905 für 
rund 36 Mill. Fr. ausländische Werlschriften in seinem 
allgemeinen Portefeuille und in seinen Spezialfonds. 

Die Staatsschulden des Bundes sind bekanntlich nicht 
die einzigen der Schweiz. Neben der Eidgenossenschaft 
haben auch die Kantone den öffentlichen Kredit in An- 
spruch genommen, und ausserdem bestehen die Bundes- 
bahn-Anleihen. Die Ciesamtverschuldung der Schweiz 
stellt sich somit folgendermassen dar : 
Staatsschulden des Bundes lohne Amortisa- 
tionsfonds), rund 94 Mill. 

Bandesbahn-Anleihen (feste und schwebende) 1128 » 
Staatsschulden der Kantone, etwa .... 426 » 

Zusammen rund 1648 Mill. 
oder nicht ganz Fr. 500 pro Kopf der Bevölkerung. 

Es wäre jedoch nicht richtig, diese Summe als Mass- 
stab zur Vergleichung mit den Staatsschulden anderer 
Länder zu gebrauchen. Bezüglich der Eisenbahnschulden 
i»l zu wiederholen, das» es sich bei denselben nicht um 
eigentliche Staatsschulden handelt, indem sie das Budget 
der Eidgenossenschaft in keiner Weise belasten und ihr 
ganzer Gegenwert in abträglichen Anlagen vorhanden ist. 

Was die Schulden der Kantone anbetrifft, so sind ein 
grosser Teil derselben ebenfalls zu produktiven Zwecken 
verwendet worden. Ferner erfüllen die Kantone vermöge 
ihre eigenartigen Stellung in unserm Bundesstaat und bei 
ihrer relativ geringen territorialen Ausdehnung vielfach 
Aufgaben, die anderswo kleinern Selbstverwaltungs- 
liörpern wie Provinzen. Departementen, Grafschaften etc. 
lufallen, deren Schulden gewöhnlich nicht zu denjenigen 
ihres Staates gerechnet werden. 

Die Schulden der verschiedenen Staaten könnnen übri- 

'/ berechnet. 



gens nicht ohne weiteres nur nach der Grösse der Be- 
träge verglichen werden, da zu ihrer richtigen Würdigung 
noch andere Faktoren, wie z. B. das vorhandene Staats- 
vermögen, ilie Steuerkraft u. s. w. in Betracht gezogen 
werden müssen. Immerhin ist die Verschuldung der 
Schweiz keine unbeträchtliche, und ein kluges Mass- 
halten bei der Aufnahme neuer Anleihen scheint sowohl 
für den Bund als für die Kantone angezeigt zu sein. 

E. Eidgenössische Spezialfonds. Neben dem 
eigentlichen Staalsvermögen besitzt der Bund noch eine 
Beihe von Spezialfonds, die zwar sein Eigentum sind, 
aber besondern Zwecken zu dienen haben und deshalb 
nicht mit seinen ubrigen Aktiven vermengt sondern in der 
Staalsrechnung am Sehliisse getrennt aufgeführt werden. 

Deren Vermögen belief sich auf Ende 1905 . 

1. Invalidenfonds Fr. 11629518 

2. Grenus-Invalidenfond* , 8894282 

3. Eide. Winkelriedstiftung » I 765 475 

4. Deckungsfonds der Mililärversicherug. » 1050747 

5. Sicherheitsfonds der Militärversiche- 
rung >• 106955 

6. Eidg. Schulfonds 1399 403 

7. Chälelainronds » 241362 

8. Schoch scher Schuirbnds •> 142357 

9. Culmannfonds » 20 820 

10. Fr. Brunner'sches Legat » 94 162 

11. Wildstiftting 14 084 

12. Wolfstifiung «• 68800 

13. Edlibachfonds * 2603 

14. Allgemeiner Schulzbautenfonds . . . •> 65 185 

15. Gottfried Keller-Stirtung - 2 776 719 

16. Schweizerischer Kunstfonds .... 86892 

17. Berset-Müller-Stiftung » 932 283 

18. Legat Binet-Fendt 12 437 

19. Spezialfonds für Versicherungszwecke » 12542 243 

20. Münzreserveronds » 11576023 

21. Anleihens-Amortisationsronds(ordentl.) » 9000000 

22. Anleihens-Amortisalionsronds für Feld- 
artillerie « 3000000 

23. Unfallversieherungsfönds der Zollver- 
waltung •> 30936 

24. Unfallversieherungsfönds der Poslver- 

waltung ■» 97 250 

Gesamtbetrag Fr. 05549 536 
Die fünf ersten dieser Fonds sind zu Militärzwecken 
bestimmt. Diejenigen sub Ziller 6 bis und mit 12 sind zu 
gunsten der eid«. polytechnischen Schule (jedoch mit 
besonder n Zweckbestimmungen) gestiftet worden. Die 
Gottfried Keller-Stiftung bezweckt die Unterstützung der 
schweizerischen Künste ; in Kriegszeiten können die 
verfügbaren Mittel auch für die Pflege der verwundeten 
und kranken Wehrniännor verwendet werden. Die Ber- 
set-Müller-Slirtung gestaltete die Errichtung und den 
Unterhalt eines Asvls für alle Lehrer und Lehrerinnen, 
Erzieher und Erzieherinnen, sowie für Witwen von 
Lehrern und Erziehern. Der Spezialfonds für Versiche- 
rungswecke wird seine Bestimmung bei der Errichtung 
einer allgemeinen Volksversicherung linden. Der Miinz- 
reservelonds wird geäuffnet aus den Beinerträgnissen der 
Münzverwaltung und ist zur Erhallung der schweizeri- 
schen Münzen in zirkulutionsfähigem Zustande bestimmt. 
Die Zweckbestimmung der beiden Anleihensamortisa- 
tionsfonds bedarf keiner nähern Erläuterung. 

Daneben verwaltet der Bund noch einige sogenannte 
Depots, die in der StaaUrechnung nach den Spezialfonds 
figurieren. Es sind dies auf Ende 1905: 

1. Schutzbautenrunds Fr. 16 513 

2. Unterstiitzungsfonds für die Beamten des 

internationalen Postbureaus . . . . » 64 502 
3 Idem für die Beamten des internationa- 
len Telegraphenbureaus ...,.» 62 229 

4. Idem für die Beamten des internationa- 

len Gewerbehureaiis « 59 25*2 

5. Viehseuchenfonds - 2 015 918 

6. Legat Allemandi « 41 350 

7. Iferzogstiftung • 22 6S6 

8. Denkmal des Weltpostvereins . . . . 90 733 

9. Depot für die Einlösung alter Banknoten » 288 97 3 

Gesamtbetrag . Fr. 2^71226 



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18« 



SCIIW 



SCIIW 



Einige dieser Depots haben nur temporären Charakter 
wie Nummer I, H und il. Der Vichscuchenfonds gehört 
seiner Natur nach unter die eidgenössischen Spezial- 
fonds und ist in der Slaatsrechnung pro HMi dorthin 
versetzt worden. Was von dem Depot Tür die Einlösung 
aller Banknoten nach Al>lauf der Einzieht n^sl'i ist noch 
uhrip bleibt, wird dem Invalidenlonds zufallen. 

I'. />(»• Konlrollii'runf/ </<■»■ liuiiilfsfiiiauzrn . Hier ist vor 
allem /u unterscheiden a; die a<l m i n i s t ra t ra l i v e und 
Ii) die parlamentarische Kontrolle. 

h) D i e a d m i n i » trat i v e Kon t ru I le wird ausgeübt 
durch: I. die Kontrollorgane ein/einer Verwaltungen; 
1. das Konlrollhureau des eiilg. Finanzdcpartements ; 
Ii. das eidg. Finanzdcparlement ; l. den Hundesrat. 

1. In einigen grössern Abteilungen bestehen spezielle 
Kontrollhureaux, welche mit der ersten Revision des Hech 
ntingsvvrsens «ier betreuenden Verwaltung beauftragt sind. 
Ks sind «lies: beim Mililardepartement das Bcchnungsbu- 
reau des eidg. Oberkeiegskommissariats und die Hevisoren 
der administrativen unii technischen Abteilung der Kriegs- 
materialverwaltung ; bei der Zollverwaltung : die II. Abtei- 
lung genannt Inspcktorat und die Revisoren bei den 
Gebielsdirektionen ; bei der Postvcrwaltung die Ober- 
postkontrolle und die Kontrolleure bei den Gebielsdirek- 
tionen ; bei der Telegraphenverwaltung das Kontrollbu- 
icau. 

2. DasKontrolhiureau des eidg. Finanzdepartemenls oder 
die eidgenössische Finanzkontrolle. Der Gcsehäftskreis 
dieser Abteilung ist von uns bereits umschrieben wor- 
den. Die Funktionen der Finanzkontrolle werden bestimmt 
durch die über das ftechnungs- und Kaasavvesen des Hun- 
de« bestehenden Vorschriften, namentlich durch das Regle- 
ment über die Organisation der Finanzverwallung vom 
19. Februar 1877 und das Regulativ vom -2t. Februar RnjH. 
Mit Re/ug auf das Rechnungswesen ist die l'eberwachung 
eine doppelte, da sie eine vorgangige (persönliche! Kon- 
trollierung der Rudgetkredite und die Prüfung der Rech- 
nungen umfasst. Die vorgangige Kontrollierung der Rud- 
getkredite < Visakontrolle i soll verhüten, das* Ausgaben - 
kredite, sowohl in den Hauptrubriken als in den Fntcr- 
rubriken, überschritten werden, oder das» L'ebertragun- 
gen von einem Kredit auf einen andern tViremenls) 
stattfinden. Deshalb leistet die Hundeskasse ihre Zahlun- 
gen nur gegen Anweisungen, welche die Visierung der 
Finanzkontrolle passiert haben. Letztere darf in kei- 
nem Falle Zahlungsanweisungen visieren, welche eine 
Kreditüberschreitung, eine Kreditübertragung oder auch 
eine nicht budgetgemas^e Ausgabe zur Folge haben. 
Alle Zalduiigsweisongen müssen sich entweder auf 
einen Hodgelkredit oder auf einen von der Bnndesver- 
sammlung bewilligten Nachtragskredit oder endlich in 
dringenden Fallen auf einen speziellen, zur betreffenden 
Ausgabe ermächtigenden Vorschusskredit des Hundesrates 
stutzen, wofür aber jeweilen in der nächsten Session die 
Genehmigung der Rundesversammlung einzuholen ist. 

Die Prüfung der Rechnungen erstreckt sich auf sämt- 
liche Rechnungen und Relege der Bundesverwaltung und 
aller dieser zur Aufsicht unterstellten Administrationen. 
Die endgillige Genehmigung dieser Rechnungen durch den 
Hundesrat tritt erst ein. wenn sie diese Prüfung anstands- 
los passiert haben oder wenn die dabei aufgestellten 
Hevisionsbemcrkungen und Anfragen erledigt sind. Die 
Prüfung ist eine materielle und arithmetische. Die Finanz- 
kontrolle empfangt die Rechnungen von den reehnungs- 
legendeu Amtsstellen direkt und prüft sie namentlich 
daiiin. ob in den Hinnahmen und Ausgaben Abweichungen 
vom Budget, von Gesetzen. Hundesbeschlussen, bundes- 
rällichen Vorschriften oder Grundsätzen einer guten 
Finanzverwaltung und ob arithmetische oder formelle 
Fehler vorgekommen sind. In allen diesen Beziehungen 
ist die Finanzkontrolle verpflichtet, den HerlinungsU'gern 
gegenüber Bemerkungen zu machen oder von ihnen Auf- 
klärung zu verlangen. Die rechnungslegenden Stellen 
haben alle gewünschten Auskünfte ohne Verzug zu ertei- 
len. Die Finanzkontrolle verfasst die Revisionsbcinerkun- 
gen nach freiem Ermessen. Wenn Anstände zwischen 
Verwaltungen und der Finanzkontrolle nicht gehoben 
werden können, tritt das Finanzdepai tement als weitere 
Kontrollinstanz ein. 

Unschön die Zoll-, Post- und Telegrapheneinnahmen, 



insoweit es sich um die Anwendung der Tarife. Taxen 
etc. handelt, nicht der regelmässigen Prüfung durch «he 
Finanzkontrolle unterliegen, ist letztere befugt, die-r 
Rechnungen ausnahmsweise zur Oberrevision einzuver- 
langen 

Die Finanzkontrolle hat natürlich darüber zu wachen, 
dass den anerkannten Rev isionsbemerkungen oder den 
durch höhere Instanzen getroffenen Entscheiden in allen 
Teilen nachgelebt wird. Im Falle der t'nlerlassung ist 
die Angelegenheit dem Finanzdepartement vorzulegen. 

Die Finanzkontrolle ist ferner mit der Kontroll lerung 
der Verzinsung und Tilgung der eidgenössischen Staats- 
anleihen beauftragt. Es betrifft die» die Buchführung, 
die Anordung und l'eberwachung der Auslosungen, du 
Prüfung der eingelösten Obligationen und Zinscoupons, 
die Einschreibung und l'ebcrtragung von Titeln auf 
Namen und die Wiederumwandlung in Inhabertitel, die 
Ausfertigung von Namenszertilikaten. 

Die Kontrollierung des Kassenwesens besteht darin, 
dass bei samtlichen Haupikassen jährlich mindestens 
einmal eine unvermutete Kassen- und Bücherrevision 
vorgenommen wird. Bei Entdeckung von l'nregelmäs- 
sigkeiten sind sofort diejenigen Massnahmen zu ergrei- 
fen, welche zur Sicherung der Interessen des Bundes 
notwendig erscheinen, unter gleichzeitiger Anzeige an 
die Finanzkontrolle zu banden des Finanzdepartements 

Aus der schon gegebenen Aufzählung der Aktiven de» 
Bundesvermogens geht hervor, welche Ausdehnung die 
Vorräte aller Art der verschiedenen eidg. Verwaltungen 
erlangt haben. Es war deshalb notwendig, der F inanz- 
kontrolle auch die Oberrevision der bezüglichen Inventar- 
hestände an Ort und Stelle, sowie die l'eberwachung 
der richtigen Fuhrung der Inventarbücher zu übertra- 
gen. 

■i. Die der Finanzkontrolle vorgesetzte Behörde ist das 
Finanzdepartement. Dasselbe entscheidet über Revi- 
sionsanslande zwischen der Finanzkontrolle und einzelnen 
Abteilungen, die nicht gehohen werden können. Es 
erteilt der Finanzkontrolle Weisungen ul>er die Kontrol- 
lierung der verschiedenen Abteilungen der Finamver- 
waltung : Bundeskasse. Wechselverkehr, Wertschriften- 
verwallung. BankDotenkonlrolle. Es erlässt Verfügungen 
über das Konlroll -, Kassen- und Rechnungswesen im 
Rahmen der bestehenden gesetzlichen und reglementa- 
rischen Vorschriften und hat die! dem Hundesrate vor 
zulegenden Anträge belretlend Neuerungen und Abän- 
derungen im Rechnungswesen vorzubereiten, wozu die 
Finanzkontrolle behufs Begutachtung heigeiogen wird. 

4. Die letzte und höchste administrative Kontrollinstanz 
ist der Hundesrat. Wie dies schon in den vorhergehenden 
Abschnitten mitgeteilt wurde, unterbreitet er der Bun- 
desversammlung samtliche Vorlagen betreffend Budget 
und Slaalsrechnung. Er erlässt im Rahmen der ihm 
durch Verfassung und (.leset/ verliehenen Befugnisse die 
Beglemente und Verordnungen über das Kassen-, Rech- 
nung«- und Koo troll wesen. Er entscheidet hei Revision«- 
anstanden zwischen dem Finanzdepartement und den 
übrigen Departementen. 

h| Dieiiarlamentarische Kontrolle liegt gemäss 
Art. 85. Ziffer 10 »1er Bundesverfassung in den Händen 
der Bundesversammhiiij.' und wird ausgeübt durch I. die 
eidgenössische Finan/dclegation, 2. die eidgenössischen 
Finanzkommissionen und Ii. die eidgenossischen Bäte. 

1. 2. Das eidgenössische Budget und die eidgenossische 
Staatsrecnnung hatten hei der stets wachsenden Ausdeh- 
nung des Bundeshaushaltes allmählich einen solchen Ein- 
fang angenommen, dass die Prüfung dieser Vorlagen sei- 
tens der hierzu ernannten Kommissionen der Bundesver- 
sammlung - die Budgetkommission wurde jeweilen ein 
Jahr später ziirSUatsrechnungskommission - nicht mehr 
eine so eingehende sein konnte, w ie es im Interesse der 
Sache wünschenswert gewesen wäre. Es hatten deshalb 
schon hei der Prüfung der Slaatsrechnung und des 
Geschäftsberichtes von 1875 die Rate ein Postulat ange- 
nommen, wonach der Bundesrat eingeladen wurde, die 
Frage zu untersuchen, ob die Aufstellung eines eidge- 
nössischen Rechnungshofes zu beschliessen und im 
bejahenden Falle, welche Befugnisse und Verrichtungen 
demselben zu übertragen seien. Von der Schaffung eine> 
solchen Organs wurde jedoch (Bundesbeschluss vom 21. 



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SCI1W 

Kebruar 1878 1 Umgang genommen, weil man eine Kmn- 
püzierung des Staatshaushalts und eine Verminderung 

■Je« Yerantwortlirhkt'itügefYihl* der Beamten befürchtete. 

Zu Anfang tler Mter Jahre des Ii». Jahr- 
hunderts' wurde der Gedanke, es sei eine 
»on der Verwaltung unabhängige Kon- 
trollstelle zu errichten, wieder aufge- 
griffen, und die dariiber jeweils bei der 
vufatellung des Budgets und der Hech- 
nungsabnahme gepllogeneu Verhand- 
ungen führten schliesslich am 28. Juni 

isiO/ur Aufstellung eines zweiten Postu- 
lat.», wobei immerhin der etwas ominöse 
fitel « Kechnungshof » durch «Rech« 
nungskammer » erset/.t wurde. Mit Ke- 
ucht vom 10. Dezember P.KX) beantragte 
der Bundesrat, es sei auch dieser Anre- 
kUOg keine Folg« zu gehen, indem er 



SCI1W 



18!» 



Die Kl RSKAniOEK SCHWEIZERISCH KS 

Ml Sf.ES. 

Goldmünze. 

Z«r.itizlgfranko»s(ack. 
Vorderseite. Hlickseilo. 




dige Finanzküinmissionen mit weitgehenden Befugnissen 
betrellend die Prüfung und L'eberwachung des Finanz- 
baushalti ^ setzte. 

Voranschläge. Nachtragskredilbegeh- 
ren und Staatsrechnungen einer Amts- 
periode i3 Jahr«') werden seither den 
gleichen Kommissionen ( Kinanzkommis- 
tionen) MIT Prüfung und Herichterstal- 
lung ingewiesen. Jeder Hat wählt seine 
Kinan/kommission seiher, immerhin 
darf ihr kein Mitglied langer als 6 Jahre 
ununterbrochen angehören. Im Laufe 
der Amtsperiode austretende Mitglieder 
sind sobald als möglich wieder zu er- 
setzen. 

I)ie Finanzkommissionen heider Male 
Wahlenaus ihrer Mitte für die betreffende 
Amtsperiode eine Delegation, in welche 



Silberne Fimffrtmkeattücke. 



Alter Typus «sog. sitieude Helvelia). 
Vorderseite,. I{uck*eile. 



Vorderseite. 



Neuer Typus. 



Hrn-kseiie. 



v v>U 





ZvoifraDkeostAck. 
Vorderseite. Rückseite. 





Silbertcheidem Unten . 

KinfrankeusKlck. 
Vorderseite. Ruckieite. 



llalbtraokenstnck. 
Vorderteils. Ruckseite. 





Z wamitfrappeustuck. 
Vorderseite. Rückseite. 




Xiekelm ün:en. 

Zehnrappenslnck. 
Vorderseite. Rdckseilo. 



KQairap|>eosirjck. 
Vorderseite. Rückseite. 





Kupfermünzen. 



Zweirappenstuck. 
Vorderseite. Rück-eile. 



auaführte, das» die Er- 
richtung einer wichen 
Kammer eine Hevision 
der Hundesverfassung 
nach sich ziehen müsste. 
und dass sie sehr viel 
ko-ten würde, ohne 
mehr Garantien zu Me- 
ies fur eine «ewissen- 
hafle und beforderliche 
l'nifung. Die Hiindesversammlung stimmte dem Hundes- 
rate zu. verbesserte jedoch die parlamentarische Kontrolle, 
indem sie im Dundesgesetz Ober den Geschäftsverkehr 
»wischen den eidgenössischen Malen und dem Kundesrat 
• om 9. Oktober P.**2 an Stelle der bisher jedes Jahr wech- 
■«■Indeln Kudget- und Staatsrechnungskommissionen slan- 




Kinrappeosiciek 
Vorderseite. Hfick«eite. 



jede Kommission .'! Mit- 
glieder abordnet und 
welche sich selbst kon- 
stituiert. Dieser Delega- 
tion liegt die nähere 
Prüfung und l'eberwa- 
chung des gesamten Fi- 
nanzhaushaltes ob. Sie 
versammelt sich minde- 
stens einmal vierteljähr- 
lich, im übrigen nach Medürfnis. Sie hat das unbe- 
dingte Und jederzeitige Hecht der Einsichtnahme in das 
Rechnungswesen der verschiedenen Departemente und 
Verwaltungs/weige. Insbesondere ist ihr seitens der Fi- 
nanzkontrolle jeder mögliche Aufschlug» zu erleilen, und 
es sind ihr zu diesem Hehufealle Protokolle und Zensuren. 




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IVO 



scnw 



SCI1W 



alle Korrespondenzen und alle Bundesratshesehlüsse, 
welche «ich auf die I Überwachung der Budgetkredite und 
ilcn Finanzhaiishalt im allgemeinen beziehen, zur Dispo- 
sition zu stellen. Ebenso tat ihr für besondere Prüfungen 
und Untersuchungen da» notige Personal zur Verfügung 
zu »teilen ; ausserdem kann sie zur Abklärung von Verhält- 
nissen, deren Iteurteilung besondere Fachkenntnis er- 
fordert. das Gutachten von Sachverständigen einholen. 
Die Kommissionen des Nationalstes und de» Ständerates 
für Prüfung von Budget und Rechnung der Alknholver- 
waltung bestellen in gleicher Weise eine Delegation für 
Prüfung von Budget und Rechnung der Alkoholverwaltung. 

3. Als oberste parlamentarische Kontrollbehörde funk- 
tioniert die Bundesversammlung. Sie stellt endgiltig den 
Voranschlag auf; sie allein ist befugt. Nachtragskredite zu 
bewilligen; sie nimmt die vom Bundesrat vorgelegte 
Siaalsrcchnung ab und erteilt ihm Indemnität für all- 
lällige Kredilüberschrcilungen. Sie erlässt, sei es auf An- 
trag de» Bundesrate*, sei es aus eigener Initiative die 
«'•eselze und Buodesbesrhlüssc betreffend das gesamte 
Finanzwesen. 

17. Das Miinzuvxrn iler Schweiz. Wie schon am An- 
fang dieser Arbeit ausgeführt wurde, ging im Jahre 1798 
das Munzrecht der Kantone an die helvetische Bepublik 
über. AI« Münzfuss winde zuerst der bernische be- 
stimmt ; später wurde durch Gesetz vorn 17. Marz 1799 der 
.Schweizerfranken iV :r Pariser Mark . 124.54 Gran feines 
Silber) als Münzeinheit bezeichnet. Als Sorten waren 
vorgesehen 4.2 und 1 Franken ; der Franken teilte sich in 
10 Balzen, der Batzen in 10 Kappen. Die Ausmünzung des 
Goldes sollte zu 21**:';^ Karat fein geschehen. Die Mün- 
zen der helvetischen Republik wurden in Bern. Basel und 
Solothurn geprägt. Die steta in finanziellen Noten sich 
befindende helvetische Regierung war aber ausser stände, 
die alten Münzen einzuziehen, sodass diese neben den 
neuen weiter zirkulierten. Unter der Medislionsverfassung 
wurden die Münzprägungen wiederum den Kantonen 
überlassen. Immerhin beschloss die Tagsal/ung am 11. 
August 1803, dass alle Kanlone der schweizerischen Eid- 
genossenschaft den nämlichen Münzfuss anzuwenden 
hätten. Als Münzeinheit wurde der Schweizerfranken 
zu 127 V, Gran Silber angenommen ; ein Schweizerfran- 
ken sollte also ebensoviel feine» Silber enthalten als 1 t / i 
französische Franken. Die Münzen von einem Franken 
aufwärts sollten auf dereinen Seile das Wappen der schwei- 
zerischen Eidgenossenschaft, auf der andern das Wappen 
tles die Prägung ausführenden Kantons enthalten. Die 
Tagsatzung hatte sich vorbehalten, den Betrag der auszu- 
prägenden Scheidemünzen jeweilen zu bestimmen : aber 
Lei der Ohnmacht der Bundesbehorde kehrten sich ver- 
schiedene Kantone nicht an diese Bestimmung und über- 
schwemmten das Land mit den am meisten Gewinn brin- 
genden, viel Kupfer und nur wenig Silber enthaltenden 
Scheidemünzen. 

Im Rundesvertrag von 1815 wurde jede Beschränkung 
des Münzrechts der Kantone aufgehoben. Da der Silber- 
gehall der groben Sorten während der Mediationsperiode 
zu hoch angesetzt worden war, hatten die Kantone wenig 
oder keine geprägt, so das» ein Mangel an grossem Mün- 
zen entstand, der zur Folge halle, dass viel fremdes Geld 
ins Land kam. Die Verwirrung im Geldwesen war eine 
ungeheure und für den Handel und Verkehr ausseror- 
dentlich hemmend. Man kann sich hiervon einen unge- 
fähren Begril) machen, wenn man bedenkt, dass nach Gerold 
Meyer von Knonau. dem Staatsarchivar von Zürich, etwa 
707 verschiedene schweizerische Münzsorten bestanden. 
Mehrmals versuchten die Kantone, diesem unhaltbaren 
Zustande ein Ende zu machen. Unterm 11. Juli 1819 
schlössen 19 unter ihnen ein Konkordat ab. nach wel- 

chem der Schweizerfranken 125 Gran feines Silber 

enthalten, oder 1 1 , französischen Livres tournols gleich- 
kommen sollte. Fünf Jahre später, am 9. Juli 1824, Kamen 
16 Kantone überein, die Prägung von Scheidemünzen 
20 Jahre lang zu sistieren. Ein Jahr nachher, am 17. April 
1825. entstand zwischen Aargau. Basel. Bern. Freiburg, 
Solothurn und Waadt ein neues Konkordat über einen 
gemeinschaftlichen Münzfuss. Im Jahre 1828 fasste die 
Tagsatzung den Beschluss. die noch im Umlauf befindli- 
chen helvetischen Scheidemünzen einzulösen und ein- 



zuschmelzen. Der nicht zur Verwirklichung gelangte 
Entwurf einer Bundesverfassung vom Jahre 1832 hatte 
die Uebertragung des Münzregals an den Bund vorge- 
sehen. 1838 war von Genf das französische Münzsystem 
eingeführt worden. Am 5. Februar 1839 tagte in Zürich 
eine Münzkonferenz, an welcher sich U Kantone I Bern. 
Luzern, Freiburg. Solothurn. Basel. Waadt. Wallis. 
Aargau. Genf, Neuenburg und Tessin) zu gunslen des 
soeben genannten Systems aussprachen. Aber auch hier 
blieb es beim blossen Wunsche, und erst der neuen Bun- 
desverfassung von 1818 war c* beschieden, durch die 
i L'ebergabe oder vielmehr Rückgabe des Münzregals an 
den Bund dem Mün/elend ein Ende zu machen. 

Es war eine der ersten und wichtigsten Aufgaben der 
neuen Bundesbehörden, die Munzreform durchzuführen 
Durch Bnndesgeselz vom 7. März 1850 wurde gemäss dem 
Antrage des Bundesrates und des von ihm berufenen Ex- 
perten, des ({ankdirektors J. J. Speiser aus Basel, der 
französische Munzfuss als Grundlage für das schweizeri- 
, sehe Munzsystem angenommen. Eine grossere Minder- 
heit in den eidgenossischen Räten, die sieh aus Vertretern 
der Ostschweiz zusammensetzte, halle die'Annahme eines 
auf die kölnische Mark basierenden Schweizerfrankens 
empfohlen, während einige Vertreter sich sogar darauf 
beschränken wollten, alle einheimischen und fremden 
Munzel) zuzulassen und zu tarilieren. 

Gleichzeitig wurde ein weiteres Gesetz erlassen, worin 
der Bundesrat mit der Ausführung der Munzreform be- 
auftragt wurde. Dieses Gesetz Ivestimmte ferner, dass der 
Verlust auf den einzuschmelzenden Kantonalmünzen den- 
jenigen Kantonen zur Last falle, welche sie geprägt hatten 
hinwiederum sollte der Gewinn aus den im Gesetz fest- 
gesetzten erstmaligen neuen Prägungen unter die sämt- 
lichen Kantone nach Massslab der eidg. Geldskala vom 
Jahre 1*38 \erteill werden. Die Bundeskasse hatte die 
nötigen Vorschüsse zu leisten, und es wurde der Bundes- 
rat zur Kontrahierung eines Anleihens bis auf vier Mill. 
Franken neue Währung ermächtigt. Eine vom Bundes- 
rate ernannte schweizerische Münzkommiaaion machte 
sich sofort an die Arbeit und konnte im März 1853 ihren 
Schlussbericht erstatten. Das linanzielle Ergebnis ge- 
staltete sich folgendermassen : 
Einschmelzungsverlust auf den alten Mün- 
zen | Unterschied zwischen deren Nenn- 

und Metallwert) Fr. 2 259 91». 59 

Hiervon war abzuziehen der Gewinn auf 
den neuen Münzen » 1021461.3 7 

Blieb Verlust Fr. 637904.22 

Hierzu kamen noch : 

für allgemeine Unkosten und Geldzinsen Fr. 496 274. U 
für eingelöste helvetische, abgeschliffene 

und verrufene Münzen » 5316. 13 

Gesamtverlust Fr. 1 139494.49 
Das Opfer, mit welchem sich die Schweiz die Einheit 
im Münzwesen erkaufte, war in Anbetracht der grossen 

i direkten und indirekten Vorteile dieser Reform ein ge- 
ringes, wie denn überhaupt die ganze Operation des Ruck- 

i zuges der alten und die Inzirkulationssetzung der neuen 
Münzen entgegen gewissen Befürchtungen ohne nennens- 
werte Störungen vor sich ging. 

Mit dem Münzgesetz vom 7. Mai 1850 hatte die Schweiz 
die reine Silberwährung eingeführt. Diese konnte jedoch 
nicht lange aufrecht erhalten werden, da in den darauf- 
folgenden Jahren die Entdeckung der reichhaltigen Gold- 
lager in Kalifornien und Australien eine vollständige Um- 
wälzung der Geldverhaltnisse verursachte. Das Gold 
strömte in grosser Menge zusammen und verlor an 
Wert, wahrend gleichzeitig die Zunahme des Handels mit 
dem Orient das Silber dorthin zog. Das weisse Metall er- 

' langte eine Prämie und wurde entweder auageführt oder 

| zu gewerblichen Zwecken eingeschmolzen. 

Angesichts dieser Tatsachen ergriff der Bund zweierlei 
Massnahmen. Durch Bundesgesetz vom 31. Januar 1869 
wurden die im Verhältnis von 1 Teil Feingold zu 15* ;i 
Teilen Feinsilber geprägten franzosischen Goldmünzen, 
für so lange als sie in Frankreich zu ihrem Nennwert ge- 
setzlichen Kurs haben, ebenfalls zu ihrem Nennwert als 
gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. Diese Bestimmung 
wurde dann auch auf die von andern Staaten in vollkom- 



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SC MW 



SCIIW 



191 



Münzen. 



tocner l'ebereinstimmung mit den entsprechenden fran- 
£'«i*ehen Sorten ausgeprägten Goldmünzen ausgedehnt. 
Auf der andern Seile wurde der Feingehalt der Silber- 
vheidemünzen von 900 Tausendstel fein auf 800 Tausend- 
stel fein herabgesetzt. In Italien, wo I8ti1 der l'ehergang 
lur nationalen Kinlieit unter der Führung Sardiniens, 
welche« das französische Münzsystem besass, auch die 
Einheit im Munzwesen zur Folge gehabt hatte, beeilte man 
«ich. durch Gesetz vom 24. August 18*>2 das Beispiel der 
Schweiz nachzuahmen, indem der Feingehalt der Silber- 
niüDzen auf "^Viou bestimmt wurde. Frankreich erklärte 
1*1 die nur einen Feingehalt von ! * } '(,» l n aufweisenden 
«chwt-izerisehen Silberscheidemünzen als nicht mehr kur>- 
fohig. setzte aber gleichzeitig seine 50 und 20 Centimes- 
Stucke ebenfalls auf K35 herab. Belgien, das schon durch 
i.e>etz vom ■">. Juni 1832 den Silberfranken Münzein- 
heit eingeführt halte, ersuchte hierauf Frankreich, bei 
denjenigen Staaten, welche im Prinzip den französischen 
Münzfus* hesassen. Schritte zu tun. um die gestorte Münz- 
einheit wieder herzustellen. Dies führte zur sogenannten 
lateinischen Münzunion, dem Münzvertrage vom "23. De- 
zember ISUT». unterzeichnet in Parin von der Schweiz, Del- 
lien, Frankreich und Italien. Dem für eine Dauer von 
i'i Jahren abgeschlossenen Vertrag trat auch Griechenland 
unterm 20. Septemher/8. Oktober 1868 bei. In der l'eber- 
einkunft wurde das Gewicht, der Gehalt, die Form und 
der Kurs der Gold- und Silbermünzen der Vertragsstaaten, 
sowie die Verpflichtung deren allseitigen Annahme an den 
öffentlichen Kassen festgesetzt. Die Prägung silberner 
I uuffrankenstücke blieb freigegeben, dagegen diejenige 
der Silberacheidemiinzen unter Berücksichtigung der De- 
xölkerung der verschiedenen Staaten limi- 
tiert. Durch ihren Heitritt zum lateinischen 
Münzbund war die Schweiz zur sogenannten 
Kippe Iwährung übergegangen. 

Die gegen »las Knde der 60er Jahre des vori- 
gen Jahrhunderts eingetretene Steigerung in 
der Produktion de« weissen MeUlls hatte eine 
Wertverschiebung zu dessen Ungunsten zur 
Folge. Von dem Jahre 1873 an begann der 
Wert des Silbers zu sinken. Dies bewog 
die Münzunionsstaaten, durch nachtragliche 
IVbcreinkunfl vom 31 . Januar 1874. Deklara- 
tion vom .">. Februar I H7"> und Deklaration 
betr. die Fabrikation vom 3. Februar 1876 die 
Silberprägtingen einzuschränken. Am 5. No- 
vember 1878 erfolgte eine Bevision des 
Hanptvertrages. dessen Dauer damals auf 6 
Jahre, d. h. bis zum 1. Januar 1886 festge- 
setzt wurde. Zweck dieses neuen Vertrags 
war die Frhaltung des Gold Vorrats der latei- 
nischen Münzunion, zu welchem Behufe die 
Ausprägung von Silbertalern gänzlich unter- 
\ wurde. 

einer Kündigung de« Vertrag« 
seitens der Schweiz kam nach einer Kon- 
ferenz am 6. November 1885 der neue und 
awärtig noch in Kraft bestehende 
trag zu stände, zuerst nur zwischen 
der Schweiz, Frankreich, Griechenland und 
Italien. Belgien, das anfänglich wegen der 
Liaaidationaklausel nicht mehr mitmachen 
wollte, erklärte dann später wiederum sei- 
oet, Beitritt. 

Dieser Vertrag bestätigtedie in nebenstehen- 
der Tabelle zusammengestellten Vorschriften 
betreffend Feingehalt. Gewicht und Durch- 
messer der Gold- und Silbermünzen, wie sie 
schon 1865 und 1878 vereinbart worden waren. 

Im Vertrag von 1885 gingen die Kontra- 
henten neuerdings die Verpflichtung ein, die 
nach Vorschrift geprägten Goldmünzen und 
silbernen Fünffrankenstücke, soweit nicht 
«leren Gepräge verschwunden und ihr Gewicht 
durch Abnutzung um '/*% bei Goldmünzen 
und um 1 °/ 0 bei den Silberkurantmünzen 
unter die vereinbarten Fehlergrenzen herab- 
gesunken war, bei ihren öffentlichen Kassen unbeanstan- 
det anzunehmen. Ausserdem sind die Bank von Frank- 
reich und die belgische Nationalbank während der 



Dauer de« Vertrags gehalten, die silbernen Fünfl'rankeit- 
stüeke der andern l : nioii&staaten anzunehmen wie die 
silbernen Fiinflrankenstucke ihres eigenen Landes. Was 
die Sillierscheideimin/eii anbelriltt. so müssen sie von 
den Begierungen, welche sie in Zirkulation gesetzt, ein- 
geschmolzen werden, sobald sie unter 5 °/ 0 der Fehler- 
grenze herabgesunken sind. Diese Münzen haben für die 
Privaten desjenigen Staates, der sie ausgegeben hat. bis 
zum Betrag von Fr. 50 auf jeder Zahlung gesetzlichen 
Kurs, und der Staat, der sie in Umlauf gesetzt hat. ist 
gehalten, sie von seinen Laudeeangehörigen ohne Be- 
schrankung des Betrages anzunehmen. Ferner müssen die 
öffentlichen Kassen eines Vertragsstaates die Silber- 
scheidemtinzen der andern Staaten bis /um Betrag von 
Fr. 100 auf jeder Zahlung an Zahlungsstatt annehmen. 
Endlich sind die l'nionsstaaten verpflichtet . ihre eigenen 
Siliierscheideiiiünzen von Privaten oder öffentlichen 
Kassen der andern Staaten anzunehmen und gegen einen 
gleichen Betrag in Kurantmünzen auszuwechseln ; diese 
Verpflichtung bleibt noch ein Jahr iiber den Ablauf des 
Vertrages hinaus in Kraft. Die Ausprägung von Gold- 
münzen, mit Ausnahme derjenigen von goldenen Fünf- 
frankenstücken, welche vorläufig eingestellt bleibt, ist 
jedem Staate freigegeben. Die Prägung der silbernen 
Fünflrankenslüeke bleibt auch fernerhin eingestellt ; sie 
kann nur im Einverständnis aller l'iiiotisstaaten wieder 
aufgenommen werden. Das Kontingent an Silberscheide- 
münzen einesjeden Staates wurde auf Fr. 6 pro Kopf der 
Bevölkerung (fürdie Schweiz auf Fr. 19000000) festge- 
setzt ; ausserdem wurde der Schweiz noch ein Betrag von 
6Mill. Fr. zugestanden. Den silbernen Füntlrankenstücken 



GolJlMfNZfcS. 



Feingehalt. 



Richtiger 
Feingehalt. 



Fr. 



100, 

Gold 20 
/10\ 



l 



Gewicht. 



Fehlergrenze 
de» Gehalts 
n;ich IniH-n 
und Dach 
Aussen. 



Richtige» 
GosricOt. 



Fehlergrenze 
des Gewicht» 
nach Innen 
und nach 

Aii'i'ti. 



Durch- 
messer. 



Tausendstel. Tausendstel. | Gramm. TaUMMidülel. I Milli- 

I metcr. 

900 V) 0.4Ö1 «1J 21 

\ 1» 

; n 

■) Im Vertrag von tWJ.» war diese Fehlergrenze auf 2 Tausendstel normiert. 



i 

32,25806] 
Vlli,12903i 
6.451 «II 
/ 3.22580 
UVJ2'J0| 



Tausendstel. 
1 

2 
3 



SlUlKKKURANTMÜNZEN (SlLÜERNE FlNKKRANKENSTlCKK. ) 



Feiogeball. 



Richtiger 
GehaU. 



I'auseudstel. 

900 



Fehlergrenze 
des Gehalts 
nach Uncn 
und naeb 
Aussen. 



Tausendstel. 

2 



Gewicht. 



Richtiges 
Oewicht. 



Gramm. 

25 



Feolergrenze 
dos Gewicht* 
nach Innen 
und nach 
Aussen. 



Dureh- 



Tausendstet. 
3 



Millimeter. 

37 



Sii.hkhsciieiuemC.nzek. 



Münzen. 



Fr. Hp. 

2. - 

1.- 

— .50 
— . 20 



Feingehalt. 


Gewicht. 


Richtiger 
Feingehalt. 


Fehlergrenze 
de* Gehalt* 
nach Innen 
uod nach 
Austen. 


Richtige« 
Gewicht. 


Fehlergrenze 
des Gewicht* 
nach Innen 
und nach 
Aunon. 


Tausendmal 


Tausendstel. 


Gramm. 


Tausendstel. 






10. - 


5 


835 


Q 1 5. - 






i -2. 50 
* 1 . - 


10 



Durch- 
messer 



23 
18 
16 



der ausserhalb der Münzunion stehenden Staaten ist der 
gesetzliche Kurs zu verweigern. Der Vertrag wurde auf 
fünf Jahre (bis zum 1. Januar 1891) abgeschlossen mit 



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111-2 



SCHW 



SCHW 



stillschweigender Erneuerung für je ein Jahr, sofern et 
nicht rin Jahr zum voraus auf den 1. Januar gekündet 
wird. I > ■ Lii|tiidatii>nsklauBel im Kalle der Auflösung der 
I inon bildet «teil wichtigsten l'unkl des neuen Vertrag-, 
reber die Modalitäten ihrer Ausführung besteht eine 
besondere den llaiiptvertrag beigefügte I ebereinkunO, 
auf deren Einzelheiten einzutreten der Kähmen dieser 
Arbeit nicht gestattet. 

Seither Ii. il 'Irr Verlrag nocll einig« Abänderungen 
erfahren. Am l. r >. November lKiKt wurde ein I eberein- 
kommen abgeschlossen, wonach Italien gestaltet wurde, 
seine Silherscheidemunzen aus den andern Staaten 
zurückzuziehen. Durch Zusal/protokoll vom 15. Marz I89X 
wurde Italien von der ihm in Art. 7 ih r Munzkonvention 
von |XX5 auferlegten Verpllichtung. wahrend iler flauer 
eines Jahres nach Vullosung dei Nliinzumon s«'ine dann- 
zumal in den andern l'nionsstaalen zirkulierenden Sil- 
hertcheidemünzen zuruck/iinebmen, entbunden, (ieniass 
l'ebereinkommen vom 29. Oktober 1X97 wunlen die 
Kontingente der Silberscheidernunzen für sämtliche 
l'nionsstaalen mit Ausnahme Griechenlands erhobt ; die 
krtmhung für die Schweiz betrug .'1 Mill. Kr. Im Zusatz- 
abkommen vom l.'i November Ii* r-2 erhielt die Schweiz, 
neuerdings die Bewilligung zu einer Mehrpragung \on 
Siberscheidemunzen im Itetrage von 12 Mill. Kr. 

Neben den flold- und Silhermunien. welche Gegen- 
stand des internationalen Munzvertrages bilden, prägt die 
Schweiz Nickel (Hilloii'- und Kupfermünzen. 

Die Bestimmungen über ilie an die Stelle der frühern 
liillonmünzen getreten« n Nickeltnünzen sind enthalten in 
den Hundesgesetzen vom 29. Marz 1X711 und 30, April 
1881. Die Vorschriften über Legierung, tiewicht. Durch- 
messer und (iewichlstoleranz der Nickel- und Kupfer- 
münzen sind folgende : 



Itis zum verllossenen Jahre wunlen die 
in der ehemals bernischen Münzstätte an 



Prägniu H 
der In-e 




Sorten. 


Legierung'. 


Cicwicht. 


Durchnie»»«r 


Gewicht^loleranz 


n 

un 


par Stfiek. 


Nickelmünzen. 






mm 






20 Dp. 
10 • 

5 » 


Reinnickel 
( 35% Nickel , 
»75% Kupfer» 
, i"> " „ Nickel , 
•75 " ,, Kupfer» 


4 

a 

2 


21 

19 
17 


12 
15 

IX 


4x mgr 
4."» mgr 

30 mgr 


Kupfermünzen. 












2 Itp. 
1 i 


i'.C»*',, Kupfer. 

4' „Zinn 
' 1 11 n Zink * 
i95°/ 0 Kupfer^ 
. » " „ Z»nn . 

' 1 "„Zink * 


2', 

IV, 


20 
16 


15 
15 


37' | mgr 
22", mgr 



Auf Knde 1906 hatte die Schweiz 
grjir. igt und in l'mlauf gezelzt : 
{ HS 1 1 " K »Zw anzigfrankenstücke= 
2 I26IKNI Küiillraukciislucke 
(> ".K'iOODO Zweirrankenstucke 
14 6(10000 Kiufrankenstiicke 
12 2(10000 llalbfrankenstiicke 



folgende Münzen 



Kr. 130001)00 
> I460OOU0 
• 6 1000O0 



Kr. 97 000 000 
10030000 



21 500000 Zwanzigrappenslm ki- 

.'ii k 1 1 h k I Zehnrappenstücke 
15 1 K k 1 1 k x i Künfrappensiucke 



Kr. 



4 3DOODO 
2X50000 



31000 («10 



Kr. 



MX 

475000 



9 Imidin 



250001 il Kl Zweirappenstücke 
47 500009 Kinrappenslucke 

~~* 975000 

2«»s22»ilM»Slücke im Nennwert von IV 152(505000 

Iler I tu tili besitzt einen aus den I ehersehussen der 

Manzpi^eunsen gebildeten MäDireeervefonds, der am 31. 

Januar 1906 bereits auf Kr. 13 493 4(Xi angewachsen ist und 
aus dem nach Maßgabe von Art. X de* Munzgesetzes vom 
31. Januar iNiO die Konten der Kinzichung und Kin- 
schmelzung abgenutzter Schweizerin unzen zu decken 

sind. 



Neue« Mrnifgebaixle io Bero 
gasse in Kern aussgefuhrt. im Kruhjahr 1906 b*>/ojz die 
MunzverwalUing ein neues, mit den modernsten Hin- 
richtungen versehenes Gebäude auf dem Kirchenfeld in 
Kern. [IWion.h Ivh -uns ] 

B. Zoi.i w k-i s. Wahrend in der Zeit vor I84X die dem 
Hunde zufallenden bescheidenen Zollgefalle durch die 
Grenzkantone erhoben wurden, welche als Knischädi- 
gung dafür einen prozentualen Anteil vom Brutloerüäg- 
nis erhielten, ist durch die Bundesverfassung vom Ii. 
September 1X48 das Zollwesen als Itundessache erklärt 
worden. Damit erwies sich die Kinrichtung eines beson- 
dern eidg. Verwaltung'skurpers für den Zollbezug als not- 
wendig. Welche eingreifende He.leutur. 
jener Verfassungshesiimmung zukam. i-t 
daraus zu ermessen. da«s Verkehrsahga- 
ben bis dahin nicht nur an der Lande*- 
grenze. sondern auch im Innern des Lan- 
des von Kanton zu Kanton, und in der 
Korm von Weg-, (trocken . Tor- . Iiiaster- 
gehl. Waghaus-. Susi- oder ll.illen. 
biihren. Wag- oder Kranengeld, Auf- DM 
Abladgebühren u. s. w. auch von einzelnen 
(Gemeinden. Korporationen und Privaten 
erhoben wurden. 

Die Beseitigung dieser den Warenverkehr 
hemmenden und zu «len verworrensten 
Verhältnissen führenden Abgaben »ar 
neben den politischen Krrungenschaflen 
eines der erfreulichsten ErgebnlaM der 
Umgestaltung im Jahre IX4X. Auch muss •• 
es eine der ersten und wichtigsten Auf- 
gaben der neuen Uundesbehorden sein, 
an die Organisation der neuen Verwal- 
tungsabteilung heranzutreten, um jene Verkehrshinder- 
nisse aus dem Wege zu schallen und gleich/eilig dem 
Hunde eine Kinnahmequelle zur Destreitung seiner Auf- 
gaben zu erseht i esse n. Hin Bundesgesetz über das Zoll- 
wesen, mit Zolltarif, konnte schon im Jahre 1X49 in Kraft 
gesetzt werden. Das zur Vollziehung desselben notige Be- 
amten- und Angestelltenpersonal wurde aus dem kantona- 
len Grcnzzol ld icnst rekrutiert, welcher ein im Zollabferti- 
gungsdiensl bereits bewandertes Personal lieferte, und da 
auch die bisherigen kantonalen Zollgebäulichkeiten ander 
Ijindesgren/e kauf- oder mietweise von der eidg. Verwal- 
tung übernommen wurden, konnte der neue Verwaltungs- 
zweig noch im Jahr 1X49 in Tätigkeit treten. 

Der Grenzhewachungadienst wurde kantonaler Polizei- 
mannschaft ubertragen, wofür der Hund den Kantonen 
nach Massgahe der Zahl der hierfür verwendeten Mann- 
scbaO l'.ntsehailigung leistete. 

Die direkte Leitung der neuen Verwaltung unter der 
Aufsicht des Handels- und Zolldepartements stand dem 
( Iberzolldirektor zu. dem in den anfänglich 5. spater t> 
Zollgebiete reisen Zolldirektoren untergeordnet waren, 
eine Organisation, welche auch jetzt noch in der Haupt- 
sache auf den gleichen Prinzipien beruht. 

Nicht minder wichtig als die Kinrichtung der neuen 



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SCI1W 



SCIIW 



Verwaltung war die dem Bundesrat weiter zukommende 
Aufgabe, nie Ablösung der bisher erhobenen Zölle und 
indem Verkehrrahgaben, soweit deren fernerer Bezug 
Dicht ausdrücklich gestattet worden war, durchzuführen. 
Ks bedurfte hie/u äusserst mühevoller Verhandlungen, 
die aber zu einem befriedigenden Resultat führten, in- 
dem die für den Koakauf veranschlagte Summe von 
Kr. 1 siiüOOO alter Wahrung nicht überschritten wurde. 
Immerhin war fliese auf unbestimmte Zeit jährlich sich 
wiederholende Ausgabe für das junge Staatswesen keine 
.wringe Last, die aber im Hinblick darauf, das* der 
Warenverkehr im ganzen (iebiet der Eidgenossenschaft 
■i<-r Hauptsache nach von innern Abgaben befreit war, ') 
gerne hingenommen wurde. 

lue licscheidenen Ansätze des gleichzeitig mit dem Zoll- 
Gesetz in Kraft getretenen Zolltarifs hatten den Charak- 
ter von Finanzzollen, bei deren Festsetzung lediglich die 



grossere Einnahmen zu verset äffen, zu welchem Zweck 
eine Erhöhung der Zollansätze, die bis dahin von kaum 
nennenswertem Belang waren, in Aussicht genommen 
w urde. Mas neue Tarifgesetz konnte indes erst auf I. Ja- 
nuar l8K r > in Kraft treten. 

hei dieser Tarifrevision waren /um erstenmal beschei- 
dene schulzzöllnerische Tendenzen zum Vorschein ge- 
kommen, veranlasst dadurch, dass die auswärtige l'ro- 
duktiou in der Schwei/, mit ihren niedrigen Zöllen bisher 
ein willkommenes Absatzgebiet gefunden hatte und der 
einheimischen Industrie und dein Gewerbe eine ruinöse 
Konkurrenz bereitete, die umso stärker empfunden wurde, 
als der Export durch die hohen Zollschranken des Aus- 
landes erschwert oder geradezu veruninoglicht war. Der 
schutz/ollnerischcn Strömung, die immer weitere Kreise 
ergriff, schloss sich bald auch die Landwirtschaft an. 
und es begann ein Kampf der ein/einen Interessen, der 




Zollk.'irta der Schweiz. 



lasjebt zu Grunde lag, ein Erträgnis zu erhallen, das 
hinreichte, um die Entschädigung an die Kantone, ilic 
Hezugskosten und einen Teil der Hundesauslagen zu tick- 
ten. Hie hoheinnahmen des ersten vollen Hezugsjahres 
IK.JÜ betrugen etwa 4 Mill. Er., wovon nach Abzug der 
Isezugskoaten von etwa 354000 Fr. rund 3480 000 Fr. 
in die Staatskasse abgeliefert werden konnten. 

Infolge der Einführung des neuen Münzsystems musste 
der dem ersten Zollgesetz beigefügte Zolltarif schon 1831 
revidiert werden, wobei auch der Geselzestext einige 
Aenderungen erlitt, ohne dass jedoch die geschaffenen 
organisatorischen Grundlagen dadurch berührt wurden. 
Iter Zolltarif von IHM blieb bis zum Jahr 1884 in Geltung, 
hatte aber durch zahlreiche spätere Erlasse, sowie infolge 
der durch Handelsvertrage herbeigeführten Aenderungen 
schliesslich ganz andere Gestalt erhalten. Hie neuen Auf- 
gaben, welche mit Inkrafttreten der liundesverfassung 
*M 187t an den Hund herantraten, brachten, obwohl der 
Ertrag der Zölle ganz der Hundeskasse zugewiesen war, 
die unabweisliche Notwendigkeit mit sich, dem Hund 

' I" Kantone behielten «In' Ilererhtitrung zum Ballig Von 
KnamuagehOlireii auf Wein und geistigen Getränken. Nchstdem 
blieben einige Brückengelder etc. fortMSlalMfl 



zu einer neuen Tarifrevision fuhrt« und im Jahr 1887 in 
einem Nachtrag /um Tarifgeset/ von 1881 /um vorlauligen 
Stillstand gelangte. 

Seither ist das Tarifgeset/ zweimal, im Jahr 1891 und 
lisrj. das letztem al einzig unter dem Gesichtspunkte 
des bessern Schutzes der einheimischen Produktion und 
im Hinblick auf die auch im Ausland stallgehabten Zoll- 
erhohungen, abgeändert worden. Oh dieser Weltlauf des 
Protektionismus im In- und Ausland, dem glücklicher- 
weise durch die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung in- 
ternationaler Handelsbeziehungen und infolgedessen 
durch das Bedürfnis vertraglicher Regelung der gegen- 
seitigen Zollansatze eine gewisse Grenze gesteckt ist, 
nun an seinem Ziele angelangt sei, darf einigermassen 
bezweifelt werden. Und dies schon deshalb, weil bei den 
immer umfangreicher werdenden staatlichen Aufgaben 
auch die linan/iclh-n Hilfsmittel stärker herangezogen 
werden müssen, wobei die Besteuerung des Importes als 
leicht Iiiessende und ergibige Oiielle immer sich des 
Vorzuges besonderer Beachtung erfreuen wird. 

Hie Organisation der Zollverwaltung, die in ihrer gegen- 
wärtigen Form auf dem Bundesgesetz über das Zbuwe- 
sen vom '28. Juni 18911 beruht, hat sich in den sechs I)e- 



•201 



CEOGR. LEX V — El 



194 



SCUW 



SCHW 



zennien ihres Bestehens im äussern Kähmen wenig 
verändert. Die oberste vollziehende Behörde für das Zoll- 
wesen ist der Bundesrat, welcher in letzter Instanz auch 
Anstände betreffend die Anwendung der Zollvorschriften 
und namentlich des Zolltarifcs entscheidet, ohne das« 
hierbei richterliche Intervention angerufen werden kann. 
Dem Zolldeparlemenl liegt die unmittelbare Oberaufsicht, 
namentlich die Vorheralung das Zollwesen betreuender ge- 
setzgeberischer Erlasse und die Mitwirkung beim Abschluss 
von Handelsverträgen ob ; es trifft prinzipielle Kntschei- 
dungen in Verwaltungsangelegenheiten u. s. w. und ist 
Bekursinstanz bei Deklamationen aller Art in Zollange- 
legenheiten. 

Die Oberzolldireklion ist die direkt leitende Behörde, 
welche die erforderliehen dienstlichen Instruktionen 
über den Vollzug der Gesetze und Verordnungen, die 
Tarife, Handelsverträge. Warenstatislik u. ». w. erlässt 
und für richtig« Vollziehung sorgt. Ihr sind drei Ab- 
teilungenangegliedert: die Verwaltungsahteiluni;, welche 
sich mit dem gesamten Verwaltungswesen, dem Per- 
sonellen u. s. w. zu befassen hat, das Inspektorat, 
welchem das Tarif- und das Rechnungswesen zugewie- 
sen ist, und die statistische Abteilung, welche die Zu- 
sammenstellung der von den Zollämtern anzufertigen- 
den statistischen Anschreibungen über den Warenver- 
kehr besorgt und die daherigeu Ergebnisse in periodisch 
erscheinenden Quartaltabellen, sowie in einem Jahres- 
band publiziert. 

Das ganze schweizerische Zollgebiet ist in sechs Direk- 
tionsbezirke eingeteilt, mit je einer Zolldireklion an den 
Amtssitzen Dasei. Scbaffliausen, Chur. Lugano, Lausanne 
und Genf, welchen di.- Leitung des Zolldiensles in ihren 
Zollgebieten zukommt. 

Als Vollziehungsorgane bestehen an den wichtigsten 
Eingangspunkten, namentlich an den Grenzstationen der 
Eisenbahnen. Hatiptzollämtcr mit Kompetenz zur Abfer- 
tigung aller Verkehrsarten, denen je nach der örtlichen 
Lage Nebenzollamter mit weniger ausgedehnten Befug- 
nissen unterstellt sind. Diesen hinwieder sind die Zoll- 
bezngsposten untergeordnet, deren Befugnisse auf die Ein- 
und Ausfubrabfertigung beschrankt sind. Ausser den 
Zollämtern an der Grenze befinden sich interne Zolläm- 
ter in Zürich. Hern. Luzern, St. Gallen. La Chaux de 
Fonds, Aarau (Niederlagshausi, ferner Spezialniederlagen 
in Lenzburg und Gohlau (vergl. die beigegebene Karle». 



horn etc. beschäftigen einzig je etwa 30 Beamte neben 
einer fast gleichen Zahl von Angestellten. 

Neben den Einrichtungen für den Zollbezug hat die 
Verwaltung auch für den Zollschutz, d. h. für Organe zur 
Sicherung der gehörigen Zollentrichtung, sowie zur po- 
lizeilichen Unterstützung des Zolldienstes zu sorgen. Au 
Stelle kantonaler Polizeimannschaft, welche früher zu 
diesem Dienste beigezogen wurde, ist nun läng« der ganzen 
schweizerischen Grenze ein militärisch organisiertes, uni- 
formiertes und bewatlnetes eidgenössisches Grenzwacht- 
korps aufgestellt, das auf Ende 1906 einen Bestand von 
II Offizieren und 943 Unteroffizieren und GrenzwächUrn 
hatte. 

Mit Einsrhlussdes Personals der Oberzolldirektion und 
der Zollgi'hietsdirektioncn zählte die Zollverwaltung auf 
Ende 1906 757 Beamte und 1364 Angestellte, einschliess- 
lich der Grenzwächter ; sie hatte also einen Personalbe- 
stand von insgesamt über 2100 Mann. 

Die Gesamtzolleinnahmen haben im Jahr 1906 Franken 
62.1 Millionen betragen, wovon 61,2 Mill. auf die Einfuhr- 
zolle, der Rest auf Ausfuhr/olle, statistische Gebühren 
und verschiedene andere Einnahmen entfallen. Aus- 
serdem sind 0,52 Millionen als Monopolgebuhren auf 
alkoholhaltigen Produkten zuhanden der eidg. Alkoholver- 
waltung und 0.26 Mill. an tierärztlichen l'ntersuchungs- 
gebühren für Hechnung des eidg. Viehseuchenfonds erho- 
ben worden. Von den Zolleinnahmen entfallen auf das 
Zollamt Basel (S. B. B.. G. G.) fast 9 Millionen, auf die 
Zollämter Genf (gare, P. V.) und Romanshorn je rund t» 
Millionen; über 2 Millionen hatten ferner die Zollamter 
Basel (Baltische Bahn), Buchs Bahnhof, Pruntrut und 
Chiasso (P. V.). und bei weitem 10 Zollämtern 
sie über 1 Million. 

Auf die einzelnen Zollgebiete verteilen sich die 
rnen wie folgt : i 

1. Zollgebiet Basel runc 

2. * Schafihausen » 

3. <• Chur. 

4. * Lugano 
•V " Lausanne • 
6. ■ Genf 

Diese Zahlen lassen annähernd aur die Bedeutung des 
zollpflichtigen Verkehrs über die betreffenden (.renz- 
strecken schliessen, wahrend sie nicht ohne weiteres als 
massgebende Faktoren für die Deurteilung des allgenui- 



22.3 Mill. 
14.6 . 
7,0 . 

4.:. 

4,3 , 
8,7 . 



Millionen 




Zolleinnahineo lSIiO-l'.tiJO. 



AufEnde 1906 bestanden 60 Hauptzollämter, 218 Neben- 
zollamter und 53 Zollbezugsposten, welche ein Personal 
von 595 Beamten und 390 Angestellten erforderten. Ein- 
zelne der wichtigsten Zollamter in Basel, Genf, Bomans- 



nen Verkehrs dienen k..r 
hiebet auch die zollfreien V. 
arten, wie Freipass- und Transii- 
verkehr, ferner der zollfreie Grenz- 
verkehr zu berücksichtigen wären, 
welche für gewisse Grenzstreeken 
bezw. Zollgebiete von besonderer 
Bedeutung sind. 

Der Gesamtwaren\ erkehr ') der 
Schweiz mit dem Ausland pro IM 
ist auf 1418.6 Mill. Fr. in der Ein- 
fuhr und auf 1074.9 Mill. Fr. in der 
Ausfuhr bewertet (im Jahr 1905 be- 
trugen die entsprechenden Werte 
1379 Mill. Fr. in der Einfuhr und 
969 Mill. Fr. in der Ausfuhr ); da- 
von fallen auf den Verkehr mit den 
Nachbarländern folgende Waren- 
werte : Es hat 

geliefert bezogen 
Deutschland fur440MilL. für232Mill. 
Frankreich » 274 » » 119 « 
Italien » 177 » » 57 * 

Oesterreich- 
Ungarn * 91 » * 54 » 
Die Ausgaben der Zollverwaltung 
haben im Jahre 1906 6,2 Mill. Fr. 
betragen, wovon zirka 3,1 Mill. auf 
Besoldungen. 0.6 Mill. auf Bureau- 
kosten, 0,22 Mill. auf Dienstklei- 
dungen etc.. 1.8 Mill. auf die Kosten 

• | Die «lah-.li-.cbpn H »ulLit«' Ober den gesamten Warenver- 
kehr der Schweiz mit dem Au-I.in.l juikI au» item vom ZulMepar- 
temenl publizierten Jahresbaud der HamK-l««tali«litt zu er«el>«a. 
welcher )i<le« Jahr im Laute de» Sommer* erscheint. 



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SCHW 

de* Grenzschutzes und 0,4 Mill. auf die Budgelrubrik 
Verschiedenes» entfallen. 

Im Hinblick auf einige schwer zu überwachende Grenz- 
strecken enthält das Zollgesetz die Bestimmung, dass 
Grenzgebiete, sowie einzelne Grenzliegenscliaften, deren 
territoriale Lage eine wirksame Ueberwachung hindert, 
aus der schweizerischen Zolllinie ausgeschlossen werden 
können. Gestützt hierauf sind an der Grenze de« Kantons 
Genf einige Gebäulichkeilen und im Kanton Graubünden 
das Samnaunthal eiterritorialisierl, letztere Landschaft 
deshalb, weil sie vom übrigen schweizerischen Gebiet 
durch unpassierbare Gebirge getrennt und daher nur über 
österreichisches Gebiet zuganglich ist, welche Verhältnisse 
aich nach Fertigstellung der im Bau begriffenen neuen 
Strasse auf Schwei zerboden ändern werden. Umgekehrt 
bestehen auch ausländische Zollausschlüsse längs der 
schweizerischen Grenze, von denen als die wichtigsten die 
zollfreie Zone von Hochsavoyen und das Paysde Gex nam- 
haft zu machen sind. Die Landschaft Gex ist mit Rücksicht 
auf ihre geographische Lage und ihre Beziehungen zur 
Schweiz durch königliches Edikt von 1//6 aus dein fran- 
zösischen Zollgebiet ausgeschieden worden, welche Aus- 
nahmestellung im Pariser Vertrag vom 20. November 1815 
ihre xölkerrechtliche Garantie erhielt. Der Ausschluss von 
Hochsavoyen i»t auf das Plebiszit bei Anlas» der Angliede- 
iw von Savoven an Frankreich zurückzuführen, indem 
der Bevölkerung, um sie für die Einverleibung zu gew innen, 
die Ausdehnung der bisher bestandenen, durch den Turiner 
Vertrag von 1816 geschaffenen kleinen sog. sardinischen 
wllfreien Zone auf ganz Hochsavoyen in Aussicht gestellt 
worden war. Dieses Versprechen wurde durch kaiserliches 
Dekret vom 12. Juni 1860 eingelöst, durch welches die 
gegenwärtig bestehende /ollfreie Zone geschaffen ward. 

Nach den beiden Zollausschlüssen können Waren jeder 
Provenienz zollfrei eingehen, ein Verhältnis, das natur- 
femass auch dem schweizerischen, speziell dem Genfer 
Handel zu statten kommt. Als Gegenkonzession sind den 
Produkten dieser Zollausschlüsse bei der Einfuhr nach 
der Schweiz gewisse Erleichterungen gewährt, welche 
für die Zone von Hochsavoyen in einer im Jahre 18X1 auf 
die Dauer von 30 Jahren abgeschlossenen Uebereinkunft 
und für die Landschaft Gex in dem am 20. Oktober 1906 
sereinbarteo Handelsabkommen mit Frankreich vertrag- 
lich festgelegt sind. 

Die ausländischen Enklaven Müsingen und Campionc 
sind ebenfalls aus dem betreffenden ausländischen Zoll- 
gebiet ausgeschlossen; letztere wird als schweizerisches 
Zullinland betrachtet, während erstere für ihre Einfuhr 
nach der Schweiz besondere Erleichterungen geniesst. 

Die Bücksichten auf die Betriebsverhältnisse einzelner 
Bahnlinien haben es mit sich gebracht, dass schweizeri- 
sche Zollämter auch auf ausländischen Stationen errichtet 
werden mussten, wie in Waldshut, Erzingen, Sinken, 
Konstanz. Luino, Domodossola, und dass umgekehrt aus- 
ländische Zollämter auch auf schweizerischen Stationen 
bestehen, wie in Basel. Schaffhausen. St. Margrethen, 
Buchs und Chiasso. Diesen Verhältnissen liegen Staats- 
»«•träge zu Grunde, durch welche den betreffenden Zoll- 
»teilen die Eigenschaften und Hechte von Inlandszoll- 
imtern gewährt sind. 

Die Zollorgane sind zugleich die Grenzpolizeiorgane des 
Bundes, als welchen ihnen neben ihrer zollamtlichen Be- 
tätigung eine Heihe andercrVerrichlon^cn zufallen, welche 
der Natur der Sache nach mit dem Zolldienst in enger 
Beziehung stehen oder sich mit demselben leicht verbin- 
den Hessen. Wir erwähnen hier die Mitwirkung bei der 
Vollziehung des Alkoholmonopols, der bundespolizeilichen 
Oesetzgebung über das Sanitätswesen, Viehseuchen, Ret»- 
laus, Mass und Gewicht, Jagd und Vogelschutz, Fischerei, 
Zündhöhehen, ferner des Pulverregals, der kantonalen 
Salzregale u. s. w. 

Ilass der Zolldienst auch auf diesen Gebieten es an 
Wachsamkeit nicht mangeln lässt. ergibt sich aus den 
jährlich in grösserer Zahl vorkommenden Ver/eigungen 
wegen (Jebertretung dieser Gesetze, wobei als bemühend- 
ste Talsache die zahlreichen Vergehen gegen den Vogel- 
schutz im Kanton Tessin zu erwähnen sind, wo die Grenz- 
»arhler auf ihren Streiftouren in den Berggegenden jähr- 
lich lausende von Fangvorrichtungen für kleine Vogel zu 
vernichten haben. 



SCHW 195 

Eine weitere Nebenaufgabe wird dem Zolldienst aus 
der Inkraftsetzung des neuen Lebensmittelgeselzes er- 
wachsen, das dem Zollpersonal wichtige Funktionen in 
Bezug auf die Kontrolle der zur Einfuhr gelangenden 
Lebensmittel zuweist. 

Obschon der eidg. Zolldienst und namentlich die 
Zollbelastung der zur Einfuhr gelangenden W r arcn von 
manchem Warenempfänger als unerfreuliche Zugabe be- 
trachtet werden mag, so zeigt doch die vorstehend kurz 
skizzierte Entwicklung dieses Verwaltungszweiges, dass, 
wenn auch seine Hauptaufgabe darin besteht, dem Staate 
die Mittel für seine vielgestaltigen Aufgaben zuzuführen, er 
nebstdem doch auch einen eminent volkswirtschaftlichen 
Zweck erfüllt, indem er durch da« Mittel des Zolltarifs 
zur Verbesserung der Absat/verhältnisse der einheimi- 
schen Produktion und zur Förderung der Ausfuhr nach 
dem Ausland beiträgt und überhaupt als volkswirtschaft- 
licher Ausgleichungsfaktor weiten Volkskreisen zur Pro- 
sperität verhilft. [Hermann Schnkiubh.J 

C. Ai.KoHoi.VEitWALTi No. Gestützt im Wesentlichen auf 
den am 25. Oktober 1885 von der Mehrheit des Schweizer- 
volkes und der Stände angenommenen Artikel 32 1 "« der 
Bundesverfassung erliessen die eidgenössischen Bäte 
unterm 22. /23. Dezember 1886 das Bundesgesetz be- 
treffend gebrannte Wasser. 

Dieses Gesetz wurde auf das Begehren von 52 412 
Bürgern am 15. Mai 1887 zur Volksabstimmung ge- 
bracht und mit 267122 gegen 138 496 Stimmen gutge- 
heissen. Es stand vom 20. Juli 1887 bis 16. Januar 1901 
in Wirksamkeit. An seine Stelle trat vom letztgenann- 
ten Tage an das noch heute geltende Bundeagesetz 
über gebraunte Wasser i Alkoholgesetz \ vom 
29. Juni 1900. 

Der Inhalt dieses zweiten Alkoholgesetzea deckt sieh in 
allen entscheidenden Punkten mit demjenigen des ers- 
ten ; er sei, soweit er hier von Interesse ist, im Folgen- 
den kurz wiedergegeben. Das Hecht zur Herstellung und 
zur Einfuhr gebrannter Wasser steht ausschliesslich dem 
Bund zu. Von diesem Hecht ausgenommen, d. h. mono- 
polfrei, sind, was die Herstellung betrifft, einzig diejeni- 
gen gebrannten Wasser, welche im Inland ausschliess- 
lich aus nachgenannten Rohstoffen einheimischer Herkunft 
gewonnen werden : Trauben, Weinen. Weintrestern, 
Weinhefen. Kern-, Stein- oder llcerenfriichten, Obstab- 
fällen und Enzianwurzeln. Alle andern im Inland erzeug- 
ten Destillate und alle aus dem Ausland eingeführten 
gehrannten Wasser überhaupt, sowie auch sämtliche ein- 
geführten Erzeugnisse, welche gebrannte Wasser enthal- 
ten oder mittels solcher hergestellt wurden, sind mono- 
polpflichtig. Das Gleiche gilt, soweit sie zur Gewinnung 
gebrannter Wasser dienen, für alle eingeführten Hoh- 
stoffe und für alle aus solchen Rohstoffen in der Schweiz 
hergestellten Produkte. Annähernd ein Viertel des Lan 
dcsbedarfcs an Sprit und Spiritus (jedoch nicht mehr 
als ein jahresdurchschnittliches Kontingent von 30 ODO 
Hektolitern) wird durch staatlich konzessionierte Privat- 
betriebe in Jahreslosen von 150 1000 Hektolitern, mit 
Bevorzugung der Verwendung inländischen Rohmaterials 
und des Brennbetriebes in Form landwirtschaftlicher 
Genossenschaften, für Rechnung des Bundes hergestellt. 
(Ausser den Erzeugnissen der Losinhaber übernimmt der 
Bund auch noch das Erzeugnis derjenigen Brenner, wel- 
che, statt Monopolgebühr zu bezahlen, die erzeugten 
monopolpllichtigen gebrannten Wasser an ihn zu einem 
annähernd den Monopolgewinn sichernden Preis ablie- 
fern). Ihren Mehrbedarf an Sprit und Spiritus bezieht 
die Monopolverwaltung aus dem Ausland. Die Einfuhr von 
Branntweinen und Likören (sogen. OualiUitsspirituo- 
seni, ebenso die Herstellung gebrannter Wasser aus Me- 
lasse, Brauereiabfällen, ausländischem Wein. Obst etc. 
ist Privatpersonen gegen Bezahlung von Monopolgebüh- 
ren gestattet, desgleichen die Einfuhr von alkoholhalti- 
gen oder mit Alkohol hergestellten Produkten, welche 
nicht zu Trinkzwecken dienen, mit Ausnahme jedoch des 
der Monopolverwaltung selbst vorbehaltcnen Importes 
der zu technischen und Haushaltungszwecken bestimm- 
ten, dem Denaturierungszwang unterliegenden Sprite. 
(Tatsächlich würfle der zu technischen Zwecken dienende 
j Sprit, der sogenannte Industriesprit, erstmals im Jahr 
| 1905 vollständig dem Einfuhrmonopol unterworfen ; in 



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ii»6 



SCHW 



SCHW 



der Vorperiode blieli den Verbrauchern unter hestimm- 
ten Kontrollvorschriflen der Selbstbezug aus dem Aus- 
land gestattet. Ks ist eine Geset/esnovelle in Vorberei- 
tung, durch welche der private Selbslhezuj- unter Auflage 
einer Verwaltungsgebühr vorgeschrieben werden soll). 
Den von ihr im Id- und Ausland beschafften Sprit und 
Spiritus bringt die Monopolvcrwallung in Mengen von 
[.*> Litern an gegen Barzahlung in den Verkehr und /war, 
soweit die Ware technischen und Haushaltung*/ wecken 
dient (Industrie- und Urennspril), zu den für je ein Jahr- 
fünft aufGrund der Ergebnisse der vorausgegangenen fiinf 
Jahre lixierten Selbstkosten der Auslandsware, soweit sie 
dagegen für den Trinkbedarf bestimmt ist (Trinksprit), 
zu Preisen, welche einen Monopolgewinn in sich schlics- 
sen (Fr. 120-150 pro Hektoliter absoluten Alkohols*. Her 
Einkauf und der Verkauf geschehen nach dem Einheits- 
rnass des Meterzentners a 95".,° (ein Meterzentner a 
95 V., 1 - _ etwa 117V, Liter absoluten Alkoholsi. Hie 
Frachten bis zur Station des Empfängers (Verkehrs- 
frachten) trägt die Monopolverwaltung. Bei der Ausfuhr 
monopolpllichliger Erzeugnisse wird eine dem Monopol- 
gewinn auf der Anslandsware entsprechende Hück\er- 
gütuug geleistet. Her Heinertrag des .Monopols wird 
pro rata der faktischen Bevölkerung unter die Kantone 
verteilt; diese sind gehalten, mindestens einen Zehntel 
ihres Ketrelhiisscs zur Bekämpfung des Alkoholismus 
zu verwenden. 

Als Munopotverwallnng besteht seit dein 6. Juni 1887 
die Eidgenössische Alkoholverwaltung, die seit 
dem 16. Januar 1901 das Hecht der Persönlichkeit hat. Ihre 
weitere Organisation ist einstweilen dem Bundesrat an- 
heimgegeben, i Ein Organisationsgesetz ist in Vorberei- 
tung). Hinsichtlich der Besoldung ihrer Beamten und 
Angestellten gilt das allgemeine Besoldungsgesetz. Die 
Alkoholverwaltung umfasst zur Zeit: 



a) das Zentralamt in Bern mit einem nach Genf deta- 
chierten Inspektoral für den äussern Dienst ; 

b) das Kontrollami mit je einem Kontrolleur in Hasel. 
Bern. Biel, Freihurg, Schwarzhäusern. Solothurn, Stein 
am Bhein und Zürich ; 

c) die Lagerhausverwaltungen in Burgdorf. Delsberp 
und Boraanshorn (das Lagerhaus in Delsberg ist mit einer 
Hektilikationsanstall verbunden! ; 

>/> zwei in Miete genommene und von deren Eigentümern 
für Bechnun*: der Alkoholverwaltung geführte Verkaiir*- 
depots in Aarau und Basel. 

Die auftragsgemässe Besorgung des Dienstes an 
der Landesgrenze ist Sache der eidgenössischen 
Zoll- und Postverwaltu'ng. Den Dienst der llaupt- 
kasse besorgt eine Abteilung der eidg. Finan/ver- 
waltung I Staatskasse). Die Kontrolle wird im Namen 
des Bundesrates durch die eidg. Finanzkontrolle, im 
Namen des Parlamentes durch die sbmdigen Alkohol- 
kommissionen des National- und des Ständerat.-s 
und deren Delegationen ausgeübt. Tagesdurchschnitt- 
lich waren an Beamten. Angestellten. Arbeitern und 
Alishilfspersonen während des Jahrfünfts 19«»! -190". 
beschäftigt : 



In den 
Jahren. 


Im Zeiilral- 
aint. 


Im K»n- 
trotlamt. 


In den drei 
hause rn. 


PiT— inen 


1901 
1»r2 

1903 
um 
iooü 


32, 30 
3-2. 4« 
32. <J6 
31.70 
32. 22 


8, 83 
8. 00 
8, 00 
8, 00 
8.00 


34. 44 

34.82 
32, 12 

31.35 

31,9« 


75. 57 
75. 28 
73. 10 

71. 05 

72. 2n 



Der Verwaltungsaufwand an Personal- und Sachausgahen betrug (auf Franken abgerundet): 





Zentral - 

.Hill. 


Kunlru]!- 
auU. 


Ri'gie- 
lajjor- 
h:lu»<-r. 


Miel- 


Ver-."i ' ii n-.' .-in /,■ .!!-. 
Pos* - il li'l 1' 1 Ii" 1 nf 

vor« i'l'i iL- r d r ](.•- 

»or»fUIIL' ii- - Orri: - - 
dilMlM-- liml (JlT 

dor ({anpik/i— >•. 


Ver- 
schie- 
dene«. 


leber- 
h*u(.l. 

: 


Im Jahrfünft 1901-1905 . . 
oderjahresdurchschnittlich : 


915 000 
183 120 


223 707 
44 741 


605 775 
121 155 


143 455 

28 «an 


241 m 

48 233 


«104« 
Ii*« 


2 138 746 
427 74si 



Die Hauptaufgabe der Verwaltung besteht im An- und Verkauf von Sprit und Spiritus. Leber die daherige Waren- 
bewegung im Jahrfünft 1901-1005 orientiert folgende Uebersiclit (in Meterzentnern i : 



Km K« ii*. 



Ausfr.mj;. 




in Au» 
[.nid. 



Villi IM- 

nc-rS.r- 


Au» 

• lor 

ftirkli 


t<- mr 
.i intern 
■ li-kias- 


lik.i- 
tion. 


-I.TI 



Zu-aurc- 
.iii De 
im t u- 
ricr- 

»i.»tr 



Ver- 
kam'« 



Vnti ei - 
•ier Sur- 
Ii- zur 
.iii'trrn 
doklfl«- 
»iert 



Wein- und Kahlbaumsprit . . 

Primasprit 

Feinsprit 

Sekundasprit 

Bohspiritus aus Karlolfeln etc 
Bohspiritus aus Wein . . . 

Total 



4211! 
3192 
13 394 



8 257 
29 0511 



a T r i n ks p r i t. 

924 

43 «19 

25 M<\ 

29 733 i 43 963 



29 098 

10 8:« 

- 190915 

- 1 157 72« t 
1.38 500 2 064 

- 6 «40 
i:tS500 .197 2C9 



1 220 
I 463 
1 7ni 



34 

."»94 
29 
22« > 



31 241 

1 1 528 
192 792 



I 1»67 
47 517 
_ I |r,7 7.V! — 

40 70KI 68 799 59 721 

i| - i - ; 1 129 

9<H ; 276 261 277 720 60 85t» 





Man- 




In die 


ki »-) 


Vor- ■ 


Rekli- 




r:ite 


lika- 


l'eber- 


Kn-ie 


ti»n. 


«rbasse 


l:<6. 




i + » 






- 189 


2 :w.» • 




— 75 


1 9.M 




- 1 (»77 


8 2»i«' : 



329 4 *^ 

- 5511 
I 663 22 9» 



b) Brenn- und Industriesprit. 



Brennsprit 
Industnesprit 



Total 



6 866; - 




21V 048 

3' 937 


1« 224 


9 712 || 


33 - 








Ii NU» - 




247 98:, 


16 22» 


9 712 1 



31 861, 

271 6«a 



- 

- I 



-863 8 187 
84 
8 27! 



22 
8K 



Gesamltntal 



ci Sprit überhaupt. 
135 953 1 138 5t »0.397 269|277 71.s;60 I87| 10 «IC, (| 547 925; 477 720;60 8501 - 2 .\W;3I 20' 



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SCHN 



scnw 



197 



Die im Inland bezogenen I3K50O Meterzentner Rohspi- 
ritus sind auszuscheiden wie folgt : 



Kffektivhoztig 
gehalten hat). 



Produktion >lor nach Mas«- 

rabe einer, allgemeinen 
Pai<*hl<Mihi-t t<-« zur Verar- 
! Willing » »n Karti-riolu. Kör- 
nerfrüchten um! Abfallen 
drr l're««hefef.ilirikaln>ii au- 
loriüierten Brennlo*inh.ihcr. 


Produktion von Brennern, 
welche Melasse und Ilrauc- 










reiabfalle brennen und ihr 
K.rzeugnis, statt Mouo|>ol<c- 

bOhr zu zahlen, zu Hin 
den Monopolgewinn «icieni- 
den l'i' j- ■ >:< die Vor« all ing 
abtreten. 


Anzahl 
Meter- 
zcnlnor 


Total 

IVbernalimiprei». 




1 Vberii.ihm»prei«. 




l obernsliin'|irei«. 










M'ter- 
K-oii.cr 


Im Ganzen 


Durch- 
K-hnittl. 
p Meter- 
Zentner. 


Meter 

/entner 


Im O.-nizeii 


Du rc h- 
Bchnittl. 
p, Meter- 
zentner 




Im 
Ganzen. 


rer 
Meler- 
zeiitner. 




Kr. 


Kr. | Cl». 




Kr. 


Kr. j 




r r. 


Kr. 


t:tH 




io , .«n»Da , .i 


"sT; "fiT 




511 3H7 


~tÖ~ [ 58 


138500 


1 1 ViO'.räi 


82 


46 


Hiczu Krachten von den Brennereien zu den Lager- 




216246 


1 


56 














Kfrcou 


1 MST 172 


Ki 


0'2 



Dabei 
Fabri- 
Meter- 
verar- 
Meter- 



iDer Landeshedarl an Sprit und Spiritus belief sich 
wahrend der betrachteten Periode auf: 

Hrenn- und Zu- 
Trinksprit. Industriesprit, sammen. 



276 Kl 
oos 



Industriesprit. 
Meterzentner. 

271 064 
59411 



5*7 9SS 

lit 102.1 



Verkaufe der Alkohol- 
verwaltung . . - 
Priialimporte . . . 

Privatexporte . . , 

äi^wö - ioi os4 v. iowm 

Da der vierte Teil dieser Menge rund 150000 Meter- 
zentner ausmacht, ergibt sich, dass der oben dargestellte 



276869 



:üioki 

."»7 



607900 

S<lil, 



Alis Helgicn . . . 
Total . . . 
her Kezug kostete 



sich innerhalb tler gesetzlichen Grenzen 



Von dem inländischen Roh- 
spirilus aus Kartolleln etc. wur- 
den .7.1 721 Meterzentner, nebst 
11211 Meterzentner ausländi- 
schem Rohspirilus aus Wein, 
in Oelsberg rektifiziert, 
ergaben sich hei einem 
kationsverlust von Oft! 
Zentnern (1,00 "/„ der 
beiteten Rohwarej 92-1 
zenlner Weinsprit. VI (CIO Me- 
terzentner Keinsprit und 10 22t 
Meterzentner Ware zu Dena- 
turierungszwecken. Die Rekti- 
likalionskosten bezill'crten sich 
auf Kr. D603I. 

Die Aiislandsware stammte : 
Meter- 
zentner 
117 015 
265225 
10. iiirt 
3H7 

4 104 

an sn 

loco Solmeizergrenze. unverzollt: 
Ruirhsrhnittl. 
per Meter- 
Im Ganzen zentner. 



Au 



Deutschland . . . 
( lesterreich-Ungarn 

Italien 

Krankreich . . . 



Sorten. 
Wein- und Kahlbaumspri 

Primasprit 

Feinsprit 

Sekundasprit .... 
Hohspiritus : 
aus Kartoffeln etc. . 
aus Wein .... 

Total . 



Meter- 
zentner. 
2D09H 
10832 
190015 
137720 

2 061 
6640 
:*.i7 26» 



Fr. 
I KI.MÜ12 
Iiis I0!l 

5303223 
4246375 

214013 
11285065 



Fr. Cts. 
38. lo 
:io. 29 

27. TS 

28. 02 
10.61 

:ti. :r, 

28. 41 




Dar Verkauf der oidjr. Alkoholverwallung an DeoaturieruDgtware im Jahr 190.1 mach Abzug de« Kxporte« in* Ausland). 



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198 SCHW 

lebertrag 11285085 28.41 

Hiezu an eidg. Zoll 4493025 11.31 

Frachtgeld von der Grenze zu den 

Lagerhäusern 284442 -.71 

Geaamttotal loco Lagerhaus . . 16062532 40.43 
Nach den mitgeteilten Ziffern hatte die Verwaltung in 
dem besprochenen Jahrfünft für die Ueschaffung von 
Sprit und Spiritus im ganzen aufzuwenden : 

Inlandsware.. Fr. 1 1 UH 172 

Auslandsware » 16082532 

Rektifikationskosten • 98031 

Fr. YTTÖ7737. 

Rechnen wir hiezu noch die Kosten 
für den Ankauf der erforderlichen 

Denaturierstoffe mit Fr. 766369 

und den Wert der Vorräte an Sprit. 

Spiritus und Denaturierstoffen 

anfangs 1901 mit Fr. 2 109914 

minus den Wert der gleichartigen 

Vorräte auf Ende 1905 mit . . Fr. 1 741 708 368 146 

so erhalten wir mit TrT®W25j 

die Summe, welche für 1901-19(6 aufzubringen war, um 
den Verkaufvon547925 Meterzentnern Trinksprit, Brenn- 
sprit und Industriesprit möglich zu machen, nämlich : 

Absatz Beschaffungsaufwand 

Meter- im perabgesetz- 
zentner Ganzen ten Meter- 
zentner 
Fr. Fr. 

Trinksprit 276261 19260715 69.72 

Brenn- und Industriesprit 27166-4 9671535 35. 60 

Ueberhaup t~547 925 28 932 25Ö 52. 80 

Aus dem Verkauf von Sprit und Spiritus loste die Ver- 
waltung : 

A. Trinksprit. 
Abgesetzte 
Mengen Einheit»- 
in preis per 
Meter- Meter- 
Sorten Zentnern zentner Erlös 

Wein- und Kahlbaumsprit 31241 17.V- 5467175 
Primasprit 11528 173 - 19U4344 

Fein- und Rohspiritus 233 41« 170.- 39 693640 

47155151» 

Aufrundung _ 

Total j>7»i2»il ITH C.l> _ K L55J25 

B. Brenn- und Indnstriesprit. 
Brennsprit 231» ÄH) 50.- 11990000 

Industneaprit 31864 43.31 1379943 

ab: 13369913 
Rabalt bei Grossbezügen 59481 

Total 271664 4!».- I.i.lloi^i 

(Üen oben für Brenn- und Industriesprit angeführten 
direkten Beschaffungskosten von Kr. 35.60 per Meter- 
zentner ist als Anteil an den allgemeinen I'nkosten (Ver- 
kehrsfrachten, Verwaltung. Gebaudeunterhalt, Zins und 
Amortisation) ein Betrag von Kr. 6.88 zuzuschlagen. Die 
Selbstkosten der erwähnten Sorten stellen sich damit auf 
Fr. 42.48. Die Verwaltung hat also per 1901-1905 bei ei- 
nem Erlös von Kr. 49 per Meterzentner rund Kr. 6.50 
Gewinn gemacht. Zur Ausgleichung sind die Verkaufs- 
preise des Jahrfünfts 1906-1910 um annähernd diese Kote 
reduziert worden). Aus dem Verkauf von Gebinden sind 
im betrachteten Jahrfünft Kr. 110 647 gelost worden. Da 
die direkten Beschaffungskosten Fr. 95113 betrugen, 
ergibt sich aus diesem Geschäft ein Einnahmenübersehu«s 
von Fr. 15534. Die Verkehrsfrachten (d. h. die Kosten 
des Transportes zwischen den Lagerhäusern und Verkaufs- 
depols der Verwaltung und den Stationen der Bezügen 
erforderten eine Ausgabe von Kr. 1 20l 153. gleich durch- 
schnittlich Kr. 2.19 per Meterzentner verkauften Sprits. 

Gestützt auf die zugänglichen Daten ist in den 
beiden diesem Artikel beigefügten Diagrammen der 
pro Kopf entfallende Spritabsat/ der \crwallung im 
Jahr 1905 nach Amtsbezirken zur Darstellung gebracht 



SCHW 

worden. Die Diagramme können demnach naturlich 
nicht ein Bild des schliesslichen Verbrauches geben : 
sie orientieren vielmehr bloss in allgemeiner Weise 
über dessen örtliche Bepartition. Ks ist klar, dass 
bei Beurteilung der letztern besonders da* Vorhanden- 
sein von spritverbrauchenden Grossindustrien zu »»«•- 
rücksichtigen ist. 

Von den Kinnahmen der Verwaltung sind nun Mos« 
noch die Monopolgebiihren, von den Ausgaben die Rück- 
vergütungen bei der Ausfuhr, die Zinse und die Aufwen- 
dungen für den I'nterhalt der Verwaltungsgebäude. La- 
gerhäuser, Kontrolleinrichtungen etc. zu erwähnen. 
Wir Tilgen diese relativ untergeordneten Posten ohne 
weiteren Kommentar in die nachstehende Uebersicht über 
das finanzielle Ergebnis im Jahrfünft 1901-1905 ein : 

Einnahmen Fr. 

Saldovcrtrag aus dem Jahr 1900 335 

Verkauf von Trinksprit 47 155 225 

» Brenn- und Industriesprit . . 13310 462 

* » Gebinden 110 6*7 

Monopolgebühren auf Qualitätspirituosen . . 3 730 £>% 
ToUl der Einnahmen . . 64315963 
Aufgaben Fr. 

Beschaffung von Trinksprit 19260715 

» » Brenn- und Industriesprit . 9671 53." 

Gebinden UM 13 

Verkehrsfrachten . . . 1 201153 

Verwaltung 2138746 

l'eberschuss d.l'assivzinsc uberd. Aktivzinse . 25676 
Unterhalt und Vervollständigung der Aus- 
rüstung der Gebäude etc 186 1'J6 

Rückvergütung des Monopolgewinnes auf 

exportierten Erzeugnissen 90 5666 

Total der Ausgaben ~3TTl*4~*w 
l'eberschuss der Einnahmen über die Aus- 
gaben 308:»! 163 

Dieser L'eberschuss fand folgende Verwendung : 
Tilgung von Entschädigungen für aufgeho- 
bene Brennereien 21 481 

Einlagen in Fond« zur Erstellung von Ver- 
waltungsgebäuden in Bern und Oelsberg, 
sowie von Lagerhausbauten und Einrich- 
tungen in Oelsberg und Romanshorn . . 195000 
Verteilung an die Kantone (Jahresdurch- 
schnitt Fr. 6 071 492) 30 357 ViO 

Saldovortrag auf das Jahr 1906 .... 257 222 

Die Bilanz für Ende 1905 zeigt nachstehende« Bild : 
Aktiven. Kr. Kr. 

Lagervorräte : 

Trinksprit 1208760 

Brenn- und Industriesprit . 326228 

I ienaturierstoffe 208 780 

llolzgebinde 20983 

Steinkohlen i Rektifikation) . 6996 

17697»: 

Kontokorrent-Guthaben bei den 

Lagerhäusern und Mietdepots. 51 3 Kl 
Wertschrilien :-•> 

1 S21 5ti» 

Entschädigungen für aufgehobene 

Brennereien 4116927 

Baukosten : 

Verwaltungsgebäude in 

Bern 519949 

Verwaltungsgebäude in 

Oelsberg ..... 51 881 

Lagerhaiisbimlen. inklu- 
sive Bektifikationsan- 

stall 1923552 2495382 _66I2.H0 

8 433 Mit« 

Pasti ven . 

Fr. Fr. Kr. 

Eidgenössische Staatskasse . 1 3888* 

Kautionen 1 U0 

Kontokorrentguthaben der 

Spritbesteller 265*^ 

Baufonds 129 4 *7 

Zu übertragen 1 555 8K1 



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SC11W 



SCHW 



199 



Fr. 

P bertrag 

Funds au« Bussen wegen Ue- 

bertretung der Gesetze und 

Verordnungen 

Verfügbarer Ueberschuss der 

Betriebsrechnung . . . 

Amortisationen : 
Tilgung der festen Anleihe 
Einlagen in Baufond« . . 495000 
Verzinsung derselben . . 63325 

:öx ::-r. 

Ab : Bestand der Fonds Ende 
1906 129 447 

Tilgung der Kosten von La- 
gerhausbaulen etc. . . . 



Fr. 



Fr. 
I 655868 

s \~, 

257 222 
IX2I50O 



,'«NHNM 



428 878 
2MI3I 



0012309 



{(ied. Mitteilung 

URH lUHKKTION l>*H BIDO. A l.kOllllLV KU W AI.TL NU ) 



Erledigung der den Handel betreuenden Fragen beauftragt 
war. sondern das« dies«» von der ( Hicrzolldircklion behan- 
delt wurden. Mit der Zeil erkannte mau dann allerdings, 
da*« dieses Vorgehen den Verhältnissen nicht entspreche. 
Die Folge war ein im Juli 1X61 aufgestellte« Postulat der 
eidgenossischen Bäte, das den Bundesrat zur Prüfung der 
Frage einlud, ob es nicht am Platzt- wäre, die bestehende 
Organisation des Bepartementes im Interesse des schwei- 
zerischen Handels abzuändern. Durch Botschaft \oui 
5. Juni 186.'! schlug sodann der Bundesrat den Bäten vor, 
heim seihen Departement die Stelle einet eigenen Hm- 
d elssekretärs neu zu schallen. Dieser Antrag wurde 
an^enummen und die vorgeschlagene Stelle durch Ge- 
setz vom l.Auuust desselben Jahres errichtet. 1867 gab 
man dem Hamlclssekrelär noch einen Hegislrator-Kanz- 
lislen bei. Dies war der erste Keim einer hesondern 
Verwaltungsahteilung für die Besorgung der den Handel 
betreffenden Geschalte. 

Organisation und Geschäftskrcis des Bepartementes 
haben in dem von uns eben RUtetM I m fang bis Knde 
Juli 1X73 lieslandeii. Neben der Krletligung von reinen 
Verwaltungsangelegenheilen und von Fragen innerer 




I ! 2 300000 



Trinkspritverkauf der oidg. Alkobolverwaltuog im Jahre 1905 nach Absug der ins Au-Iaml exportierten Meinten. 



6. Handkj.s-, Isdistrie- DKD Landwirtschai-tsiiepak- 
tkhent. Die den Handel, die Industrie und die I.andwirt- 
»ctiifl betreffenden Verwaltungsgeschäfte sind seit der 
'irnnduDg der Fidgenossensehalt in ihrer heutigen Gestalt 
*on verschiedenen Departementen geführt worden, wie 
wir es im Folgenden ausfuhren wollen. 

1. In Vollziehung der Kundesverfassung vom 12. Sep- 
tember 18IX erliessen die eidgenössischen Bäte unterm 
16. Mai 1849 einen Bundesbescnluss über die Organisation 
nnd den Geschäftsgang des Bundesrates, der neben andern 
fin Handelt- und Zolldepartenient schuf. Diesem wurden 
folgende Aufgaben zugewiesen: 1) Unterstützung des 
Handels und der Industrie im Allgemeinen, mit Inbegriff 
des auf Handelsverhältnisse bezüglichen Verkehrs mit 
den Handelskonsuln ; 2) Aufrechterhaltung der Handels- 
freiheit innerhalb des Gebietes der Schweiz; 3) Handels- 
verträge mit dem Ausland : 4) Feststellung der allgemeinen 
Handelsverhältnisse der Schweiz. Es erscheint als eigen- 
tümlich, dass zunächst kein besonderer Beamter mit der 



Natur — wie Unterhandlungen mit den kantonalen Begie- 
rungen über die Verbrauchsgebühren, den Handelsbetrieb 
an Messen und .Markten, das Hausierwesen, die Weg- 
polizei. Schiffahrt und Flösserei — sind entweder unter 
der Leitung oder mit Unterstützung des Departementes 
im Zeitraum 1849-1873 folgende Arbeiten durchgeführt 
worden: I.Vorarbeiten und Unterhandlungen für den 
Abschluss von Handelsverträgen mit den Vereinig- 
ten Staaten von Nordamerika (I8"iM). der Begierung 
von Sardinien (1851). Frankreich zur Regelung der 
internationalen Stellung des Pays de Gex (1898 und 1853). 
Grossbr itanni en (1KV>). Belgien ilXOI-1862), den 
Niederlanden (1861*1806), Japan (1861-1884), Frank- 
reich < 1862-18641. dem deutschen Zollverein (1868- 
1809». Italien (1862-1x65». Hawaii <l804i. Oester- 
reich (1867-IN68). dem Kirchenstaat < 1867 - lX*i8>. 
Spanien (1868-1869). Porluga I i 1X68- 1873), Buss- 
land (1870-1876), Dänemark |187I-I873) und Persien 
| (1873). — 2. Unterhandlungen mit Sardinien. Baiern 



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200 



SCIIW 



SCHW 



und Württemberg betreffend gegenseitige Abschaffung I 
der Palcnltaxen für Handelsreisende ( lK.V2-IX.Vll : Unter- 
handlungen mit Raden betr. Zollabfertigung und gegen- 
seitige AbschaMung der Patenltaxen für Handelsreisende 
(1X\3i. — M. Schritte bei der französischen Regie- 
rung und den Staaten de* deutschen Zollvereins 
zu dem teilweise mit Erfolg gekrönten Zweck, das Verbot 
der Ausfuhr von Vieh und verschiedenen anderen Bedarfs- 
artikeln aus ihrem Staatsgebiet, das diese Länder beim 
Ausbruch des dcutsch-IVanzosischen Krieges erlassen 
hatten, zu gunsten der Schwei/ entweder ganz, aufzuheben 
oder wenigsten«? einzuschränken (IX7ih. — 4. Nach Be- 
fragung der Handel*, und Industrievereine erfolgte Aus- 
arbeitung einer Denkschrift* zu Händen einer anfälligen 
Revision des schweizerischen Zolltarifs. 

II. Her liundesbeschluss von lK-tt) über die Organisation 
des Hnndesrales halte die damals nur wenig bedeutende 
Eisenhahnverwaltung dem Geschäftskreis des Departe- 
mentes des Innern zugeteilt. Das Bundesgesetz vom 
'23. Dezember 1X72 betr. den Hau und den Betrieb der 
Eisenbahnen auf Gebiet der schweizerischen Eidgenossen- 
schaft legte dem llundesrate zahlreiche und zum Teil be- 
deutsame neue Verpflichtungen auf. die bisher denKanlonen 
zugefallen waren. Da nun dem Departement des Innern 
zu jener Zeit schon eine ganze Menge von Verw iltungs- 
zwetgen zugeteilt waren und es die mit der Ausführung 
des Gesetzes vom 23. Dezember 1X72 verbundene Vermeh- 
rung der Geschäfte zu stark belastet hätte, erachtete es 
der Bundesrat fur angezeigt, seine Organisation in dem 
Sinne abzuändern, dass die Eiseriiiahngcschaftc davon 
abgetrennt und als besondere Ven\aluifig>ahteiliiMg einem 
andern Departement zugeteilt werden sollten. S<> bean- 
tragte er iler Bundesversammlung durch Botschaft vom 
11. Juli 1X73 die Aufhebung de- bisherigen Handels- und 
Zi.Ildepiirlemenles und dessen Ersetzung durch ein neues 
EnrnOal,»- ximl llau<h'U(h')uirlei,ii-nl , wobei zugleich 
das Zollwcsen dem Finanzdepartement anzugliedern wäre. 

Dieser Antrag ist durch Rundesbosrhluss vom 2S. Juli 
1X73. der am I. August desselben Jahres in Kraft trat, 
bestätigt worden, worauf die so geschallene neue Organi- 
sation bis Ende 1X7X unverändert bestehen blieb. 

Der Geschäftskreis der diesem neu geschalfenen Depar- 
tement angegliederten Abteilung für Handel wurde durch 
Zuteilung aller die Ausstellungen in der Schweiz und im 
Ausland betretenden Angelegenheiten, die bisanhin dem 
Hessort dos Departementes des Innern angehört hatten, 
erweitert. Das Personal der Abteilung bestand aus dem 
Handi lssekn tar. einem Kaiub-Ien - Febersetzer und — 
späterhin - zwei Kopisten. Von den durch die Abteilung 
lur Handel im Zeilraum IST:»- IX7X erledigten Geschäften 
seien folgende genannt : 

I. Vorstudien für den Abschluss von Handelsverträgen 
oder -übereinkommen mit Italien IX7.VlX7xi. Frank- ; 
reich OX7.V 1X7X| , Rumänien l IX7r>-IX7X) . Oester- 
reich (IS77) und dem Deutschen Reich <IX7Xi. - 
2. Organisation der schweizerischen Beteiligung an den 
Weltausstellungen von Philadelphia IX7t> und von 
Paris IX7X. — ;{, Massnahmen betr. die Anwendung des 
Art. 31 der neuen liindesverlassung (von 1X71 1, der die 
Handels- und Gewei 'befreiheil gewährleistet ( Wirtsohafls- 
palente, llau»lerpatente. Jahrmarkthcwilligungcn etc. i ; 
ferner die Behandlung von zahlreichen diese Fragen be- 
treffenden Rekursen iT>'i im Jahr 1x75: W im Jahr IX7»>; 
3T> im Jahr 1X77: :ts im Jahr 1X7X). - \. Ausarbeitung 
einer Gesct/esvorlage iiber die Ausgabe und den Buckzug 
von Banknoten, sowie einer darauf bezüglichen Botschaft 
f 1X7 V). — ."i. Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage betr. die 
Arbeit in den Fabriken, sowie einer darauf bezüglichen 
Botschaft ( lX7i-IX7."i). Nach der Proklamierung dieser 
Vorlage zum Gesetz: Aufstellung der Autführungsmass- ■ 
regeln und Organisation des Fabrik inspektorates f I S77 
bis lX7Xi. 

III. Dil' neue Bundesverfassung von 1X71 hat den 
Wirkungskreis des Bundes beträchtlich erweitert und 
dem Bundesrat zahlreiche neue und sehr bedeutende 1 
Pllichteu auferlegt, die ihrer Natur nach zumeist in den 
Gcschäftskreis des Departementes des Innern fielen. 
Dadurch sah sich dieses Departement von neuem mit Ge- 
schäften überladen, sodass der Bundesrat den eidgenös- 
sischen Bäten durch Botschaft vom Ii. Mai IX7X die 



Notwendigkeit einer Reorganisation der Zentral Verwaltung 
im Sinne einer gleichmässigcren Verteilung der Geschäfte 
unler die einzelnen Departemente darzulegen sich verao- 
lasst sah. In dieser Botschaft beantragte er folgende Kom- 
bination ' Vereinigung der Eisenbahnabteilung und der 
im Bestand ihres hohem Beamlenpersonals auf neue 
Grundlage zu stellenden Postverwaltung zu einem beson- 
deren Departement und Schaffung eines aus der Handels- 
abteilung und einem beträchtlichen Teil der bisherigen 
Geschäfte des Departementes des Innern zusammenzu- 
setzenden llanilfU- um! Lami»'irlsrhaflsde}>nrti'nn'ule*. 
Dieser Antrag erhielt seine Sanktion durch den Bundes- 
heschluss vom 21. August 1X7X. der am I. Januar Ix7<i in 
Kraft (rat. Damit waren dem neuen Departement folgende 
Geschäfte zugeteilt: a) Unterstützung von Handel und 
Industrie im Allgemeinen, inbegriffen der Verkehr mit 
den Konsulaten, soweit sieh dieser auf Handels- und Aus- 
wanderungsangelegenheilen bezieht: bi vorbereitende 
Arbeiten fur Handelsvertragsunterhanuliingen; cj Anstände 
im internationalen Verkehr ; d) Mas> und tiewicht ; e) Aus- 
stellungen in der Schweiz und Ausland (ausgeschlossen 
Schul- und Kunstausstellungen); 0 Ausführung des Bundes- 
gesetzes betreifend die Arbeit in den Fabriken: gi Schutz 
des gewerblichen, literarischen und künstlerischen Eigen- 
tums gemäss Bundesgesetzen und internationalen Ver- 
trägen ; h) Aufsicht über die Versicherungsgesellschaften : 
ii Unterstützung der Landwirtschaft im Allgemeinen und 
Subventionen an landwirtschaftliche Unternehmungen 
im Resonderen ; k) Viehseuchenpolizei ; I) Massnahmen 
gegen Schäden, welche die landwirtschaftliche Produktion 
bedrohen . in) Forslpolizei im Hochgebirge; n) Ausübung 
der Jagd- und Fischereipolizei, soweit solche dorn Bund 
zusteht ; 0} Aufsicht über die Auswanderung. 

Im Laufe der Jahre sind diesem Programm der Reihe 
nach noch folgende Verwaltungszweige angegliedert wor- 
den : Ausführung des Bundesgesetzes betreuend die Fa- 
brikation und den Vertrieb von Phosphor-Zündhölzchen ; 
Kontrolle und Garantie des Feingehaltes von Gold- und 
Silberwaren; Handelsregister und schweizerisches Han- 
delsamlslilati ; gewerbliche um! industrielle Berufsbil- 
dung; Re-elong des Handels mit i'e.ld- und Silberabfallen. 

Die auf die Sicherung v,u Handels- un 1 1 ie Werbefreiheit 
in der Schweif bezüglichen Fragen, die früher der Ab- 
teilung für Handel /u-eteilt waren, -md seit i. Januar 
1879 dem .luNiudr>iartetn<'iit /.ugru u-eti. Das neue Han- 
dels- und Laudwir i>eii;itt>.le|iai temeni v urde durch Ban- 
desgesetz vetu '27. Juni 1XXI ,.1 gatusiei 1 und in die drei 
Abteilungen I. Handel und Industrie. 2 Land w irt- 
schaft. .1. Forstwesen gegliedert. Die gleiche Eintei- 
lung ist auch vom Buntlesgesetz vom 21. April 18&i auf- 
recht erhalten worden. Das Personal bestand zunächst 
(nach Gesetz vom 21. August 1878) aus einem Sekretär, 
einem Registralor, einem Uebersetzer und einer unbe- 
stimmten Anzahl von Kan/.listen. Das Organisationsgesetz 
vom 27. Juni 1881 schuf dazu noch zwei Adjunktenstellen 
des Sekretir-Bureauchefs der Handelsabteilung. Dereine 
dieser Adjunkten wurde mit der Leitung der Abteilung 
fur Landwirtschaft betraut. Das Gesetz vom 21. April 
18S1 endlich wandelte die Sekretärstelle in die Stelle 
eines Abteilungschefs um. welch' letzterem zwei Sekretare, 
je einer für den Handel und für die Industrie, beigegeben 
wurden, und machte folgende Stellen, die der Heine nach 
auf dem Budgetweg geschalten werden nmssten und pro- 
visorisch besetzt waren, /u definitiven Reamtnngen : Sta- 
tistiker. Sekretär für da-- Handelsregister. Redaktor des 
Handelsamtsblattes, Begistei fuhrer lur Fabrik- und Han- 
delsmarken. 

W ährend der Dauer dieser Organisation hat das Depar- 
tement folgende in den Geschäftskreis seiner Abteilung 
für Handel und Industrie einschlagende hauptsächlichste 
Arbeiten entweder ausgeführt oder vorbereitet : 

I. Vorarbeiten für die Erneuerung der Handelsverträge 
mit dem deutschen Zollverein, Belgien und Ja- 
pan (I879I. — Abschluss einer /.eilw«»isen Handelsüber- 
einkunft mit Italien (1879). — Abschluss einer Handels- 
ubereinkunft mit Serbien (1879). — Austausch von Zoll- 
deklarationen mit Belgien, die beiden Ländern gegen- 
seitige Zollbehandlung nach dem Prinzip der meistbe- 
günstigten Nation zusichern (1X79). — Unterhandlungen 
und Abschluss eines Handelsvertrages mit Serbien 



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SGHVV 



SCllW 



,l**Oi - Unterhandlungen und Abschluss eines Handels- 
.ertrag;«-*, einer Uchereinkunft betr. gegenseitigen Schutz 
um Fabrik- und Handelsmarken, sowie von gewet blichen 
Mustern und Modellen, einer Uebereinkunfl betreHend 
die nachbarlichen Beziehungen und die Forslpolizei in den 
Grenzualdungen und einer Tehereinkunft betreffend das 
/ollwesen zwischen dem Kanton f.enf und der zollfreien 
Zone von Hochsavoyen, alle mit Frankreich (IN8I-1882). 

— I ' nterhandlun^en und Abschluss eines Mandelsvertrages 
mit d.'m Deutschen Reich (1881). — Erhebungen zum 
Zwecke der llandclsvertragsuntcrhandlungcn mit Italien 
und mit Spanien (1881 j. — Erhebungen zum Zwecke 
der Revision des I8fil zwischen Frankreich und der Tür - 
k e i abgeschlossenen und nun auch auf schweizerische Pro- 
dukte anzuwendenden Zolltarife* i 1882.1. Abschluss eines 
endgdligen Handelsvertrages mit Italien i 1882). - Vor- 
tH'i-eiteiide Erhebungen und Studien für den Abschluss 
>nn Handelsverträgen mit Griechenland und der 
Tr an aal re p u hl i k 1 1HS4). Mitwirkung am Ab- 
schluss von Freundschaft*-. Handels- und Nicderlassungs- 
vertr.igen mit Transvaal und Fcuador i INN5';. — Stu- 
dien über die Wirkung der Handelsverträge mit dem 
Deutschen Reich und mit Oesterreich -Ungarn, 
unternommen und ausgeführt zu dem Zw eck einer all - 
fälligen Kündigung dieser Verträge (1885). Unterhand- 
lungen und Abschluss eines Handelsvertrages mit Humä- 
nien 1IN8O1. — Unterhandlungen mit dem Deutschen 
R e i h zwecks Revision des Handelsvertrags (INNO und 
1Nn7i. — Vorarbeiten für die Handelsverlragsiinlcrhand- 
lungen mit Belgien (1887|. — Abschluss einer provi- 
sorischen Handelsübereinkunft mit Griechenland 

■ IjsMT . — Vorarbeiten für die Unterhandlungen zum Ab- 
schluss eines neuen Handelsvertrages mit Italien (INN"). 

— Mitwirkung an den Unterhandlungen mit Argen- 
tinien. Ecuador und Paraguay zwecks Abschlusses 
i n l-reundachafts-.Niederlassungs-und Handelsverträgen 

2. Abschluss eines Uebereinkommens mit dem liross- 
lierzogtum Baden betr. die Rheinschiffahrt (18711). 

'.}. Abschluss eines Uebereinkommens mit Portugal 
betr. gegenseitigen Schutz der Fabrik- und Handelsmar- 
ken M882i. 

4. Schritte bei verschiedenen Staaten (Oesterreich- 
Ungarn, Spanien etc.) zwecks Erlangung der Gegenseitig- 
keit des Sch u tzes des literarischen und künst- 
le r i sc he n K i c e n tu m s ( INSUi. — Unterhandlungen mit 
der englischen Regierung zwecks Abschlusses eines I eber- 

• inkoTimens betr. den Schutz des literarischen und künst- 
lerischen Eigentums lohne Erfolg; 1NN3). 

.">. (cberinittlung an 41 Staaten des von der internatio- 
nalen literarischen Assoziation in ihren Sitzungen vom 
lO.-l.'l. Sepieiiiher in Bern ausgearbeiteten Projektes ei- 
ner internationalen Ueberei n kunft zum Schutz des 
literarischen und künstlerischen Eigen tu ms 
und Einladung dieser Staaten zur Teilnahme an einer 
1)**4 stattzufindenden diplomatischen Konferenz zur Prü- 
fung der Frage ( INH3). — Organisation der eben erwähnten 
diplomatischen Konferenz (1NM). 

»i. Ausführungsmassregeln zur Inkraftsetzung der inter- 
nationalen Konvention zum Schutz des ge- 
werblichen Eigentums, welche Uebereinknnft die 
r.nindung eines internationalen Bureaus in Bern vor- 
schreibt (IHN4). 

7. Verhandlungen mit den wichtigsten Industriestaaten 
iwecks Vereinbarung einer internationalen Fabrik- 
gesetzgebung (1NNI). 

x. Mitwirkung an der Organisation der schweizerischen 
Abteilung an der Weltausstellung von Melbourne 
tsHO:. Organisation der schweizerischen La ndes- 
jusstellung in Zürich (I883j und der Exposition 
d Horlogerie in La Chaux de Fonds (1881 1. — Amt- 
liche Organisation der schweizerischen Beteiligung an der 

• i. werbea usstell ung in Antwerpen und der Aus- 
stellung von Erfindungen in London, die beide 
N85 abzuhalten waren (1884). — Vorarbeiten für die offi- 
zielle Beteiligung der Schweiz an der Weltausstellung 
'on Paris 1889 1 1*87). 

5>. Zahlreiche Beschlüsse betr. die Ausführung des Oe- 
selzes uber Mass und Gewicht (1879). 
10. Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlages betr. den 



Schutz der Fabrik- und Handelsmarken 11879). - 
Ausführungsmassregeln zu diesem Gesetz ilNNO). 

11. Ausarbeitung eines Geselzesvorschlages über die 
Kontrolle und Garantie des Feingehaltes von 
Gold- und Silberwaren (1879). — Ausführungsmass- 
regeln zu diesem (leset/ (1881). - Ausarbeitung und 
Drucklegung einer Sammlung der in Kraft stehenden Er- 
lasse betr. die Kontrolle der Gold- und Silbervvaren (iNSo). 

12. Vorarbeiten für die Aufstellung eines Gesetzesvor- 
schlages betr. die Versicherungsiinternehmungen 
(1879). — Redaktion eines diesbezüglichen Geset/esent- 
vviuTes und Massnahmen zur Ausführung dieses Gesetzes 

| , ISSUlNN.'.). 

LI. Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlages über den 
Geschäftsgang der A u s wa nd er u ngsag en t u ren 
(1S7".>). - Massnahmen zur Ausführung dieses Gesetzes 
(INN)). 

14. Massnahmen zur Ausführung des Bundes^esetzes 
betr. die Fabrikation und d e n V e r l r i e b v o n Z u n d - 
bolze he n (INNO). — Ausarbeitung eines Bcglemenles 
betr. die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen 

(I882i. 

).">. Untersuchungen über die Möglichkeit einer Abän- 
derung der Bundesverfassung in dem Sinne, dass der 
neue Text die Gesetzgebung über den Schutz der Er- 
findungen und der gewerblichen Muster und 
Modelle gestatte (INNO-INSI). — Diesbezüglicher Vor- 
schlag, der Bundesversammlung am 215. November 1881 
unterbreitet ivon den eidg. Bäten am 28. April INN2 ange- 

| nominell, in der allgemeinen Volksabstimmung vom 

j '30. Juli INN - ,! dagegen verworfen). 

10. Ausarbeitung eines Geselzesvorschlages betr. den 

: Schulz des I i t e ra r i sc Ii e n u n d künstlerischen 

i Eigen tu ins (INN! ). — Massnahmen zur Ausführung des 

■ Bundesgesetzes über diese Materie JNXli. 

17. Studium eines Gesuches der Zürcher Regierung betr. 
die Errichtung einer eidgenössischen Handcls- 
k a in me r llNSl). 

IN. Erhebungen über den Stand derjenigen Ge- 
werbe und Industrien, die sich über die bestehenden 
Handelsverträge beklagen, und über die Möglichkeit der 
Beihilfe zur Hebung dieser Gewerbe, sei «s durch Ab- 
änderung der Tarifansätze, durch Subventionierung von 
Gewerbe- und Kunslgewv rbeschulen. oder durch irgend 
welche andere Mittel ilNS2). — Abschluss dieser Kn<iuete 
und Vorlage an die eidgenössischen Rate eines Berichtes, 
der einen Run d es bes c h I nss bei r. d i e gew e rb I i c he 
und industrielle Ii e ru fsbi ld u ng anregt (18X1). — 
Ausführungsmassregeln zu diesem Bundesbeschluss vom 
27. Juni INNi (1881). 

19. Organisation des Handelsregisters und des 
Handel saintshl altes (18X2). — Zahlreiche prinzipielle 
Entscheidungen in Sachen der Eintragung in das Handels- 
register (I88:i). 

20. Enouele und Bericht an die Bundesversammlung 
über ein Postulat betr. die Wahrnehmung der W irt- 
schaft liehen Interessen der Schweiz im 
Ausland ( iNSl). 

21. Vorarbeiten für ein Bundesgesetz, betr. die 
Haftpflicht im Fabrikbetrieb (18NÖ). — Ausarbei- 
tung eines diesbezüglichen Gesetze scntvvurfcs und Vorlage 
desselben an die eidgenossischen Räte (lN«i). — Mass- 
nahmen zur Ausführung dieses Gesetzes (ISN7). 

22. Ausarbeitung eines Geselzeseiitwurfes über den 
Handel mit Gold- und Si I bera b f ä 1 !en (INST.). - 
Massnahmen zur Ausführung dieses Gesetzes. 

Auf dem Gebiete tler Landwirtschaft hat das Departe- 
ment seine Aufmerksamkeit in erster Linie auf die be- 
ständige Hebung dieses Zweiges unserer nationalen Er- 
vverbslatigkeil gerichtet, und zwar im besonderen auf alle 
Fragen betreuend die Bodenverbessening, die Pferde- 
und Bindvichzucht, die Anlage eines schweizerischen 
Herdbuches (Zuchtstammbuches), die Viehseuchenpolizei 
im Innern unseres Landes und in internationaler 
Hinsicht, den Kampf gegen die Reblaus und die Blut- 
lau-., die Subventionierung von landwirtschaftlichen 
Vereinen und Gesellschaften (Schweizerischer Obst- und 
Weinbaliverein, schweizer, alpwirlschaftlicher Verein, 
schweizer, landwirtschaftlicher Verein, landwirtschaft- 
licher Verein der romanischen Schweiz etc.), die Unler- 



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202 SCHW 

Stützung von verschiedenen landwirtschaftlichen Spezial- 
ausstellungen in der Schweiz und im Ausland, die Teil- 
nahme der schweizerischen I .and Wirtschaft an der Landes- 
ausstellung in Zürich 1883 und an den schweizerischen | 
Landwirtschaftsausstellungen in Neuenburg 1887. Bern ! 
1895 etc. 

Mit Hinsicht auf die Forst-, Jaqd- und FischereifioliztH 
nennen wir an dieser Stelle die Veranstaltung von Forst- 
kursen zur Heranbildung des untern Foratpersonales 
(Unterförster und Forsthüter), die Prüfung von Auffors- 
tungsprojekten und deren Bundesunlcrstutzung. Wald- 
vermessung (Triangulation) etc., Massnahmen betr. den 
Vogel- und \Vildschutz, sowie die Hut der Jagdbannbezirke. 
Verständigungen mit den Nachbarstaaten mit Bezug auf i 
die Fischerei in den Grenzgewässern, Subventionierung 
der schweizerischen Fischbrutanstalten etc. 

Von den die AunuvmdiTung bescldagenden Geschäften 
endlich seien erwähnt die Ausarbeitung eines Gesetzesvor- 
schlages betr. die Geschäftsführung der Auswanderungs- 
agenluren (Bundesgesetz vom 21. E>ezember 1880) und die 
Massnahmen zur Ausführung dieses Gesetzes. 

IV. Unterm ä. April 1887 hatte der Bundesrat der Bundes- 
versammlung einen Bericht unterbreitet, in welchem er, 
um vielfach zu Tage tretende Unannehmlichkeiten aus 
dem Wege zu räumen, die Absicht aussprach, die beste- 
hende Organisation versuchsweise abändern und die Er- 
gebnisse dieser Neuordnung den Bäten in ihrer nächsten 
Session vorlegen zu wollen. Diese Unannehmlichkeiten be- 
standen in der Hauptsache darin, dass der Bundespräsi- 
dent jewcilen die Leitung des politischen Departementes, 
als des am wenigsten mit Arbeit belasteten Ressorts, zu 
übernehmen genötigt war. Biese Verhältnisse haben wir 
im Abschnitt apolitisches Departement» schon eingehend 
geschildert. Während das politische Departement auf 
diese Art seit 1848 nahezu stationär geblieben war. 
hatte sich der Geschäftskreis aller übrigen Hessorts mehr 
oder weniger erweitert, woraus sich allmählich eine 
starke Ungleichheit in der Verteilung der Geschäfte unter 
die einzelnen Departemente ergab. 

Diesem unhaltbaren Zustand konnte einzig eine Neu- 
ordnung abhelfen, deren Grundlagen vom Bundesrat aufs 
eingehendste durchberaten worden waren. Am 9. Juni 1887 
nahm die Bundesversammlung von der Mitteilung des 
Bundesrates Kenntnis und heschloss, Bericht und Vor- 
schläge zur Abänderung des Bundc*he*chlusses über die 
Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates 
von 1878 abzuwarten. Der Beschluss des Bundesrates vom 
8. Juli 1887 betr. die provisorische Neuordnung ist sodann 
am 1. Januar 1888 in Kraft getreten. Die hauptsächlichste 
Neuerung bestand in der Schaffung eines Departementes 
des Auswärtigen, das nicht notwendigerweise unter die 
Leitung des Bundespräsidenten gestellt werden musste, 
welch' letzterer im Gegenteil an der Spitze desjenigen 
Departementes verbleiben konnte, welcliem er zur Zeit 
seiner Wahl gerade vorstand. Das neue Departement be- 
stand aus drei Abteilungen:!, der politischen Ab- 
teilung (bisheriges politisches Departement). 2. der 
Handelsabteilung und 3. der Abteilung für Aus- 
wanderung, die bisanhin dem Handels- und Landwirt- 
schaftsdepartement angegliedert gewesen war. Die Han- 
delsabteilung entsprach der ehemaligen Abteilung für 
Handel des Handels- und Landwirtschaftsdepartementes, 
war aber von verschiedenen Geschäftszweigen, die an 
andere Departemente ubergingen, entlastet worden, so 
besonders von allen den Angelegenheiten, die die Forde- 
rung von Handwerk, Gewerbe und Kunstgewerbe, die Ar- 
beitergesetzgebung, das Berufsbildiingswesen, die Ausstel- 
lungen in der Schweiz (exkl. Schul- und Kunstausstellun- 
gen), Mass und Gewicht, sowie die Aufsicht über die privaten 
Versicherungsunternehmungen betreffen, indem diese der 
Abteilung für Industrie eines neuen Industrie- und Land- 
wirUchafUdepartenienlcs überwiesen wurden. Die Ab- 
teilung für Handel blieb dagegen mit der Forderung des 
Handels im Allgemeinen, den Handelsverträgen, den An- 
ständen betr. den internationalen Verkehr, den internati- 
onalen Ausstellungen, dem Amt für gewerbliches, litera- 
risches und künstlerisches Eigentum, der Kontrolle über 
den Handel mit Gold- und Silberwaren und dem schweize- 
rischen Haudelsamtsblalt beauftragt, woran sich der Beide 
nach anschlössen das kommerzielle Bildungswesen (Bun- 



SCHW 

desbeschluss vom 15. April 1891) und die Paten t laxen der 
Handelsreisenden (Bundesgeset/. vom 24. Juni 1893). 

Das Departement des Auswärtigen hatte von Anfang an 
nur provisorischen Charakter und wurde denn auch am 
1. Januar 1896 durch eine neue Organisation ersetzt, die 
(wie wir in Abschnitt V sehen werden) das politische 
Departement als ständiges Departement des Bundespräsi- 
denten wieder herstellte und die Abteilung für Handel dem 
nun zum Handels-, Industrie- und Landwirtschaft«- 
departement gewordenen ehemaligen Industrie- und Land- 
wirtschaftsdepartement zuwies. 

Diese Periode von 1888 bis F.nde 1895 war für die Han- 
delsabteilung eine besonders arbeitsreiche Zeit gewesen, 
wie aus nachfolgender Aufzählung der wichtigsten Ar- 
beiten, die sie geleistet oder an denen sie teilgenommen 
hat, zur Genüge hervorgehen dürfte: 

1. Fortsetzung der Unterhandlungen mit dem Deut- 
schen Deich und Abschluss einer Zusatzühereinkunft 
zum Handelsvertrag von 1N3I (1888). — Unterhandlungen 
und Abschluss eines neuen Handelsvertrages mit Oester- 
reich-Ungarn (1888). -- Fortsetzung der Unterhandlungen 
mit Italien und mit Belgien und Abschluss von 
Handelsverträgen mit diesen beiden Staaten (IWfMW'. 

— Mit« irkung ;<n den l'nte: handhiiigen zum Abschluss 
eines am W< November IsHi* perfekt gewordenen Nieder- 
lassung-- unil Jl.iriilel-\er:r»ge- mit dem Kongostaat. 

— Unterhandlungen i p".iiltai!us ■ mit Japan zwecks 
Absei) l N sm-- eine» ll.uidrMertr.iges ,1889). — Handels- 
übereinkunft mit der Türkei, zustande gekommen durch 
zwischen dem tmki^< ■ ) i ■ • r i Ministerium dpR Auswärtigen 
und dem fran/'-v.^ iirn Hutschafter in Konstantinopel ge- 
wechselte Noten . ivxr. Meiches Abkommen mit Bul- 
garien durch Vermittlung d> s diplomatischen Agenten 
Frankreichs in Solu , 1SUU,. Erhebungen zwecks Handels- 
vertrag -nntn lutndlungrn mit Aegypten i tSS<0). — Han- 
delsvertraesuiiicrlLanrll iiiigon (resultatlos) mit Mexiko 
(1890). — Statistische Arbeiten mit Hinsicht auf die be- 
vorstehende l'.rneuerung der Handelsverträge mit den 
hauptsächlichsten Staaten Europas (IS"»*- 
18HCI>. - Unterhandlungen und Abschluss von neuen 
Handelsverträgen mit De u t s c h l a n d und mit Oester- 
reich-!* ngarn (18lrl). Unterhandlungen und Ab- 
schluss eines neuen Handels* ertrages mit Italien ond 
einer Handelsübereinkunft mit Spanien (1892). — Un- 
terhandlungen und Abschluss eines Handelsabkommens 
mit Frankreich (18112). Da dieses Abkommen von der 
französischen Depul ierienkaminor nicht genehmigt wurde: 
Massnahmen mr Durchfuhrum: des zwischen beiden 
Ländern ausgrbrociieneu Zollkrieges (Differentialtarif. 
Spezialverfügungen betr. die Einfuhr von Produkten der 
freien Zone \on Hochsavoven und des Pavs de Gex in 
die Schweiz etc.) (1893-189.*). Unterhandlungen und 
Abschluss einer Handelsübereinkunft mit Rumünion 
(1893). - Unterhandlungen und Abschluss eines Handels- 
vertrages mit Norwegen |1891i. •- Handelseinverneh- 
men mit Frankreich (!8H"i). — Unterhandlungen und 
Abschluss einer Uebereinkunft mit dem Deutschen 
Deich, die u. a. den Zweck hatte, der im Schw»izer 
Gebiet eingeschlossenen badischen Gemeinde Innungen 
gewisse Zollerleichterungen zu verschaffen (1816). Dane- 
ben Mitwirkung an der Revision des Zolltarifes (185*0). 

2. Organisation der Teilnahme der Schweiz an der 
Wellausstellung von Chicago 1«G (1890-18921. - 
Studium der Frage, ob nicht auf dem Wege einer inter- 
nationalen Uebereinkunft allgemeine Prinzipien über die 
Organisation und die Arbeitsmethode der 
Jurys an d en Weltausstellungen aufgestellt werden 
könnten (1893). — Einladung an die Regierungen der für 
gewöhnlich an den Weltausstellungen sich beteiligenden 
Staaten, sich an einer Konferenz vertreten zu lassen, deren 
Zweck die Diskussion der Frage der Aufstellung von ei n- 
h e i 1 1 i c h e n Prinzipien bei der Organisation und 
Durchführung von Weltansstellungen wäre (1894). Diese 
Konferenz hat kein Resultat ergeben. 

3. Studium der Frage der Forderung von zu gründenden 
H a n d e I s m u s e e n : Ausarbeitung eines den eidgenös- 
sischen Baten vorgelegten diesbezüglichen Berichtes 

■4. Erhebungen über die Frage, ob der Bund sich an der 
Forderung des kommerziellen Bild ungswesens 
tinan/iell beteiligen solle; Ausarbeitung einer Hotschaft 



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SCHW 

an die Bundesversammlung und des Projektes für einen 
ßundesbeschluss betr. Ausrichtung von Subventionen an 
das genannte ßildungswescn (1889-1890). Nach Annahme 
dieses Vorschlages durch die eidg. Räte (am 15. April 
IHM): Redaktion des notwendigen Vollziehungsreglemen- 

te* (1891). 

5. Ausarbeitung eines Vollziehungsreglementes zum 
hundesgesetz vom 24. Juni 1892 betr. die Patenttaxen der 
Handelsreisenden. Biese Gesetzesvorlage war vom Justiz- 
departement unter Mitwirkung der Abteilung für Handel 
vorbereitet worden, worauf der Bundesrat das Handels- 
departement mit der Ausführung des Gesetzes beauftragte 
[MM). — 1883 und folgende Jahre : Aufstellung zahlrei- 
cher Grundsätze und Fällung von Entscheiden betr. die 
Anwendung des genannten ßundosgesetzes. 

6. Während der Periode 1888- Ende 1895 hat das aus der 
Vereinigung der Abteilungen für Industrie und für Land- 
wirtschaft des einstigen Handels- und Landwirtschafts- 
departementes gebildete eidg. Industriedepartement noch 
sehr wichtige Aufgaben zu Tosen gehabt, die ausserhalb 
seines programmgemässen Arbeitskreises lagen. Zu nennen 
sind im besonderen : a) Vorarbeiten zur Schaflung einer 
Ge«erbegesetzgebung, sowie eines Versicherungsgesetzes 
gefen I nfall und einet solchen gegen Krankheit. — Aus- 
arbeitung einer Botschaft an die Bundesversammlung 
betr. Revision der Bundesverfassung in dem Sinne, dem 
Rund das Recht zur Gesetzgebung in Versieherungsange- 
legenheiten zu erteilen. Diejer Vorschlag ist von den 
eidg. Räten gutgeheissen und vom Volk in der allgemeinen 
Abstimmung vom 26. Oktober 1890 sanktioniert worden. 
Als Folge dieser Abstimmung Helen dem Departement ein- 
teilende Vorstudien hinsichtlich der Ausarbeitung eineB 
Geselzesentwurfes über die betr. Materie zu. — b) Vorbe- 
reitung eines neuen Bundesgesetzes betr. die Forderung 
der Laad Wirtschaft durch den Bund. BieBes Gesetz, das 
das Arbeitsgebiet der Abteilung für Landwirtschaft beträcht- 
lich erweitert, ist von den eidg. Räten am 29. Dezember 1893 
gutgeheissen worden und am 20. April 1894 in Kraft ge- 
treten. 

V. Durch Botschaft vom 4. Juni 1894 hat der Bundesrat 
den eidg. Räten über die Tätigkeit und den Erfolg der 
1887 provisorisch geschaffenen neuen Organisation Bericht 
erstattet und ihnen zugleich beantragt, das Departement 
des Auswärtigen aufzuheben und das politische Departe- 
ment wiederherzustellen, das von neuem unter der Lei- 
tung de* Bundespräsidenten stehen sollte, sowie die Ab- 
teilung für Handel dem Industrie- nnd Landwirtscharts- 
departement zuzuteilen, womit dieses zum Hamlets-, In- 
,iuttrie- und Landxrirlschaftsdepartenienl werden sollte. 
Die eidg. Rate genehmigten diesen Antrag mit Hundes- 
beschluss vom 25. Juni 1895, der am 1. Januar 1898 in 
Kraft trat und das Handels-, Industrie- und Landwirt - 
tchaftsdepartement mit der Vorbereitung und Er- 
ledigung folgender Geschäfte beauftragte: a) Förderung 
de« Handels im Allgemeinen; bi Vorarbeiten zu den 
Handelsvertragsunterhandlungen und Mitwirkung an der 
Zollgesetzgebung, sowie an der Aufstellung des Zolltarife* ; 
C schweizerisches Handelsamtsblatt ; dj Anstände bezüg- 
lich des internationalen Verkehrs; e) Palenttaxen der 
Handelsreisenden; f) Kontrolle über Handel mit Gold- 
und Silberwaren (durch Bundesratsbeschluss vom 7. Fe- 
bruar 1905 bis auf weitere» dem Finanz- und Zolldcparte- 
nnnt zugeteilt); g) Ausstellungswesen (cxkl. Schul- und 
Kunstausstellungen) ; h) Forderung von Industrie. Ge- 
werbe und Kunstgewerbe im Allgemeinen; i)Arbeitergesetz- 
;«-bung i Bundesgesetze betr. die Arbeit in den Fabriken 
und betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb; Kranken- und 
l'nfallversicherung etc. ) ; k) gewerbliches und kommer- 
zielles Bildungswesen; I) Förderung der Landwirtschaft 
im Allgemeinen und Subventionierung von landwirtschaft- 
lichen rntemehmungen im Besonderen ; m) landwirt- 
schaftliches Bilduiigswesen;n)Viehscuchenpoli/ei; o) Mass- 
nahmen eegen Schäden, welche die landwirtschaftliche 
Produktion bedrohen. Forst-, Jagd- und Fischereipolizei, 
w»ie die Auswanderung wurden dem Departement des 
Innern, die Ausführung des Bundesgesetzes betreffend 
Iieaufsichtigung von Privatunternehmungen auf dem Ge- 
biete des Versicherungswesens dagegen dem Justiz- und 
Poli/eidepartement zugewiesen. 

Das Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdeparte- 



SCHW 203 

| ment ist durch Bundesgesetz vom 26. März 1897 in fol- 
j gende drei Abteilungen gegliedert worden : 1. Handel, 
2. Industrie und 3. Landwirtschaft. Das zugewiesene Per- 
sonal bestand für die Abteilung Handel aus dem Ab- 
teilungschef, den Abteilungssekretären (wovon einer für 
das kommerzielle Bildungswesen und einer für das Han- 
delsamtshtatt), den Kanzleisekretäron, einem Uebersetzer, 
einem Begistrator, den Kanzlisten 1. und 2. Klasse und 
den Kanzleigehilfen ; dem Chef des Bureaus lür Gold- und 
Silberwaren, einem Begistrator, den Kanzlisten 1. und 2. 
Klasse, sowie den Kanzleigehilfen; für die Abteilung 
Industrie aus dem Abteilungschef. den Abteilungssekre- 
tären, den Kanzlcisekretären, einem Uebersetzer. einem 
Registrator, den Kanzlislen I. und 2. Klasse, sowie einem 
Auslaufer; den Fabrikinspektoren, Adjunkten 1. und 2. 
Klasse, sowie den Kanzlisten 2. Klasse ; für die A b t e i I u n g 
Landwirtschaft aus dem Abteilungschef, den Ablei- 
lungs- und Kanzleisekretären, einem Uebersetzer, einem 
Kulturingenieur, dem Viehseuchenkommissär, den Grenz- 
tierärzten, den Kanzlisten 1. und 2. Klasse, sowie einem 
Weibel. 

Im Folgenden wollen wir die Tätigkeit des Depar- 
tementes während der Periode 1896-1906 kurz zusam- 
menfassen. 

A. Handelsabteilung. Zu nennen sind hier neben 
der Untersuchung und Erledigung von zahlreichen inter- 
nationalen Zollanständen namentlich folgende Geschäfte : 

1. Unterhandlung und Abschluss eines Handelsver- 
trages mit Japan, einer die zwischen der Schweiz und 
Frankreich in Kraft stehenden Verträge und L'eberein- 
künfteauch auf Tunesien ausdehnenden l'ebereinkunft. 
von Handelsabkommen mit Argentinien und Para- 
guay (die aber von den Parlamenten der beiden Länder 
bis heute nicht ratifiziert worden und daher auch nicht 
in Kraft getreten sind), sowie einer Verständigung mit 
Bulgarien, die der Schweiz Zollbehandlung der meist- 
begünstigten Nation zusichert (1896). — Unterhandlung 
und Abschluss eines Handelsvertrages mit Chile (1897). 

Vorarbeiten für die Revision des Zolltarifs (1900- 
1902). Vorlage an die eidg. Räte eines Tarifprojektes, das 
als Grundlage für die Erneuerung der Handelsverträge 
mit den wichtigsten Staaten zu dienen hat. Dieses Pro- 
jekt ist, mit beträchtlichen Abänderungen, am 10. Oktober 
1902 von den Räten und in der allgemeinen Abstimmung 
vom 15. März 1003 auch vom Volk und den Ständen an- 
genommen worden und mit dem I. Januar 1906 in Kraft 
I getreten. 

Vorarbeiten für die Erneuerung unserer Handelsver- 
träge (1900-1903). — Beginn der Unterhandlungen mit 
dem Deutschen Reich betr. die Revision des Handels- 
vertrages von 1891 (1903). Diese auch im Jahr 1904 fort- 
gesetzten Unterhandlungen haben zum Abschluss eines 
Zusatzvertrages geführt (12. November 1904). der mit Be- 
zug auf die Einfuhrzölle in die Schweiz am 1. Januar 1906 
und mit Bezug auf die Einfuhrzolle in das deutsche Zoll- 
gebiet mit dem 1. März 1906 in Kraft getreten ist. 

Am 17. September 1903 Kündigung von Seiten der 
Schweiz des 1908 mit Italien abgeschlossenen Handels- 
vertrages. — Unterhandlungen mit diesem Land zwecks 
Abschlusses eines neuen Vertrages (1904). Diese Unter- 
handlungen haben am 13. Juli 1904 zum erwünschten Ab- 
schluss geführt. Der neue Vertrag ist mit Bezug auf die 
Eingangszölle in Italien am 1. Juli 1905 und mit Bezug 
auf diejenigen in die Schweiz am I. Januar 1906 in Kraft 
getreten. 

Unterhandlungen und Abschluss eines Zusatzabkom- 
mens zur Handelsiibereinkunft von 1893 mit Rumänien, 
Verlängerung der Gilligkeitsdauer dieser letzteren bis 
Ende 1917 betreffend (1904). 

Am 31. August 1904 Kündigung von Seiten der Schweiz 
des Handelsübereinkommens mit Spanien von 1892. — 
Mit dem nämlichen Land I'nterhandlung und Abschluss 
(19. August 1905) einer provisorischen Vereinbarung, die 
zunächst bis 1. März 1900 giltig war und dann bis zum 
1. Juli dieses Jahres verlängert wurde. Von diesem Tage 
an haben beide Staaten im gegenseitigen Verkehr ihre 
Generaltarife angewendet, bis der am I. September 1906 
abgeschlossene Handelsvertrag nach Ratifikation durch 
die eidg. Räte und die spanischen Kammern am 20. No- 
vember 1906 in Kraft gesetzt werden konnte. 



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204 



SCHW 



SCI1W 



Am 19. September 1904 Kündigung von Seiten der 
Schweiz des IK91 mit Oesterreich-Ungarn a bge- 



SCHWKI/KniSCIlK HaSuKLSVEHTKAI.K. 

In dieser Tabelle sind alle am 1. März l'JOT in Krad stellenden, 
ganz oder teilweise den Mündel betreibenden Vertrage und 
Abkümmen enthalten. Die mit * bezeichneten Verträge sind 
sog. Meisthegünstigungsverlräge. 



Staaten. 



Ahs-hlui* | Inkraftsetzung | Dauert! 



Helgien ' 
Bulgarien ' 
Chile' 
Congontaat ' 
Dänemark' 
Deutsches Heich: 

Handelsvertrag 

Zusatzvertrag 

l eherein kunlt betr. 
Hüsingen 

h'i'itailor' 

Frankreich : 

Handelskonvention') 
Grenznachbarliche 
Verbältnisse 
— Zusatzartikel 
Genf und freie Zone 
Tunis' 

Griechenland ' 

Gmxsbritanuieu ' 



3. vii. \m> ! 2it. xii. isxii | 

Notenaustausch vom 2K. II. IN97 



Italien 

Jaf tan ' 
S'teilerhtmle' 
ttestern-wh-lngani'-) 
l'ermcn ' 
Portugal ' 
Rumänien ' 
Huts In ml ' 
Salvador ' 
Serhwu ' '<) 
Spanten 
Türkei 



I«. 
10. 

10. 
12. 



X. W»7 

XI. ISStt 

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41. IX. WC» 
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II. 
VI. 
VI. 
X. 
VI. 
6. IX. 

13. VII. 

Ii». XI. 
10. VIII 
!». III. 

2:1. vii. 1x73 

2I>. XII. ItNCi 

a. in. wu 

20. XII. 1X72 

:iii. x. ixs3 

10. VI. ISWM 
I. IX. 1!«K» 
Notenaustausch vom 22. III. 
Verewigte Staaten ™) | l\ XI. 1*50 ] X. XI. IKV» 



10. V. 

29. VIII 
1. I. 

25. I. 
H>. VI. 

6. III. 
k1.VII.1HUG u. ( 

d. i. nun» 1 ! i 

17. VII. IhW 
I. X. 1M7S 

12. III. liK*' ! 
27. X. 1*7t 
21». I. I1MV7 

13. V. 1X93 

30. X. 1X73 

7. II. 18N3 
10. VI. IS«) 
20. XI. 1«W 



einkunft mit Portugal (HKk'x. deren Inkraftsetzung s 
erst am 25». Januar 1907 erfolgen konnte. Seit 1X02 bis zu 
diesem Zeitpunkt wandten beide Lfm. 1er ge- 
genseitig die Ansalze ihrer Gemrallarife an. 

Unterhandlung i.Wiö und 190»») und Ab- 
schluss ,20. Oktober 1006; einer Handelsüber- 
einkunft mit Frankreich zum Ersatz für 
den Modus vivendi von Wl.Y Diese Ueberein- 
kunfl ist nach mancherlei Schwierigkeiten 
am 23. November 1000 in Kraft getreten. 

Her Zusatzvertrag mit dem Deutschen 
Heich setzte die Zollgebühren zu gunsten von 
Schokolade herab, unter der Bedingung frei- 
lich, das* die Schweiz der am "». Marz l!«>i 
in Krüssel abgeschlossenen internationalen 
Zuckerkonvention beitrete, «ebbe le- 
bet einkunft für die Schweiz am 1. Septem- 
ber Ii**» wirksam geworden ist. In einer 
Sitzung, welche die ständige Kommission die- 
ser Konvention im Dezember 1 1* *6 abhielt, 
bat sie vom Ueitritt der Schweiz Akt genom- 
men : auch bat sie unsern Jahresbeitrag an 
die Verwalliingskosten der Union auf den 
Hetrag von Fr. lUHi festgesetzt. 

2. Organisationsarbeiten WJ6-I900 für die 
ofli/ielle Teilnahme der Schweiz an der 
Weltausstellung von Paris HM) und 
ähnliche Vorarbeiten 1905 und MXK5 für die 
Teilnahme an der zur Feier der Eröffnung de« 
Simplon veranstalteten internationalen 
Ausstellung in Mailand 1906. Bei die- 
ser letztern haben sich die schweizerischen 



31. XII. 191" 



31. XII. 1912 
Unbestimmt 



31. 
17. 



XII. 1917 
VII. 1911 



3I.XII.I5H7 1 



29. 
31. 



I. 
XII. 



1912 
1917 



31. XII. I9U 
SOI». 



Ii Wo nicht" angegeben iil, dauert derVertrag bis l£M>>o*tf oacb erfolgter 
Kündigung. 

Si Text uod Tarif für di« Kmiuhr in .Ii« Schweiz am t. Jaouitr. Tarif für die 
Kmluhr ia das IVuU. be Heich am t. Miirz V.K»). 
i' Neb«t Hegteuuuit belr. (icv. 

«i Text und Tarif betr. die ltali«o. Zölle am 1. Juh ttW6. Tarif belr die 
«rhv.ni*r. Zölle mn 1. Januar l'JOtj. 

*i Handelsvertrag nebst I Vliereinkommeii über die Zollabfertigung im 
Eisenbahnverkehr und über die Viehaeueb.-npolizei. Der Vertrag erstreckt 
sieh auch auf da» Fürstentum Liechtenstein. 

') l'Mvisoriscb 0ml Ausnahme de» ViehieuchenQbereinknmmcii^l am 
Ii. Mar/, detioitiv am 1. August l'lüß. 

T I D'-r Vortrag keoii mit IUn-k<i>-ht auf «las z< »l 1 1> >liti<ch« Yerh.iHm» 
zwischen Oesterreich und L ngarn ••chon auf 31. Dezenil>er gekfiudigl 
werden. 

»i Durch Zusatzkonvenlion vom 29. Dozomber auf IS Jahre uokündb.ir 

festgelegt 

•l Mit Serbien i«l am 2s. l'ebruor 1«J07 ein Tarifvertrag abgc»ehlo«i>on 
worden 

"t Die Artikel uj iMoi.ihegiioatiirungi sind v«>D der Regierung der 
Vit. Staaten irckOndet wurden um! am »l. Nl.<r* 1'.««» erlo-ehen. 



Aussteller in 
haO ausge/eic 
Abteilungen 
sine, landwi 
siindheitsptle; 
Unser Vieh 1 



schlossenen Handelsvertrages. 1905 und 1906 Unterhand- 
lungen und am 9. Marz MM» Abschluss eines Handelsver- 
trag'^, nebst l'ebereinkommen Ober die Zollahferligung 
im Eisenbahnverkehr und die Viehseuchenpolizei. Der 
Vertrag, sow ie das Viehseuchen- und das Zollahfei tigungs- 
übereinkommen stehen seil dem 1. August HUfi in 
Kran. 

1905 Kmidigiing von Seiten Norwegens lies Handels- 
vertrages von W.U. Bis zum Abschluss eines neuen Ver- 
trages haben beide Staaten unter sich vereinbart, die 
gegenseitige provisorische Meistbegünstigung in Sachen 
des Handels und der Niederlassung anzuwenden. 

Unterhandlung und Abschluss einer auf dem Prinzip 
der meistbegünstigten Nation beruhenden Handelsuber- 



allen Abteilungen sehr ebren- 
bnet, ganz besonders in den 
Eisenbahnwesen, Uhrenin.lu- 
rt&ehaflliche Maschinen, (ie- 
e. Vieh- und Milchpixslukte. 
tat den Ehrenplatz glänzend 
behauptet, und unsere Kase sind in der 
schmeichelhaftesten Weise gewürdigt wor- 
den. Auch unsere Weine sind »ehr ehrenhaft 
aus der Konkurrenz hei vorgegangen. Die 
eidg. Post- und die eidg. Telegraphen Verwal- 
tung, das eidg. Gesundheitsamt, die Sa- 
nitätsabteilung des eidg. Mililardepartemen- 
(es und das eidg. hvdronielrische Bureau ha- 
ben alle den drand Prix erhalten. Die Bun- 
desbahnen, die in hervorragender Weise 
zu der so kostspieligen wie bewunderten He- 

ftroduklinn des Simplontunnels beigetragen 
laben, standen ausser Wettbewerb. 

3. Die Tätigkeit der Abteilung fur Handel 
auf dem Gebiete des kommerziellen Bil- 
dungswesens (Itundesbeschluss v. in |.">. 
April IS5'I i erstreckt sieh auf die Ueberwa- 
chung und Subventionierung der schweize- 
rischen Handelshochschulen Hauch Isabtei- 
hing der Universität Zürich. Handelsakade- 
mie St. Gallen und Handelsabteilung der 
Universität Freiburg i mit nind Fr. atjun im 
Jahr l'.Kifi, der höheren Handelsschulen ril 
im Jahr |*HHi> mit nind Fr. 3t»3 UlO im Jahr 
Um*», der kaufinännischcn Forlhildutigs- 
5chulen i l'.KM» : Ivt Schulen der Sektionen des 
schweizerischen kaufmännischen Vereins und 
20 solche anderer Gesellschaften oder von 
Gemeinden) mit rund Fr. I75SII0 im Jahr 1900, des Zen- 
tralsekretariatcs des schweizerischen kaufmannischen 
Vereins mit jährlich Fr. SOtJÜ und der kaufmännischen 
Lehrlingsprufungen mit rund Fr. KM im Jahr Huirj. 

Der Abteilungsse« n l.. r für das L.niltjunmsche Hildungs- 
wesen nimmt bei 1 1 • ■ n llrind. Nseliulen und den kauf- 
männischen Fortbildungsschulen jew.'ik-n zahlreiche In- 
spektionen vor, wie ei .nu ll u.ieh Möglichkeit den Diplom- 
prüfungen und Lein lingsju-ulüiigen beiwohnt. Er vertritt 
das Departement im 'Ii ti ie in-riilu t-atrimlungen der sich 
mildem kaufinäuniseheu l nlemehUwcsen h«-fass*'iiden 
Vereine. Am internationalen Kongress für das kaufmän- 
nische Hildungsweseu in Mailand 1906 ist der Wunsch 
ausgesprochen worden, dass die höhere Handelsschule 



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SCIIW 



SCIIW 



•Ufr 



von Lausanne sich im Jahr 1007 damit befassen möchte, 
unter dem Patronat der internationalen Gesellschaft zur 
tVrderung des kaufmännischen Bildungswesens einen 
ersten internationalen Ferienkurs für junge Kaufleute 
und für Professoren an Handelsschulen zu veranstalten 
Wirtfchaftskurs), welcher dann auch wirklich durch- 
geführt worden ist. An Stipendien sind vom Bund im 
Jshr 1006 Kr. 12 lfi.*> zuerkannt worden. 

Die Abteilung veröffentlicht das Srhweizi-iisrhe Han- 
ilr-lnirnublatt, das 1006 in einer durchschnittlichen Auf- 
lage von ÖÖ00 Exemplaren erschienen int. Von den im 
I-anfe dt'i" Jahre publizierten Konsulatsberichten werden 
Sonderausgaben an ilie Gesandtschaften, Konsulate, Han- 
il. lsschulen. kaufmännischen Vereine, Handelskammern 
und andere Interessenten gratis abgegeben. 

Die Patetittaxen der Handelsreisenden ergaben 
im Jahr lUOti eine Einnahme von rund Fr. 4111 300. Aus- 
stellt wurden 30081 Ausweiskarten. Die Zahl der Bei- 
luden (» laiin sich auf 31 iiü, wovon 24V2I schweizerische 
«od »>T27 auslandische Firmen vertreten. 



Fabriken, die Samstagarbeit in den Fabriken, die Fabri- 
kation und den Vertrieb von Zündhölzchen, die Haft- 
pflicht aus Fabrikbelrieb, Kranken- und l'nfallversiclie- 
rung. gewerbliche und industrielle lierufsbildimg. haus- 
wirtschaftliche und berufliche Bildung des weiblichen Ge- 
schlechts. Sie befasst sich ferner mit allen Fragen, welche 
die Landesausstellungen betreffen, sowie mit allen Stu- 
dien und Arbeiten sozialer Natur, deren Ausführung in 
die Kompetenz der Bundesbehörden füllt (Stellenvermitt- 
lungsbureaux, Arbeitslosigkeit, Gc werbe/ählungen etc.). 

Kinige statistische Angalten mögen das eben Gesagte 
noch resümieren. W0u arbeitete das Departement betr. 
I'" o r d e r ii n g d e s A r b e i t s n a c h w e i s e s u n d M a s s- 
nahmen g e g e n Arbeitslosigkeit durch den 
Bund den Entwurf zu einer Botschaft an die Bundesver- 
sammlung und zu zwei Bundesbeschlüssen aus. Die Vor- 
lage wird den eidgenössischen Bäten im Jahr 100" zu- 
gehen. Vom 17. -2«. September fand in Bern die 
diplomatische Konferenz für Arbeiterschutz 
statt. Sie führte zum Abschluss a) eines internationalen 



Sciivu:izkv.i>uii:!< IUm.i.i.-vi i;ki.iiu nach Vüutkvusvi uhm.inis>i;s 

|.. hl...' LLIi\ cr:.rli L 'il.-t'.' Ulli ponn:li.<t.> K i.» I ; u . • 1 nl Ui : . 



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[leul-< lii.dul . . 
Knnikivuh . . , 
Italien . . . . 
I IcsteiTeii'h- 

l'tl^al II 

Spanien . 



«Ol 1101 Iii* 121! 122 110, Ji'J 



.Ver\r- 

befjün.yl n/n 
r, r!i . 

I irosshrilaimien 

II. Kolonien ea. 
Verein i^te 

St. Kit. n' 

ltils>land 
Itel^ielJ 

Niedei lande nn.l 

Kolonien . 
[Salkan>taa«ii . . 
I einige Staiileii . 

ea . 



U -i i hu. 

ist.fi, 1.SH7 l*Hiww, lom'l "lorn ioo-2 : lonil imi I um:, 



.Wr/(li<li,'li /•V.ll./.-f/r. 



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172 


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II. Der Abteilung für Industrie liegen ob: die I I'eberoinkommens betr. das Verbot der Verwendung von 
\iuführung der Bundesgesetze und -beschlüsse betr. Ge- weissem igelbemi Phosphor in der Zündhol/indiislrie. 
«erbe und Handwerk im allgemeinen, die Arbeit in den I unterzeichnet durch die Bevollmächtigten von 7 Staaten; 



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20U 



SCHW 



SCHW 



b) eines intern.-ilion.ilcn UcbereinkommenB betr. dn* Ver- 
bot der industriellen Nachtarbeit der Frauen, unterzeich- 



räum 1890/97-1906 im ganzen rund Fr. I «.132 400 (im Jahr 
1006 allein rund Fr. 342 500). Von subventionierten be- 















Schweizerischer Handelsverkehr na< 


:n Erdteilen 




























lohne 


unverarbeitete und Kemnnxl« KdelineUllei 
























Einfuhr. 
















AtsrttiR. 


18961 1897 


18981 1899| I90fll Ii» »1 1 19021 im«! 1904; 1905 








1896] 18971 1898| I899| 1900| 1901 1 19021 19031 19041 190T. 








MUUonm Franken. 














Million™ Franken. 


K19 




873 


957 


916 


857 


927 


995 


[oie 


1178 


Ku rvita 




545 


555 


581 


631 


653 


660 


679 


677 


675 


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16 


13 


13 


18 


20 


16 


19 


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93 


93 


93 


94 


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93 


91 


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114 


123 


114 


136 


149 


146 




5 


5 


6 


10 


7 


7 


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10 


10 


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3 


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957| 993llO20 


1121 


|H68|R>06 


1088 


1159 


1300 


1340 








6821 688 


Tis 


789 ! 8291 8291 868| 882 


8831 


GESAMTE EIN- I M) Al SKI HR SEIT 1886 i Re 


■ INN 


her nei en Statistik mit Ermitti.i n 


; DER 


Werte i 


M Mill. Fr. 








1886 


1887 


1888 


1889 


18110 


1891 


I892 


1893| 18941 18951 18961 1897 


IV. IS 


1899 


1900 


19ol 


1902 '1903 


19041 19a'» 


Einruhr 


• ■ 


731 




776 


885 


I 954 


1 932 


852 


808 


800 


890 


957 


993 


|n-j.; 


1121 


10081 im« 


1088 


1150 


12061 13V i 


Ausfuhr 


• • 


051 


654 


655 


696 


1 703 


1 671 


I 654 


042 


617 


659 


682 


688 


718 


789 


829 


825» 


S08 


882 




1 959 


1) SehilTxpravianl etc. 




































i 



net durch die Bevollmächtigten von 14 Staaten. — Der 
Ftestand der am 31. Dezember 1906 dem Hundesgesetz 
betr. die Arbeit in den Fabriken unterstellten 
Etablissement, belauft sich auf 6988 mit etwa 281 000 Ar- 
beitern. Mit der Erteilung von Bewilligungen zur Nacht-, 
Sonntags- und Hilfsarbeit, sowie zur Aenderung der Nor- 
malarbeits/.eit nimmt es das Departement sehr genau. 
Trotzdem und obwohl es den Ansprüchen der Fabrikin- 
haber häutig entgegentritt, vermehrt sich doch die Zahl 
dieser Bewilligungen. Diese Erscheinung dürfte einer- 
seits eine zufällige, andererseits aber darauf zurückzu- 
führen sein, das« die Industrie eine bedeutende Entwick- 
lung aufweist, die Zahl der dem Gesetz unterstellten Be- 
triebe stets wächst und kleinere Abweichungen von der 
Normalarbeitszeit ohne Erlaubnis immer weniger gedul- 
det werden. Von den 3 Fabrikinspektoren, den 3 Adjunk- 
ten erster und 3 Adjunkten zweiter Klasse wurden 1906 
im ganzen 7773(190;): 7482) Fabrikbcsiiche vorgenommen. 
Die Zahl der Firmen, die im Besitze der Bewilligung zur 
Fabrikation von überall entzündbaren Hölzchen sind, be- 
trug im Jahr 1906 : 18. - Zur Kranken- und Unfall 
Versicherung ist zu bemerken, dass es gegenwärtig 
in der Schweiz 2006 gegenseitige Hilfsgesellschaften gibt. 
— Auf Grund des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 
1884 betr. die gewerbliche und industrielle Be- 
rufsbildung werden an die ständigen Anstalten für ge- 
werbliche und industrielle Berufsbildung Rundesbeiträge 
ausgerichtet, die für den Zeitraum 1884-1906die stattliche 
Summe von rund Fr. 13 1 1 1 000 erreicht haben und seit 1903 
alljährlich die Summe von 1 Million Fr. — zum Teil be- 
trächtlich -- übersteigen. Die Zahl der subventionierten 
Bildungsanstalten ist von 13 im Jahr 1884 auf 327 im Jahr 
1905 angestiegen. Von besondern Unternehmungen er- 
halten ieweilen Bundesbeiträge verschiedene Fachkurse, 
der Verband schweizerischer Heizer und Maschinisten für 
Kurse und Wandervorträge in den Sektionen, die Fort- 
bildungskurse für Handwerkerschullehrer am Gewerbe- 
museum in Aarau, der Kanton St. (lallen für sein Wander- 
lebrcrinstitut. der schweizerische Gewerbeverein für die 
I.ehrlingsprüfungen (1906: Fr. 18000), der schweizerische 
Verband zur Förderung des Zeichen- und gewerblichen 
Berufsunterrichts für seine Zeitschrift, der Handfertig- 
keitsunterricht an den Lehrerseminarien Hofwil. Pruntrut 
und Lausanne, der schweizerische Verein zur Forderung 
des Handarbeitsunterrichtes für Knaben etc. — Bundesbei- 
träge werden ferner aufGrund des Bundesbesch lusses 
vom 20.| Dezember 1895 b e t r. d i e h a u s w i r l s c h a f 1 1 i c h e 
und berufliche Bildung des weiblichen Ge- 
schlechtes an die ständigen Anstalten (1896 97: 114; 
1905 : 300; für hauswirUchaftliche und berufliche Bildung 
des weiblichen Geschlechtes verabfolgt und zwar im Zeit- 



sondern Unternehmungen seien genannt Bildungskurse 
für Arbeitslehrerinnen. Zuschneide- und Nähkurse, Koch- 
und Haushaltungskurse etc. — An das schweizerische Ar- 
beitersekretariat wird ein jährlicher Bundesbeitrag von 
Fr. 25000 ausgerichtet. 

III. Die Abteilung für Landwirtschaft befasst 
sich mit allen den vielen und wichtigen Fragen betr. 
landwirtschaftliches Unterrichtswesen und Versuchsan- 
stalten, Förderung der Tierzucht (Pferde-, Rindvieh- und 
Kleinviehzucht), Bodenverbesserungen, Viehseuchenpoli- 
zei, Massnahmen gegen Schäden, welche die landwirt- 
schaftliche Produktion bedrohen (Phylloxera, Hagelver- 
sicherung, Viehversicherung i, Subventionierung von 
landwirtschaftlichen Vereinen und Genossenschaften etc. 

Auch hier mögen einige statistische Nachweise den 
Abschluss unserer Ausführungen bilden. Auf dem Ge- 
biete des landwirtschaftlichen Unterrichts- 
wesens (inklusive Versuchsanstalten! verabfolgt der 
Bund Stipendien an Schüler der landwirtschaftlichen 
Abteilung des eidg. Polytechnikums, die sich zu tandwirt- 
schaflslenrern oder KÜlturtechnikern ausbilden wollen. 
Er richtet Bundesbeiträge aus : an die theoretisch-prak- 
tischen Ackerbauschulen Strickhof i Zürich ; 1908 : 41 
Schüler, Rundesbeitrag Fr. 9500i. Rütti (Rem; 1906: 62 
Schüler. Rundesbeitrag Kr. 14 480 1, Ecöne i Wallis ; 190« : 
25 Schüler, Rundesheitrag Fr. 8790i und Cernier (Neuen- 
burg ; 1906 : 34 Schuler. Rundesbeitrag Fr. 15 800 1 ; an die 
kantonale Gartenbauschule in Genf 1 1906 : 62 Schüler. 
Rundesheitrag Fr. 13375); an die landwirtschaftlichen 
Winterschulen Strickhof und Winterthur ( Zürich), Rütti. 
Langenthal und Pruntrut ( Herrn. Sursee (Laura), Frei- 
burg. Custerhof (St. Gallen), Plantahof i Graubünden \ 
Brugg (Aargau). Frauenfeld (Thurau |. Lausanne i Waaili 
und Genf (1906 zusammen 604 Schüler und Fr. 93243 
Rundesbeiträge i ; an landwirtschaftliche Wandervortragf 
und Spezialkurse (1800: Fr. 43 900); an die Weinbau- 
schulen und Weinbauversuchsanstallen in Wädenswil 
11906: Fr. 8637). Lausanne ( 1908 : Fr. 18 467». Auveroier 
( 1900 : Fr. 13 508), Lenzburg ( 1906 : Fr. 73 1. Zürich (1906 
Fr. 304) und Twann 1 1906 : Fr. 3000). Der Rund unterhalt 
eine Reihe von landwirtschaftlichen Versuchs- und Unter- 
surhungsanstalten i Zentralverwaltung und Gutsbetriebe 
Liebefeld und MontCalme, agrikulturchemische Anstalten 
in Zürich, Hern und Lausanne. Samenuntersuchungs- 
und Versuchsanstalten in Zurich und Lausanne, milch- 
wirtschartliche und bakteriologische Anstalt in Bern), die 
im Jahr 1908 einen Aufwand von rund Fr. 333800 erfor- 
derten. Die schweizerische Versuchsanstalt für Obst-. 
Wein- und Gartenbau in Wädenswil hatte im Jahr 19Un 
Fr. 87 700 Ausgaben. An die Molkereischulen in der Rütti 
(Rem), in Perolles (Freiburg) und in Moudon (Wttdtj 



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SCHW 



SCIIW 



207 



gelangten 1906 an Dundesbeiträgen rund Fr. 260110 zur 
Auszahlung. 

Grosse Opfer bringt der Bund 
auch der Forderung der 
Tierzucht, a) Pferdezucht : 
Ankauf und Anerkennung von 
Zuchthengsten ; eidg. Hengsten- 
und Komendepot in Aven- 
ches ; Prämierung von Stutfoh- 
len und Zucht>tuten. Prämie- 
rung: von Pferdezuchtgenossen- 
schaften. Beiträge für Pfenleaiis- 
stellungen und Rennen ; Prä- 
mierung tun Fohlenweiden. Ge- 
samtausgaben im Jahr 1 tJ< Mi rund 
Fr. 478000. — bt Rindviehzucht: 
Prämierung von Zuchtstieren; 
Prämierung weiblicher Zucht- 
tier»» : Prämierung von Zuchtbe- 
ständen und Zuchtfnmilien ; Bei- 
träge zur Gründung von Zucht- 
gen osse n sc ha fte n . G csa m ta u s - 
gaben im Jahr 15106 rund Fr. 
518500. — c) Kleinviehzucht: 
Prämierung von Zuchtebern, 
Ziegenböcken und Widdern ; 
Beitrage an Zuchtgenossenschaf- 
ten und Märkte, (iesamlausga- 
ben im Jahr 1906 rund Fr. 
40000. — d) Der 1906 zur For- 
derung der Schlacht viehproduk- 
tion bewilligte Kredit von Kr. 
10(100 wurde auf 4 Mastviehaus- 
s.l«flluii^. _ i-ii verteilt. 

Für Boden- und Alpver- 
besserungen hat der Bund 
im Jahr 1906 für 296 Projekte 
rund Fr. 73-4 600. 1905 Tür 30« 
Projekte Fr. 87001)1) und 1904 
für 214 Projekte Fr. 424200 zu- 
gesichert. Ausgerichtet konnten 
im Jahr 1906 rund Fr. 481 000 
. I. n Dazu kommen, gestützt 
auf Art. 11 des Bundesgesetzes betr. die Forderung der 
Landwirtschaft durch den Bund, vom 22. Dezember 1893, 
noch Bundesbeiträge an die Kantone Zürich, Bern, Luzern, 
Zug. Freiburg. St. Gallen, Graubünden, Aargau und Wal- 
Ii«, an die Besoldungen ihrer Kulturtechniker, resp. für 
kulturtechnische Arbeiten. Die Gesamtausgaben auf dein 
Kredit. Bodenverbesseningen» betrugen im Jahr 1906 rund 
Fr 508000. Der 1906 erzielte l'ehcrschuKS der Kin- 
nahmen der V i e h seuc hen pol i /. ei wurde dem eidg. 
Viehseuchenfonds zugewiesen, der damit Knde 1906 einen 
Bestand von Fr. 2 215880 erreicht hat. 

l'nter den Massnahmen gegen Schaden, welche 
die landwirtschaftliche Produktion bedrohen, 
ist arn wichtigsten der Kampf gegen die Reblaus (Pliyllo- 
lerai. Die von der Beblaus betroffenen Kantone haben 
1904 und 1905 zu deren Bekämpfung folgende Ausgaben 
gemacht und daran 1905 folgende Kuridesbeiträge erhalten : 
Ausgaben Ausgaben Bundesbeitrag 
1904 
Kr. 
81 019 



Verband der landwirtschaftlichen Vereine der romanischen 
Schweiz Fr. 17 000, c) den landwirtschaftlichen Verein 



Al'FTHErEN HER RERI.Al'S IN PEN JAHREN 1905 UND 1906 
mach den kantonalen Rerichtoo). 







Aoiahl der 


Umgegrabene 
bat*, mit 
Schwefelkohlenstoff 
behandelte Fluche, 
m* 


Kantone. 




^infizierten 


lufeklious- 
»unkU. 


infizierten 
Blöcke. 


1. Zürich 
a 


1906 
Ii*.,;, 


19 

22 


4« 18 

351 


.1 h J*> 

(i 100 


10 796 
22 133 


2. Bern 
» 


ÜNati 

19U5 


1 

1 


22 
1 


404 

8 


1 loi 


3. Basel Land 
i 


1900 
1905 


1 


1 


430 


1192 


«. Aargau 
a 


1906 
1905 


I ! 


9 
4 


252 
2 487 


37 041 

? 


5. Thurgau 

» 


1906 
1905 


I : 


306 
211 


8634 

7 705 


ca. 42000 
28000 


6. Tessin 
■ 


I90B 

1905 


! 5 


14 

33 


316 
8i7 


4 000 
10160 


7. Waadlfexkl. Goppel) 1900 
a » 1905 


I s 


2123 

2ir>8 


74882 
134 068 


195 AM 
399571 


8. Wallis 
i 


1906 
1905 


i i 


1 


448 


818 


9. Neuenburg 

a 


II 


15 
15 


7 117 
7 905 


131 874 
161 190 


205 107 
231 613 



Bemerkungen : Im Kanten Bern hat »ich die Reblaus außerhalb de» Oemeindebesirkes 
Neuonstadt nooh nirgend« bemerkbar gemaahl. 

Im Kanton Beuel Aon,/ ist das Vorhandeii»ein der Reblaus im Jahr 190T. erstmals kon- 
ataliart worden und iwar in der Gemeinde Allschwil. 

Kanton Waaill: im Beairk Coppet ist die Rekoutlitulion seit 1000 ireslatUt. 
Der Kanton Wallis erscheint lyüft aoin erstenmal unier den pbylloxenerUn Kantonen, 
indem ein Infektionsherd in der Ktadlgemeinde Sitten festgestellt wurde. 

Di« Abnahme der Infektion im Kanton Xeuenburtj lat nur eine scheinbare; die Zahlen 



sind zurückgegangen, weil im Zentrum des Neuenburger Rebgelnnde* das Kxtinktivver- 

ganaen Strenge durchgeführt werden konnte. 



fahren nicht mehr In 



I. Zürich 
i. Bern 
3. Aargau 
1. Thurgau 
.'. Tessin 
6 Waadt 
7. Neuenburg 
X, Genf 



24 578 
13347 
227 758 
67 265 
6 972 



Total Tr7T2ö 939 



1905 
Fr. 
75 581 
855 
13 350 
31 950 
16 894 
297 669 
93X55 
12 003 

~54T.nr 



1905 

Fr. 

22 345 
427 
6176 
15 817 
8 447 
100 600 
46 387 
5 574 



205 803 - 

Bundesbeiträge von 50% an die Auslagen der Kantone 
a} für die Förderung der Hagelversicherung : 1905 Fr. 
1*5358, 1906 Fr. 173 359; b) für die Forderung der Vieh- 
versicherung." 1906 Fr. 613 265. 

An la nd wi rtscha ftl ich e Vereine und Genosse n- 
tchaften wurden im Jahr 1906 an Bundesbeiträgen im 
ganzen Fr. 98000 ausgerichtet, und zwar an a) den schwei- 
lerischen landwirtschaftlichen Verein Fr. 29 500, b) den 



des Kantons Tessin Fr. 4500. d) den schweizerischen alp- 
wirtschaftlichen Verein Fr. 9000, e) den schweizerischen 
Gartenbauverein Fr. 8000, f) den schweizerischen Bauern- 
verband Fr. 30 000. 

[Emil BflWMKtli; mit Beitragen der Redaktion]. 
7. Post- tnd Kiskniiahndei*ahtejiknt. Aufgaben. Das eidg. 
Post- und 1 isenbahndepartement bildet einen der bedeu- 
tendsten Zweige der eidgenossischen Verwaltung und ist 
zugleich Aufsichtsbehörde wie Unternehmer von öffent- 
lichen Verkehrs- und Transportanslaltcn. Sein Titel läsat 
nur einen Teil der ihm zufallenden Aufgaben erkennen, die 
diejenigen eines Vei kehrsministeriums sind, unterdessen 
Aufsieht oder direkter wie indirekter Verwaltung stehen : 
l.die Eisenrahnen und übrigen der Allgemeinheit die- 
nenden Transportmittel (Dampfboote, Automobilwagen- 
kurse etc.); 

lt. das Postwesen, mit Inbegriff des Personentranspor- 
tes durch Postwagenkurse ; 
in. die Telegraphen ; 

iv. das Tki.ei'honw ksen und 

v. die Starkstrom an i.a*>en. 

Dazu kommen noch einige Befugnisse hinsichtlich der 
in Bern bestehenden internationalen Bureaux, d. h. desje- 
nigen des Weltpostvereins, der Telegraphen-Verwaltungen 
und des Zentralarates für internationalen Eisenbahntrans- 
port. 

Den Kisenbahnen und übrigen der Allgemeinheit die- 
nenden Transportmitteln gegenüber bildet das Departe- 
ment die unmittelbare Aufsichtsbehörde. Im Hinblick 
fe Verwaltung der schweizerischen 
■he nahezu alle bedeutenden Bahnli- 
■s umfassen oder in Zukunft noch 
kann es auch als Unternehmer von 
Transportanstalten bezeichnet werden. Damit fällt dem 
Departement eine eigenartig delikate Aufgabe zu, die es zur 
i Aufsichtsbehörde der Bundesbahnen macht, welche Eigen- 
' tum des Schweizervolkes und zugleich eine von der übri- 



auf die selbslänili 
Bundesbahnen, wel 
nien unseres Land 
umfassen weiden. 



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-JUS 



SCilW 



SCHW 



gen eidg. Verwaltung getrennte, selbständige Yei waltungs- 
ahteilung bilden. 

Mit Hinsicht auf Postwegen, Telegraph und Telephon 
ist «las Departement wirklicher Unternehmer dieser 
öffentlichen Verkehrsanstallen. deren Betrieb einerseits 
der Oberpostdirektion und anderseits der Telegraphendi- 
rektion (Telegraph und Teleplun) üherbunden ist. Die 
Tatsache, dass bei Anstanden mit den genannten Ver- 
wiillungen an das Departement gelangt werden kann, 
macht dieses nicht zu einer eigentlichen Aufsichtsbehörde, 
sondern eher zur einer hohem Rckursinstanz. in eigenen 
Angelegenheiten. 

Keine Aufsichtsbehörde ist das Departement dagegen 
in Sachen der elektrischen Slarkslromiiulemehmungeu, 
deren Aufsicht und Ueberwarhung durch Delegation dem 
seinen Sit/ in Zürich habenden Starkstromiuspcklorat des 
Schweizerischen elektrotechnischen Vereins ubertragen 
ist. Ilesliniinte Arien von elektrischen Anlagen weiden 
auch von der technischen Abteilung des Departementes 
und von der Telegraphendireklioii überwacht. 

Hinsichtlich derohen genannten intei nationalen üureaux 
übt das Departement das Amt einer Aufsichtsbehörde 
und des vermittelnden ( »rganes gegenüber dein Bundesrat 
aus. Zusammenfassend darfgesagl werden, dass das Depar- 
tement da, wo Bundesinonopol vorhanden ist . I\i»|. ']eh- 
graph. Telephon) nicht als Aufsichtsbehörde a'ifgefas^t 
worden kann, dass es dagegen solche ist, wo sich der 
Hund kein Monopol vorbehalten hat (elektrische Slark- 
stromanlagen) oder wo das Monopol nicht orten ausgespro- 
chen erscheint (schweizerische Hundesbahnen 1. 

t)ü> OrtjanitHttitm tJi's Ih'/tarlrtui'nlrH. die in erster 
Linie mit dem Hundes|>eschluss über die Organisation 
und den Geschäftsgang »les Bundesrates (vom 2N. Juni 
Ixltö) übereinstimmen muss. beniht in der Hauptsache 
auf folgenden grundlegenden Gesetzen : Bundes- 
g eselz bet redend O rga n i sa t ion de r K isen ha hn- 
abteilung des Host- und E i sen ba h n<l e pa r le- 
rne 11 les. vom 27. Mar/. lNi»7 ; H lindeste setz betr. 
die Kr Werbung und den He trieb von Ki seil bah- 
nen Cur Rechnung des B u nd c s 11 nd d i e O i g» n i- 
sation der Verwaltung der schweizerischen 
Bundesbahnen , vom I.Y Oktober lÄf7 ; Bundesge- 
selz über die Organisation der Postverw.il- 
tung. vom 25. Mai ISVJ ; Hu ndesg eselz betr. die 
Organisation der Tel eg r a p h e 11 v e r wa 1 1 ti n g , vom 
20. Dezember K>i ; Bundesgesetz belr. die elek- 
trischen Schwach- und Starkstromanlagen, 
vom 2i. .luni 19lr_>. 

Diese Gesetze sind seither in verschiedenen Einzelhei- 
ten abgeändert und vervollständigt worden und bilden 
zugleich auch Gegenstand von zahlreichen Vollzichungs- 
reglementen. 

I. KisKNUAHNKN . A. Cro/nchh- (/.•(• ri<l,)rn«s*ixcl„i, 
AWmWizimi/iD*. Die erste schweizerische Eisenbahnlinie 
wurde am 9. August !Xi7 eröffnet. Ks war dies die 2:J.I57 
km lange Linie Zürich- Haden. Allerdings war schon etliche 
Jahre früher ein kurzes Kndstuck einer ausländischen 
Hahn auf Schweizerhoden in Helrieb gesetzt worden : das 
von der Eisenbahngesellschan Bnsel-Strassburg erstellte 
Stuck St. Ludwig-Hasel mit einer Lange von I.Wsikm. 

Die Krage nach «lern Hau von Kisent.ahnen beschäftigte 
schon 1X17 die eidgenössische Tagsatzung, und es fehlte 
schon damals nicht an klaren und scharfsinnigen Köpfen, 
die die aus der Anlage eines homogenen und den natür- 
lichen Verhältnissen des Landes Rechnung tragenden 
Eisenbahnnetzes für die Schweiz entspringenden V01 teile 
sehr wohl zu erkennen vermochten. I'nler dem Druck 
der Verhältnisse entstand in der neuen Bundesver- 
fassung vorn 12. September IXtX der Artikel 21. dessen 
Text wir hier wörtlich wiedergeben und der hauptsach- 
lich die Eisenbahnen im Auge hatte: 

>• Dem Hunde steht das Hecht zu, im Interesse der Eid- 
genossenschaft oder eines grossen Teiles derselben, auf 
Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu er- 
richten oder die Errichtung derselben zu iinterstut/en. — 
Zu diesem Zwecke ist er auch befugt, gegen volle Ent- 
schädigung das Itecht der Kxpropriation geltend zu machen. 
Die nähern Bestimmungen hierüber bleiben der Buniles- 
gesetzgebung vorbehalten. - Die Bundesversammlung 
kann die Errichtung öffentlicher Werke untersagen, 



: welche die militärischen Interessen der Eidgenossensrha ft 
' verletzen. » 

In Vollziehung dieses Yerfassungsarlikels lud die Itun- 
' desversammlung durch Beschluss vum 18. Dezember 1849 
den Bundesrat ein, ihr in möglichst kurzer Frist folgende 
Stücke vorzulegen : 

a) einen auf Grund vorbereitender technischer Unter- 
suchungen von Seiten unparteiischer Experten ausge- 
arbeiteten Plan fur ein allgemeines schweizerisches Eisen- 
bahnnetz ; 

b) den Entwurf eines Bundesgesetzes über die F.ipr«-- 
uriation rücksicbtlich des Baues der schweizerischen 
Eisenbahnen ; 

c) Gutachten und Vorschläge bezüglich der Beteiligung 
des Hundes an der Erstellung des schweizerischen Eisen- 
bahnnelzes, sowie bezüglich der Konzcssionsbedingungt-n 
für den Kall, dass der Hau der Eisenbahnen von Seiten 
von Privatgesellschaften erfolge. 

Ik?m zweit« n dieser Postulale kam der Bundesrat mög- 
lichst rasch nach, sodass die Bundesversammlung dein 
Lande schon am I. Mai 1X5ii das heute noch in kraft 
stehende Itundesgeselz belr. die Verbindlichkeil 
/ 11 r Abtretung von Pr i va t rec h t en schenken konnte. 
Ein auch die übrigen Dokumente vorbereiten zu können, 
I richtete das damalige Post- und Baudepartement im Jahr 
, I850 ein Eisenbahnbureau ein, zu de»sen Leitung • J » r 
! Ingenieur G. Koller berufen wurde. Zu gleicher Zeit hohe 
I das Departement von Seiten der berühmten englischen 
j Ingenieure Hoberl Stephenson und Henry Switihnrne ein 
technisches, sowie von Seiten tles Ratsherrn Geigy in 
! Basel und des Ingenieurs J. M. Zif gier von Winteithur 
ein finanzielles (Iutachten ein. Das technische Gutachten 
führte aus. da»s das zu erbauende Eisenbahnnetz »ich an 
die Wasserstitissen zu halten habe und dass in erster Linie 
eine durchgehende Verbindung von Genf nach Chur il er 
Morges. Yverdon. Murtrn. Lyss, Solothurn, Aarau. Raden. 
Zürich, Winteithur. Romanshorn. Ror»chach i-C.hur 
wimschenswert sei. An diesen Hauptstraug »eien dann 
als /weiglinien anzu»chlie»-en die \ erbindungen Olleu- 
Basel, Ollen-Lu/ern. Sargans -Walen»ladt, Ly«»-Bcm- 
Thun und Winlcrthiir-Srhaffhaiisen. Südlich der Alpen 
sah man als isolierte Linie die Verbindung Biasca-Locarno 
vor. Dieses Netz, das möglichst den Wasserlaufen folgte 
und das Gebirge umging, umfasste eine Länge von 
j H5» km und sollte, einspurig angelegt. Kr. Hr2l2.it««'. 
mit Doppelspur dagegen Kr. 1 1 i 2i3 mm kosten. 

Die vom Bundesrat bestellten Finanzexperten stimmten 
in dem Punkte miteinander überein. dass notwendiger- 
weise der Staat ;Bnnd und Kantone 1 sich in Vorm der 
Eebernahme einer Zinsengaranlie beteiligen müsse. Wah- 
rend aber Ingenieur Ziegler vorschlug, die privaten Unter- 
nehmungen der Oberaufsicht des Staates zu unterstellen, 
wollte Geigy dem Staat die Unternehmung vollständig 
übertragen. Er empfahl, das ganze Netz in Haulose ein- 
zuteilen, die von besonderen \ erwaltungskörpern erstellt 
werden sollten. Diese vom Bund und den Kantonen l.e- 
stelllen Verwaltungen hatten sich zunächst die nötigen 
Geldmittel zu beschaffen, denen dann Bun.l und Kantone 
ebenfalls Zinsengarantie gewährleisten würden. Yen;!, 
Stephenson. Hob., und Henry Swinhurne. th-ruht .'er 
coro Jliiiiitcsrntr ritthi rujriirti E.rjirrlru oAer <i,'n ftau 
nm A'i *rnt<thn,>» in (Irr Schürt:. Hern 1X50. - Geigy. 
Karl, und Job. Melch. Ziegler. lirnchl ./er v»m scfn>;;:,; 
I Hundt st-ntr rtnlh'rujfiii'n Herren Batthrrr <». und lt») /.. 
\ uticr dir Au»fit/<riiti<i nur* ttchtmzrrttcheu Eisi'-nhnhti- 
itrtzcs in (htatiztrtlrr ltrjirhun<i . Hern 1X00). 

In seinem Bericht an die Bundesversammlung, vom 
7. April DG1, erklärte sich der Bundesrat im Allgemeinen 
mit dem von Ingenieur Stephenson empfohlenen Netz 
und den tinan/ielleu Vorschlagen des Baisherrn (Ieigy 
einverstanden. Der diesen Bericht tles Bundesrates be- 
gleitende Entwurf zu einem Bundesbeschluss sagl in seinen 
Artikeln 2. 7 um! St in der Hauptsache folgendes: 

Art. 2. Als Hauntlinien des Eisenbahnnetzes im Innern 
der Schweiz werden erklärt: 

1' die Linie von (ienf über Morges nach Yverdon. mit 
Zweiglinie nach Ouchy ; 2) die Linie von Yverdon nach 
Solothurn mit Abzweigung nach Bern; 'A\ die Linie von 
I Solothurn nach Zurich ; Vi die Linie von Zürich ul- r 
i Winterthur und Bomanshorn nach Rorschach : ilii' 



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2(1!» 



Linie von Winterthur nach Schaffhausen ; 6) ilie Linie 
\on Korschach nach Chur mit Abzweigung nach Walen- 
stadt; 7) die Linie von Basel nach Ölten ; 8) die Linie 
»on Aarburg nach Luzern ; 9) die Linie von Biasca nach 
Locarno. 

Art. 7. Bau und Betrieb jeder der im Artikel 2 bezeich- 
neten Sektionen bilden eine gemeinsame Unternehmung 
«Je* Bunde« und der am Bau der betreffenden Sektion in 
( r*ter Linie inter»usierlen Kantone. Den Kantonen stellt 
iias Recht zu. sich mit dem Bund darüber zu verständigen, 
ob zwei oder mehr Linien zu einer gemeinsamen Unter- 
nehmung vereinigt werden sollen. 

Art. 9. Zum Zweck der Beschallung der benötigten 
Geldmittel sollen für jede einzelne Sektion sogenannte 
schweizerische Eisenbahnobligationen ausgegeben werden, 
deren Inhabern die Eidgenossenschaft eine Verzinsung 
vou mindestens 3' iL % garantiert. 

Diese Politik zielte auf die Schaffung eines nationalen 
Netzes ab und ist seither durch alle Zeiten hindurch ohne 
l'nterbruch die Politik des Bundesrates geblieben. Zu 
jener Zeit fand sie aber die Zustimmung der eidgenössi- 
schen Kate nicht, indem diese am 28. Juli 1852 das Bun- 
desgesetz über den Bau und den Betrieb von 
Eisenbahnen imGebiele der Eidgenossenschaft 
votierten, dessen erster Artikel den ganzen Inhalt re- 
sümiert : « Der Bau und Betrieb von Eisenbahnen im 
in' biete der Kidgenossenschaft bleibt den Kantonen bezw. 
iIit Privattätigkeit überlassen. » Allerdings wurden durch 
einschränkende Bestimmungen (Vorbehalt der Ratifika- 
tion der Konzessionen; Massregeln zur Sicherung der 
'technischen Einheit und der Anschlüsse der Linien; In- 
terventionsrecht für den Fall, dass ein Kanton die Kon- 
zeMion für eine die ganze Schweiz oder einen grossen Teil 
ilerselhen interessierenden Linie verweigert ; Rückkaufs- 
Oausel etc.) dem Bund gewisse Rechte vorbehalten, doch 
änderte dies nichts an der Tatsache, dass die endgiltige 
Kntscheidung in Sachen des Bahnbaues und -betriebes 
•leo Kantonen überlassen blieb, was in der Folge in Fällen, 
wo eine Bahnlinie auf Boden verschiedener Kantone an- 
zulegen war, oft zu fast unlöslichen Schwierigkeiten ge- 
fuhrt hat. 

Indessen entstand, so gut es eben ging, das Bahnnetz 
•ies Mittellandes, das in stück weisen Kinzelunternehmun- 
n<n das von Stephenson aufgestellte allgemeine Programm 
verwirklichte. Der Aufschwung, den die Eisenbahnen 
nahmen, lies» aber bald weitblickendere und kühnere Pro- 
jekte auf den Plan treten, wobei es sich in erster Linie 
lUrom handelte, die Alpenschranke anzugreifen und die 
tahnlinien Deutschianas und Frankreichs quer durch die 
Schweiz mit denen von Italien zu verbinden. Nach heis- 
rem Kampf siegte der Gotthard über seine Mitbewerber 
iSimplon und Lukmanicr), worauf der Bau der Gotthard- 
bahn im Jahr 1872 in Angriff genommen ward. Gerade 
bei dieser Gelegenheit hat es sich mit aller wünschbaren 
teotlichkeit gezeigt, welches Hindernis das System der 
t VberlaaBung des Eisenbahnwesens an die Kantone bildete. 
In Vollziehung einer ihm von der Bundesversammlung 
während ihrer Sommersession des Jahres 18H9 gewordenen 
Einladung, Bericht zu erstatten und Vorschläge darüber 
.'u machen, auf welche Weise die Kompetenzen des Bun- 
des auf dem Gebiete de« Bahnbetriebes erweitert werden 
tonnten, unterbreitete daher der Bundesrat mit Botschaft 
Tom 16. Juni 1871 den Ritten einen Geselzesvorschlag über 
diese Materie. Dieser führte am 23. Dezember 1872 zum 
liundesgesetz überdenRauund Betrieb der Ei- 
senbahnen au fdem Gebiete der schweizerischen 
Eidgenossenschaft, das heute noch in Kraft steht. Ks 
überläset die Eisenbahnen der Privatindustrie, gibt aber 
dem Bund das ausschliessliche Recht der Konzessionser- 
t' ilung und der Bestimmung in Sachen des Bahnbaues 
und .betriebes. Damit trat auch eine zentrale Leitung an 
Stelle der zahlreichen Kantonsregierungen, deren Rolle 
m Zukunft auf diejenige von begutachtenden Behörden 
beschränkt werden sollte. Zu gleich.r Zeit schrieb das 
<i*setz der Eidgenossenschaft die Aufgabe vor. sich der 
im Osten, im Zentrum und im Westen der Schweizer 
Upen immer mehr geltend machenden Tendenzen, 
die Verbindungen mit Italien und dem Mittelmeer zu ver- 
bessern, möglichst hilfreich anzunehmen. 

Nachdem die Verfassungsmässigkeit des Gesetzes vom 



I 23. Dezember 1872 oftmals angezweifelt worden war, gab 
ihm die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 eine 
I unanfechtbare Grundlage, indem sie in ihrem Artikel 26 
I folgendes bestimmte: « Die Gesetzgebung über den Bau und 
Betrieb der Eisenbahnen ist Bundessache. » Diese Gestal- 
tung der Dinge, die die Entstehung neuer und die Fusion 
! bereits bestehender Linien begünstigte, sicherte unsern 
| Eisenbahnen einen bisher ungekannten Aufschwung. 
Bald schlössen sie sich zu folgenden Netzen zusammen : 
1) Suisse 0 cc i d e n t a I e - S i m p I o n (S. Ü. S.) mit 
Lausanne als Mittelpunkt; 2) Jura-Bern-Luzern 
i (J. B. L.) mit Bern als Mittelpunkt und dem Kanton Bern 
I als leitendem Organ ;3)SchweizerischeCentral- 
bahn {S.C.B.} mit Basel als Kopfpunkt des Netzes; 
4) Schweizerische N o rdo s t ba h n (N. 0. B. ) mit 
Zürich als Mittelpunkt ; 5) V e r e i n i g t e S c h we i z e r- 
b a h n e n f V. S. IL) mit St. Gallen als Mittelpunkt ; 6) G o 1 1- 
hardbahn (G. B.). 1882 dem Betrieb übergeben, mit 
Sitz der Direktion in Luzern. 

Die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde, d. h. des eidgenös- 
sischen Kisenbahndepartementes, machte sich in sehr er- 
wünschter Weise darin geltend, dass sie die Bahngesell- 
Rchaflen zu mancherlei Fortschritten nutigte. Aber auch 
diese, zu einem Verband der schweizerischen Eisenbahnen 
vereinigten Gesellschaften führten aus eigenem Antrieb 
sehr bedeutende Verbesserungen und Krleichterungen im 
Bahnbetrieb durch. 

Unterdessen näherte man sich dem 1. Mai 1883, dem 
letzten Termin für die Ankündigung des Rückkaufes auf 
den 1. Mai 1888. Wurde dieser Termin nicht benutzt, bo 
war mit Hinsicht auf die Konzessionen der Rückkauf erst 
wieder im Jahr 1903 möglich. Mit Botschaft vom 6. März 
1883 beantragte der Bundesrat, vom Rückkaufsrecht zur 
Zeit keinen Gebrauch zu machen. Diese Stellung nahm 
der Bundesrat nicht etwa deshalb ein. weil er nicht von 
der Notwendigkeit des Rückkaufes überzeugt war, son- 
dern weil das Rechnungswesen der Gesellschaften keine 
Uebersicht darüber gestattete, wie leuer dem Rund dieses 
Geschäft zu stehen kommen würde. Die eidg. Räte schlös- 
sen sich dem Antrage des Rundesrates an und erliessen 
den BundesbeschluBS betreffend die Frage 
des Rückkaufes der schweizerischen Fi- 
senbahnen. vom 24. April 1883. 

Am 21. Dezember 1883 wurde das Rundesgesetz 
über das Rechnungswesen der Eisenbahn- 
gesellschaften erlassen, das den Zweck hatte. Klar- 
heit über das Stamm- und Betriebskapital, sowie über die 
Reinertragnisse zu schaffen, welche beiden Punkte für 
einen konzessionsgemässen Rückkauf ja grundlegend sein 
mussten. So schlechte Aufnahme dieses Gesetz bei den 
Gesellschaften auch fand, trug es doch zur Ordnung ihrer 
finanziellen Verhältnisse ein mächtiges Stück bei. 

Neben dem Mittel des konzessionsgemässen Rückkaufes 
bestand auch noch dasjenige des freihändigen Rück- 
kaufes, d.h. des Rückkaufes auf Grund gegenseitigen 
Uebereinkommens. So versuchte es denn der Bundesrat 
bei einer ihm günstig erscheinenden Gelegenheit im Jahr 
1888. das Netz der Nordostbahn freihändig anzukaufen, 
doch veranlassten ihn der diesem Rückkauf in den in- 
teressierten Landesteilen entgegengebrachte Argwohn, 
sowie die von Seiten der Rundesvi rsammlung vorauszu- 
sehenden Schwierigkeilen und endlich auch die von der 
Nortloslbahngesellschaft gestellten Forderungen, die Un- 
terhandlungen noch in der zwölften Stunde wieder ab- 
zubrechen. 

Von diesem Zeitpunkt an wandte sich der Bundesrat der 
sog. Penetrationspolitik zu. Bei Gelegenheit der 
Fusion der beiden Gesellschaften der Suisse OccidenUle- 
Simplon und des Jura-Bern-Luzern zur Jura-Simplon- 
bahngesellBchaft machte er. von den eidgenössischen 
Räten am 27. Juni 1890 genehmigte, grosse Ankäufe 
von Prioritätsaktien der neuen Gesellschaft. Diese 
Diirchdringungspolitik. die in finanzieller Hinsicht keine 
sehr guten Resultate gehen konnte, verlieh dem Rund 
ebenfalls nicht das Uebergewicht. das er sich damit in 
den Gesellschaften zu sichern gehofft hatte. Als daher der 
Rundesrat in der 1 Jge war. der Rundesversammlung den 
Ankauf entweder der Hälfte der Aktien der Z.entralbahn- 
gescllschaft oder dann des ganzen Unternehmens als 
solchem zu beantragen, entschlossen sich die eidg. Räte zu 

202 - c.f.ocr. lex. V — 14 



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SciIWKIZKRI-CHK BAHNLINIEN IM BKTMMI AM 1 . J AM AH 1907. 

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Kähnen. 



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I. Hauptbahnen. 
Hauptbahnen der Schweiz. Bundes 

bahnen (Kreise I. II. III. IV) . 
Hauptbahnen der Gotthardbahn . 
Hern-Neuenhurg-Bahn, Direkte . 
Jura NeuchStelois 

Total 

Ausländische Hahnen auf 
Schweizergebiet: 
HadiM-lie Staatshahnen .... 
Paria-Lyon-Mediterranee . . . 
Eisenbahnen in L'laaaa-Lothringen 
Oesterreichische Staatsbahnen . 
Hfte Mediterranes 



km 



2029.O59 
Jf.-j.c.;«! 
42.MH2 

».an 



2.374. 201 



Total 

Ii. Nebenbahnen. 

a. Nftmutlt/iurige Adhtitiont- 
'••i/.... ; 

Nebenbahnen der Hundesbahneii 

Nebenbahnen der Gotthardbahn 

SüdoBtbahn 

hmmenthalbahn 

Tnsslhalbahn 

Gurbethalbahn 

Thunerseebahn 

Huttwil-Wolhusen 

Uerikon-Bauma 

Saignelegier-Glovelier .... 

Erlenbach-Zweisimmen . . . 

Hulle-Homont 

Regional du Val de Travers . . 

tangenthal-lluttwil 

Spiez-Frutigen 

Pont-Hrassus 

Spiez-Frlenhach 

Sensethalbahn 

Porrentruy-Bonfol 

I'etlibergbahn 

Vever-Chexbrea 

Wald-Rüti 

Nyon-Crasaier 

Heinach-Münster-Bahn . . . 

OenMiipn-ltnlsthal .... 

Arth am See • Arth ijoldau -Güter- 
bahnhof 

Burgdorf-Thun (elektr. Betrieb) 

Freibiirg-Murten-Ins » ■ 

Seethalbahn (Strassenbahn) . . 

Sihlthalbahn » . . 

Kriens-I.uzern. Gütergeleise (Stras- 
aenbahn) 

Orbe-Ghavornay (Strassen bahn, elek 
Irischer Betneb) 

Total . 

6. Srhmalipungr Adhütiontbahneti 
auf eigenem Bahnkörper : 

Rätische Hahn 

I ln-i f - \|'ples-Morges, Apples-L'Isle 
Sai^nele^ii r-I.a Chan» de Knuds 

Appenzeilerbaho 

Yverdon-Sainte Croix .... 
Ponts-Sayne-Chaux de Fonds 

Tramelan-Tavannea 

Kehallens-Üercher 

Hi^i Kaltbad-Scheidegg . . . . 

t'ebertrag 



41.163 

ii*.:cm; 

5*999 

2.7SO 
0,2315 



68.794 



368.032 
12.457 
49.201 
12.25h 

39.59s 
:o,w6 
30.23s 
25.2»is 
25.260 

21 749 
23,563 
18,1HÜ 
11. III 
I 4.O90 
13.43:5 

13.-2:4» 

11.402 
11.111 

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0.570 

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50 



Hebert rag 

I.es Brenets-Le Locle .... 
Montreux -Zweisimmen (elektr. Be- 
trieb) 

Chätel Saint Denis -Bulle- 

Montbovon 

Vevey -Chamhy, Saint L6- 

gier-Chätel Saint Denis . 
Chätel Saint Denis -Pal*- 

zieux '■ 

Griitsch-Murren .... 



<\ Schnialtfturufe Adhiitinns 

auf Stratum : 
Frauenfeld-Wil .... 
Lausanne- F.challens . . . 
Waldenburgerbahn . . ■ 
Bern-Worb-Bahn .... 
Tramwav* eTeclr. de Geneve 

1 



ToUl . 
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elektr 



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Tramways lausannois . . 
Stadl. Strassenbahn Zürich 
Lausanne-Moudon. Marin- 

Savigny 

Baaler Strassenbahnen 
Tramway» de Neuchätel . 
Wetzikob-Meilen .... 
Winenthalbahn .... 
SchatThausen - Schieitheim 

Sernfthalbahn 

Birsigthalbahn .... 
I.immatthal - Strassenbahn 
Altstatten-Berneck . . . 
Aarau-Sehoftland • ■ • 
Kremgarten-Dietikon . . 
Stadt. Strassenbahn Bern . 
Trambahn Lauern . . . 
Bolle-Gimel ..... 
Vevey -Montreux-Chillon . 
St. Gallen-Speicher-Trogen 
Allaman-Aubonne-Gimef . 
Tramway St. Gallen . 
I.. - Hauts>Geneveya-Villiera 
Ziirieh-Oerlikon- Seebach . 

Hirseckbahn 

Geneve -Veyrier .... 
Strassenbahn SchatThausen 
Kieler Tramway .... 
Tramway Lugano . . • 
Gland-Begnins .... 
Tramway in La Chaux de 

Fonds 

Sissach-Gelterkinden . . 
Altdorf-Flüelen .... 
Tramwav in Freiburg . . 

Zürich-llongg 

Chillon-Villeneuve . . . 
Winterthur-Toas .... 
Sehwyz-Seewen .... 
Strassi-iibabn St. Mnrit/ 
Spiezer Verbindungsbahn . 
Waldbaus - Hotel Dolder. 

Zürich 

Riflelalpbahn 

Pferdebahn auf Monte Generoso 
Hollbahn in Murren 

Total 



eb) 



km 


m 


Im 


318.2U5 






4.216 


150 


30 


62.358 


40 


■ 


36.669 


100 


32.1 


16.071 


60 


50 


6,802 


100 


32 


4.279 


50 


50 


148,690 







1 7.584 
14.218 
13^35 
9.701 

12.5.087 
31.662 
29.424 

26.94' 
-26.6S«. 
26.510 
22.609 
22.522 
16,421 
13.856 
12.240 
12.008 
11.2» 
11,049 
IO.K30 
IO.K0S 
10.617 
10.528 
10.190 
9.1« » 
9.913 
9.2112 
8,193 
7.5S5 
6.276 
5.5*8 
5.005 
5.016 
5.183 
3.634 

3.325 
3.148 
3.082 
3.028 
3.012 
2,5:57 
1 .7'.« 
1.725 
1.635 
1.237 

0.637 
0,i6s 

0.540 
0. 451 



509.519 



60 
im 

60 

50 

15 
20 
15 

50 
15 
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25 
30 
20 
25 
30 
2.5 
40 
15 
100 
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18 
22.5 
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20 
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30 
25 
20 
40 
20 
100 
30 
» 

20 
m 

99 

7,5 



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SCHW 



SCHW 



F -un*ten der letztgenannten Al- 
ternative. Gegen den hierauf 
bezüglichen liuiidesbeschluss 

• om 25. Juni 1891 wurde aber 
da* Referendum verlangt, wor- 
aufda«Schweizervolk die Rück- 

• iufsTorlage mit KB 406 gegen 
190729 Stimmen verwarf. 

Damit schien der Rückkauf 
für lange Zeit begraben zu 
•da. Em sollte aber rasch an- 
Oers kommen. Schon am 29. 
Januar 1892 nahmen die eidg. 
Räte Kenntnis von der Mo- 
tion Curti und Konsorten, 
die die Wiederaufnahme der 
Krage verlangte. In einer ers- 
ten Botschaft an die Räte, 
vom 27. März 1894. beleuch- 
tete der Bundesrat zunächst 
die Frage der Rechtsver- 
hältnisse, die sich nach Ab- 
laufder Konzessionsdauer zwi- 
schen dem Bund und den Ki- 
«-nbahngesellschaften ergeben 
«ürden. Darauf berief das Ki- 
«enbahndepartement eine Ex- 
pertenkommission mit 
dem Auftrag, die verschiede- 
nen durch den Rückkauf in 
Hubs gekommenen Fragen, 
besonders diejenige der an die 

• iesellschaften, deren Netz 
zurückgekauft würde, auszu- 
lichtenden Entschädigungen, 
in prüfen. Ks stellte sich bald 
heraas, dass zur Gewinnung 
von sichern Grundlagen für 
<ien Rückkauf der Erlass ei- 
nes neuen Gesetzes über das 
Rechnungswesen notwendig 
«ei. Dieses vom Bundesrat mit 
Botschaft vom 11. November 
1895 beantragte und von den 
tuten am 27. Min 1896 ange- 
nommene neue Bundesge- 
»ets über das Rech- 
nungswesen der Eisen- 
bahnen unterlag ebenfalls 
dem Referendum, erhielt aber 

lebhafter Wahlkampagne 
223228 gegen 176 577 Stim- 
men die Sanktion des Schwei- 
'enolkes. 

Damit war dem konzessions- 
gsaiasen Rückkauf, dessen fi- 
nanzielle Tragweite nun über- 
blickt werden konnte, der Weg 
eben. 

.März 1897 legte der Du n- 
it der Bundesversammlung 
Botschaft betreffend 
denRückkaufderschwei- 
»erischen Hauptbahnen 
>or. Diese Botschaft sprach 
»ich zu gunsten der Verstaat- 
lichung unserer Eisenbahnen 
aas and fasste sowohl die Mög- 
lichkeit des Rückkaufes auf 
Grundlage der Konzessionen 
'1* diejenige des freihändigen 
Rückkaufes ins Auge. Zu guns- 
ten des Rückkaufes machte 
»ie in der Hauptsache folgende 
fctrachtungen geltend : Die 
Finanzoperation erweist sich 
H>wohl für den gegenwärtigen 
Zeitpunkt als auch für die Zu- 
kunft als günstig und erlaubt 
«*. in das Gesetz das Prinzip 




Schweizerische Bahnlinien im Bethieh am |. 

II. 



Jani ah 1907. 



Babnen 



</. Adtutsionsttafmeii mit Zahnstaiujen- 
»trecken : 

Borschach-lleiden 

Brünigbahn ... * 

Visp-Zermatt 

Berner Überlandbahnen 

Stansstad- Engelberg (elektr. Betrieb) . . 
Martigny-Chätelard • • . . 

Appenzeller Strassenbahn (Strassenbahn) . 
Bex-Gryoii-Villarsi St rassenb. in. elektr. Betr.) 
Aigle-Leysin (Strassenb. m. elektr. Betrieb] 

Total . 



Spur- 
weite 



I IX. 
1000 
1000 
1000 
1(100 
KM) 
KMM) 

looo 

HI0U 



Bahasfl 



e. Heine /.almradhahnen: 

Arth-Rigthahn 

Vitznau-Higibahn 

Wengernalpbahn 

Generosobahn 

Glion-Bochers de Naye 

Brienz- Rothorn 

Schynige Platte-Bahn 

Pila'tusbahn 

Gornergrathahn (elektr. Betrieb) 

Jungfraubahn i • 

Hrunnen-Morschach » • 

Trait- Planche» » 

Total 



Z.iboitanga 

Syatem 


i 

j & 

sr 


II 

3" 


4 M 

• a 

- So 

■ S 

3> • 




km 


m 


°/oo 


Riggenbach 


7.463 


120 


90 


Riggenbach 


57.598 


120 


120 


Abt 


35.050 


80 


125 


Riggenbach 


211.116 


IUI 


120 


Riggenbach 


22.518 


SO 


250 


Abt 


20.740 


60 


70 


Klose 


19.601 


30 


92 


Abt 


12.84-2 


■r, 


2i m 


Abt 


6,785 


IT 


230 




206.016 







Spur- 
weUo 



Z.ihoataoge 

Syatem 



mm 

1435 
I 135 

Borj 

800 
800 
H00 

m\ 

HIN) 

1(100 
imm 


I'NNI 



Riggenbach 
Riggenbach 
Riggenbach 
Abt 
Abt 
Abt 
Riggenbach 
Locher 

Abt 
Strub 
Strub 
Riggenbach 



Ita Ii in- Ii 



F. F. 



/'. Seilbahnen : 
Lausanne-Ouchy 
I.ausanne-Gare C 

Riel-Magglingen 

Reatenbergbahn 

Rheineck -Walzenhausen . . . 

Gossonav-Garc C. F. F 

Ragaz -Wartenstein 

Territet-Glion 

Ecluse-Plan 

Giessbachbahn 

St. Gallen-Muhleck 

Lugano-Bahnhof G.B 

Gütschbahn. Luzern 

Neuveville-Saint Pierre, Freiburg 

Marziiibahn. Bern 

StanHcrhnrnhahn 

Vevey-Chardonne-Pe'lerin . . . 
San Salvatorebahn, Lugano . . 
Lauterhrunnen-Grütsch . . . . 

Gurtenbahn, Bern 

Biel-Leubringen 

Bürgenslockbahn 

Locarno-Madonna del Sasso . . 

Kriens-Sonnenbcrg 

Dolderbahn, Zürich 

Reichenbachbahn. Meiringen . . 
St. Iinmer-Sonnenberg . . . . 

Davos-Schatzalp 

Lausanne-Signal . . . . 

Rigiviertelhahn, Zürich . . . , 

Zürichberghahn 

interlaken-lieiinwehlluh . . . 
Engelberg Dorf-G"» Hotel Terrasse 

ToUl . 



Spur- 
weit« 



mm 
I 435 

1486 

IINMI 
1KHI 

1200 

IlMMI 

1(100 
Imm 
Kam 
K*m 

1200 

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120(1 
750 
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Kaai 

Kaai 

Kaai 
Kam 
Kam 
Kam 
Kam 
Kam 
Kam 
Kaai 
1000 
Kam 
Kau 
Kaai 
Kaai 
1000 



M.i|..r. 



Turbine 

ii 

amtrtWrjtt. 



Klektrizititt 



Mremain Ittel. 



Adhäsion 
Z. St. Riggenb. 



Z. St. Abt 
Z. St. Riggenb. 



Z. St. Abt 
Z. St. Riggenb. 



Zangen 

Z. St! Abt. 
Z. St. Riggenb. 
Zangen 

Z. St. Abt 
Zangen 



I 
» 
» 

Z. St. Abt 
Zangen 
» 



f 2 



km 

8,551 
tl.KVt 
18.011 
8.991 
7,621 
7.586 
7.259 
4,270 
9.022 
5.(41 
1,088 

0..'ftr2 
S6.2K8 



■ 3 
- SC 

gl 

5! I 

200 
250 
250 
220 
220 
250 
250 
480 
200 
250 
170 

I LH.' 



- □ 



km 
1.476 

o.:iii 

1.025 
1,6011 
1.218 
1.211 
0.760 
0,553 
0..-16S 
o.:t20 
0.300 
0.237 
0.158 
O.I07 
0,101 
3.600 
1.511 
1.507 
1.207 
1.021 
0.892 
O.S27 
0,811 
0.81« 
0.799 
0.661 
0.642 
0.640 
".i.V. 
0.2K4 
0.163 
0.161 
0.125 

26.155 



1 ■ 



120 
116 

SM 
400 
260 
130 
:tll 

570 
370 
320 
228 
240 
530 
550 

:m 

6710 
540 
600 
600 
XU) 

:m 

575 

mai 

425 
177,5 
617 
6O0 
171 
280 

.127 

260 

580 

.172 



SCHW 



SC11W 



liahnaeties innerhalb der nächsten 
n. Mit Bezug auf den Hau und Be- 



Sil 



oKlm. 



so 



70 



80 



as 



9C 



95 



der Amortisation des 
♦Ii Jahre aufzunehroi 
trieb der Linien wird der Rückkauf 
«l»e Einheitlichkeil sichern, an der 
«• zur Z*it mangelt. Mit der aus dem 
Rückkauf sich ersehenden Verein* 
heitlichung und Erniedrigung der 
Tarifansätze wird dem Publikum 
und mit der Verbesserung ihrer fi- 
nanziellen Lage den ßahnangestell- 
ifQ gedient sein. Der nach Abzug 
der Zinsen und der zur Amortisation 
der Schulden verwendeten Summe 
verbleibende Einnahmenüberschuss 
soll ausschliesslich im Interesse der 
verstaatlichten Dahnen verwendet 
werden. Der Rückkauf wird die 
Bahnunternehmungen des Charak- 
ter« von auf Gewinn bedachten Unter- 
nehmungen entkleiden, den sie als 
Privatgesellschaften mit Notwendig- 
keit aufweisen müssen. Kr wird 
zugleich auch die schweizerischen 
Eisenbahnen dem Bereiche der Spe- 
kulation und des ausländischen 
Einflusses entziehen. Um die Gel- 
tendmachung von politischen Ein- 
ilüssen zu verhindern, soll die ge- 
samte Geschäftsführung einer selb- 
ständigen Verwaltung übertragen 
»erden, währen d immerhin der 
Bundesversammlung und dem Bun- 
desrat der Charakter als oberste Be- 
hörde auch im Ressort der Bundes- 
bahnen gewahrt bleiben soll. 

I*er diese Botschaft des Bundes- 
rate» begleitende Gesetzesentwurf 
wurde von den eidg. Räten im Prin- 
zip zwar gutgeheissen, in seinen 
Einzelheiten dagegen beträchtlich 
abgeändert, indem sie die Organisa- 
tion dezentralisierten, Garantien zu 
gunsten des Simplon und der künf- 
tigen Ostalpenbann aufnahmen, den 
Ruckkauf weiterer Linien vorsahen 
•■tc. So entstand das Bundes- 
iiesetz betreffend die Erwerbung und den Be- 
trieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bun- 
des und die Organisation der Verwaltung der 
schweizerischen Bundesbahnen, vom 15. Okto- 
ber 1897, das Gegenstand des Referendums und hierauf 
rvolk mit 38663t gegen 1*2178 Stimmen 
wurde. Mit diesem Votum war der Volks- 
deullich zum Ausdruck gelangt. 
Auf Grand und infolge dieser Abstimmung hat dann die 
Mdgenosscnschaft auf dem Wege des freihändigen Rück- 
kaufes der Reihe nach erworben : 



allgemeinen Uetrieb übergeben worden. — Die Bundes- 
bahnen haben ihre Stellung nach Innen gefestigt, sowie 



3000 



^000 



I 
















{ 










1 












1, 






















1 


































































— _ 




— 




— H 






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— 



















































































Eisenbahnen Telegraphenlinien Telcphonlinien 



Zenlralbahn 
Nordostbahn 



Airg.Südbahn 

Wehlen- Bremgarten 

Vereinigte Schweizer- 
bahnen 
Toggen burger bahn 
Jon Simplon- Balm 



Kaufvertrag 

vom : 

5.XI.19UC 
1. VI. 1901 
5. XI. 00,1. VI. 01 
5. XI. 00/1. VI. 01 
5. XI. 00.1. VI. 01, 
V 111.02 



22. 



1. I. 
1. I. 
1. I. 



1901 
1902 
1903. 



XI. 1901 
7. X. 1901 
23. X. 1903 

Die hervorragenden seitherigen Tatsachen auf dem Ge 
biete des schweizerischen Kisenbahnwesens und der 
Kistnbahnpolitik sind in Kürze folgende: Der Rückkauf 
•Je* Netzes der Gotthardbahn ist auf den 1. Mai 1909 an- 
gekündigt worden, und die behufs Vorbereitung dieses 
Huckkaufes eingeleiteten Unterhandlungen mit Deutscb- 
usd und Italien, sowie mit der Direktion der Gotthard- 
baho berechtigen zu der Annahme, dass auch diese Bahn 
freihändig erworben werden könne. — Der Simplontunnel 
ut vom Bund übernommen und am 1. Juni 1906 dem 



Entwicklung der Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephoulinien voo lSÖO-t'JOt. 

ihr Neü vereinheitlicht und völlig ausgebaut, so dass sie 
nicht mehr vor der Losung von neuen grossen Aufgaben 
stehen. Sie überlassen andern Kreisen die Sorge um die 
Losung der Frage der Ostalpenbahn, um die Durch- 
stechung der Berner Alpen etc. Infolge dieser Haltung 
der Bundesbahnen hat denn auch der Kanton Bern den 
Bau der Lölachbergbahn aus eigener Kraft in Angriff ge- 
nommen und eine kantonale Eisenbahnnolitik inauguriert, 
die im Einklang mit der diesbezüglichen Bundespolitik 
steht. Der Bundesrat ist seinerseits bei der Gcneraldirek- 
tion der Bundesbahnen in keiner Weise vorstellig ge- 
worden, um sie zu neuen Unternehmungen anzuspornen, 
ja man kann sogar ganz allgemein sagen, dass die Politik 
des Bundesrates und diejenige der Generaldirektion die- 
aelbe geworden ist. Gewisse Meinungsverschiedenheiten 
sind bis jetzt bloss anlässlich der Konzessionaerteilungen 
für Hauptbahnen zu Tage getreten, indem sich die General- 
direktion diese Linien vorbehalten und sie dann erbauen 
will, wann sie es für gut findet. Der Bundesrat und mit 
ihm die eidg. Räte, bei denen die Frage gegenwärtig an- 
hängig ist, scheinen sich aber diesem Anlauf zur Schaffung 
eines Monopole» nichtohne weiteresanschliesscn zu wollen. 

H. Die irhweizertsehen Kitenttahnen im Allgemeinen. 
Wir wollen hier der Reihe nach diejenigen Charakterzüge 
etwas näher betrachten, die unsern Bahnen eigentümlich 
sind und einem zum erstenmal unser Land besuchenden 
Fremden wohl zunächst auffallen werden. 

I. Unsere Bahnhöfe sind nicht nur den Reisenden, 
sondern auch dem allgemeinen Publikum geöffnet. Man 
betritt und verlässt sie ohne Kontrolle, woraus zeitweise 
eine gewisse Ucberfüllung mit Menschen resultiert, die 
einem raschen und ruhigen Betrieb eher hinderlich ist. 
Da unsere Bahnhöfe keine überhöhten Perronanlagen 
aufweisen, ist der ebene Zugang zu den Personenwagen 



Betriebsbeginn 
für Rechnung 
des Bundes : 

1. 1.190t 

1. I. 1901 

1.11901 

1.1.1901 

1. I. 1901,02 



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214 



SCHYV 



SCHW 



nicht möglich. Mehr und mehr werden die Bahnhöfe mit 
unterirdischen Durchgängen verliehen, wodurch die Rei- 
senden vom Ueherschreiten der Geleise entbunden werden. 
2. Das Rollmaterial um («est drei Klassen von Per- 



sonenwagen mit einem Mittelgang. Dampfheizung von 
Lokomotive her und elektrischer Beleuchtung. Sie 

n. 

3. Die Züge verkehren in grosser Anzahl, können sich 



der 

sind mit der Westinghouse bremse 



V* äU U fg V 'VI I ■ % II I U Kl nUMIII « ä\ ■ ' I» II * W «IUI 

aber an Geschwindigkeit mit denen der benachbarten 
Länder kaum messen. Dies erklärt sich zur Genüge aus 
der gebirgigen Natur unseres Landes, der noch nicht 
genügend durchgeführten Ik>ppel«pur, sowie dem zu lange 
dauernden Aufenthalt der Züge auf den Hauptatationen 
und dem zu vielen Anhalten an den Zwischenstationen. 

4. Unser Zeitsystem ist die Mitteleuropäische Zeit 
(M. E. Z.). Die Stunden werden von Mitternacht bis Mittag 
und von Mittag bis Mitternacht gezählt. 

5. Vorteile und Komfort werden dem Reisenden in 
Fülle geboten. Sogar in 3. Klasse reist man jetzt in den 
neuen Wagen sehr bequem. Dazu kommen zahlreiche 
Spezialtarife und die Generalabonnemente, die ein billiges 
Reisen ermöglichen, Unangenehm erapfindelder Ausländer 
dagegen, dass sein Gepäck nicht taxfrei ist und dass die 
Fahrkarten im Zuge selbst kontrolliert werden. Eine 
weitere Quelle von Schwierigkeiten bildet für den Reisen- 
den die Durchllechtung des Netzes der Bundesbahnen 
mit den zahlreichen nicht verstaatlichten Linien. 

6. Sehr bemerkenswert sind die Kunstbauten unse- 
rer Linien. Die rasche Entwicklung des elektrischen 
Bahnbetriebes und der elektrischen Industrie im Allge- 
meinen bezeugen die zahllosen elektrischen Leitungen, 
die dem Bahnkörper folgen oder ihn kreuzen. 

7. Die Pünktlichkeit in Ankunft und Abgang der 
Züge kann als befriedigend bezeichnet werden. Die vor- 
kommenden Zugsverspätungen sind weniger dem Verkehr 
im Lande selbst als vielmehr dem internationalen Verkehr 
zur Last zu legen. 

8. Das Personal ist gut diszipliniert, ohne deswegen 
militärischem Zwang unterworfen zu sein. Zu seiner Ehre 
darf gesagt werden, dass es im allgemeinen dem Trink- 
gelderunwesen nicht hold ist. 

9. Der Schutz der Reisenden, auch gegen sich 
selbst, wird ziemlich scharf gehandhabt, indem man dem 
reisenden Publikum in dieser Hinsicht nicht die in Ame- 
rika herrschende Freiheit der Bewegung lässt. 

Zusammenfassend glauben wir sagen zu dürfen, dass 
der Reisende nach der Fahrt auf einem Bahnnetz, das 
von 208 m (Locarno) bis 3018 m (Gornergrat) Meereshöhe 
reicht und die kühnsten Bau- und Betriebssysteme auf- 
weist, sich stets in vollkommener Sicherheit fühlen und 
den schweizerischen Eisenbahnen gegenüber ein Gefühl 
des Vertrauens mit sich nehmen wird. 

Im folgenden wollen wir die Entwicklung und den 
Bestand des schweizerischen Eisenbahnnetze* ziffern- 
mässig betrachten. Alle Zahlenwerte entnehmen wir dem 
letzten erschienenen Band der Schweizerischen Eisen- 
bahnstatistik (33, 1906), dem Bericht de* Pott- und 
Eisenbahndepartementes älter »eine Geschäftsführung 
im Jahr ÜHJO, sowie der Botschaft des Bundesrates an 
die Bundesversammlung, betreffend Gwehmigung der 
Berichte des Verwaltungsrates und der Generaldirektion 
der schweizerischen Bundesbahnen älter die Geschäfts- 
führung und die Hechnungen des Jahres iQOO. 



KSTWICKI tr.HO Ii Kl SCHWEIZ KR ElSKSBAHNKtTZM SSTT IHM. 


Bf»' and 
in Kode 

de* 
Jahre. 


I. 

Normal- 


lt. 
Schoiel- 
»pur- 
bahnen 


III 
Zahn- 
rad - 
bahnen 


IV. 
Draht- 
seil- 
bahnen 


V. 
Strae- 
ten - 
bahnen 


Total 




Lange io Kilometern 




1853 


25,2 










25,2 


1860 


1052,8 










1052,8 


1870 


1420,5 








.-..7 


1128,2 


1880 


2448.5 


48,3 


23,9 


2.8 


12.1 


2535,6 


1890 


2784,4 


261,9 


57.6 


10.0 


8V.6 


3198.5 


1900 


3101.4 


441,0 


126,1 


24.5 


287,0 


3980.0 


1905 


3290.7 


795,6 


131,0 


26.4 


350.7 


4594,4 

1 



Die nachfolgenden Zahlen beziehen sich nicht mehr auf 
da« Total von 4594.4 km, sondern (mit Ausschluss der 
Seilbahnen und der Strassenbahnen) einzig auf die 42i7.3 
km der Normalspur-, Schmalspur- und Zahnra " 
d. h. der sog. Haupt- und Nebenbahnen: 

Anlagekapital 1648816987 Fr. Davon sind 
worden für: 

Organisation, Verwaltung und Fr. 

technische Bauleitung 
Verzinsung des ßatrkapitals 



69561519 
«»811776 



Fr. 



Allgemeine Kosten 
Landerwerb 
Unterbau 
Oberbau 

Elektrisches Leitungsnetz 
Hochbau und mechanische Sta- 
tionseinrichtungen 136969 863 
Telegraph, Signale, Bahnab- 
scnluss. Orientierung«- und 

10902 SS 



146369126 
590780 098 
185553818 
5816 106 



136373: 



Bahnanlage und feste Einrichtungen 
Lokomotiven ' 84561058 
Personenwagen 539Ö56»>I 
Lastwagen 60 928611 

Rollmaterial 

Mobiliar und Gerätschaften 
Gesamte Baukosten 



1 085451 8ü4 



iwaooaoo 

19274182 
1440497 731. 

Ende 1905 betrug die Länge des Bahnkörpers dieser 
Bahnen: für ein ilauptgeleise 2920146 m und für zwei 
Hauptgeleise 1 249263 m. zusammen also 4169409 m. Im 
ganzen waren 386 Tunnels mit einer Gesamtlänge von 
138 541 m vorhanden. 1905 war der längste Tunnel noch 
der Gotthard, dem sofort der Albula folgte Seit dem 191»» 
erfolgten Durchstich des Simplon und des Weissestem, 
sowie dem unmittelbar bevorstehenden Durchstich de* 
Ricken stellt sich die Reihenfolge der mehr als 3 km 
langen Tunnels der Schweiz wie folgt: 

1. Simplon 19803 m 

2. Gotthard 14998 . 

3. Ricken 8604 » 

4. Albula 5865 ■ 

5. Weesenstein 3698 • 

6. Albis 3359 • 

7. Les Loges 3259 > 

Daran wird sich als drittlängster Tunnel der Schwei! 
der 1906 in Angriff genommene Lötschbergtunnel mit 
13735 m anschliessen. 

Brücken über 2 m Weite sind 3361 vorhanden, von 
denen wiederum 330 eine Weile von mehr als 30 m auf- 
weisen. Die Geleiselänge mit Schwellen aus Holz be- 
trägt 2910367. mit Schwellen aus Eisen 3381081 m. D e 
Schienen sind aus Eisen auf eine Länge von 609432 m. 
aus Stahl auf eine Länge von 5690 106 m ; per laufender 
Meter beträgt ihr Gewicht 15-50 kg. 

Anzahl der Stationen: für den Gesamtverkehr 104H. 
für den Personenverkehr allein 200. für den Güterver- 
kehr allein 7. im Ganzen 1255. Mit Zentralweichenstel- 
lung sind versehen 353. mit Weichen- und Signalverrie- 
gelung 384. mit Telegraph 930 und mit Telephon 1132 
Stationen. 

Steigungs- und Bich tungsve rh ä 1 tn i sse : Die 
horizontalen Strecken betragen mit965387 m = 22.69° 0 und 
die geneigten Strecken mit 3 289883 m 77.31 « der Ge- 
samtlange der Linien. Die Länge der geraden Strecken 
ist 2688062 m oder 63.17%,, diejenige der gekrümmten 
Strecken (von unter 200 m bis 1000 m Radius) 1 567208m 
oder 36,83%. Aus diesen Zahlen geht deutlich hervor, mit 
welch* bedeutenden Terrainschwierigkeiten die Eisen- 
bahnen in unseren Land zu kämpfen haben. 

Rollmaterial. Zu Ende 1905 standen im Betrieb 
1360 Lokomotiven, 3579 Personenwagen (inkl. Motorwagen' 
und 15119 Gepäck- und Güterwagen. Von den Lokomoti- 
ven waren 1331 Dampf- und 29 elektrische Lokomotiven 



Personenwagen : 2900 mit Mittelgang. 545 mit Seiten^ 
und 134 ohne Durchgang; 1779 mit zwei Achsen, 1220 mit 
drei Achsen und 580 mit vier Achsen. 



Bestand des Bollmaterials (inklusive Seil- und 
| zu Ende 1906; 



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SCHW 



SCHW 



S15 



a| Lokomotiven. 
\orraalspurige Adhäsionsbahnen 
Schmalspurige Adhäsionsbahnen auf eigenem Kahn- 
körper 

Schmalspurige Adhäsionsbahnen, Strassenbahnen 
Adhäsionsbahnen mit Zahnstangenstrecken 
Reine Zahnradbahnen 

Total 

wovon für elektrischen Betrieb 38. 
b) Personenwagen. Wagen Plätze 

Normalspurige Adhäsionsbahnen 21)70 llliv 

Schmalspurige Adhäsionsbahnen auf eige- 
nem Bahnkörper 
Schmalspurige Adhäsionsbahnen, Strassen- 
bahnen w\ :&om 
Adhäsionsbahnen mit ZahnsUngenstrecken 181 6955 
Reine Zahnradbahnen 127 5839 
>»-ilbahnen 77 2808 



I 187 

70 

SB 
r>7 

93 
14W 



307 1 1 Ott) 



Total 

mit elektrischem Betrieb 



4 «50 
1 II.'. 



203022 
41918. 



ci Bahnpostwagen: 147 zweiachsige 
143 dreiachsige 

290 im ganzen, wovon 16 
schmalspurige. 

d) Gepäckwagen. Wagen 
Hauptbahnen und normalspurigc Nebenbahnen '»80 
Sonstige Nebenbahnen 97 

Total 677. 

e) Guterwagen. Wagen 
Normalspurbahnen (übergangsfähiges Material; 14 079 
Sonstige Bahnen 1 280 

Total 1535». 

An der Verbesserung der Beleuchtung der Personen- 
vagen wird sletsfort gearbeitet. Von den Hauptbahnen 
hallen am Ende des Jahres 1906 : Petrolbeleuchtung 432 



Nebenbahnen erhalten elektrische Beleuchtung, und zwar 
vorwiegend (bei den Hauptbahnen ohne Ausnahme) mit 
Stromerzeugern am Wagen selbst. 

Auf den Linien des in unserer Uebersicht in Betracht 
fallenden ßahnnetzes verkehren (1905) im Durchschnitt 
täglich 19,56 Personen- und gemischte Züge, sowie 4,94 
Güterzüge, im ganzen also 24,50 tägliche Züge über die 
ganze Bahn. 

Der technischen Kon trol l e des Eisenbahndepar- 
tementes waren unterstellt: 1Ö»J»> 1905 

Eisenbahnverwaltungen 173 167 

Konzessionierte SchiQahrtsunternehmungen 19 18 
Nichtkonzessionierte SchifTahrlsunternehmun- 

rao 108 98 

Aufzüge und Automobilunternehmungen 18 16 

Zusammen 318 30!) . 

Verkehr, a) Personen transport. 1905 
löst : Bidets für einfache 



haben ge- 
Fahrt ll. 84%, Retourbillets 



46,93 % und Ausweisscheine (Rundreisebillets, Abonne 
mente etc.) für Fahrten zu ermässigten Taxen 41,23 % der 
Reisenden. Erster Klasse fuhren 0,93, zweiter 14,17 und 
dritter 84,90% der Reisenden. Die Gesamtzahl der Rei- 
senden betrug 1902 : 61187(174; 15)03: ««8903548; 1904: 
75415515; 19Ö5 : 82424588. oder per Bahnkilometer reap. 
15627. 17262, 18192 und 19 504. Die mittlere Ausnutzung 
der Sitzplätze beträgt 11)05 bloss 27.76%, Jeder Reisende 
hat im Durchschnitt 20,05 km befahren. 

b) Gepäck-, Tier- und Gütertransport. Das Ge- 
samtgewicht aller im Jahr 11)05 transportierten Güter, 
inkl. Gepäck und Tiere, betrug 13971 540 Tonnen. Davon 
entllelen 1.61 % aufGepäck, 1 ,49 % auf Tiere und 96.H0 % 
auf Güter aller Art. Jede Tonne hat im Durchschnitt 68.81 
km befahren. Die mittlere Ausnutzung der Tragkraft be- 
trug 29,10 %. Hauptsächlichste Transportartikel sind Le- 
bensmittel, Brennmaterialien, Baumaterialien, Maschinen 
und Holz. 

Die Betriebseinnahmen beliefen sich 11905) im 




_ dm Stationen 
■ I090P00 — 40O0OO0 

tm sooooo —ioooooo 
• SOOOOO — sooooo 
O ZOOOOO — 3O00O0 

m i/sooo — 200000 

I7S000 
isotmo 



Dichtigkeit de« PertonensugverkeliM und Rangordnung dar Stationen mit Betug auf den Personenverkehr 1904. 



Wagen (16.2 °/p). Gasbeleuchtung 509 Wagen (19.0%) und 
«Mansche Beleuchtung 1745 Wagen (64,8 ",;,). Alle neuen 
Wagen der Hauptbahnen und die Mehrzahl der Wagen der 



ganzen für den Personentransport auf Fr. 73061 202 
(Fr. 17 288 per Bahnkilometer und Fr. 0,811 per Reisenden i ; 
für den Gepäck-, Tier- und Gütertransport auf Fr. 90 103 132 



SCHW 



scuw 



(Fr. 21 321 per Bahnkilometer). An den tJCMmten Trans- 
porteinnahmen beteiligt sich der Personenverkehr mit 
41.78%, sowie der Gepäck-, Tier- und Güterverkehr mit 
55,22 %. Zu den Transporteinnahinen gesellen »ich noch 
Fr. 8040924 verschiedene Einnahmen (Pacht- und Miet- 
zinse. Ertrag von Hilfsgeschäften etc. ). sodass sich somit im 
Jahr 1905die Gesamteinnahmen auf Fr.171 205 258 (oder auf 
Fr. 40511 per Bahnkilomeier) bezifferten. Ihnen standen 
gegenüher die Betriebsausgaben von im ganzen 
Fr. IM 258 U7 (oder Fr. 26326 per Bahnkilometer), womit 
sich der Eeberschus* der Belrichseinnahmi n über die 
Betriebsausgaben im ganzen auf Fr. 595*46811 (oder Fr. 
14 185 per Bahnkilomrter) stellt. 

Das iahresdurchschnitlliche Anlagekapital von Fr. 
1 558 32.) 783 hat an Zinsen und 1) i v iden d e n abge- 
worfen Fr. 50920 492 oder 3,27% des Gesamtkapilals. 

Die Bi lanzen erzeigen sowohl für die Aktiven wie für 
die Passiven ein Total von Fr. 1 831 3« 398. 



d. h. der Vermögensbestand am Ende des Jahre* Fr. 
62308457. Die • Pensiuns- und Hilfskassen » haben im 
Sinne von Artikel 2 des llilfskassengesetzes vom 2«. Juni 
1889 die Invalidität*-, Alters- und Todesversicherung zum 
Zweck. 

DrahUeil-und Straßenbahnen l'ebor diese 
1'nternehmungen entnehmen wir der Srhiwizrr. E>sen- 
bahmtatistik für im, folgende Daten : 

a) Drahtseilbahnen: Bauliche Lange 26420 m 
und Betriebslänge 25488 m : Spurweite 0.750 bis 1.435 m ; 
Anlagekosten im ganzen Fr. 15843857 (per Bahnkilo- 
meter Fr. 599092) ; 73 Personenwagen mit 2K« Plät- 
zen, 21 Lastwagen ; beförderte Reisende 5 049637; Ge- 
päck. Tiere und Güter 163 118 Tonnen ; Betriebseinnah- 
men im ganzen Fr. 1603668 (per Bahnkilometer Fr. 
63132;; Betriebsausgaben im ganzen Fr. 9074416 per 
Bahnkilometer Fr. 35 722 1; leberschuss der Betriebsein- 
nahmen im ganzen Fr. 696 262 'per BahnkilomeUr Fr 



Anzahl der Tunm-n 

53 loa iw - rt»iw ;, 
EJ sweao — 

% ,W(W - .MI*» 
3 SO IIB"- 



SchaTWiavsen 

BASE LÄ.^. 

jqjVjiB 

V Chotntir/U sZ*- >iS \ ;. \V 




Dichtigkeit doi (»Citcrtugvcrkehr» und HaDgordnuiig der Stationen nach dem Tunoeuverkebr 1001. 



Der Personalbestand betrug 1905 lim Jahresdurch- 
schnitt) im ganzen 36:i07 Beamte und Angestellte. Davon 
kamen 

auf die allgemeine Verwaltung I 472 

• Unterhalt und Aufsicht der Bahn 9 289 
» Expedition*- und Ziigsdieust 15015 
» Fahrdienst und Werkstätten 10 35» 

» Nebengeschafte 151 

Zusammen .36.307. 
EXsenhahnunfalle. Auf 1 Million beforderte Bei- 
sende wurden im Jahr 1905 0.11 getötet und 1,14 verletzt. 
Die Gesamtzahl der durch Eisenbahnunfalle Geloteten oder 
Verletzten (Beisende, Bahnange^lellte oder Drittpersonen« 
belief sich auf 1439 

Die I nterstülzungskassen fur <las Personal der 
schweizerischen Eisenbahnen (inkl. Drahtseilbahnen und 
Strassenbahnen) werden einerseits durch das Personal 
und anderseits durch die Verwaltungen geaufuel. 1905 
betrugen : die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder 
35 83.1, die Zahl der unterstützten Mitglieder II I7S. der 
Vermögensbestand auf Anfang des Jahres Fr. 58635 810, 
die Einnahmen Fr.7 146 664 und die Ausgaben Fr .3474017. 



27 4lOi; 283 Beamte und Angestellte; 10 Unfälle mit M 
verletzten Personen. 

b) Strassenbahnen: Bauliche Lange 366 665 m 
und lietriebslänge 365,77 km ; Spurweite 0.50t» bist.435in. 
Anlagekosten im ganzen Fr. 52303405 (per Bahnkilometer 
Fr. 142 646); 9 Dampflokomotiven, 611 Personenwagen 
mit elektrischen Motoren und 179 Wagen ohne Motor mit 
im ganzen 26 688 Plätzen für Beisende ; 3 l-astwagen mit 
elektrischen Motoren und 91 Wagen ohne Motor ; befor- 
derte Reisende 80 896 907. beförderte Güter inkl. Gepacl. 
und Tiere) 123 130 Tonnen ; Betriebseinnahmen im ganzin 
Fr. lo 336 042 (per Bahnkilometer Fr. 28505): Betrieb»- 
ausgalten im ganzen Fr. 7 706 016 (per Bahnkilomeier Fr 
j 21 252 1 : l eberschuss der Betriebseinnahmen im ganzen 
Fr. 2 630 026 (per Bahnkilometer Fr. 7253i; 2401 Beamte 
und Angestellte ; 179 In falle mit 8 getöteten und 157 ver- 
letzten Personen. 

Konzessions gebühren. Die Abgaben der Eisen- 
bahnen werden vom Bundesrat und diejenigen der Dampf 
schiff- und Autoinobilunternehmungen vom Eisenbahn- 
departement festgesetzt. Die Erträgnisse pro 1905 berecb 
tigten zu folgendem Gebührenbezug : 



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SCHW 



SCIIW 



i\7 



bei Hahngesellschaftcn 
i 17 Dampfschiffanstalten 
• 2 Autotnobilutilernehmungen 



Fr. 104 i 
» 14 957 
106 



Zusammen 1905 Fr. 119 906 
1904 » 1128K7 
1003 » 116 377. 

Von der Abgabe pro 1905 entfallen Fr. 55 200 oder Fr. 
200 per Hahntilometer auf die Gotthardbahn. 

P a m p f s C h i ff e. I eher Hau und Betrieb der Dampf- 
und Motorschiffe übt das Departement eine ständige Kon- 
trolle au«. K.nde 1906 war der Bestand des Sehi Iis park es 
folgender : 

Dampfschiffe für den Personen- und Gütertransport 99 
» nur für den Gütertransport 6 
für den Schleppdienst 6 
Motorboote ausschliesslich forden Personentransport 71 
Motorlastschiffe, auch für den Personentransport 10 
• nur für den Gütertransport 62 

Total 254. 

Ion Bau. angemeldet oder voruntersucht 9. 

Transportanstalten mit Motorbetrieb. He- 
ber die gemäss Bundesralsbeschluss vom 14. Oktober 190*2, 
.Viw. Verordnung vom 18. September 1906 betreffend 
die Konzessionierung und die Kontrolle der Automohilun- 
ternehmungen, Aufzüge und Lufl&eilbahncn dem Post- 
uod Kisenbahndepartement, Kisenbahnabteilung. über- 
tragene Kontrolle der LufUeilbahnen und anderen Trans- 
portanstalten mit Motorbetrieb geben folgende Daten 
Aufschlags: a) Die Zahl der konzessionierten Automobil- 
unternehmungen betrug auf 1. Januar 1906 24 und auf 
Kode 1906 19. Von diesen l'nternehtnungen standen auf 
I. Januar 1906 und auf Knde 1906 je 14 im Betrieb. Die 
Gesamtlänge der von diesen 14 Automobilunternchmun- 
?en regelmässig befahrenen Strecken beträgt 191,3 km. 
»od es sind dabei insgesamt 38 Personenwagen mit 
tiiUu Sitzplätzen im Betrieb. — b| Luftseilbahnen und Auf- 
läge. I nter eidg. Kontrolle stehen zurzeit 3 l'nterneh- 
Dimlich: 1j der im Betrieb befindliche Perso- 



Enge i Höhenunterschied 120 m). 1904 in Angriff ge- 
nommen wurde und im Sommer 1907 vollendet sein 
soll ; 3) der Personenaufzug Flon - Grand Pont in 
Lausanne (Höhenunterschied der beiden Stationen 
12 u). 

C. Entwicklung r//'it scliiifiTt'fisc/ifn Eixenlmlinnetics 
seil dem Jahr i'.H),'), In dem Bericht über seine Geschäfts- 
führung im Jahr 1906 stellt das Kisenbahndepartement 
auf Knde 4 906 folgenden Klat der im Betrieb stehenden 
Linien auf (für die Einzelheiten vergleiche die beiden 
Tabellen I und II auf Seite 210 und 211): 



/. Haupt bahne». 

a. Schweizerische 

b. Ausländische auf Schweizergebiet 

//. Nebenbmknen. 

a. Normalspurige Adhäsionsbahnen 

b. Schmalspurige Adhäsionsbahnen 

auf eigenem Bahnkörper 

c. Schmalspurige Adhäsioiisbahnen 

auf Strassen 

d. Adhäsionsbahnen mit Zahnstan- 

genstrecken 

e. Beine Zahnradhahnen 

f. Seilbahnen 

Total 



Betriebslänge 
km 



2371.201 

m 79i 



2442,91)8 



970.871 
448,630 
599.519 
106,016 

86.208 
26.455 



2337. 
4780. 



'89 



Millionen 



100 



80 



































I 










































































































































1 






































































f 




















































IT 


!S 






























































V 














































_ 








































































































— j- 


S 






























































































/ 


























































1* 


* 














































J 










0 












































Je 


s 
















































L 


'.rtr 
































































































































































VO 7 


5 1880 8 


3 18 


90 95 Afl 


90 0, 



150 



Tiarm/. V. Attinger Sc 

Sataroteinnahn-eo uod Ertrag das Persunealramporta» dor schweizer. Ui*«nhahneD IK74-1D08. 

oetuufzug Matte-Plattform in Bern ; 2) der Bergaufzug 
•om Hotel W'etterhorn bei Grindelwald nach der Gl eck* 
»Winhütle, von welchem die erste Sektion, Weltei horu- 



Dav.m weiden zweispurig betrieben (normalspurige 
Adhäsionshahnen) 640,5 km. 

Die wichtigsten Ereignisse des Jahres 1906 (und z. T. 
auch 1907t waren folgende: 

I. Betriebseröffnung der internationalen Simplon- 
linie am 1. Juni 1906. An den zur Feier dieses Ereig- 
nisses von aussergewohnlicher Tragweite veranstalteten 
rauschenden Festlichkeiten wurde die Erstellung des 

19803 m langen Simplontun- 
nels als ein gewalliges Werk 
des Friedens und als ein Tri- 
umph der Errungenschaften 
der Technik gefeiert, das ei- 
nen hedeutendcnAufschwung 
des Verkehrs zwischen zwei 
befreundeten Nationen zur 
Folge haben und diese selbst 
einander noch näher bringen 
werde. 

2. Beschluss des Kantons 
Bern, den Lötschberg zu 
unterfahren und damit Bern 
über Thun. Spiez und Fru- 
ligen mit Brig und dem Sim- 
plon zu verbinden. Das Haupl- 
objekl der Bahn, der zwischen 
Kandersteg und Goppenstein 
gelegene Lötschbergtunnel, 
ist an beiden Portalen am 
29. Oktober und I.November 
1906 in Angriff genommen 
worden. Er wird mit 13 735 
Meter der drittlängste Tun- 
nel der Schweiz sein. Er be- 
ginnt auf der Nordseite auf 
Kote 1200 m ; der Kulmina- 
tionspunkt liegt bei Kote 1245 
Meter und der Südausgang 
bei Kote 1218 m. Die Steigung 
auf der Nordseite beträgt 
7 " „ß. auf der Südseite 4 «/«,. 
Direkt am südlichen TunneT- 
ausgang liegt die Station 
Goppenstein. Durch Botschaft 
vom 28. Mai 1907 beantragt 
der Bundesrat der Bundes- 
versammlung, dem Kanton Bern für die doppelspurige 
Anlage des Lotschbergtunnels eine Bundessubvention von 
5 Mill. Fr. zu bewilligen. 



100 



80 



60 



40 



20 



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-218 



SCHW 



SCHW 



3. Konzessionsbegehren des Kanton» Genf zu gunsten 
einer Paucilleba Tin (vom Bahnhof Meyrin zur franzosi- 



700 

600 

500 

WO 

306 

200 

100 
SO 



Strassmbahnen 










- 


Zahnn 

Drahts 


n/bahnen 
eilbahnen 




































y 

/ 












/ 

£ 


f 












/ 

w 

/ 

































Kilomeier 

700 



1873 



1880 



85 



1890 



600 

500 

kW 

SB 

200 

700 
50 



R Btrtl 

Entwicklung der schweizeriachen SrbmaUrmr-, Strassen-, Zahnrad' 

btt 1903. 

sehen Grenze in der Richtung von Lons le Saunier i als 
/.ufahrlsltnie zum Simplon. Die auf Schweizerboden be- 
reit« konzedierte Linie Fraane-Vallorbe ist bis jetzt noch 
nicht in Angriff genommen worden. 

4. Konzessionsbegehren zu gunsten einer Grei na- 
bahn im Gegensatz zum Splugenprojekt ( Ostalp en- 
bahn). 

5. Fortsetzung der Arbeiten auf der Ricken bahn und 
der Solothurn-Münster- Bahn i Weissensteinbahn), 
sowie Inangriffnahme der Arbeiten auf der Bodensee- 
Toggenburghahn. Auf der Rickenbahn wurde der Hau 
des 8601 m langen Rickentunnels wesentlich gefordert. 
Am 23. September 1906 erfolgte der Durchschlag de« 
.'1698 m langen Weissensteintunnels : die Vollendung der 
ganzen Linie ist auf den Herbst 1907 zu erwarten. Auf 
der Bodensee-Toggenburgbahn war 1906 der Stollen des 
.'C49 m langen Wasserfluhtunnels zwischen Brunnadern 
und Lichtensteig im Hau. 

6. Ausbau des Netzes der Rätischen Hahnen, die 
schliesslich den ganzen Kanton Graubünden mit einem 
vollständigen Netz von Schmalspurbahnen überziehen wer- 
den. An diese Unternehmungen hat die Bundesversamm- 
lung in der Junisession 1907 eine Bundessubvention von , 
5 Jfill. Fr. bewilligt. Neue Linien Samaden- Pontre- 

- 1 n .i und Da vos-Filisur in Angriff genommen. 

7. Am 1. Oktober 1906 Inbetriebsetzung der normal- 
spurigen Nebenbahn Heinach-Münster. 

8. Inangrilfnahme der Bauarbeiten an der normalspu- 
rigen Nebenbahn Ramsei-Sumis wald-llti tt wil. 

9. Vollendung (1907) der im Jahr 1900 in Angriff ge- 
nommenen elektrischen Schmalspurbahnen Locarno- 
Ponte Brolla-Bignasco (Maggiathal) und Bellin- 
zona -Mesocc». 

10. Vollendung (1907 i der elektrischen Schmalspurbahn 
Aigle-Ollon-.Monthey. 



1 1 . Beginn der Bauarbeiten auf der elektrischen Schmal- 
spurbahn St. Mori tz-Campocologno (Berninabahn . 

Di. Beginn der Bauarbei- 
ten auf der elektrischen 
Schmalspurbahn Langen- 
thal-Oensingen (Langen- 
thal-Jura-Bahn). 

13. Kröffn tingam 20. Augu«: 
1906 der 1902 im Bau begon- 
nenen elektrischen Schmal- 
spurbahn M a rt i g n y -Chi- 
telard mit Zahnstangen- 
strecke zwischen Vernayai 
und Salvan. 

U. Beginn der Bauarbeiten 
auf der elektrischen Schmal- 
spurbahn i teilweise Zahn- 
radbahn) Moni hey-Cham- 
pe>y-Morgins. 

15. Von den fünf vor dem 
Jahr 1906 begonnenen Seil- 
bahnen konnten 1906 nur zwei 
eröffnet werden : die Seilbah- 
nen I. o c a r n o - M a don na 
del Sa sso und Inier- 
laken-Heimwehfluh. 
Die ßetriebsberoitatellungder 
drei andern (Muottas- Mu- 
ri igl bei Samaden. Li nthal- 
Braunwald und Inter- 
laken-Harden erfolgt im 
Sommer 1907. 

16. Inangriffnahme der (im 
Sommer 1907 vollendetem 
Seilbahn Sc hon egg-Z Uber- 
berg (Zuger Berg- und Stra»- 
senbahn) und der Niesen- 
bahn, beide als einspurige 
Linien mit Spurweite von I m 
automatischer Ausweichung 
und elektrischem Antrieb 
projektiert. 

17. Die 1906 ausgeführten 
Strassenbahnlinien sind 
ausschliesslich meterspurige 

elektrische Bahnen mit oberirdischer Stromzuführunv 
I). üveztitl fragen. I. Die von den interessierten Landes- 
gegenden so heiss begehrten internationalen Durch- 
gangslinien durch die Schweiz hatten Ende 1906 
folgenden Bestand : 

a) Lvon-Süddeutschland über Genf-Bern (resp. Neuen - 
burg)-0lten nach Basel oder Zürich und von da im Fächer 
nach Baden, Württemberg. Baiern und Tirol ausstrahlend. 

b) Paris-Wien über Basel-Zürich-Arlberg. 

es Gotthanlbahn : Basel oder Zurich-Luzern-Mailand 

d) Simplonbahn : Paris-Lausanne-Mailand. 

3. Die He t r i e bsa n sch I usssta t i o n e n an die 
;i ii s I .i ii .1 i - c h r n 1t ,i Ii ii n !• t i e sind Genf : S. B- H 
und P. L.M.; Di vonne (Frankreich) : S.B.B, und P.L.M.; 
Pontarlier i Frankreich) : S.B.B, (von Vallorbe und Las 
Verrieres herkommende Linien) und P. L. M. ; Le Locle 
J. N. und P. L. M. ; Delle (Frankreich i : S. B. B. und fran- 
/••- iMbahn: Hasel liauptbahiihof S. It H. und Klsa--- 
Lolhringische Bahnen ; Basel Badischer Bahnhof: S. B. B. 
und Badische Bahnen: Waldshut (Deutschland) : S.B.B, 
und Badische Bahnen; Singen (Deutschland): S. B. B. und 
Kadische Hahnen ; Konstanz (Deutschland) : S. B. B. und 
Iladische Bahnen ; Bodensee : Romanshorn und Horachach- 
Friedrichshafenund Lindau (Deutschland); St. Margrethen 
S. Ii. H. und Österreichische Hahnen; Buchs: S. B. B. 
und Oesterreichische Bahnen ; Chiasso : G. B. und italie- 
nische Bahnen; Domodossola (Italien): S B.B. und ita- 
lienische Hahnen; Vallorcine (Frankreich): Martigm- 
Chätelard und P. L. M.; Le Bouveret: S. B.B. und P. L.M\; 
Genf- Kau» Vives : Endstation der Paris -Lyon- Mediter- 
ranee-Bahn. — Die Genfer Strassenbahnen greifen viel- 
fach auf das benachbarte französische Gebiet über. 

3. Doppelspur. Zweispurige Bahnstrecken strahlen aus 
a) von Lausanne nach Genf- La Plaine. Vallorbe, Vaude- 
rena und Saint Maurice; b) von Ölten nach Hern. 



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1900 03 



V All inger ic 

und Drahtseilbahnen von 1*73 



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ine der wichtigsten Aufgaben. 
Hahnverwaltungen (speziell den 



und Zürich; c) von Zürich nach Basel (Böttberg). Thalwil 
und Borna nshorn ; d) die Gotthardbahn iLuzern-Chi- 
asso) hat Doppelspur mit Ausnahme der 
Strecken Luzern-Immensee, Brunnen-Flüe- 
len und Giubiasco-Chiasso. Eis ist somit zur 
Zeit noch nicht möglich, die Schweiz von ei- 
nem Ende zum andern, sei es von Genf nach 
Romanshorn oder von Basel nach Chiasso, 
auf Doppelspur zu befahren. Der Ausbau 
des Netzes der Hauptbahnen auf die zweite 
Spur ist eine der 
die unseren 

Bundesbahnen) noch obliegen 

4. Fahrleistungen. Die Zugsgeschwin- 
digkeit übersteigt auf keiner Strecke 90 
km per Stunde. Wo diese maximale Ge- 
schwindigkeit gestattet ist, d. h. auf gewis- 
sen Strecken der Gotthard- und der Sim- 
plonhahn, dient sie nicht zur Berechnung 
und Aufstellung der Fahrpläne, sondern 
einfach zum Einholen von Zugsverspätun- 
gen. 

5. Der elektrische Betrieb winl 
\onden Schmalspurbahnen mehr und mehr 
eingeführt und kommt bei den im Bau be- 
(rrinenen Linien dieser Kategorie fast aus- 
schliesslich in Anwendung. Von Normal- 
bahnen sind elektrisch betneben die Linien 
Burgdorf-Thun und Freiburg-Murten-lns. 
Die elektrische Vollbahnversuchsstrecke 
Seebach-Wettingen soll im Laufe des Jah- 
re« 1907 dem regelmässigen Betrieb über- 



— 3. Die Subkommission III berichtet auf Grund sorg- 
fältiger Erhebungen über die verfügbaren Wasserkräfte 



ist ferner einge- 
führt auf der Strecke Brig-Iselle, d. h. 
durch den Simplontunnel, durch den 190(5 
mit elektrischen Ix>komotiven geführt wur- 
den ( Eröffnung am 1. Juni): bis zum 13. 
Juni 8 Züge per Tag; ab 14. Juni 10 Züge 
per Tag; ah 1. August alle Züge, mit Aus- 
i zwei Expresszugen und der 
ab 1 . Oktober alle Züge, mit Aus- 
• Luxuszüge und zweier Nachtzüge ; ab 15. No- 
vember der ganze Betrieb mit Ausnahme zweier Nacht- 
züge, für welche die Dampftraktion beibehalten wurde, 
um für die auf der Strecke Iselle-Domodossola verkehren- 
den Dampflokomotiven aus dem Depot Brig einen regel- 
mässigen Turnus zu ermöglichen. Der Betrieb wickelte 
«ich bis dahin vollständig glatt ab, und es kann der 
elektrische Versuchsbetrieb durch den Simplontunnel als 
gelungen bezeichnet werden. Die Unternehmerfirma ist 
im Begriff, für den Simplonbetrieb eine neue vierach- 
»ige lOOOpferdige Lokomotive mit einem Adhäsionsge- 
wicht von 64 Tonnen zu konstruieren, deren motorische 
Fjnrichtung es gestattet, mit vier verschiedenen Ge- 
schwindigkeiten zu fahren. 

Die vom Bund und den schweizerischen Bundeshahnen 
subventionierte • schweizerische Studienkommission für 
elektrischen Bahnbetrieb < sucht dasjenige elektrische 
Traktionssystem ausfindig zu machen, das sich für den 
Betrieb des* schweizerischen ßahnnetzes am besten eignet. 
Die Studienkommission hat drei Subkommissionen mit 
folgenden Aufgaben bestellt: 1. Subkommission I mit 
Arbeitsprogramm : « Die Untersuchung der allgemeinen 
Frage der Anwendbarkeit und Gestaltung des elektrischen 
Retriebes bei den verschiedenen Kategorien unserer Bah- 
nen von den|Kleinbahnen bis zu den grossen Hauptbahnen.« 
Diese Studien uud Berechnungen sind abgeschlossen. 
1906 erschien der von Prof. Wyssling, dem Generalsekre- 
tär der Kommission, verfasste" Bericht über den Krafl- 
bedarf für den elektrischen Betrieb der Hahnen in der 
Schireiz, der die Arbeiten des Ingenieurs Thormann 
josammenfasst. — 2. Auch die Subkommission II hat ihre 
Arbeiten abgeschlossen. Es hatten ihr allgemeine ver- 
gleichende Studien über die verschiedenen anwendbaren 
>y«teme elektrischen Betriebes in technischer und ßnan- 
ueller Hinsicht obgelegen. Demgemäss wurden die Ver- 
hältnisse von 25 in verschiedenen Ländern Europas elek- 
trisch betriebenen Linien näher untersucht und auch die 
amerikanischen Bahnen durch eine Delegation studiert. 




Durchgehende internationale Bahnverbindung» n. 

des Landes. Sie studiert die Verwendbarkeit dieser Kräfte, 
ihre günstigste Verteilung, die Kraftpreise an den Speise- 
punkten, sowie die Möglichkeit der Akkumulation von 
Kräften. Das Eisenbahndepartement leistet an die Arbeiten 
der Studienkommission einen jährlichen Beitrag von 
10000 Fr. 

Durch Vermittlung der schweizerischen Bundesbahnen 
und der Gotthardbahngesellschaft versichert sich der 
Bund der zur Elektriflkation des Bundesbahnnetzes not- 
wendigen Wasserkräfte. 

6. Neben dem Normalhahnnetz, das bis jetzt mit dem 
Gotthard und dem Simplon die Alpen durchquert, bildet 
sich allmählich ein schmalspuriges Alpenbahn- 
netz heraus, das ohne Zweifel eines Tages ebenfalls 
vereinheitlicht werden wird. Dieses Netz hat seine Konf- 
stationen in Zermatt, in Luzern. in Chur und in St. Mu- 
rin (im Engadin) und wird in allen seinen einzelnen 
Teilen unter sich verbunden sein, sobald die bereits kon- 
zedierte Linie Meiringen-Gletsch, sowie die zur Konzes- 
sion angemeldete Linie Brig-Gletsch-Andermatt-Ober- 
alp-Bätische Bahn erstellt sein werden. 

t. In m i 1 i t ä r i sc h e r II i n s i c h t ist das schweize- 
rische Eisenbahnnetz zu gleicher Zeit sehr verwundbar und 
leicht zu verteidigen. Verwundbar ist es, weil es eine 
Masse von sehwachen Punkten (Brücken, Tunnels etc.) 
aufweist, die feindlichen Operationen günstige Objekte 
darbieten. Leicht zu verteidigen ist das Netz, weil alle 
diese Kunstbauten ohne Schwierigkeiten gesprengt wer- 
den können. Die grosse Dichtigkeit unseres Bahnnetzes 
leistet der Konzentration und raschen Beförderung der 
Truppen starken Vorschub, doch muss anderseits auch 
betont werden, dass unsere Bahnen für Truppenbewegun- 
gen in grösserem Massstab noch lange nicht genügend 
eingerichtet sind. Mit Bezug auf Aufnahmeperrons, 
Doppelspur etc. bleibt in dieser Hinsicht noch sehr viel 
zu wünschen übrig. Der schweizerischen Armee ist ein 
aus vier Kompagnien bestehendes Kisenbahnbataillon 
angegliedert. 



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234 



8. Von grosseren Eisen bahnkalastrophen ist 
unser Land bisher verhältnismässig verschont geblie- 
ben, dank im -! ■ sondere der peinlichen Sorgfalt, die das 
Departement und die Bahngesellschaften den Fragen der 
öffentlichen Sicherheit zuwenden. Zu nennen sind immer- 
hin die Katastrophen von Colombier (2*2. März 1871), 

VI henstein 1 14. Juni 1891), Zollikofen (17. August 1891) 

und Palezieux (21. November 1903). 

E. Organisation und Tätigkeit des eidg. Post- und 
y.isenbahndejmrtenienles (Abteilung für Eisenbahn- 
wesen/. Die Behandlung der grossen schweizerischen 
htsen bahn fragen liegt in den Händen der Bundesversamm- 
lung und des Bundesrates. Das Eisenbahndepartement 
besorgt die notwendigen Vorstudien und arbeilet die Vor- 
lagen aus, die meist auf die spätere Entwicklung der im 
Wurf liegenden Geschäfte von ausschlaggebender Bedeu- 
tung sind. Neben dieser Tätigkeit stehen dem Departe- 
ment Kompetenzen zu, in deren Bahmen es von sich aus 
beschließet und verordnet. Zu bemerken ixt, dass das Eisen- 
bahndeparteriK'iit diejenige Instanz bildet, durch deren 
Vermittlung die Verwaltung der schweizerischen Bundes- 
bahnen dem Bundesrat und den eidg. Bäten die in Ihren 
Kompetenzen kreis fallenden Geschäfte unterbreitet. Bei 
der rebermittlun^ die»er Akicn steht dem Departement 
das Hecht zu abweichenden Vorschlagen zu. Kine weitere 
grosse Aufgabe des Departementes ist die Beaufsichtigung 
und Kontrolle aller schweizerischen Bahnunternehmungen 
i Bundes- und Privatbahnen). Wo den Bundesbahnen ge- 
setzlich eine Sonderstellung eingeräumt wird, überwacht 
da« Departement die Vollziehung der betretenden Gesetze. 
In allen den Fallen dagegen, wo solche Spezialgesetze 
nicht vorhanden sind, bleibt die Stellung der Bundes- 
ebenen dem Departement gegenüber genau die gleiche 
«ie diejenige der Privatbahngesellschaften. 

Zur Friedigung seiner Aufgaben und Pflichten ist das 
Departement sur Zeit in folgende drei Dienstabteilungen 
eingeteilt : Kanzlei, technische Abteilung und administra- 
tive Abteilung, letztere mit dem Inspektorat für Tarif- 
uod Transportwesen und dem Inspektorat für Rechnungs- 
wesen und Statistik als Unterabteilungen. Folgendes 
sind in grossen Zügen die Obliegenheiten eines jeden 
dieser Dienstzweige : 

i. Die Kanzlei <S e k re ta r i a t) bildet das juristi- 
sche Amt des Departementes. Sie bearbeitet alle die 
Erteilung. Uebertragung, Verlängerung und den Buckzug 
von Eisenbahnkonzessionen, die Genehmigung der Statu- 
ten, die Finanzausweise und die Expropriationsgeschäfte 
betreuenden Vorlagen. Eine ihrer Hauptaufgaben be- 
steht auch in der Führung des Hypotheken registers der 
Eisenbahnen. Ferner liegen ihr die Beziehungen zu den 
internationalen Bureaux und die Erledigung der allge- 



1 Die technischeAbteilung bildet die Prüfungs- 
ond Kontroll behörde für alle von den Bahn Verwaltungen 
eingereichten Pläne, die den Bahnbau und die Anschaf- 
fung von Bollmaterial betreffen. Nach Vollendung einer 
; deren Kollaudation vor. Später kontrolliert 
ieb. Sie befasst sich mit der Aufstellung 
und überwacht den Vollzug des Bundes - 
. die Arbeitsdauer der Angestellten. Allgemein 
liegt der technischen Abteilung die Aufgabe 
ob. über die technische Einheitlichkeit der schweize- 
rischen Eisenbahnen zu wachen. 

3. Administrative Abteilung, a) Das In- 
»pektorat für Tarif- und Transportwesen 
kontrolliert den Vollzug des « Transportrcglementes der 
schweizerischen Eisenbahn- und Bampfschiflunterneh- 
mungen ». Es prüft die Tarife und veranlasst das Notige 
zu deren Innehaltung. Endlich behandelt es auch alle 
diejenigen Fragen, die die internationale Uehereinkunft 
betr. den Eisenbahntransport von Waren betreffen. — 
bl Das Inspektorat für Bechnungswesen und 
Statistik ist mit der Verifikation des Bechnungswesen 
und der Bil anzen der Eisenbahnunternehmungen und der 
Hilfakascen des Eisenbahnpersonals beauftragt. Es obliegt 
ihm ferner, für den Fall eines Bückkaufes den Wert der 
betr. Eisenbahnen auf Grund der Konzessionsgebühren 
and des Rechnungsgesetzes zu bestimmen. 

Die eben skizzierte Tätigkeit deB Departementes erstreckt 
«ich auch auf die übrigen öffentlichen Transportunter- 



nehmungen (Dampfschiffe, Luftseilbahnen, Automobil- 
unternehinungen etc.). 

F. Schweizerische Bundesbahnen. Der Betrieb der 
schweizerischen Bundesbahnen beruht auf den wichtigen 
Gesetzen vom 15. Oktober 1897 (betr. die Erwerbung und 
den Betrieb von Eisenbahnen für Bechnung des Bundes 
und die Organisation der Verwaltung der schweizerischen 
Bundesbahnen), vom 29. Juni 1900 (betr. die Besoldungen 
der Beamten und Angestellten) und vom 27. Juni 1901 
(betr. das Tarifwesen i. Eine vom Bundesrat am 7. No- 
vember 1899 erlassene und seither in einigen ihrer Be- 
stimmungen abgeänderte Vollziehungsverordnung orga- 
nisiert die Verwaltung im einzelnen, im folgenden sollen 
einige spezielle Punkte aus dem • Bericht der General- 
verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen über die 
Geschäftsführung und die Bechnungen deB Jahres 1906 • 
hervorgehoben werden. 

1. Organisationderschweizerischen Bun- 
desbahnen. Die lokalen Geschäfte werden von 4 Kreis- 
direktionen (I in Lausanne, II in Basel, III in Zürich, 
IV in St. Gallen) und ebensovielen Kreiseisenbahnräten 
besorgt, welch' letztere eine Art von Aufsichts- und An- 
trag^-behoi de sind. Nach dem Bückkauf der Gotthard bahn 
soll iu Luzcrn eine Kreisdireklion V errichtet werden. 

Die allgemeinen Geschälte besorgt die Generaldirektion 
in Bern. Ein aus 54 (resp. 55) Mitgliedern bestehender 
Verwaltungsrat, von dem 25 Mitglieder durch den Bundes- 
rat, 25 durch die Kantone und Halbkantone, sowie 4 

tresp. 5) durch die Kreiseisenbahnräte gewählt werden, 
leaufsichtigt die Geschäftsführung der Generaldirektion. 
erledigt von sich aus endgiltig eine Beihe von Geschäften 
und leitet überdies Anträge an die Bundesbehörden. Die 
Oberleitung des Bundesbahnnetzes (im Gegensatz zur 
eigentlichen Geschäftsführung) liegt in den Händen der 
Bundesbehorden, und zwar in der Kompetenzen-Stufen- 
folge Eisenbahndepartement. Bundesrat. Bundesversamm- 
lung. 

Eine der Folgen der autonomen Geschäftsführung der 
Bundesbahnen zeigt sich darin, dass die Generaldirektion 
und die Kreisdirektionen das ihnen unterstellte Personal 
direkt ernennen. Die Direktoren werden auf Vorschlag 
des Verwaltungsrates vom Bundesrat gewählt. 

Die Gesamtzahl der Beamten und Angestellten mit 
Jahresgehalt beträgt auf Ende 1906 18 381». diejenige der 
im Taglohn Angestellten 10 253, zusammen 28 642 (gegen- 
über zusammen 27 175 auf Ende 1905), wovon 

Beamte mit im Taglohn 
Jahresgehalt Angestellte 
bei der Generaldirektion 839 43 

beim Kreis I 4169 1625 

II 5922 .3596 

. • III 5038 274T. 

• IV 2621 2241. 

Zu bemerken ist hierbei, dass die Zahl der mit Jahres- 
gehall angestellten Beamten im Verhältnis zu den im Tag- 
lohn Beschäftigten immer noch im Zunehmen begriffen 
ist, da die Verwaltung fortdauernd bestrebt ist, möglichst 
viele Arbeiter in die günstigere Stellung festangestellter 
Beamten vorrücken zu lassen. Der durchschnittliche Be- 
stand deB Arbeiterpersonals in den verschiedenen Werk- 
stätten betrug 1906: Yverdon 435. Freiburg 143, Biel 491. 
Ölten 827, Zürich 778, Romanshorn 87, Borschach 344 
und Chur 261, zusammen 3366 Mann (gegenüber 8805 
Mann im Jahr 1905). 

2. Die Lä n ge der dem Bund angehörenden Linien 
beträgt nach den neuesten Erhebungen : 

Bahnlänge Betriebslänge 
km km 
Kreis I 644.052 657,222 

i II 615.011 620.975 

i Hl 736.375 757,894 

. IV 415.303 418.574 

Total -241Ö.T41 2«3,665. 
Die Betriebslänge der bisher von den Bundesbahnen 
betriebenen, fremden Bahnen angehörenden Anschluss- 
strecken Mitte Rhein-Waldshut. \allorbe (Grenze)-Pon- 
tarlier Les Verrieres (tirenze)-Pontarlier und Delle 
iGrenzei-Delle umfasst 36.236 km. Dazu kommt seit dem 
I. Juni 1906 die den italienischen Staatsbahnen ange- 
hörende Strecke Iselle-Domodossola (19.068 km), aufwel- 



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1 1 1 

III 



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A. 3% Eisenhahnrente von 1890 . . . . 

B. 3' ,% Bundesbahnanleihen von 1809:1902 



G. 4% 

D. 3 0 o Bunde 
E 



n o 
3' 1,1 
3«, 0 



4% II. Hvpothek 
3°,, von 1857 



eher die Bundesbahnen den Zugs- und Fahrdienst be- 
sorgen. Ausserdem betreibt die Bundesbahnverwaltung 
zufolge Uebernahme der von 
der Jura-Simplonbahn abge- 
schlossenen Betriebavertrage 
die Nebenhahnen Biere-Apples- 
Morges, Bulle-Romont, Cosso- 
nay Bahnhof-Gossonay Stadt, 
die* Traversthalbahn, Visp-Zer- 
inatt und Pruntrut-Bonfol mit 
zusammen 106,589 km Betriebs- 
lange, sowie die Linie Nyon- 
Crassit r der Bahngesellschaft 
Nyon-Crassier (5.941 km) und 
die anschliessende Linie Cras- 
sier-Divonne les Bains der Pa- 
ris-Lyon-Mittelmeerbahn (3,202 
km) gemäss besonderen Be- 
triebsverträgen. Sodann ist seit 
dem 20. August 1906 der Be- 
trieb der im Eigentum der 
Bahngesellschaft Martigny-Cha- 
telard Btehenden Linie (20.740 
km) übernommen worden. Fer- 
ner wird die Linie Vevev-Chex- 
bres mit einer Betriebslänge 
von 7,785 km laut Pachtvertrag 
vom 2. Juli 1903 mit der Eisen- 
bahngesellschaft Vevev-Chex- 
bres von den Bundesbahnen 
betrieben. Für den Betrieb der 
Bahn Wald-Rüti mit einer Be- 
triebslänge von 6,570 km ist 
dagegen die Besorgung des 
Zugs- und Fahrdienstes vom 
1. Oktober 1906 an auf die 
Bauer von drei Jahren der 
Tössthalbahn übertragen wor- 
den. 

3. Dem Bundesrat steht das 
Rocht zu, für die schweize- 
rischen Bundesbahnen alle die- 
jenigen Linien zu erwerben, die nach Massgabe ihrer 
wirtschaftlichen oder strategischen Bedeutung die ganze 
Schweiz oder einen beträchtlichen Teil des Landes inte- 
ressieren und deren Ankauf keine übertriebenen Ausga- 
ben zur Folge hat. Der vollzogene Ankauf ist der Bundes- 
versammlung zur Ratifikation vorzulegen. Dagegen ist der 
Erlass eines nesondern Bundesgesetzes notwendig, sobald 
es sich um den Ankauf einer den eben skizzierten Bedin- 

nicht entsprechenden Bahn oder um den Bau ei- 
Linie handelt. So sind z. B. die Bundesbahnen 
gerade gegenwärtig bei den eidg. Bäten vorstellig, um den 
Erlass eines Gesetzes zu erlangen, das ihnen den Bau einer 
Schmalspurbahn längs dem rechten Ufer des Brienzersees 
ermöglichen soll. 

4. Anlagekapital und Amortisation des Netzes. 
Ceber den Bestand des auf die Bundesbahnen verwendeten 
Kapitales (konsolidierte Schuld) auf Ende 1905 bezw. 1906 
gibt die oben beigedruckte Zusammenstellung Auskunft. 

In Vollziehung des Rückkaufgesetzes amortisieren die 
Bundesbahnen die durch den Bückkauf eingegangene 
Schuld vom 1. Januar 1903 an in einem Zeitraum von 60 
Jahren. Da aber der Ausbau des Netzes beständig neue 
Ausgaben erheischt, werden diese innerhalb der 60 Jahre, 
die auf das Jahr der gemachten Ausgabe folgen, amorti- 
siert. Demnach wird am 1. Januar 1963 bloss das am 
I. Januar 1903 in Betrieb genommene Netz amortisiert 
Bis jetzt hat die Amortisation regelmässig vorge- 



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men mit den tum Kapital geschlagenen Zinsen den Be- 



stand 



50 Mill. Fr. erreicht haben wird. Die verhlei- 



Anleihen 



Bundesbahnrente von 1900 

ahnanleihen von 1903 

Anleihen der früheren Zentralbahn : 

4 % von 1876 

4 % von 1880 

3':,% vom Juni 1894 

3'.,% vom Oktober 1894 

Anleihen der früheren Nordostbahn : 

4 % von 1880 

von 1894 

von 1895 

„ vom Februar 1897 

3' Vo vom September 1897 

Subventionsanleihen. 

Rechtsufrige Zürichseebahn 

Bülach-SchaflTiausen 

G. Anleihen der frühern Vereinigten Schweizerbahnen : 
4% I. Hvpothek 



auf 



31. XII. 190T, | m.XIl. noa 



von 1857. 1. Hvpothek 

3% von 1859 . '. 

5% von 1859. I. Hvpothek 

H. Anleihen der frühern Jura-Simplonbahn : 

3»/,% von 1894 

rranco- Suisae von 1868 . . . 



3",, Jougne-Eclepens 
3':,% Jura-Bern-Luzeri 
3',, % Brünig von 1889 



Total 



Fr. 

396 028000 
75 000 000 
150000 000 

23 472 000 
18 375 000 
30 000 000 
30000000 

3000000 
10000000 

7 000000 
35 000 000 
10 512 500 

1 400 000 
240000 

21 768 100 
10 911 700 
64 500 
176 400 
88 500 
157 200 

138 172 500 
16 193 100 

7 274000 
29 000 000 

5 000 000 



1 018 833 500 



Kr. 

69 333000 
450 000 00) 

75 a» 000 

150000 000 

23 076 500 
1S265ÜO0 
30000000 
30 000000 

3000000 
10 000000 

7 ooo 000 
35000(1)0 
10 512500 

1 050000 
120 000 

20 568 100 
10 31 1 700 
11 500 
42 .'»II 
51 1 .M 1 1 
94200 

138 172 V«) 
16uVt iüo 

7 274 Uüü 

8 528 t"«« 
897 000 



I 111300200 



benden 80" 0 des Reingewinnstes müssen im Interesse 
der Bundesbahnen verwendet werden, und zwar zur 
Vervollkommnung und Erleichterung der Transportbe- 
dingungen, zur allmählichen Herabsetzung der Personen- 
una Gütertarife, sowie zur Erweiterung des schweize- 
rischen Eisenbahnnetzes, speziell der Nebenbahnlinien. 

6. Bilanz auf 31. Dezember 1906: Die Gesamt- 
summe der Aktiven und Passiven der Bilanz beträgt auf 
St. Dezember 1906 Fr. 1 238 339 308.69 gegenüber Fr 
1 201 709 284. 08 auf 31. Dezember 191X5. 

Aktiven. 

Fr. 

I. Baukonto 889522057 
II. Unvollendete Bauobjekte 11585221t 
lila. Ueberschus« des Rückkaufspreises über 
die Aktiven der ehemaligen Gesell- 



Illb 
IV. 

V. 



schaften 

Zu amortisierende Verwendungen 
i auf Ncbengeschäfte 



Verfügbare " 



ittel 



80071870 
19259257 
2 2031: 
130500594 



Passivst. 



5. Rechnungswesen und Verwendung der 
U e b e r s c h ü s s e. Das Rechnungswesen der schweizeri- 
schen Bundesbahnen ist \on demjenigen der übrigen 
Zweige der Bundesverwaltung vollständig getrennt. Der 
Ertrag der Bundesbahnen wird in erster Linie zur 
Einlösung der Zinsen und zur Amortisation der Eisen- 
bahnschuld verwendet. 20 % des Beingewinnstes müssen 
in einen besondern Reservefonds (ErneuerungsfondBi ein- 
gelegt werden, der von den übrigen Aktiven der Bundes- 
bahnen so lange getrennt zu verwalten ist. bis er zusam- 



I. Konsolidierte Anleihen 
II. Amortisationskonto 

III. Schwebende Schulden 

IV. Spezialfonds 

V. Aktivsaldo der Gewinn- 



Fr. 

1 114 360200 
I8 75489T 
401*46 3U5 



und Verlust- 



7. Betriebskoeffizient. Es dürfte 



4 828524 



der 

einnahmen darstellt, im Jahr 1906 auf 65.80% gesunken 
ist. nachdem er betragen hatte im Jahr 1905: 66,42. 
1904: «7.68 und 1903: 65.53%. Diese Betrage stellen 
immerhin noch ziemlich hohe Ziffern dar. 



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SCHW 



8. Betriebsergebnisse. Die Ergebnisse der ersten I 
Betriebsjahre sind vertrauenerweckend, indem dieBundes- 
Mhnen allen ihren finanziellen Verpllichtungen nachzu- 
kommen vermocht haben, den Bestand des Netzes und 
des Rollmaterials gehoben, die Tarife ermässigt und die 
materielle Lage ihres Personales im Sinne einer Ver- 
b**s>erung dersellien ausgeglichen halten. Dagegen ist die 
Funktion dea gesamten Organismus der Bundesbahnen 
eine ziemlich schwerfallige. Alle die vielfachen Instanzen 
«Kreisdirektionen und Kreiseisenbahnräte, Generaldirek- 
tor) und Verwaltungsrat, Eisenbahndepartement, Bundes- I 
rat und Bundesversammlung), neben denen auch noch i 
die Kantonaregierungen als antragstellende Behörden 
in Frage kommen, legen einer raschen Erledigung der 
Geschäfte viele Hindernisse in den Weg. Aus diesem Grunde 
hat man denn auch in den eidg. Bäten schon die Not- 
wendigkeil einer Reorganisation der schweizerischen 
Bundesbahnen nach dem Rückkauf der Gotthardbahn 
durchblicken lassen. 

[Dr. A Bo.vzon: mit Beitrugen der Hbdaktiox] 

II. Postweses. A. Historiwhe Skizze. Die erste regel- 
mässige Beförderung von Briefsendungen durch reitende 
Boten datiert in der Schweiz aus dem 15. Jahrhundert 
und ist von kommerziellen Korporationen organisiert 
worden. Solche Boten verkehrten z. B. zwischen St. Gallen 
■nid Nürnberg, St. Gallen und Lyon, SchafThausen und 
Frankreich (1585), SchafThausen und Deutschland (1585), 
Zürich und Genf (1630) etc. In der ersten Hälfte des 17. 
Jahrhunderts schuf Klingenfuss aus SchafThausen zwischen 
verschiedenen Schweizerstädten und selbst bis Genf Post- 
knrse. die auch die Beförderung von Personen übernah- 
men. 1675 führte Beat Fischer die Post in Bern ein, wo 
»eine männlichen Nachkommen dieselbe bis 1832 in Pacht 
hatten. Während der ganzen Dauer des 18. Jahrhunderls 
änderten Bich die Postverhältnisse nur wenig. Da sich 
das Strassennetz nur langsam entwickelte, konnte natür- 
lich auch das Postwesen nicht viel besser werden. Nach 
und nach waren die reitenden Boten durch Leiterwagen 
ersetzt worden, in denen man oft Reisende und Gepäck 
zusammen unterbrachte. Dabei benutzte man nach Mög- 
lichkeit die Wasserstrassen und expedierte per Woche im 
Maximum zwei Postaendungen. Auf den bessern Strassen 
konnte man zweirädrige Postkabriolets und spater Post- 
kutschen sehen, deren Kasten in Ketten hing. Die Be- 
rechnung der zu erhebenden Taxen war infolge der ver- 
schiedenen Münzsvsteme der Kantone meist ein sehr 
mühseliges Geschäft. Besonders schwierig gestaltete sich 
die Beförderung der Korrespondenz quer über die Alpen. 
Ein Kurier, der bloss Briefsachen mit sich führte, ging 
ein- oder zweimal die Woche nach Italien ab. Die Reisen- 
den mussten sich ihre Pferde oder Maultiere selbst be- 
sorgen, während die Güter ganzen Zügen von Lasttieren 
aurgeladen wurden. Dieser Gütertransport bildete für die 
Anwohner mehrerer Pässe den llaupternährungszweig. 
Diese Verhältnisse dauerten bis zur Eröffnung der neuen 
Bergstrassen im 19. Jahrhundert. 

Die ersten Versuche zur Organisation eines einheitli- 
chen Postdienstes in der Schweiz datieren aus dem Jahr 
1798. Vorher hatte die Schweiz aus 13 souveränen Kan- 
tonen mit ihren zugewandten Orten und Untertanenlän- 
dern bestanden, hei welchen Verhältnissen an eine ein- 
heitliche Postverwaltung natürlich nicht zu denken ge- 
wesen war. In einzelnen Kantonen wurde die Post als 
Begal aufgefasst, aber nicht vom Staat betrieben, sondern 
in Pacht gegeben. An andern Orten übcrliess man das 
Postwesen auf bestimmte Zeit an privilegierte Patrizier- 
geschlechter, während noch anderswo endlich die Post 
eine einfache Privatunternehmung war, welche teilweise 
in die Hände des ganzen Handelsstandes überging. Jede 
einzelne dieser Unternehmungen hatte ihren beson- 
deren Tarif und ihre besondere Organisation. Die Taxen 
Karen natürlich sehr hoch und schwankten je nach der 
l.ange des von der Postsendung zurückgelegten Weges. 
Das Briefporto konnte in der Regel nicht zum Voraus be- 
zahlt werden. Eine der bedeutendsten dieser Transport- 
unternehmungen war diejenige der schon erwähnten Fa- 
milie Fischer in Bern. Ihre Organisation erstreckte sich 
über das Gebiet der Kantone Bern, Wallis, Freiburg, Solo- j 
thurn und Luzern. über Teile der Kantone Uri, Schwyz, ■ 
l'nterwalden, Zug und Glarus, sowie über die Simplon- > 



Strasse nach Mailand und die Strasse durch das Val de 
Travers bis nach Pontarlier. Diese Familie bezahlte dem 
Kanton Bern für ihr Begierecht eine jährliche Abgabe 
von Fr. 75 <XJ0 alter Währung, dem Kanton Solothurn Fr. 
1000 und dem Kanton Freiburg Fr. 500. 

Mit der Organisation (Beschluss der gesetzgebenden 
Räte der Helvetik, vom 3. Herbslmonat 1798 ; zweites Ge- 
setz vom 16. Wintermonat 1798) eines im ganzen Gebiet 
der Eidgenossenschaft auf einheitliche Grundlage gestell- 
ten Postdienstes (Staatsregal, Haftpflicht, Postgeheimnis, 
einheitliche Taxvorschriften ; ZentralpoBtverwaltung am 
Hauptort der Republik und fünf Kreisverwaltungen, näm- 
lich je eine in Zürich, Basel, St. Gallen, SchafThausen und 
Bern) vollzog die Regierung der helvetischen Republik ein 
Werk, das ihr alle Ehre machte. Zum Unglück ging aber 
nach dem Fall dieser Regierung (1803) das Postmonopol 
an die Kantone zurück, die nun die mangelhafte Verwal- 
tung der früheren Jahre einfach fortsetzten. 

Bis zum Jahre 1819 waren nun folgende selbständige 
kantonale Verwaltungen in Wirksamkeit: Genf für den 
Kanton Genf; Lausanne für Waadt und teilweise Wal- 
lis; Neuen bürg für den Kanton Neuenbürg ; Frei bu rg 
für den Kanton Freiburg; Bern (Postpächter Fischer) 
für den Kanton Bern; Solothurn für den Kanton Solo- 
thurn; Basel für Basel Stadt und Basel Land ; Aarau 
für den Kanton Aargau ; Luzern für die Kantone Luzern 
und teilweise Uri; Zürich für die Kantone Zürich, Zug, 
Obwalden, Thurgau und teilweise Uri; St. Gallen für 
die Kantone St. Gallen, Schwyz und teilweise Appenzell ; 
Glarus für den Kanton Glarus; C hur für den Kanton 
Graubünden ; Lugano für den Kanton Tessin; Thurn 
und Taxis für den Kanton SchafThausen. Die Halbkan- 
tone Nidwaiden , Appenzell Ausser Roden und Inner 
Roden hatten keinerlei (weder staatliche, noch kommu- 
nale noch verpachtete) Post Verwaltungen. Herisau, Spei- 
cher und Trogen hatten den Postbetrieb auf ihrem Gebiete 
der Zentralpostverwaltung des Kantons St. Gallen über- 
tragen. In allen übrigen Gemeinden dieser Halbkantone 
lag die Besorgung des Botenwesens in den Händen ein- 
zelner Privaten, die keiner Kontrolle unterstellt waren. 

Es gab somit in der Schweiz bis zum Jahr 1849 fünfzehn 
selbständige Postverwaltungen. Die benachbarten Kantone 
hatten unter sich, sowie mit einzelnen angrenzenden 
Staaten ihre besondern Verträge. Einige der wichtigsten 
Verkehrsroulen hatten jeden Tag, die meisten jedoch nur 
2-3 mal in der Woche eine Postverbindung. Ein Briet 
von Zürich nach Einsiedl In brauchte z. B. zwei Tage. 
Die Briefe von Einsiedeln nach SchafThausen, Thurgau 
und dem Grossherzogthum Baden wurden über St. Gallen 
instradiert. Die italienische Korrespondenz, welche 
Abends nach Brunnen kam, wurde erst den folgenden 
Morgen nach dem eine Stunde entfernten Kantonshaupt- 
ort Schwvz befördert. Bei Verspätung der Gotlhardpost 
wurden die italienischen Briefe mit RuderschifTen von 
Flüelen nach Luzern transportiert und erst den folgenden 
Tag nach dem Kanton Schwyz zurückgeleitet. Aehnlich. 
wenn nicht noch schlimmer, waren die Posteinrichtungen 
im übrigen Teile dea Vaterlandes. 

Jede Verwaltung verlangte natürlich auch ihren Tribut 
für die transitierenden, nach einem dritten Kanton be- 
stimmten Korrespondenzen. So hatte Aarau an Bern für 
die im direkten Briefsack Aarau-Genr eingeschlossenen 
Korrespondenzen eine Transitgebühr von 10 Kreuzern — 
37'/« Rappen per Unze oder 31,2 gr zu bezahlen. Diese 
Transittaxe würde somit 12,01 F r. per kg betragen, wäh- 
rend dieselbe gegenwärtig von Basel nach Königsberg, 
von Genf bis Calais, von Chiasso bis Palermo etc. auf je 
2 Fr. per kg feslgeselzt ist. 

Nach dem Postvertrag vom 20. November 1835 wurde 
zwischen Zürich und Aarau eine tägliche einmalige Post- 
verbindung mit 12 plätzigem Wagen im Sommer und 
9 plätzigem Wagen im Winter eingerichtet. Jetzt bestehen 
täglich 7-9 Postverbindungen zwischen den beiden ge- 
nannten Städten. Für den einfachen Brief schwankte die 
Taxe zwischen 5 und 60 Hanpen. Sodann war auch die 
Taxe für den Hin- und den Herweg nicht immer die 
gleiche, indem z. B. ein einfacher Brief von Zürich nach 
Bern 16 und umgekehrt 20 Happen, von Appenzell nach 
Vevey 30 und umgekehrt 45 Rappen, von Aarau nach 
Bern 10 und umgekehrt 15 Rappen Kostete etc. Die Falii - 



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SCHW 



SCHW 



{«»luxen waren noch komplizierter und nicht nach ein- 
heitlichen Grundsätzen berechnet. 

[ta kam die Bundesverfassung von 1848 und 
mit ihr die Ueberuahme des Postwesens durch den Hund 
im Jahr 1849, sowie das einheitliche dezimale Münz-, 
Mass- und Gewichtssystem. Unter dem Jubel der Bevöl- 
kerung fielen auch an einem T«g sämtliche Schlagbäume 
der Wegzollstatten. Das Postwesen nahm bald einen bis- 
anhin ungeahnten Aufschwung, der bis zum heutigen Tag 
«tedg angehalten hat. Diese Ausdehnung der Postver- 
bindungen ist in besonderem Masse begünstigt worden 
durch den Hau der Kisenbahnen. Heute braucht ein von 
l:- rn nach St. Petersburg oder nach Konstantinopel gehen- 
der Briet nicht mehr Zeit, als früher für den Verkehr 
arischen zwei grössern Städten der. Schweiz notwendig 
war.- Die Posttransporte werden Tag und Nacht Ununter- 
brochen besorgt. Auf gewissen bedeutenden Linien ver- 
kehren täglich bis zu 25 Postzügen. Ein in St. Gallen oder 
SchafThausen abends in den Einwurf gelegter Brief ist am 
folgenden Morgen schon frühzeitig in der Hand des Adres- 
- n in Genf und umgekehrt. Mit diesem Umschwung 
ist allerdings die Poesie der alten Zeiten verschwunden, 
haben aber das allgemeine Wohl und Gedeihen 
sn. Die Schweiz erfreut sich heute einer 
Poslverwallung und postalischer Einrichtungen, auf die 
■ig mit gutem Recht stolz sein darf. Die Unverletzlichkeit 
des Briefgeheimnisses ist durch die Bundesverfassung 
fewährleUtet. (Vorstehende Angaben sind zum grossen 
Teil dem offiziellen illustrierten Posthandbuch Die «c/iuvt- 
zrruchen AhtenpäiBe und die Pottkurte im Gebirrje 
2. Aull., 1893) entnommen). 

B. ttrganistitiim und Betrieb de* srhwiwrixclten Pmt- 
• eten* beruhen im Wesentlichen immernoch 
auf dem Bundesgesetz über die Organisation 
der Postver Wallung, vom '25. Mai 1819. Neben 
diesem grundlegenden Organisalionsgesetz 
wird das Postwesen gegenwärtig noch durch 
folgende weitere Gesetze und Verordnungen 
^regelt: Bundesgesetz betreffend 
die Potttaxen, vom 26. Juni 1881; 
Bundesgesetz über das Postre- 
sral. vom 5. April 18U4 ; Bundesgesetz 
betreffend den Pos t c h e c k - u n d 
ti i r o v e r k e h r . vom 16. Juni IHK. Auf den 
sind ferner noch fol- 
Bundesgesetz betreffend die 
Bildungen der eidgenössischen Beamtin 
und Angestellten, vom 2. Juli 18U7 : Bun- 
: betreffend die Arbeitszeit beim Be- 
der Eisenbahnen und anderer Ver- 
kehrsanstalten, vom Ii». Dezember li«8 ; 

flz betreffend die Haftpflicht der 
m- und Dampfschiffunteinel.inun- 
28. März 190... 



Diese weitaus wichtigste aller Sektionen ist u. a. mit 
der Dienstorganisation im Allgemeinen, sowie mit der 
Aufsicht über das Personal und die Postlokale betraut. 

2. Kursinspektion mit dem Trainbureau ; besorgt 
alle auf den Dienst der Postkurse, der fahrenden Bureaux 
und des Fahrmateriales bezuglichen Arheiten. 

3. Oberpostkontrolle, der das ganze Hechnungs- 
wesen unterstellt ist. 

4. Inspektorat des Postcheck- und Giro- 
verkehrs, die am 1 . Januar 15*16 in Funktion getretene 
Zentralstelle für diesen neuen Zweig der Postverwal- 
tung. 

Unter der Oberpostdirektion stehen die 11 Kreis- 
postdirektionen, nämlich : 

1. Kreis mit Direktionssilz Genf; umfasst den Kanton 
Genf und den Waadtländer Bezirk Nyon. 

2. Kreis mit Direktionssitz Lausanne; umfasst die 
Kantone Freiburg, Waadt (exkl. Bezirk Nyon) und Wallis. 

3. Kreis mit Direktionssitz Bern; umfasst den Kanton 
Bern, mit Ausnahme derjenigen Teile seines Gebietes, die 
dem 4. und 5. Kreis einverleibt sind. 

4. Kreis mit Direktionssitz Neuenburg; umfasst den 
Kanton Neuenburg und vom Kanton Bern den links vom 
Bielersee und der Zihl gelegenen Abschnitt (exkl. Amts- 
bezirk Laufen). 

5. Kreis mit Direktionssitz Basel ; umfasst die Kantone 
Solothurn (exkl. die dem 6. Kreis angegliederten Gemein- 
den), Basel Stadt und Basel Land, sowie vom Kanton 
Bern die links der Aare gelegenen Gemeinden der Amts- 
bezirke Wangen und Aarwangen und den ganzen Amts- 
bezirk Lauren. 

6. Kreis mit Direktionssitz Aarau : umfasst den Kanton 



pn. 

Die oberste vollziehende und leitende Be- 
hörde des Postwesens bildet der Hunden- 
rat. Er unterhandelt und sebhesst die 
f'ottverträge mit dem Ausland und legt sie 
der Bundesversammlung zur Ratifikation 
'or. Er ernennt sämtliche Beamten und 
-teilt für die Transportbedingungen allge- 
meine Vorschriften auf. Die unmittelbare 
Oberaufsicht über das gesamte Postwesen 
«cht dem eidg. Post - und Eisenbahn- 
Departement zu, das die Angestellten 
Vulagehaller. Briefträger. Holen. Packer, 
Hureaudiener. Briefkastenleerer, Konduk- 
'eure etc.) ernennt, die Errichtung neuer 
fustbureaux und -ablagen anordnet und alle 
diejenigen Geschäfte erledigt, die ihm auf 
^rond der Verordnung über den Geschäfts- 
gang der eidgenössischen l'..stwn,va]tun^. 
>"m 26. November 1878, zugewiesen werden. 
I'nterdem Postdepartement stellt zur Leitung 
de« gesamten Post wesens die Oberpost - 
direktion (mit dem Oberpostdirektor), 
die in folgende 4 Sektionen zerfällt : 
L Oberpost inspektion mit a) dem 



20o 



/SO 



SO 



2S 

10 
0 



SO 
hf 

39 
M 



Interner Verkehr 



Millionen 



EZZ2 



Briefe 

Drucksachen £ Warenmuster 
Postkarten 




WA 



1850 5 5 60 6 5 70 7 5 8 0 85 90 95 

Internationaler Vörk ehr 



23C 



200 



fSO 



IOO 



1900 05 

Millionen 



























' [m nizä 1 -^ &l ta Ca 




i 






1 





1855 60 65 70 75 80 85 90 95 1900 05 



(# 

50 
10 
30 
20 
\IO 

\o 



R Boni. 



Sekretariat 



Entwicklung de* schwviierinchcn Post verkehrt 1850-1905. 

Aargau und vom Kanton Solothurn die rechts der Aare 



ucri i im im ■ i i li i 

b der Registratur mit Kanzlei und Archiv; c) dem Ma- gelegenen Gemeinden der Amtei Ölten 
trulhureau ; d) der Werlzeichenkontrolle. ' 7 



Kreis mit Direktionssitz Luzern; umfasst die Kan- 

SOB - uUHiK LäX V — 13 



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226 SCIIW 



tot» Lu zer n , Uri, Nid wählen und Obwalden. sowie vom Kan- I 
tonSchwxz die Bezirke Schwyz. Gersau und Küssnachl. I 



Millionen 




8. Kreis mit Direktionssitz Zürich: umfasst die Kan- 
tone Zürich, Zug, Sehaffhausen und Thurgau. 

9. Kreis mit Direktionssitz St. Gallen: umfasst die 
Kantone St. ('.allen lexkl. Heiirk Sargansi, Glarus und 
beide Appenzell, sowie vom Kanton S<-hw\z die Bezirke 
Einsiedels March und Höre. 

10. Kreis mit Direktionssitz C h u r ; umfasst den Kanton 
Graubünden, mit Ausnahme des Misoxer- und des Calanca- 
thales, sowie vom Kanton St. Gallen den Dezirk Sargans. 

11. Kreis mit Direktionssitz Bellin*ena: umfasst 
den Kanton Tessin und die bündnerischen Täler Misox 
und Calanca. 

Agenturen unterhält die schweizerische Postverwal- 
lung in Naudens l Oesterreich \ ; Morez du Jura. Pontarlier 
und l.es Housses t Krankreich» ; Campodolcino. Chiavenna. 
Domodossola, Iselle, Luino. Montespluga, Pianazzo und 
Tirano c Italien i. 

Die schweizerischen Postwagenkurse gehen bis 1 
Morez (Frankreich), Pfirt lElsassl, Nauden (< Österreich), 
Iselle, Chiavenna und Tirano ( Italien) ; die schweizerischen 
Bahnpostwagen bis Waldshut und Konstanz (Deutschland), 
Culoz. Pontarlier und Belfert (Frankreich). Domodossola, 
Mailand und Luino (Italien). 

L'ebersicht der schweizerischen Poststellen auf 
31. Dezember 19(16: 

Poatbureaux 1. Klasse (Sitz der 11 Kreisdirektionen) II 
Postbureaux 2. Klasse i Bureaux mit mehreren Be- 
amten) 201 

Postbureaux 3. Klasse i übrige Bureaux) 1526* 
Filialen 67 

Total Bureaux 18U'> 
Postablagen, rechnungspllichtige 14'.'7 
Postablagen, nicht rechnungspllichtigc 489 

Total der Postablagen 1986 
Agenturen im Ausland 12 

Total der Poststellen 38D3. 



SCIIW 

d. h. je eine auf rund 900 Einwohner. Von den 1805 IWt- 
bureaux entfallen 1258 auf die deutsche, 453 auf die fran- 
zösische und 94 auf die italienische Schweiz. Von der Ge- 
samtzahl der 1986 Postablagen befinden sich 1216 in der 
deutschen, 537 in der französischen und 233 in der ita- 
lienischen Schweiz. 

Im Mittel entfällt in der Schweiz auf je 11 km- eine 
Poststelle, womit unser Land unter den Staaten Europa* 
an erster Stelle steht. 

Ein Postbureau 1. Klasse umfasst in der Regel 
folgende Dienstabteilungen : 

a) Kreisverwallung mit Direktion, Kanzlei. Materialver- 
waltung, Kasse, Kontrolle. Archiv und Rebuta. 

b) Betriebsdienst mit folgenden Zweigen : Frankatur. 
Poste Bestante, Briefexpedition, Briefträger. Aufgabe und 
Expedition von Paketen. Ankunft und Verteilung der Post- 
pakete, Transit der Pakete, Postanweisungen und Ein- 
zugsmandate, Postcheckkasse und Kontrolle des Post- 
rheck- und Giroverkehrs. Postreisende ( Passagiere!. 
Zeitungsabonnemente, fahrende Bureaux. Je nach der 
allgemeinen Verkehrsbedeutung des Sitzes der Kreispost- 
direktion können noch weitere Unterabteilungen einge 
richtet oder einzelne dieser Zweige zusammengefaßt wer 
den. Die Anzahl der Filialen richtet aich nach dem vor- 
handenen Bedürfnis. 

Das Personal der eidg. Postverwaltung entspricht 
etwa dem Bestand einer der schweizerischen Anneedivi 
sionen und umfasste auf Ende 1906 : 

a) Zentralverwaltung : 1 Oberpostdirektor. 8 Abteilung* 
chefs und Adjunkte. 4 Traininspektoren. 1 Matenalver 



Millionen 




Betrag dea internen KiDiOK«man<lalverk«hr». 

walter. I Wertzeichenkontrolleur, 36 Sekretäre, Kam- 
listen und Gehilfen, 34 Revisoren und Gehilfen, sowie D 
Angestellte, zusammen also »9 i Ende 1905: 88 1 Personen. 



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SCHVV 



SÜHW 



bi Kreisverwallungen : Je 11 Kreispostdirektoren, Ad- 
junkten. Kassiere und Kontrolleure. o4 Bureau-, Dienst- 
und l'nterbureauchefs. 236 Koromia und 64 Angestellte, 
imammen 398 (Ende 1905 : 355) Personen. 

c Betriebsdienst : 168 Bureau-, Dienst- und Unterhu- 
reaurheta, 1211 Kommis, 1920 Angestellt«', zusammen 
.■iiÄhEndp 1905 : 3102) Personen in Bureau x 1. Klasse; 
itöPosherwalter. Bureau-. Dienst- und Unterbureauchefs, 
7*1 Kommis und 1760 Angestellte, zusammen 2787 i Ende 
l!M6: 2521 > Personen in Bureaux 2. Klasse; 1526 Post- 
Kaller. 1986 Postahlagehalter und 1340 Landbriefträger und 
I and boten, zusammen 4852 (Ende 1905: 4861) Personen 
in Bureaux 3. Klasse und Ablagen, 17 Beamte und 8 
Angestellte, zusammem 25 (Ende 1905: 23) Personen in 
Agenturen; 176 (Ende 1905: 187 ► Kondukteure. 

/asammen also fest angestelltes Personal 11 636 (Ende 
191»: 11 137 1 Personen. Dazu kommen an provisorischem 
Personal noch 425 (Ende 1905: 514) patentierte Aspiranten, 
i.C (tnde 1905 : 264) Lehrlinge, sowie 469 (Ende 1905: 
Wkii (iehilfen und Aushelfer. Die Zahl des gesamten pro- 
v isonschen Personale« betrug demnach auf Ende 1906 
ll»l Ende 1905: 1231) und die Gesamtzahl des lix ange- 
stellten und des provisorischen 
i'tr*tnals zusammen 12827 (Ende 
f'.afi: 12368) Personen. 

Rechnungsergebnisse. 
Ober die Einnahmen und den je- 
weiligen Reinertrag dereidg. Post- 
M-rwaltung stellen wir folgende 



angestellte Personen vertragen oder verkaufen zu lassen) : 
e) des Transportes von verschlossenen Sendungen aller 

Art, die das Gewicht von 5 Kilogramm nicht übersteigen. 
Uebertretungen und Zuwiderhandlungen gegen das 

Postregal werden mit Busse von 1-500 Fr. bestraft. Im 

Wiederholungsfall kann die Strafe bis auf 2000 Pr. erhöht 

werden. 

Die schweizerische Postverwaltung hat sich aber nicht 
darauf beschränkt, bloss die ihr Monopol bildenden Dienst- 
zweige auszubilden und zu besorgen. Ihr Dienstkreis 
umfasst heute : 

a) die Beförderung von Personen und deren Gepäck 
durch regel- und fanrplanmässige Postkurse und durch 
Extraposten ; 

bi die Beförderung von gewöhnlichen und rekomman- 
dierten Briefen, kleinen Paketen, Postkarten, Druck- 
sachen, Geschäftspapieren, Warenmustern und Zeitungen. 
Diese Sendungen werden durch die Briefpost befördert 
und können, mit Ausnahme der Zeitungen, eingeschrieben 
i rekommandiert) sein; 

o Abonnements auf Zeitungen und Zeitschriften ; 

di die Beförderung von eingeschriebenen Paketen 



1*19 
IXYi 
1*?) 

fXTO 
l*D 

tun 

Ulf» 



Reinertrag 
Er. 
1050 464 
758 212 
1 166 422 

1 121 325 

2 011 86i 
2 271 362 
2 70D35I 
4 496 117 
3679060 



Tabelle auf : 
Jahr Einnahmen 
Fr. 
4898 327 

5 188 871 

6 916 911 
9 503 839 

15 513 439 
•24 180 020 
36 130 814 
4V 549 954 
47 582 41K 
Aus diesen interessanten Zahlen 
i:eht klar hervor, welch' einen un- 
► >beuren Aufschwung, besonders 
vit l?<70. der schweizerische Post- 
lirnst genommen hat. 

Ferner darf man daraus auch 
<1en Schluss ziehen, dass das 
vhweizerische Poslwesen nicht zu 
irunsten deB Fiskus ausgebeutet 
*ird. Denn während der Heiner- 
trag im Jahr 1849 volle 22 °/ 0 der 
Gesamteinnahmen betrug, stieg 
er im Jahr 1900 bloss auf 7 , , J °, 0 
und in dem ausnahmsweise güns- 
tigen Jahr 1905 auf I0%an. Es 
»ird somit der Artikel der Bun- 

Erlrag 
derEin- 

uihmequellen des Bundes macht, 
m weitherzigem und mit den In- 
teressen des Publikums wohl ver- 

nbarendem Sinne ausgelegt. 

I>er Inventarwert des gesamten 
l'-itmateriales betrug auf Ende 
IMG Fr. 5099506 und auffinde 1906 
Kr 5*62332. 

Der Postanstalt steht, laut Bun- 
i»gesetz über das Postregal, das 
>iis»chliessliche Recht zu: 

ii des regelmässigen und perio- 
dischen Transportes von Perso- 
nen ; 

t>,i der Beförderung von Perso- 
3*n durch Exlraposten : 

ci des Transportes von ver- 
flossenen Briefen und von Kar- 
'•n mit schriftlichen Mitteilungen 

di des Transportes von Zeitungen 



StCck/ahl 



l)KH 1905 L'Nll 1906 HEKÖRUERTKN BtlSENDES l.'NI» HAI l'TSACH- 

ijchsten Postg eu e.n stände 'in Tausenden). 



Hoi»onda uml PosU.-cgon«Uliid<> 



Zahl der beförderten Reitenden 

Hriefpost : 
Interner Verkehr: 

Briefe .... 

Postkarten 

Drucksachen 

Warenmuster 

Zeitungen 

Rekommandierte Briefposlsendungen 
Zahlungsbefehle und Konkursandrohungen 

Gerichtliche Akten 

Verkehr mit dem Ausland: 

Briefe 

_ k Postkarlen 

5 1 Drucksachen 

g , Warenmuster 



i Zeitungen 
** i r 



Geschäftspapiere 

Rekommandierte Briefposlgcgenstände 



Auzabl 



i«m; 



UW6 



1679 


1618 


131 150 


122 307 


63 848 


59 441 


47 383 


14 VVT) 


1 202 


953 


153396 


145 947 


4 131 


3821 


305 


261 


42 


40 


25936 


24 448 


26572 


24327 


12 977 


13229 


1329 


1 254 


1 810 


1 «91 


235 


182 


1 600 


1444 



PuKlK<>genstan<le 



Interner Verkehr 

Verkehr mit dem Auslan.lj^ a n n ' g 

Fahr}H)»t : 
Interner Verkehr 



Verkehr mit dem Ausland 
(inkl. Postslücke) 



^ Versand 
- Empfang 
' Transit 



Xachnahnten : 
Interner Verkehr 

Verkehr mit dem Aualand j En^umg . 
Himwjnnandate : 
Interner Verkehr 

Verkehr mit dem Ausland ! v . er " ncl • 

I Empfang . 

Po»tcheck-undGiroverkehr|^}|-;[ff^ 



1005 



Viiiahl 


Werl 
bttw. 

~ Ifclrag 


Anzahl 


Werl" 

b«Z«r. 

Betrag 




Fr. 




Kr. 


7150 
1435 
780 


731847 
57623 
4o756 


7 709 
1 319 
724 


786910 
51604 
38369 


23573 
1797 
3016 
1059 


2151858 
101940 
44387 
23977 


22357 
1757 
2993 

H05 


1822013 
98933 
44670 
31492 


10444 
221 

370 


74279 
4309 
7509 


10199 
200 
472 


71181 
3743 
7115 


1801 

23 
83 
1364 
360 


134138 

4822 
228866 
22235» 


1564 
21 

77 


113039 
4447 



(Postkarten) ; 
(die schweizerischen 
^rl>ser sind ermächtigt, ihre Zeitungen durch von ihnen 



( Postpaketen und Poststücken) mit oder ohne Wertangabe ; 

e) die Bestellung von gerichtlichen Akten, sowie die Zu- 
stellung von Zahlungsbefehlen und Konkursandrohungen; 



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SCHW 



SCHW 



229 



f) den Einzug von Geldsummen mittels Nachnahmen 
lauf Gegenständen der Briefpost. auf Poststücken und 
Postpaketen) oder Einzugsmandaten ; 

r) die Auszahlung von Geldsummen mittels gewöhn- 
licher oder lelegrapnischer Postanweisungen ; 

h) den Einzug, die Auszahlung und die l'ebertragung 
von Geldsummen vermittels des Postcheck- und Giro- 
verkehrs. 

Im innerschweizerischen Verkehr ist die Post für die ihr 
anvertrauten Gegenstände in folgender Weise haftbar: 

a) für den Verlust einer rekommandierten Briefpost- 
sendung ohne deklarierten Wert mit Fr. 50; 

b) für den Verlust eines Fahrpoststückes ohne Wertan- 
gabe oder eines vorschriflsgemasH aufgegebenen Gepäck- 
stückes mit im Maximum Fr. 15 für jedeB Kilogramm ; 

c) für den Verlust eines Fahrpoststückes mit Wertangabe 
mit dem Betrag der Wertdeklaration ; 

d) für den Verlust des einbezahlten Betrages einer Geld- 
anweisung, einer Nachnahme oder eines Einzugsman- 
dates, sowie einer Einzahlung auf ein Checkkonto mit 
dem vollen Betrag der betreffenden Einzahlung ; 

e) für die Beschädigung eines Fahrpoststückes mit der 
Vergütung des wirklichen Schadens, höchstens aber des 
für den Verlust derganzen Sendung vorgesehenen Betrages; 

f) für die mehr als 24 Stunden betragende Verspätung 
einer rekommandierten Briefpostsendung, einer gericht- 
lichen Akte oder eines Einzugsmandates mit Fr. 15; 

g) für die mehr als 24 Stunden betragende Verspätung 
eines Fahrportstückes oder einer Geldanweisung (mit Aus- 
nahme des Falles von Mangel an Barschaft) mit Fr. 15; 

h) für die mehr als 24 Stunden betragende Verspätung 
eines vorschriftsgemäss aufgegebenen Gepäckstückes mit 
je Fr. 15 per 24 Stunden (Maximum mit Fr. 60) ; 

Entschädigungsbegehren müssen innerhalb der Frist 
eines Jahres eingereicht werden. 

Im Postdienst mit dem Ausland wird die Verantwort- 
lichkeit geregelt nach den Bestimmungen der auf Veran- 
lassung des Weltpostvereins abgeschlossenen allgemeinen 
oder der von einzelnen bestimmten Ländern und Trans- 
portunternehmungen unter sich vereinbarten besonderen 
l' (■■hereinkommen. 

Im innerschweizerischen Verkehr sind von der Entrich- 
tung des Portos befreit: 

a) die Mitglieder der schweizerischen Bundesversamm- 
lung oder deren Kommissionen während der Dauer der 
Sitzungen, wenn sie sich am Sitzungsorte befinden; 

b) die Behörden und Beamtungen der Eidgenossenschaft, 
der Kantone, der Bezirke und der Kreise, sowie die Auf- 
sichtsbehörden der öffentlichen Schulen, für Korrespon- 
denz in Amtssachen : 

c) die Gemeindevorstünde, Pfarrämter, Kirchenvor- 
stände und Zivilstandsbeamten für die unter sich und mit 
den Oberbehörden in Amtssachen zu wechselnde Korre- 
spondenz ; 

d) die im eidgenössischen Dienst stehenden Militärs; 

e) die Korrespondenz in Armensachen. 

Ausserdem ist der Bundesrat ermächtigt, für besondere 
Zwecke wohltätiger oder gemeinnütziger Art zeitweise 
Portofreiheit zu gewähren. 

Während der letztvergangenen Jahre hat die eidg. Posl- 
verwaltung der Frage nach der Beschallung von passen- 
den Dienstlokalen eine ganz besondere Aufmerksam- 
keit gewidmet und in den wichtigeren Städten des Landes 
Postgebäude von palastartigem Charakter erstellen lassen. 
Daneben bestehen in fast allen Ortschaften der Schweiz 
praktische, geräumige und den Anforderungen der lly- 



praklische. geraumige und den Anforderungen der Hy- 
giene entsprechende Postlokale. Unter diesen Verhält- 
nissen ist es begreillich. dass die Ausgaben für Postlokale 



in raschem Anwachsen begriffen sind. Sie betrugen : 
Jahr Fr. 
18*9 51 073 

1870 207 174 

18t» 484 42t» 

1890 677 468 

1900 1385813 

1905 1 814 385 

1906 1 974 695. 

Die Heizung*- und Beleuchtungskosten Bind 1906 auf 
Fr. 553176 gestiegen. 
In jedem Postlokal ist dem Publikum Gelegenheit zur 



Abfassung einer Postkarte oder einer Adresse geboten. An 
allen denjenigen Orten, wo es die Bedeutung des Verkehrs 
erheischt, findet man Schlossfächer. die von aussen ge- 
öffnet werden können und es den Besitzern des Schlüssels 
gestatten, ihre Korrespondenz unmittelbar nach der Ver- 
teilung und zwar auch ausserhalb der Bureauzeiten sofort 
zu erheben Endlich verfügen noch eine Beihe von Post- 
burcaux über Badeeinrichtungen zum Gebrauch ihres 
Personales. 

Die Briefträger und Paketpostfakteurs bestellen die 
Sendungen in die Wohnung des Adressaten 1-6 mal täglich 
je nach der Bedeutung der Ortschaft und den Ankunfts- 
zeiten der hauptsächlichsten Postzüge. Mittels Bezahlung 
einer ganz geringen Taxe kann der Absender ferner »er- 
langen, dass seine Sendung sofort nach Ankunft in der 
Wohnung des Adressaten abgegeben werde (Sendungen 



per Expressen). Die in den Ortschaften angebrachten Brief- 
kasten werden ie nach den lokalen Bedürfnissen täglich 
1-8 mal und mehr geleert. 



Trotz der durch Dampf- und elektrischen Betrieb der 
Transportmittel erzielten Ungeheuern Fortschritte führt 
die Postverwaltung immer noch eine grosse Anzahl von 
wichtigen Postwagenkursen, namentlich in gebirgigen 
Gegenden. Dieser Dienst ist überall auf vorbildliche Art 
organisiert. Die Postwagen sind bequem und elegant 
eingerichtet und gestatten dem Heisenden den Genuas 
der Naturschönheiten ; die Gespanne sind sicher und zu- 
verlässig, die Postillone und Kondukteurs zuvorkommend 
und in ihrem Dienst erfahren. Von diesen Personenposten 
sind besonders erwähnenswert folgende Bouten : Pillon 
(Gstaad-Ormonts Dessous), Furka (Brig-Göschenen), Grim- 
sel (Meiringen-Gletsch), Oberalp (IlanzAndermatt-Gö- 
srhenen). Lukmanier (Discntis-Biasca). Bernhardin (Bel- 
linzona-Splügen), Splügen (Thuais-Chiavenna), Schantigg 
(Chur-Arosa). JulieriChur-Tiefenkastcl-Silvaplana), Fluela 
• Dav,.s Platz-Schuls). Maloja (Chiavenna-Samadeni, En- 
gadin iSamaden-Nauders), Ofen (Zernez-Münster). Ber- 
nina iSamaden-Pontresina-Tirano), Landwasser lAlvaneu 
Bad-Davos). Umbrail (Santa Mana-Perdinandshöhe) und 
Klausen ( Flüelen-Linthal). 

Die Anzahl der beförderlen Beisenden betrug : 
Postkurs Beisende 

IWX") ~*1906 

Simplon 13 258 4 417 

Grimsel 5 793 5 780 

Bemhardiu 17564 21516 

Splügen 13 578 15172 

Julier 18113 19487 

Landwasser 6 995 6 872 

Flüela 11021 11157 

Maloja und Engadin 61921 65 574 

Bern i na 23143 24 701 

Oberalp 21 687 22 405 

Furka 14 406 14 677 

Luknwnier 1628 2084 

Ofen 3 589 3 981 

Umbrail 1 185 1 404 

Klausen 3 395 3 427 

Total 217 336 222 684 
Das Datum der Oeffnung der Alpenpässe für Badfuhr- 
werke erfolgte 1905 zwischen dem 15. April (Maloja) und 
dem 19. Juni (Grimsell. 1906 zwischen dem 17. April 
(Maloja und Ofen) und dem 24. Juni (Grimsel). 

Durch die am 1. Juni 1906 erfolgte Eröffnung des Eisen- 
bahnbetriebes der Strecke Brig-Domodossola durch den 
Simplonlunnel wurde die Postwagenverbindung über den 
Simplonpass. die bisher mit allen erforderlichen Mitteln 
ausgerüstet war. um den Anforderungen des gewaltigen 
Verkehrs über diese internationale Alpenstrasse Sommer 



und Winter 

dauervon mehr als einem halben Jahrhundert entbehrlich. 
(Vergl. La roule du Simplon et ton exploitation par le» 
diUgence»po»tale» Suittet ; publie par la Directum gene- 
rale de» Ponte» »u\»*e» et l'lnspectomt federal de» Tra- 
raux public». Berne 1906). Während dea Winters ist der 
durchgehende Postwagendienst über den Simplonpau nun- 
mehr gänzlich eingestellt, und es bleibt der Poslkursbetrieb 
auf die Strecken lselle-Simpeln Dorf und Brig-Thermen 
beschränkt. Es hat dies zur Folge, dass der gesamte Posl- 



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und Warenverkehr der seh weizerischen Urlschaften Gondo 
und Simpeln im Winter über italienische« Gebiet geleitet 
werden'muM. In der Zeit vom 15. Juni bis 15. September 
verkehrt einmal täglich in jeder Richtung je ein vierplät- 
ziger Wagen zwischen Brig-Simpeln Hospiz und zwischen 
Iselle-Simpeln Hospiz. 
Auf Ende 1006 besass die eidg. Poslverwaltung einen 



diesen Wagen hatten bereit« mehrere Wochen früher ihren 
Anfang genommen, und e« waren dieselben so gut ver- 
laufen, dass der Eröffnung des regelmässigen Betrieh» 
nichts im Wege zu stehen schien. Damit man sich über 
die Brauchbarkeit der Automobilwagen bei den Hinder- 
nissen, welche die Bodengestaltung unseres Landes einer 
allgemeinen Ausdehnung diese« Verkehr« in den Weg 





Typen ichweiieriicber IV>>tfubrwerk#. 



Bertfpostwagen zu S Plutzan. 

I'ark von 1940 Fuhrwerken und 087 Schlitten, sowie 815 
Bahnpostwagen. 

In den Eisenbahnzügen ist der Postdienst derart or- 
ganisiert, dass er sowohl den lokalen Bedürfnissen als 
auch, auf gewissen Linien, den Anforderungen des grossen 
internationalen Verkehrs Genüge zu leisten vermag. Auf 
gewissen Strecken vollzieht er sich ohne Schwierigkeit 
im Eisenbahn-Gepäckwagen, während andere Zügedie Ein- 
stellung eines oder mehrerer Bahnpostwagen erfordern. 
Im Bau dieser Wagen sind während der lelztvergangenen 
Jahre alle wünschbaren und möglichen Verbesserungen 
vorgenommen worden, da es im Interesse eines regel- 
mässigen Dienstes liegt, wenn das Personal in den Wagen 
so bequem und rasch als möglich zu arbeiten vermag. An 
den Bahnpostwagen sind natürlich auch Briefeinwürfe 
angebracht, die «lern Publikum bis zur Abfahrt der Züge 
zugänglich sind. Die Zahl der täglich von den Bahnpost- 
wagen im Jahr 19(16 zurückgelegten effektiven Kilometer 
beträgt 56 322 oder 2641 Kilometer mehr als im Vorjahr. 

Die Beziehungen zwischen der Postverwaltung und den 
Eisenbahnen werden geregelt durch das Bundesgeselz über 
den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete 
der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Dezember 
1872, und das Bundesgesetz vom 2t. Dezember 1899 über 
den Bau und Betrieb der Nebenbahnen. Die Hauptbahnen 
sind verpflichtet, sowohl die Bahnpostwagen und das diese 
bedienende Personal als auch die dem Postregal unter- 
stellten Brief- und Paketsendungen unentgeltlich zu be- 
fördern. Dafür lässt die Postverwaltung auf ihre eigenen 
Kosten die Bahnpostwagen erstellen und besorgt deren 
Beinigung. Einschmieren und Interhali. Sie stellt das 
Personal und vergütet den Eisenbahnen J / t der Eilsen- 
dungstaxe für die Beförderung der nicht dem Bega! unter- 
stellten Paketpostsachen. 

Grösserer Vorteile erfreuen sich die Nebenbahnen : So 
lange der Beinertrag ihres Betriebes 4" u nicht übersteigt, 
erhalten sie nicht bloss für die Beförderung der dem 
Hegal nicht unterstellten Sendungen, sondern für sämt- 
liche Post-tücke eine Entschädigung, die der vollen Eil- 
sendungstaie gleichkommt. Dazu vergütet ihnen die Post- 
verwaltung für die Beförderung der Bahnpostwagen per 
Achsenkilometer je zwei Kappen und für die Beförderung 
der Fahrpostbeamten ebenfalls je zwei Rappen per Fahrt 
und per Kilometer. 

Am 1. Juni 1906 wurden die ersten von der Postverwal- 
tung angeschafften Postautomobil wagen zum Per- 
sonentransporl in Betrieb gesetzt. Die Probefahrten mit 



Rargpuatwagen xu t PluUan. 

legt, gleich von Anfang an ein richtiges Frteil bilden 
könne, wurde als Aulomobilrotile die Strecke Bern-Woh- 
len-Frieswil-Detligen bezeichnet. Mit ihren ziemlich un- 
günstigen Gelände- und Steigungsverhältnissen erscheint 
diese Route gut geeignet, als Versuchsgebiet zur Erpro- 
bung des Automobilbetriebs zu dienen. Sodann wurde 
der Automobilbetrieb auch auf der Strecke Bern- Papier- 
mühle eingeführt. Die Wagen sind Omnibuswagen mit 
vierzylindrigen Moloren und 30 Pferdekräften. Ein Wagen 
kostet Fr. 2tmxi bis Fr. 22(100. Das Gewicht eines unbe- 
ladenen Wagens beträgt rund 3000- 1000 kg. In jedem Wa- 
gen sind 14 innere Sitzplätze. 

Gut bewährt haben sich auch die beiden Automobil- 
fourgons. die für den Dienst zwischen dem Bahnhof und 
den Poststellen in Zürich im Frühjahr 1906 in Betrieb 
gesetzt wurden. 

Eine seit dem 1. Januar 1906 liestehende wichtige 
Neuerung ist der Postcheck- und Giroverkehr, der 
in der Absicht eingeführt wurde, den Check- und Giro- 
verkehr zu popularisieren, dem Mangel an Banknoten und 
Kleingeld einigermassen zu steuern und einen Teil der 
Zahlungsmittel für andere Zwecke verfügbar zu machen. 
Dieser neue Dienstzweig, der im Bundesgeselz vom 
16. Juni 1905 und in der betreuenden Verordnung vom 
3. November gleichen Jahres seine Grundlage findet, hat 
sich bis jetzt gut bewährt und wird sich zweifellos rasch 
weiter entwickeln und vervollkommnen. Die Postverwal- 
tung unterhält am Sitz jeder Kreispostdirektion (also in 
Genf, Lausanne. Bern, Neuenbürg, Basel, Aarau. Luzerti. 
Zürich, St. Italien. Chur und Beflinzona) ein Postcheck- 
bureau. Eine Zentralstelle belindet sich unter der Be- 
zeichnung i Inspektorat des Postcheck- und Giroverkehrs • 
Ihm der Oberpostdirektion in Bern. Die Einlagen in eine 
Postcheck- und Gimrechnung können in bar oder durch 
Uebertragung von einer Postcheckrechnung (Giro) erfol- 
gen, r'ur Abhebungen müssen ausnahmslos Postchecks 
ausgestellt werden. Die Postverwaltung leistet bei Verlust 
von Postcheckbeträgen vollen Ersatz; bei verspäteter 
Gutschrift oder Auszahlung von Postcheckbeträgen wird 
eine Fintschädigung innerhalb der vorschriAsgemässen 
Bestimmungen gewahrt. Die Zahl der BechnungBinhaber 
betrug am 31. Dezember 1906 nicht weniger als 3190. 
Der Gesamtumsatz pro 1906 belauft sich auf rund Fr. 
451225900. wovon Fr. 91063800 oder 20% im Girover- 
kehr. 

Der schweizerische Bundesrat geht mit dem Gedanken 
um, die gegenwärtigen Postmarken durch neue Vor- 



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lagen zu ersetzen. Am 2.'!. Januar 19(16 heschloss er. es sei 
aus der Zahl der eingegangenen Entwürfe der engern 
Konkurrenz unter Schweizcrkünsllern fur die Erstellung 
neuer Postmarken zu wähl« n: der Teilknabe mit Arm- 
hrust des Schweizer Malers All». Welti in München, für 
die Taxwerte von 2. 3 und 5 Kappen, und der Helvetiakopf 
nach Kniwurf L Eplallenier. /.eichnungslehrer in La 



namentlich die schöne Arbeil von Ant. Stäger: ha* schwei- 
zerische Postwesen zur Zeit der Helvetik. Bern 1879. 

(K- Cwmtr , mit Beitrugen 4er Rsi>aktioi>] 
III. Tki-Kcraph. Die erste Anregung zur Einfüh- 
rung der elektrischen Telegraphie in der 
Schweiz ging von der Iterierung des Kantons Bern aus. 
Biese richtete unterm 17. Januar 1HTrO ein Schreiben au 





Typen •ehweizerincher l'u-itfubrwi-rke. 



AutoiBobil-PoitfourRoii. 



Autoinobil-Poslomoibui. 



Ghau.x de Fonds, fur die Marken zu 10. 12 und 15 Rappen. 
Für die hohem Taxwerte von 90 Bappen aufwärts sei das 
Malierin Bild der Belvetia beizubehalten, bis etwas Bes- 
seres sich gezeigt habe. Die Postverwaltung hofft, die 
neuen Marken bis September 191)7 aufgeben zu können. 

Am 2*2. Juni 1907 ist im neuen Postgehaude in Bern 
ein Postmusctim eröffnet worden. Die Oberpostdtrek- 
lion hat seit einiger Zeit die Gegenstände, die sich auf 
das alte Verkehrs- und Posl wesen unseres Landes beziehen, 
gesammelt, um an Hand dieser Objekte die Entwicklung 
des schweizerischen Poslwesens bis zur Gegenwart vor 
Augen führen zu können. Die ausgestellten Gegenstände 
und Nachbildungen von Originalen sind ausgeschieden in 
solche, die sich auf das Postwesen zur Körnerzeit (Cur- 
IM puhlicus\. auf das Verkehrswesen im 14. bis 17. Jahr- 
hundert, auf da« Postwegen im 18. Jahrhundert, auf das 
Postwesen zur Zeit der Helvetik. auf das kantonale Post- 
wesen von 180.') bis I848 und auf diis eidgenössische Post- 
wesen von 1848 bis und mit der Gegenwart beziehen. Eine 
besondere Abteilung ist der Feldpost vorbehalten. Ferner 
ist eine Sammlung von Entwürfen aus der allgemeinen 
Postmarkenkonkurrenz vorn Jahr 1901. von schw eizerischen 
Postwertzeichen und von amtlichen Probedrucken zu sol- 
chen Postwertzeichen ausgestellt. 

Der Schweiz kommt die Ehre zu. ilie Wiege des Welt- 
postvereins gewesen zu sein, indem der die Gründung 
eines allgemeinen Postvereins be-chliessende Vertrag am 
U. Oktober 1874 von den Vertretern von 22 Staaten mit 
einer Gesamtbevölkerung von über .'ITiO Millionen Seelen 
in Bern unterzeichnet worden ist. Der gleiche Verlrag 
schuf auch das internationale B u rea u d es Wel t- 
postvereins (wie sich der Postverein in der Folge um- 
getauft hat) mit Sitz in Hern. Heule umfasst der Verein 
fast die ganze Well. d. h. »*.'" Staaten mit zusammen 11'ß 
Millionen Einwohnern. Zum Andenken an die Gründung 
lies Weltpostvereins wird in der Bundesstadt bei der 
kleinen Schanze ein grossartiges Denkmal errichtet wer- 
den, dessen Ausführung dem Pariser Bildhauer Bene de 
Saint Marceaux übertragen wurden ist und das auf Ende 
1907 vollendet sein soll. Die Kosten werden von allen Ver- 
tragsstaaten gemeinsam getragen. 

Mit Bezug auf die umfangreiche Literatur über das 
schweizerische Postwesen verweisen wir auf den von der 
schweizerischen Oberpostdirektion zusammengestellten 
Faszikel Pnstwesrn (Hern I89f>| der Hit>lnnjraphie der 
*thu-eizerischen Landeskunde, dem im Jahr 190,'t ein 
Nachtrag gefolgt ist. Besonders hervorgehoben zu werden 
verdient (ausser dem schon genannten l'tmtliandbuch] 



den Bundesrat, worin auf die neue Erfindung aufmerksam 
gemacht und unter Hinweis auf andere Staaten, in welchen 
die Telegraphie bereits Eingang gefunden hatte, um Ein- 
leitung der geeigneten Schritte ersucht wurde, damit die 
Schweiz in möglichst naher Zukunft der Vorteile jenes 
wichtigen Verkehrsmittels teilhaftig werde. Den Haupt- 
irnpuls gab aber eine Petition, welche das kaufmännische 
Direktorium in St. Gallen, unterstützt von etwa 20 der 
angesehensten Zürcher Handelsfirmen, unterm 22. April 
I8T»1 dem Bundesrat einreichte und der sich auch handel- 
treibende Kreise in Genf anschlössen. Der der Anregung 
sympathisch gegenüberstehende Bundesrat zögerte nicht, 
den wichtigen Schritt zu wagen, und legte den eidgenos- 
sischen Bäten schon am tu Dezember DCil einen von sei- 
nein Post- und Baiideparlcnienl ausgearbeiteten GeseUea- 
entwurf vor, der in seinem Artikel 1 die Bestimmung 
enthielt, dass dem Bund das ausschliessliche Becht zu- 
stehe, elektrische Telegraphen in der Schweiz zu errichten 
oder die Bewilligung zur Erstellung derselben zu erteilen. 

Herrschte nun nicht bloss im Bundesrat, sondern auch 
in den eidg. Bäten die Tendenz vor, die Erstellung der 














. ,1 



3>chaiger Rahn|MittvageD. 

Telegraphen dem Bund zuzuweisen, so gingen in Bezug 
auf die Frage, aufweiche Bestimmung der Verfassung das 
Kegalsich zu slül/en habe, die Ansichten doch auseinander. 



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SCHVV 



Von Seite de« Bundesrates wurde auf das Poslregal ab- 
bestellt, welches auch die Befugnis des Bundes in »ich 




l)«okmil dai Weltpostvereins in Barn 



schliefe, Telegraphen zu errichten, während die zur Prü- 
fung des Geschäftes eingesetzte nationalrälliche Kommis- 
sion die Auflassung des Bundesrates zurückwies und, das 
staatliche, militärische, nationale und volkswirtschaft- 
liche Interesse als ausschlaggebendes Moment in den 
Vonlergrund rückend, im Gegensatz zum Bundesrat auf 
den Art. 21 (heute Art. 23) der Bundesverfassung abstellte. 
IHeser Artikel gibt dem Bund das Becht. im Interesse der 
Kidgenossenschaft oder eines grossen Teiles derselben auf 
Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu er- 
richten oder die Krrichlung derselben zu unterstützen. 
Am 17. Dezember 1851 begann im Nationalrat die Debatte 
ober das Telegraphengesetz, und gleich in der ersten 
Sitzung siegten die Anhänger des Begalgedankens und 
gleichzeitig auch der Bundesrat, indem das Telegraphen- 
wesen im Anschluss an das l'ostregal der Bunueshoheit 
unterstellt wurde. Der Ständerat, welcher nun das Ge- 
*chiA zu behandeln hatte, nahm an der ihm überwiesenen 
Vorlage eine einzige Abänderung von Bedeutung vor. 
welche die Begründung des Begales betraf. Die neue Bun- 
desverfassung von 1874 brachte dem letztern dann auch die 
bis dahin mangelnde konstitutionelle Sanktion. Der be- 
treffende Artikel (3ö| hat folgenden Wortlaut 

• Das Post- und Telegraphenwesen im ganzen Umfange 
der Eidgenossenschaft ist Lundessache. Der Erlrag der 
Post- und Telegraphenverwallung fällt in die eidg. Kasse. 

Die Tarife werden im ganzen Gebiete der Eidgenossen- 
schaft nach den gleichen, möglichst billigen Grundsätzen 
bestimmt. 

Die Unverlelzlichkeil des Post- und Telegraphenge- 
lieimniases ist gewährleistet. » 

Das zu erstellende Te I eg r a p h e B n e t z sollte zu- 
nächst bestehen aus: 

1 ■ einer Hauptlinie tun Bheineck überSt. Gallen, Frauen- 
feld. Winterthur, Zürich. Aarau. Hern, Lausanne nach 
Genf, mit Zweiglinien von St. Gallen nach Herisau, von 
Winterthur nach Schaphausen, von Herzogenbuchsee nach 
Solothurn, von Murten nach Kroiburg und Neuenburg, 
l.a Chaux de Fonds und Locle. sowie von Lausanne nach 
Vevey ; 

2) einer Haiipilinie von Zürich über Brunnen und Bel- 
liuzoua nach Chiasso, mit Zweiglinien nach Glarus und 
Chur und von llellinzona nach Locarno : 

3] einer Haiipilinie von Hasel über Zolin^en und Luzern 
nach Hrunnen. 



Hierfür sah der Bundesrat die Erhebung eines unver- 
zinslichen Anleihens von Fr. 300000 vor, das die gesetz- 
gebenden Bäte auf Fr. 400000 erhöhten, damit es möglich 
war, daa zu erstellende Netz tu gunslen einiger, im Ent- 
wurf des Bundesrates nicht berücksichtigten Landes 
gegenden etwas weiter auszudehnen. 

Zur Herateilung der notigen Apparate wurde eiue eigene 
Werkstätte errichtet. Ebenso wurde durch einen Bundes 
ratsbeschluss vom 11. Februar 185*2 auch die vorläufige 
Organisation festgesetzt und zunächst in Ausführung des 
Art. 6 des Telegraphengesetzes vom 23. Dezember 1851 ein 
der Oberaufsicht des Post- und Haudepartementes unter- 
stellter Telegraphendirektor ernannt, welchem zur Besor- 
gung des Materiellen der Werkführer der Telegraphen 
werkstätte beigegeben war. Ferner sah der Bundesrats 
beschlusa die Ernennung von 4 Inspektoren vor. Dem- 
entsprechend wurde das ganze Telegraphennetz in vier 
Kreise eingeteilt und jedem der Inspektoren ein Kreis 
zugewiesen, innerhalb dessen Grenzen er die Linienbauten 
auszuführen und den Betrieb zu uberwachen hatte. Das 
Hechnungs- und Kassenwesen hatten die Organe der Post- 
verwallung zu besorgen. Auch die Bedienung der Tele- 
graphenhureaux wurde den I'ostbureaux übertragen; doch 
teilte man «Im ^ m-seren Pnslhurcnux eingeschulte Tele- 
„raphisten lOberlelegraphisten I z.U. 

Unterm 25 November I8.V2 erschien eine provisorische 
Verordnung des Post- und Baudepart. nuntes über die Be- 
nutzung der elektn-cben I 'elegrapheu im Innern der 
Schweiz. Die laxen fui deu internen Verkehr wurden 
ohne Unterschied in der Entfernung für die einfache De- 
pesche bis auf 20 Worte auf Fr. 1, für 21-50 Worte auf 
Fr. 2 und für 51-100 Worte auf Fr. 3 festgesetzt. Depe- 
peschen von über 100 Worten waren nicht zulässig. 

Betreffend den Anschluss des schweizerischen Tele- 
graphennetzes an die Netze des Auslandes War- 
den, gemäss Art. 10 des Telegraphengeselzes, Unterband 
lungen mit den Nachbarstaaten eröffnet. Es konnten aber 
bis zu Ende des Jahres 1852 nur mit Oesterreich und 
Frankreich bezügliche Verträge zum Abschluss gebracht 
werden. Hieran reihten sich im Laufe des Jahres 1853 
solche mit Sardinien und Baden, sodass man nun, wie 
der Geschäftsbericht des genannten Jahres hervorheben 
konnte, bereits in der Lage war, durch Vermittlung der 
vorerwähnten Staaten mit allen Landern telegraphisch zu 
verkehren, in welchen es überhaupt einen internationalen 
Telegraphenverkehr gab. 

Zur Errichtung von Telegraphenbui eaux in den 
Gemeinden «ntraea mit den Kantonen im Sinne des Art. 
des I • li'^raphenpx-tzes Verträge abgeschlossen, die den 
Kantonen für die Dauer von 10 Jahren folgende Verpflich- 
tungen auferlegten 

1. Verzichtleistung auf jede Entschädigung für die An 
luge der Linien auf kantonalem oder Gemeindehoden 

2. Anweisung an die Kantonsbauinspektoren zur Mit- 
hilfe bei der Erstellung der Leitungen, sowie bei der Aus 
fubrung grosserer Beparaturen ; 

3. lieber wach ung der Telegraphen i » n len und Ausführung 
kleinerer Reparaturen durch die Polizeibehörden und das 

•St rassenpersonal . 

4. UnenlgeltlicheAiiwei»uii|c der notigen Räumlichkeiten 
für die zu eri iclit'-ndi n Telegraphenbureaux 

5. Entrichtung eines jährlichen Beitrages au die Be- 
triebskosten diiMM lliireaux von Fr. 3 für je hundert 
Seelen der Bevölkerung mit einem Minimum von Kr. '200 
für jedes Bureau. 

Im Jahr 1854 schritt man zur eudgiltigen Organisation 
der Telegraphen verwaltung und zwar vermittels des heute 
noch in Kraft bestehenden Organisationsgesetzes 
vom 20. Dezember 1854, in das, weil Bich die bishe- 
rige provisorische Organisation im Allgemeinen bewährt 
hatte, grösstenteils die nämlichen llauptbestiminungen 
wieder aufgenommen wurden, die bereits im Bundesgeselz 
vom £1. De zembi-r 1851 enthalten waren. Als oberste lei- 
tende Behörde im Telegraphenwesen wurde der Bundesrat 
bezeichnet, sowie die unmittelbare Oberaufsicht über das- 
selbe dem Post- und Baudepartement (nunmehrigem Post 
und Eisenbahndepartement) übertragen und zur Leitun«. 
der Verwaltungsgeschäfte eine dem Departement unter 
stellte Zentraldirektion geschaffen. Vom Bundesrat sol 
len alle das Telegraphenwesen bt treffenden Massregeln 



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SCHW 



239 



und Verfügungen ausgehen, soweit sie von ihm nicht an I 
untergeordnete Organe übertragen werden. Ihm liegt ol>, 
mit dem Ausland, unter Vorbehalt der Ratiiikation durch 
die Bundesversammlung, Verträgeabzuschliessen. Erwählt 
die Beamten und fixiert deren Gehalte, während die Er- 
nennung der Angestellten in die Kompetenzen des Post- 
und Eisenbahndepartementes gelegt ist. Letzteres 
hat dem Bundesrat auch allfällige, ihm zweckmässig er- 
scheinende Verfügungen betreffend das Telegraphen wesen | 
vorzuschlagen, die vom Bundesrat zu behandelnden Gegen- I 
«lande zu begutachten, für Vollziehung der in diesem Ver- ' 
wallungszweig von den Oberbehörden ausgegangenen Ge- 
setze und Verfügungen zu sorgen und innerhalb der ihm ' 
angewiesenen Kompetenz selbst die erforderlichen Anord- 
nungen zu treffen. 

Der Zentraldirektion wurde als vorberatender Be- 
hörde die Aufgabe zugewiesen, dein Post- und Eisenbahn- 1 
departement zweckmässig erscheinende Verfügungen im 
Telegraphenwesen vorzuschlagen und diejenigen Gegen- 
stände zu begutachten, deren Erledigung dem Bundesrat 
oder dem Departement vorbehalten ist. Ferner liegt ihr 
ob. dem Departement betreffend die Wahl der Beamten 
und die Ernennung der Bediensteten ihre Vorschläge zu 
machen und demselben die Verfügungen über die Dienst- 
stunden der Bureaux. die Monats- und Jahresrechnungen, 
sowie die Mietverträge zur Genehmigung vorzulegen. Die 
Erstellung neuer Telegraphenlinien und Telegraphen- | 
bureaux ist von ihr zu begutachten. Endlich hat sie auch 
das jährliche Budget für die Telegraphenverwaltung zu 
entwerfen und den Geschäftsbericht für dieselbe auszu- 
arbeiten. Die Direktion verkehrt nicht unmittelbar mit 
dem Bundesrat, sondern nur mit dem Post- und Eisen- 
bahndepartement. Als vollziehende Behörde hat sie die ' 
Verordnungen und Erlasse der Oberbehörden zur Ausfüh- 
rung zu bringen, die Erledigung der laufenden Korre- 
spondenzen mit dem Ausland, die Abrechnung mit diesem, | 
sowie die Korrespondenzen mit den Behörden. Gesell- 
schaften und Privaten des Inlandes zu besorgen. Ihre 
Aufgabe ist es auch, innerhalb der genehmigten Budget- 
ansatze für die Ausführung der Linienbauten und den 
Unterhalt der bestehenden Anlagen, sowie für die Be- 
schaffung der Apparate und Materialien zu sorgen. Alle 
Ausgaben von über Fr. 8U0, selbst wenn das Budget deren 
Deckung sicher stellen würde, müssen, sofern sie nicht 
in den Erlassen der Oberbehörden spezifiziert sind, von 
diesen genehmigt werden. 

Gemäss bundesratlicher Instruktion vom 21. Januar 1857 1 
verfügt der Direktor über folgende Direktionsabteilungen : 

1) Das Expeditionsbureau (nunmehrige Kanzlei) 
zur Erledigung aller allgemeinen Angelegentleiten (Per- 
sonal, Reklamationen. Redaktion des Amtsblattes, Expe- 1 
dition und Registratur der Direktionsskripturen). Das- 
selbe untersteht dem 1. Sekretär. 

2) Das Kontrollbureau, zur Besorgung aller auf 
das Rechnungswesen der Telegraphenverwaltung, das der 
Postverwaltung abgenommen wurde, bezüglichen Ge- 
schäfte, wie Prüfung der Einnahmen- und Ausgabenrech- 
nungen, Uebersendung der Revisionsbemerkungen an 
die Amtsstellen, Zusammenstellung der Monats- und Jah- 
resrechnungen. Entwerfung von Tarifen etc. 

3) Das technische Bureau in Verbindung mit der 
Telegraphenwerkstätte zur Behandlung aller tech- 
nischen Angelegenheiten, sowie zur Anfertigung, Anschaf- 
fung und Reparatur der Apparate und des Betriebsmaterials. 
Dieser Abteilung stand ursprünglich der Werkfübrer der 
Telegraphenwerkstätte, später der technische Inspek- 
tor vor. 

Die Einteilung der Schweiz in 4 Telegraphen- 
kreise blieb auch unter dem neuen Organisationsge- 
setz unverändert. Die den Kreisinspektoren unterstellten 
Telegraphenbureaux wurden dagegen in Bureaux 1. Klasse 
(von der Post unabhängige Bureaux mit wenigstens 5 Tele- 
graphisten, wovon einer als Bureauchef bezeichnet ist). 
Bureaux 2. Klasse (von der Post unabhängige Bureaux 
mit weniger als 5 Telegraphistcn) und Bureaux 3. Klasse 
\ Bureaux mit einem einzigen Beamten und Dienslhesor- 
j;ung durch Post-, Eisenbahn-, Zollbeamte oder Personen 
mit anderem Nebenberuf) eingeteilt. 

Biese Organisation, die in der Hauptsache heute noch 
n Krau steht, musste aber infolge der raschen Entwick- 



lung des Telegraphenwesens bald einigen Veränderungen 
und Erweiterungen unterzogen werden. Mit Bundesrats- 
beschluss vom 18. Februar 1859 erhielt die durch Bundes- 
ratsbeschluss vom 11. Februar 1852 gegründete und durch 
Bundesratsbeschluss vom 20. Dezember 1854 organisierte 
Telegraphenwerkstätte eine neue Organisation. Es sollte 
dieselbe zwar auch fernerhin unter der Leitung und Ober- 
aufsicht der Telegraphendirektion bleiben, dabei aber 
eine regelmässige kaufmännische, von derjenigen der 
Telegraphenverwaltung getrennte Buchführung erhalten 
und in dem Sinne Lieferant der Verwaltung werden, dasB 
letztere alle Bezüge zu einem bestimmten Preis bezahlen 
müsse. Im l'ebrigen brachte die neue Organisation vom 
18. Februar 1859 eine genauere Regelung und Abgrenzung 
der Kompetenzen des Chefs der Werkstätte und derjeni- 
gen des technischen Inspektors, welches Amt von Anfang 
an mit der Leitung der Werkstälte verbunden war, aber 
erst durch die Instruktion für die Telegraphendirektion 
und die Inspektoren vom 21. Januar 1857 einen delinitiven 
Charakter erhalten hatte. Die Doppelstellung des tech- 
nischen Inspektors und dessen verschiedenartige, nur 
schwer miteinander zu vereinbarende Befugnisse Hessen 
aber dem Bundesrat bald eine andere Lösung als wünsch- 
bar erscheinen. Es folgten die neuen Beschlüsse dieser 
Behörde vom 21. Dezember 1859 und vom II. Juni 1860. 
Nach jenem wurde die Telegraphenwerkstätte vom 1. Ja- 
nuar 1860 an von der Telegrapnenverwaltuiig vollständig 
abgetrennt und unter die Oberleitung des Finanzdeparte- 
mentes gestellt. Der zweite Beschluss enthob den Chef der 
Werkstätte seiner Funktionen eines technischen Inspek- 
tors und heliess demselben nur noch die Aufgabe, die von 
der Verwaltung ihm vorgelegten Fragen lelegraphentech- 
nischer Natur zu begutachten und besondere ihm über- 
tragene Expertisen und Inspektionen vorzunehmen. Mit 
dem 1. Januar 1865 ging die Telegraphenwerkstätte in 
Privathände über. Das nunmehrige Privatetablissement 
blieb jedoch atu-h fernerhin Lieferant der Telegraphen - 
Verwaltung und fuhr auch fort, die nötigen Reparaturen 
für die letztere zu besorgen. Die von der Werkstätte ge- 
lieferten Apparate und Materialien wurden in dem seit 

1860 errichteten Zentralmagazin der Telegraphen Ver- 
waltung aufbewahrt und von hier aus nach Massgabe des 
Bedürfnisses in die Kreise hinausgeliefert. Die früher vom 
Chef der Telegraphenwerkstätte ausgeübten Funktionen 
eines technischen Inspektors übertrug man vom 1. Mai 

1861 an dem Telegraphendirektor. 

Eine weitere Abänderung erfuhr die Organisation durch 
das Bundesgesetz vom 19. Juli 1866, das die Zahl der 
Telegraphenkreise von 4 auf 6 erhöhte und 
dem die bundesrätliche Verordnung vom 3. August 1866 
folgte, die die Grenzen der 6 neuen Telegraphenkreise in 
noch heute giltiger Weise wie folgt festsetzte : 

1. Kreis (Inspektionssitz Lausanne): die Kantone 
Genf, Waadt, Wallis und Freiburg, ausgenommen den 
Sense- und Seebezirk, sowie die Stadt Frei bürg. 

2. Kreis i Inspektionssitz Bern) : Sense- und Seebezirk 
des Kantons Freiburg mit der Stadt Freiburg, die Kan- 
tone Neuenburg und Bern, mit Ausnahme der Bezirke 
Münster. Delsberg. Prunlrut und Lauren. sowie die solo- 
thurnischen Aemter Bucheggberg- Kriegstetten und Solo- 
thurn-Lebern. 

3. Kreis (Inspektionssitz Ölten) : die bernischen Amts- 
bezirke Münster, Delsberg, Pruntrut und Laufen, die solo- 
thurnischen Aemter Balsthal, Dorneck - Thierstein und 
Olten-Gosgen. die Kantone Basel. Aargau, Unterwaiden 
und Luzern. ausgenommen die auf dem rechten Ufer 
der Reuss und des Vierwaldstättersees gelegenen Land- 
gemeinden. 

4. Kreis (Inspektionssitz Zürich): die luzernischen 
Ijindgemeinden auf dem rechten Ufer der Reuss und des 
Vierwaldstättersees. die Kantone Zürich. Zug, Schwyz. 
l'ri und Schaffhausen, mit Ausnahme des Bezirks Stein 
am Rhein. 

5. Kreis (Inspektionssitz St. Gallen): der schafl- 
hausische Bezirk Stein am Rhein, die Kantone Thurgau. 
St. Gallen, Appenzell und Glarus. 

6. Kreis i Inspektionssite Chur) : die Kantone Grau- 
bänden und Tessin. 

Dieser Verkleinerung der Kreise, die den Zweck hatte, 
den Inspektoren eine gründlichere Durchführung ihrer 



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SCHW 



SCHW 



Bestand des 



Aufgabe, d. h. eine genaue und gewissen hafte Heber- j 
wachung der Bureaux und Linien in ihren Kreisen, sowie I 
die Vornahme regelmässiger und 
genügend häufiger Inspektionen 
zu ermöglichen, folgte der rapiden 
Entwicklung des Telegraphenwe- 
sens wegen schon im Jahr 1873 
eine neue Partialreform. Mit Run- 
desgesetz vom 31. Juli 1873 wurde 
für die Telegraphendirektion und 
die Kreisinspektionen die Stelle 
je eines Adjunkten kreiert, nach- 
dem die provisorische Kreierung 
der Stelle eines Adjunkten des 
Zentraldireklors schon im Jahr 
1864 nötig geworden war. Diesen 
Beamten Hegt auch die Stellver- 
tretung des Direktors, bezw. der 
Kreisinspektoren ob. Ferner 
wurde eine neue Abteilung der 
Direktion, nämlich das Mate- 
rialbureau geschaffen, als Er- 
satz des mit Bundesbeschluss vom 
10. Mai 1861 aufgehobenen tech- 
nischen Inspektorates. 

Unterm 27. August 1873 wurde 
vom Bundesrat mit Rücksicht auf 
den grossen Gebietsumfang des 6. Kreises dessen Teilung 
beschlossen und zwar in dem Sinne, das* der grössere 
Heiirk (Graubünden ohne Misoxerthal) mit Chorals Sit/ 
dem Inspektor und der kleinere (Tessin und hündnerisches 
Misoxerthal) mit Bellinzona als Sitz dem Adjunkten unter- 
stellt wurde. 

Weitere gesetzliche Aenderungen in der Organisation 
der Telegraphenverwaltung fanden seither nicht mehr 
statt, wohl aber zeigte sich das Bedürfnis für eine provi- 
sorische Erweiterung der Organisation, als durch Art. 1 
des Bundesgesetzes über das Telephonwesen vom 27. Juni 
1880 das Te lep hon wes c n in den Geschäftskreis der 
Telegraphcnverwaltung einbezogen wurde. Die dadurch 
bedingte gewaltige Steigerung der Arbeitslast nötigte bald 
zu einer Vermehrung des Personals der Zentraldirektion, 
wo geschalfen wurden: a) Das technische Bureau, 
bestehend aus dem ersten technischen Sekretär als Chef 
und der nötigen Zahl technischer und administrativer 



bau wurden, da die Kreisinapektionen diese Aufgabe ohne 
Personalvermehrung nicht hätten übernehmen können. 



Telegp.apiiennetzes ait Ende V.m, 



Kreise. 


Lange der Linien 


Lange der Drahte 


■ n Eiwn 
habiu-n 
km 


an 

Strassen 
km 


Total 
km 


an Kiseo- 
bahnun 
km 


an 

Strassen 
km 


Total 
km 


1. Lausanne 

II. Bern 

Hl. Ölten 

IV. Zürich . 
V. Sl. Gallen . . . 

VI. Chur 

VII. Bellinzona . . . 

Bestand auf Endo 15)06 
Bestand auf Ende 11105 

Vermehrung . . . 
Verminderung . . 


452.7 
673.7 
6I7.Ö 
475.4 
531.3 
58.3 
135,1 


681,1 
583.3 
25 Vi 
117.1 
421,7 
625.8 
2tio.fi 


1 133.8 
1 257,0 
867.1 
592,5 
953,0 
684.1 
400,7 


2 497,3 1 743.2 

3 071,8 1293,6 
3 621,3 929,0 
2 247,5 975,9 
2 742,2 719.1 

238,9 1665.1 
888,9 424 3 


^4 240,5 
4 365,4 
4 550,3 
3 223,4 
3 461,3 
1 904,0 
1 313.2 


2 943,5 
2 »49,7 


2 »44,7 

3 084,1» 


5 888,2 
« 034.6 


15 :»7.9 
15 164.0 


7 750.2 
7 696.3 


23 058,1 
22 860.3 


~6.S 


140.2 


146.4 


143,9 


53,9 


197,8 



Die Verminderung de« Be»Uiir1et< der Tok'xraphenlinien >*t hauptsächlich auf die t'ebor- 
tragung« t ''"" c l' t «TLinienRektionon(d h Linien mit Tnli'frrapheri- und TolcplinndrnhU'n) 
vom Telegraphen- auf den TelephoiilluienoUt xurüeszufuureii. 



Millionen 




65 70 75 80 BS SO SS 



Bord 

Uobarsicbl Ober die Au»ahl der eipedierteo Telegramme 

Beamter, und bl das Inspektorat. bestehend aus 2 In- 
spektoren und dem erforderlichen Hilfspersonal. Die Er 
Stellung der TelephonneUe, sowie deren Betrieb und Aus 



einer neuen, der Zentraldirektion direkt unterstellten 
Beamtengatlung, den Telephonnetzvorst anden, zu- 
gewiesen. Diesen Beamten Hegt nicht bloss die technische 
und administrative Leitung des Netzes ihres Amtssitzes, 
sondern auch diejenige umliegender, kleinerer Netze ob. 
Sie verfugen über die nötige Zahl von Hilfsbeamten und 
Arbeitern, sowie zur Bedienung der Zentralstationen über 
eine der Bedeutung des Netzes entsprechende Zahl von 
Telephonislinnen. 

Mehr Abänderungen als die Organisation erfuhren die 
internen Telegraphentaxen. Ein neuer, verbesserter 
Taxationsmodus, welcher durch Bundesratsbeschluss vom 
22. Januar 1859 eingeführt wurde, behielt die bisherige 
Taxe von Fr. 1 für das nunmehr auf 20 Worte beschränkte 
einfache Telegramm bei. Dagegen gelangte fürTelegramme 
von über 20 Worten ein Progressionssystem zur Anwen- 
dung, wonach für 10 Worte mehr oder einen Bruchteil 
dieser Serie ein Zuschlag von einem Viertel der Taxe fur 
das einfache Telegramm (25 Cts.) berechnet 
wurde. 

Schon mit Bundesbeschluss vom 16. Juli 
1867 wurde aber «lie Taxe für das einfache 
Telegramm auf 50 Cts. herabgesetzt, mit 
einer Progression von 25Cls. für jede weitere 
unteilbare Reihe von 10 Worten. 

Das Bundesgesetz vom 22. Juni 1877 
endlich führte ein ganz neues Taxsyslem 
ein, nämlich dasjenige des Worltarifs, 
kombiniert mit einer Grundtaxe. Dieses 
Taxsystem ist heute noch gillig, und es 
beträgt die Wortlaxe 2'-, und die Grund- 
laxe 30 Cts. 

In erleichterndem Sinne verändert wur- 
den mit hundesrätlicher Verordnung vom 
6. August 1862. modifiziert durch die Verord- 
nung vom 18. November 1898. auch die Be- 
dingungen des Art. 9 des Telegraphenge- 
setzea von 1851 betr. die Leistungen für 
Telegraphenbnreaux. Die Telegraphen - 
Verwaltung erstellt und unterhält die Tele- 
graphenlinien auf ihre eigenen Kosten ; die 
Gemeinden entrichten an letztere einen ein- 
maligen Geldbeitrag. (Jeberdies bezahlen sie 
während 10 Jahren Fr. 100 per Jahr an die 
Kosten desTelegraphenbureauB. für das sie 
während der gleichen Zeitdauer das Lokal 
gratis zu liefern haben. 

Damit auch die EisenbahntelegTaphen- 
bureaux. soweit tunlich, für den öffentlichen 
Telegraphcndienst in Anspruch genomini'ii 
werden konnten, wurde am 27. November 1867 mit den 
Bahnverwallungen ein Vertrag abgeschlossen, laut wel- 
chem gegen eine Zuschlagstaxe \on 25 bezw. 50 Cts. auch 



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236 



SCHW 



SCI1YY 



auf den Bahnhöfen Privaltelegramme aufgegeben werden 
können. Dieser Vertrag ist durch die neue F'ebereinkunft 




llaupMclagraphenbureau in Hern | Morstsaal). 

vom 22. März 1907, die die Zuschlagstaxen abgeschaut hat, 
ersetzt worden. 

Im Jahr 1875 ist ferner zwischen den Begierunjjen von 
Deutschland, Oeslerreich - l'ngarn, Belgien, Dänemark, 
Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, der Nieder- 
lande, von Persien, Portugal, Russland, Schweden, 
Norwegen, der Schweiz und der Türkei zur Sicherung und 
Erleichterung des internationalen Telegraphen- 
verkehrs ein Telegraphenverlrag vereinhart worden, 
dem jetzt (Ende I90i) 48 Staaten und 19 Privattelegraphen- 
gesellschaflen angehören und der zur mächtigen Kni- 
wicklung des internationalen Telegraphenverkehrs von 
und nach der Schweiz beigetragen hat. 

Wir gehen im folgenden noch einige statistische 
Zusammenstellungen betr. die schweizerische Te- 
legraphen Verwaltung. In den letztvergangenen Jahren 
hat sich im Telegraphen- wie im Telephonbelrieb eine 
starke Verkehrszunahme geltend gemacht, so dass sich 
den Jahren 1905 und 190(3 ergaben an 

nur» 1906 

Einnahmen Fr. 11308151 Fr. 12 "»72 000 
Ausgaben » 10887151 » 11 560711 

Aktivsaldo Fr! 416155) Fr. 1011298. 

Der Aktivsaldo von 1906 w ird unter Zustimmung der 
eidg. Häte als ausserordentliche Amortisation vom Hau- 
konto abgeschrieben. Pro Ende 1906 betnig der Schät- 
zungswert 

ai des verzinslichen Inventars Fr. 12025033 
b) des unverzinslichen Inventars 

(Linien) i 22613996 

Total Schatzungswert des gesamten 
Inventars der Telegraphen- 
verwaltung somit Fr. 34639029. 
Eine sehr erfreuliche Zunahme weisen die Verkehrs- 
ziffern auf. wie folgende Zusammenstellung des Tele- 
Krammverki'hrs zeigt : 

Zahl der Telegramme 



Von Interesse durfte folgende Zusammenstellung sein, 
welche die schweizerischen Ortschaften nach der Anzahl 
der im Jahr 1906 beförderten und eingegangenen 
Telegramme (abgerundete Zahlen) ordnet: 
i i | Total der Telegramme Iiurch- 

im Jahr 1901".. 
In 1 aueend. 

Zürich 799,3 

Basel 486.fi 

Cenf 4i:».n 

Bern 138,0 

Lausanne 181.7 

Luzern 182,6 

St. (lallen . ... 145.9 

VVinterthur 132.1* 

St. Moritz iGraubunden) 79..'» 

Lugano T1 * . 

Montreux . 64.8 

Interlaken 57..*» 

Neuenburg 34,4 

I .i Chaux de Fonds . . 50,8 
Bavos Platz . . 18.8 

Chur 48.0 

Vevey . . .... 46.7 

Biel 40.0 

Freiburg. . ... 37.1 
SchafThaoMn .... 33.6 

Baden 31 .0 

Bellinzona 28,6 

Locarno 27,7 

Rorschach 26.!» 

Thun 24.2 

Solothurn 23,1 

Chiasso 22.0 

Aarau 22.0 

Territet 21.7 

Brig 20.1 

Ueherdies linden sich : 

8 Ortschaften mit 41-50 Telegrammen per Tag. 



achoiu 

per Tajr. 
2190 
1333 
1131 

ras 
.-«*; 
5oo 

:m 

.(64 
218 
218 
177 
157 
149 
139 
133 
131 
128 
109 
101 

irj 

85 

78 



Ii»! 
Iii 
60 
60 



14 

:t2 

i»9 
884 
lo62 
Dk 

I i n ii 
und 

Zusammenstellung, sowie die TahelU 
Linn in km 







Interna- 


Transi- 




Jahr 


Interne 


tionale 


tierende 


Total 


1858 


74 095 


8 401 




82 586 


1860 


208 311 


68 898 


26 967 


303 930 


187(1 


1 132 029 


:«7 652 


109 554 


1 629 236 


1880 


1 751 018 


7.\'{ h87 


262 333 


2 7»i7 238 


185«) 


1 965 8t>2 


1 219 653 


510 473 


3 095 988 


1900 


1 577 974 


1 h94 371 


677 817 


3950 I6 2 


1805 


1 576 154 


2 159 78". 


a%4 937 


4590 876 


1906 


1 608838 


2 :CI9 956 


969 885 


49I8 679. 



• 31-40 

i 21-:» 

■ • 11-20 • • ■ 

n • | - 1 0 » | 

• weniger als 1 Telegramm per Tag. 
I i(>^aiiitli<'si.uidr der uberint i«< hen Telcgraphen- 
n und -drahte, sowie die Anzahl der Üureaux 

der in Uelrieb stehenden Apparate zu verschiede- 
Zeiten und am 31. Dezember 1906 zeigen folgende 

auf Seite 235 : 

Zahl 

der der 

Jahr Linien Drähte Dureaux Apparate 

1853 1942.0 2 400.0 70 128 

1860 2885.0 4 104.0 Ii". 288 

1870 5158.1 11057.1» 546 806 

1880 6563.5 16 0,">8.<» 1 108 1478 

I80U 7199.8 18 237,7 1884 2 132 

1900 6902.2 21 716.6 2 108 2 228 

IVOS 6034.6 22880.3 2 182 2 237 

1906 5888,2 23 058,1 2 206 2 264 

Die gesamte Linienlänge der unterirdisch gelegten T.-Ie- 

fraphenkahel betrug auf Ende 1905: 117.9 km und auf 
!nde 1906 : 1 19,4 km. die gesamte Adernlänge dieser Kabel 
auf denselben Zeitpunkt 3249.4 bezw. 3260.6 km. Die Ge- 
samtlänge der in der Schweiz auf Ende 1906 bestehenden 
elektrischen Linien (mit Ausnahme derjenigen der Tele- 
phonnetze und ihrer Verbindungen untereinander, sowie 
der Stärkst mmanlagen) beträgt : 

Linienlänge Drahtlänge 
k m km 

Telegraphenlinien der Telegraphen- 
Verwaltung 5888.2 23058.1 
Telegraphenlinien der Bundes- und 

der Privatbahnen 1435.7 16 283.7 
Privatlinien 15*y,r, 3 272.(i 

Bestand auf Ende 1906 89H8.5 12 (»1 4.1 
Bestand auf Ende 1905 89:18.2 41 194.8. 
Apparate. Auf Ende 1906 standen folgende Telegra- 
phenapparate in Betrieb : 937 Morseapparate für Arbeits- 



Gc 



SCIIW 



SCHW 



-237 



strombetrieb ; 027 Morseapparate für Kuhestrombetrieb ; 
55 Klopfer • 8t Hughesapparate ; 1 Baudot-Dreifachappa- 
rat; 1 Baudot-Zweifachapparat : 199 gewöhnliche Relais: 
104 Translationsrelais ; 23 zur L'eberniittlung von Tele- 
grammen benutzte Telephonstationen. Von den amSchluis 
de« genannten Jahres bestehenden 396 Telegraphenlei- 
tungen sind mit Arbeilsstromapparaten betrieben 277. 
mit Ruhestromapparaten 108 und mit Telephonapparaten 
H. Zur Stromlieferung für den Telegraphenbetrieb sind 
verwendet: 28239 galvanische Elemente, 4 Akkumulatoren- 
batterien mit zusammen 240 Zellen, 4Elektro-Generatoren, 
sowie 2 Elektromotoren für den Antrieb der Generatoren. 

Ueber den Personalbestand der Telegraphen Ver- 
waltung gibt nachfolgende Tabelle Auskunft : 



PmsoNAI.IIKSTAND HER Tf LElill AI'HENUIHEkTION. 
KBKISTEl.El.RAt'HENINSPEKTIONkN IND TELEliKA PH EN- 
III' REAI X. 



Jahr. 



Di- 
rek- 
tion. 



Kreis- 
ln- 
apek- 

tlOD. 



Telegrapben- 
buraaux I. und 
II. Klause. 



- 



h 2- 



3 3 

2 I 
1 = * 



Tele- 
graphen- 
bureaux 

III. KltiH 

«inkl. Ge- 
meinde- 
telephon- 
Stationen). 



Total 
Deamte 

Und 
Antre- 

»tolm. 



1852 


— 19 - 








85 


I04 


1860 


10 


4 


14 


67 


17 


133 


•jv:» 


1870 


15 


6 


14 


180 


£ 


524 


779 


1880 


15 


11 


15 


241 


65 


1 139 


1 486 


IM» 


32 


11 


43 


■>'■:< 


72 


1 415 


1 842 


1900 


80 


13 


55 


:m 


140 


2 132 


2 783 


1905 


83 


13 


60 


394 


153 


2 193 


2 896 


1906 


85 


13 


58 


406 


161 


2 214 


2 937 



Miezu kommen 818 Telephonbeauile und -angestellte, 
die nicht auch im Telegraphendienste beschäftigt sind 
und mit denen sich der Bestand an definitivem Personal 
der Telegraphenverwaltung auf Ende 1906 auf 3755 Be- 
amte und Angestellte belief. 

Die Beziehungen zum Ausland vermitteln die 
internationalen Telegraphen- und Telephonverbindungen. 
1906 ist durch den Simplontunnel ein Kabel gelegt und in 
Betrieb genommen worden. Dem Bericht des internatio- 
nalen Bureaua der Tclegraphenverwaltungcn 
über seine Geschäftsführung im Jahr 1906 ent- 
nehmen wir folgende Angaben : Die Ausgaben 
beliefen sich au? Fr. 144 136. die Einnahmen auf 
Fr. 59 802. sodass den Verwaltungen ein Ausfall 
von Fr. 84334 zu decken bleibt, woran die 
Schweiz Fr. 1430 beizutragen hat. Die Zahl 
der Vertragsstaaten beträgt gegenwärtig 48. Dir 
Gesamtheit aller dieser Staaten umfasst einen 
Flachenraum von 66 126 000 km* und eine B«;- 
vülkerung von 945 540000 Ew. 

Die Literatur über da« schweizerische Tele- 
graphenwesen findet Bich zusammengestellt im 
Faszikel Post- und TelegraphemcesenAer Uililin- 
gniphie der svhwetzerischen Landeskunde (Bern 
1895. mit Xurhlrag, Bern 1903). 
;i.»rl Mitteilungen der Kino. Tr.t khiai'BH.nimkkktio.s) 

IV. Telephon. Mit der vielversprechenden 
K Hindling de« Telephons, die gegen Ende der 
70er Jahre des 19. Jahrhunderts bekannt wurde, 
begann man »ich auch in der Schweiz frühzeitig 
zu beschäftigen. Dabei drängte sich sofort du* 
Frage auf. ob eine Einbeziehung des Telephons 
in das bereits bestehende Telegraphenregal an- 
gezeigt sei. Der Bundesrat hegte nicht den ge- 
ringsten Zweifel darüber, das* in dem Kollektiv- 
begrilT «elektrische Telegraphen» alle 
diejenigen Einrichtungen verstanden seien, wel- 
che dazu dienen, mittels der Elektrizität /wi- 
schen zwei mehr oder weniger entfernten Punk- 
ten Gedanken auszutauschen. Von dieser l'eher/eugung 
ausgehend, erliess er schon am 18. Februar 1X78 eine Ver- 
ordnung, welche die Telephoneinrichtungen als in da» 



Regal des Bundes fallend erklärte und die notwendig er- 
scheinenden Bedingungen für die Erteilung von bezüg- 
lichen Konzessionen festsetzte. Obgleich wohl niemand die 
sl.-iunenerregende Entwicklung voraussah, welche die 
Telephonie in den kommenden Dezennien nehmen sollte, 
rief diese« Vorgehen der Exekutivbehörde, d. h. die Er- 
klärung de« Staatsregales, doch sofort der energisrhen 
Opposition der Monopolgegner. Am 30. Mai 1878 reichte 
ein Unlei nehmer in Zürich. \V. Ehrenberg, einen Re- 
kurs an die Rundesversammlung ein, in welchem sich der 
Rekurrent in erster Linie gegen die Einbeziehung des 
Telephons in den allgemeinen Begriff der elektrischen 
Telugraphen, bezw. in das Tclegratihenregal wandle, dann 
aber dem Bundesrat auch das Recht bestritt, das Monopol 
der elektrischen Telegraphie ohne weitere* und ohne eine 
Ermächtigung des gesetzgebenden Körpers auf das Gebiet 
der elektrischen Telephonie zu übertragen. Die eidgenös- 
sischen Räte ihrerseits stellten sich auf den Standpunkt 
des Bundesrates, indem sie am 19. Dezember 1878 den 
Rekurs als unbegründet abwiesen und sich grundsätzlich 
lür die Einbeziehung des Telephons in das Telegraphen- 
regal entschieden. Immerhin wurde zu Protokoll gegeben, 
dass die in Art. I des Bundesralsbeschlusses vom 18. Feb- 
ruar 1878 enthaltene Bestimmung nur in dem Sinne 
als Begal aufzufassen «ei. dass Privatieitungen, wenn sie 
das St.iatsmonopol nicht gefährden, zu konzessionieren 
seien. Dies, sowie die bezügliche fernere Haltung der 
Bundesbehorden in den Jahren 1879 und 1880 zeugt dafür, 
> dass mit dem eben angeführten Entscheid zwar die prin- 
zipielle Sanktionierung des Telegraphenregals ausge- 
sprochen werden sollte, derselbe aber keineswegs den 
Sinn hatte, dass nun auch der Bund die Erstellung und 
den Betrieb von Telephoneinrichtungen selbst an die Hand 
zu nehmen habe. 

Dennoch drängte sich angesichts der wachsenden Kon- 
zessionshegehren und der zahlreichen Verbesserungen, 
welche die Erfindung einer allgemeinen Verwendung 
immer näher brachten, mehr und mehr die Peberzeugung 
auf, dass eine richtige Lösung der Telephonfrage den 
Staatsbetrieb bringen müsse. Als daher am 16. April 1880 
das Gesuch für Erteilung einer Konzession für Erstellung 
eines Telephonnetzes in Zürich eingereicht wurde, ent- 
sprach der Bundesrat noch diesem Gesuch, aber unter 
Beschränkung der Konzession auf 20 Jahre und unter 
dem Vorbehalt, dass nach Ablauf dieser Frist oder auch 
vorher das l'nternehmen käuflich an den Bund übergehen 
könne. Im Spätherbst des gleichen Jahres fasste er so- 




liauptteleirrapbonbureau in Bern iBauduUaal). 

dann den Beschluss. für die andern Städte keine Privat - 
konzessionen mehr zu erteilen, vielmehr die Einrichtung 
überall da. wo sich ein hinlängliches Bedürfnis dafür zeigte. 




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selbst an die Hand zu nehmen. Damit war der Uebergang 
zum Staatsbetrieb getan. Noch am 28. November 1880 
wurde eine Verordnung über die Krrichtung von offent- 
lichen Telephonstationen erlassen, durch welche Ort- 
schaften mit geringerem Verkehr, wo die Errichtung von 
Telegraphenbureaux sich nicht rechtfertigte, die Möglich- 
keit geboten wurde, ohne erhebliche Opfer mit dem 
schweizerischen Telegraphennetze verbunden zu werden. 
Am 1. Oktober 1X81 wurden ferner schon die Telephon- 
nelze in Hase) und Hern eröffnet. Im Jahr 1883 folgten 
diejenigen von Genf, l-ausanne. St. Gallen. VVinterthur etc. 
[m Jahr 1882 wurde auch die erste interurbane Telephon- 
linie zwischen Winterthur und Zürich erstellt. VVo ein 
tatsächliches Bedürfnis hiefür bestand, erricktete man 
im Innern der Städte, um auch dem nicht abonnierten 
Publikum die Vorteile des neuen Verkehrsmittels zuzu- 
wenden, mit den Zentralstationen verbundene Sprech- 
stationen. Diese standen dem Publikum gegen eine Ver- 
gütung von 10 Cts. für ein Gespräch von 5 Minuten zur 
Verfügung. Mehr und mehr wurden auch Anschlüsse 
benachbarter Ortschaften an bestehende Telephonnetze 
mittels öffentlicher Geineindestationen verlangt. In diesen 
Fällen hatte entweder die Gemeinde ein gewohnliches 
Abonnement zu übernehmen und zu Händen der Verwal- 
tung für jedes Gespräch eine Taxe von 20 Cts. zu be- 
ziehen, oder dann richtete die Verwaltung die Station 
ohne Gegenleistung ein, beanspruchte dafür aber eine Ge- 
sprächslaxe von 30 Cts. In beiden Fällen lag der Gemeinde 
die Beschaffung des Lokals und die Sorge für die Be- 
dienung ob. Sie konnte dafür indessen einen Zuschlag 
von 10 Cts. per Gespräch für sich beziehen. 

Die Einbeziehung der Tclephonie in das Telcgraphon- 
regal brachte es ^ll.stverstandlich mit sich, dass der 
Staatsbetrieb dieses neuen Verkehrsmittels dem Geschäfts- 
kreis der Telegrapln-i)\erwnllung /Hinwiesen wurde. 
Dadurch fiel der Ii-i/irrn eine neue grosse Aufgabe zu, die 
sowohl bei der Telegi-aphrudireklion als auch beim 
Betriebsdienst «-ine bedeutende [Vrsoiialvermehrung er- 
forderte. Diese fand nach Bedürfnis auf dem Budgetweg 
statt. Schon im Jahr 1883 hatte ein Postulat der eidge- 
nossischen Räle den Bundesrat eingeladen, die Organisa- 
tion des Telcphonwosen*. sowie die Stellung, Besoldung 
und Aufgaben der Toleph>mheamleii definitiv zu regeln. 
So erwünscht nun auch ome gesetzliche Ordnung des 
Telephon wesens dem Bundesrat schon zu jener Zeil ge- 
wesen wäre, hielt er den Moment doch noch nicht für 
gekommen, um bezügliche Bestimmungen vorschlagen zu 
können. Immerhin wurde der Bundesversammlung auf 
den Zeitpunkt, wo die Verhältnis' mHi genügend abge- 
klärt haben würden, die delinitive Organisation in Aus- 
sicht gestellt. Die Telegraphen Verwaltung aber hörte nicht 
auf, eifrig an der Erstellung eineB rationell angelegten, 
die ganze Schweiz umfassenden Telephonnetzes zu arbei- 
ten, was zur Folge hatte, dass das private Telephonnetz 
in Zürich den umliegenden staatlichen Netzen alsZentral- 
und Vermittlungsorgan dienen musste, ein Zustand, der 
zum Rückkauf dieses Privat netze« drängte. Der Bundesrat 
benutzte daher das Erlöschen der Konzession im Jahr 1885, 
um das ganze Netz von der Zürcher Telephongesellschaft 
zurückzukaufen und dem allgemeinen Slaatanetz einzu- 
verleiben. 

Im Dezember 1887 wurde der Bundesrat neuerdings 
eingeladen, im Laufe des Jahres 1888 einen Gesetzesent- 
wurf über das Telephonwesen und einen Bericht über 
Ermässigung der Telephoniaxen vorzulegen. Die genannte 
Behörde kam diesem Auftrag nach und legte am 13. No- 
vember 1888 den verlangten Bericht nebst Gesetzesentwurf 
vor. Am 27. Juni 1888 erfolgte sodann der Erlasa eines 
Bundesgesetzes über das T e 1 e p ho n wesen . 
Basselbe begnügte sich in Bezug auf die Organisation mit 
der Festlegung des Grundsatzes, dass Errichtung und Be- 
trieb der Telephonanlagen einen Teil des Telegraphen - 
wesens bilde und zum Geschäftskreia der Telegraphenver- 
verwaitung gehöre. Im Weitern stellte das Gesetz die 
Grundsätze und Bedingungen auf. welche für die Errich- 
tung von Telephonanstalten massgebend sein sollten. Die 
Errichtung von Gemeindestatiouen, welche entweder mit 
dem Telephonnetz oder dem Telegraphenbureau einer 
Nachbargemeinde telephonisch verbunden werden konn- 
ten, wurde nun an folgende Bedingungen geknüpft : die 



i betreffende Gemeinde hatte eine fixe jährliche Gebühr von 
' Fr. 120 nebst etwaigem Distanzzuschlag zu entrichten, ein 
geeignetes l.okal zur Verfügung zu halten und die Kosten 
für die Bedienung zu ubernehmen. Kür die Benutzung 
i einer öffentlichen Sprechstation wurde der schon unter 
j der provisorischen Organisation durchgeführte Ansatz von 
10 Cts. beibehalten, die Gesprächsdauer aber auf 3 Minu- 
ten reduziert. Das Hecht des Beitrittes zu einem bestehen- 
den Netz wurde Jedermann gewährleistet. Die Entschei- 
dung darüber, welche Netzverbindungen zu erstellen 
'■ seien, wurde dem Bundesrat übertragen. Dieser letztere 
kann von Gemeinden, welche solche Verbindungen wün- 
1 sehen, die Garantie eines bestimmten Minimalertrages der 
I Linie verlangen. Im Art. 12 des Gesetzes sind die Taxen für 
die Privatanschlüsse festgesetzt. Während unter der pro- 
visorischen Organisation, d. h. vor dem t. Januar 1800. 
die Jahresabonnementsgebühr Fr. 150 und die Taxe für 
jedes interurbane Gespräch von 5 Minuten Dauer 20 Cts. 
für Linien bis 100 km Länge und 50 Cü>. für grössere 
Entfernungen betrug, sowie die Station im Lokalverkehr 
unbeschränkt und unentgeltlich benutzt werden konnte, 
setzte das neue Gesetz die Jahresabonnementsgebühr auf 
Kr. 120 für das erste, Fr. 100 für das zweite und Fr. 80 
für die folgenden Jahre an; dafür wurden aber nur die 
800 ersten Gespräche des Jahres taxfrei erklärt, während 
die übrigen zu Fr. 5 per Hundert oder Bruchteil davon 
zu bezahlen waren. Vor 18U0 halle ferner jeder Abonnent, 
dessen Lokal über zwei Kilometer von der Zentralstation 
entfernt war, einen den Mehrkosten der Anlage entspre- 
chenden einmaligen Beitrag zu bezahlen. Das Gesetz von 
18ri9 setzte für solche Fälle eine jährliche Entschädigung 
von Fr. 3 für ie 100 Meter Mehrlänge an. Es erhöhte 
ferner die Grundtaxe für Stadtaufträge oder Phonogramme 
von 10 auf 20 Cts., während die VVorttaxe von 1 Rappen 
unverändert blieb. 

Für den interurbanen Verkehr wurde im neuen Gesetz 
das abgestufte Taxsystem angenommen. Die Gebuhr für 
die Benutzung der Netzverbindungen zum Zwecke des 
Verkehrs mit den Stationen angeschlossener Netze beträgt 
nach diesem Gesetze heute noch 

30 Cts. bis auf eine Entfernung von 50 km. 
50 Cts. » ► • - »100 km. 

75 Cts. für grossere Entfernungen, 
wobei die Entfernung nach der Luftlinie berechnet wird 
und die Gesprächsdauer auf 3 Minuten herabgesetzt 
wurde. 

Der Art. 17 verpflichtet die Beamten und Angestellten 
der Telephon-Verwaltung zur Geheimhaltung des telepho- 
nischen Verkehrs, und die Art. 20-22 enthalten die Vor- 
schriften über die Erteilung von Konzessionen für die 
Erstellung von lelephonischen Verbindungen, die von der 
öffentlichen Telephonanslalt unabhängig sind. 

Uei der Herabsetzung der Jahresabonnementsgebühr 
wurde in Betracht gezogen, dass das Bedürfnis für die 
Benutzung des Telephons nicht für alle Abonnenten gleich 
stark war und dass bei der fixen Jahresgebühr von Fr. 150 
der eine Abonnent das einzelne Gespräch mit 75 Cts., der 
andere dagegen nur mit '/j Happen zu bezahlen hatte. 
Aber auch die neuen Telephongehühren vermochten nicht 
alle Abonnenten zu befriedigen, da sowohl in den kleine- 
ren als auch in den grösseren Netzen viele der Abon- 
nenten nicht dazu kamen, die 800 Freigespräche im Lokal- 
verkehr auszunutzen. Das Gesetz von 1889 wurde daher 
am 7. Dezember 1894 durch die eidgenössischen Räte in 
der Weise modifiziert, daBs die Jahresgebühr für Gemeinde- 
stationen (Art. 4) und für private Abonnentenstationen 
(Art. 12) auf Fr. 100 im ersten. Fr. 70 im zweiten und 
Fr. 40 in den folgenden Jahren, bei gleichzeitiger Ab- 
schaffung der Freigespräche, bezw. Taxierung sämtlicher 
Lokalgespräche zu ."» Cts.. ermässigt wurde. 

Es zeigte sich aber bald, dass diese reduzierte Ahonne- 
mentsgeDühr Jinkl. Fr. 3 per 100 Meter Linie, nach Ab- 
zug von zwei Gratiskilometern) immer noch eine zu hohe 
Leistung war für solche Gemeindestationen, die in der 
Regel bloss zum Telegraphieren und nicht auch zur Füh- 
rung von Gesprächen benutzt werden, d. h. die bloss 
mit einem Telegraphenhureau und nicht auch mit 
einem Telephonnetz verbunden sind. In einer Verordnung 
vom 18. November 1808 begnügte sich daher der Bundes- 
rat, für solche Stationen, unter Verzicht auf eine Abon- 



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240 



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uernentsgebühr, nur eine jährliche Entschädigung von i sehe r Li n ien a u f fre md e m E igen tu m. Bis dahin be- 
Fr. 15 per Kilometer Lioienlänge zu verlangen, in der I stand da ruber lediglich eine bundesratliche Vi 

vom 6. August 1862. 



PERSONALBESTAND DER TELKPHOMII I1EAI X. 


Jahr. 


AusarhIieMlioh 
im Telet.bondienslc 
auf Zentralen 
I und II K'»*»e. 


Nur teilweise im 
Telephondieost« 
an!' Zentr:ili>n 
II. und III. Kla««e. 


Bureau- 
diencr 
beim 
Telephon. 


ToUl 
Persom-n 


Chef» n 

Gehilfen. 


1 Telepho- 
1 nisten 


Trlegra- 

phisten. 


Andere 
B-rnfe. 


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650 


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Meinung jedoch, das« dann die im Art. 4 de» Telephon- 
gesetzes vorgesehenen zwei Gratiskilometer von der Li- 
nienlänge nicht mehr abzuziehen seien. Diese Verord- 
Dung hat heute noch ihre Giltigkeit. 
Ein am 26. Juni ISS!) erlassenes weitere» Hundesgesetz 
Bestimmungen über die Erstellung eleatri- 



räumt. ohne Entschädig 

tone, Gemeinden oder öffentlichen Korporationen.be 
sonders längs den Gassen. Landstrassen. Feld- und 
Fusswegen. Kanälen und Flüssen, oberirdische oder 
unterirdische Telegraphenlinien anzulegen. Das I leset; 
vom 26. Juni 1889 gibt dem Bund das Recht, auch 
Privateigentum Tür die Erstellung von Telegraphen- 
un.l Telephonlinien in Anspruch zu nehmen; doch 
wird dabei die Bedingung aufgestellt, das* der ur- 
sprüngliche Zweck der in Anspruch genommenen Ob- 
jekte dadurch nicht beeinträchtigt werden dürfe. Wenn 
durch eine spatere Verfügung über das fragliche Eigen- 
tum die Aenderung oder Beseitigung der erstellten 
Linie nötig wird, so hat die eidgenössische Verwaltung 
das Nötige vorzukehren. Wo der Bund in den Fall 
kommt, fiirdie h'rstellung von Telegraphen- und Tele- 
phonlinien weitere Hechte, als die in diesem Gesetz 
bezeichneten, in Anspruch zu nehmen, sollen die Be- 
stimmungen betreffend das Expropriationsverfahren 
massgebend sein. Der Bund ist berechtigt, auf dein 
Gebiete der Bahngesellschaften unentgeltlich Tele- 
phonlinien oder an den daselbst befindlichen staat- 
lichen Telegraphenlinien Trlephundrahte anzulegen, 
insoweit dies ohne Beeinträchtigung des liahnbelrie- 
bes und der Benutzung von sonstigem Balineigen tu in. 
sowie der zur Sicherung der Bahn vorhandenen Ein- 
richtungen geschehen kann. Der Bund trägt den Seht 
den, welcher einer Bahngesellschafl durch den Bau und 
Unterhalt einer Telephonanlage erwachst. Sobald die 
Telephonanlagen sich der Erstellung neuer oder der 
Veränderung bestehender bahndienstlicher Hinrich- 
tungen hinderlich erweisen, hat die eidg. Verwaltung 
die notige Verlegung ihrer Anlagen auf eigene Kosten 
vorzunelimen. Vor der Anlage elektrischer Stark- 
stromleitungen sind die Pläne, samt allen nötigen 
Angaben, der eidg. Verwaltung vorzulegen. Diese 
wird bei der Genehmigung der Plane, sowie wäh- 
rend des Betriebes den Unternehmer der Starkstrom- 
leitung zu den erforderlichen Massnahmen verhalten, 
um die Telegraphen- und Telephonanlagen gegen jede 
Gefährdung und Betriebsstörung sicher zu stellen und die 
zukünftige Ausdehnung derselben nicht zu verunmögli- 



;hen. Zur E 



dieses Zweckes hat 



ne eul. 



Ver- 



BK5TAND 1>KS SCHWEIZEHISCHEN TELEPHON NET7 ES. 



Jahr. 



Zahl 
■ Irr Netz« 



Z;ihl der Abonuemenle. 



Zahl der Slalionaa. 



Mit 



«>hne 
NrUan»-hltt»s. 



Mit 



anacMun». 



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l.ibien 
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1(05)75.0 
126 299.0 
161 766.9 
ISO 942.5 
•J07 974.5 
224 542.3 
242 127.9 
252 235.5 
273 162,3 



3 
9 
21 
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647 
606 
687 
718 

753 



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waltung auch an ihren eigenen Linien die entsprechenden 
Vorkehren zu treffen. Die Kosten für die Massnahmen, 
welche an einer bestehenden Anlage durch eine neu hin- 
zukommende Linie verursacht werden, sind durch den 
Eigentümer der letztern zu tragen. 

Sowohl das Gesetz vom 27. Juni 1889 als auch dasjenige 
vom 20. Juni 1888 traten am 1. Januar 1890 in Kran. Die 
liestiromungen des Gesetzes vom 26. Juni 1889 erwiesen 
sich aber, soweit sie die rechtliche Stellung der staat- 
lichen Telegraphen- und Telephonlinien zu den Stark- 
stromanlagen betrafen, als unzureichend. Eine Keine von 
zum Teil sehr schweren Unglücksfällen, welche aus der 
Berührung -von Starkstromleitungen mit zerrissenen 
Telephonrlrähten hervorgingen und wobei die Eigentümer 
der privaten Anlagen keineswegs für den entstandenen 
Schaden haftbar gemacht werden konnten, lie*sen eine 
Hevision der bezüglichen Gesetzesbestimmungen als 
dringend notwendig erscheinen. Das Gesetz über die Er- 
stellung von Telegraphen- und Telephonlinien wurde 
daher am 24. Juni 1902 durch da» Hundesgesetz be- 
treffend die elektr ischen Schwach- und Stark- 
stromanlagen ersetzt. Die>eB neue Gesetz stellt die 
Erstellung und den Betrieb aller Schwachstromanlagen, 
welche öffentlichen Grund und Boden oder Eisenbann- 
gebiet benutzen oder zufolge der Nähe von Starkstrom- 
,m lagen zu lietricbsshn un^en oder < of.ihrdungen Veran- 
lassung gelwn können, -..wie alle Starkstromanlagen, 
mit Ausnahme der HausiiitttalUtticnen und der Einzel- 
anlagen auf eigenem Grund um! Boden, welche die für 
Hausinslallationen zulässige Maximahpannung nicht über- 
schreiten und die nicht zufolge der Nähe anderer elektri- 
scher Anlagen |{eiriele.störun;<eri (Hier Ge Hihi duneren ver- 
anlassen können, unter die Oberaufsicht des Bundes. Als 
Schwachstromanlagen werden solche angesehen, bei 
welchen normalerweise keine Strome auftreten können, 
die für Personen oder Sachen gefährlich sind. Als Stark- 
slromanlagen gellen solche, hei welchen Ströme benutzt 
werden oder auftreten, die unter Umständen für Personen 
oder Sachen gefahrlich sind. Her Bundesrat hat die er- 
forderlichen Vorschriften aufzustellen zu tunlichsler Ver- 
meidung derjenigen Gefahren und Schädigungen, welche 
aus dem Bestand derSlarkstromanlagen überhaupt und aus 
deren Zusammentreffen mit Schwachstromanisgen entste- 
hen. Diese Vorschriften haben zu regeln : a) die 
K rslellung und Instandhaltung sowohl derSchwach- 
»trom als der Starkstromanlagen : h)die Massnah- 
men, die hei der Parallcllühmng und bei Kreuzung 
elektrischer Leitungen unter sich. Sowie bei der 
Parallelftihrung und der Kreuzung elektrischer 
Leitungen mit Eisenbahnen zu treffen sind ; e) die 
Erstellung und Instandhaltung elektrischer Bah- 
nen (Art. Ii). 

Die Artikel 5-12 des Gesetzes bilden eine Be- 
stätigung der schon im Gesetz von 1889 enthal- 
tenen und hievor beschriebenen Hechte und Pflich- 
ten, die der eidg. Verwaltung bei Erstellung von 
oberirdischen und unterirdischen Telegraphen- 
und Telephonlinien zufallen. Wenn öffentliche 
und bahndienstliche Schwachstromleitungen ein- 
zeln oder zusammen mit einer andern elektri- 
schen Leitung zusammentreffen, fallen der Ver- 
legungskosten zu Lasten der letztern und zu 
Lasten der erstem. Die Anbringung von Doppel- 
drähten und überhaupt von Hiickleilungen, die von 
der Erde isoliert sind, an öffentlichen Telephon- 
leilungen fällt ausschliesslich zu lösten des Bundes 
(Art. 17). Eine vom Bundesrat gewählte Kommis- 
sion von 7 Mitgliedern begutachtet die vom Bundes- 
rat zu erlassenden Vorschriften für die Erstellung 
und Instandhaltung der elektrischen Anlagen, so- 
wie andere vom Bundesrat gemäss dem Gesetz zu 
entscheidende Angelegenheiten. Die Kontrolle der 
in Art. 3 hievor erwähnten Vorschriften üben aus : 
1) für die Schwachsiromanlagen, mit Ausnahme 
der den Slarkstromanlagen dienenden privaten 



SCHW 241 

griff der Kahnkreuzungen durch elektrische Starkstrom- 
leitungen und der Langsführung solcher neben Eisen- 
bahnen, sowie für Kreuzung elektrischer Bahnen durch 
Schwachstromleitungen das Post- und Eisenbahndeparte- 
ment (Eisenbahnahleilung); 3} für die übrigen Stark- 
stromanlagen mit Inbegriff der elektrischen Maschinen 
ein vom Bundesrat bezeichnete« Inspektor«! für Stark- 
stromanlagen (Art. 2t). 

Die Art. 27-41 behandeln die Haftpflichlbeslimmungen, 
während die Art. 42-54 die Vorschriften über die Expro- 
priation enthalten. Wer die elektrischen Anlagen be- 
schädigt oder gefährdet, oder deren Benutzung stört, wird 
mit hoher Geldbusse oder mit Gefängnis oder Zuchthaus 
bestraft (Art. 55-60). 

An der internationalenTelegraphenkonferenz 
von Berlin im Jahre 188T» wurde das Telephon auch 
als internationales Verkehrsmittel anerkannt. Zwischen 
der Schweiz und sämtlichen Nachbarstaaten, sowie auch 
mit Luxemburg, entstanden hierauf besondere Telephon- 
ahkommen, die dazu führten, dass die Schweiz gegen- 
wärtig mit sämtlichen Nachbarstaaten und auch mit 
Luxemburg in telephonischer Verbindung steht. 

('eher die Entwicklung des Telephon wesens und 
über den Bestand des mit diesem Verwaltungszweig 
speziell beschäftigten Personals geben die unserm Artikel 
beigelügten statistischen Tabellen die beredteste Auskunft. 
Zur Orientierung mag dabei noch dienen, dnss verstanden 
werden : 

1) Unter Zentralstat iont n I. Klasse solche, die 
technisch und administrativ von einem selbständigen Be- 
amten geleitet werden ; 

2) unter Zentralstationen 2. Klasse solche, die 
technisch und administrativ von einem Beamten eines 
Telegraplienbureatis 1. oder 2. Klasse geleitet werden, und 

3) unter Zentralstationen 3. Klasse solche, die 
mit einem Poslbureau oder einem Telegraphenbureau 
3 Klasse verbunden sind, oder solche, wo der W echsel- und 
Verrnitllungsdienst von einer dritten Person besorgt wird. 

Der a 1 1 ge m e i n e Ii e s t a n d d e r T e I e p h o n n e t z e 
und ihrer Verbindungen zeigt auf Ende 19U6 folgende Zah- 
len : 384 1 1905 : 306) Telephonnetze und 53 711 (1905 : 50333) 
Abonnemente, also Vermehrung im Jahr 1906 um 18 Netze 
und 3378 AlKinnemente. Ende 1900 betrug die Tntallinien- 



der Schwachstromleilungen mit Starkstromlei- 
tungen, welche nicht zu einer elektrischen Eisenbahn ge- 
boren, das Post- und Eisenbahnilepartement (Telegraphen- 
ableilung); 2) für die elektrischen Eisenbahnen mit Inbe- 







Tki.kpiionvkhkehk. 






Jahr. 


Lokal - 
gospracbo 


lotorurbane 
Oaspraehe 


Vermittelte 
Telegramme. 


Phono- 
gramme. 


loter- 
nattooale 

(J»«P'flcoe. 


I8S2 


f.'.)o Li' 




21 425 


3 746 




1883 


IK."«^ 


19 ÖÖo 


55117 


5 188 




1884 


20S934 8 


28 903 


76 691 


5 909 




1885 


343094?, 


150 002 


89 727 


6 897 




ins»; 


6 47844 y 


244010 


112(109 


7 709 




1887 


7829387 


:Ö9 698 


127 783 


7 937 




1888 


8059699 


468 502 


143 186 


8 4 42 




1889 


7 1 12 090 


599 T.K 


158 233 


10 994 




1890 


5 181 681 


576 493 


HMi 75« 


9 747 




1891 


6750949 


687 488 


176 779 


8685 




1892 


7 123 7 Vi 


833674 


170 771 


7 377 


2 576 


1893 


8382765 


1 224 653 


181 758 


6 526 


II 408 


1894 


9981031 


1 681 280 


183 884 


5 251 


10007 


1895 


12 402 GM) 


2 200 524 


208 71« 


4 879 


14 000 


1896 


13 4.16918 


2 721 428 


212 184 


4 008 


17 504 


1897 


15619172 


3 :W9 7:» 


220 «70 


4 343 


19 494 


1898 


1 6 (CM »71 


3 025 331 


239 343 


4 018 


21 547 


1899 


19320148 


4 200 827 


242 654 


3 004 


40 363 


1900 


2087881« 


4 482 852 


232 275 


3878 


64 096 


1901 


21 935222 


4 7:C> 159 


233 (102 


3711 


95 903 


1902 


23 242 737 


5 093 198 


231» 540 


3 904 


122 2X> 


1 !«'.•( 


25244 646 


5 444 013 


254 85« 


3 883 


159 480 


1904 


27 249 559 


5 790 764 


271 81.3 


3 81KI 


194 434 


1905 


29914161 


6 3:R» 195 


:105 202 


4 099 


240 698 


1906 


32389 341 


6 956 995 


329 725 


4 130 


1 299 203 



länge 10980.5(1905: 16318.7) km und die Totaldrabllange 
273102.3 (1905 : 252235.5) km. also Vermehrung im JaFir 
1906 um 601.8 km Unienlängc und 20926.8 km Draht- 

204 - (iEOGB. lex. V - 16 



Digitized by Google 



Ml 



SCIIW 



SCIIW 



länge. Von der Gesamtlänge der Telephonlinien und -drähte i 
entfallen auf die Kabcia n lagen 752.1 km Liuienlarigc ■ 



UKBEMUCHT HKR TtLKI'IION ElNRICHTl NGEN NATU KaMONEN. 
i auf I. Januar I9U7. 



Klüt.,. 



Zürich . . . . 

Bern 

Luzern . . . . 

Uri 

Schwvz . . . . 
Obwalden . . ■ 
Nidwaiden . . . 

I.I II Iis . . . . 

Zug 

Freiburg . . . 
Solothurn . . . 
Hasel Stadt . . 
Itasei Land . . . 
SchaUliausen . ■ 
Appenzell A. R. . 
Appenzell I. R. . 
St. Gallen . . . 
Graubünden . . 
Aargau . . . . 
Tburgau . . . 
Tessin . . . . 
Waadt . . . . 
Wallis . . . . 
Neuenbürg . . . 
Genf 

Total 



»rt-ehifUn 

mit 
Telephon. 


2e ti tra 1 * 

«UtltiUOD 


( insc b .1 1 1- 
lUUua.'n. 


' ' ' " li'l- 

Btatluoco. 


ten. 


Kiu 
Abonnent 
;mf Kw 


Kl 


n 


99 


Sl 


10 119 


43 


864 


59 


80 


132 


7714 


76 


158 


23 


In 


10 


I lnV 


70 


22 

n 


6 


1 




118 


133 


12 


•i 


4 


455 


122 




3 


3 




121 


126 


16 


3 


I 


* 


91 


144 


:cs 


M 

| 


2 


Ii 


186 


76 


40 


3 


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3 


322 


78 


232 


9 


i\ 


114 


I0IÜ 


188 


IM 


s 


10 


58 


975 


103 


»5 


l 


1 


2 


4 171 


27 


7t 


7 


Ii 


38 


550 


125 


3« 


4 


6 


25 


727 


57 


31 


6 


8 


1 


«47 


85 


13 


1 

38 


S 




88 


157 


2117 


18 


40 


3888 


«4 


IM 


27 


7 


9 


1 418 


74 


229 


22 


17 


66 


neu 


107 


2.x; s 


15 


19 


48 


1 375 


82 


189 




•» 


18 


1 109 


125 


444 


38 


35 


211 


5 »Mi 


52 


98 


17 


11 


10 


514 


223 


Hl 


14 


10 


Iii 


2893 


44 


102 


1 


12 


in 


5480 


24 


4106 


384 


32« 


905«) 


53711 


61,73 

[ft CmiwI- 
lnHm|i 



>) Nicht inbegriffen 13 mit Talegra|ibenbureaox verbunden« Gaiiieiniie«tatiiincn. welch« 
ausschliesslich d«o TelegraminvorinittlunsTsdion'it bssurgwa. 



und 183216,7 km Drahtlange, und somit auf die o be r - 
irdischen Anlagen 16228.4 km Linienlängc und 
89945,6 km Draht länge. 

Ueber die Zahl der i n t e r u r b a n e n Netz Ver- 
bindungen am 31. Detember 1906 und die Vermeh- 
rung im Jahr 1906 gibt folgende Vcr^lcii-hiing Aufschluss: 

Vermeh- 

BcsLand 
auf Ende 

19ÖÖ 1605 
753 718 
48 36 



der Gesamtlänge der Ailern auf Knde 1906 von 183897.30 
km entfallen 680.59 km aur Telegraphen und Privatlei- 

lungen. 

Apparate. Die Zahl 
der auf Ende 1906 in Be- 
trieb »lebenden 60380 Tele- 
phnnabonnciitenslaiionen 
setzt sich zusammen aus 
58 274 Wand- und 2106 
Tischstaliouen. In den A- 
bonnentenstationen sind 
im Gebrauch: HO 508 gal- 
vanische Elemente für den 
Ittlnel. der Mikitiphone 
und 3449 solcher für den 
Betrieb von Zusat/glocken. 
Ende 1906 waren in Tele- 
phon-Zentral- und Um- 
schallstationen 1306 l"m- 
achalt - Apparate verschie- 
dener Kapazität in Betrieb. 
In den Zentral- und Um- 
schalLslationen standen fer- 
ner in Verwendung : 2806 
galvanische Elemente und 
lOAkkumulalorenzellen für 
den Betrieb der Mikro- 
phone, 692 galvanische Ele- 
mente für den Betrieb von 
Translatoren mit Relais. 
1079 galvanische Elemente 
für den Betrieb von 50 
l'olwechslern und 2665 gal- 
vanische Elemente für den 
Beirieb von Glocken und 
sichtbaren Signalen, sowie 
zu Versuchszwecken. Aus- 
ser den bereits genannten 
Polwech«lern sind in Zen- 
tral- undUmschallsutionen 
ftir die Lieferung des Auf- 
rufstromes im Gebrauch : 
957 Maguetindukloren 1951 für Handbetrieb und 6 für 
Motorbetrieb), 30 Transformatoren und 7 Umformer. Wei- 
tere 7 Umformer werden zum Laden der Akkumulatoren 
verwendet. I Gas-. 5 Waaser- und 10 Elektromotoren die- 
nen zum Anlrieb von Gleichstromdjnamos und Magnel- 
indukloren grossen Modells. 



Interne Verbindungen 
Internal. Verbindungen 

Total 

Iln- I ■•'s.imllan^e der 
düngen beträgt auf End« 
jenige de 



rung im 
Jahr 1906 



35 
12 



801 754 47. 
interurbanen Verbin - 
190» 21 175.4 km, die- 
entsprechenden Drähte 4224-4.2 km: 
davon entfallen auf die internationalen Lei- 
tungen, d. h. deren Teilstücke auf Schweizer- 
gebiet 923,5 bezw. 1840.9 km. Ebenfalls Ende 
RH*» verteilten sieh die interurbanen Verbin- 
dungen auf die Gesamtzahl der 384 Netze wie 
folgt : 126 Netze hatten je 1 interurbaue Ver- 
bindung, 104 deren je 2. 49 deren je 3, 25 deren 
je 4, 24 ileren je 5, 10 deren je 6, 6 deren je 7. 
6 deren je 8. 4 deren je 9, 4 deren je 10, 2 deren 
je 11, 1 deren 12, 6 deren ie 13. 4 deren je 14. 
1 (Krauen fehl) deren 15, 1 (LaChaux de Fonds, 
deren 18, 1 (Aarau) deren 2t, 2 (Genf und 
Neuenburg) deren je 22. I (Winterthur) deren 
23, 1 (Bieh deren 26. 1 (Lausanne) deren 86, 
1 (Basel) deren 42. I (Luzern) deren 43, I 
(St. Galleu i deren 45. I (Bern) deren 53 und I 
(Zürich! deren 92. 

Auf Ende 1906 bestanden 00380 Telephon- 
Stationen (gegenüber deren 56092 auf End 

Ferner bestanden auf Ende 1906 in 78 Netzen unter- 
irdische L i n i e n a n I a g e n grosseren Umfanges. Von 




1905 . 



Tclephontrntrale iu Gonf 

Der Bestand der Telep hu n b u r ea u x auf Ende 1906 
war folgender : Zentralstationen 1. Klasse 16, 2. Klasse 43. 
3. Kl. 325. rmschalutalinnen 326, zusammen 710 Bureaux. 



SCHW 



SCHW 



2-W 



Der telephonisch eVerkehr erzeigt für die Jahre 
19(6 um! 19ÖH folgende Zahlen : 

19t C» 1906 
29914161 82389341 



Inlerurbane interne Gespräche : 
I. 1-50 km 

II. fiber 50-100 km 

III. über 100 km 



Internationale Gespräche 
Ausgang 
Eingang 



4992 5I9 5 437328 
1071758 1191647 
274918 32803) 



t>:«9!95 oorxioor. 

115285 145714 
125413 153489 

329725 



305202 



30*8415 39979400' 



Phonogramme 
Vermittelte Telegramme 

Total aller Vermittlungen 

Im Verkehr mit dem Ausland ergaben sich in den Jah~- 
ren 1905 und 1906 folgende Geaprächszahlen : 
Nach 

und von Ausgang Eingang Total 

1906*" 1906 1906" I9Ü0 1905" ^7906 

Deutschland 64 755 82797 61 257 78019 126012 160816 

Frankreich 31568 38985 47179 54252 78747 93237 

Italien 14810 19198 12505 16140 27315 35338 

Oesterreich 4150 4 732 4 471 5078 8 621 «810 

Luxemburg 2 2 1 0 3 2 

Total 115285 1 45714 125413 15.3489 240698 299203. 

Die Klassifikation samtlicher Netze nach dem Tages- 
durchschnitt aller taiierlen Gespräche erzeigt 
6 Netze mit über 5000 taxierten Gesprächen per Tag, 2 
mit deren 2501-5000, 7 mit deren lOof-2500, » mit deren 
501-1000. 15 mit deren 251-500. 51 mit deren 101-250. 26 
mit deren 76-100. 37 mit deren 51-75. 83 mit deren 20-50 
und 148 mit deren 1-25. 
Der Gesamtertrag der lokalen und interurbanen Ge- 
(inbegriffen die internationalen) stellte sich im 



Jahr 1906 auf Fr. 4299134, derjenige der Telephon- 
abonnementsgebühren auf Fr. 3 327 87*, die iteilräge von 
Gemeinden und Privaten auf Fr. 16147. die Inventarver- 
mehrung auf Fr. 807 936 und verschiedene Einnahmen 
auf Fr. 356431. sodass das Total der Einnahmen der 
Telephonverwaltung im Jahr 1906 Fr. 8 807 525 beträgt. 
Davon konnte der Ceberschiiss von Fr. 3 101 9(0 über die 
Ausgaben zur Amortisation des Raukontos verwendet wer- 
den. Die durchschnittliche Abonnemenlsgebühr betrug 
pro 1905 Fr. 61,47 und pro 1906 Fr. 61.96. Die hinnähme 
für ein interurbanen Gespräch (der internationale Ver- 
kehr mitgerechnet) betrug im Durchschnitt pro 1905: 
37,28 Cts. und pro 1906 : 37,74 Cts. 

Die das Telephon wesen betreffende Literatur lindet 
sich zusammengestellt im Faszikel Poat- utui Telegraphrn- 
wesen der Biblu-graphie der tch uvizfriu-hen iMndeskunde 
(Bern 1896; mit Sachtrag, Bern 1906). - 

[Uerl. Mitteilungen dereidit. TsiJton*i-usMURRKTio!c ) 
V. Bf.ziehi ngfn uta Eine. Eisen baundq'ahtkmintks u 
pen Starkstrom tiKTERNEHMt NGEN. Mit dem 1. Februar 
1903 trat das Bundesgesetz betreffend die elek- 
trischenSchwach-undStarkstromanlagen, 
vom 24 Juni 1902. in Kraft, l'nter die Bestimmungen des- 
selben fallen alle Starkstromanisgen ; auf die Hausinstal- 
lationen, sowie auf die diesen gleichgehaltenen Einzelan- 
lagen auf Grund und Boden des Besitzers, bei denen ge- 
wisse Bedingungen erfüllt sind, linden jedoch diejenigen 
dieser Bestimmungen, welche sich auf Planvorlagen, Kon- 
trolle und Haftpflicht beziehen, keine oder nur beschrankte 
Anwendung. Ilausinstallationen im Sinne dieses 
Gesetzes sind solche elektrische Einrichtungen in Häusern, 
Nebengebäuden und anderen zugehörigen Bäumen, bei 
denen die vom Bundesrat hierfür als zulässig erklärten 
elektrischen Spannungen (250 Volt bei Zweileitersvstcm. 
2x250 Volt bei Mehrleiter- oder Mehrphasensystemen) 
zur Verwendung kommen. Die Bedingungen, unter denen 
Einzelanlagen auf Grund und Boden des Besitzers den 
Ilausinstallationen gleichgehalten werden, sind, dass die 
für letztere zulässige Maximalspannung nicht überschritten 
werde und dass nicht zufolge der Nähe anderer elektri- 



scher Anlagen Betriebsstörungen oder Gefahrdungen ver- 
anlasst werden können. 

Das Gesetz bestimmt mit Bezug auf die Starkstroman- 
lagen, dass die Erstellung und der Betrieb aller 
dieser Anlagen in oben angedeutetem, hinsichtlich der 
Ilausinstallationen und den ihnen gleichgestellten Einzel- 
anlagen beschränktem. Masse der Oberaufsicht des Bundes 
unterstellt ist und dass dafür die vom Bundesrat erlas- 
senen Vorschriften massgebend sind. 

Vorschriften über die Erstellung und Instandhaltung 
der elektrischen Anlagen, sowie über die Massnahmen, 
die bei der Parallelfuhrung und Kreuzung elektrischer 
Leitungen unter sich und hei der Paraitelführung und 
der Kreuzung elektrischer Leitungen mit Eisenbahnen 
zu treffen sind, ferner über die Erstellung und Instand- 
haltung elektrischer Bahnen wurden vom Bundesrat schon 
am 7. Juli 1899 herausgegeben als Bundes ratsbe- 
schlusB betreffend allgemeine Vorschriften 
über elektrische Anlagen. Sie traten auf 1. August 
gleichen Jahres in Kraft. Der Schweizerische elektrotech- 
nische Verein, der die Starkstromtechnik und -Industrie 
der Schweiz repräsentiert, hatte damals daraufgedrungen, 
dass diese Vorschriften beförderlichst ausgearbeitet und 
in Kraft erklärt würden, um den damaligen unbestimmten, 
für die Starkatromunternehmungen höchst nachteiligen 
Zuständen und Verhältnissen hinsichtlich der Massnahmen 
bei Kreuzungen von Starkstromleitungen n 
Stromleitungen und mit Eisenbahnen ein Ende zu i 
Die Vorschriften sind das Ergebnis der Beratungen i 
grossen Expertenkommission, in die vom Bundesrat Ver- 
treter aller interessierten Kreise berufen worden waren. 
Die Vollziehung dieses Bundesratsbeschlusses ist dem 
Post- und Eisenbahndepartemenl übertragen. 

Zur Ausübung der Oberaufsicht über die elek- 
trischen Starkstromleitungen bedient sich der Bundesrat, 
bezw. das Post- und Eisenbahndepartenment folgender 
Organe : 

f. Der eidgenössischen Kommission für elek- 
trische Anlagen, die ausstellen, vom Bundesrat auf 
die ordentliche Amisdauer von drei Jahren gewählten 
Mitgliedern besteht In derselben isldieelekli ischeWismm- 
schaft, sowie die Schwach- und Starkstromtechi 



treten. Diese Kommission begutachtet alle 
heiten technischer und wissenschaftlicher Natur, die 
Bundesrat auf Grund des Bundesgesetzes über die elek- 
trischen Anlagen zu entscheiden hat ; insbesondere die 
Vorschriften betr. die Erstellung und die Instandhaltung 
elektrischer Anlagen und betr. die l'lanvorlagen für elek- 
trische Starkstromanlagen, ferner Bussenanträge der Kon- 
trollstellen gegen renitente Starkstromunternehmungen, 
Rekurse von Starkstromunternehmungen gegen Verfü- 
gungen der Kontrollstellen, Expropriationsbegehren u.s.w. 

2. Der Kontrollstellen. Als solche amten a) für die 
Kreuzungen der Starkstromleitungen (welche nicht zu 
einer elektrischen Eisenbahn gehören) mit Schwach- 
stromleitungen die schweizerische Telegraphendi- 
rektion; b) für die elektrischen Eisenbahnen mit In- 
begriffder Bahnkreuzungen durch elektrische Starkstrom- 
leitungen und der Längsführung solcher neben Eisen- 
bahnen, sowie für Kreuzungen elektrischer Bahnen durch 
Schwachstromleitungen, die maachinentechnische 
Sektion des Eisenbahndepartementes; c) für die 
übrigen Starkstromanlagen, mit Inbegriff der elektrischen 
Maschinen. dasStarkst rominspek torat des Schwei- 
zerischen elektrotechnischen Vereins. Es ist die- 
ses letztere also nicht eine staatliche Amtsstelle, sondern 
ein von einem Verein geschaffenes« Kontrollinstitut, daa 
ursprunglich zum Zwecke «Irr periodischen Inspektion 
der Anlagen ch t Vnviusmilglieder gegründet worden war. 
Diesem Insp. ktorate sind jedoch, in Anerkennung seiner 
ernsthaften Tendenzen und Leistungen, vom Bundesrat 
die Funktionen und Befugnisse eines amtlichen Organe« 
übertragen worden. 

Die Tätigkeit der Kontrollstellen erstreckt sich 
auf folgende Funktionen : 

Wer elektrische Starkstromanlagen, Maschinen- oder 
Transformatorenstationen für elektrische Bahnen oder 
andere Anlagen (Hauainstallationeh und die diesen gleich- 
gestellten Einzelanlagen ausgenommen) zu erstellen, um- 
zuhauen oder zu erweitem beabsichtigt, hat vor Beginn 



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244 SCHW 

der Bauarbeiten der betreffenden Kontrollstelle Zeich- 
nungen und Pläne mit allen denjenigen Angaben, die zur 
Beurteilung hinsichtlich der Erfüllung der Ausführungs- 
und Betriebsvorschriften notwendig sind, einzureichen. 
Die Kontrollstellen prüfen diese Vorlagen, wo notig unter 
Zuhilfenahme eines Augenscheines. Sie ordnen Aende- 
rungen an den Projekten an. wenn dies notwendig er- 
scheint, um die Anlagen mit den Vorschriften in Ueber- 
einslimmung zu bringen, und stellen der Unternehmung 
je ein Planexeroplar. mit Genehmigungsvermerk versehen 
und von allfaJIigen Vorbehalten begleitet, wieder zu. 

Für die Ausfuhrung dieser Planvorlagen, sowie deren 
Prüfung und Erledigung, hat der Bundesrat am 13. No- 
vember 1903 eine besondere Verordnung, die Vor sehr i f- 
ten betr. Planvorlagen für elektrische Stark- 
stromanlagen, erlassen, die am 1. Dezember 1903 in 
Kraft getreten ist. 

Sobald neue, umgebaute oder erweiterte Anlagen Fertig 
erstellt sind, ist. bevor sie in Betrieb genommen werden, 
der betreffenden Kontrollstelle Anzeige zu machen. Diese 
ordnet eine Inspektion an und macht dem Bauherrn 
gegebenenfalls diejenigen Aenderungen und Ergänzungen 
namhaft, die zur Erfüllung der Vorschriften, unter Um- 
ständen vor Inbetriebsetzung der Anlage, noch anzu- 
bringen sind. 

Wiederholte lnspektionen einer neuen Anlage nimmt 
das Starkstrominspektorat in der Begel nur dann vor. 
wenn die ersten Inspektionen zu Aussetzungen Anlass ge- 
geben haben. Eine regelmässige periodische Kontrolle 
aller Starkstroroanlagen, die unter das Gesetz fallen, fin- 
det nicht statt. Dagegen revidiert das Starkstrominspek- 
torat auch ältere Anlagen, die vor Inkrafttreten des 
Bundesgesetzes über elektrische Anlaren erstellt worden 
sind, um zu erwirken, dass sie den Anforderungen hin- 
sichtlich der öffentlichen Sicherheit und der Sicherheit 
des Betriebspersonales. d. h. den Vorschriften entspre- 
chend umgeändert und ergänzt werden. 

Zu den Obliegenheiten des Starkslrominspeklorales ge- 
hört auch die Behandlung von Expropriationsbc- 
gehren. SUrkstromunternehmungen, denen es nicht 
gelingt, auf gütlichem Wege das Durchgangsrecht und 
das Becht für die Aufstellung der Tragwerke für die Lei- 
tungen, oder den Platz fur Transformatorenstationen zu 
erwerben, kann der Bundesrai das Expropriationsrecht 
gegenüber den beireffenden Grundeigentümern erteilen. 
Expropriationsbegehren sind beim Starkstrominspektorat 
zu Händen des Bundesrates einzureichen. Nachdem die 
Einsprachen gegen ein Kxproprialionsbegehren beim 
Bundesrat eingegangen sinn, hat in erster Linie das 
Starkstrominspektorat, auf Grund eines Augenscheines, 
dem Eisenbahndepartement ein technisches Gutachten 
über die Berechtigung des Begehrens, bezw. der Einspra- 
chen auszufertigen. 

In der Zeit vom 1. Juli 1906 bis 30. Juni 1906 hat das 
Starkstrominspeklorat 400 Inspektionen, unabhängig von 
der Behandlung von Planvorlagen und von Expropriations- 
begehren, ausgeführt, 840 Planvorlagen behandelt und 
'22 Exnropriationsbegehren begutachtet. 

Gegenwärtig unterstehen der Kontrolle des Starkstrom- 
inspektorates die Anlagen von im gesamten rund 700 
Unternehmungen. Hievonsind etwa 240 Elektrizitätswerke, 
die Strom an Abonnenten abgeben und denselben selbst 
erzeugen, fiO solche Elektrizitätswerke, die den Strom zum 
Teil selbst erzeugen, zum Teil von einem andern Werke 
beziehen, etwa 360 Elektrizitätswerke, die den Slrom aus- 
schliesslich von einem anderen Werke beziehen, etwa 60 
Privatanlagen, die den Strom selbst (ausschliesslich für 
den Besitzer) erzeugen, und etwa 90 Privatanlagen, für 
die der Slrom von einem Elektrizitätswerk bezogen wird. 
Die gesamte Linienlänge der der Kontrolle des Stark- 
slrominspeklorales unterstellten, oberirdischen Fern- 
leitungen, ausschliesslich der Verteilungsleilungen in 
den Ortschaften, betrügt rund 5000 km. die gesamte 
Leistungsfähigkeit aller stromerzeugenden Werke rund 
195000 KW. 

Wenn der ßetriebsinhaber einer elektrischen Stark- 
stromanlage tlie Weisungen einer Kontrollstelle missach- 
tet, *<> ist es Sache der letzlern, dem Eisenbahndcparte- 
menl zu Händen des Bundesrates Bericht zu erstalten. 
Dieser büssl gegebenenfalls den Belriebsiubaber gemäss 



SCHW 

I den Bestimmungen des Bundesgesetze« über elektrische 
' Anlagen, nach Anhörung der eidg. Kommission fur elek- 
trische Anlagen. 

Im Gesetz über elektrische Anlageu ist vorgesorgt, da*» 
die SUrkstromunternehmungen nicht der Willkür der 
Kontrollstellen preisgegeben Bind ; es kann gegen die 
Weisungen der letzteren an das Eisenbahndepartement. 
bezw. an den Bundesrat rekurriert werden. 

Die Vorschriften über elektrische Anlagen, vom 7. Juli 
1899. die noch in Kraft bestehen, belinden sich zur Zeit 
in Umarbeitung. 

Für das Gesetz über elektrische Anlagen dürfte hingegen 
eine Umarbeitung von Belang in «de* nächsten Jahren 
kaum zu gewärtigen sein, so dass also auch in den Bezie- 
hungen zwischen Eisenbahndepartement und elektrischen 
SUrkstromunternehmungen eine wesentliche Aenderung 
in nächster Zeit nicht eintreten wird. [0. v a t«slai» ) 

V///.* Verkehrswege. 1." ALLGEMEINE Cetrachti n<;in. 
Die kleine Völkergesellschaft, die da im Herzen von Mitteleu- 
ropa, um das Hauptmassiv der Alpen geschart, wieein Dorf- 
lein um seine Kirche, von der Geschichte zu der heutigen 
Schweiz zusammengeschmiedet worden ist, könnte viel- 
leicht aur den ersten Blick für den Weltverkehr verloren 
erscheinen. Vom Weltmeer nach allen Seiten durch die 
umgebenden Grossstaaten getrennt, von diesen selbst nach 
drei Seilen i Westen, Süden und Osten) durch unwegsame 
Gebirge abgeschnitten, und nur nach dem deutschen Nor- 
den zu teilweise ollen, sollte sie nach dem gewöhn- 
lichen Lauf der Dinge das Schicksal anderer Hochgebirgs- 
binnenländer teilen. In weltverlorener Beschaulichkeit 
und Bückständigkeit würde sie etwa das idyllische D.se.n 
eines Sennen- und Bauernvolkes führen, zu dem die star- 
ken Niederschläge der nördlichen Abdachung der Alpen 
das Land zu bestimmen scheinen, gleich seinen östlichen 
und südlichen Nachbargebieten in Oberbaiern und den 
österreichischen Alpenländern einerseits, in Savoven an- 
dererseits. Dass dem nicht so ist. sondern die Schweiz 
vielmehr in ihrem internen und im internationalen Ver- 
kehr eine hohe, ja geradezu eine der ersten Stellen ein- 
nimmt, dafür sind drei ganz verschiedene Ursachen 
massgebend geworden. In erster Linie ist es die bedeu- 
tende industi lelle Knt wicklung des Landes seit 3V, Jahr- 
hunderten und hauptsächlich in den letzten 100 Jahren. 
Die Handelsumsätze der Schweiz und damit zugleich die 
Intensität ihres Verkehrs im Innern und nach aussen 
werden dadurch zu besonderem Umfang erhoben, und 
diese kraftvolle Entwicklung trägt in sich selbst den 
Lebenskeira zu immer regerer Entfaltung aller produk- 
tiven Kräfte. Darauf werden wir in den nachfolgenden 
Kapiteln über «Industrie* und ■ Handel» der Schweiz 
noch des nahern einzutreten Italien. 

In zweiter Linie ist, namentlich seit dem Verkehrs- 
aufschwung und der Erleichterung des Heisens durch 
Eisenbahnen und DampNchilfe. der Fremdenslrom. der 
in der reinen Hochgelnr^i-!ufl Erholung und erhebenden 
Naturgenuas sucht, gewaltig angewachsen. 

Und als drittes kommt dazu die fortschreitende Ueber- 
windung der natürlichen Verkehrshemmnisse durch die 
Alpen- und Juradutvhstiche des letzten Menschenalters, 
die uns hier naher beschäftigen sollen. 

2. Strassen I Nu Eisenhahnen. a) A llgemeine*. Die na- 
türliche Hauptverkehrsader der Schweiz war von jeher und 
ist bis zum Bau des Gotthanltunnels geblieben die Rich- 
tung vom Bodensee zum Genfersee, also die Diagonale über 
die ganze l.angserstreckung des zwischen Alpen und Jura 
eingebetteten <cli« ei/eriM-hen Millellandes. 

Die Ausgestaltung des Transportwesens auf dieser brei- 
ten Miticllandsdiaüonule bot von jeher keine ausser- 
gewidm liehen Schwierigkeiten, sodass wir hier mit dieser 
kurzen Erwähnung darüber hinweggehen dürfen. 

Die Hauiprobleme des schweizerischen Verkehrswesens, 
des Strassen- wie des Eisenbahnbaue«, liegen nicht auf 
diesem Gebiete, sondern in der Verk ehrsrich tu ng 
von Norden nach Süden, welche ihre Existenz, und 
ihre Bedeutung je und je den natürlichen Verkehrshemm- 
nissen abtrotzen musste. Denn im Gegensatz zu der natür- 
lichen Hauplrichlung des schweizerischen Verkehrs von 
Nordost nach Sudwest ist die Vertikale von Nord nach 
Süd durch den doppelten W all der Alpen und des Jura 
verriegelt. Der Kampf mit diesen natürlichen Hemm- 



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SCHVV 



SCIIW 



nissen und ihre l'eberwindung durch die Verkehretechnik 
bildet den Hauptgegenstand der Verkehregeschichte der 
Schweis zu allen Zeiten, her Dun hl,., hrung des Gebirges 
für den Eisenhahnbau weit voran geht natürlich die viel 
leiehtere und weniger kostspielige Ueberachreitung des- 
selben durch Saumpfad und Fahret raase. Geographiitch 
betrachtet sind aber die Förderungen und Hemmnisse 
Tür alle Arten von Verkehrewegen so ziemlich dieselben. 

6) Jura. Auf» schärfste ausgeprägt erscheint diese Ver- 
riegelung des Verkehre bei dem an sich niedrigeren 
Walle des Jura, zumal in dessen steil aufgerichteten 
südöstlichen Fallen, die den grosseren Teil des schweize- 
rischen .Mittellandes umschließen. 

Nach aussen, d.h. nach dem franzosischen Westen und 
dem deutschen Norden hin verlauft nicht nur die Abdach- 
ung des Gebirges viel sanfter als nach der Innerachweiz 
zu, sondern sie weist auf dieser Seile zugleich verschie- 
dene tief bis zum Ilaupikamm des Gebirges vordringende 
Thaleinschnitte auf, die den Verkehr zum Angriff förmlich 
einzuladen scheinen. So ganz besondere vom Norden und 
Nordwesten her die beiden auf Hasel ausmündenden Jura- 
thäler der Hira und der Krgolz nebst dem Frickthal, denen 
heule die drei Itahnlinien und Durchbruche der Pierre 
Perluis, des untern Hauenstein und de* Bötzberg ent- 
sprechen. Daneben ist gleichfalls von Nordwest nach 
Sudost die natüt liehe Flusslinie von Belang, die dem 
Rhein entlang bis Koblenz zieht und von da dem Durch- 
bruch der Aare und der Limmat folgt. 

Nach dem franzosischen Westen hin ist der 360-420 km 
breite Querriegel des Jura heute an 6 Stellen, teils durch 
Tunnclbauten, teilsdurch natürliche Durchbruche (Hhone) 
oder durch Ucberschienung des Gebirgskammes uber- 
wunden : 1) durch die Hhonelinie Genf-Lyon ; 2)-tt) durch 
die Bahnlinien Pontarlier-Vallorbe und Pontarlier-Neu- 
chütel, Morteau-Locle. sowie l'runtrut Glovelier einerseits 
durch die Pierre Pertuis nach Kiel und andererseits direk- 
ter durch den Weissenslein nach Solothurn und Bern. 

Praktisch sind von diesen acht Juralucken am wichtig- 
sten der Hauenstein und der Bötzberg, welche die im 
Weltverkehr Mitteleuropas massgebendaten Nordseehäfen 
und das hochindustrielfe Bheingebiet mit dem schweize- 
rischen Mitlellande verbinden, sowie die Hhonelinie von 
Marseille und Lyon nach Genf. 

e) Alpen. Das weitaus grossere, scheinbar absolute 
Hemmnis jedes Verkehre ist aber doch nicht die Jura- 
wand im Westen und Norden der Schweiz, sondern viel- 
mehr der weit höhere und mächtigere Wall der Alpen, 
der in der ganzen Breite des Landes den Verkehr von 
Norden nach Süden zu verbieten scheint. 

Auf welche Weise Menschenkunst und -witz diesem 
natürlichen Hauplhemmnis des mitteleuropäischen Ver- 
kehrs beizukommen versucht und es im Laufe der Jahr- 
hunderte immer erfolgreicher überwunden haben oder in 
nächster Zeit zu überw inden gedenken, ist der Hauptgegen- 
stand der \ot -liegenden Betrachtung. 

Noch weit mehr als beim Jura erscheint allerdings hier 
von vornherein die Tragweile der Hemmnisse, relativ 
wenigstens, gemildert durch die zahlreichen langgeatreck- 
Thaleinschnitte der nördlichen, sowie an 4 Punkten 
der südlichen Abdachung der Alpen, die in der 
verschiedenen Stellen, so am Grossen St. Bern- 
St. Gotthard, am Lukmanier, am Bernhardin. 
gen, am Septimer, am Julier vorzugliche Angriffs- 
für die Ueberwindung des Gebirges darbieten, 
treten aber auch sofort wieder grosse Schwierig- 
keiten entgegen. Es sind dies 1) lief eingefressene und 
«leshalb von Natur unnahbare Strecken in den nörd- 
lichen Alpenlhälern, welche den Verkehr durch dieselben 
jahrhundertelang abgeschreckt und ferngehalten haben 
i iscliollenen. Bofna-Viamala, Simplon). Sodann 2) der steile 
Absturz des Südabhanges der Alpen grgen Italien zu, vor 
allem aber 3| die longitudinale Zweiteilung des schwei- 
zerischen Alpenwalls durch den tiefen Einschnitt der 
beiden langgestreckten westöstlichen Längsthäler der 
Hhone und des ßhein. In der Tat gibt es vom Genfersee 
bis nach Chur nur eine Stelle, an der die Alpen im ersten 
Anlauf mit einem einzigen Uebergang überwunden werden 
können, nämlich die auf die vier Hai 




rienti 



ie auf die vier Hauptrichtungen der 
rte Wasserscheide des Hhein. desTessin. 
Reuss: das Gotthardmassiv, Ueberall 



ist de 

der Walliser und der Bündner Alpen in ihrer ganzen Aus- 
dehnung vom Moni Blanc bis zum Ortler die womöglich 
noch unwegsamere Nordkette der Berner- und der Glarner- 
alpen von der Dent de Jaman bis zum Calanda vorge- 
lagert. Dem Reisenden oder Frachtführer, der nicht den 
Gotthard benutzen wollte oder konnte, blieb und bleibt 
auch noch bis zur Stunde kaum etwas anderes übrig, als 
die seitliche Umgehung dieser ganzen nordlichen Gebirgs- 
mauer: der Berneraipen westlich beim Austritt der Rhone 
und des Genfereees aus den umschlieasenden Gebirgen, 
der Glarneralpen östlich durch das Bündner Bheinthal. 
Einzig dadurch ist es möglich, eine zweimalige l'eber- 
windung des Gebirges zu vermeiden und die Schwierig- 
keiten der Gebirgspassage auf eine einzige Steigung und 
Senkung zu beschranken. 

Derart waren denn auch die Verhallnisse faktisch das 
ganze frühere Mittelalter hindurch bis zum 13. Jahrhun- 
dert. Der einzige einfache Uebergang im Zentrum des 
ganzen Gebirgssystems, der Gotthard, ist merkwürdiger- 
weise von allen Schweizer Passen am spätesten entdeckt 
worden und in Aufnahme gekommen. Die Gründe dalür 
erhellen aus einem Blick auf die Karte: Das Brennothal 
hat durch seine scharf nördliche Bichtung den Verkehr 
von Süden her angezogen und monopolisiert. Solange 
die Kultur aus dem Süden kam. ist sie uns deshalb 
über den Lukmanier bezw. den Septimer vermittelt wor- 
den. Auch das sardinische Alpenbahnprojekt der 1840er 
Jahre hatte den Lukmanier zum Gegenstand, wobei 
allerdings I) die östliche Richtung des Bündner Rhein- 
thales von Turin und Genua aus und 2! die starken Inte- 
ressen Graubundens an der massgebenden zentralen Aljien- 
bahn nicht übersehen werden dürfen. Durch den Bau 
des Gotthard ist diese Frage dann freilich anders ge- 
löst und damit die Lukmanierfrage überhaupt vorläulig 
bei Seite gesetzt worden. Bis zur Entdeckung des Gott- 
hard passes aber waren der Grosse St. Bernhard im Westen 
der bevorzugte rheinische und der Septimer im Osten 
der gebräuchlichste schwäbische Alpenübergang von 
und nach Italien gewesen. Etwa seit der Wende des 
Jahrlausends treten neben dem Septimer die bequemeren 
Tirolerpasse, vor allem der Brenner, sodann auch die 
Reschenscheideck starker in den Vordergrund. Die kür- 
zeste und einfachste Linie zwischen Mailand und dem 
Hhein wird aber erst zu Anfang des 13. Jahrhunderts im 
Gotthard erkannt und dann allerdings mit rasch wach- 
sendem Erfolg erschlossen. Diese zentralste Verbindung 
der deutschen und der welschen Kulturwell ist seitdem 
durch alle Jahrhunderte hindurch zum bevorzugtesten 
Alpenübergang überhaupt und ganz besondere /.um spe- 
zitisch eidgenossischen Passe geworden. Wie er mit der 
Eidgenossenschaft zugleich seinen Ursprung genommen, 
so erfreute er sich durch alle Jahrhunderte hindurch in 
besonderem Masse der Aufmerksamkeit der Tagsatzung, 
um so mehr, als die Lande jenseits der Alpen, die sog. 
enneljiirgischen Vogteien, unter gemeineidgenössischer 
Verwaltung standen und dis Abgeordnelen Jahr für Jahr 
nicht umhin konnten, auf ihrem Ritt den Gotthard aus 
eigener Anschauung kennen zu lernen. 

Nächst dem Bau der alten Teufelsbrücke und der Um- 
gürtung des Kilchbergs durch eine hölzerne Galerie, die 
« stiebende Brücke ». sind die Meliorationen Uris und der 
Eidgenossenschaft an den grossen Thalstufen desl.ivinen- 
thals, am lrniser Stahlen und bei Dazio Grande am Pla- 
tifer (Monte Piotlino), im 1H. Jahrhundert hervorzuheben. 
Das • Urner Loch ■ wurde erst im Jahr 1707 durch den 
Kilchberg gesprengt, und erst 1820-1830 ist der Gotthard 
fahrbar gemacht worden. 

Die Erschliessung des Gotthardpasses hatte für das 
Verkehrswesen der Schweiz die weitere Folge der Not- 
wendigkeit seiner Fortsetzung quer durchs Mittelland und 
den Jura direkt ins Herz der westdeutschen Kulturwelt 
nach der oberrheinischen Tiefebene. Der neue Jurapass 
des 13. Jahrhunderts, der dem Gotthard sein Aufkommen 
verdankt, ist der Untere Hauenstein mit dem dazu ge- 
hörigen Aarübergang bei Ollen. Der leichter zu begehende 
Obere liauenslein, die uralte romische und mittelalter- 
liche llauplstrasse vom Hhein zum Grossen St. Bernhard, 
ist allerdings bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gleichfalls 



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246 SCHW 

chweizerischen Nordwestens und als die Hauptverbindung 
der Landschaften am Rhein mit dem Bernbiet und der 
gesamten Westschweiz. Bei der Anlage des schweize- 
rischen Eisenbahnnetzes in den 1850er Jahren ist er dann 
aber durch »einen jüngeren Bruder bis auf weiteres ganz 
in den Hintergrund gedrängt worden. 

Gegen das Auftreten des Gotthardverkehrs haben sich 
die bisherigen Iteaü poMidenles. die Bischöre von Chur 
und von Sitten, gegen Ende des 13. Jahrhunderts vergeb- 
lich gewehrt. Ersterer versuchte den oberitalisrhen Ver- 
kehr mit Schwaben und dem Rheinland durch Zollbe- 
gunMigung der Zürcher und I.uzerner Kaufleute am Sep- 
timer festzuhalten. Der Bischof von Sitten wollte gleich- 
zeitig die oberitalischen Transporte nach dem Rhein und 
nach Frankreich über den Simplon leiten und so den Ver- 
kehr, den der Gotthard notwendig dem St. Bernhard ent- 
zog, seinen Ländern erhalten. Das war aber ohne dauern- 
den Erfolg. Ks scheint vielmehr, als sei der Simplon, da 
er nicht südnördliche Richtung hat. rasch von seinem 
Zwillingsbruder, dem Gotthard, totgemacht worden. 

Splügen, Maloja und Julier lagen im Mittelalter 
brach. Die beiden letzlern hat erat das 19. Jahrhundert 
wieder zu Ehren gezogen. Dagegen erfreute sich der Splü- 
gen schon seit mehreren Jahrhunderten der sorgsamsten 
Pflege seitens der österreichischen Verwaltung 5er Lom- 
bardei. Seine Sperrung durch die Spanier im 17. Jahr- 
hundert durch den Bau der Festung ruenles kam neben 
dem Gotthard hauptsächlich dem Berohardin zu gut, 
der zwar, gleich dem Lukmanier, schon langst zuvor be- 
kannt und begangen, aber bis dahin durch Septimer und 
Splügen in den Schatten gestellt war. Doch bildete das 
nur eine kurze Episode, die der Vorherrschaft des Splügen 
in Bünden und des Gotthard im Zentrum rasch wieder 
weichen musste. Die steigende Bevorzugung fies Splügen 
vom 16. bis zum 18. Jahrhundert ist orographifcch offen- 
bar wohl begründet. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass 
von allen Umgeh ungsp,issen. neben dem Grossen St. Bern- 
hard im Westen, der Splügen im Osten die rein nord- 
südliche Richtung am konsequentesten einhält. Er weist 
eigentlich nur eine kleine Abweichung von dieser Rich- 
tung auf, indem er sich von Chur bis Reichenau westwärts 
wendet. Im übrigen kann man sich kaum einen gerader 
gerichteten Alpenübergang zwischen Mailand und der da- 
mals in Süddeutschland massgebenden schwäbisch-frän- 
kischen Wirtschaftszone mit Augsburg und Nürnberg als 
Hauptstädten denken, als gerade den Splügen. Anderseits 
muss aber doch auch gesagt werden, dass Oesterreich 
damals durch künstliche Zwangsmassregeln den Verkehr 
auf dieselbe Art dem Splügen zuzuleiten suchte, wie dies 
heute wahrscheinlich auch Italien tun wurde, falls die 
Splügenbahn zustande kommt. 

Bei allen diesen Passübergängen haben wir aber noch 
nicht an kunstgerechte, makadamisierte Strassen im heu- 
tigen Sinne zu denken. Der moderne Strassenbau 
beginnt in der Schweiz Abeihaupt erst gegen die Mitte des 
18. Jahrhunderts. Allen voran ging Bern, dessen altes 
Patrizierregiment in den stolzen Strassenzügen der Um- 
gebung der Hauptstadt und im Kanton durch die Zürcher- 
slrasse von Bern nach Murgenthal seiner Grossmacht- 
politik dauernde Denkmäler gesetzt hat. Das Beispiel 
Berns fand im ganzen Lande Nachahmung. Aber weitaus 
die meisten heutigen Landstrassen verdanken ihre Ent- 
stehung erst dem 19. Jahrhundert. Besonders die sämt- 
lichen schweizerischen Alpenpänae haben wir uns bis zum 
Reginn des 19. Jahrhunderts lediglich als Saumpfade zu 
denken, die ganz wie im Mittelalter nur mit 150 Kilo- 
gramm Last pro Tier begangen wurden. Die grosse Um- 
wälzung im strassenbau der Alpen verdankt die Schweiz 
erst der Franzosenzeit. Nach dem Vorgang des Mont Cenis 
(1754) wurde von Napoleon in den Jahren 1800 bis 1805 
durch den Bau der Simplonatrasse die direkteste Verbin- 
dung von Paris und Mittelfrankreich nach der Lombardei 
hergestellt. Es int dies für geraume Zeit dieein/igesehwei- 
zerische Alpenstrasse geblieben. Ihr sind in den 1820er 
Jahren die Hauptrouten — Gotthard, Bernhardin, Splügen, 
Julier und Maloja — gefolgt, während die übrigen Linien 
— Albula, Flüela, ßemina. Oberalp. Ofeniuss, Lukmanier, 
Ijmdwasser. Furka, Brünig, Axenstrasse — erst in den 
60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts vollendet 
wurden. Eine letzte Grup|>e von mehr nur interner, zum 



SCHW 

Teil militärischer Bedeutung verleilt sich auf die jüngsten 
Jahrzehnte. Es sind die Strassen Bulle-Bolligen in den 
70er Jahren, Merligen-Interlaken in den 80er Jahren, die 
Schallenbergstrasse vom Thunereee zum Entlebuch, die 
Grimsel. der Klausen und der Umhrail in den 90er Jah- 
ren des 19. Jahrhunderts, denen mit der Zeit auch der 
Pragel und in Bälde die Samnaunstrasae folgen werden. 

Nicht minder reichlich hat sich im Laufe des 19. Jahr- 
hunderts, den geringeren Schwierigkeiten des Geländes 
entsprechend, der Bau guter Strassen im Thal- und 
Hügelland ausgedehnt. Doch ist es gerade der günstigeren 
Boden gestallung wegen an dieser Stelle unnötig, näher 
darauf einzugehen. Desgleichen bedarf es keiner weitern 
Ausführung, dass seit dem Ausbau des reichverzweigten 
schweizerischen Eisenbahnnetzes mindestens die relative 
Bedeutung vieler Strassen zurücktritt. 

Der Personen- wie der Gütertransport wird heutzutage, 
soweit irgend tunlioh. durch die Eisenbahnen besorgt. 
Dabei ist jedoch zu beachten, da«- die mächtige Ausge- 
staltung des modernen Transportwesens den Güteraus- 
tausch ( norm gesteigert hat. sodass der Ausfall derSlrassen 
am großen Güterverkehr durch den Nahverkehr mit den 
Hahnstationen vielfach mehr als aufgewogen wird. Der 
Personentransport aber hat sich aus derselben Ursache 
weit über das früher gewohnte Mas* ausgedehnt, sodass 
die Erstellung»- und Unterhaltungskosten selbst der 
grossen Alpenstrassen, mit Ausnahme natürlich der durch 
die neuen Bahnbaulen kalt gestellten Pässe (Gotthard, 
Albula, Simplon), sowie des mindest frequentierten 
Bernhardin, durchaus nicht als unwirtschaftliche Aus- 
lagen anzusehen sind. 

Die heutige Etappe in der Entwicklung des Trans- 
portwesens, d. h. die Ablösung und Ersetzung der Haupt- 
verkehrsstraßen der Schweiz durch die Eisenbahnen 
geht nur etwa 50 Jahre zurück. Einzig der Anschluss 
Itaseis an das französische Bahnnetz nach Strasbourg 
und Paris, sowie die kurze Probeatrecke Zürich-Baden 
sind 10 Jahre älter. Es ist auch da kein Zufall, da«s 
diese älteste innerschweizerische Bahnstrecke, Zürich- 
Baden, der grossen Mittellandsdiagonale angehört. Der 
Ausbau und die Zukunft dieser ganzen Linie vom Boden- 
see bis zum Genfersee war der natürlichen Bodengestal- 
tung nach gegeben und von vornherein gesichert. Hier 
in der breiten Mittellandsdiagonale des schweizerischen 
Flach- und Hügellandes traten dem Eisenbahnbau am 
wenigsten natürliche Hindernisse entgegen. Aber es fehlte 
dabei die wesentlichste Bedingung für einen wirklich 
fruchtbringenden Bahnbetrieb, der Anschluss an das im 
Entstehen begriffene mitteleuropäische Bahnnetz und den 
mitteleuropäischen Verkehr, dessen Hauptrichtung nicht 
mit der natürlichen Verkehrsrichtung der Schweiz vom 
Bodensee zum Genfersee zusammenfallt, sondern vielmehr 
von Norden nach Süden geht und zwar jetzt wesentlich 
vom Rhein zur Hauptstadt Oberitaliens. Mailand, und nach 
den tiefeingeschniltenen Mittelmeerhäfen Venedig. Genua, 
Marseille. Der Punkt, auf den die Eisenbahnstränge von 
Deutschland und Frankreich her schon um die Mitte der 
IKlOvr Jahre ausmündeten und auf dem daher jener Ao- 
schluss allein gesucht werden konnte, war Basel. 

Bei dem primitiven Zustand der Tunneltechnik in 
jenem frühen Stadium des Eisenbahnbaue» und bei der 
finanziellen Zurückhaltung gegenüber dem Bahnbau im 
Gebirge konnte es sich damals nur entweder um einen 
einzigen lut jduichstii h oder um dessen vollige Vermei- 
dung mittels der Tnalütiie Basel- Waldshut-Turgi handeln. 
Die Losung wurde gesucht im Haoensteintunnel, der den 
Schienenstrang in < Ilten rnöcUele-t senkrecht und direkt 
auf die Aarelmie Hiel-Kru^ ti-elfen liess. Dieser erste 
sch« ei/eriüdie tiehirkMlurclistich war schon um die Mitte 
der 40er Jahre de» 19. Jahrhunderts klar projektiert und 
wurde, nachdem die Hoffnungen auf den Staatsbau und 
-betrieb der Bahnen durch den Bund an den Beschlüssen 
der Bundesversammlung vom 26. und 28. Juli 1852 ge- 
scheitert waren, von der Zenlralbahngesellschaft in An- 
griff genommen und im Jahr 1858 vollendet. Damit war 
die gesamte innere Schweiz — Bern und Luzern direkt, 
die WesUchweiz über Biel und Solothurn, die Ostschweiz 
über Aarau — an die deutschen und französischen Rhein- 
linicn in Basel angeschlossen und dem Weltverkehr er- 
öffnet. Das Eisenbahnkreuz, das gebildet wird aus der 



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Mittellandslinie Leman - Bodan und der diese in Ölten 
senkrecht schneidenden Hauptzufahrt von und zum Hhcin 
(Basel-Luzern und -Hern), ist dauernd die Grundlage des 
gesamten schweizerischen Eisenbahnnetzes geblieben. 
Daran angelehnt konnte sich nun im ganzen schweizeri- 
schen Mittelland ein rcichverzweigtes Eisenbahnnetz 
entfalten . dessen Maschen sich rasch immer dichter 
verschlangen. Die Konkurrenz im innerschwei/erischen 
Eisenhahnhau ist teilweise leider nur gar zu üppig gedie- 
hen, bis ihr der Zusammenbruch der Xationalhahn im 
Jahr 1878 ein entschiedenes Halt gebot. Seither hat sich 
die Spekulation von den Normalb >hnen de« Miltellandes 
ab- und den Bergbahnen zugewandt, denen der wachsende 
Fremdenslrom mit der Zeit eine ordentliche Existenz er- 
möglicht. Neuerdings regt sich überdies bald im ganzen 
Land ein allseitiger Ansturm von Anschlussbegehren 
bisher mehr oder minder abseits gebliebener LandeBteile 
an den Hahnverkehr, und seit dem Heginn des Ueber- 
gangs der Hauptbahnen an den Hund linden einzelne 
Kantone nur um so mehr ihre verkehrspnliiisrhc Aufgabe 
in der Pflege und dem Aushau ihrer Smidernet/e. 

Durch den llauenstein | l?Gi-lN.">>i. dem in den 18ri0er 
und 1870er Jahren zur Linken der li<>t/bcrg nach Zürich, 
zur Hechten die Hirslinie nach Hiel und der gesamten 
Westschweiz gefolgt ist, war die Schweiz nach Norden und 
Nordwesten hin, durch die Jurapfort»n von Genf 
(1855-1861 ). Vallorhe ; Ik7<k Samt Snlpice , ls<{- ISX7 . Mor- 
leau (1884) und Pruiurot i lS7i-l!S77i nach dein welschen 
Westen an <Li^ mitteleuropäische Kisenhatmnetz ange- 
schlossen. Aber damit konnte sie sich auf die Dauer 
nicht begnügen. Mit der gewaltigen Zunahme des Ver- 
kehrs wurden immer mächtigere Begehren laut nach all- 
seitigem Anschluss unsere» Hahnnetzes an den Welt- 
verkehr, insonderheit auch, dem Alpenwall zum Trotz, 
nach Süden hin. 

Diese zweite Hauptepocho des schweizerischen Eisen- 
bahnbaues ist äusserlich durch den etwa 25jährigen Zeit- 
raum zwischen der effektiven Eröffnung der ersten schwei- 
zerischen Hauptlinien und der ersten schweizerischen 
Alpenbahn (1882) getrennt. Der zielbewusste Gedanke 
der Fortsetzung der Linie Basel-Luzern durch den Gott- 
hard nach Mailand lässt sich zwar bis zur Milte der 1840er 
Jahre zurück verfolgen und ist im Anfang der 1850er Jahre 
klar durchgearbeitet und an einer ersten Gotthard konfe- 
renz in Luzern im Jahr 1853 erörtert worden. Aber erst in 
den 1860er und 1870er Jahren gewann das Unternehmen 
festere Gestalt, und am I. Juni 1882 war das gewaltige 
Werk glücklich vollendet. 

Hei der Auswahl des Passes für diese erste Alpenbahn 
durch die Schweiz konnte es sich nur entweder um den 
liolthard oder um den Splügen handeln. Im Süden waren 
Mailand und Genua die Hauptzielpunkte. Im Norden aber 
kamen jetzt nicht mehr, wie noch 50 und 100 Jahre früher, 
in erster Linie Augsburg, Nürnberguud Leipzig in Betracht. 

die Rheinlinie mit Frankfurt, mit den preussi- 
Industrieprovinzen Hheinland und Westfalen und 
der machtig emporblühenden Hheinschiffahrt. Durch 
diesen bis vor kurzem einzigen Alpendurchstich der 
Schweiz ist der deutsche Westen und Norden der lora- 
bardischen Hauptstadt und ganz Italien mit einem Schlage 
nahe gerückt und die Schweiz fast unmittelbar zu einem 
Durchgangsland von erster Bedeutung erhoben, dem in 
diesem Stücke (sowohl nach der Wertkole pro Kopf der 
Bevölkerung, als an der bei beiden Landern sehr hohen 
Mengen- und Wcrtziffer des Spezialhandels gemessen) nur 
Belgien, das Durchgangsland par ezcollence der Seefracht 
nach dem hochindustriellen Hheingebiet und nach Süd - 
deutschend, gleichkommt. Die gesamte direkte Durch- 
fuhr der Schweiz hatte in der früheren Zeit mit rund 
zwei Millionen Meterzentnern oder 8% ihres gesamten 
Warenverkehrs kulminiert. 1881 betrug sie nur etwa 1* , 
Mill. Meterzentner oder 7% der Aussenhandelsmengcn. 
Aber schon 1882 stieg infolge der Eröffnung des Gollhanl- 
tunnels am 1. Juni der schweizerische Transit auf 2,8 
Mill. q oder 12%: 1883 betrug er 1.15 Mill. q. 1884 (ver- 
stärkt durch den beginnenden Arlbergverkehr) 4'/. Mill. q 
oder 17%, 1887 4 8 Mill. q. 1889 und dann wieder 1904 
.-itinähernu 5.2 Mill. q. Im Durchschnitt der fünf Jahre 
I9Ü0-19O4 haben rund 5 Millionen Meterzentner fremde 
Güter im Werl von rund 600 Mill. Franken jährlich unser 



Land tra versiert. 1905 wurde diese Ziffer zum erstenmal 
namhaft überschritten mit .*i.9 Mill. q im Wert von 641 
Mill. Fr. Der Anteil des Ootthardverkehrs an diesen Ge- 
samtsummen wird seit 1887 offiziell ermittelt. Er betrug 
damals schon 70%. heute noch etwas mehr (1904: 72' /,%) 
der gesamten Durchfuhr. Dieser starke Verkehr durch 
den Gotthard setzte und setzt sich hauptsächlich zusam- 
men wie folgt : % der Gesamtdurchfuhr 

1887~ " ~1904 

Deutsches Eisen I 
Deutsche Kohlen | 
Deutsche Maschinen 
Deutsche Chemikalien 
Anderes deutsches Gut 



;J6.68 

4.:n 

7.88 



t IVO 

' 'J.° 

.1,4 



3.2 
8.4 



1887 



I1IU4 

'o % 

Summa des deutschen Gotthardvei-kehrs 

nach Italien 48,93 411,0 

Dazu : Belgischer uud englischer Gotthanl- 
verkehr nach Italien 8,14 8,1 

und italienische Rückfracht nach Deutsch- 
land, Belgien und England 9.52 19,5 

Somit Total des schweizerischen Transits 

durch den Gotthanl im Minimum 66,6 70,6 

Dazu bisher zum grössten Teil der fran- 
zösisch-italienische Verkehr mit 3.3 1,9 



70,0 72.5 
direkten Transit 



Gesa int total aUo rund 
(im Jahr 1905: 71,32%) 
durch die Schweiz. 

Im Jahr 1884 wurde die Arlbergbahn eröffnet. Obgleich 
an sich ausserhalb der Schweizer Grenzen liegend und in 
erster Linie dazu bestimmt, das vordem vollständig iso- 
lierte österreichische Vorarlberg mit seinen Stammlanden 
direkt zu verbinden, hat dieser west-ostliche Alpendurch- 
stich doch zugleich in hervorragendem Masse zur Belebung 
tles Verkehrs auf der schweizerischen Mittellandsdiagonale 
beigetragen, und zwar nicht zum wenigsten durch die Er- 
muglichung eines regelmässigen Durchfuhrverkehrs von 
Personen und (intern aus Oesterreich nach Frankreich 
und umgekehrt. Aber dem Golthardverkehr gegenüber 
tritt dieser west-östliche Verkehr doch weit innick. Die 
Durchfuhr von und nach dem Arlberg betrug im Jahr 
1887: 15'/*% und 1905 noch 11,07%, wovon 8 V-, bezw. 
6'/,% auf Holz und Holzstoff, der Rest im Jahr 1887 
hauptsächlich auf Korn. Wein und Vieh, im Jahr 1905 auf 
Petroleum, gewerbliche Steine und Erden. Bohnen, Eier 
u s. f. aus dem Osten nach Frankreich entfallen. Immer- 
hin überragt der Arlbergverkehr alle andern Verkehrsrich- 
tungen der schweizerischen Durchfuhr ausser dem Golt- 
hardverkehr. Denn wenn man vom Enklavenverkehr mit 
etwa 190000 Meterzentnern im Jahr 1887 und etwa 406000 
Meterzentnern im Jahr 1905 absieht, verbleiben für den ge- 
samten übrigen Transit der Schweiz nur noch 10%, wovon 
annähernd die Hälfte (1905 sogar 58,5%) auf den deutsch- 
französischen Verkehr über Schweizer Boden entfällt. 

Das Jahr 1905 war nun das letzte, für das diese Verkehrs- 
unterscheidung unverändert gilt. Am 1. Juni 1906 hat die 
Eröffnung des Simplontunnels stattgefunden, wodurch 
ein Teil des italienischen Verkehrs via Schweiz mit 
Frankreich und z. T. auch mit England vom Golthardver- 
kehr abgesprengt wird. 

Ihre wichtigste Fortsetzung nach dem Norden fand die 
Golthardroute in der grossen Stammlinie der Zentralbahn 
vor. die allerdings, nur eingeleisig, wie sie es von Emmen- 
brucke bis Aarburg heute noch ist. den gewaltigen Ver- 
kehr von Personen und Gütern nach und von dem Gott- 
hard längst nicht mehr allein zu bewältigen vermag. Der 
Gütervorkehr benutzt darum schon seit geraumer Zeit 
neben dieser llauptlinie entweder den Weg von Ölten über 
Aarau, Lenzburg. Hendschikon nach Rotkreuz oder neuer- 
ding», seit der Eröffnung der Doppelspur üher den Botzberg 
im Sommer 1905, statt des Hauensteins den bequemeren 
Juradurchstich am Bützberg mit Fortsetzung von Brugg 
über Hendschikon nach Rotkreuz. 

Eine wichtige neue Verbindung direkt nördlich auf die 
deutsche Grenze bei Singen mit Fortsetzung nach Stull- 
gart- Wurzburg-Berlin ist am 1. Juni 1897 eröffnet worden 
vermittels des Durchstichs der Albisketle zwischen Zug 



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und Horgen. Die Hauptstadt der Ostschweiz, Kürich, ist 
dadurch dem Gott hart! wesentlich näher gerückt, und 
auch der Verkehr zwischen Mailand und München geht 
jetzt etwas mehr als früher über den Gotthard und Zürich 
statt über den Brenner. 

Dieser östliche Gotthard verkehr verspricht umsomehr 
Entwicklung, je kräftiger sich die Industrie in den ost- 
lichen Teilen Deutschlands ausbildet. Der Hauptverkehr, 
zumal in den grossen Massengütern Kohlen und Lüsen, 
bleibt aber selbstverständlich dauernd an deren west- 
deutsche und belgische Produktionsgebicte und damit 
an die Itheinlinie gebunden. 

Die ungeheure Umwälzung, welche die Gotlhardhahn 
im Verkehrscharakter der Schweiz hervorgerufen hat, 
springt ohne weitereg in die Augen. War vordem das 
schweizerische Vorderland nur nach Norden und Westen 
offen und in der Hauptsache selbst Ziel oder Ausgangs- 
punkt des Verkehrs gewesen, so ist jetzt auch von und 
nach Süden die Bahn frei geworden. Dax gesamte Verkehrs- 
wesen der Schweiz wurde dadurch aus seinen bisherigen 
Angeln herausgehoben und unter ganz neue Bedingungen 
gestellt 

Gleichzeitig muss aber auch ebenso klar und deutlich 
gesagt wenieo. dass mit der Durchbohrung des Gotthard 
die von der Natur dem schweizerischen Alpcnbahnbau 
gestellte Hauptaufgabe in der Hauptsache gelost ist. An 
seiner verwundbarsten Stelle war der Gebirgswall durch- 
brochen, an dem einzigen Punkte, wo seine Kelten, wie 
in einem Bündel zusammengefaßt, in einem Gebirgsstock 
sich vereinigen. Die Hauptmasse des Verkehrs zu beiden 
Seiten der Alpen, soweit er überhaupt hier in Betracht 
kommen kann, ist durch die Wahl dieses ersten schwei- 
zerischen Alpendurchstich» von Anfang an und dauernd 
an diese Route gebannt und damit dem Eisenbahnnetz 
der Schweiz gesichert worden. Alle ferneren Alpendurch- 
stiche auf Schweizer Boden können der Schweiz keinen 
sehr erheblichen Verkehrszuwachs mehr bringen, der ihr 
durch den Gotthard nicht auch schon sicher wäre, am 
wenigsten natürlich die nordsüdlich verlaufenden Linien, 
wie der Lötachberg und das Todi-Greinaprojekt, und zwar 
natürlich urasoweniger, je näher sie den bisherigen Durch- 
stichen liegen und je genauer ihre Verkehiszonen im 
Norden und Süden mit denen der bisherigen Durchstiche 
zusammenfallen. Je weiter ein neuer Alpenlunnel vom 
Gotthard entfernt ist und je mehr seine Dichtung von der 
nordsiidlichen Linie abweicht, umso eher wäre, theoretisch 
wenigstens, eine weiter nach Südosten oder nach Süd- 
westen ausgreifende Erweiterung der Einzugsgebiete für 
die Schweiz zu erhotfen. Aber auch da, beim Simplon, der 
eigentlich allein westöstliche Dichtung und nach Westen 
hin freies Feld vor sich hat, wird praktisch nur ein sehr 
beschränkter Vorteil für die Schweiz erzielt werden, weil 
die links und rechts nach Süden hin in Betracht kommen- 
den I^andstriche (Miltelfrankrcichs für den Simplon. Ost- 
deutschlands für die Bündnerdurchstiche) industriell und 
kommerziell doch noch lange nicht so regsam und auf- 
geschlossen sind, wie die bisher schon durch den Gotthard 
nach der Schweiz drainierte Verkehrszone Deutschlands, 
der Nordseeländer und Nordwestfrankreichs. Dazu kommt, 
dass sich das französische Bahnnetz, speziell die Paris- 
Lyon-Mittelmcerbahn den berechtigten Wünschen und 
Erwartungen, welche die Schweiz in die Alimenlierung 
des Simplon von Mittelfrank reich her gesetzt hatte, be- 
harrlich widersetzt. 

Wenn trotzdem beim Gotthard nicht Halt gemacht 
wurde, so beruht das nicht sowohl auf den natürlichen, 
objektiven Bedingungen und Bedürfnissen oder Aussichten 
der Verkehrsenttalluiig. als vielmehr auf regionalen Wün- 
schen und Begehrlichkeilen, einerseits der ausländischen 
Zwischenzonen zwischen Brenner, Gotthard und Mont 
Cenis. andrerseits namentlich der durch den Gotthard 
links und rechts im loten Winkel kalt gestellten Teile der 
Sudschweiz, von welcher allein der Kanton Tessin den 
ganzen Vorteil der Golthardbahn auf sich vereinigt. 

Die eigentliche nationale Aufgabe der Schweiz 
im internationalen Verkehrswesen tritt bei dieser neuen 
Alpenbahnbewegung im Westen wie im Osten ganz zu- 
rück. Diese nationale Aufgabe der Schweiz besteht offen- 
bar darin, von dem grossen mitteleuropäischen Verkehr 
zwischen Ost und West sowohl als zwischen dem Norden 



und dem Süden der Alpen möglichst viel auf ihr Bahnnetz 
und über ihr Gebiet zu leiten. Das geschieht einerseits 
durch die Pflege und Mehrung des natürlich gegebenen 
längsten Parcours durch die Schweiz vom Bodensee zum 
Genfersee (Romanshorn-Genf 376 km, St. Margrethen- 
Genf 3Ö7 km). Dieselbe Pflege nun auch den Routen von 
Nord nach Süd zuteil werden zu lassen, muss das Ziel der 
schweizerischen Alpenbahnpolitik sein. Da aber nicht viel 
neuer Verkehr zu erwarten ist. der der Schweiz nicht 
ohnehin schon durch die Golthardbahn sicher wäre, so 
ist das nationale Interesse der Schweiz an den heute in 
Frage stehenden neuen Alpendurchstichen nur ein sehr 
untergeordnetes, und es winl solange untergeordnet 
bleiben . bis der Golthardverkehr über die Leistungs- 
fähigkeit der durchwegs auf zwei Geleise ausgebauten 
Gotthardbahn hinausgewachsen sein wird. Das aber liegt 
vorerst noch in ziemlich weitem Felde. 

Am meisten Nachdruck haben sich die Ansprüche auf 
einen neuen Alpendurchstich zunächst in der welschen 
Südwestecke der Schweiz zu verschaffen gewusst. die 
gleich dem übrigen schweizerischen Vorderland von 
Italien durch die Alpen gel rennt, aber abweichend von 
der Zentral- und der Nordostschweiz dem Gotthard nicht 
mehr vorgelagert ist. sondern nur auf dem Umweg um 
die Berner und Freiburger Voralpen herum mit ihm in 
Verbindung treten konnte und so gewissermassen eine 
neutrale Zone zwischen dem Gotthanl und dem Mont 
Cenis bildete, die von beiden abseits liegt. Im Gegensatz 
dazu bringt es die nordöstliche Bichtung der Gebirgszüge 
in der Ostschweiz und Südbaiern von selbst mit sich, 
dass fast der ganze überhaupt erreichbare Verkehr aus 
Süd- und Ostdeutschland, soweit er nicht ins natürliche 
oder faktische Einzugsgebiet des Innthaies und des Brenner 
fällt, dem Gotthard und damit der Schweiz gesichert ist. 
Ein östlicher Alpendurchstich würde aus demselben Grunde 
sein Einzugsgebiet nicht mehr wesentlich weiter nach 
Südosten ausdehnen können, als das heute schon vom 
Gotthard aus geschieht. Darum wird keiner dieser neuen 
Alpendurchstiche — abgesehen von der internen und der 
nordsiidlichen Verbindung und Verkehrsbelebung bisher 
voneinander schroffgeschiedener oder weltfremderschwei- 
lerischer und italienischer Gebietsteile — im Stande sein, 
viel neuen Verkehr zu schaffen oder bisher über auslän- 
dische Linien gehenden Verkehr in erheblichem Masse 
nach der Schweiz oder durch dieselbe zu leiten. 

I Wiewohl nun aber der Simplon durch seine ausge- 
sprochen westöstliche Ausbiegung weit mehr Gewähr für 
Schaffung wirklich neuen Verkehrs zu bieten scheint, so 
winl doch vorerst auch er nur den Verkehr zwischen Mai- 
land und den welschen Kantonen der Schweiz vermehren, 
im internationalen Verkehr und vorab im grossen Güter- 
verkehr dagegen in der Hauptsache darauf angewiesen 
sein, dem Gotthard einen Teil seines Verkehrs, und zwar 
speziell seines Personenverkehrs, zu entziehen. Für 
den Güterverkehr kirne nur der italienische Transit- 
verkehr durch die Schweiz mit Krankreich, Belgien und 

, England in Betracht, der aber nach der schweizerischen 

I Transitstatistik in den letzten Jahren nur noch 11 •12% 
der gesamten Durchfuhr der Schweiz ausgemacht hat. 

i Damit wäre also die Transitbedeutung des Simplon- 
verkehrs sehr enge umgrenzt und gerade nur ebenso gross 
wie die des Arlbcrgs. hie Zeit muss nun lehren, inwieweit 
es der neuen Völkerstrasse gelingt, diesen Verkehr anzu- 
ziehen und eventuell darüber hinaus doch noch etwas 
neuen Verkehr zu schaffen. Eine bedeutende Sleiuerungs- 
fähigkeit des Güterverkehrs ist nicht wahrscheinlich. Einer- 
seits deshalb nicht, weil der Simplon gleich dem Gotthard 
und übrigens auch gleich einem eventuellen kommenden 
Bündner Durchstich auf Mailand ausmündet. Andrerseits 
ist zu beachten, dass hei der relativen Stagnation der 
französischen Exportproduktion, die durch Schutzzolle 
und Produktionsprämien verhätschelt und durch ihren 
innem Markt verwöhnt ist, die Chancen für neuen Tran- 
sitverkehr durch die Schweiz keine glänzenden sind. 
Mehr Aliment wird dem Simplontunnel der Berner Alpen- 
durchslich verschaffen, der ihn mit dem gesamten Bhein- 
gehiet und dem deutschen Westen in Verbindung bringt 
und einen Teil dieses starken Durchgangsverkehrs nach 
Italien an sieh reissen und dem Simplon sichern wird, 
freilich nur für die '20 Kilometer von Gampel bis zur 



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Landesgrenze im Simplontunnel und fast ausschliesslich 
auf Kosten des Gotthard. Weder das Land als Games, 
noch die Bundesbahnen haben aus d ieser Mehrung der 
blossenGotthard Variante des Lotachberg-Simplonverkehre 
irgend welchen Nutzen zu erwarten, der ihnen ohne den 
Berner Alpendurchstich nicht ohnehin via Gotthard oder 
via Simplon sicher wäre. Es kann sich da vielmehr nur 
um eine verändert« Verteilung des Gotthardverkehrs und 
dea daraus zu erzielenden Erwerbs handeln. 

Anders steht es mit der Belebung des innerechweize- 
rischen Verkehrs, welche die direkte Verbindung des her- 
machen Mittel- und Uberlandes mit dem Wallis durch 
den Lötschberg verspricht. Am intensivsten hätte in dieser 
Hinsicht das Wildstrubelprojekt Heyeler mit seiner dop- 
pelten Durchbohrung der Stockhornkettc und der Haupt- 
kette des Berner Überlandes wirken müssen. Ks hätte 
ausser dem Wallis und Italien auch das bisher durch die 
lange schroffe Wand der Stockhornketle scharf abge- 
trennte obere Simmenthai und Saunenland mit der Stadt 
Bern und dem bernischen Mittelland in etwas direktere 
Verbindung gebracht und diese bisher weltfernen Gebiete 
noch mehr aufgeschlossen und zugleich an die Kantons- 
hauptatadt Bern festgekettet und nach ihr hin drainiert, 
als dies jetzt schon durch die im Jahr 19115 eröffnete 
Montreux - Berner Oberland - Bahn mit ihrer Umgehung 
der Stockhornkette geschieht. In allen Fällen ist das 
charakteristische Neue der Berner Projekte, dass sie an 
die Stelle de« einmaligen Alpendurchstichs den dop- 
pelten, durch die beiden Hauptketten von Bern und Wal- 
lis, das Projekt Beyeler sogar einen dreifachen Durchstich 
setzen, ohne doch das internationale Einzugsgebiet der 
beiden bestehenden schweizerischen Alpenbahnen irgend- 
wie zu erweitern oder den ausländischen Verkehr der- 
selben zu vermehren. 

Indessen sind heute alle derartigen l'eberlegungen nur 
noch akademischer Natur, weil durch die Ereignisse 
bereits überholt : Stockhorn und Wildstrubel werden 
nicht durchbohrt werden. Der Grosse Bat von Bern hst 
für den Lötschberg entschieden, nachdem sich ein ber- 
nisch-franzosisches Konsortium für dessen Finanzierung 
verpflichtet hatte. Die Finanzierung ist im Laufe des 
Sommers und Herbstes 190«} durchgeführt worden, und 
am 15. Oktober 1906 hat man mit der Spreng- und Bohr- 
arbeit am grossen Tunnel begonnen. Bis 1912 soll das 
Werk vollendet sein. Dann hofft man den Personenver- 
kehr von Paris und London grösstenteils und den bisheri- 
gen rheinischen Gotthardgüterverkehr wenigstens zur 
Hälfte über Beroer Gebiet zu leiten und die Stadt Bern, 
bezw. die Strecke Bern-Ollen zu einem Hauptkreuzungs- 
punkt des mitteleuropäischen Verkehrs sich erheben zu 
sehen. 

Neue Anregung gibt die Vollendung des Simplontunnels 
und der Bau der Lötschbergbahn natürlich auch dem 
Eisenbahnhan quer durch den Jura. Dem Berner Alpen- 
durchstich vorgreifend, ist in neuester Zeit der Bau der 
Weissensteinbahn (Munster - Solothurn) zur vollendeten 
Tatsache geworden. Der Tunnel wurde bereits am 26. Sep- 
tember 191)6 durchgeschlagen, und im Herbst 1907 soll die 
Bahn dem Verkehr eröffnet werden. 

Daneben treten links und rechts der Weissensteinbahn 
die Projekte Münster lMoutier)-Grenchen. Zwingen-Solo- 
thurn und Liestal-Oensineen durch die Wasserfalle oder 
durch den Kellenberg auf den Plan. 

Von der Leitung der Bundesbahnen und vom Bundesrat 
wird statt dessen einerseits auf einen Basistunnel von 
höchstens 10 bis 11 " Steigung durch den Hauenstein 
und andrere« its auf die Kürzung Frasne-Vallorbe auf der 
bisher schon bestehenden direkten Simplonzufahrt von 
Dijon und Paris her am meisten Gewicht gelegt, während 
gleichzeitig in Genf und Paris mit grosser Energie eine 
direkte Verbindung dieser beiden Hauptstädte vermittels 
des Durchstichs der Faucille angestrebt wird. Dabei ist 
freilich mehr als zweifelhaft, ob es dieser neuen Zufahrt 
wirklich gelingen würde, den Verkehr von und nach der 
Loire der nördlichen, schweizerischen, Gürtelbahn des 
Genfereees und dem Simplon überhaupt zu sichern, oder 
ob nicht vielmehr die viel kürzere Bavoyische Gürtelbahn 
des Leman in Stand gestellt werden würde, um den Ver- | 
kehr zu bewältigen und ihn dem Simplon zuzuleiten, gar i 
nicht zu reden von dem der Schweiz noch viel präjudi- I 



schw m 

zierlicheren Projekte eines rein französischen Alpendurch- 
stiches durch den Mont Blanc. der von franzosischer Seite 
in Verbindung mil der Faucille immer mehr in den Vor- 
dergrund gestellt wird. Dem gegenüber tritt in Frank- 
reich die Kürzung Frasne-Vallorbe weit zurück. Von allen 
neuen schweizerischen Simplonzufahrten scheint man 
dort einzig den Lötschberg gelten zu lassen, der vorwie- 
gend mit franzosischem Geld tinanziert ist und an dem 
speziell die französische Ost bahn, im Gegensatz zur Paris- 
Lyon -Mediterranee. ihr klares Interesse hat. Die Er- 
klärung für dieses abweichende Verhalten der beiden für 
die Schweiz in erster Linie in Betracht kommenden fran- 
zosischen Bahngesellschaften gibt ein Blick auf die Ein- 
teilung des französischen Eisenbahnnetzes. Der grosste 
Teil der Westgrenze der Schweiz, von Delle bis Genf, 
wird flankiert von der im franzosischen Eisenbahnwesen 
weitaus mächtigsten Gesellschaft, der P. L. M., deren 
Verkehrstendenz nicht von West nach Ost, sondern 
von Nord nach Süd geht. Was sie einmal in Paris in 
ihr Netz gezogen hat, das lässt sie nicht mehr so leicht 
los, sondern sucht es möglichst vollinhaltlich auf ihren 
längsten Linien festzuhalten, im Verkehr mit Italien also 
es ihrem eigenen Alpendurchstich, dem Mont Cenis, zu 
sichern. Von dieser Seite ist daher für den Simplonverkohr 
wenig zu erwarten. 

Etwas mehr Aussicht auf Aliment aus und nach Frank- 
reich versprechen die nordlichen und nordwestlichen 
Simplonzufahrten. weil diedafiir massgebende französische 
Ostbahn nicht, wie die P- L. M., von Nord nach Sud, son- 
dern von Nordwest nach Südost ihre längsten Strecken 
und ihr grosstes Verkehrsinteresse hat. Dieser Verkehrs- 
richtung dient der Berner Alpendurchstich, wenn auch, 
wie bereits betont, wesentlich auf Kosten des Gotthard- 
verkehre und der welschschweizcrischen Hauptstrecke der 
Simplonbahn. Vom Standpunkt der Bundesbahnen als 
des Kesitzers der Simplonbahn und als künftigen Inhabers 
der Gotthardhahn müsste darum der Lötschberg bekämpft 
werden. Dagegen fällt zu seinen gunsten gegenüber Frasne- 
Vallorbe, vom Standpunkt der national-schweizerischen 
Verkehrspolitik aus beurteilt, die stärkere Anziehungs- 
kraft gegenüber der französischen Ostbahn anstatt gegen- 
über der P. L. M. in die Wagschale. Der Widerstreit der 
nationalen franzosischen und schweizerischen Verkehrs- 
politik ist nun einmal bei der französischen Ostbahn durch 
ihr Interesse an starkem Verkehr und guten Belriebs- 
resultaten gemildert, bei der P. L. M. dagegen durch die 
Bichtung ihres Bahnnetzes von Nord nach Süd ganz be- 
sondere verschärft. 

Gleich der WesUchweiz fordert nun auch die Ost- 
schweiz ihren eigenen, d. h. den dritten Hauptalpen- 
durchstich Tür sich. Die vorläufig erstellte, im Sommer I9U3 
eröffnete Schmalspur durch den Albulatunnel führt zu- 
nächst nur ins Ober Engadin. Es fehlt ihr noch die Fort- 
setzung über den Maloja nach dem Bergeil und dem Comer- 
see, ebenso wie die Ausinündung das Innthal hinab nach 
Landeck und Innsbruck. Dagegen ist ihre Forlsetzung di- 
reklsüdostwärts über den Berninapass in das bündnensche 
Seitenthal desVelllin. das Puschlav, als elektrische Sekun- 
därbahn im Winter 1905/06 gesichert worden und gegen- 
wärtig im Hau begriffen. Aber alle diese Bahnen und Pro- 
jekte sind denn doch mehr nur dem Personenverkehr, in- 
sonderheit dem Fremdenverkehr des Ober Engadin dienst- 
bar und für einen grosseren Güterverkehr wegen Schmal- 
spur und Steigung wenig geeignet. Darum bleibt es nach 
wie vor ein dringendes Postulat der östlichen Kantone, vorab 
natürlich Graubündens, dann aber auch St. Gallens und 
des Bodenseegebietes, dass neben diesen Schmalspur- und 
Touristenbahnen eine richtige Normalbahn für den inter- 
nationalen Schnellzugs- um) Güterverkehr vom Bodensee 
nach Mailand durchs Bündnerland geführt wird. Die Ent- 
scheidung darüber, ob ein solcher normalspuriger Bündner 
Alpendurchstich ausgeführt werden soll und welcher, ist 
natürlich von ganz anderer Tragweile als alle rätischen 
Schmalspurprojekte. 

Die gerade Linie vom Südostende des Bodensees nach 
Como und Mailand wurde nun klar durch den Splugen 
führen. Allerdings verdient im Verkehrewesen überall dn, 
wo bedeutende Steigungen zu überwinden sind, die gerade 
Linie nicht immer unbedingt den Vorzug. Gerade heim 
Splugen wurde diese Gerade schon vor der Viamala und 



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alsdann noch weit mehr auf der steilen Südrampe des 
Passes, von Gallivaggio bis Chiavenna. stark ver- 
bogen und dadurch kunHtlich verlängert werden, um die 
Steigung abzuschwächen. Trotzdem mugs zugegeben wer- 
den, dass der Splügen sowohl kilometrisch als virtuell die 
kürzeste mögliche Verbindung vom Bodensee nach Mai- 
land und Genua sowohl als nach Venedig darstellen würde. 
Es ist weniger die Ungunst des Geländes als das verkehre- 
politische Interesse der Schweiz und insonderheit der 
Bundesbahnen als des künftigen Inhabers der Collhard- 
bahn. die dem Splügen hindernd in den Weg treten. Um 
es kurz zu formulieren, wäre die Splügenbahn mehr eine 
italienisch-btindnerisch-schwäbisch-frankische als eine 
vorwiegend schweizerische Linie. Dem Vorstoss des 
schweizerischen Flahnnelzes durch die Golthardlinie bis 
in die südlichste Spitze des Kantons Tessin will Italien 
nunmehr geantwortet wissen durch die Wetterführung der 
Comersechahn von Chiavenna durch den Splügen, und es 
lindet für diese direkteste Linie viel (legenliehe bei Grau- 
hünden, das dadurch eine internationale Alpenbahn nach 
dem Herzen Oberilaliens ganz für sich erhalten und die 
seit Jahrhunderten traditionelle engere Verbindung mit 
dem Comersee und dem Veltlin neu beleben würde. 

Vom nationalen Standpunkt der schweizerischen Eisen- 
hahnpolitik aus steht aber in erster Linie das Bedenken im 
Wege, dass der Splügen den deutschen Verkehr, den die 
Schweiz vom Bodensee her oder auch erst bei Buchs über- 
nimmt, auf dem denkbar kürzesten Wege wieder dem Aus- 
land, Italien, zufuhrt, ihn förmlich so rasch wie möglich 
wieder zum Lande hinausjagt. Der Splügen ist darin das 
genaue Gegenteil des Gotthard : Während der Gotthard das 
tiros, wenigstens des Personenverkehrs, auf den denkbar 
längsten Strecken bis in die ausforste Südecke des Kantons 
Tessin auf Schweizer Boden festhält, liefert der Splügen 
seinen gesamten Personen- und Güterverkehr auf dem am 
weitesten nach Norden vorgeschobenen Punkte des italie- 
nischen (iebietes an Italien aus. Im Gegensatz zu dem aus- 
gesprochen schweizerischen Charakter der Gotlhardbahn 
mit ihrem schweizerischen Parcours von 320 km von 
Basel bis Chiasso. weist die Splügenbahn kaum 130 km 
schweizerischen Parcours von St. Margrethen und gar nur 
101 '/ t km von Buchs bis zur Grenze im Tunnel auf. Da- 
gegen läuft die Bahn bis Chiavenna auf 42V. und von da 
bis Lecco aur nahezu 70 km dem ganzen Comersee und der 
Schweizergrenze entlang auf italienischem Boden. Der 
Splügen würde also im Gegensatz zu der spezifisch schwei- 
zerischen Golthardlinie eine hochgradig italienische Bahn 
sein. Daher denn auch der Kifer, mit dem sein Zustande- 
kommen von Italien aus betrieben wird. Gegen den Splü- 
gen. als italienische Bahn, sprechen ferner die Übeln 
Erfahrungen der schweizerischen Diplomatie bei den 
Simplonverträgen und in letzter Linie, vielleicht aus- 
schlaggebend, militärische Bedenken. 

Darum treten diesem italienisch-bündnerischen Alpen- 
durchstich von vornherein mit starkem Gewichte die- 
jenigen Projekte gegenüber, welche, von Italien gänzlich 
unabhängig, lediglich darauf ausgehen, den Verkehr durch 
die Schweiz auf möglichst lange Strecken festzuhalten und 
zu mehren. Das geschieht von Norden her am wirksam- 
sten so, dass die neue Alpenbahn statt der rein nordsüd- 
lichen eine möglichst ausgesprochen ostwestliche Richtung 
erhalt und entweder durch das Blegnolal oder durch 
das Misox auf die Golthardlinie ausmündet, womit sie der 
sudlichsten Strecke der Gotthardbahn möglichst viel von 
dem bairischen. böhmischen und österreichischen Ver- 
kehr zufuhrt, der bisher seinen Weg über den Bronner 
genommen hat. Ks kommen dafür zwei Projekte ernstlich 
in Frage : die sogenannte Greinabahn. eine blosse Variante 
und Abkürzung des Lukmanierprojektes, und der Bern- 
hardindurchslich nach dem Misox. 

Der Revers der verkehrspolilischen Vorzüge dieser Pro- 
jekte wäre allerdings (im Gegensalz zum Splügen), dass kei- 
nes von ihnen einen neuen Zugang nach Mailand schafft, in- 
dem beide oberhalb Bellinzona (die Greina bei Biasca, der 
Bernhardin bei Arbedo) auf die Golthardlinie ausmünden, 
um von da an ganz in ihr aufzugehen und Mailand so erst auf 
einem Umwege von virtuell 38 km gegenüber der Splügen- 
bahn zu erreichen. Die wichtige südliche Zwischenzone 
zwischen Gotthard und Brenner, das Comerseegebiet und 
das Veltlin. würden dadurch neuerdings kalt gestellt. 



Den verschiedenartigen Anforderungen der national- 
schweizerischen und der kantonal-bündnerischen und 
-tessinischen Verkehrspolitik würde auf den ersten Blick 
am besten die Bernhardinbahn entsprechen, die u. a. die 
ennetbirgische Bündner Thalschaft Misox mit ihrem Hei- 
matkanton direkt verbände. Ks ist indessen nicht wahr- 
scheinlich, dass dieses Vermittlungsprojekt zwischen 
Splügen und Greina den Sieg da von trägt. Dagegen spricht, 
von anderm abgesehen, schon die Kulminationshohe von 
1200 Meter über Meer. 

Statt dessen tritt seil mehreren Jahren immer entschie 
dener und erfolgreicher das Projekt der Greinabahn auf. 
Ks ist das die günstigste Losung des Lukmaniertunnels, 
ein Alpendurchslich von geradezu idealen Steigungsver- 
hältnissen und jfanz ausserordentlich günstiger Trace^- 
Kntwicklung hei nur 882 m KulminationBhöhe und nur 
20%, Maximalsteigung, dem in technischer Hinsicht über- 
haupt kein schweizerischer Alpendurchstich ausser dem 
Simplon vergleichbar ist. In Glarus und St. Gallen em- 
pfiehlt sich das Grcinaprojekt ganz besonders durch die 
Möglichkeit eines direkteren Anschlusses der Hauptorte 
vermittels eines relativ sehr kurzen Tödidurchstichs, ana- 
log dem von Bern aus geplanten Lötschherg. nur bedeutend 
billiger. Durch dieses Projekt würde besonders der Kanton 
(•larus, bezw. dessen Hauptort und Hauptthal. « aus seinem 
Sack befreit » und an eine starke Weltverkehrslinie ge- 
rückt, allerdings auf Kosten gleichfalls wohlberechtigter 
und im Bündnerland natürlich weit überwiegender Inte- 
ressen des untern Bündner Rheinthals, des Domlcschg 
und der Hauptstadt Chur. 

Wer nun bei diesem Widerstreit der Interessen schliess- 
lich der Stärken- «ein wird, ist zur Zeit nicht abzu- 
sehen. 

Festzuhalten ist für die Bündnerprojekte noch mehr als 
für den Simplon, und für den Tödi ganz wie für den 
LöUchberg, dass keines von all diesen Projekten der 
Schweiz wesentlichen neuen Verkehr mit dem Ausland 
zuführen wird, den sie nicht schon vermöge des Gotthards 
besitzt oiler erhallen würde. 

Auf Knde 1906 hatte das Eisenbahnnetz der Schweiz eine 
Betriebslänge von 4782 km. worunter 600 km Strassen- 
bahnen. 26' /, km Drahtseilbahnen und «t km Bahnstrecken 
in ausländischem Betrieb. Mit diesen 13.3 km Bahnlänge 
auf je 10000 Einwohner und 11.56 km aufjelUOkra* steht 
die Schweiz - abgesehen von dem dünn bevölkerten 
Schweden und den vereinigten Staaten — nach der Kopf- 
zahl neben Dänemark am höchsten, nach der Fläche über- 
haupt nur unter dem dichtbevölkerten und odlandfreien 
Belgien, aber gleich mit Grossbritannien. sowie hoher 
als Deutschland und alle andern Länder. 

Die l.«komotivbahncn haben im Jahr 1905 167*2 Mill. 
Personenkilometer und 961 Mill. Tonnenkilometer zurück- 
gelegt und daraus 73-4-00 — B!3 Mill. Fr. brutto erlöst. Ihre 
Gesamteinnahmen betrugen 171 Mill. Fr., die Ausgaben 
III Mill. Fr., .sodass ein Bruttoüberschuss von tO Mill. 
Fr. und. nach Dotierung der Reserven. Abschreibungen 
etc.. eine Verzinsung von 3.27% für das Anlagekapital 
von 1558 Mill. Fr. verbleibt. Die Hauptmasse des Verkehrs 
entfällt auf die seit 1902 verstaatlichten schweizerischen 
Bundesbahnen und die Gotthardbahn mit 2406 und 275 
km Betriebslange. 1005 bezw. 2WJ Mill. Fr. Anlagekapital, 
120.7 und 25.5 Mill. Fr. Einnahmen und HO bezw. 14.6MÜI. 
Fr. Ausgaben. 

Auf die besondere Bedeutung und beständig steigemh- 
Zahl der Berghahnen in der Schweiz soll hier nur ganz 
i im allgemeinen hingewiesen werden. 

3. Schiffahrt. Die Schweiz ist das Geburtsland und die 
I Wiege zweier der mächtigsten Strome Mitteleuropas, des 
' Rheines und der Rhone. Sie entsendet nach dem gröbsten 
1 aller schiffbaren Strome Europas, der Donau, dessen 
| wichtigsten Zufluss, den Inn. und nach Süden in den 
Po den Tessin. Sie scheint also auf den ersten Blick ein 
' besonderes Anrecht auf einen starken Stromverkehr und 
| auf direkte Verbindung mit dem Weltmeer zu haben. 
' Dazu ist aber sofort eine starke Einschränkung zu ma- 
chen, indem diese natürlichsten Verkehrswege, die Wasser- 
| laufe, nun einmal in ihren obersten Teilen, zumal in einem 
| Gebirgslande wie die Schweiz, ihrer starken Gefälle und 
Strömungen wegen naturgemäß nur sehr beschränkt und 
i nur streckenweise gefahrlos und mit Nutzen zur SchilT- 



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SCHW 



251 



fahrt zu gebrauchen sind. Von Nalur schiffbar sind heute 
eigentlich nur der Rhein vom Bodensee bis Schaffhausen 
und die Aare von ihrem künstlichen Ausflug* aus dem 
Bielersee bis Wangen. Im Uebrigen beschränkt «ich die 
Schiffahrt in der Schweiz auf die Randseen der Quellge- 
biete des Rheine», de« Teasin und der Rhone. 

So ist es nicht immer gewesen. In früheren Zeiten 
waren nicht nur der Rhein vom Bodensee bis Basel und 
weiter thalwärts. sondern es waren auch die Thür von 
Weinfelden, die l.immal vom Walensee, die Heuss von 
Luzern, die Aare von Thun an regelmässige Verkehrswege, 
obgleich sie doch in jenen Zeiten noch viel weniger als 
heute gezähmt und reguliert, überhaupt nach unsern 
Begriffen fahrbar waren. Nirgends so sehr wie darin do- 
kumentiert sich die Anspruchs- und Bedürfnislosigkeit 
des altern Transportwesens. Denn die Hauptursache der 
starken Benutzung dieser schlechten und gefahrvollen 
Wasserstrassen war wesentlich doch nur der noch viel 
schiechtere Zustand der damaligen I-andstrassen. 
Man darf geradezu als Regel aufstellen : je schlechter die 
Landwege waren, um so dankbarer und ausgibiger wur- 
den die Wasserwege benutzt. Die Schwierigkeiten des 
Rheinfalls bei Schaffhausen und der Stromschnellen von 
Laufenburg überwand man durch Beförderung der Schiffs- 
last per Wagen bis zu einem unterhalb gelegenen Lade- 
platz. Die leeren Schiffe wurden entweder in ähnlicher 
Weise wie ihre Fracht « über tand geschleift » oder durch 
den Laufen von den sog. « Laufenknechten » (je 15 oder 
mehr auf jedem Ufer) an Tauen teils im Wasser, teils über 
die Klippen emporgehoben und so durch die gefährliche 
Stelle hindurch «geseilt». 

Dabei ist allerdings gegenüber den heutigen Begriffen 
von der Fahrbarkeit eines Wassers der gewaltige Unter- 
schied wohl zu beachten, dass unsere Wasserwege fast 
nur der Talfahrt dienten. Aufwärts wurde vorwiegend ge- 
ritten, bezw. gesäumt. Der Kaufmann begleitete seine 
Ware per Wagen oder Schilf durchaus nicht immer per- 
sönlich. Es war die Begel. dass die Kaufleute auf dem be- 
quemsten und schnellsten Wege, abwärts meist leer zu 
schiff, aufwärts y.u Pferde reisten. Die Schiffe blieben 
unten, wo man sie als Bau- oder Brennholz verkaufte. Des- 
gleichen war der Kauf und Verkauf eines Pferdes ein all- 
tägliches Bedürfnis, fast go selbstverständlich, wie man sich ) 
heute seinen Baedeker oder sein Kursbuch kauft, wenn man 
auf Reisen geht. Daher die zahlreich verbreiteten Pferde- 
händler, Rosskämme oder Rosstäuscher genannt, denen 
wir überall in der verkehrsreichsten Stadtgegend woh- 
nend begegnen, insonderheit an der Schifflände, wo 
man eben das Beförderungsmittel wechselte. 

Der Wagenverkehr war in der Schweiz der wenigen 
fahrbaren Strassen wegen äusserst beschränkt und diente 
im ganzen Mittelalter fast nur dem Warentransport, 
nicht dem Personenverkehr. Erst vom 16. Jahrh un- 
dert an wird das Reisen in • Kutschen *, statt zu Pferd, 
verbreiteter. Zugleich entsteht damals das Postwesen, so 
dass vor der damit notwendig verbundenen Verbesserung 
der Landwege im 16. Jahrhundert der Schiffstransport 
auf unsern reissenden schweizerischen Strömen stark 
zurücktreten mussle. Man benutzte die Wasserstrasse nur 
noch, wo sie der Gebirge wegen die leichteste Verbindung 
darstellte und vollkommen sicher und bequemer war, als 
der Landtransport, namentlich also auf den Schweizer- 
in Jahr 1609 tauchte ein Projekt auf, den Rhein vom 
Bodensee bis Basel ohne Unterbrechung fahrbar zu machen 
durch Sprengung der Felsen im Rheinfall, im Laufen und 
im Hollenhaken. Aber ohne Frfolg. Von dem Projekte des 
sog. Entrerocheskanals 11637) zwischen Neuenburger- 
und Genfersee wurde nur die Strecke Yverdon-Cossonav 
ausgeführt und nahezu 300 Jahre lang benutzt. Von Basel 
an abwärts ist die Rheinschiffahrt trotz der Verkiesung 
und der zunehmenden Verbreiterung und Verwilderung 
des Strom 1h n fs auch noch weiterhin bezeugt. Doch tritt 
sie auch da vor den verbesserten Poststrassen mehr und 
mehr in den Hintergrund, sodass die grosse Rheinregu- 
lierung des 19. Jahrhunderts (von 1817-1870) nach dem 
Plane des badischen Obersten Tulla, ohne Rücksicht auf 
die mögliche Benutzung des Stromes zur Schiffahrt, rein 
nur nach den technischen Rücksichten der Gefällsvermch- 
rung und dem Interesse der Gewinnung möglichst grosser 



Flächen Kulturbodens, auf weite Strecken einfach gerade 
durchschnitt. 

An diesem Zustande der Vernachlässigung der Strom- 
Bchiffahrt in der Schweiz hat auch der gewallige Um- 
schwung der Verkehrsmittel durch die Verwendung des 
Dampfes als Triebkraft vor nunmehr bald 100 Jahren vor- 
erst noch wenig geändert. In der Hauptsache ist da nur 
derUebergang zum Dampfbetrieb der Schiffe zu erwähnen, 
der schon geraume Zeit vor dem Bau der Eisenbahnen in 
der Schweiz vollzogen wurde. Schon 20 bis 30 Jahre vorher 
war die Dampfschiffahrt aur den Schweizer Seen, sowie 
auf dem Rhein vom Unlersee bis Schaffhausen und zeit- 
weilig, von 1831» bis 1844. auch von Basel abwärts bis 
Strassburg eingeführt. Für diese Art des Dampftransports 
war nicht, wie für die Kisenbahnen. die Fahrbahn erst 
noch durch einen kunstgerechten Unterbau zu ebnen. 
Zudem verletzte die Einführung der Dampfschiffahrt be- 
reits bestehende Interessen weit weniger als die Ver- 
drängung des l-andstrassenverkehrs durch die Eisen- 
bahnen. Der erste Schweizer Dampfer, der •Giiillaume 
Teil ". befuhr den Genfersee schon im Jahr 1823. Ihm sind 
in den nächstfolgenden Jahren sowohl dort als auf den 
andern llauptseen der Schweiz (auf dem Boden- und 
Unlersee seil 1824, auf dem Langcnsee seit 1826. auf dem 
Neuen burgersee seit 1827, dann seit 1835 auf dem Zürich-, 
dem Vierwaldstätter- und dem Thunersee. später auch auf 
dem Brienzer-, dem Zuger-. dem Aegeri-, dem Walen-, 
dem Luganersee und zuletzt, seit 1889. auf dem Jouxsee) 
viele andere gefolgt. Auf dem Walensee wurde die Dampf- 
schiffahrt im Jahr 1854 wieder eingestellt. 

Auf Ende 1906 weisen die 17 grösseren Schweizer Seen 
eine Flotte von 33 Schrauben- und 71 Raddampfern nebst 
17 Motorbooten mit etwa 32000 indizierten Pferdekräften. 
etwa 4000 Tonnen Tragkraft und Raum für über 42000 
Personen auf. Befördert wurden im Jahr 1906 insgesamt 
6911000 Personen, wovon weitaus am meisten, 1949000. 
auf dem Genfer- und. 1 848000. auf dem Vierwaldstältersec, 
dann 914 (IX) auf dem Zürichsee. 653000 aufdem Luganer- 
see, 568000 auf dem Thuner- und 403000 aufdem Brien- 
zersee, 160000 auf den 7 Schweizer Dampfern des Boderi- 
sees, 133000 auf den 4 Schweizer Dampfern des Untersees 
und des Rheines bis Schall'hausen, sowie 124500 auf dem 
Neuenburger-, Marten- und Bielersee. 

So wichtig diese Leistungen namentlich im Dienste des 
Fremdenverkehrs sind, erscheint doch unverkennbar der 
damit konstatierte Zustand der Zerstückelung der Schiff- 
fahrt auf die einzelnen Seebecken als kein idealer. Kr steht 
geradezu im Widerspruch mit dem obersten Ziel aller 
Verkehrspolitik : der Herstellung des Zusammenhangs 
zwischen verschiedenen getrennten Verkehrsgebielen und 
ihres Anschlusses womöglich an noch grössere und wich- 
tigere Verkehrsgebiete. Dem steht die heutige Absperrung 
der verschiedenen schweizerischen Seebecken diametral 
entgegen. Was bisher an Durchbrechung der trennenden 
Schranken und an Verbindung verschiedener schweizeri- 
scher Wasserverkehrsstrecken untereinander geleistet 
worden ist, geht auf sehr engen Raum zusammen. Es ist 
in dieser Hinsicht nur etwa die Strecke vom Boden- durch 
den Untersee nach Schaffhausen und die SchifTahrt aur 
den drei unter Bich verbundenen Juraseen von Neuenburg, 
Murten und Biel zu erwähnen. Weiter ist die Verbindung 
verschiedener Gewässer in der Schweiz zur Zeit noch nicht 
wieder gediehen. Doch wird seit 1906 energisch an der 
Weiterfuhrung der Dampfschiffahrt aus dem Neuenburger- 
und Bielersee durch die Aare zunächst bis nach Solothurn 
gearlieitet. Die enorme Erleichterung und Beschleunigung 
des Landtransports vermittels der Eisenbahnen hat eben 
bisher den Wassertransport überall da in den Hintergrund 
gedrängt, wo er irgendwie natürlichen oder künstlichen 
Hindernissen begegnet, und erst den bedeutenden Fort- 
schritten der neuesten Zeit in der Anpassung der SchifTs- 
gefasse an die Anforderungen niedriger Wasserstände 
und der Schiffsmaschinen an die Ueberwindung immer 
stärkerer Strömungen verdanken wir in den letzten Jah- 
ren wieder energischere Anläufe zur Neubelebung des 
früher so regen Schiffsverkehrs auf den Schweizer Strö- 
men. Zugleich gehen nun diese modernen Bestrebungen 
über die Uehung der Stromschiffahrt früherer Jahrhun- 
derte in dem wichtigen Punkte weit hinaus, dass jetzt 
nicht mehr nur zu Thal gefahren wird, sondern dass 



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252 SCHVV 

auch die starke Strömung aufwärts dank der Steinkohle 
und der Dampfmaschine überwunden werden kann. 

Das Knie und Notwendigste, die unerläa»liche Voraus- 
setzung für jeden weiteren Fortachritt auf diesem Ge- 
biete ist heute im Wasserverkehr, ganz so wie s.Z. zu 
Beginn des Eisenbahnbatis, der Anschluss der Schweiz 
an den Weltverkehr, die Verbindung des schweizerischen 
Stromnetzes mit den bestehenden Hinnen- und Seeschiff- 
fahrtswegen. L'nd wie damals, so und noch zwingender 
kann und muss dieser erste Anschluss bei dem nord- 
westlichen Eingangslor der Schweiz. Basel, gesucht wer- 
den. Durch die Wiederaufnahme der zeitweilig einge- 
stellten Befahrung der -trecke Basel-Strassburg 
gewinnt das Transportwesen der Schweiz freie Dahn den 
ganzen Rhein hinab bis in die Nordsee. Das technische 
Problem ist sowohl theoretisch durch die bahnbrechenden 
Studien des Ingenieurs H. (ielpke, als auch praktisch 
durch die Probefahrten der Jahre 19(13 bis 1907 bereit» 
gelost. Die wirtschaftliche Seile der Sache wird vor- 
aussichtlich in den Jahren 1907 und 1908 entschieden 
werden. 

Hei Basel soll aber diese neue OefTnung der Wasser- 
straase nicht stehen bleiben. hie Ausschliessung der Strecke 
Strassburg-ßasel ist vielmehr nur die erste Etappe der 
Wiederaufnahme des Wassertransports im gesamten 
schweizerischen Stromgebiet des Bheines. der Aare, der 
Limmat und der Heust. Probeweise ist denn auch am 
Ii. Mai 1907 ein Bheindampfer bereits mit gutein Erfolg 
Iiis nach Hheinfelden vorgedrungen. Durch Schleusen 
sollen die Stromschnellen von Hheinfelden, Laufenburg 
und Kadelhurg im Rhein, in der Beznau die in der Aare, 
und ebenso oder durch ein mächtige» Hebewerk der 
Rheinfall von Neuhausen uberwunden werden, und ihre 
Endpunkte »oll die schweizerische Binnenschiffahrt erst 
in Bregenz. Walenstadt. Flüelen und Yverdon. eventuell, 
wenn ein Kanal von Yverdon nach dem Genfersee zu- 
stande kommt, erst in Genf erreichen. 

Wie beim Eisenbahntransport, so steht auch bei der 
Eröffnung dieser Wasserstrassen zunächst die nord süd- 
liche Richtung im Vordergrund. Auf sie weist nicht nur 
der Lauf der Reu»» und der Aare von Luzern bis Koblenz 
und derjenige des Rheine« von Hasel nach Strassburg hin, 
sondern zugleich auch daa fjordartige Einachneiden der 
Randseen von Luzern und Locarno von Norden und Süden 
her tief ins Hochgebirge hinein. Und den Bestrebungen 
der Ausdehnung der Slromsehiffahrt auf der Nordseite 
der Alpen bis Fiuelen antworten in der Tat der Kanton 
Tessin und üheritalien mit dem Projekte, den Langensee 
durch eineu Kanal mit Mailand, dem Po und dem adriati- 
schen Meer zu verbinden, sc dass der Endpunkt der 
G rosse hiflahrt von Süden her bis nach I.ocarno vorgerückt 
und der unerlässliche Hahniransport auf die nur noch 
140 km lange Bergstrecke der Golthardlinic von Fiuelen 
hi» Lorarno reduziert wird. 

Andrerseits »oll aber auch die zweite Hauptrichtung de» 
innerschweizerischen Verkehrs, die von Südwest nach 
Nordost, bei der Binnenschiffahrt der Zukunft ihre Rech- 
nung linden. Dafür bürgt einmal die Richtung des Rheines 
vom Bodensee bis Hasel und dann die der Aare von Kob- 
lenz bis Biel. Jetzt schon sind von der gesamten etwa 
450 km langen Strecke Bregenz-Konstanz-Schaffhausen- 
Koblenz -Brugg- Biel -Yverdon-Morges-Genf rund 270 km 
ohne weiteres fahrbar, nämlich die Strecken Bregenz- 
Schaffhauscn, Wangen -Yverdon und Morges-Genf. Die 
l'eberwindung der Hindernisse im untern Stromlauf der 
Aare bietet wenig Schwierigkeit. Eine Schleusentreppe 
oder ein Hebewerk am Bhemfall liegt gleichfalls im Be- 
reiche der Möglichkeit, l'nd wie vom Bodensee aus ein 
Kanal von Frieurichshafen nach Ulm zum Anschluss an 
die baierische Donaureguherung erwogen wird, so konnte 
im Südwesten das im Jahr 1637 begonnene Kanalproiekt 
von Yverdon zum Genfersee wieder aufgenommen werden. 
Dadurch würde ein grosser innerscliweizerischer Ver- 
kehrsweg quer durch den Hauptteil des Lande» von Genf 
bis nach Borschach geschaffen. 

Endlich winkt die Fortführung der neu erschlossenen 
Rheinstrecke Stras»burg-Ba*el rheinaufwärta bis in das 
schwäbische Binnenmeer und die Fortsetzung dieser 
Wasserstraße durch den Donau-Bodensee-Kanal Fried- 
richshafen-Ulm. Damit wäre der bedeutsame Schritt zur 



SCHVV 

Durchgängigkeit de» Bodensee- Rheinverkehr» nach Osten 
und nach Westen vollzogen und eine internationale Wasser- 
»trasse vom Schwarzen Meere durch die Donau und den 
Bodensee nach dem Rhein bi» Rotterdam und auf dem 
elsässischen und französischen Kanalnetz nach der Saöne 
und Rhone bis Paris, Nantes und Marseille gebahnt. 

4. Post, Teleuraph, Telephon. Die wechselnden Ge- 
schicke de» schweizerischen Posttnesen* unter kantonaler 
und z. T. auch privater Verwaltung vom 16. bis zur Mitte 
des 19. Jahrhunderts, als die Post noch die einzige regel- 
mässig organisierte Gelegenheit zur Beförderung von Per- 
sonen und Korrespondenzen darstellte, sollen hier nicht 
I näher geschildert werden. (Vergl. darüber Seite 2*24 f.). 
Trotz sorgsamster Pflege durch die Kantone, welche eifer- 
süchtig über der Integrität und der möglichst ergibigen 
Ausnutzung diese» einträglichen Hoheit» rechtes wachten, 
litt das schweizer. Postwesen bis vor 58 Jahren schwer 
unter der Zersplitterung in 14 bi» 15 kantonale Poslver- 
waltungen, die unter sich sowohl als mit den Grenzlän- 
dern ein ungemein verwickelte» System von Postverträgen 
nötig machte. Auf diesem Gebiete lagen die Nachteile der 
kantonalen Zersplitterung besonders klar zu Tage, und die 
Beseitigung der zahllosen interkantonalen Reibflächen, so- 
wie die Betriebsersparnis und Vereinfachung des Dienstes 
durch die Zentralisation de» Postwesens in der Hand de» 
Bunde» war die erste volksw irtschaftliche Aufgabe, die der 
Hundesrat unmittelbar nach seiner Konstituierung noch 
Ende 1848 in Angriff nahm. Seit Milte 1849 ist die Einheit 
im schweizerischen Postwesen vollendete Talsache. Inder 
Folge wurden ihm auch die neu entstehenden Verwaltungs- 
zweige der Telegraphie «seit 1K52) und der Telephonie 
(seit 1881 1 angegliedert. 

Abgesehen von ihren finanziellen und wirtschaftlichen 
Vorteilen brachte die Zentral iaation des Postwesens auch 
geographisch gesprochen die grossten Fortschritte durch 
Aufschliessung des ganzen Landes für einen regeren Ver- 
kehr und Austausch überhaupt. Neben der bisher vor- 
wiegend gepflegten Verbindung der wichtigeren Handels- 
plätze und der Kantonshauptorte wurde die Wohltat regel- 
mässiger Postkurse für den Personentransport wie für den 
Brief- und Paketverkehr Schritt für Schritt weiter aus- 
gedehnt und verallgemeinert. Für das Vordringen des 
regelmässigen Postanschlusses in immer entlegenere und 
unwirtlichere Hochgebirgsregionen wurde in der zweiten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts, neben der Ausbreitung der 
Industrie, der von Jahrzehnt tu Jahrzehnt immer mächtiger 
anschwellende Fremdenverkehr wesentlich mitbestim- 
mend. Allerdings trägt dann auch wieder die kurze Dauer 
dieses Verkehrs, verbunden mit dem demokratischen An- 
spruch auf Gleichbehandlung oder wenigstens Mitberück- 
sichtigung auch der entlegensten Aussenposten mensch- 
licher Ansiedelungen wesentlich dazu bei, der eidgenössi- 
schen Post ihre Aufgabe finanziell zu erschweren. Zugleich 
wird dadurch aber das schweizerische Postwesen zum 
ersten Rang erhoben. Ende 1906 zahlte die schweizerische 
Postverwallung3803 Poststellen mit 1 1 636 festen Angestell- 
ten und Beamten, 722 Aspiranten und Lehrlingen und 469 
aushilfsweise Angestellten, insgesamt also einem Personal 
von 12827 Köpfen. Die Zahl der Poststellen ist pro Kopf 
der Bevölkerung (eine auf rund 890 Seelen) unter allen 
Ländern weitaus die höchste, nahezu doppelt so hoch als 
in Deutschland und England. E» wurden im Jahr 1906 
in runder Zahl befördert : 157 Millionen Briefe (wovon 131 
Millionen inländische) und 90 (resp. 64) Millionen Post- 
karten, 153 Millionen schweizerische Zeitungen, 60 (resp. 
47,4) Millionen sonstige Drucksachen, Uber 3 Millionen 
Warenmuater und andere Sendungen ohne Wertdekla- 
ration, sowie 5,7 (rep. 1,6) Millionen rekommandierte 
Briefe. An Wertsendungen, meist im Inlands verkehr, 
kommen dazu 29% Millionen Fahrpoststücke im Wert 
von2' ^Milliarden Franken, 9V, Millionen Postanweisungen 
mit K3a Millionen Franken, 11 Millionen Nachnahmen mit 
86 Millionen Fr., 1.9 Millionen Kinzugsmandale mit 139 
Millionen Fr. Eine wesentliche Entlastung der bisherigen 
Formen der Wertübertragung von Platz zu Platz und auch 
am Orte selbst ist der Postcheck- und Giroverkehr zu be- 
wirken berufen, der seit dem 1. Januar 1906 nach öster- 
reichischem Muster eingeführt worden ist. Im Jahr 1906 
haben 1.8 Millionen Leberschreibungen im Wert von 
451 Mill. Fr. stallgefunden. 



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SCHW 



-253 



Im internationalen Postverkehr der Schweiz, in ihrem 
geschäftlichen und geistigen Auslausch, steht (1906) natür- 
lich Deutschland mit 8,9 Millionen aus der Schweiz ver- 
sandten Briefen und 11,6 Millionen Postkarten weit oben- 
an. In zweiter Linie Frankreich mit 6'/, Mill. Briefen und 
5.8 Mill. Postkarten. Dann folgen Italien mit über 3 Mill. 
Briefen und über 2V» Mill. Postkarlen, Grossbritannien mit 
2 265000 Briefen und "2.1 Mill. Postkarten, Oesterreich 
(ohne Ungarn) mit 1323000 Briefen und 1444000 Post- 
karlen, Bussland mit 793000 Briefen und 730000 Post- 
karten, die Vereinigten Staaten mit 688000 Briefen und 
378 0U0 Poetkarten, Belgien mit 554000 Briefen und 533000 
Postkarten,. Holland mit 327000 Briefen und 373000 Post- 
karten u. s. w. Nach den fünf Erdteilen sind im Jahr 1906 
aus der Schweiz versandt worden : 

nach Europa 24598000 Briefe und 25948000 Poetkart. 
» Amerika 910000 i » 505000 

* Afrika 220000 i * 129000 ■ 

• Asien I720U0 • • 89000 » 
» Australien 37000 . 35000 t 

Insgesamt also: 25 937 000 Briefe und 26 706 000 Postkart. 
Dagegen sind aus dem Ausland angelangt : 28534000 Briefe 
und 17551000 Postkarten. 

Der Jahresabschluß der schweizerischen Postverwaltung 
weist perl906bei47,6Mill. Fr. Einnahmen und 43.51 Mill. Fr. 
Ausgaben einen Beinertrag von 3,7 Mill. Fr. auf (1905: ■+■ 
4,5 Mill. Fr. ; 1904 : 4- 3,38 Mill. Fr.; 1903: -(-3,56 Mill. Fr.; 
1902: + 3.67 Mill. Fr.). Mit der Verwendung des Post- 
ertrags im Interesse des Verkehrs und nicht in erster 
Linie als Finanzquelle des Bundes wird im Ganzen in der 
Schweiz Ernst gemacht. 

Die Einträglichkeit der verschiedenen Zweige des Post- 
betriebs ist natürlich eine ganz ungleiche. Am dankbars- 
ten sind wohl die am stärksten benutzten Dienstzweige, 
die Brief-, GehKund Pakelpost, am ungünstigsten stehen 
die nur spärlich benutzten Postkurse für Personenbeför- 
derung nach und von den noch nicht an das Eisenbahn- 
netz angeschlossenen Ortschaften da. Das gilt namentlich 
von den Alpenslrassen. die bedeutende Schneebruchkosten 
bedingen und zeitweise nur schwach benutzt sind. Wie 
es damit im Einzelnen aussieht, zeigt beifolgende Tabelle 
vom Jahr 1904. Zu der Ausgabensumme von annähernd l'/j 
Mill. Fr. kommt noch '.^ Million Fr. für Gepäckiransport, 
die jedoch ihre Deckung durch besonders verrechnete 
Brief- und Taxmarken findet. 

Alles in allem wurden im ganzen Lande in den 4 Jah- 
ren 1901-1904 jährlich 1 500000-1 600000. 1905: 1618000. 
1906: 1679 470 Personen durch die eidgenössische Post 
befördert. Der Verwaltung erwachst daraus bei 2,2-2.6 
Mill. Fr. Transporteinnahmen eine Ausgabe von 7-8 Mill., 
(1906: 8V3 Mill Franken, somit ein jährliches Defizit von 
5 (1903) bis 6 (1906: 6079000) Millionen Franken. Uebri- 
gens schwindet naturgemäss das Gebiet 
dieser Postkurse von Jahrzehnt zu Jahr- 
zehnt immer enger zusammen vor dem 
stetigen Vordringen und der Verengerung 
des schweizer. Eisenbahnnetzes. Neben 
manchen besser rentierenden Kursen des 
schweizerischen Vorderiandes entgehen 
dem Bunde neuerdings doch auch einige 
mit starken Defiziten arbeitende Gebirgs- 
postkurse. So hat der Wegfall der Post- 
kurse über den Albulapass und den Flim- 
serstein vonBeichenau nach Banz der eid- 
genössischen Postverwaltung im ersten 
0>trieb«jahre der neuen Bahnlinien, Juni 
1903 bis Juni 1904, 252000 Fr. rein er- 
spart. Vom Sommer 1906 an ist eine wei- 
tere Ersparnis eingetreten durch den teil- 
weisen Wegfall der Siniplonpost. Dagegen 
sind in den letzten Jahren neu hinzuge- 
kommen die Kurse über den Klausen und 
die Grimsel. 

Die Entstehung des schweizer. Telegra- 
phettnclzf seit 1852 ist Hand in Hand ge- 
gangen mit der Einführung der Eisenbah- 
nen in der Schweiz und hat sich auch ört- 
lich zunächst eng an diese letztem angelehnt. Die 



bau die Bichlungen Basel-Chiasso und Genf-Bodensee. Für 
die weitere Entwicklung und die Ausbreitung dieses 
modernen Verkehrsmittels im ganzen Lande herum, sowie 
auch seit 1881 für das schweizerische Telrphonuvsen, 
waren im ganzen dieselben Motive massgebend, wie für 
das Poslwesen. Nur dass sich hier noch mehr als beim 
Postbetrieb die finanzielle Last häuft, teils durch die Er- 
stellung und Instandhaltung der Drahtleitungen, teils 
auch durch die besondern Ansprüche und Begehrlich- 
keilen, die der immer tiefer und höher ins Gebirge vor- 
dringende Fremdenverkehr und der demokratische Grund- 
salz der Gleichberechtigung zu Tage fordern. Ende 1905 
verfügte die schweizerische Telegraphenverwaltung über 
6035, Ende 1906 noch über 5898 Kilometer Staatstele- 
graphenlinien (wovon bisher die grössere Hälfte an 
Strassen, die kleinere an Eisenbahnen) mit 22860 bezw. 
23058 Kilometern Drahllange, darunter fast % an Eisen- 
bahnlinien. Die 2206 Telegraphen- und 710 Telephon- 
stationen (zu welch letztern noch 918 Telephonstationen 
mit Telegraphendienst kommen) wurden im Jahr 1906 
durch ein Personal von 4170 Köpfen versehen. Es wur- 
den im Jahr 1906 etwa 1609000 interne Telegramme 
und 2 340 0U0 internationale Telegramme befördert und 
empfangen, mit den 9701)00 Transittelegrammen also ins- 
gesamt 4919000 Depeschen. Gleich dem Postverkehr, ist 
auch der internationale Drahtverkehr weitaus am stärksten 
entwickelt mit Deutschland (770000 angelangte und ab- 
gesandte Depeschen) und Frankreich 1 611 000 Depeschen). 
Schon Italien mit 281 000, Oesterreich mit 181000 und 
England mit 163000 Depeschen stehen dahinter weil zu- 
rück und noch vielmehr alle andren Länder (Bussland: 
90000. Belgien: 53000, Amerika : 59000. Holland: 28000 
u. s. w.). 

Finanziell balanciert die schweizerische Telegraphen- 
verwaltung, bei sehr starker regulärer Amortisation der 
Anlagekosten, in den letzten Jahren mit 3 bis 3V,. 1906 
mit 3'/, Mill. Franken Kinnahmen und Ausgaben. Ein 
kleiner Leberschuss der Einnahmen der letzten zwei 
Jahre (1905: 112000. 19U6: 177 000 Fr.) wurde zu ausser- 
ordentlicher Amortisation verwendet. 

Im engsten Anschluss an das Telegraphen wesen ist seit 
1881, gleichfalls unter eidgenössischer Verwaltung, das 
Telephon in Aufnahme gekommen. In rasch wachsen- 
dem Fortschritt bat es den Telegrammverkehr an äus- 
serem Umfang längst weil überholt. Von 377 km im Jahr 1881 
und 17 000 km im Jahr 1890 ist die Drahllänge des schwei- 
zerischen Telephonnetzes im Jahr 1900 auf 162000 km und 
1906 auf 273000 km angewachsen. Die Linienlänge betrug 
Ende 1906: 16980 km, und es waren "»3711 Telephone 
angeschlossen. Die Zahl der interurbanen Verbindungen 
betrug 753 mit 422-vi ktn Drahtlänge, die Zahl der inter- 
nationalen Verbindungen 48. Von den nahezu 40 Mill. Ge- 
sprächen des Jahres 1906 waren 32.4 Mill. lokale, 6957000 











Au»f?al>cn 






Poltrnuten. 


Zabl der 
Reisenden. 


Ertrag. 


fnr <ton 
I'er«onen- 


lk-riiil 












tranipurt. 










Fr. 


R,. 


Fr. 


Rp 


Fr 


R,. 


Maloja und Engadin 


59198 


277 826 


95 


368752 




— 90 925 


05 


Simplon 


12 234 


117 701 


20 


184 505 


30 


-66 804 


10 




10541 


97 586 


15 


119 210 


10 


- 21 623 


95 


Bern i na 


20 7:*) 


74 013 


75 


127 291 


35 


- 53 277 


60 


Flüela 


10808 


67 516 


Ii5 


103 125 


(Kl 


-35608 


95 




20029 


66 011 


15 


109 «70 


45 


-43 6H8 


30 


Splügen 


12 975 


51 01 1 


40 


94 060 


50 


— 43 049 


10 


Grimsel ... 


5 459 


46 777 


95 


61 361 


95 


-14 587 




Julier 


163«$ 


98906 


80 


94 733 


65 


58 367 


85 


Bernhardin .... 


15116 


SS 088 


25 


83 384 


i»5 


-50 356 


70 


( tfen 


3 213 


28 482 


20 


30 317 


25 


1 B65 


05 




2 8-26 


»038 


15 


25 :$26 


85 


- 4 394 


40 




5624 


17 242 


70 


33 741 


15 


- 16 498 


45 




1 184 


5 178 


20 


15871 


IS 


- 10692 


95 


Lukmanier .... 


1 157 


2 925 


15 


6 265 


- 


- 3 339 


85 


Total . 


15)7 697 


942 599 


95 


1 457 659 25 


515 059 


» 



s- I inlerurbane und 299000 internationale Gespräche, und 
gebenden Grundlinien waren gleich wie beim Eisenbahn- I zwar von den letztem über die Hälfte (161 000 1 im Verkehr 



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SCHW 



SCHW 



-2.-.;. 



mit Deutschland, 93000 mit Frankreich, IßUOU mit Italien 
und llHUK) rnil ( »esterreich. 

Die rasche Ausdehnung des Telephonnetzes und neuer- 
dings die unterirdische Führung vieler Drahte, verhunden 
mit der sehr soliden Amortisationskote von 15% des 
Anlagekapitals hat seit dem Hude der I89l»er Jahre in die- 
sem Betriebszweig zu einer Periode der Defizite geführt, 
die nun aber wieder überwunden ist. Den ordentlichen 
Ausgaben im Betrage von je etwa 7 1 , und l^Oti nind 8 
Hill. Franken standen in den letzten beulen Jahren etwas 
starker* Einnahmen (1905: 7,8; 1906 : 8,8 Mill. Franken) 
gegenüber. Der Ucbertchuss wurde gleichwie bei der 
l'elegraphenverwaltiinp zu ausserordentlicher Amortisa- 
tion des Netze* verwendet. |l>» T 0MUM.] 

IX. Landwirtschaft I . NaVfOMJCMt Paktorkk: Bodtn 
und Klima. Die landwirtschaftliche Produktion, die in 
erster Linie als pllanzliche Produktion aufzufassen ist. 
wird von zwei naturlichen Fakloren, Boden und Klima, 
lieeinlliisst, itii- sich beide in dei Schwei/ durch ihrt aus- 
serordentliche Vielgestaltigkeit auszeichnen. Diese letztere 
bedingt wiederum die grosse Mannigfaltigkeit der Bnden- 
produkte unseres Landes. Beide der genannten Fakloren 
sind im allgemeinen schon in früheren Kapiteln näher 
behandelt worden, so dass wir uns hierauf eine von rein 
landwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgehende Betrach- 
tung beschranken können. 

a) Die schun hinsichtlich ihrer geographischen Gestal- 
tung (Exposition, Höhenlage) so überaus mannigfach ge- 
gliederten Hodenrerhüllntttt' der Schweiz erscheinen noch 
vielgestaltiger, wenn wir sie auf ihre chemische und 
physikalische Zusammensetzung hin betrachten. In der 
Tat finden wir in unserem Land eine Mannigfaltigkeit, 
wie sie in diesem Grade wohl nirgends mehr angetroffen 
werden dürfte: Verwilterungssrhutt. Gletscherschutt, flu- 
vioglaziale Anspülungen , Torfbildungen verschiedener 
Art, Mischtypen von anstehendem Fels und Glazialschutt, 
von Alluvial- und Tnrfbildungen etc. Aus diesem Grund 
können agronomische Karten, die anderswo mit verhält- 



oder einen Bezirk, entworfen werden. Aber auch diese 
im Masstab I AjOUO ausgeführten Karten können nureinen 
kleinen Teil all der Angaben enthalten, die notwendig 
wären, um von den durch die chemische "der physikali- 
sche Analyse festgestellten Variationen einen anschauli- 
chen Begriff zu vermitteln. 

Vuii allgemeinen Kigeiischaften kann immerhin in 
erster Linie auf die F'ulle von Glazialschult und daher 
auch des tonigen und lehmigem Materiales aufmerksam 
gemacht werden, das einen grossen Teil der in landwirt- 
schaftlicher Hinsicht wichtigsten Landschaft, des Mittel- 
landes, uberlagert. Daraus ergeben sich schwere und 
bundige, schwierig zu bearbeitende Bodenarten, die sich 
überall da finden, wo die spezifischen Eigenschaften des 
Tones und Lehmes nicht durch Anschwemmungen modi- 
fiziert worden Bind. F'ür unsere Landwirtschaft erweist 
et sich als glücklicher Umstand, dass diese Alluvialbil- 
dungen in den Thalern und Ebenen sehr häufig und 
tum Teil in grosser Ausdehnung auftreten Sie stammen 
oft von kristallinen Felsarten und Kalkgesteinen zugleich 
und enthalten alle zur Bildung eines guten Bodens in 
chemischer und physikalischer Hinsicht notwendigen Ele- 
mente (Thälerder Ahone, des Bhein, der Aare etc. j. Neben 
dem Glazialschutt und den Alluvialbildungen tritt al- 
Tatsache von allgemeiner Bedeutung auch noch das ver- 
hältnismässig häufige Vorhandensein von Sumpf- und 
Torfboden in den Vordergrund. Diese sind das gleich- 
zeitige Ergebnis der meteorologischen Verhältnisse und 
des orographischen Aufbaues der betreffenden Gegenden. 
Diese lange Zeit als unproduktiv brach gelegenen Boden 
wurden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
Gegenstand von zahlreichen und bedeutenden Verbote- 
rungsunternehmungen. die auf unsere landw irtschaftliche 
Produktion einen mächtigen Einiluss ausgeübt haben. 
Einet der sprechendsten Beispiele für die derart erzielten 
Umwandlungen liefert uns das weitgreifende Unterneh- 
men der Trockenlegung des Seelandea vermittels dei 
Korrektion des untern Aarelaufes. Desgleichen haben 




nJtUg mm WmS» 



Verhalt». m der Uodwirlschaftlichen Bevölkerung zur Getamlbsvölksruog der Schweiz 1 1901 » 



nismässig geringer Mühe angefertigt zu werden vermö- 
gen, bei uns bloss für kleine Gebiete, etwa eine (Gemeinde 



auch die Korrektionen des Bhein, der Hhone und der 
Linth (diese letztere als die zelllich erste 1804-1822) 



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256 



SGI1W 



SCHW 



die Urbarmachung von ausgedehnten Landstreifen gestat- 
tet und die landwirtschaftlichen Verhältnisse eines grossen 
Teiles unseres Landes gründlich umgestaltet. Die an or- 



ehern und schwierig assimilierbarem Zustand vorhanden 
ixt, muss sich unsere Landwirtschaft in ausgedehntem 
Masse Poltasche haltender Düngemittel bedienen, obwohl 



Zug 
Genf 

Schjffh*usen\ 

Appen zc// 
ß*sa/ 
6/arua 
L/nterwj/den 
So/othum 
AfeuenSurg 
Scnwyz 
Tnurgau 
Uri 

Asrgju 
Lu zern 
FraiSurtj 
Ztir/ch 
S?£*//en 
Tes-i/n 

Ws/fis 
Bern 

Grjubünden ■ 
SCHWEIZ 




7000 Km« Prod i Unpr- Ges«nt 
•Areal BodoifUdic 



PR0DUCT1VE.S LAND 



UNPRODUCTIVES LAND 



195 




239 


229 


53 


282 


281 


13 


294 


398 


(7 


415 


443 


19 


462 


449 


243 


692 


617 


147 


764 


762 


29 


791 


692 


115 


807 


761 


147 


908 


847 


164 


101 1 


478 


598 


1076 


1342 


62 


1404 


1373 


127 


1500 


1471 


203 


1674 


1620 


104 


1724 


1840 


179 


2019 


1870 


930 


2800 


2738 


514 


3252 


2868 


2356 


5224 


5391 


1453 


6844 


«34 


2838 


7132 


10900 


10423 


41323 



Rangordnung der Kanlun« nach ihrer Bode nasche. 



VAU.ngersc 



panischen Bestandteilen reichen Sumpf- und Torfboden 
bilden, einmal trocken gelegt und urbar gemacht und 
nachdem sie auf eine mehr oder weniger lang dauernde 
Zeit umgestochen und durch Beifügung von kalkhaltigem 
Dünger verbessert worden sind, einen bemerkenswert 
fruchtbaren Ackerboden, der sich hauptsächlich für inten- 
sive Produktion und für den Anbau von Industriepllanzen 
eignet. So versorgt z. B. heute das Seeland als einzige Ge- 
gend in der Schweiz eine Zuckerfabrik mit Zuckerrüben. 

Neben den mehr oder weniger vertorften und durch 
ihre Seggenvegetation (Carex) ausgezeichneten Sumpf- 
ländereien («Bieden») der Ebene sind auch noch die be- 
sonders im Jura häufig auftretenden sog. Hochmoore 
I französisch • sagnes •) zu nennen, die sich durch da« voll- 
ständige Kehlen jeder kalkigen Ablagerung, wie man sol- 
che in den Rieden als sog. Seekreide in wechselnder Tiefe 
regelmässig findet, und durch das Vorherrschen der den 
Kalk fliehenden Sphagnumarten (Torfmoose) auszeichnen. 
Diese Hochmoore sind sowohl von industrieller wie von 
landwirtschaftlicher Bedeutung, indem sie neben dem als 
Brennmaterial verwendeten Torf auch noch ein geschätzte« 
Düngemittel liefern. Die obersten Schichten eines solchen 
Moores bestehen nämlich aus einer an organischem Stick- 
slofl reichen Torferde, die so ziemlich die Zusammen- 
setzung eines Humusdüngers aufweist und nach Zusatz 
von kalkhaltigen Substanzen und Phosphaten mit Krfolg 
als die Fruchtbarkeit befördernde Substanz verwendet 
werden kann. 

Mit Bezug aufdie chemische Zusammensetzung bewegen 
sich unsere Böllen natürlich innerhalb »ehr weit gesteck- 
ler Grenzen. Als allgemein verbreitete Eigenschaft kann 
immerhin ihre Armut an Phosphorsäure hervorgehoben 
werden, die durch eine grosse Anzahl von Analysen der 
allerverschiedenslen Bodenarten erwiesen worden ist. Alle 
die Felsarten, die bei uns am häutigsten auftreten und 
am meisten zur Bildung unserer Boden beitragen, ent- 
behren ganz oder nahezu der Phosphorsäure. Ks trifft 
dies aufdie Molassesandsteine und -mergel, wie auf die 
kalke (mit einigen wenigen Ausnahmen von rein lokaler 
Bedeutung), die kristallinen Gesteine etc. zu. Häufiger 
tritt Pottasche auf. wenigstens in den tonigen und Jen 
aus der Verwitterung von phosphatischen Gesteinen ent- 
standenen Boden. Da sie aber hauptsächlich in unlosli- 



deren Wirkung nicht eine so regelmässig sichere ist. wie 
diejenige der phosphatischen Dünger, fliese letztern (be- 
sunders die basischen Phosphate oder l'hosphntschlacken 
und die Superphoiphate) bilden seit einem Vierteljahr- 
hundert Gegenstand einer beträchtlichen Einfuhr. Ea 
erscheint als sicher, dass die enorme Vermehrung der 
schweizerischen landwirtschaftlichen Produktion mit dem 
rationellen Gebrauch von phosphatischen Düngemitteln 
im direkten Zusammenhang steht. 

h) Dem KlitnQ der Schweiz eigentümlich sind haupt- 
sächlich die häufigen und auch verhältnismässig reichlichen 
atmosphärischen Niederschläge. Eine Ausnahme von die- 
ser Regel machen nur wenige Gegenden, darunter als be- 
deutendste diejenige, deren Mittelpunkt etwa mit Sitten 
im Wallis bestimmt ist. Folgende, einer später noch zu 
nennenden Arbeit von A. Volkart entnommenen Ziffern 
geben über diese Verhältnisse nähere Auskunft: Auf einer 
Fläche von 75% des gesamten Schweizerlandes übersteigt 
die jährliche Niederschlagshohe die Summe von 100 cm. 
Die gleiche Summe ergibt sich in Irland auf 60%, in 
England auf 35%. in Frankreich auf 8% und in lieutsch- 
land auf bloss 3% der Gesamtfläche. Auf 20% der Fläche 
der Schweiz entfällt eine jährliche Niederschlagshohe von 
85—100 cm und auf bloss 5% der Fläche eine solche von 
unter 85 cm, während dieses letztere Verhältnis für 90% 
der Fläche des Deutschen Reiches und für 8*2" „ derjenigen 
von Frankreich zutrifft. 

Dieses feuchte hlima bedingt im Verein mit dem stark 
gegliederten Aufriss des Landes und häufig auch mit der 
mechanischen Zusammensetzung der Boden (steinige und 
kiesige Hoden) das Vorherrschen des Futterbauesund 
damit auch der Viehzucht, wahrend diejenigen Kultu- 
ren, die zum vollständigen Ausreifen der Früchte eher 
eines trockenen Klimas bedürfen, d. h. namentlich die 
Zerealien, bei uns weit weniger günstige Bedingungen 
vorlinden. In der Tat zeigt denn auch die Statistik, dass 
sich in der Schweiz das Verhältnis der Wiesen (exkl. 
Weiden) zum Ackerland auf 1 : 0.9 stellt, während es z. B. 
im Deutschen Reich I : 4,5 beträgt. 

2. Pklanzuche Phodi ktiun. Wenn auch die schweileri- 
sche Landwirtschaft infolge der natürlichen wie der wirt- 
schaftlichen Zustande auf die immer »eitere Ausdehnung 
des Futterbaues hinarbeitet, dem unsere Alpweiden noch 



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SCIIW 



SCHW 



257 



hu/ besondern Charakter verleihen, so nehmen doch 
auch die übrigen Kulturen ihren, oft recht bedeutenden, 
Platz ein. Die vielgestaltigkeil den Hodens, des orographi- 
schen Aufrisses und der Hohenverhältnisse bedingt eine 
Mannigfaltigkeit der pflanzlichen Erzeugnisse, wie sie im 
gleichen Mass von keinem andern Land erreicht wird. 
Ha uns eine eingehende Darstellung aller dieser Erzeug- 
nisse zu weit führen würde, beschränken wir uns darauf, 
über die bedeutendsten derselben einige Angaben zu 
machen. 

a) Der Fullerltau erscheint in drei verschiedenen For- 
men : als Weiden, Wiespn und Futterbati im Felde 
(kunstwiesen). Nach Prof. Kraemer um fasst die Schweiz 
auf einer Gesainiflache von 21784X0 ha landwirtschaftlich 
benutzten Bodens (exkl. Wald und Heben): 

Weiden 795000 ha, d. h. 3B£%deis produkt. Bodens 
Wiesen 695000 » » »31,9% » » » 
Kunstwiesen 186300 >• » » 8.5 % » » • 



im (tanzen 1 676300 ha, d. h. 76.0 " , des produkt. Bodens. 
Ks ist dies ein enormes Verhältnis, das mit Ausnahme 

Englands von keinem andern Land Europas erreicht wird. 

Sucht man den jährlichen Ertrag dieser Produktion zu 

bestimmen, so gelangt man zu folgenden Zahlen (die wir 

dem von A. Volkart verfassten Artikel Futterttau in Prof. 

Beichesberg's Hantiu\'irterbuch <ii>r tchvoetteriichen Volkx- 

wirttckaft, 2. Band 1005, entnehmen): 

Weiden Fr. 20328000 

Wiesen . 222 400000 

Kunst wiesen » 83835000 



Art der Produktion. 



Total Fr. 33556;$ 000. 
Diese gewaltige Produktion wird in ihrer Gesamtheit 
als Nahrung für den schweizerischen Viehstand verwendet, 
was bei unserer ziffernmässigen 
Kenntnis dieses Viehbestandes eine 
interessante Kontrolle der eben an- 
geführten Zahlen, die auf Schätzung 
und nicht auf einer bis ins Ein- 
zelne gehenden Statistik beruhen, 
gestattet. (In der Tat verfügt die 
Schweiz bis heute leider noch nicht 
uber eine das ganze Land um- 
fassende landwirtschaftliche Stati- 
stik. Die in dieses Gebiet fallen- 
den Erhebungen gehören immer 
noch in den Tätigkeitsbereich der 
Kantone, von denen bloss einige 
wenige ( Waadt, Zürich, Bern) eine 
ausführliche landwirtschaftliche 
Statistik aufzuweisen haben. Am 
0. August 1005 ist zum ersten- 
mal eine eidgenössische Zählung 
der landwirtschaftlichen Betriebe 
vorgenommen worden, doch sind 
deren Einzelergebnisse zur Zeit erst 
für einige wenige Kantone liekannt). 
Die oben erwähnte Kontrolle ist von 
Pror. Kraemer durchgeführt worden, 
der. gestützt auf die Viehzählung 
1 1896. dengesamten Futterbedarr 
•»ebnete und. indem er von die- 
die jährliche Mehreinfuhr von 
Futter abzog, eine Summe von Fr. 
333474 780 erhielt, die somit den 
Wert der schweizerischen Futter- 
produktion darstellt. Diese Summe 
stimmt mit derjenigen, die Volkart 
auf anderm Wege nerausgerechnet 
hat. bis auf 2 Mall. Fr. überein und 
bildet also i-ine sehr bemerkenswerte 
Bestätigung derselben. 

b) Waldungen. Wenn man sich 
an die Einteilung nach der Flächen- 
ausdehnung der Kulturen hält, reiht 
sich dem Futterbau unmittelbar der 
Wald an. Die schweizerischen Waldungen umfassen nach 
dem Statittueheti Jahrlnich der Schweiz für 1906 rund 
878500 ha, d. h. etwa 21 % der Gesamtfläche des Landes. 



Die Schweiz ist somit, mit ihren Nachbarstaaten vergli- 
chen, weniger bewaldet als Oesterreich (SS 0 /«) und 
Deutschland (26%), mehr dagegen als Frankreich (16%) 
und Italien 120%). Von grosser Wichtigkeit mit Hin- 
sicht auf die Schutzmassregeln sind die Eigentums- 
verhältnisse der Waldungen. Von der gesamten Wald- 
fläche entfallen 4.5% auf die Staatswaldungen und 
66,0% auf die Gemeinde- und Korporalionswaldungen, 
sodass für die Privatwaldungen bloss 28,6% übrig 
bleiben. In keinem andern Land zeigt sich ein so 
starkes Verhältnis des öffentlichen Besitzes. Diese Er- 
scheinung ist eine günstige Bedingung für die Vollziehung 
der Forstgesvtzgebung, die in der Schweiz noch mehr als 
anderswo auf den Schutz des Waldes hinarbeiten muss, 
da dieser letztere selbst wieder dem Boden Schutz bietet, 
sei es direkt durch sein Verhalten gegenüber Lawinen, 
Srhuttrutschungen etc., sei es indirekt durch seinen 
überwiegenden Einfluss auf die Ausgleichung des Wasser- 
haushaltes. Es ist schwierig, einen Durchschnitt der 
Produktion oder des Ertrages aufzustellen, da diese Ziffern 
je nach der Höhenlage der Waldungen beträchtlich 
schwanken. Die am Ihm listen gelegenen Waldungen, die 
zugleich auch weitaus die ausgedehntesten sind, zeigen 
natürlich ein schwächeres Wachstum und daher auch einen 
geringeren Ertrag als die Wälder der mittlem und 
untern Zone. Diese letztern sind bei uns ausserordent- 
lich ertragreich, sodass unser Land mit Benig auf den 
Zuwachs vielleicht das am günstigsten gestellt«? Ge- 
biet darstellt. Der von Landolt im Jahr 1882 aufgestellte 
Durchschnitt von 3,57 iiv' Zuwachs per Hektare und Jahr 
darf jetzt wohl allgemein als ein Minimum betrachtet 
werden. 

ci Die (telrt'idfurttm umfassen, trotzdem betrachtlichen 
Bückgang ihres Anbaues während des letzti-n Vierteljahr- 
hunderts, nach einer vom schweizerischen Dauernsekre- 



Wert tn:n Gesämtpropi ktios nten Schweiz» bischen Lasowihtsuukt. 
iSctuiUuntfcn d«« «••hweizcr. BaMraMknUrUlMl 



Mitte der 
»ler Jahr« 
Fr. 



Getreidebau 

Kartoffel hau 

Hanf- und Flachsbau . . 

Tabakbau 

Verschiedene Kulturpflanzen 
Heu an die nicht landwirt- 
schaftliche Pferdehaltung 

Weinbau 

Obstbau 

Gemüsebau 

Bindviehzucht 

Bindviehmast (inkl. Mast- 
viehexport) 

Pferdehaltung 

Schweinehaltung . . . . 

Schafhaltung 

Ziegenhaltung 

Geflügelhaltung . . . . 

Bienenzucht 

Molkereiprodukte .... 



39000000 
24 47 !0<iO 
1804 000 
1000 000 
250000 

3600000 
49 240000 
40500000 
25926000 

6485000 

96250000 
288000 
38221000 

3SOOOOO 

12250000 
13256000 
2286000 
176597000 



5U3I4000 100.00 



7.16 
4.50 
0.35 
0.17 
0.04 

0.66 
9.05 
9.09 
4.76 
1.19 

17.68 
0,05 
7.02 
0.70 
2.25 
2.43 
0.41 

32.49 



(p»OV 

SehaUungl 
Kr. 



21300000 
27000 000 
19000UO 

law ooo 

400000 

4500000 
45000000 

flooooooo 

26400000 
5600000 

156300000 
.350000 
61480000 
2 590 000 
13260000 
14000000 
3000000 
280 1X0 000 



730 20U 000 



3,93 
3,70 
0,36 
0.14 
0,05 

0.62 
6.16 
8.21 
3.(51 
0,77 

21.40 

0.05 
8.43 
0,35 
1,81 
1,91 
0.41 
39.20 



f'ro/*oti»rbe 
Zu- «dor 
Abnahme 



100.00 



- 45.38 
+ 10.33 
+ 0,32 

+ 60,00 

+ 25,00 

- 8.61 
+ 21.21 
+ 1.83 

13,64 

+ 62,39 
+ 21.52 
+ 60.85 

- 31 .84 
+ 8.24 

5.61 
.23 
!.05 



+ 5.(i 
+ 31.2 
+ 62.0 



+ 34,16 



Die Vermehrung der Jahre»|.roduklion betragt rund lsnuuooui Fr. 

Auf den Arheilniag der In der Landwirtschaft erwerb»Uitigeu 

Farnllieaglicder — 88 » 

Auf die Prei«erhrtbu tigen rmtfallon ruod ... M5 OUtlOUO » 

Auf de i Arbeitstag der In dar I,andwirWchafl erw«rb<tatlgen 

Farnilienglioder - . 25 " 

Die wirkliche Produklion«vermehrung betraft «omit rund . . 184 000 OU » 
Auf den A'beiUlair der in dor Landwirtschaft erwerbstätigen 

Kamilienglieder — . 63 >. 



tariat aurgestellten Statistik immer noch eine Gesamtfläche 
von 196 148 ha, die sich auf die einzelnen Arten wie folgt 
verteilen : 



2t)5 - 



v - 17 



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258 



SCHW 



SCHW 



Weizen 6821« ha 

Hafer 0335 » 

Korn 38612 ■ 

Roggen 313(8 » 

Gerste 8562 . 



Total lS*>1i8ha. 



Fläche de» mit Getreide bepflanzten Bodens nicht ver- 
mindert. 

d| Hinsichtlich der Bedeutung für die Produktion un- 
seres kultivierten Bodens folgt auf das Getreide unmittel- 
bar die Kartoffel, deren Areal nach den Ziffern des schwei- 
zerischen Bauernsekretariates auf 81319ha geschätzt wird, 
auf denen im Jahresdurchschnitt rund 8' ; Mill. Meter- 
zentner eingeerntet wer- 



Schwjz 
Solothum 
Frei barg 
Baselland 
Graubünden 
S'.Gallen 
Bern 
SchafTh. 
Neuenburg 
Thurgau 
Genf 
Aargau 
Wallis 
Zürich 
Tsssin 
Waadt 




M"Bon B JtC 



Dsr «■ohweizerUcbe Weinbau nach Kantonen. 



Der durchschnittliche jährliche Erlrag des Getreide- 
baues wird auf 2308000 Meterzentner geschätzt, welcher 
Summe noch rund 125000 Meterzentner von besonders 
im 'I '■■--in und im Rhone- und Bheinthal angebautem Mais 
angefügt werden müssen. Damit übersteigt der totale 
Kornererlrag der in der Schweiz angebauten Getreide- 
arten die Summe von 3 Millionen Meterzentnern, deren 
Wert auf ungefähr 54 Millionen Kr. geschätzt werden 
kann. Dieser Köruerproduklion entspricht eine Stroh- 
produktion von etwa 6280000 Meterzentnern, deren 
Geldwert auf 30'<« Millionen Fr. geschätzt wird. Die 
Gesamtsumme der jährlichen Getreideproduktion der 
Schweiz beläuft sich also, für Frucht und Stroh zu- 
sammen, auf 81 Millionen Fr., was pro Hektare einem 
Betrag von rund Fr. 430 gleichkommt. Man sieht, dass 
der »o wichtige Getreidebau, wenn er auch mit Bezug 
auf die ihm eingeräumte Fläche zurückgegangen ist, 
dennoch hinsichtlich des Ertrages pro Flächeneinheit 
grosse Fortschritte gemacht hat. Dieser Ertrag über- 
schritt um die Milte des 1». Jahrhunderts für das Korn, 
die wichtigste der Getreidearten, kaum ~-X Hektoliter 
pro ha, während er heute bis auf rund 20 Hektoliter pro 
ha angestiegen ist und sich somit in einem halben Jahr- 
hundert mehr als verdoppelt hat. 

Die inländische Gctreideproduktion genügt aber bei 
weitem nicht dem Bedarf, von dem sie bloss etwa 35% 
deckt, sofern man den gesamten Verbrauch von Zerealien, 
denjenigen zum Unterhalt der Haustiere inbegriffen, ins 
Auge fasst. Berücksichtigt man dagegen bloss den Bedarf 
an Korn, so ergibt sich, dass die inländische Produk- 
tion nicht mehr als 21,5% desselben deckt, d.h. mit 
andern Worten, dass sie die Bexölkerung der Schweiz 
jährlich bloss auf die Dauer von 78 Tagen zu ernähren 
vermöchte. Diese Erscheinung darf gewiss einige Besorg- 
nis erregen und hat z. B. auch die Anlage von Weizen- 
vorräten von Seiten des Bundes veranlasst. Es erscheint 
aber nicht als wahrscheinlich, dasa sich die Lage in der 
Folge noch verschlimmern werde. Im Gegenteil hat 
sich in verschiedenen Teilen des Lindes bereits eine 
Reaktion geltend gemacht oder zum mindesten die 



den. Diese Produktion deckt 
den Bedarf bis auf 1 , Mill. 
Meterxentner.il ie eingeführt 
werden müssen. Zu bemer- 
ken ist. dass die Kartoffel- 
ernte, wenn auch nur zu 
einem kleinen Teil, in Bren- 
nereien unseres Landes zur 
Erzeugung von Alkohol in- 
dustriell verwertet wird. Zu 
diesem Zweck werden jähr- 
lich etwa lfiOOOO Meterzent- 
ner Kartofleln verwendet. 

e| Auch die übrigen /n- 
du$trief>(lanzeti, d. h. die- 
jenigen, die verschiedenen 
Industrien als Rohmaterial 
dienen, wie Runkeln.Tabak, 
Teitü- und Oeluewächse, 
sind in unserm Land alle 
vertreten, werden aber nur 
in sehr beschränktem Um- 
fang angebaut. Für unsere 
Landwirtschaft sind sie 
nicht von allgemeiner Be- 
deutung, wenn sie auch hie 
und da lokal als ziemlich 
wichtig erscheinen. So z. B. 
der Tabak hau im Thal der 
Brove und im Tessin, der 
dic'Zuckf rfabrik Aarberg ver- 
sorgende Anbau derRunkel- 



Base/- Stadt 
Genf 

\idwalden 
App f. ftft. 
SchafThau 
Glarus 
0b*alden 
Uri 
lug 

Basel- Land 
App ARh 



Scfiwyt 
Solothurn 
Tessin 
Thurgau 
Wallis 

Graubunden 
Aargau 
Tre/burg 
Waadt. 
Zürich 
S'Gallen 
luzern 

Bern 




VAti.ngtrx 



K*ii!<>n«w<il*t* Verteilung der Kindviehballung 
luacb der Zahlung iw 19« April MM), 

rübe iZuckerrübe) im Seeland, ferner in neuerer Zeit 
auch der Gemüsebau zur Versorgung verschiedener Pa- 



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SCHW 



SCHVV 



259 



briken von Gemüse- und Obstkonserven iSaxon, Kerzers, 
Lenzburg) Der Gemüsebau hat übrigens auch in allen 
denjenigen Gegenden, die einen bequemen Absatz nach 
einer benachbarten Stadt sichern, einen sehr beträcht- 
lichen Aufschwung genommen und bildet dann eine der 
ergibigsten Arten der Bodennutzung. 

f) Zu erwähnen bleiben in unserer Uebersicht der wich- 
tigsten Bodenerzeugnisse der Schweiz endlich noch der 
Obtt- und der Weinbau. Das der Weinrebe einge- 
räumte Areal nimmt seit dem Auftreten der Krankheiten, 
die den Weinbau so vollständig umgestaltet haben, von 
Jahr zu Jahr ab. Heute wird dieses Areal nicht viel mehr 
als '28000 ha umfassen. Eine genauere Bestimmung des- 
selben dürfte wegen der im Kanton Tessin üblichen 
Arl des Anhauen schwierig sein, indem dort die Hebe 
in der Form der « Pergolata * (d. h. als » Bach ») oder an 
lebenden Bäumen zusammen mit Mais, Hirse oder Ge- 
müsen gezogen wird. 

Dem Stalisliichen Jahrbuch der Schweiz für 1905 ent- 
nehmen wir folgende Zusammenstellung der Anbaufläche 
des Weinstockes, sowie des Krtrages und Geldwertes des 
schweizerischen Weinbaues : 

DerEr trag der sch we i- 
xer. Hebberge darf also 
jahresdurchschnittlich 
auf etwa 1 Mill. Hekto- 
liter geschätzt werden, 
welche Menge dem Be- 
darf kaum zur Hälfte 
genügt und überdies 
in schlechten Jahren 



wesen, wieder in ein normales Geleise zu bringen, doch 
ist vorauszusehen, dass in Erwartung der Resultate das 
Areal der schweizerischen Weinberge mehr und mehr 
zurückgehen wird. Während vor etwa 50 Jahren die von 
den Weinbergen beanspruchte Fläche noch auf etwa 
38000 ha geschätzt wurde, gibt das Slalitlinche Jahrbuch 
für 1905 bloss noch eine Fläche von 28184 ha, was in 
runder Zahl einer Verminderung um 24" „ entspricht. 

Weniger genau ist man über den Umfang des Obst- 
baues unterrichtet, für den übrigens deshalb keinerlei 
Fhirhcnziirer ermittelt werden kann, weil <lic liaumgarten 
bei der Statistik des Futterbaues mitgezählt werden und 
vereinzelte Bäume den Boden nur beiläufig in Anspruch 
nehmen. Nach einer Ermittlung des schweizerischen 
Bauernsekretariates zählt die Schweiz (in runden Zahlen) 
6 Millionen Apfelbäume. 3800000 Birnhäume, 2 Millionen 
Zwetschaenbäume und fast ebensovicle Kirschbäume. 
400000 Nussbäume. Der jahresdurchschnittliche Gesamt- 
ertrag aller dieser Obstbäume wird auf 5 100000 Meter- 
zentner mit einem Wert von etwa 55 Mill. Fr. geschätzt. 
Trotzdem diese Zahlen nur auf unsicherer Schätzung be- 
ruhen, indem bloss wenige Kantone eine genaue Zählung 



. 

Anbaufläche ha 
Total-Ertrag hl 
Total! ield wert Fr. 


IndeMv^ar 
Jahren. 


UM 


1908 


1903 


um 


1900 


3304« 
1 38-2 (XX) 
49 240 000 


31827 

1 356 000 

30908000 


30892 
1 190 000 
36 212 000 


29 (XXt 

989 000 
38 548 000 


28 831 
1 267 IX» 
45009 000 


28184 
1 290000 
36 364 000 



bei weitem nicht erzielt wird. 

Der Weinbau bildet denjenigen Zweig der schweizeri- 
schen landwirtschaftlichen Produktion, der unter den 
wirtschaftlichen Umwandlungen des letzten Jahrhunderts 
am meisten gelitten hat: Konkurrenz der ausländischen 
Weine. Yerteuerungder Arbeitslohne, Verheerungen durch 



der Obstbäume sich angelegen sein lassen, zeigen sie doch, 
dass unser Obstbau gedeiht. Während der letztvergange- 
nen 20-30 Jahren hat er sich unter dem Einlluss von 
Schulunterricht. Wandervorträtren. praktischen Kursen 
etc. mächtig entwickelt. 
3. Vikiihai.tin». her Viehbestand der Schweiz rar- 



Slück Rindvieh 
auf 1000 Ein ^. 

j Von 0 




Hl 300000 



Riiidviehhallung der Schwei* 



schädliche Kryptogamen und durch die Beblaus. Es wer- 
den grosse Anstrengungen gemacht, um diesen Zweig der 
Landwirtschaft, der einst der einträglichste von allen ge- 



braucht neben der gesamten mächtigen Futtcrprodiiktion 
unseres Landes, von der wir schon gesprochen haben, 
noch eine Menge von Stroh, gepresstem Futter. Nähr- 



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960 



SCHW 



SCHW 



mehlen etc.. die in hunderttausenden von Meterzentnern 
vom Ausland her eingeführt werden müssen. Schon dieser 
Umstand lassl die hervorragende Bedeutung erkennen, 
die in unserem Land der Tierzucht zukommt. Dieser 
Zweig der Landwirtschaft vermag allein Produkte für die 
Ausfuhr zu erzeugen und Rohstoffe für Industrien zu lie- 
fern, welche zu den blühendsten des Landes gehören : 
Herstellung von Käse und andern Milchprodukten, rabri- 
kation von kondensierter Milch und von Milchschokoladen. 

Ks ist somit die Zucht des Milch erzeugenden Rindviehes 
in der Schweiz von grosser Bedeutung. Folgendes ist, 
nach der eidgenössischen Viehzählung vom 20. April 11106, 
der schweizerische Viehbestand: 149/901 «191)1 : 1340375) 
Stück Rindvieh, wovon 785577 {1901: 739922) Kühe; 
584 355 (19(>1. 555 261) Schweine; 135091 (1901: 124 896 1 
Pferde, 313« (1901:3077) Maultiere und 1652(1901: 1789) 
Esel , 209243 (1901: 2194381 Schafe und 359913 (1901 : 
351 634) Ziegen. Dazu kommen noch « 1901 1 242541 Bienen- 
stöcke. Unter Beiscitelassmig dieser letztern ergab die 
Zählung von 1906 einen Gesamtviehbestand von 2 755291 
Stück, diejenige von 1901 einen solchen von 2599 470 Stuck 



und diejenige von 1896 einen solchen von 2675 222 Stück. 

Man begreift, dass eine Schätzung des jahresdurch- 
achnittlichen Ertrages, den das durch den schweizerischen 



Viehbestand repräsentierte mächtige Kapital abwirrt, sehr 
schwierig ist. So muss z. B. beim Rindvieh, das weitaus 
an erster Stelle steht, Bücksicht genommen werden auf 
1) die Produktion von Zuchtvieh. 2j die Fleischproduktion 
und 3) die Milchproduktion. Auf Grund der Zählung von 
1896 hat man im Jahr 1900 den Wert des Zuchtviehes 
auf Fr. 44 429 000. 

denjenigen der Fleischproduktion auf • 107 892000 
und denjenigen der Milchproduktion auf » 235727000 
geschätzt, zusammen also 

auf Fr. 3X8 018000, 

von welcher Summe abzuziehen ist 1) der Wert «1er zum 
Ersatz des abgehenden Schlachtviehes notwendigen Auf- 
zucht mit Fr. 40355000 und 2« der Wert der zur Aufzucht 
und Mast verwendeten Milch mit Fr. 34 709000. Es ver- 
bleibt somit eine Gesamtsumme von 3129K400«) Fr., die den 
Ertrag darstellt, den die schweizerische Landwirtschaft 
jährlich allein aus der Umgestaltung der Futterproduk- 
tion durch das Bindvieh erzielt. 

Geber den Wertdes Viehbestandes im allgemeinen 
gibt das schweizerische Bauernsekretariat (vergl. Sinti- 
Htitche Notizen über die. Entwicklung der $rhuvi:eri*vhrit 
Landwirtsrhaft in den letzten 'J't Jahren ; zum Vortrage 
von Dr. E. Laur, gehalten . . . 1907) folgende Zusainmen- 



WF.MT DES SCHWEIZERISCHEN VIEHBESTANDES. 



Vi«hb«itind 


| UM 


190« 


IVawstmk« 




Kr 


Kr 


0' 

'o 


Wert der Pferde . . 


51215000 


91521000 


+ 84.45 


• » Maultiere . 


960000 


1 530000 


+ 59.37 


» • Esel . 


191 000 


256000 


+ 31.95 


» «les Bindviehes 


300853000 


527 797000 


4- 46.26 


• der Schweine . 


20997000 


42 655000 


-f-103.15 


» » Schafe . . 


6836000 


46030110 


— 32.66 


» » Ziegen . . 


7 491 000 


9358000 


4-24.87 


Total 


4l87»7T0ÖÖ 


«580 722 000 


4- 51.75 


Wert d. Bienenvolker 


6222000 


1901 

7 2S8 000 


4- 17.13 



Die Zahlen von KSd sind amtlich, die von I90G wurden 
vom lUuero-ekrelanst. (.-»««Clin auf die amtlichen Werlo 
von 1901, berechnet l>er (iaaamlwert dar achweizenaciien 
Fl« i so h p r od u k 1 i o n bellet «K-b. nach derselben Quell*. 
■ uf Kr. ItfKlUUOO i in Jahr und auf Kr. 211X11)000 im 
Jahr 1«»', Oi-oamtvert d»» Kl o i sc h v» rh ra u c h e » Fr. 
I7«<W>»I0«I im Jatir is.sf. und Kr 171 00t« im Jahr ISO» 



welche diese letztere in unserem 
können wir hier nicht eingehen. 

4. MlU.HPHODi'KTloN. Die Milch bildet ein Produkt der 
Landwirtschaft, das besonders in unserm Lande sowohl 
mit Bezug auf Minen Verbrauch im Bohzusland als auch 
hinsichtlich seiner industriellen Verwertung von hervor- 
ragender Bedeutung ist, so dass einige nähere Zahlen- 
angaben erwünscht sein werden. Wir stützen uns dabei 
auf die Schätzungen des Bauernsekrelariatea für die Jahre 
1886 und 1906. Das Total der Milchproduktion betrug 1886 
nicht weniger als 15552000 hl und war 1906 auf 21 574000 
hl gestiegen, was einein Geldwert von Fr. 215 '4/0000 bezw. 
Fr. 333210000 entspricht. Zieht man davon Fr. 38903000 
bezw. Fr. 47030000 als Wertbetrag der zur Aufzucht und 
Mast verwendeten Milch ab. so verbleiben als Geldwert 
der als Nahrungsmittel der Bevölkerung, sei es direkt 
oder nach Umwandlung durch die Milchindustrien ver- 
wendeten Milch, die Summen von Fr. 176 597 000 bezw . 
Fr. 2X6 180000. Für das Jahr 1906 lässt sich der direkte 
Milchverbrauch der Bevölkerung der Schweiz auf 10391 000 
hl schätzen, was pro Kopf der Bevölkerung jährlich rund 
300 Liter ausmacht. Für Kondensation, Kindermehl- und 
Schokola«lefabrikation b.-läun sich der Milch verbrauch auf 
986000 hl. für die technische Verarbeitung in den Senne- 
reien auf 6838000 hl und für Aufzucht und Mast auf 
3359 000 hl. Es verteilt sich somit die von der schweize- 
rischen Landwirtschaft produzierte Milch im Jahr 1906 
wie folgt : 

Direkter Verbrauch 48 % 

Milchindustrien .V, 
Sennereibetrieb 32 •/, 

Aufzucht und Mast 15 % 

Total loo%. 

5. HoiiF.NVERHE-ssERi \«i. Nach diesem kurzen Ueberblick 
über die Produktion des schweizerischen Bodens müssen 
wir auch noch mit einigen Worten dessen gedenken, was 
hinsichtlich der Verbesserung und der Fortschritte in der 
Ausnutzung dieses Bodens getan worden ist. Diese Fort- 
schritte sind so gross, dass man heute die — direkte und 
indirekte — Bodenproduktion der Schweiz ohne Ueber- 
treibung auf das Dreifache derjenigen vor hundert Jahren 
einschätzen darf. Zu dieser Wertsteigerung unseres Bo- 
dens haben verschiedene Faktoren beigetragen. Zunächst 
fallt da in Betracht die Einführung von Futter- 
pflanzen, wie Klee. Esparsette und Luzerne, die eine 
bessere Fruchlfolge im Fruchtwechsel gestatten und zu- 
gleich auch als Ameliorativpflanzen anzusehen sind, da 
sie zur Erhöhung des Stickstolfgehaltes im Boden bei- 
tragen. In zweiter Linie ist der Fortschritte zu gedenken, 
die die Bearbeitung des Bodens durch die Vervoll- 
kommnung des Pfluges und anderer landwirtschaft- 
licher Gerätschaften erzielt hat. Die wichtigste Rolle in 
der Verbe*serung unseres Bodens spielt aber die Dün- 
gung, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die 
Einfuhrung des künstlichen oder chemischen Düngers 
einen mächtigen Einfluss ausgeübt hat. Nach neueren 
Schätzungen werden von der schweizerischen Landwirt- 
schaft gegenwärtig dem Boden neben dem natürlichen 
Dnnger Jahr für Jahr gegen 10 Mill. Fr. unter der Form 
künstlichen Dungers einverleibt. Die Mehrung der Erträge 
infolge dieser kunstlichen Düngung hat sich namentlich 
da nachweisen lassen, wo (wie z. B. auf den Bergweiden) 
solche Mittel zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit zum 
erstenmal zur Verwendung gekommen und schon bei 
einmaliger Anwendung drei- bis vierfache Erträge erzielt 
worden sind. Zu bemerken ist ferner, dass die Düngung 
mit natürlichem Dünger ihrerseits gleichfalls im geraden 
Verhältnis zur Vermehrung des Viehbestandes und zur 



Ein letzter wichtiger Faktor zur Erzielung einer erhöh- 
ten landwirtschaftlichen Produktion besteht in denjenigen 

und Bodens, die kollektive 



Die mitgeteilten Zahlen genügen, um einen BegrifT von 
der wirtschaftlichen Bedeutung der schweizerischen Land- 
wirtschaft zu vermitteln. Auf die bedeutende soziale Bolle. 



ingen des Grund 
Arbeit erfordern, und oft im Interesse eines 
Teile« des Landes liegen, so dass sie das Einschreiten des 
Staates notwendig machen und zum Erlass von besondern 
Spezialgesetzen Veranlassung geben. 

6. Staatliche Flrsohi.e i so Gesetzueiung. Infolge 
ihrer BodenbeBchafTenheit ist die Schweiz mehr als irgend 
ein anderes Land den Verheerungen ausgesetzt, die durch 



uigin 



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SCHW 



SCHVV 



ser. Erdrutschimgen. L'nterspulungen, Abbruche 
etc. verursacht werden und zuweilen beträchtliche Flächen 
landwirtschaftlichen Bodens auf lan^ie hinaus der l'roduk- 
lionsfahigkcit bemühen. Ausserdem überlaset man auch 
oft ausgedehnte Bodenflächen deshalb der natürlichen 
lierasung, weil ihre natürliche Feuchtigkeit sie für die 
Kultur untauglich macht. Um all' diesen ungünstigen 
Einflüssen entgegenzuarbeiten, lassen sich zweierlei Kate- 
gorien von Arbeiten ausfuhren: 1) Flusskorrektio- 
nen und Wild bach verbauungen, neben denen auch 
tioch die zur He^ulierung des Wasserhaushaltes so nütz- 
lichen Aufforstungen genannt zu werden verdienen; 
2) Entwässerungsarbeiten vermittels Drainage und, 
in selteneren Fallen, auch durch Kolmation. 

hie Beteiligung des Bundes an Korrektions- und Auf- 
forstungsarbeiten wird vorgesehen durch Art. 23 und 2V 
der Bundesverfassung von ISTi. Auf dein speziellen Ge- 
hiete der Landwirtschaft ist zunächst das besetz von 
1881, 



nicht geographisch sondern rein hi- 
gilt vor allem für die grossen tex- 



der Hauptsache 
storisch bedingt. Bas 

tilen Hauptindustrien der deutschen Nord- und Ostschweiz, 
aber aucli für die jurassische Uhrenfabrikation und die 
meisten andern Hauptindustrien. 

Anfänge der I n d u st rie — das Wort Industrie (im 
Gegensatz zur Urproduktion'! in dem Sinne der Umfor- 
mungs-, Veredlungs- und Finierungsproduktion über den 
lokalen Bedarf hinaus zum Absatz nach aussen angewen- 
det — weist die Schweiz schon im Mittelalter auf. Zu ric h 
hatte im 1.3. und Ii. Jahrhundert seine Seidenindustrie, 
Basel seine Wollweberei und im 1.">. Jahrhundert eine 
blühende Baumwollbuntweberei. Das Konzil (I43l-Iii'.)> 
fügte dazu die Uupierfahrikation. und die tirundung der 
Universität ; 14410) zog eine glänzende Entfaltung der Buch- 
druckerkunst in Basel nach sich. St. Gallen und Bern 
halten ihre Leinwand- und letztere« seine Woll- und 
Halblein weberei. In Bern und Freiburg stand die Ger- 
berei in höher Blüte. Aber im Ganzen bewegte sich das 



Anuhl der Schweine 
au f 1000 Cinw. 

Wen O-IOO 

101 - 200 

I« 20/ -300 

i • 3OI-i:00 

HB 

DurchschnilUzahl Für 






mm-: JK^ W*- * 

^WMaß& Iii 



■m^ :.i :^>s.. 

um- 





w^sMät\ 



Ns^- / 



FV,n \ < ■ / ^ 





Schweinehaltung der Schwell 



departementes festsetzt, als der entscheidende Schritt in 
der Dichtung des Schutzes und der Förderung der Land- 
wirtschaft durch den Bund zu betrachten. Auf dieses 
Gesetz stützt sich der wichtige Bundesbesch Iiis» von 
1884, der die Beteiligung des Hundes am landwirtschaft- 
lichen Unterrichtswesen und an landwirtschaftlichen Ver- 
suchsanstalten, sowie an den Verbesserungen des Bodens 
und des Viehstandes postuliert und ordnet, dem Bundes- 
rat die notigen Kompetenzen für die vorzunehmenden 
Schutzmassregeln gegen die Phylloxera und andere 
Schädlinge einräumt, sowie ihm das Hecht der Subven- 
tionierung landwirtschaftlicher Vereine erteilt. Dieser 
Bundes beschluss ist sodann im Jahr 1893 durch das 
Bundesgesetz betreffend die Förderung der 
Landwirtschaft ersetzt worden, das noch gegenwärtig 
in Kraft besteht und auf die Entwicklung der Landwirt- 
schaft einen allgemein anerkannten günstigen Einlluss 
ausgeübt hat. [Prof. K. Chi ard.) 

X. Industrie. A. Aixgemkine Uki.ehsicht. 1. Histori- 
scher Gang ticr Entwicklung. Die starke Entfallung und 
die örtliche Verteilung der Industrie in der Schweiz ist in 



gewerbliche Leben doch in den engen Formen des Zunft- 
wesens. Die Ostschweiz war und blieb ein Stück des 
schwäbischen und die deutsche Westschweiz ein solches 
des rheinischen Zunflhandwerks. Der höhere Flug zum 
Verleget tu im und zur grösser organisierten Exportindu- 
strie datiert in der Schweiz zur Hauptsache erst aus der 
zweiten Hälfte des Iß. Jahrhunderts. Und zwar waren es 
die Glauhensverfolgungen der Gegenreformation, 
die der Schweiz namentlich seit 1 ,W> die Locarner, in 
den 1560er und 1570er Jahren (Alba) evangelische Nieder- 
länder und seit der Guisenzeit ganze Scharen franzosi- 
scher Hugenotten zutrieben, teils direkt, teils indirekt 
aus pfälzischen und elsassischen Zwischenslationen, letz- 
teres namentlich während des 30jährigen Krieges. Die 
Flüchtlinge fanden vornehmlich in Genf. Zürich und 
Basel dauernde Stätten, und die Schweiz verdankt diesen 
welschen Protestanten eine tiefgreifende Umgestaltung 
und eine mächtige Hebung ihrer gesamten wirtschaft- 
lichen Kultur. Neben andern Fortschritten des kaufmän- 
nischen Betriebes im Spedition»- und im Bankwesen 
haben sie hauptsächlich die heutige Seidenindustric 



SCMVV 



SCHW 



203 



von Züricli und von Basel begründet, und auch die l' h ren- 
induatrie von Genf verdankt ihren Ursprung im Jahr 
1584 einem Hugenotten. 

Dieser Zug nach der Schweix, als der sichersten Frei- 
stätte für die Glaubensflüchtlinge, wurde durch die Neu- 
tralität unsres Landes im 30jährigen Kriege und durch seine 
Loslosung vom deutschen Reichsverband im westfälischen 
Frieden (1848) wesentlich verstärkt. DieVerwüstungsknege 
Ludwigs XIV. gegen die Pfalz, die Annexion des Elsasses 
durch Frankreich (1681) und dann ganz besonders die 
Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) führten der 
Schweiz neue Scharen flüchtiger Protestanten zu. Neben 
der Seidenindustrie hat im 17. Jahrhundert hauptsächlich 
die Strumpfmanufaktur und die feinere Wollweberei ge- 
blüht. Und durrh das altangestammte Leinwandgewerbe 
fand die neu auftretende Baumwollspinnerei und -weberei 
in den verschiedenen Teilen der deutschen Schweiz einen 
wohlvorbereiteten Boden vor. Seit den 1690er Jahren wuchs 
der Indiennedruck rasch zur blühendsten und lohnend- 



der Stickerei zum mechanischen Betrieb und zu immer 
vollkommeneren Maschinentypen. Hand in Hand damit 
geht die zunehmende Nutzbarmachung der überreichen 
Wasserkräfte unsres Landes, zuerst vermittels der Tur- 
bine, seit den letzten Jahrzehnten ausserdem haupt- 
sächlich durch die Elektrizität. 

Eine neu e Reihe von Industrien hat der Schweiz 
die zweite Hälfte des 11». Jahrhunderts gebracht. So vor 
allem die heutige chemische Industrie, die Schuhwaren- 
und die Wirkwarenindustrie, sowie auf dem Gebiete der 
Genussmittel die Bierbrauerei im Grossen, die Schoko- 
ladenfabrikation und die Tabakindustrie, endlich auch 
die Milchkondensätion. Sodann eine ganze Anzahl mehr 
oder minder bedeutender Wasserkraftindustrien, früher 
Holzstoff, Zement etc., neuerdings Aluminium, Calcium- 
karbid, Chlorsäure* Kali. Ferrosilicium etc., und neben 
diesen elektrochemischen Produktionszweigen fast lücken- 
los alle Zweige der technischen Elektrizitätsindustrie. Auf 
all diesen Gebieten hat sich die Schweiz, 



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Verteilung der Textilindustrien In der Schweis. 



sten Schweizer Industrie des 18. Jahrhunderts und zu- 
gleich zu einer Hauptstütze der glänzenden Entwicklung 
der Baumwollspinnerei und -weberei der Schweiz empor. 
Damals von Genf und Neuenburg aus übers ganze Land 
verbreitet, besteht und blüht der Zeugdruck in der 
Schweiz heute nur noch im Kanton Glarus für bestimmte 
grossmustrige abgepasste Gewebe. Das Pendant dazu ist 
die Begründung der Musselinewcberei in St. Gallen seit 
17*1. aus welcher seit der Mitte des 18. Jahrhunderts die 
St. Galler Stickerei der Ostschweir. zu so hoher Blüte 
einporgcdichen ist. 

Diesen letzten Refugiantenindustrien der Schweiz 
ist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Slrohflechterei 
im Kanton Aargau. seit dem Heginn des 10. Jahrhunderts 
unter dem Druck der Konkurrenz der englischen Ma- 
schinengarne die Maschinenindustrie von Zürich, Rüti 
und Winlerthur gefolgt, und während der ganzen ersten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts erschöpft sich alsdann der 
industrielle Fortschritt der deutschen Schweiz im wesent- 
lichen in dem immer siegreicher fortschreitenden Ueber- 
gang der Spinnerei, in der Folge auch der Weberei und 



Fortschritt der Technik unausgesetzt folgend oder ihm 
durch die eigene Erfindertätigkeit vorauseilend, von An- 
fang an in die vorderste Reihe gestellt und diesen Ehren- 
platz glänzend behauptet. 

•J. Svhweizerische Industriegebiete. Von den modernen 
Wasserkraft- und Elektrizitätsindustrien der Schweiz wird 
am Schlüsse unseres Abschnittes a Industrie» die Rede 
sein. Desgleichen im Anfang des speziellen Teils dieses 
Abschnittes von den geologisch oder orographisch be- 
dingten RohstofTindustnen. Mit diesen beiden Produktions- 
gruppen ist aber auch zugleich der ganze geographisch 
bedingte und örtlich streng gebundene Komplex der 
schweizerischen Industrien erschöpft. Die ganze Haupt- 
masse der textilen. metallurgischen und übrigen Indus- 
trien der Schwei/, ist in der Hauptsache nicht an solche 
äussere Bedingungen geknüpft, noch von ihnen abhängig. 
Sie konnten, theoretisch gesprochen, an jedem andern 
Platze ebensogut betrieben werden, als auf ihrem zu- 
fälligen heutigen Standorte. Im Allgemeinen lässt sich 
dem eben geschilderten historischen Gang der Entwick- 
lung gemäss nur das Eine feststellen, dass die Industrie 



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204 



SCHW 



biegend in reformierten Landcsleilcn festgewurzelt 
ist, während nie in den katholischen Gegenden, den Kan- 
ton St. Gallen ausgenommen, entweder heute noch fehlt, 
oder doch erat allmählich in den letzten Jahrzehnten aich 
stärker zu regen beginnt. Letzteres gilt auch in der 
Hauptsache vom alten Kantonsteil Bern. Neben den Fort- 
schritten dea Verkehrswesens ist es hauptsächlich die 
Nutzbarmachung der Wasserkräfte, welche bisher land- 
wirtschaftliche Gegenden für die industrielle Betätigung 
aufschliessl und die Industrie bis tief ins Hochgebirge 
hineinträgt. So Graubünden, Tessin und neuesten« im 
Zusammenhang mit der Vollendung der Simplonbahn 
hauptsächlich das Wallis. 

Geographisch charakterisier bar sind im Grunde 
nur vier Produktionsrichtungen der Schweiz. Zu- 
nächst die schweizerische Landwirtschaft sowohl nach 
ihrer natürlichen, orographisch und klimatisch durch die 
starken Niederschläge der nördlichen Abdachung der Alpen 
und die kühleren Temperaturen unsrer Gebirge bedingten 



SCHW 

Steinbrüchen. Zementfahriken und den 
Jura und der Kalkalpen, dann den Sandsteinbrüchen der 
Molasse des ganzen schweizerischen Mittellandes und der 
Granitindustrie längs der Gotthardlinie u. s. w. Drittens 
folgen alsdann der Fremden verkehr und viertens die 
gesamten Wasserindustrien Von diesen vier geo- 
graphisch mehr oder minder bedingten Produktionsrich- 
tungen ist die Landwirtschaft bereits eingehend bespro- 
chen worden, während die Behandlung der übrigen drei 
Gruppen sich unserer allgemeinen Uebersicht der Reihe 
nach anschliesaen wird. 

Die nicht geographisch bedingten schweizerischen 
Hauptindustrien verteilen sich auf die verschiedenen 
Landesteile heute so. dass die deutsche Ost- und 
Nordschweiz das llauptgebiet der Textilindustrie und 
der Maschineninduatrie ist, während die Bevölkerung des 
westschweizerischen Jura vorwiegend die Uhren- 
industrie pflegt. 

Mehr im Einzelnen von Osten nach Westen fortachrei- 



• l/j i rj\ TT*.' T? ^ 

I 




Verteilung dur Metallindustrien in der Schweis. 



Betriebsrichtung auf Futterhau. Viehzucht und Milch- 
wirtschaft (einschliesslich der Milchindustrien), als auch, 
an den sonnigen Berghaiigen und namentlich an den nach 
Süden ausliegenden Nordgestaden mancher Seen, inbezug 
auf den Weinbau und die Obstkultur. 

Eine weitere geographisch bedingte Gruppe schweize- 
rischer Produktionszweige beruht auf dem geologischen 
Vorkommen bestimmter technisch oder industriell nutz- 
barer Steine, Erden und Erze, sowie auch Mine- 
ral- und Thermalquellen. So waren die ziemlich 
zahlreichen Fundorte der Huppererde bestimmend für 
die Errichtung *o vieler, namentlich älterer. Glashütten, 
«owie für die Herstellung feuerfesten Kochgeschirrs 
I Pruntrut) und feuerfester Steine. Aehnliches gilt von den 
Tonwaren, von den ebenso zahl- wie umfangreichen Torf- 
lagern, von den heute bis auf einen einzigen ( Oelsberg) 
verlassenen Fundorten von Eisenerz, von den Silber-, 
Kupfer-, Kobalt-. Nickel- und Bleigruben, sowie dem 
Anthrazit des Wallis und Grauhündens, von dem Asphalt 
des Val de Travers und dem Salz der schweizerischen 
Rheinsalinen und von Bex. endlich auch von den Kalk- 



tend, würde uns eine Industriekarte der Schweiz von der 
Seidenheuteltuchweberei des appenzellische n Lut- 
zenbergs und der Kettenstichstickerei des St. Galler 
Rheinthals und des österreichischen Vorarlbergs zu- 
nächst zu der grossen SchiÜli- und Handmaschinenstik- 
kerei in Plattstich der Kantone St, Gallen, Appenzell 
und Thurgau, der Plallslichweherei von Appenzell 
A. R. und der feinen Handstickerei von Appenzell I. R. 
führen, — stets begleitet von den zudienenden Zweigen 
der Maschinenindustrie und der Baumwollspinnerei und 
-Weberei mit Zentrum, ArbeiUmarkt und Appretur in der 
Stadt St. Gallen. 

Weiterhin gelangen wir über die Buntweberei des 
Toggenburg und den Zeugdruck von Glarus in das 
Hauptquartier der schweizerischen Textil- und Metallin- 
dustrie, den Kanton Zürich, der mit den angrenzenden 
Bezirken der Kantone Aargau. Sc ha ff hausen . Thur- 
gau, Schwyz und Zug die Heimat der schweizerischen 
seiden- und Baumwollspinnerei, Stotlweberei und Fär- 
berei, der Maschinen- und Elektrizitätsindustrie darstellt. 
Auch die Wollweberei, die Wirkerei, die Konfektion und 



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SCHW 



SCHW 





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SCHW 



SCHW 



so manche andere sekundäre oder Spezialindustrien sind 
hier stark vertreten, wie denn überhaupt das industrielle 
Leben des ganzen Lande« in diesem minieren Teile der 
Nordschweiz zwischen Schaphausen im N. und Zug im 
S.. dem Tössthal im O. und Brugg im W. »eine höchste 
Intensität und seine grosste Mannigfaltigkeit aufweint und 
von hier aus mehr und mehr auch nach der katholischen 
Zentralschweiz und darüber hinaus bis ins Berner Ober- 
land und nach Bern selbst ausgreift 

Als kleine aber deutlich lokalisierte Berner Ober- 
länder Industrien sind zu nennen die Holzschnitzerei 
von Brienz, die Züntlholzinduslrie des Frutigthals und 
die Töpferei von Heimberg bei Thun. Im alten Kan- 
tonsteil Bern hat neben der Wollweberei de» Mittel- 
landes und der Leinenindustrie des untern Emmenthals 
auch noch die Baumwollindustrie, insonderheit die Bunt- 
weberei im Oberaargau festen Fuss gefa&st. 

Spezilisch aargauische Industrien sind die Stroh- 
fleehterci des Reusa- und des Seethals tauch in den Kan- 
tonen Freiburg und Tessin vertreten) und die Zigarren- 
fabrikalion. Daran reiht sich westwärts die Schuhindu- 
strie von Schönenwerd und (.Ilten, sowie die Seiden- 
bandweberei, die Schappezwirnerei und die chemische 
Industrie von Basel. 

Wir stehen damit bereits auf der Grenze der Uhren - 
industrie, die von Holstein und Waldenburg im Kanton 
Basel Land bis nach Genf den ganzen Jura durchsetzt 
und namentlich den gesamten Jura der welschen 
Schweiz beherrscht. In enger Verbindung damit steht 
die Erzeugung von Prnziaionsapparaten im Kanton 
Neuenburg, sowie von Musikwerken und Phono- 
raphen in Sa inte Croix, die Steinschleifern von 
enf, Lucens und Maisprach und die blühenden 
Juwelier-, Emaillier- und Gravierkünste von Genf i Nä- 
heres über das industrielle Leben im Jura enthalt der 
Art. « Jura » von I>' Rollier im '2. Band dieses Lexikons). 

Mehr oder weniger über alle l-andesteile verbreiten 
sich heute die Maschinen- und die Elektrizitätsindustrie 
im weitesten l'mfang, die Ziegelei und Zementindustrie, 
die Zellulose und Papiei fabrikaliori, die Woll- und die 
Wirkwarenindustrie. namentlich aber die grossen Nah- 
rungs- und Genussmittelindustrien der Müllerei und der 
Bierbrauerei, die Milchkondensation, die Schokoladen- 
fabrikation, die Herstellung von Likören, Limonaden. 
Mineral wassern, von Frucht- und Gemüsekonserven. Enger 
lokalisiert ist die Wermutbereitung im Kanton Genf, 
die Ahsinthdestillalion im Val de Travers, die Kir- 
schenbrennerei in den Kantonen Zug, Schwyz und 
Basel Land, die Zigarrenfabrikation im Aarga'u und 
in der welschen Schweiz, einschliesslich des Kantons 
Tessin. 

Eine Heihe ursprünglicher Handwerke, wie die Konfek- 
tion im weitesten Sinne, die Gerberei und die Schuh- 
macherei, die Mobelschreioerei. die Bau- und Kunst- 
schlossern, die Herstellung von Verpackungsmaterial aus 
Eisen und llolzu. a. m. wachsen in den grösseren Schwei- 
zerstädten, entsprechend den immer hoher gehenden An- 
forderungen, über ihren hergebrachten Hahmen hinaus 
und bilden sich mehr und mehr zu kleineren oder gros- 
seren Industrien aus. 

3. Umfang und sozial/' Bedeutung der industriellen 
Tätigkeit. I eber den Umfang und die soziale Bedeutung 
der verschiedenen Industrien gibt die nachfolgende IJeber- 
sicht der in jeder derselben tätigen männlichen und 
weiblichen Arbeitskräfte und der durch sie ernährten 
Personen überhaupt auf Gruud der eidgenössischen Be- 
rufszählung vom 1. Dezember 19Ü0 Aufschluss. Damals 
beschäftigte bezw. ernährte die industrielle Tätigkeit fol- 
gende Anzahl von Personen: 

Personen 







^latig 




ernährt 




Männer 


Frauen 


Total 


Total 


Seidenindustrie 


\->m 


43 LH 


58 794 


88 457 


Stickerei 


21 045 


29 21« 


r*i*si 


89 588 


Baumwollspinnerei und 


17 958 


20 271 


38 220 


«3 «a 


Wollindustrie 


2 20» 


21)01 


4 801 


H 7411 


Uebrige Textilindustrie 




7 763 


12 065 


19 197 


Cennute TejctilindustneOi H>N 


im im 


im i:,u 


iiu 144 



36 702 

31 764 

32 443 



17899 
229 
1588 



54601 119 213 
31 993 76054 
3403t 80 625 



100 909 19 "16 1100*5 175 X!H 



4 813 


154 


4 967 


12 807 


1 286 


1 101 


2387 


4 229 


3 V.iM 


25» 


3 527 


9 7(13 


1 677 


60 


1 "17 


4 457 


2428 


4980 


7 408 


11701 



Uhrenindustrie u. 

Bijouterie 
Maschmenindus- 
trie 

Uebrige Metallge- 
werbe 

Gesamte Metall- 
bearbeitung 

Müllerei 

Schokoladefabri- 
kation 

Bierbrauerei 

Andere Spirituosen 

Tabakindustrie 

L'ebr. Nahrungs- 
mittelgewerbe 
(Bäcker, Metz- 
ger etc.) 

Xahrungtmittel 
insgesamt 

Kleidung u. Putz 
Baugewerbe 
Chemische Indu- 
strien 
Panier- und Le- 
derindustrie 
Vervielfältigung 
von Schrift, 
Zeichnung und 
dergl. 
und so fort. 
Industrie und 
Handwerk über- 
haupt WO 01b 133 91-1 093 917 13836G6 
gegenüber 285486 Zugehörigen des Handels (wovon tälig 
140867). 167 278 der Verkehrsgewerbe ( wovon titig 61 082), 
1067 905 der Undwirlschaft (wovon täti* 473 297) und 
insgesamt 3128333 BerufszugehöriKen. wovon 1 470352 
titig. und einer gesamten Wohnbevölkerung von 3315443 
Seelen . 



33 793 5 524 30 317 86 900 

47 405 11 HAH 59 343 119197 

40110 91417 131017 20S 757 

1S3 961 1 13S ISO 100 496 401 



X 790 
} 471 



73-', 
941 



9 530 
5 414 



25 915 
13 745 



13 003 3 135 10 13S 33 035 



Die seil dieser letzten Berufszäblung i 
Jahre sind indessen für die meisten Indu 
und gerade für einige der wichtigsten eine Zeit aus- 
nehmend starken inneren und äusseren Wachstums ge- 
wesen. Für einige der grosseren Exportindustrien wird 
dies am besten verdeutlicht durch folgende Ausfuhrziffern 
von einst und jetzt : 
Ausfuhrwert in Millionen Franken: 

19110 1906 
Uhren 123 150 

Stickereien 119 159 

Maschinen etc. 49.5 68,75 

Schokoladen 10.85 36.3 

Teerfarben 15.34 21,8. 

Diese Ziffern als richtig vorausgesetzt, musste. nach 
dem Verhältnis gerechnet, auf folgende Zunahme der Be- 
rufszugehörigkeit geschlossen werden : 
bei der l'hrenindiistrie um na- 
hezu "„ also von 119000auf146000Seclen 
<■ » Stickerei um einen vol- 
len Drittel, also von 90000 * 120000 • 
« » Maschinen industrie um 

nahezu 1 : . also von 76000 • 106000 • 
« » Farbenindusirie um na- 
hezu 1 : . also von 5000 » 7000 » 
» i> Schokoladenindustrie um 
nahezu das 2 l ' t fachc, 

also von 4 000 » 1 1 000 » . 

In Wirklichkeit bleibt die Zahl der Berufszugehörigen 
wahrscheinlich unter diesen Ziffern, teils infolge des Fort- 
schritts der mechanischen Betriebsmittel, der auf die Er- 
sparnis an den menschlichen Arbeitskräften abzielt, teils 
deshalb, weil die Zunahme im innern Konsum nicht 
durchweg Sehritt gehalten hat mit der ausserordentlichen 
Steigerung des Exports, so namentlich bei der Schokolade, 
deren Export zudem wohl um mehr als 10" 0 zu hoch 
bewertet ist. 

Den Umfang der Produktion unsrer wichtigeren Gross- 



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SCMW 



SCMVV 



267 



Industrien wird man sich heute etwa folgendermassen zu 
denken haben (Werte in Mill. Fr.): 

Realer 
Anteil der 
Schweix. 
Innerer Total- Arbeit 
Konsum produk- u. Toter- 
Export «ige- tion nehmung 
Oer Pro- (in ruber 

dukto Scbulxungl 
Stickereien 15» 11 170 11t) 

Uhren 154 8 KW tt> 

Maschinen 69 71 140 70 

Seidenstoffe 106 12 120 42 

Baumwollspinnerei und -We- 
berei, Baumwollfärberei 

und -druckerei 53 47 100 50 

Kondensierte Milch 28 5 33 28 

Schokolade 36 10 42 17 

(richtiger 32) 

Teerfarben 22 3 25 16 

Bierbrauerei 3 U 35 3a 3 /, 16 

Seidenbandweberei 3K 5 43 15 



14 

9 



Tabak 3V, 18'/, 22 

Schappe und Kordonnet 31 5 36 

Wollspinnerei und -Weberei 18'/, 16 1 /, 35 
Wirkwaren 10 5 15 J 

Strohwaren 12 '» ? .' 

Schuhwaren 8 ? ? ? 

Im Ganzen dürfte der industrielle Export der Schweiz 
im Jahr 1906 nahe an die 800 Mill. Franken ausmachen. 
Noch weit höher steht natürlich die industrielle Gesamt- 
produktion für das In- und das Ausland. Die Schweiz 
ist damit zur Zeil auf einem Höhepunkt ihrer indu- 
striellen Entwicklung angelangt. So hohe Ziffern werden 
vielleicht in manchen Fallen nicht so bald wiederkehren. 
Gründlich verfehlt wäre es aber, dem industriellen Fort- 
schritt und der starken industriellen Expansion der 
Schweiz entgegentreten zu wollen. Denn auf keinem 
Gebiete gilt heute so sehr, dass Stillstand gleichbe- 
deutend ist mit Rückschritt. Was die Schweiz von den 
ihr erreichbaren industriellen Absatzmöglichkeiten im 
In- und Ausland nicht für sich gewinnt, dessen bemäch- 
tigt sich die ausländische Industrie, um es nicht mehr 
loszulassen. Für die Schweiz gilt es vielmehr, ihre 
starke industrielle und Exportstellung auf jede Weise 
auszunutzen und unaufhörlich zu mehren nach dem 
grossen Gesetz alles Fortschritts: Wer da hat, dem wird 
gegeben. [D»T.Gbbhiko.| 

ß. MlNERALl'FUlDt KTE. StEINF, EhIIEN I NU ERZE. Die 

Schweiz gilt als eines der an Schätzen des Mineralreiches 
am besten ausgestatteten Länder, und zwar sowohl mit 
Bezug auf den rein wissenschaftlichen Standpunkt als 
auch mit Hinsicht auf die industrielle Verwertung dieser 
Schätze. Trotzdem muss betont werden, dass der Abbau 
von Erzen bisher in den meisten Fällen nur wenig er- 
mutigende Ergebnisse gezeitigt hat. Unsere Aufgabe be- 
steht an dieser Stelle darin, zunächst einen Gesamtüber- 
blick über die Mineralien der Schweiz zu geben und 
dann die Art und Weise zu erörtern, wie dieselben für 
Gewerbe und Industrie nutzbar gemacht werden. 

1. Mineralien iler Schweiz. Eine vollständige Be- 
schreibung und Aufzahlung aller Mineralien der Schweiz 
würde einem eigentlichen Grundriss der Mineralogie 
gleichkommen und kann daher an dieser Stelle nicht in 
Betracht fallen. Wir beschränken uns vielmehr auf die 
unerläßlichsten Angaben über die wichtigsten Mineralien 
unseres Landes und einige historische Notizen über ihre 
erste Auffindung. 

Von sehr aller Zeit her sind verschiedene Gebiete der 
Schweiz, namentlich die Alpen, durch das häutige Vor- 
kommen von anderwärts seltenen Mineralien oder durch 
die ausserordentlichen Grüssenverhällnisse derK ristalle be- 
rühmt gewesen. Der hauptsächlichst«; Wert der Mineralien 
als solcher liegt eben gerade in den auffälligen Kristall- 
formen, ihrem Glanz und den grossen Dimensionen einiger 
derselben. Fundslellen von Edelsteinen (t, Ii. Tür 
wertvolle Schmucksachen) gibt es in der Schweiz kaum; 
so findet man weiter Smaragden, noch Türkisen, noch 
edlen Opal etc. Dagegen verfugen wir über einige sog. 
Hai bedelsteine, die in ziemlich grossen Mengen aul- 



treten, während wieder andere Mineralien dadurch Anlass 
zu einem ziemlich intensiten Handel geben, dass sie.von 




QuarxkriotallH vom Tiefeoglolscher (Museum Bern). 

den unsere Berge besuchenden fremden Touristen als An- 
denken angekauft werden. Endlich sind verschieilene 
Teile der Alpen auch durch ihren Reichtum an Mineralien, 
die in wissenschaftlicher Hinsicht grosses Interesse bieten, 
zu Weltruf gelangt, so z. Ii. das Gotthardmassiv, das Saas- 
und Nikolaithal, das Simplongebiet und das Binnenthal. 
Die Funde dieser Kategorie geben ebenfalls zur Entwick- 
lung eines ziemlich lebhaften Handels Anlass, und gewisse 
Mineralien von besonderer Kristallform oder eigenartiger 
chemischer Zusammensetzung erzielen sogar ziemlich 
hohe Preise. 

Bei der nachfolgenden Zusammenstellung der für unsere 
Zwecke hauptsächlich in Betracht kommenden Mineralien 
hat uns in erster Linie das ausgezeichnete Werk von 
Prof. Kenngott ( Die Minerale der Schweiz, nach ihren 
Eigenschaften und Fundorten ausführlich betchrielntn. 
Leipzig 1866| als Führer gedient. 

ai Quarz. Der Quarz verdient sowohl wegen seines 
häufigen Vorkommens, als wegen der Schönheit und der 
oft gewaltigen Dimensionen seiner Kristalle an erster 
Stelle genannt zu werden. Der Huhm der Quarzkristalle 
der Alpen geht bis ins Altertum zurück, indem sie schon 
von Plinius erwähnt werden. Der Beiz dieses Minerales 
liegt hauptsächlich in der Kristallform, die ein oben zu einer 
Pyramide zugespitztes, regelmässiges hexagonales Prisma 
darstellt, sowie in der an Abwechslung reichen Fär- 
bung der Kristalle. Dazu gesellt sich das grosse Inte- 
resse an den zahllosen Variationen, denen die äussere 
Gestalt der Krislalle unterworfen sein kann. Der ge- 
wöhnliche Quarz ist eine milchig-trüb durchscheinende, 
glasige Masse, die als Füllmittel von Klüften und 
zwar oft in der Form von mehreren Meter mächtigen 
Adern und Gängen in den allerverschiedenslen Gesleins- 
funuationen auftritt. Kristallisiert, durchsichtig und 
wasserhell heisst crBergkrista II, der das bemerkens- 
werteste und in der Tat auch am meisten beachtete Mi- 
neral der Alpen darstellt. Ist er farblos, so heisst er Berg- 
k ristall (im engern Sinn), erscheint er mehr oder weniger 
braun gefärbt, so trägt er den Namen Rauchtopas (oder 
Rauchquarz), ist er schwarz, so nennt man ihn Morion. 
und zeigt er violettblaue Farbe, so kennt man ihn als 
Amethyst. Alle diese Abarten des Bergkristalles um- 
schliessen oft eine ganze Reihe von weiteren Mineralien, 
wie namentlich Rutil^PizAul in Graubtinden). Glimmer, 
Eisenuxyd lllämatitj. Hornblende. Tiirinalin. Eisenglan/, 
verschiedene Feldspäte etc. Haiiptfundstcllen von Berg- 
kristall sind das obcrwallis (lünnenthal). sowie das 
Gotthard- und das Aarmassiv. Hier hat man die zahl- 
reichsten und gmssten Quarzkristalle aufgefunden, so 
namentlich 1719 am Zinkenstock. 1868 am (ialenslock und 
über dem Tiefengletscher. von welch' letzterer Stelle die 
grössten bekannten Raiichtopasindividuen der Well (Ge- 
wi« lit de- gmssten Kristalls 127 kg I stammen \ergl. d> n 



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Art. K rista 1 Ihöh I et. Quarzkristalle von geringeren Di- 
mensionen sind aber auch in den übrigen Teilen der Al- 
pen keineswegs seilen, so dass eine Aufzählung aller Fund- 
orte hier nicht möglich ist. Im Altertum und noch bis 
zu Beginn des 18. Jahrhunderts führte man die Entstehung 
des Bergkristalls auf eine Umwandlung des Eises zurück, 
indem man diese Hypothese auf die Lage der « Kristall- 
hohlen» in den höchsten, d. h. den Eisregionen der Alpen 
gründete. Man darf den Bergkristall mit Rücksicht auf 
die in der Schweiz gemachten bemerkenswerten Kunde 
als unser «Nationalmineral» bezeichnen, von dem die 
schönsten Kundslücke ebenfalls in unsern schweizerischen 
Museen und Sammlungen (Hern. Basel. Zürich. Genf etc.) 
aufbewahrt werden. Die Bergkristalle fallen besonders 
durch ihre nadel- oder strahlenförmige Gestalt auf. und 
die Kristallsucher oder «Strahler» richten ihr Augenmerk 
hauptsächlich auf Exemplare von besonderem Glanz oder 
von intensiver Färbung. Der Name «Strahlen» wird in 
der deutschen Schweiz auch noch anderen gut kristalli- 
sierten Mineralien beigelegt. 

b) In zweiter Linie nennen wir die Feldspäte, die 
weder an häutigem Auftreten noch an Grosse sich mit den 
Quarzkristallen messen können. Doch ist das wissen- 
schaftliche Interesse an den zahlreich gemachten Funden 
gross. Die Feldspatkristalle haben schon seit sehr langer 
Zeit die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich gezogen, 
was z. B. daraus hervorgeht, dass die Adular genannte 
Abänderung schon 1781 beschrieben worden ist. Neben 
dem farblosen, durchsichtigen oder durchscheinenden 
Adular. der sich in aufgewachsenen Kristallen in Drusen- 
räumen (Geoden) lindet, tritt auch der mattweisse, rosa- 
rote oder grünliche Orthoklas (die gewöhnlichste Form 
des Feldspates] auf, der als Gemengteil von Graniten und 
Gneisen wichtig ist. Dem Orthoklas sehr nahe verwandt 
ist der namentlich aus dein Walliser Binnenthal bekannte 
hyalophane Feldspat. Aus der Gruppe der Plagioklase ver- 
dient an dieser Stelle bloss der Albit (oder Natronfeldspat) 
eine Erwähnung, weil er sich sowohl in seiner normalen 
Ausbildung als Albit, wie auch in seiner Periklas ge- 
nannten Abänderung in verschiedenen Teilen Graubun- 
dens, des Tessins, (Vis und im Oberwallis oft in Form 
von schonen Kristallen vorfindet. 

c) Der E p i d o t (oder P i s t a c i t) ist ein Mineral von 
hellgrüner oder gelblicher Farbe, dessen Kristalle prisma- 
tische oder tafelförmige Gestalt aufweisen. Die bekann- 
testen Fundstellen sind die Umgebung von Guttannen, 
das Sustenhorn. das Goms über Fiesen im Oberwallis, 
das Binnenthal. Nikolai- und Saasthal, die Vallee d'Entre- 
mont, der St. Gotthard, das Maderanerthal und verschie- 
dene Gebiete der Bündner Alpen. Seltener linden sich 
der dem Epidot nahe verwandte Zoisit und der Escherit. 
der eine weitere Abänderung des Epidote* bildet, jener 
besonders im Saas- und Nikolaithal. 

d) Eines der bemerkenswertesten Minerale der Schweiz 
ist ferner der Turmalin. dessen prismatisch-hexa- 
gonale Kristalle sich durch eine ausserordentliche Mannig- 
faltigkeit der Farben auszeichnen und von Hellgrün bis 
Dunkelgrün. Braun und fast völligem Schwarz variieren. 
Die bedeutendsten Lagerstätten dieses Minerals finden 
wir sowohl in verschiedenen melamorphen Sediment- 
schichten fz. B. den kristallinen Dolomiten der Südflanke 
des St. Gotthard und des Binnenthaies», als auch in den 
Gneisen und Glimmerschiefern, wo es immer in Form 
von langen Nadeln erscheint. Während in den Dolomiten 
die grüne Abart vorherrscht, überwiegen in den kristal- 
linen Schiefern die braunen und schwarzen Farben. 

c) Hornblende (A m ph i bo 1). Nach der Häufigkeit 
ihres Vorkommens und einer gewissen Formenanalogie 
reiht sich dem Turmalin die Hornblende an. die in ihrer 
bekanntesten Abart als Aktinolith Joder Strahlstein) mit 
der mehr oder weniger dunkelgrünen Farbe und der 
büschelartigen Anordnung der prismatischen Kristall- 
strahlen eines der schönsten Minerale der Alpen darstellt. 
Der Slrahlstcin findet sich in den verschiedensten Fels- 
arten, besonders den Amphibolschiefern. den Talkschie- 
fern, dem Serpentin elc. Werden die Aklinolithkrislalle 
sehr fein- und zartfaserig, biegsam und seidenglänzend, 
so erhält da9 Mineral die Namen Tremolit, B>ssolit und 
Asbest oder Amianlh. Dieser letztere ist von gewisser 
praktischer Bedeutung und wird später beim Kapitel Berg- 



bau noch erwähnt werden. Erscheinen die Fasern des Ami- 
anth filzartig ineinander verwoben, so bilden sie den 
sog. «Bergkork». Die genannten Mineralien leiten sich 
alle vermittels einfacher Abänderungen der Kristallform 
und der Art der Aggregalion ihrer Kristalle, sowie der 
verschiedenen Menge des in ihnen enthaltenen Eisens von 
der Hornblende ab und linden sich an denselben Lager- 
stätten oder doch zum mindesten in der nämlichen Region 
fast stets zusammen vor. Am häufigsten findet man den 
Strahlstein und seine Abänderungen im Gotthardmassiv, 
an der Grimsel, im Haslethal und Maderanerthal. in 
der l'mgebung des ßinnenthales, am Simplon und im 
Saas- und Nikolaithal I Zermalt). 

Istein gänzlicl 



findet sieh der Talk dennoch oft mif diesem Mineral 

fiesellschaftet vor. und zwar deshalb, weil sich beide 
laupUächlich in den nämlichen Felsarten ausgebildet 
haben. Der Talk begleitet namentlich den Serpentin und 
den Ofenstein (Lavezstein) in Gestalt von meist wenig 
umfangreichen Gängen oder Nestern. 

gj Sehr verbreitet sind die Granaten, die aber doch 
nirgends den Abbau lohnen würden. Wir erwähnen sie 
daher an dieser Stelle nur aus rein wissenschaftlichem 
Interesse. Sehr abwechslungsreich ist ihre Färbung, die 
durch alle Nüancen vom schwach angehauchten Rosarot 
(in den Glimmerschiefern und glimmerigen Gneisen i bis 
zum dunkeln Rubinrot isog. Grossulan und Rotbraun 
geht. Einige Granaten, die mit Vorliebe in den meta- 
morphen Tonschiefern auftreten, sind beinahe schwarz 
und erreichen ziemlich grosse Dimensionen. Die Gra- 
naten sind durchsichtig bis undurchsichtig und um- 
schliessen oft auch andere Mineralien. Ihre Farbe wird 
bestimmt durch das Vorhandensein und die Art der Ver- 
teilung von Eisen, sowie hie und da auch von einer ge- 
wissen Menge von Mangan. Granaten enthalten fast alle 
kristallinen Schiefer der Alpen iz. B. die Glimmerschiefer 
und Gneise der Seitenzonen des Gotthardmassives, die- 
jenigen des Simplon und der Penninischen Alpen) und 
sämtliche metamorphen Schiefer der zwischen die mas- 
sigen oder schiefrigen Gneise de* Te«sin. Graubündens 
und des Wallis eingeklemmten Sedimentzonen, sowie 
auch zahlreiche Hornblendegesteine. 

h) In den nämlichen Felsarten wie der Granat findet 
sich auch der Staurolith, der oft kreuzförmig ver- 
wachsene Kristallgruppen oder dann einfache Prismen 
von brauner Farbe bildet, während der seiner blauen 
Farbe wegen auch Cyanit geheissene Disthen seltener 
ist und von den Sammlern sehr gesucht wird. Beich an 
Staurolith und Disthen ist namentlich die Südflanke des 
Gotthard zwischen dem Nufenenpas« und dem Lukmanier. 
Von weniger häufigen und deswegen sehr gesuchten Mi- 
neralien nennen wir noch den A x i n i t des St. Gotthard 
mit seinen gelblich-braunen (nelkenbraunen), durchsich- 
tig«! Kristallen, den Idokra* loder Vesuvianl des Saas- 
und Nikolaithaies, den Andalusit Graubündens. den 
Korund und D i a s p o r von Campolongo (am St. Gott- 
hard! und das Chlor itoid des Saasthaies. 

i) Der Chlor it ist eines der verbreiletsten Minerale 
und an seiner gninen Farbe, sowie seinen hexagonaien 
Blattern leicht zu erkennen. Oft bildet er auch einen pul- 
verigen IVberzug auf anderen Mineralien oder Spalten- 

?n und v» 



ausfüllungen und 

Man lindet den Chlorit in beiden genannten 
überall in den kristallinen Alpen. 

k| Weit häufiger Irin im ganzen Gebiet der kristallinen 
Alpen die Gruppe der Glimmer auf. welche Mineralien 
wie der Chlorit in hexagonaien Blättern kristallisieren, 
sieh jedoch durch ihren Silberglanz oder ihr glänzendes 
Goldbraun davon auf den ersten Blick unterscheiden. 
Leicht kenntlich sind der farblose oder weisse Kali- 
glimmer (Muskovit und Helvetan) und der braune oder 
braun-schwarze Magneaiaglimmer (Biotit und Phlogopit). 
Beide bilden selten Kristalle von grossen Dimensionen. 
Blätter von der Grösse, dass sie (wie dies in Sibirien der 
Fall ist) zu Fensterscheiben verwendet werden könnten, 
sind bei uns noch nicht gefunden worden, doch nennt man 
vom Gotthanl und aus dem Binnenthal Muskovitblätter von 
bis zu 15 cm Durchmesser. 

1) Her Titanit (oder Spheni. ein honiggelbes oder 
grünliches, durchsichtiges und glasglänzendes Mineral mit 



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tafelartigeii Kristallen, tritt als Einschlug« in zahlreichen 
Graniten und Gneisen der Alpen auf. Besonders geschätzt 
wird das Mineral jedoch in Gestalt von isolierten ein- 
zelnen Kristallen. Hauptsächlichste Fundstellen : Tavetsch, 
sowie Umgebungen von Ilanz und Rueras in Graubünden, 
Guttannen, Maderanerthal, St. Gotthard, Valle Maggia, 
Oberwallis, Binnenthal und Zermatt. 

m) Rutil, Brook it und Anatas sind drei Minerale 
von gleichartiger chemischer Zusammensetzung (Titan- 
aäurel, aber ganz verschiedener Krislallform und äusserer 
Beschaffenheit. Der Rutil bildet Kristalle von prismatischer 
Gestalt und hat bei rötlich- brauner bis gelber Farbe einen 
lebhaften metallischen Diamantglanz. Der Brookit bildet 
Tafeln von ähnlicher Farbe wie der Rutil, wahrend der 
Anatas gelb-braune Kristalle in Form einer Doppelpyra- 
mide aufweist. Der Rutil lindet sich im OberwaJlU, be- 
sonders im Binnenthal: ferner im Tavetsch, am Luk- 
manier, im Mcdelserthal etc. F.ine Spezialnorm des Rutil 
stellt der Sagenit dar. der in Gestalt von sehr feinen 
und oft sich kreuzenden nadelartigen Kristallen auftritt. 
Fundstellen des Brookiles sind besonders das Griesseren- 
und das Maderanerthal. des Anatas der Gotthard und 
Galenslock, die Umgebung von Fiesch und das Goms. 
Von den minder wichtigen, sowie seltener auftretenden 
und daher den Kristallsuchern weniger bekannten Mine- 
ralien können wir an dieser Stelle nur eine kleine Aus- 
wahl nennen: Diopsid und Prehnit besonders im 
Saasthal, am Matterhorn und im Maggiathal; Laumon- 
tit an verschiedenen Stellen des Oberwallis; Desmin 
im Binnenthal und Tavetsch, am St. Gotthard und im 
Maggiathal; Stilbit am Giebelbach im Oberwallis, im 
Tavetsch und um Amstag; Chabasit am Giebelbach 
und im obern Binnenthal, im Tavetsch und um Am- 
stag; Gismondin und Zirkon in der Umgebung 
von Zermalt; Wiserin im Binnenthal; Chryaokoll am 
Mürtschenstock ; Turner i t (oder M onaz i t) im Tavetsch ; 
Perowskit (sehr selten) am Findelengletscher über 
Zermatt. — Der Hämatit (Eisenoxyd) lindet sich kristalli- 
siert als Eisenglanz und als Eisenglimmer, welch' letzterer 
häutig (St. Gotthard) rosenformige Kriatallnggregatc, sog. 
Eisenrosen , bildet. Fundstellen von bemerkenswert 
schonen Eisenglanzkristallen sind das Tavetsch. da« 
Binnenthal, 4as Saas- und Nikolaithal, da« Made- 
ranerthal und verschiedene Bündnerthäler (Ferrerai. — 
Das Magneteisenerz (oder Magnetit) mit seinen 
gewöhnlich sehr gut ausgebildeten Oktaedern kommt 
vor im Binnen- und Nikolaithal, am St. Gotthard, im 
Tavetsch und Medelserthal, sowie am Gonzen über Sar- 
gans. — Das Brauneisenerz (oder Limonit) bildet 
den Hauptbestandteil des im Juragebirge bergmännisch 
gewonnenen Bohnerzes, sowie der in verschiedenen 
Horizonten der Juraformaiion und im Valangien auftre- 
tenden Eisenoolithe. Wir werden später bei Besprechung 
der abbauwürdigen Mineralien noch darauf zurückkom- 
men. — Manganverbindungen wie Hausmannit. Man- 
ganit und Rhodochrosit begleiten das Eisenerz am 
Gonzen über Sargans. — Die Siderose (Kisenkarbonat) 
kennt man aus dem Tavetsch, der Umgebung von Disen- 
tis. dem Binnenthal, dem Tessin etc. - Der kristallisierte 
Bitterspat (oder Dolomit) bildet ansehnliche Lager 
im Binnenthal und zeigt sich auch sonst im Oberwallis, 
sowie in der Umgebung von Bex. Sehr schöne Kristall, 
hat man beim Durchstich des Simplontunnels aufge- 
funden. 

n) Das nach dem Bergkristall wohl am meisten bekannte 
kristallisierte Mineral ist der Kalkspat (oder Calcit), 
dessen Kristalle in Form von spitzen Pyramiden (Skalen- 
oedern) oder linsenartigen Rhomboedern so häufig die 
Hohlräume. Spalten und Geoden aller Kalkgesteine so- 
wohl der Alpen wie des Jura auskleiden. Er kommt aber 
auch in den kristallinen Alpen vor, wie z. B. am St. Gott- 
hard, Simplon etc. Das schweizerische Mittelland bietet 
stellenweise in den Spalten seiner Molasse- oder Nagel- 
lluhschichten dem Sammler sehr grosse Calcitkristallc. 
Nur selten aber ist dieser Calcit bei uns genügend durch- 
gichtig, um gleich dem isländischen Doppelapal zu Ver- 
suchen betreffend die Strahlenbrechung dienen zu kön- 
nen.— DerAragonit, eine zweite Form des kohlensauren 
Kalkes, tritt nur vereinzelt auf, wie z. B. hei Grengiols im 
Wallis und an verschiedenen Lokalitäten Graubündens 



(Alp Tisch, Lug^iez, Tarasp u. s. f.). Noch seltener (Ta- 
vetsch i ist der birontianit. 

o) K r is ta 1 1 i » ier l er G i ps lindet sich in allen Gips- 
lagern sowohl des Jura als der Alpen, und zwar entweder 
als dem Amianth ähnlicher seidenglänzender Fasergips 
(Mergel der untern Süsswassermolassej oder dann in Ge- 
stalt von isolierten oder verschiedenartig gruppierten Kri- 
stallen von oft ziemlich beträchtlichen Dimensionen. Die 
grössten Kristalle dieses Minerales hat man im Salzberg- 
werk von Bex aufgefunden, wo man auch im stagnieren- 
den Salzwasser oft nadclförmige Gipskristalle sehen kann, 
die sich eben erst auf im Wasser liegenden llolzfrag- 
menlen etc. gebildet haben. Andere Fundstellen sind 
Multeiiz, Ehrendingen. Mellingen. Srhambelen. Kralli- 
gen etc. - Der Anhydrit oder waaserfreie Gips er- 
scheint meist nur in G äa t alt von kristallinen Massen, die 
sieh durch Sekretion in den Klüften und Rissen des Ge- 
steins abgesetzt haben. Einzelne Kristalle sind selten, doch 
hat man solche von violetter Färbung und guter Durch- 
sichtigkeit im zentralen Teil des Simplontunnels in ziem- 
lich grosser Menge gefunden. — Der nach seiner meist 
himmelblauen Farbe so geheis.tene Cölestin begleitet 
für gewöhnlich die Gipslager oder füllt auch Spalten in 
verschiedenen andern Felsschichten (besonders dem Lias) 
aus. Man kennt ihn aus dem Ken per von Günsberg, dein 
Lias von Schönlhal und Schambelen, sowie der Trias von 
Bex. — Selten ist der zuweilen mit dem Colestin zu Ba- 
ryt-Cöleslin verbundene Schwerspat oder Baryt, von 
dem Fundslellen aus dem Tavetsch, dem Lauterbrunncn-, 
Lötschen- und Hinnenthal, sowie aus der Umgebung von 
Sargans bekannt geworden sind. — 

p) Der Flussspat (Fluorcalcium) oder Fluorit ist 
sicherlich dasjenige Mineral, das nach dem Bergkristat) 
die grössten Kristalle bilden kann. Seine meist vollkom- 
mene Durchsichtigkeit, sowie die grosse Abwechslung in 
der Farbe machen ihn zu einem der von den Sammlern 
gesuchtesten Minerale. Kr findet sich in den verschieden- 
sten Gesteinsschichten vom Gebiet der kristallinen Schie- 
fer bis in dasjenige der Kalkalpen und des Juragebirge*. 
Farblos und vollkommen durchsichtig bis gelb, hellbraun 
und dunkelbraun, violett, grün ; oft auch mehrfarbig. Die 
bekanntesten Fundstellen sind im kristallinen Gebiet der 
Galenstock, das Giebelthal im Oberwallis, das Val Ta- 
vetsch, die Göschenenalp. das Maggiathal. das Gotthard- 
gebielete. Die schönsten Funde sind aber im Kalkgebirge, 
besonders den Kalkalpen zwischen den Thälern der Aare 
und Reuss gemacht worden, so namentlich auf der Oltsehi- 
alp südlich über dem Brienzeroee, wo man im Jahr 1830 
in einer mit Leiten gefüllten Höhlung ein reiches Lager 
dieses Minerales entdeckt hat. Schon damals wurden 
hier mehrere Zentner von grossen.' vollkommen durch- 
sichtigen und farblosen oder grünlichen Kristallen aus- 
gebeutet. Neue Nachforschungen seit 1886 führten zur 
Auffindung einer zweiten Fundstelle von prachtvoll ausge- 
bildeten, durchsichtigen Fluoritkrislallen von bis zu '20 cm 
Durchmesser. Andere Funde kennt man auB dem Säntis- 
gebirge, vom Laucherostock über Wolfenschlessen und 
selbst aus dem Jura (Muttenz bei Basel). Wir werden 
auf dieses Mineral bei Anlass der Besprechung der tech- 
nischen Verwendung der Mineralien und Gesteine noch 
zurückzukommen haben. 

q) Der Apatit (Calciumphosphat) tritt in meist nur 
kleinen hexagonalen Krislallen auf und ist für gewöhnlich 
farblos oder weiss, kann aber wie der Fluorit auch viel- 
fache Farbennüancen zeigen. Fundorte am Gotthard, im 
Maggiathal, Tavetsch, Oberwallis und im Binnenthal. 

n Es verdienen an dieser Stelle auch noch einige me- 
tallhaltige Mineralien genannt zu werden, von denen 
seinerzeit ein Teil durch regelrechten Itergniänniaehen 
Abbau auszubeuten versucht worden ist. Wir haben auf 
diesen Punkt später noch zurückzukommen. 

Her Azurit (K u pfer lasu ri begleitet zusammen mit 
einigen Spuren von Malachit die Vorkommnisse von 
K upferkies (Chalkopy ri t) und anderer kupferhaltiger 
Mineralien. Desgleichen linden sich der C e r u s s i t ( We i s *- 
bleierz) in der Nähe von Bleiitlanz (Galenit), die 
Kobaltblüte (Ery t Ii rin) in der Nähe von Koba 1 1 lagern 
und der Limon it in Gesiall von regellosen Anhäufungen 
im Dach von Eisen kiesiPyrit) lagern. Dieses letzlere 
Mineral tritt in schönen, teils freien, teils im Fels ein- 



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gewachsenen Kristallen in den verschiedensten Fclsarlen 
auf. d. h. ebensowohl in den Gneisen des Teaein. Grau- 
bündens, des St. Gotthard, des Wallis etc. wie in den 
Ton- und Kalksehiefern. Seine- Kri»la)lformen zeichnen 
sich durch eine ausserordentlich grosse Mannigfaltigkeit 
au*. Seltener erscheinen der Markasit und namentlich 
der Magnetkies (Pyrrholin). Jener bildet die Mehr- 
zahl der pyritischen Konkretionen in den mergeligen und 
tonigen Schichten, während das Vorkommen des letztern 
«ich auf den Gneis (Tessin. Wallis) beschrankt. 

Die Blende hegleitet häutig den lileiglanz (Galenit), 
mit dem zusammen sie sich im l.olschenlhal, am Simplon, 
um Bavos etc. findet. Man kennt »ie auch aus den Dolo- 
miten de« Binnen- und Lauterbrunnenthaies, sowie der 
Umgebung von Bez. 

Das Binnen! hal ist ohne Widerrede das mineral- 
reichste Gebiet der Schweiz und enthalt in seinen Dolo- 
miten. Kalksteinen, Gneisen und kristallinen Schiefern 
unzählbare Varietäten von Mineralien, von denen es ne- 
ben den schon genannten noch eine ganze Reihe von 
arsenhaltigen Formen aufweist, die den Mineralogen 
schon viel zu schallen gemacht haben. Solche sind der 
Binnit, Du frenoisi t , Skleroklas.Arsenomelan, 
Jordanit, Tetraedrit, Arsenopyrit und besonders 
der Hea Igar und das Auripigment, deren schöne rote 
und gelbe Farbe schon seit sehr langer Zeit die Aufmerk- 
samkeit auf sie gelenkt hat. Tetraedrit «Kahlerz) 
und Arsenopyrit (auch Arsenkies oder M isspi k- 
kcl geheisiseni linden sich ferner noch an verschie- 
denen andern Stationen, so im Oberwallis, im Eifiseh- 
thal etc. Im Kitischthal hat man Abarten des Fahlerzes 
(als Studerit und Annivit bezeichnet) und ferner noch 
die beiden arsenhaltigen Nickel- und Kobaltminerale Nik- 
keiin und Chloanth.it entdeckt. Auf der Alpe de Sa- 
lanfe im Gebirgsstock des Luisin ist kürzlich eine Ader 
von arsenhaltigem Krz, wahrscheinlich Tedraedrit oder 
auch Miaspw-kol aufgefunden und in Abbau genommen wor- 
den. Selten sind der Molybdänglanz (Molybdänit) 
und der Antimonit, von denen jener in kleinen Men- 
gen an verschiedenen Stellen de» Uberwallis und des Gott- 
hardtnassives gefunden wurde, während dieser sich auf 
einige bündnerische Fundstellen beschränkt. — Ziemlich 
vereinzelt sind bis jetzt die Funde von Vivianit ge- 
blieben, eines Eisenphosphates von schon blauer Farbe, 
das sich in Schieferkohlcnflözen und Torfmooren als 
l'ebcrzug auf Holzfragmenten etc. bildet. 

Eigentliche Laser von Mineralkorpern elementarer 
Zusammensetzung hat man inunscrmLand kaum entdeckt, 
indem z.B. der Schwefel im Gips und Anhydrit von 
Bei. Lauenen und Krattigen nur In Gestalt von kleinen 
Kristallen auftritt. Von Metallen in gediegenem Zustand 
lassen sich Gold und Silber nennen, jenes in Gestalt 
von Blatlchen im Sand der aus den Alpen kommenden 
Flüsse, in verschiedenen Pvritadern bei Gondo und in 
(■■estalt von Kristallen »m Calanda. dieses dagegen am 
Mürtschenstnck, wo es einst abgebaut wurde, und in 
Gestalt von »überschüssigen Blei- und andern Erzen im 
Kifischlhal. Nur sehr ausnahmsweise ist man bisher auf 
gediegenes Kupfer gestossen. 

Steinsalz erscheint bloss in den Bergwerken von Bex 
zugänglich, wo es kristalline Adern und Füllmassen 
im salzhaltigen Gestein bildet. In den unterirdischen 
Tümpeln, die mit konzentriertem Salzwasser gefüllt sind, 
findet man sehr grosse Kristalle von kubischer Gestalt 
und 3-4 cm Seitenlänge, die sich während eines Zeit- 
raumes von 30-40 Jahren gebildet haben müssen. Die 
übrigen Salze, wie Melantcrit (Eisenvitriol), Alaun, 
Glaubersalz, Bittersalz (L'psomit) etc. sind wegen 
ihres durchaus vereinzelten Vorkommens in unserm Land 
kaum von Interesse. Dagegen erhallen sie deswegen Be- 
deutung, weil sie als Losung in die unterirdischen Wasser 
übergehen und damit die salzhaltigen Mineralwasser bil- 
den, von denen im nächsten Kapitel die Rede sein wird. 

Die brennbaren Mineralstode und bituminösen Materien 
sollen später noch besonders behandelt werden, sodass 
an dieser Stelle bloss noch die bernsteinartigen fossilen 
Harze, die man in den Schieferkohleti der Ostschweiz 
Lehmden hat. und der Graphit, der im Wallis zeitweise 
bergmännisch gewonnen worden ist. zu erwähnen bleiben. 
In den tiefern Schichten der Torfmoore endlich st«*sst 



man stellenweise auf den Dopplerit, ein gelatinöses 
Mineral von dankelbrauner Farbe, das beim Trocknen 
ein harzähnliches Aussehen erhalt. 

5». Hergbau und Stombruehbctrieh. Definition und 
Gesetzgebung. Die zu irgend einem Zweck nutzbaren 
Mineralprodukte werden entweder * am Tage • (d. h. in 
Tagebau) oder « unter Tage» (d. h. in Grubenbau) ausge- 
beutet. Eine Zwischenform bildet der halbunterirdische 
Abbau, der nur wenig tief in den Boden eindringt, so dass 
der unter einem überhängenden Dach von anstehendem 
Fels eingetriebene Stollen noch Tageslicht erhält und 
durch Stützen vor dem Einsturz bewahrt wird. Doch 
kommt dieser halbunterirdische Abbau nur wenig zur 
Verwendung, da er, besonders an steilgeneigten Hängen, 
viele Gefahren mit sich bringt. 

Gruben- und Tagebau unterscheiden sich also vonein- 
ander hauptsächlich durch die Technik des Betriebes, 
dann aber auch durch die Abbauprodukte selbst, die in 
den verschiedenen gesetzlichen Vorschriften über diese 
Materie auseinandergehalten werden. I>er Abbau von 
Erzen und mineralischen Brennstoffen, der deshalb ■ unter 
Tage» als eigentlicher Bergwerksbetrieb stattfindet, weil 
der Wert dieser Produkte die Mühe und Kosten lohnt, 
gehört zum staatlichen Bergwerkregal, während der 
Steinbruchbetrieb, der meist als Tagebau stattfinden 
kann, den Grundeigentümern frei gegeben ist. Daraus 
' folgt, das« der • unter Tage * vorgenommene Abbau ge- 
1 wisser Mineralprodukte unter der Kategorie • unterirdi- 
sche Steinbrüche* ligurieren kann, während es sich in 
diesen Fällen, technisch gesprochen, um wirkliche Berg- 
werke handelt. Und umgekehrt würde ein Tagebau, in 
dem Steinkohle oder Krz zum Abbau gelangt, vom Stand- 
punkt des Gesetzes aus als ein Bergwerk laxiert werden. 
17m Verwechslungen zu verhüten, ist es daher nötig, 
festzustellen, in welchem Sinne die Begriffe « Bergbau • 
und « Steinbruchbetrieb » zu verstehen sind. Für unsere 
Zwecke benennen wir • Bergwerke » alle diejenigen Be- 
triebe, die f unter Tage « abgebaut werden, ohne Rück- 
sicht auf die Natur der dabei gewonnenen Produkte. 

Nicht alle Kantone der Schweiz besitzen eine Berg- 
werksgesetzgebung, selbst nicht einmal alle die- 
jenigen, auf deren Gebiet Erze und Brennstoffe gewonnen 
werden. In andern Kantonen sind dagegen sämtliche im 
Boden vorhandenen Mineralschätze dem Staatsregal unter- 
stellt und ihre bergmännische Gewinnung an die Erlan- 
gung einer staatlichen Konzession und die Bezahlung 
einer Jahresgebühr gebunden. Mehrere Kantone besitzen 
ausserdem auch noch eine Gesetzgebung über die Stein- 
brüche, nicht sowohl hinsichtlich ihrer Unterstellung 
unter das Begal als vielmehr im Hinblick auf die öffent- 
liche Sicherheit und diejenige der in ihnen tätigen Ar- 
beiter, sowie auch, um dem Staat gewisse Rechte betr. 
allfällige Funde von wissenschaftlich interessanten oder 
wertvollen Gegenstanden zu sichern. 

Das neue eidgenössische Zivilgesetzbuch stellt sich mit 
Bezug auf den zwischen Bergwerken und Steinbrüchen zu 
' machenden Unterschied auf den oben von uns eingenom- 
menen Standpunkt. Es umfasst daher unter dem Begriff 
eines «Bergwerkes» alle Grubenbetriebe und zieht in 
diesen BegrilT selbst noch die Mineral- und Heilquellen 
mit herein, letzteres aus dem Grunde, weil diese Quellen 
mit Hilfe von Tiefbohrungen oder andern unterirdischen 
Arbeiten an die Erdoberfläche geführt zu werden pflegen. 
Das Gesetz begründet ferner die Notwendigkeit einer staat- 
lichen Aufsicht auf den Umstand, dass nicht Jedermann 
die Natur des abgebauten Produktes erkennen könne nnd 
somit die Einholung einer Konzession notwendig sei, 
welche ebensowohl die Rechte des Grundeigentümers als 
| diejenigen von Drittpersonen wahre. Damit solle aber das 
I Regal der Kantone, soweit sich diese ein solches Recht 
vorbehalten wollen, weder aufgehoben noch eingeschränkt 
I werden. Ferner solle es den Kantonen freistehen, die 
I Vorschriften des eidgenossischen Gesetzes auch auf die 
Steinbruche und überhaupt auf Ausgrabungen aller Art 
auszudehnen. 

< Mit Bezug auf Bergwerkgesetzgebung und Regalverhält- 
i nisse lässt sich zur Zeit folgende Uebersicht über die ein- 
zelnen Kantone geben : 
Zürich: Berggesetz von 180r>; Minenregal; amtliche 
i Aufsicht. 



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Genf: Berggesetze von 1839 und 1806; kein Minen- 
regal (Gesetzgebung vorbehalten). 

Frei bürg: Berg- und Steinbruchgesetz von 1850; 
Regal. 

Bern: Berggesetz von 1853; Bega). 
Tessin: Berg- und Torfmoorgesetz von 1853 ; Begal. 
Wallis: Berg- und SteinbruchgeseU von 18Tj6 ; Salz- 
regal. 

Neuen bürg: Gesetze von 1867 und 1872 betr. die 
Asphallminen ; Kontrolle und Aufsicht über die Asphalt- 
minen und unterirdischen Steinbrüche: Asphaltregal. 

Aargau: Salzregal-Gesetz von 1873 und Salzartikel 
in der Verfassung von 1885; Minenregal. 

Basel Land: Gesetz über das Minenregal von 1876. 

Basel Stadt: Verordnung über das Minenregal von 
1801. 

Waadt: Berg- und SteinbruchgeseU von 181)1 ; Minen- 

fl I a r u s : Gesetz über die Bergwerksindustrie von 1893; 
kein Begal. 

Schaf f ha u sen, Solothu r n, U r i. Graubünden 
und Appenzell A. B. haben einige gesetzliche Vor- 
schriften über die Minen, die Iteiden erstgenannten dazu 
noch das Minenregal. 

Unter wilden, Luzern.Schwyz, Zug, Thür - 
Kau und Appenzell I.B. haben keinerlei gesetzliche 
Vorschriften über die Minen, sowie keinerlei Minenregal. 
Begierungsralsbeschlüsse regeln den Abbau der Braun- 
und Schieferkohlen im Kanton St. Gallen. 

Bern, Tessin, Wallis, Neuenbürg, Waadt und Claras 
verlangen die Aufnahme von Plänen der Bergwerke und 
unterirdischen Steinbrüche. Dass solche Vorschriften in 
einigen Kantonen, wo. wie z. Ii. in Grauhünden, einet 
ein ziemlich umfangreicher Bergbau betrieben wurde, 
fehlen, ist deswegen sehr zu bedauern, weil nun über 
die Ausdehnung dieser ehemaligen Betriebe keine Belege 
beigebracht werden können. Doch haben gewisse Unter- 
nehmungen auch von sich aus Plane aufnehmen lassen, 
sodass man immerhin nicht in allen Kälten über die Aus- 
dehnung der einstigen Arbeiten im Ungewissen ist, nach- 
dem deren Zugänge einmal eingestürzt sind. 

Im Nachfolgenden verzichten wir unserseits darauf, 
eine Einteilung anzuwenden, die sich auf eine lediglich 
technische Unterscheidung zwischen Bergwerk und Stein- 
bruch stützt, weil sich ein solcher Unterschied, wie wir 
gesehen haben, mit Hinsicht auf die gewonnenen Produkte 
nicht rechtfertigt. Vielmehr ziehen wir es vor, die dem 
Abbau unterworfenen Mineralprodukte in drei Gruppen 
einzuteilen, nämlich ai mineralische Brennstoffe und bi- 
tuminöse Substanzen; h) Metallerze; c) Baumaterialien 
und Rohstoffe des Baugewerbes. 

a) Mineralische Brennstoffe und bituminöse 
Substanzen. Hierher gehört zunächst der Graphit, der 
zwar selbst nicht brennbar ist, wohl aber — im reinen Zu- 
stand — ausschliesslich aus Kohlenstoff besteht. Einen in 
Form von Linsen in den Gneis eingesprengten, sehr reinen 
Graphit hat man hei der Alp rullv, über Branson im 
Wallis, zeitweise abgebaut, hin weiterer, heute noch in 
Betrieb stehender Bruch belindet sich über dem Dorf 
Iserable* (ebenfalls im Wallis); er liefert aber einen der- 
art stark mit Anthrazit verunreinigten Graphit, dass der 
eine der beiden Konzessionäre das Produkt als Anthrazit, 
der andere dagegen als Graphit ansah. Der Erlrag dieses 
Bergwerkes belief Bich wahrend einiger Zeit auf jährlich 
etwa 3000 Tonnen ; das zu Tage geforderte Material 
wurde zu Formen für Giessereien verarbeitet. Der Ver- ■ 
such einer Tiefhohrung auf einen Graphilgang bei Ferden 
im Lötschenthal ergab das Vorhandensein eines ähnlichen 
Materiales wie bei Fully. Auch aus Graubünden (bei Ro- 
veredo in der Mesolcina) wird ein alter Abbau genannt, 
der aber nur wenig geschätzten Graphit geliefert haben 
soll. Alle diese Graphitvorkommnisse treten in solchen 
Gesteinsschichten auf. die einem starken Druck und damit 
einer entsprechenden Umformung unterworfen gewesen 
sind. Der Graphit von Is^rahles gehört sicher dem Karbon 
an, während die drei übrigen Vorkommnisse vielleicht 
noch älter sind. 

Der Anthrazit lindet sich ausschliesslich in den 
A'pen, wo die Karbonformation, der alle Anthrazit- 
vorkommnisse angehören, den Einwirkungen des Dyna- I 



mometamorphismus unterworfen gewesen ist. Er ist durch 
Druck umgewandelte Steinkohle. Er hat metallischen 
Glanz, ist sehr dicht und brennt ohne Flamme, aber nicht 
schmelzend, weshalb er auch den Namen «trockene Stein- 
kohle» erhalten hat. Die einzigen noch im Betrieb stehen- 
den Anthrazithergwerke belinden sich im Wallis. Es sind 
deren vier: La Chandoline bei Sitten, dränge», Grone und 
Bramois, die zusammen jährlich nicht ganz 4001) Tonnen 
eines an Aschenbeslandteilen reichen (15-25°/,,) Anthrazites 
liefern. Ein an Dualität ausgezeichneter Anthrazit wurde 
ehemals in einem OHO in hoch über dem Rhonethal in der 
Gemeinde Collonges gelegenen Bergwerk gewonnen. 
Ueberhaupt zahlt das Wallis zahllose verlassene Anthrazit- 
minen. Als der Bergingenieur Gerlach im Jahr 185» von 
der Walliser Regierung beauftragt wurde, ein umfassendes 
Gutachten über das Minenwesen des Kantons auszuar- 
beiten, gab es dort nicht weniger als 26 bewilligte Kon- 
zcssionen für Anthrazitminen, von denen ein guter Teil 
im Betrieb stand. Um dieser Bergindustrie einen neuen 
Aufschwung zu geben, versuchte man zu verschiedenen 
Malen die gemeinsame Unterstellung einer gröasern An- 
zahl von Bergwerken unter eine einzige Leitung, doch 
ohne Erfolg. Mehrere dieser Minen könnten allerdings 
einen guten Ertrag abwerfen, wenn man sie zielbewusst 
abbauen und mit Jen für einen andauernden Betrieb not- 
wendigen technischen Einrichtungen versehen würde. 
Die heute verlassenen alten Anthrazithergwerke linden 
sich in Collonges. Dorenaz, Le Haut d'Alesse, Salvan, der 
Vallcedes Planards, auf dem Col desEtablons, in Nendaz, 
auf den Mayens de Sion, dem Plan Baar etc. Neuestens 
hat man auch versucht, Anthrazit in einem isolierten und 
nach der Tiefe zu sich nicht fortsetzenden Fetzen von 
Kohlenfels über Morgins abzubauen. 

Steinkohle. Gesteine der Karbonzeit treten in der 
Schweiz ausschliesslich in den Alpen zu Tage und ge- 
hören auch hier bloss im Wallis dem produktiven Teil 
dieser geologischen Formalion an. Doch linden sich nir- 
gends Steinkohlen, die aus dieser Zeit stammen. 

Man hat einmal daran gedacht, in der Nähe von Gornol 
bei Prantrut (d. h. in der nämlichen Gegend, wo ein 1820 
zur Suche nach Steinsalz bis auf nahezu 400 m tief getrie- 
benes Bohrloch ein negatives Resultat ergeben hatte) eine 
Tief bohrung auf dieses wertvolle Brennmaterial zu unter- 
nehmen. Nachdem eine erste Bohrung im Jahr 1870 bei 
70 m Tiefe halt gemacht, wollte man die Arbeiten 1888 
von neuem aufnehmen, doch konnte die zu diesem 
Zweck zu gründen versuchte Gesellschaft nicht völlig 
konstituiert werden. Freilich hatte schon vorher ein von 
der « Schweizerischen Steinkohlenbohrgesollschaft » auf 
dem Weiherfeld bei Rheinfelden im Jahr 1875 bis auf 
434 m tief getriebenes Bohrloch ein negatives Resultat 
ergeben. 

Die einzigen in unserm Land bisher aufgefundenen 
Steinkohlen gehören der Trias, dem Jura und dem Tertiär 
an. Diejenigen der Trias, die sich in Gestalt von gänzlich 
unbedeutenden Blättern in der Lettenkohle (der oben» 
Trias) vorlinden, haben niemals Anlass zu einem wirk- 
lichen Abbau geboten. Dagegen enthält die den Präalpen 
eigentümliche litorale Fazies (Mytilusschichlenl des Ba- 
thonien im Gebiete des Simmenthaies und des Waaillländer 
Pavs d'Enhaut Lager von bilumenreicher Steinkohle, die 
während langer Zeit Gegenstand eines regelrechten Ab- 
baues gewesen sind. Im gleichen Niveau hat man auch 
im Unterwallis am rechten Ufer der Rhone verschiedene 
Abbauversuche gemacht. Folgendes sind die bekanntesten 
Steinkohlenvorkommnisse der Schweiz : In der engen 
«Klus» bei Boltigen, die den Kamm des Bäderberges, eine 
Fortsetzung der Gastlosen, durchschneidet, hat man zu 
beiden Seiten des Thaies im Horizont der Kohlenschichl 
Stollen eingetrieben. Nachdem aber das Flöz auskeilte 
und nicht wieder aufgefunden werden konnte, hat man 
den Betrieb seit nunmehr etwa 15 Jahren eingestellt. 
Andere, übrigens niemals von Erfolg begleitete Versuche 
wurden am Bäderberg, bei Heutigen, an der Laitmairc 
bei Chäteaux d'Oex, am Rocher de la Raye über Rouge- 
mont, bei Gerignoz und am Rübli unternommen. Auch 
die im nämlichen geologischen Horizont befindlichen 
Fundstellen im Unterwallis sind schon seit langer Zeit 
verlassen, nachdem man nahezu in der Sohle des Rhone- 
I thales bei Vionnaz, zwischen diesem Dorf und Vouvry. 



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SCHYV 



mehrere Stollen in den Berg getrieben und auf Boden der 
Gemeinde Vouvry da» Steinkohlenbergwerk am Blanc Sex, 
in dem den Südhang des Thaies von Verna* über Vouvrv 
beherrschenden Kamm, längere Zeit in Betrieb gehalten 
hatte. Einige Spuren von Steinkohlen sind auch am jen- 
seitigen Gehänge diese» Thaies, in der Umgebung von 
Miex. zum Vorschein gekommen, doch tinden sich die 
ansehnlichsten Flöze im obern Abschnitt des genannten 
Thaies bei den Hüllen von Combre und La Callaz Bei 
den Hütten von Combre öllnen sich drei Stollen, wovon 
der eine noch zugänglich ist und in denen mehrere ziem- 
lich umfangreiche Schmitzen des Brennmaterials ange- 
troffen worden sind. Nicht so günstig zeigen sich die Ver- 
hältnisse bei La Callaz. wo da» Kohlenflöz sich als weit 
stärker ausgewalzt erwiesen hat. Am Beatenberg ist 
bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts eozäne Steinkohle aus 
der Nummulitenformation gegraben worden. 

Tertiäre Braunkohlen oder Lignite linden 
sich sowohl in der Molasse des Mittellandes als auch in 
den tertiären Mulden des Juragebirges. Sie werden zwar 
nicht sehr eifrig abgebaut, haben aber doch im allge- 
meinen ziemlich befriedigende Ausbeute geliefert. Wir 
wollen, in der Bichtung von Westen nach Osten fortschrei- 
tend, diese Flöze der Reihe nach etwas näher betrachten. 

Paudex bei Lausanne liefert einen in den Schichten mit 
Helix Ramcmdi der untern Süsswassermolasse 
laquitanische Stufe) eingeschlossenen schwarzen Lignit 
I Pechkohle i, der Lebergänge zur Steinkohle zeigt. Für 
Paudex datieren die ersten Arbeiten aus der Mitte des 
IS. Jahrhunderls, wahrend der Abbau der der nämlichen 
Zone angehörenden Flöze von Bclmont-La Convention erst 
gegen Knde des selben Jahrhunderts in AngrilT genommen 
worden ist. Es teilen sich hier ganze 8 Konzessionen (wo- 
von 4 in Betrieb stehende) in ein verhältnismässig nicht 
grosses Stuck l.au-1. das vom Kohlenlinz in zwei Gangen, 
einem obern («grand lilon» genannt) von '20-25 cm Mäch- 
tigkeit und dem 4,5 m tiefer gelegenen «petit lilon» von nur 
8—9 cm Mächtigkeit, durchzogen ist. Der «grand lilon» er- 
reicht aber in den hintersten Stullen I namentlich der Kon- 
zession von La Conversionl bei weitem nicht mehr '20cm 
Dicke. Alle Konzessionen zusammen ergaben im Jahr 
1898 einen Ertrag von etwa 850 Tonnen. Mehrere Gänge 
von schwarzem Lignit im nämlichen geologischen Niveau 
zeigen auch die Umgebungen von Chätillens und Oron, 
wo gleichfalls zweiLager von je 10-14 cm Mächtigkeit ab- 
gebaut werden, deren Ertrag sich aber innerhalb massiger 
Grenzen bewegt und von 150 Tonnen im Jahr 1881 auf 31 
Tonnen im Jahr 1898 gesunken ist. 

Damit sind die in der Westschweiz heute noch im Ab- 
bau stehenden Lignitllöze bereits aufgezählt, wahrend man 
Kohlenspuren im Tertiär an unzähligen andern Stellen 
nachgewiesen und auch schon seit dem 18. Jahrhun- 
dert verschiedene Konzessionen verlangt und erhalten 
hat. Die ohne Zweifel in AngrifT genommenen Arbeilen, von 
denen heute keine Spur mehr vorhanden ist, scheinen nicht 
zu befriedigenden Ergebnissen geführt zu haben. Neuer- 
dings, d. h. 1888 und 1889. wurden in der Umgebung von 
Corpalaux (im Kanton Freiburg) zwei Tiefbohrungen zum 
Zweck der Suche nach Kohlenflözen in der aquilanischen 
Molasse ausgeführt, von denen die eine bis nahe an 100 m 
tief hinab getrieben wurde, ohne dass man irgend etwas 
abbaufähiges angetroffen hätte. Zahlreiche ziemlich um- 
fangreiche Vorarbeiten zur Entdeckung und allfälligen 
Ausbeutung von aquitanischen Lignilen sind ganz beson- 
ders im Tal der Monnaz ausgeführt worden. Das Brenn- 
material, nach dem man hier suchte, fand «ich in einer 
grossen Anzahl (oft mehr als KD von kleinen Flözen, von 
denen einige mächtig genug schienen, um abgebaut 
werden zu können. Diese heule alle aufgegebenen Abbau- 
Unternehmungen erstreckten sich zwischen l*alczieux und 
Semsales auf eine Länge von etwa 7 km und sind zum 
Teil schon während der zweiten Hälfte des 18 Jahrhun- 
derts in Betrieb gestellt worden. Es sind folgende Werke : 
I) Pierre Confry mit zwei Kohlenadern ; Arbeiten 1771 
!>egonnen. 1837 wieder aufgenommen und 1857 aufge- 
geben. "2) Essert ; Stollen 1873 begonnen und 1887 ver- 
lassen, da man nur auf eine einzige Kohlenader gestossen 
war. Andere verlassene Gruben linden sich bei Praz Peton. 
'.\\ Am Nordwesthang der Hube von Progens liegen die 
alten Gruben von Semsales, die bedeutendsten der ganzen 



Gegend, die lange Zeit die Glashütte Semsales mit Brenn- 
material versorgten. Die umfangreichsten Anlagen zeigen 
sich an der 1 kalitat La Combaz. bei Froumy und dann 
namentlich bei Praz Montesy. Der 1776 in Angriff genom- 
mene Betrieb wurde während mehr als einem Jahrhundert 
mit grösserem oder geringerem Erfolg fortgesetzt. Bei La 
Combaz hat man zwei Kohlenflöze von 30 und '23 cm 
Mächtigkeit, bei Froumv 10-13 Flöze und hei Praz Mon- 
tesy mit einem mehr als 300 m langen Stollen volle 15 
Flöze angeschnitten, von denen zwei (wie bei Paudex- 
Belmont »grand lilon« und «petit lilon» genannt) mit 20 
bezw. 30 cm Dicke. Diese Kohlenvorkommnisse im Thal 
der Mionnaz sind denjenigen der erstgenannten Zone 
parallel angeordnet und scheinen einem höhern Horizont 
anzugehören, was aber in Wirklichkeit nicht zutrifft, da 
zwischen beiden Zonen die bedeutenden Verwerfungen 
liegen, die die subalpine Molasse hier durchsetzen. Es ist 
daher wahrscheinlich, dass es sich hier wie dort um die 
nämlichen Schichten, d. h. den nämlichen geologischen 
Horizont handelt. 

Abgesehen von den eben Benannten bergmännischen 
Betrieben hat man öfters auf Grund von blossen Andeu- 
tungen, wie der in diesen Susswasaerbildungen so überaus 
häutigen Kohlenspuren, Nachforschungen gemacht, so 
u. a. bei Hivaz, Savigny, Forel, Chexbres, Epesses, Chailly 
und Chätelard {bei Ciarens). 

Im Gebiet nördlich von Semsalea sind ähnliche Versuche 
an folgenden Orten gemacht worden : bei Marsens (1856». 
im Gurnigelwald (1797); am Grüsisberg bei Thun, der 
schon von Scheuchzer erwähnt wird und für den 1766 
eine Konzession verlangt wurde ; im Thal von Eriz. dann 
bei Marbach, Bächlen und Escholzmatt. Ausserhalb der 
subalpinen Zone sind Abbauversuche bekannt aus dem 
Thal der Pellte Glane, aus der Gegend von Cranges de 
Vesin (schon von Bazumovskv genannt i, von Neuenegg 
(1798?, Laupen < 1812). Frienisberg (1747) und Winau. An 
diesen Stellen handelt es sich uberall eher um vereinzelte 
Schmitzen von glänzender Pechkohle, als um regelrechte 
j Flöze. Es kann daher nicht überraschen, dass trotz aller 
Anstrengungen ein nachhaltiger Erfolg sich nicht ein- 
I stellen wollte. In der Tal keilten sich die vermeintlichen 
j Kohlengänge nach kurzer Strecke alle aus, nachdem sie 
den Unternehmer ihres sehr reinen Produktes wegen zu- 
erst voller Hoffnung gemacht hatten. Solche Nester von 
Pechkohle linden sich auch in der sog. grauen Molasse 
der Umgebung von Lausanne. 

In der marinen MoUbsc der helvetischen Stufe 
hat man ebenfalls Spuren von mineralischem Brennstoff 
angetroffen, der aber hier nicht in Gestalt von eigentlichen 
Schichten, sondern bloss in Schmitzen von glänzender 
Pechkohle auftritt. Trotz dieser ziemlich ungunstigen 
Verhältnisse sind zahlreiche Konzessionen verlangt und 
erteilt worden. Tatsächlich konstatiert hat man das Vor- 
handensein von Kohlennestern am Belpberg. Gurten und 
Bantiger, sowie bei Burgdorf. Madiswil, Huswil etc. 

Auch die obere Süsswassermolasse (Oenin- 
gerstufel weist ziemlich häufig Einschlüsse einer glänzen- 
den und leichten Kohle auf. die aber niemals regelrecht 
abgebaut worden ist. Nachforschungen hat man gemacht 
bei Lützelllüh (1804). im Wildeneigraben bei Bowil (1803). 
im Thal der Iltis zwischen Langnau und Trubschachen 
(1784.I, im Thal der Grünen (1779), im obern Fontannen- 
thal (1808), hei Büron 1 1853), am Schwarzenberg bei 
Gonten8wi) (1785), bei Hägglingen (1818). An dieser Stelle 
möge auch der völlig erfolglosen Versuche gedacht sein, 
die zahlreichen kleinen Adern von schwarzem Lignit in 
den Ueningerschichten des Thaies von Le Locle (Neuen- 
burger Jura ) nutzbar zu machen 11800—1810). Die bedeu- 
tendsten Versuche zu diesem Zwecke waren an den Lo- 
kalitäten La Philosophiere und La Jambe Ducommun an- 
gestellt worden. 

Verschiedene Lager von tertiärer Braunkohle (Lignit) 
treffen wir dann auch noch ostwärts der Beuss, d. h. im 
östlichen Abschnitt des Mittellandes. Sie gehören den 
gleichen geologischen Horizonten an wie die eben ge- 
nannten Vorkommnisse und sollen im Folgenden der 
Beihe nach besprochen werden. 

1 1 Am Nordwesthang des Hohen Honen sind in der 
aquitanischen Molasse in der Nahe von Steinerlluh, Greit- 
I Wurf und (Iber Sparen seit 1835 etwa 15 Stollen ein. 



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getrieben worden. Die Kohle findet sich als einzelne« Flöz 
von 15—21 cm Mächtigkeit. Seit 1800 hat man hier alle 
Arbeiten eingestellt, obwohl der Abbau 

zeitweise ein recht lebhafter newe-en 
war und einen BrennMotl vo» gute» 
•Jualit.it geliefert hatte. 

In fler I mj;ehii(in von I.n/ern ha 
man auf der l'rubsteimattc ISTiiS — |M>7 
ein allerdings* stark durch l'yril verun- 
reinigtes Kohlenllu/ vmi '.Hi rm Mäch- 
tigkeit abgebaut. 

3; In der marinen Vola«<e Ilelveti.ini 
des Slinncnherjtc« bei Laitan findet sieh 
«ine wechselnd mächtige Ii» firm, 
und nahezu Rainere -STVi Schicht von 
Ulan/kohle, die von ISiili I.,- |SM| abge- 
baut worden i-l und im ganzen einen 
Krtra^von I0IMI tfhioij Meterzentner n 
geliefert hat. 

K\ hapfnach am linken l Ter des 
Zürichsees. Sehr bedeutendes Kohlen- 
lager in der ohein Susswasserniolasse 
lOeiiingei'Mtufe.'. Besteht an* einem 
einzigen. 10 \i cm mächtigen Floz 
von l'ech- oder (darukohle (schwar/em 
Lignit:. Diese hohle war schon IÖ48 
dem Chronisten Stumpf bekannt und 
wurde BWi zum erstenmal bergmän- 
nisch Kewonnen . Km r«j,'el rechtet und 
ununterbrochener Abbau linder aber 
erst seit 1 statt Das holilenll-z ei- 
sslrcckt sich Uber eine grosse Flache 
und >teigl vom Spiegel des Zum hsees 
langsam etwa 40 m an. um dann hori- 
zontal zu werden und seihst wieder cl- 
MJi' hergcinwaHs liieren die Hohe von 
Moorseh w und • zu fallen Der |-.rtr»K-. 
der bis ums Jahr |K4J sehr bescheiden 
war und kaum IUH0 Tonnen im Jahr 
überstieg, hoti sich dann hl» 1858 auf 
jährlich 'J0O0 Tonnen und nachher bis 
au (Tri* XI Tonnen und ilaruher (las Maxi- 
mum erreicht«: mau IH7I mit ll(«i!i 
Tonnen, Seil 1K?t» hat ein beständiger 
!ivick^anjr im F.rtrng eingesetzt, sodas.» 
das Bergwerk als solclies beule ohne 
jegliche Bedeutung ist. indem es in 
seiner durchschnilllichen Jahrespro- 
duktion i*268 Tonnen im Jahr IrSrÖi zu 

derjenigen der Zeit vor 1817 zurückgesunken ist. Dieser 
Ziretand erklart sich oline Zweifel nicht sowohl aus der 
Erschöpfung de» Kohlenlagers, als vielmehr daraus, das» 
die Kuhlen von k.ipfnach out ilen -ms dem Ausland ein- 
neftihrten Steinkolilen nicht mehr konkurrieren können 
I m einer Krise vorzubeugen, hat darum der Staat Zürich 
al» Eigentümer des holilenbergwer kc» hapfnach zum 
(iruiii'tihetrieb noch ilie Fabrikation von hvdcauliscben 
Baumaterialien gefugt, wie jrebt romtern Kalk, Homan- 
zement und laett 1S1*0| kunsllicbem l'ortlandzemeiit. sowie 
Ziegeln und Backsteinen. Das Dohmatertal dazu liefern die 
das Kolilenll.'Z einsehliessenden Mergel, die als Abraum 
aus* dem Bergwerk herausgeschafft werden, Das wahre 
Mittel zur Bettung einer Kohlengrube, wie sie heule dos 
Bergwerk Kiiplnach darstellt, ist in der Tal: Nutzbar- 
machung der Abraummatcriaheii und Verbrauch des ge- 
forderlen Brennstollcs an «irt und Stelle Man gleiche Ver- 
fahren hat man. allerdings mit geringerm Frfolg. vr>r 
rund zehn Jahren auch beim Bergweik l'audex angewen- 
det, indi-m man hier eine Fabrik bvdraulischer l'iodnkle 
mit Ziegelei errichtete, die bis heule schon nicht als i 
Millionen Fr. Kapital lerschlnngen hat. In hapfnach 
halte man schon vor Einrichtung der Fabrikanlagen be- 
gonnen, einen Teil des Ahruiirnmalrriales i schwarze bitu- 
minöse Mergeli als Dunge- und HodenverbcsscruiigMiiiltel 
zu verkaufen Die Menge der in K.ipfnurh auf einer ahge- 
baolen Flache von I Millen m- bis iK'.Ki gewonnenen Kohle 
auf insgi-»amt i"i00UO Tonnen grsrhalzl werden. 

Kohlenlager ist. ioti Bin ;.let, . ,in. Ii noch 
ilen ausgebeutet ,1777 ISV.I . Ertrag rund .'IÖ00 
n und bei Asbach abgebaut worden, d..eh erwies 



I sich die Kohle an diesem letztern Ort als sehr wenig rein 
i und stark mit Mergel vermengt. Etwas weiter gegen 




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i Südosten hat man beim Weiler (iottshalden ebenfalls 

I stark erdige Kohlen ^e^raben. deren Ausln'ute im Zeitraum 
1874— IS'il einen l'rirag um VW) Tonnen et^ab, 
;t| hast Kohlenflöz von Ihedhof im Aeugslerthal wurde 

I 17S<i entfleckl und dann gleich dem Bergwerk Ka[jfnach 
\i< m Staat Zürich abgebaut Nachdem etwa 'JXXK) Tonnen 
Kohlen gefordtrrl worden, stellte man *len Hetneb zu Ue 

| ginn des ly. Jahr hundci ls (-in Auch dieses H<iz gehört 
der oher n Susswas*el UioIaa.se an, wie ferner noch ver- 
schiedene aiiclece bekannte aber kaum abgebaute Vor- 
kommnisse im ohern und untern Iteppi-cfithal. so na- 
mentlich bei Sellent in en und dann wieder bei Spreitcn- 
bach lim Kanlon Aargaui. 

4> Das Sihllhal bietet an manchen Stellen anstehende 
Kühlenschiehtcri, die stellenweise bis zu cm Machtig- 

1 keil aufweisen können und ebenfalls iler< (einn^ermohiHse. 
vielleicht Ho^ar noch dem nämlichen llocizoiit wie Kapf- 
nach angehören. Ahbanversuche wunlen gemacht bei 
Obstgarten , nahe Adliswil) und lliiitersteig. im Sehweizer- 
tob«d. am Bossweg etc. 

öi Bergwerk Klgit. elienfalls in der ohern Süsswasser- 

1 molasse. Das bei >rhn«ilherK ^elettctie Khn ist I7t">t auf- 
gefunden und oberhalb des Bahnhofes l'Jan an drei Stellen 
I wahren«! der Jahre 178-2 UvSs, ISI1 18-27 und I8'27 IKi7. 
abgebaut worden. Die Menge «Jer geforderten Kohl«- i-l 
nicht bekatinl, kann aber in Aubelracht der CnD^elmas- 
sigkeit des Flözes nicht sehr b<Mleuteiid gewesen sein. 

fil Fbenfalls der i »»-nin^er inolas-e eehor t «lie um 
178!« 171HI abcHbuule Mine von liaat an. die sieb in einem 
/.wischen Wciai h und Kais« rsluhl jjegen den Bliein sich 
otluenden Tlialcheli befand. 

k 2»Hi — 0EOCB. LEX. V — 18 



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7) Im Tösslhal linden sich an zahlreichen Stellen 
Kohlenadern, die sich aber meist als wenig mächtig und 
als unregelmäßig erweisen. Eine Anzahl davon hjt gegen 
Knde des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts Anlas« zu 
Ahbauversuchen gegeben, doch hat sich keiner dieser 
ltetriebe zu halten vermocht und ist man über die Kr Wäge 
kaum unterrichet. Dem Alter nach gehören diese Kohlen 
wohl ebenfalls der Oeningeralufe an. — Das nämliche gilt 
vom Gebiet des Bachtel, wo die seltenen auch in der Nagel- 
Ii uh vorhandenen Spuren von an-tehender Glanzkohle 
»ich meist in Form von linsenförmigen Neslprn zeigen. 

8i Im Wehnth.d und im Thal von Hegensdorf, sowie im 
aargauischen Limmalthal und an verschiedenen zerstreu- 
ten Orten des Kantons Zürich handelt es sich ebenfalls 
meist um einfache linsenförmige Kohlennester oder dann 
um kleine Flöze, die für einen lohnenden Abbau zu gering- 
fügig sind. Dies hat zahlreiche, natürlich rein vergebliche 
Versuche nicht zu hindern vermocht. 

9| In Herdem (Kant. Thurgau) hat man seit 1855 zwei 
Kohlenflöze ausgebeutet, deren eines 15—16 cm mächtig 
war. Der Betrieb ist im Jahr 1893 eingestellt worden. An 
andern Stellen, w ie bei Bornhausen, Mammern, Berlingen, 
Ennatingen etc., zeigen sich blosse Nester oder Schmitzeo, 
die sich als vereinzelte und unter sich nicht zusammen- 
hängende Anhäufungen von Kohle darsl. Ilen, obwohl sie 
alle der Oeningermolasse angehören. 

10) Versuche zum Abbau von Glanzkohle bei Wellhausen 
im Süden des Thurthales datieren aus dem Anfang des 19. 
Jahrhundert» und reichen bis 1857. bis zu welcher Zeit 
man eine ganze Reihe von Stollen eingetrieben hatte. Auch 
da» Thal der Murg bietet keine bessern Verhältnisse, in- 
dem die hei Murkart, Oberwil und Littenheid zu Beginn 
dea 19. Jahrhunderts angelegten zahlreichen Stollen zu 
keinem greifbaren Resultat geführt haben. Das nämliche 
gilt für das obere Murgthal | Bichelsee und Fischingen). 

11) Das Bergwerk Buti in der st. gallischen Gemeinde 
Schännis stand eine gewisse Zeit in ziemlicher Blüte. 
Die Arbeiten begannen 1824 und dauerten bis 18bö. Ueber 
die Gesamtmenge der geforderten Kohle ist man nicht 
unterrichtet ; bekannt ist bloss, dass in dem eine Periode 
ziemlich eifrigen Abbaues darstellenden Zeitabschnitt 
1856—1865 hier rund 9000 Tonnen Kohlen gewonnen 
worden sind. Diese Kohlen gehören wie diejenigen des 
Waadtlandes der aquitanischen Stufe oder untern Süss- 
wassermolasse an, 

12) Nachforschungen nach Kohlen, die aber keine In- 
angriffnahme von Ahbauarbciten zur Folge hatten, fanden 
auch in andern Teilen de« Kantons St. Gallen, sowie in 
Appenzell statt, so z. B. bei Niederuzwil und Echellswil, 
in der Umgebung von St. Gallen etc. Diese Kohlennester 
liegen sowohl in der aquitanischen wie in der Oeninger 
Molanse. 

Aua der vorstehenden Ueberaicht ergibt sich, daxs alle 
tertiären Kohlenvorkommniaae, die zu einem Abbau von 
etwelcher Bedeutung Anlass geboten haben, »ich in den 
beiden letzten Miozänstufen, d h. der aquitanischen und 
der Oeninger Molaase, vorfinden, während in der helve- 
tischen Stufe bis anhin noch nie Kohlen in abbauwürdiger 
Menge festgestellt worden sind. Im Betrieb stehen heute 
nur noch die Bergwerke von Paudez La Converaion in der 
aquitanischen und von Käpfhach in der Oeninger Molasse. 
Der Ruckgang dieser Unternehmungen erklärt sich einer- 
seits aus der allmähligen Erschöpfung der Flöze, d. h. der 
zunehmenden Verteuerung des Abbaue« und der Forde- 
rung, andrerseits aber auch au« der mit der fortschreiten- 
den Kntwicklung dea Kisenbahnnetze« immer mehr sich 
eltend machenden Verbiltigung der ausländischen Stein- 
ohlen I>er Weiterbetrieb des Abbaue* in den beiden ge- 
nannten Bergwerken hat sich nur durch die Schaffung 
von Neben indnstrien ermöglichen lassen, die die Abrauui- 
materialien zu hydraulischen Produkten, Ziegeln. Back- 
steinen etc. verarbeiten und die geforderte Kohle an Ort 
uud Stelle verbrauchen. 

Die diluviale S c h i e f e r k o Ii I e oder Braun- 
kohle (Lignilf zeichnet sich durch eine mehr oder 
minder dunkelbraune Farbe au« und laust die »Mtstruk- 
tur noch derart gut erkennen, da«« man oft selbst die 
jährlichen Wachstumsringe wohl zu unterscheiden ver- 
mag, obwohl die llolzstücke. Ptlanzenstengel und sonstigen 
Vegetahilien. aus denen sich diese Kohle bildete, so stark 



> gepresst und zusammengedrückt worden sind, dass die 
j ganze Masse in dünne Schichten gelegt, d. Ii. achiefrig 
geworden ist. Daher denn auch der Name Schieferkohle 
i für dieses Gebilde, das noch so stark an das Holz erinnert 
' und ganz ander« brennt, als die weit mehr der Steinkohle 
gleichende schwarze Glanzkohle. Die bekannten und zum 
! Teil abbauwürdigen Flöze dieaer Schieferkohle linden 
sich alle im interglazialen Diluvium und verdanken ihre 
j Entstehung der Begrabung von Waldungen, lokal auch 
1 von Torfmooren, unter Moränenmaterial. das von den 
i eiszeitlichen Gletschern bis an diese Stellen herlranspor- 
I Wert worden war. 

In der Weslachweiz haben sich bis jetzt nur unbedeu- 
tende Spuren von Schieferkohlen gezeigt, sodass man 
an eine Ausbeutung dieser Vorkommnisse in den Um- 
gebungen von Auboone iSignal de Bougy) und Grandaoo 
niemals gedacht hat. Im Gegensatz dazu liegen in den 
Grenzgebieten zwischen den Kantonen Zürich und St. 
Gallen sehr ansehnliche Ijiger von Schieferkohle be- 
graben. Bald tritt nur eine einzige Schicht auf. bald 
aber auch deren zwei, die dann durch Kiese und Sande 
voneinander getrennt erscheinen. Die untere Kohlen- 
schicht ruht immer auf Glaziallehmen mit geschramm- 
ten Geschieben, während über den die Schieferkohle 
begleitenden Sauden und Kiesen stets die Moränen 
der letzten Eiszeit folgen. Daraus ergibt sich, dass wir 
es hier mit einer interglazialen Bildung zu tun haben, 
und zwar stammen unsere Schieferkohlen ihrem geologi- 
schen Aller nach aua der letzten Interglazialzeit. 

Der Abbau der Lager von Dörnten begann mit der Mine 
von Oberberg, wozu sich 1862 noch die Stollen am Binz- 
berg gesellten. Während der ersten zehn Jahre lieferte 
daa Lager von Oberberg jährlich etwa 40«0 Tonnen, das- 
jenige von Binzberg schon im ersten Jahr nahezu .1000 
Tonnen Kohle. Jetzt ist dieses Flöz erschöpft, in Schön- 
eich nahe Unter Wetzikon ist ein anderes Lager in An- 
griff genommen worden, daa sicher gleiches Alter hat 
wie dasjenige von Dürnten und vielleicht sogar die näm- 
liche Schicht darstellt. Die Mächtigkeit des Flöze« beträgt 
in Unter Wetzikon 1-1.5 m. in Oberberg bei Dörnten 
dagegen 2—4 m ; doch ist die Kohle nicht immer rein, 
indem sich häufig je nach der Mächtigkeit der Schicht 
mehr oder minder zahlreiche tonige Blatter zwischen das 
eigentliche Brennmaterial einschieben. IW Abbau ist we- 
gen Erschöpfung des Lagers seit längerer Zeit eingestellt. 

Seit noch älterer Zeit wird die nämliche Schieferkohle 
auch in Uznach im Kanton St. Gallen bergmännisch ge- 
wonnen. Diese Lager sind zugleich auch bedeutender 
und wahrscheinlich von beträchtlicherer Fh'ichenausdeh- 
nung als diejenigen im Kanton Zürich. In besonder» 
günstigen Jahren hat das Uznacher Bergwerk bia auf 
50 000 Tonnen Kohle geliefert. Diese Schieferkohle von 
Uznach liegt stellenweise fast unmittelbar auf den aufge- 
richteten Schichten der dislozierten Molaase und wird 
ihrerseits von Schottern und Sanden überlagert, auf die 
nach oben neuerdings Moränenmaterial folgt. Ea erscheint 
daher als vollkommen wahrscheinlich, dass die Schiefer- 
kohlen sowohl des St. Galler wie des Zürcher Gebietes 
glcic en Alters sind, wenn sie nicht etwa gar miteinander 
in direkter Verbindung stehen. Der Betrieb ist heute 
nicht mehr sehr lebhaft, und das ganze Bergwerk geht 
rasch seiner völligen Erschöpfung entgegen. Der näm- 
lichen, in diesem Falle durch die Tätigkeil der Ero- 
sinn zerstückelten Schicht gehören sicherlich auch die 
Spuren von Schieferkohle an, die man in ziemlich gleicher 
Meereshohe wie die Uznacher Kohlen »m gegenüber- 
liegenden Buchberg, sowie bei Wangen und Kallbrunn kon- 
statiert hat. 

Ein weiteres Schieferkohlenflöz wurde bei Mörswil 
zwischen Üorschach und St. Gallen, d. h. also im Boden- 
seegebiet, abgebaut. Die Schicht ist hier aber bloss 60 cm 
mächtig. Ertrag bis zu 5000 Tonnen pro Jahr. Betrieb 
seit längerer Zeit eingestellt. 

T o r fl a g e r. Der Torf bildet sich in sumpfigen Gebie- 
ten, die von Quell- oder Hiesel waaser durchzogen oder auch 
einfach durch die Regenwasser gespieaen werden. Als 
Gegenden, die für die Torfhildung in erster Linie in Krage 
kommen, sind Alluvialebenen, in der Verbindung begrif- 
fene Seen oder verlandete Einbuchtungen von solchen zu 
nennen. Itaneben vermag sich aber Torf auch noch auf 



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SCHW 



SCI1W 



Hachen, konvexen und selbst nicht zu steil geneigten Flu- 
chen zu bilden, wo das Wasser niemals stagniert haben 
kann, der Boden aber dennoch durch Messendes Wasser 
(in Verbindung mit dem Hegen wassert intensiv durch- 
feuchtet ist. Auf dem zur KnUlehung eines Torfmoores 
mit Notwendigkeit für Wasser undurchlässigen Hoden 
entwickelt sich eine beMimmte Vegetation, deren Eigen- 
art darin besteht, dass die abgestorbenen und unter Was- 
ser geratenen Pflanzenteile durch den Vorgang der lang- 
samen Vermoderung ( Vermoorung) in einen je nach sei- 
nem Alter mehr oder minder braunen Kill von pllan/.- 
lichen Stoffen umgewandelt werden. 

Man unterscheidet zwei Arten von Torfmooren : die unter 
Wasser entstandenen Flach nioore und die an der freien 
Luft erzeugten, gewölbten Hochmoore. Jene bilden sich 
in Seen oder Sumpfen, welche schliesslich vollkommen 
verlanden und mit Torf ausgefüllt werden, wahrend das 
immer starker sich wölbende und oft Thai und Berg wie 
mit einer Hülle überziehende Hochmoor auf undurch- 
lässiger Unterlage da entsteht, wo der Boden einer inten- 
siven Durchfeuchtung ausgesetzt Ist i Hochmoor entsteht 
auch auf vollständig verlandetem Flachmoor). Dabei er- 
scheint die pflanzliche Zusammensetzung des unter Was- 
ser entstandenen Torfes von derjenigen des in freier Luft 
erzeugten vollkommen verschieden. Auf den Hochmooren 
stehen gewöhnlich auch gewisse Baume, wie z. B. Birken 
und Moorkiefern, deren Wurzeln und zu Fall gekommene 
Stämme ebenfalls im Torf begraben werden und sich hier 
nach und nach in braunen Lignit (die sog. «querbes» des 
Neuenburger Berglandesj umwandeln. Der beste Torf 
(Schwarzlorf, Moortorf. Pechtorf) ist derjenige, welcher 
in einer bestimmten Tiefe gestochen wird, schon höheres 
Alter hat, durch den Druck der aullagernden jungern Torf- 
schichten starker gepresst erscheint und daher auch einen 
höhern Brennwerl besitzt. Der oberflächliche Torf oder 
Brauntorf (franzos. «pelvoux») ist locker und leicht und 
wird vielfach auch als Streue oder zur Papierfabrikation 
verwendet. 

Der unter Wasser entstandene Torf besieht in der 
Hauptsache aus den Stengeln und Wurzeln von Wasser- 
pflanzen (Zyperazeen, Gramineen), sowie in geringem) 
Mass auch aus Moosen der Gattung Hy/mum ( W iesenlorft. 
Im Gegensalz, dazu herrschen im Hochmoor die Moose der 
Gattung Sp/ingnum vor (Moostorf). Der Wiesentorf ist 
oft reich an MineralsubMan/en. die von den dem ehema- 
ligen Sumplland zufliessenden Wässern herbeigeführt wor- 
den sind, im .Moostorf fehlen dagegen mineralische Kin- 
schlüsse fast ganz. Damm weist auch der Torf der Flach- 
moore einen stärken n Aschengehalt auf als derjenige der 
Hochmoore. Durch allmähligcs Austrocknen oder bei 
bloss vorübergehender Durchfeuchtung wird das Hoch- 
moor schliesslich in Heide umgewandelt, deren pflanz- 
liche Zusammensetzung wiederum von besonderer Eigen- 
art ist. Auf Grund der eben geschilderten Art der Ent- 
stehung von Torfmooren kann man schliessen. da-« sich 
solche namentlich auT verlandeten oder in Verlandung 
begrilTcnen ehemaligen Seeboden der Niederungen oder 
dann auf Hochplateau! mit undurchlässigem Untergrund 
finden. Fei es. dass diese letzteren einst von mehr oder 
minder tiefen Seehecken bedeckt gewesen sind oder dass 
aus der Vegelutionsmasse des Moosbodens sich unmittel- 
bar ein Hochmoor herausgebildet hat. 

Der Torf bildet noch in manchen Gegenden ein unent- 
behrliches Brennmaterial. Die Ausbeule erfolgt so ziem- 
lich überalt auf dieselbe Weise: man sticht mit der 
Schaufel oder dem Spaten quadratische sog. Soden oder 
Sthübel (franzos. «briques« oder «moltes») aus, die man 
dann nach begonnener Austrocknung zu Mauern oder 
Pyramiden aufeinanderhäuft, um nachher den vollkommen 
trocken gewordenen Torf in Schuppen zu magazinieren. 
Die frischen Schubel messen 9xlt*;<30 cm, die getrock- 
neten dagegen , r >xl">x25 cm. Das Raummass für den 
Verkauf bildet die Torfkislc (franzos. banget, die je nach 
den lokalen Verhältnissen etwa I Klafter oder 3- i Ster 
umfasst. 

I ) Torfmoore d es J u r a. Die undurchlässige Grund- 
lage der Juratorfmoore wird oft durch tertiäre Mergel. 
Kllinger- oder nathonmergel. sowie z. T. auch durch 
Gla/ialtone gebildet. Der W a a d 1 1 n n d e r J u r a hat um- 
fang reiche Torfmoore namentlich in der Vallee de Jout 



bei Le Sentier und Le Brassus und von da bis gegen die 
franzosische Grenze bei Le Carroz hin. Weniger wichtig 
sind die Moore im Vallon de Sollial, einer seitlichen 
Nebenmulde des Jouxthales. In der Umgebung von Sainte 
Croix wird an drei Stellen Torf gestochen : bei La Sagne 
in der Mulde von Sainte Croix selbst, auf dem Plateau 
von La Chaux und L'Auberson. sowie endlich in der 
Combe der Vraconne. Ueber die Menge des im Waadl- 
land ausg.'beuleten Torfes ist man kaum unterrichtet, 
da hier die Torfgewinnung der Privatindustrie überlassen 
bleibt und der Grundeigentümer oder Unternehmer durch 
keinerlei gesetzliche Bestimmung zu Angaben dieser Art 
angehalten wird. 

Die ausgedehntesten Torfmoore der Schweiz treffen wir 
aber in den Hochthälern des NeuenburgerJura, wo 
die tlachsohlige T. rtiärmuhle von Les Ponts und La Sagne 
(1000—1018 m) ganz mit in vollem Abbau befindlichen 
Torfgruben übersät ist. Man zählt hier noch 10 km* ab- 
bauwürdigen Torfmoores, welche Fläche bei Berechnung 
eines jährlichen Verkaufes von 441000 Karren Trockentorf 
noch einen lohnenden Abbau für mehr als lOOJahresichert. 
Das etwas hoher gelegene Thal von La Hrevine (1050 m) 
umschliesst weniger ausgedehnte und auch weniger inten- 
siv abgebaute Torfmoore als es diejenigen von Les Ponts- 
- l~a Sagne sind; abzüglich der Befriedigung des lokalen 
Bedarfes führt der Südwesten des Thaies seinen Torf nach 
Les Verrieres und dem Val deTraver». der Nordosten da- 
gegen besonders nach Le Locle aus. La Chaux de Fonds 
wird in erster Linie durch die Torfgruben von La Sagne 
versorgt, während diejenigen von Les Ponts viel Brenn- 
material in die Stadl Neuenburg abgeben. Von geringe- 
rem Umfang und Wert sind die Moore von l.a Joux du 
Plane, Les Eplalures-Bonne Fontaine erschöpft). Les 
Verrieres (erschöpft), Noiraigue und an den Hängen des* 
i Pouillerel. Die Torfschicht des Thaies von Le 1-ocle ist 
h-1 m mächtig, wird aber nicht ausgebeutet, weil der 
Torf/.u viel Sand und Schlamm enthält. 

Zwischen dem Neuenburger und dem BernerJura 
breitet sich die weite vertorfte Hochfläche des Tessenberges 
(Plateau de Diesseiaus. die bis jetzt nur an ihren Händern 
abgebaut wird. Kleinere Torfmoore, die hier unter dem 
Namen der «sagnes» bekannt sind, finden sich im ganzen 
Herner Jura in ungezählter Menge vor. können sich aber 
selbst in ihrer Gesamtheit noch lan«e nicht mit den 
Neuenburger Torfmooren messen, da ihre tolale Fläche auf 
bloss etwa 6 km* zu schätzen ist. In ersler Linie zu nen- 
■ nen sind diejenigen von Montfaucon und Les Kufen», von 
Les Bouges Terres, Les Moulins des Hoves und La Gruycrc, 
von La Chaux de Ureuleux und l-a Chaux de Tramelan 
(bedeutendste Torfgrnbe der Kreibrrgcj. denen sich noch 
die von La Chaux d'Abel bei Le Noirmont und von Les 
Pontins am Gehänge des Chasseral anreihen lassen. 

Im nordlichenund ostlichenJura tritt wohl 
hie und da lorliges Sumplland auf. doch fehlen eigentliche 
Torfmoore oder werden solche zum mindesten nicht ab- 
gebaut. 

2l Die Torfmoore de« Mittel landes sind fast 
i ausnahmslos Flachmoore, wahrend Hochmoore in dieser 
i Hegion an bestimmte Stellen gebunden erscheinen. I>er 
| undurchlässige Boden, auf dem sich die Moore des Mittel- 
I landes angesiedelt haben, besteht bald aus dem Aufsehut- 
' tunifg- und Yerlandungsmaterial eines Sees oder Weiers. 
> bald aus lehmig-tonigein Moränenschutt oder endlich auch 
einfach ausdemVerwitlerungsschlammder Molassemergel. 
Man kann hier demnach verschiedene Arten von Torf- 
mooren unterscheiden: lakustre Torfmoore an der Stelle 
ehemaliger Süsswasserhecken. Torfmoore in den Senken 
zwischen Moränen wällen und endlich Torfmoore aufTer- 
tiännergeln. Diese letztem linden sich gewöhnlich in den 
Thalfurchen, die zwischen zwei aus harten Sandsteinen 
oder Nagelfluh besiehenden Graten ausgewaschen worden 
sind. Ks' ist nicht möglich, an dieser Stelle alle die zahl- 
losen Torfmoore des Miltellandes aufzuführen, und zwar 
umsoweniger. als sie in der grossen Mehrzahl nur sehr 
klein und auch meist noch nicht einem regelrechten 
Abbau unterworfen worden sind. Wir beschränken uns 
daher darauf, einige derjenigen Torfmoore des Mittel- 
landes besonders hervorzuheben, die eine gewisse Be- 
I deutung erlangt haben. 

! Kine bedeutende Gesamtllache bedecken die an Stelle 



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eine« ehemaligen Sfisswasserbeckens entstandenen la- 
kustren Torfmoore. Solche treffen wir zunächst in der 
Ebene der Orbe zwischen Yverdon und dem Mormont, 
sowie bei La Sarraz. Ihr Abbau, und zwar hauptsächlich 
bloss für den eigenen Bedarf de« Unternehmer» oder 
den lokalen Bedarf der benachbarten Ortschaften, ist zu 
verschiedenen Zeiten und mehrfach an Hand genommen 
und dann wieder eingestellt worden. Dies trifft nament- 
lich zu für die zahlreichen Torfgruben zwischen dem Moni 
«le Chamblon und der Stadt Yverdon. Den Torf de« obern 
Abschnitten der sog. MaratsderOrbefMaraisd Entreroche«) 
haben Aktiengesellschaften zu zwei verschiedenen Malen 
im Grossen ausgebeutet Zum erstenmal vor jetzt etwa 
30 Jahren, und zwar hauptsächlich zweck* der Herstellung 
und Ausfuhr von karbonisiertem Presstorf, sog. Lara- 
kohle, welches Unternehmen jedoch nicht von Erfolg war 
und bald wieder aufgegeben werden musste. Neuerdings 
hat dann die «Societe Osmon » in dieser liegend den 
Torfabbau im Grossen wieder aufgenommen, um, wie man 
sagt, nach einem neuen Verfahren aus dem Torf ein ge- 
presstes Brennmaterial (oOsmondit» genannt) herzu- 
stellen. In diesem Abschnitt des Moores, zwischen Bavoi« 
und < »i ny, misst die Torfschicht bis auf 7 und 8 m Mächtig- 
keit. Die genannte Gesellschaft gewinnt den Torf mit Hilfe 
von Baggern weit unter dem Wasserspiegel, während frü- 
her in erster Linie steU Kntwässerungs- und Austrock- 
nungsarbeiten vorgenommen werden musslen. Ein Pri- 
vatunternehmen beutet seit mehreren Jahren den Torf 
des Marais des Puits bei Bavois aus, welches Moor seinen 
Namen von mehreren grossen Quellen («puits») erhatten 
hat. die mitten im Torfboden von unten nach oben her- 
vorbrechen. 

Der nämlichen Erscheinung verdanken auch die Torf- 
moore in der Sohle des Bhonethales zwischen Monthey- 
Saint Triphon und dem Genfersee ihre Entstehung, doch 
wird hier der Torf nirgends abgebaut, da er in einer nur 
wenig mächtigen Schicht vorhanden tu sein scheint. Zu- 
dem ist er auch von geringer Qualität, indem ihm infolge 
der zahlreichen Ueberschwemmungen. denen dieses Ge- 
biet lange Zeit auagesetzt gewesen war, grosse Massen 
von Sand und Schlamm beigemengt wurden. Die heu- 
tigen Entwässerung»- und Trockenlegungsarbeilen zielen 
eher daraufhin, diesen Torfboden nach und nach in an- 
baufähiges Land umzuwandeln. 

An dieser Stelle müssen ferner die von der Gemeinde 
Avenches abgebauten Torfmoore im untern Broyethal. 
sowie die weit auagedehnteren Moore des Grossen Mooses 
(auch Marais du Chablais genannt) zwischen Neuen burger- 
und Murtensee und den Hohen von Aarberg erwähnt 
werden. Hier im Grossen Moos wird der Torf meistens 
nicht seines eigenen Wertes wegen ausgebeutet, da er 
wenig mächtig entwickelt ist und fast ausschliesslich aus 
minderwertigem Brauntorf ifranzös. pelvoui) besteht, 
sondern viel eher, um den Boden zum Anbau vorzube- 
reiten. Die kaum mehr als 2 m und oft noch weniger 
mächtige Torfschicht ruht auf einer Grundlage von See- 
schlamm. Die nämlichen Verhältnisse linden sich in allen 
Torfmooren des Seelandes und der Zihlebene zwischen 
dem Neuenburger- und Bieleraee wieder, wo hie und da 
etwas Torf gestochen wird, ohne dass aber dieser Abbau 
über eine rein lokale Bedeutung hinausgeht. Diese Torfe 
können trotz günstiger Verkehrsverhaltnisse und der 
Nähe der Stadl Neuenburg etc. ihrer minderwertigen 
Qualität wegen mit denjenigen des Neuenburger Hoch- 
landes nicht ernstlich in Konkurrenz treten. 

Aehnliches gilt auch für die ausgedehnten sumpllgen 
Gebiete der Linthebene zwischen dem Zürich- und Walen- 
see, des Rheinthales zwischen dem Bodensee und Ober- 
riet, sowie der Thäler der Glatt und der Limmat. 

Unzählige kleinere und grössere Torfgruben werden so- 
wohl in Jen Niederungen und Thälern als an den Berg- 
llanken und auf den Hochllächen des Mittellandes ausge- 
beutet, so dass wir uns hier auf einen raschen Ueberblick 
über dieselben begnügen müssen. 

im Kanton Genf wird keines der vielen kleinen Torf- 
moore ständig ausgebeutet, während man im Waadtländer 
Mitlelland, neben den schon genannten Mooren, die sich 
an der Stelle eines ehemaligen Seebeckens gebildet haben, 
noch bei Le Tronchet (nahe der Hohe von Gourze über 
Culljr) QO( i i m Sumplland der Rogivue bei Oron. sowie 



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zeitweise auch an anderen Stellen lebhaft Torf sticht. 
Das Torfmoor der Bogivue greift auch auf Boden des 
Kantons Freiburg über, wo der Abbau sich auf eine 2—3 
m mächtige Torfschient erstreckt. Andere Torfgruben 
linden sich bei Attalens in der Senke zwischen dem 
Mont Pelerin und dem Moni Vuarraz. sowie bei Iji Jaliaz 
und Le Cret, ferner an folgenden Stellen : EcliarlenB (nur 
für den lokalen Gebrauch). Bouleirea bei Greierz, Les 
Paluds bei Bulle. Vaulruz. Säles. Joux des Ponts (für den 
Gebrauch der Glashütte Semsales ; nahezu erschöpft ), 
Maules südlich vom Mont Gibloux, Champothevs, Ecasseys, 
Villaraboud. Treyvau», Le Petit Farvagny (Klein Fa ver- 
lisch), Rose', Montevraz llessus, Senedes (schöner Torf 
von 3 m Mächtigkeit ; Ausbeute jährlich 150—200 Karren 
zu 4 m 3 ; Verkauf nach Freiburg, Lausanne und Bern), 
Lentigny. Seedorf, Cutterwil, Holzgasse, Bergli (Ge- 
meinde Bechlhalten), Garmiswil (Ausbeute 4000 —5000 nv' 
jährlich), Lanthen (1500-2000 m Heilenwil (500-600 
m 1 ), Tentlingen (800-900 m 3 ). 

Im Bernischen Mittelland lokalisieren sich die bedeu- 
tendsten Torfgruben an folgenden Stellen : Schwarzenegg, 
Wachseldorn, Buchholterberg, Gurzelen, Mühlethurnen, 
Tollen, Belp, Münchenbuchsee. Stettlen, Gümligen, Moos- 
seedorf, Seeberg, Walkringen, Wikartswil bei Walk- 
ringen, Enggistein bei Biglcn, Villbringen bei Bubigen, 
U reellen bei Konollingen. Schlosswil. Jassbach am Kurzen- 
bach ( bei Diessbach), Steinmoos zwischen Schangnau und 
Fggiw il u. s. f. Bemerkt sei hier noch, dass das Grosse Moos 
sich auf die Kantone Bern und Freiburg verteilt und dass 
jenem zahlreiche Torfgruben im Grossen Moos im engem 
Sinn, im Torfmoor von Brüttelen-Täuffelen und bei Nidau, 
zusammen auf Boden von 15 Gemeinden, angehören, 
während der Anteil Freiburgs kleiner ist, sich aber doch 
auf 13 Gemeiuden, in denen Torf gestochen wird, er- 
streckt. 

Die dem Mitlelland zuzurechnenden Teile der Kantone 
Aargau und Solothurn umfassen folgende Torfgruben: 
Aeschi, Bolken und Messen im Kanton Solothurn ; dann 
Arislau-Althäusern, BesenbüreniBünzermoosiindSteinen- 
moosi, Boswil (Bünzermoos). Hunzen (Bün zermoos ), Dot- 
tikon. Fischbach-Goslikon. Meienberg-Fenkrieden. Nie- 
der wil (Niederwilermoos und Holtenmoos), Nieder Bohr- 
dorf, Sarmensdorf( Buchermoos), Seengen (Altholz), Seon. 
Verlassene Gruben im Kohlmoos und im Rotwassermoos. 
Genaue Angaben über den Ertrag aller dieser genannten 
Betriebe fehlen. 

Die Torfmoore auf Boden des Kantons Zürich sind sehr 
zahlreich, so dass auch hier nur die bedeutendsten erwähnt 
werden können. Der Torr lindet fast ausschliesslich lokale 
Verwendung und wird nur ausnahmsweise nach einer 
der benachbarten grossem Städte versandt. Im Betrieb 
befindliche Torfgruben bestehen an folgenden Lokalitaten : 
Ossingen (am Hausersee), Heitlingen. Niederhasli. Buchs, 
Schwerzenbach (am linken Ufer der Glatt), Wangen, 
Dübendorf. PfäfTikon. Irgenhausen. Auslikon, Wetzikon, 
Unter Wetzikon, Gossau. Brand. Brunschweid. Berg, Af- 
foltern, Regensberg. Von geringerer Ausdehnung und Be- 
deutung sind die Gruben von Samstagern (Gemeinde Rich- 
terswil), Hausen, Feldenmoos |Gem. Bedingen), Rilfers- 
wil, Aeugst. Beichlen und Miltenberg iGem. Wndenswil). 
Gehrenstag (Gem. Hirzel). Nidelbaif (Gern Büschlikon). 
Zimikon (Gem. Schwerzenbach), Nänikon bei Greifensee. 
Niederglatt. Neerach, Hombrechtikon, Dürnten, Rüti. 
Bubikon. Sack (Gem. Seegräben). Wuhre (Gem. Mönch- 
altorf), Halden (Gem. Egg). Dielsdorf. Oberglatt, Metlmen- 
hasli, Bümlangerried. Bassersdorf. Dietlikon. Baltens- 
wil, Neuburg (Gem. Wülflingen), Neubrunn, Oberhofen. 
EfTretikon, Wildert (Gem. Hinan i. Hinan , Bisikon. Oringen 
(Gem. Wülflingen). Gerlingen (Gem. Andellingen), Ben- 
ken, Langenried (Gem. Hombrechtikon), Trüllikon. 

Die Torfmoore des Kantons Schallnausen sind unbe- 
deutend und werden nicht ausgebeutet. Dagegen baut 
man im Kanton Luzero in den Alluvialniederungen am 
Vierwaldstattersee und in den benachbarten Thälern eine 
ziemlich grosse Anzahl von Torfmooren ab. Am bekann- 
testen sind davon die Graben von Hochdorf (zwischen dem 
Dorf und dem ßaldeggersee), Eschenbach. Ottenrüti und 
Luchem -am (Gemeinde Rothenburg!. Schluchenmoos 
(Gem. Emmen), Ergolzwil. Wauwil. Ettiswil, Rüdiswil 
IGem. Ruswil), Kommen und I.ochelen (Gem. Gunzwilj; 



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von minderer Bedeutung sind die Torfgruben von Kaltbacli, 
Kotlwil, Schöll. Buchs, Allhaus (Gem. Ruswil), Gor- 
mund (Gem. Hildisrieden i, Eriswil(Gem. Knutwil), Rain, 
Ostergsu bei Willisau. Das Torfmoor von Hallwil wird 
nicht mehr abgebaut. Torf findet sich auch im Thilchen 
von Obbürgen (Unterwaiden), wo er seit etwa 1855 in 
geringer Menge gewonnen wird. 

Obwohl Torflager im Kanton Zug ebenfalls ziemlich 
verbreitet sind, baut man hier doch bloss dasjenige des 
Geissbodens auf dem Kucken des Zugerberges (zwischen 
Zuger- und Aegerisee) ab, wo der Torf eine sehr grosse 
Flache einnimmt. Der angrenzende Kanton Schwyz weist 
in dem weiten Torfmoorgebiet von Altmatt-Rotenturm- 
Sattel einen bedeutenden Torfabbau auf. Der Torf er- 
reicht hiereine Mächtigkeit von bis zu 7 m und mehr und 
besieht sowohl aus Wiesen- als auch aus Moostorf. d. h. 
hat sich sowohl in Flach- wie in Hochmooren gebildet. 
Diese ausgedehnten Moore liegen auf der Ilachen Wasser- 
scheide zwischen der Biber und der Steiner Aa. Nicht 
minder ausgedehnt sind die Torfmoore der Hochebene 
von Einsiedeln und ihrer Umgebung, die bis zum Etzel 
und imThal von Iberg weit in die Voralpen hinein reichen. 
Abgebaut wird dieser Torf noch am Tritt. 

Der Kanton Glarus hat noch einen gewissen Anteil an 
den Torfmooren der Linthebene. besonders in der Um- 
gebung von Billen, wo aber der Torf bloss für die lokalen 
Bedurfnisse der Rewohner gestochen wird. Das Thur- 
gauer Mitlelland zeigt bloss Torfvorkommnisse von schwa- 
cher Ausdehnung und in der Mehrzahl der Fälle in Form 
von unter Wasser gebildetem Wiesen- oder Rasentorf. 
So das Befangenmoos bei Hauplwil, das Hudelmoos (zum 
Teil Hochmoor) bei Zihlschlacnt, die Moore um den Nuss- 
baumer-, Steinegger- und Hasensee. das Etzwilerried, 
Lommiserried und manche andere. Im ganzen gibt es im 
Thurgau 44 in Betrieb stehende Torfgruben, die sich auf 
die einzelnen Bezirke wie folgt verteilen: Arbon 1, Bi- 
schofs/eil 4, Frauenfeld 13, Sleckborn 17, Münchwilen 7. 
Weinfelden 2. 

Neben den schon erwähnten Mooren im Rheinthal 
zwischen Oberriet und dem Bodensee wird im Kanton 
St. Gallen noch an folgenden Stellen Torr gestochen : 
Andwil, Böttberg bei Klawil, Kirchberg, Niederwil bei 
(jossau, Ricken. 

3) Die TorfmoorederAlpen haben im allgemeinen 
nur geringen Umfang und liegen oft auf Berghalden und 
Terrassen im Flysch, sowie auch in Hahlformen, die der 
glazialen Erosion ihre Entstehung verdanken. Die aus- 
gedehntesten finden sieh auf einigen breiten Passwasser- 
scheiden, die nach dieser Vermoorung' ihrer Umgebung 
oft Namen wie Mönser, Mosaes etc. tragen. Die grosse 
Mehrzahl der alpinen Moore ist bisanhin noch nicht oder 
dann einzig für den lokalen Bedarf abgebaut worden. Ks 
hat dies seinen hauptsächlichsten Grund darin, dass die 
nämlichen Gegenden meist reich an Holz sind und daher 
des Torfes als Brennmaterial nicht bedürfen. Auch hier 
muBs sich unsere Aufzählung auf das allernot wendigste 
beschränken. In der äussern Zone liegt über Ciarens 
das am Gehänge der Plliades in Flysch gebettete Torf- 
moor von Prantin. Auf dem Col des Mosses zwischen den 
Thälern der Grande Eau und der Saane linden sich zahl- 
reiche Torfanhäufungen, deren eine, bei La Lecherelte, 
ausgebeutet wurde. Dem nämlichen Flysch gehören die 
zahllosen Torfmoore der Ormonts und des Simmenlhales 
an, hauptsächlich diejenigen des Passes der Saanen- 
möoser. wo aber kein Torf gestochen wird. Weiter ost- 
wärts folgen, ebenfalls im Flysch, die grossen Torfinoor- 
tlächen des Kantons Unterwaiden, die aber nur ganz zu- 
fällig, je nach dem sich zeigenden lokalen Bedürfnis aus- 
beutet werden. Das gleiche wiederholt sich in den 
Alpen von Schwyz, Glarus, St. Gallen etc. Bemerkt sei 
noch, dass sich die ganze (Grenzzone zwischen den Hohen 
Kalkalpen einerseils und den Voralpen der Saanen- und 
Simmengmppe andrerseits, die aus dem sog. Niesenflysch, 
sowie aus schiefrigen Schichten des l.ias und Oxford* auf- 
gebaut ist. durch weit sich hinziehende vcrtorfle Flächen 
auszeichnet, die entweder an den sanft geneigten Gehän- 
gen der Thäler oder auf den die einzelnen Ouerthnler mit- 
einander verbindenden Passwasseischeiden (Col de la 
Croii. Col du Pillon, Trüttlispass. Krinnen, Hahnenmoos 
etc.) liegen. 



Die Torfmoore der kristallinen Alpen sind von gerin - 
germ Umfang ala diejenigen der Kalkalpen und messen 
oft nicht mehr als einige zehn m* Fläche. Die gröaeten 
davon liegen ebenfalls auf den Päseen. Von einer Ausbeute 
kann hier gar nicht gesprochen werden. Immerhin wollen 
wir auch für dieses Gebiet einige Beispiele aufführen. 
Mehrere Moore finden sich im Thal von Salvan in den klei- 
nen Senken zwischen einzelnen Rundhöckern, sc z. B. eines 
bei Les Marecotles, das anlasslich des Eisenhahnbaues 
Martigny-Finshauts fast vollständig auagebeutet worden 
ist und in dem mitten im Torf zahllose Baumstämme zum 
Vorschein kamen. Der Pass und das Thal von Champes. 
(14(0 m) über Martignv weisen Torfbildungen auf. die 
ihre Entstehung der Ablagerung von Moränen verdanken. 
Auf dem Passscheitel desbimplon sieht man zwischen den 
Bundhöckern zahlreiche mehr oder minder tiefe Kels- 
becken, die von kleinen, teils in der Vertorfung begrif- 
fenen, teils bereits vertorften Wassertümpeln eingenom- 
men sind. Das gleiche gilt auch für nahezu alle andern 
Pässe der kristallinen Alpen «St. Gotthard, Furka etc.). 
Flachmoore, d. h. also Moore von lakustrer Herkunft, er- 
scheinen auch in den tiefen und grossen Thalfurchen, 
wie z. B. im Engadin, im Rhonethal und im Tessinthal- 

Asphalt. Bitumen und Naphta. Das einzige 
gegenwärtig im Abbau begriffene Vorkommnis von As- 
phalt ist dasjenige des Val de Travers. das 1636 entdeckt 
oiler doch mindestens zum erstenmal erwähnt wurde 
(unter dem Namen der «Hartz-Erde»). Als erster erhielt 
der vorgeblich griechische Arzt und Professor Eirini» 
im Jahr 1711 eine Konzession zm Abbau des Erdpeches 
des Val de Travers, der dann auch im Boia de Croi* am 
linken Ufer der A reu sc in Angriff genommen wurde. 
Schon früher (das Jahr ist nicht genauer bekannt) hatte 
man bei Buttes im obern Abschnitt des Val de Travers 
den Asphaltstein aufgefunden, der durch einen mit J. F. 
Guillaume aus Les Vemcres vergesellschafteten gewissen 
Jost abgebaut und zur Herstellung von Asphattol und Ze- 
mentkitt verwendet wurde. Wahrend länger als einer» 
Jahrhundert fand nun am linksseitigen Ufer der Areuse 
ein gewisser Abbau statt, der aber deswegen keinen 
grössern Umfang annehmen konnte, weil man für den 
geförderten Asphalt nur wenig Verwendung hatte. Diesem 
I mstand muss man es zuschreiben, dass der Asphalt der 
Reihe nach als Vertilgungsmittel von Insekten, sowie als 
Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten, besonder» 
die Cholera, dann auch als Wagenschmiere etc. empfohlen 
wurde. Das Vorhandensein des asphalthaltigen Kalksleins 
am rechten Ufer der Areuse an der Stelle, wo heute fast 
ausschliesslich Asphalt gewonnen wird (Prise Meuron. 
Les Mossets, La Presta i, ist zuerst schon von Leopold von 
Buch 1801 — 18113 wissenschaftlich festgestellt worden. 
Seitdem man den Asphalt ala Mittel zur Strassen ptlä Ste- 
rling (Makadam) verwendet, nahm der bergmännische 
Abbau des AsplialiKesieins im Val de Travers (seit 1855> 
einen anhaltenden Aufschwung, während die Mine aber 
erst seit 1868. in welchem Jahr sie von einer Aktiengesell- 
schaft übernommen worden war. sich zu einem wirklichen 
Grossbetrieb umgestaltet hat. Eine Reihe von vorgängigen 
Bohrversuchen ergab, dass die Schicht des asphaltlialü- 
gen Gesteines sowohl in der l^ngsrichtung des Thaies 
als quer gegen das rechtsseitige Gehänge hin sich sehr 
weil unterirdisch fortsetzt, d.n. auf mindestens 4000 m 
in der Längs- und 100 m in der Querrichtung. Diese 
Bohrungen erfolgten unter der Leitung von Prof. Desor 
und bestanden in etwa 30 auf fünf Profile verteilten Bohr- 
löchern. Auf Grund dieser Feststellungen durfte der Be- 
trieb ohne Gefahr für eine plötzliche Erschöpfung der 
Mine mit aller Energie an die Hand genommen werden 
und wurde anlässlich der Konzedierung des Bergwerkes 
die Abgabe an den Staat auf Kr. 19.75 per Tonne festge- 
gesetzt. Während sich der Ertrag vor dieser Zeit auf jähr- 
lich etwa 1500-2000 Tonnen gehalten halte, stieg er in 
der Folge trotz mancher hinderlicher Umstände und eini- 
ger Misserfolge doch bedeutend an, so dass reute im 
Jahresdurchschnitt 25(100 Tonnen gefordert werden. An- 
lässlich des Ueberganges der Konzession an die «Neuchätel 
Asphalle Comp. Ld.» im Januar 1878 ist die Abgabe auf 
Fr. 7.50 per Tonne reduziert worden Die Misserfolge 
sind in erster Linie der unrichtigen Behandlung des 
Rohmaterials zuzuschreiben, indem man zuerst das 



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SCHW 



SCHW 



-279 



Bitumen aus dem 8 — 15% halten<len Gestein zu gewinnen 
und Nebenprodukte, wie Brenngas, Oele zu verschie- 
denem Gebrauch, Gussasphalt etc. herzustellen 
.suchte Heule begnügt man sich damit, das Roh- 
material, sofern es mindestens etwa 10% reinen 
Bitumens enthält, Hofurl nach der Forderung zu 
pulverisieren und in der Hitze zu Broten zu for- 
men. Hat das Gestein einen geringem Gehalt, so 
wird ihm noch die nötigt- Meng«- von Asphalt an- 
derweitiger Herkunft zugesetzt. Die Asphaltbrote 
sind nun zum Gebrauche fertig. Andere Ursach« n 
der anfänglichen Misserfolge lagen im Eindrin- 
gen von Wasser, von dem heule etwa 44)00 Mi- 
nuten hier aus einer Tiefe von rund .Vi in heraufge- 
pumpl werden, sowie namentlich in der eigenar- 
tigen Technik des Abbaue«. Has alle System des 
(iiulieiilciue-l.esUnicl in der Wegnahme einer mög- 
lichst grossen Menge um Asphaltgestein, wobei 

llianeine gewisse Felsinasseals Pfeiler sie Ihm Iic-s 

Da nun aber dieses Gestein nursehr wenig Wider- 
standskraft hat, wurden die Pfeiler durch das Ge- 
wicht der aufliegenden Bergmasse viefach zer- 
drückt und damit das ganze Bergwerk der Gefahr 
des Einsturzes auagesetzt. In Anbetracht derbe- 
aondern Beschaffenheit der abzubauenden Fels- 
srhicht eignet sich somit dieses System des Ab- 
baues mittels stehengelassener Pfeiler entweder 
gar nicht oder nur dann, wenn man fast des 
Asphaltlagers an Ort und Melle belassen wollte. 
Nach langwierigen Versuchen kam mau endlich 
zu der sowohl den Eigentümer als den Konzessionär 
befriedigenden einzig richtigen Losung dieser schwierigen 
Frage. Man treibt jetzt 3 m breite Bichlslollen in den Berg, 
zwischen denen quadratische Pfeiler von 27 in Seitenlange 
stehen bleiben. Diese Pfeiler umgibt man auf drei Seiten 
mit Mauerwerk und beutet sie von der vierten Seite her 
vollständig aus, worauf der Hohlraum mit Abraumschutt 
vorzu wieder ausgefüllt und dann auch die vierte Seile fest 
vermauert wird. Auf diese Weise vermag man das Lager 
vollständig auszunutzen und die Stollen dennoch jeder- 
zeit zugänglich zu erhalten. Eine annähernde Schät- 
zung ergibt, dass das Asphaltier des Val de Travel - die 
Ausbeute noch auf mindestens BN) Jahre hinaus /u lohnen 
vermag. 

Der sog. Asphaltstein des Val de Travers ist kein 
reiner Asphalt, sondern ein kreidiger Kalk der obern 
(Jrgonstule (oberes Neokom), der bis auf eine Proportion 
von 15% des Gesteinsgewichtes, meist aber weniger, 
mit zähem Asphalt imprägniert erscheint. Dieses as- 
phalthaltige Gestein ist nicht hart (woher die leichte Zcr- 
druckharkeit der Pfeiler) und wird mit zunehmendem 
Gehalt an Bitumen immer mürber. Der • crappe» ge- 
nannte Fels von einem Asphaltgehalt von weniger als 
7% lohnt den Abbau nicht und wird daher auch nicht 
zu Tage Befördert. Er ist von hellbrauner Farbe, während 
das an Asphalt reiche Gestein dunkelbraun erscheint 
und sich mit d< m Messer leicht schneiden lässt. Wir 
haben es hier also mit einem asphalthaltigen Kalkstein 
zu tun. 

Ein Lager von asphaltführendem Kalk gleichen Alters 
wie derjenige des Val de Travers existiert auch nahe dem 
Ufer des Neuen burgersees bei Saint Aubin. Es wurde von 
1857 bis 1865 abgebaut, obwohl sein Gestein höchsten« 
4% Bitumen enthalt und daher nach der Benennung der 
Bf rcwerksarheiter «les Y.ii de Travers bloss«- crappe ■ «In i - 
stellt. Mit dem hier geförderten Rohmaterial hat man 
Röhren aus bituminösem Karton hergestellt. Der Ab- 
bau geschah in der Form des Tagebaue«. Das Gestein 
erscheint sehr ungleichmässig mit Asphalt durchsetzt und 
ist daher im allgemeinen auch viel härter als dasjenige 
de« Val de Travers. 

Spuren von Bitumen, ebenfalls im l'riion, sind in einem 
mehr oder minder porösen Kalkslein, der nahe Auvernier 
zu Tage ansteht, festgestellt worden, doch hat man nie 
irgend welche Versuche zum Abbau unternommen. In 
Serrierea zeigt sich ein schwacher Gehalt an l-ilumen im 
untern Urgon und bis in den Hauterivienkalk hinunter. 
Zähflüssiger Asphalt i Bergleer) fand «ich ferner in Form 
von Füllmaterial von Klüften und Bissen im sonst völlig 
kompakten obern L'rgonkalk am Murmoni bei Orbe, bei 



Valeyres sous Rance etc. Am Moni de Chamhlon tritt er 
dagegen im obern Hauterivekalk auf. 




AsphallmiD« La Pr«»U b«i Trsverf. 

Einige Jahre lang hat man versucht, eine Art Kluft- 
ausfullung von asphalthaltigem Kalkslein auszubeuten, der 
nahe Vallorbe an der Lokalität Les Epoisals entdeckt wor- 
den war. Das vermeintliche Lager erwies sich aber als 
eine blosse Anhäufung von mit Bitumen durchsetzten Fels- 
fragmenten in einer Spalte der obern Bathonmergel, so 
dass die Unternehmer kaum auf ihre Kosten kommen 
konnten. Auch das Bathon des Furcil bei Noiraigue ent- 
hält in seinen Spähen hie und da zähflüssigen Asphalt. 

Im Tertiärland hat man in der untern Süsawassermo- 
lasse der sog. aquilanischen Stufe nahe Dardagny im Kan- 
ton Genf flüssiges \ a p h t a oder Petroleum entdeckt, das 
den weichen Sandslein durchtränkt und. namentlich bei 
Erhitzung durch Sonnenbestrahlung, tropfenweise daraus 
hervorquillt. Trotz eingetrieben« r Stollen und Anlage f 
eines Bohrloches ist man aber doch nicht auf ein Lagst 
dieser wertvollen Flüssigkeit gestossen. da der Fels zu 
fest und zu wenig porös erscheint, um seinen geringen 
Gehalt an Naphla abgeben zu können. Die bezüglichen 
Abbauversuche gehen bis in die Mitte des 19. Jahrhun- 
derts (1836—1836) zurück An der nämlichen Stelle ist 
dann wieder im Jahr 1888 ein Bohrloch bis in eine Tiefe 
von 150 m hinabgetrieben worden, angeblich um Kohlen 
zu suchen. Das Naphla von Dardagny enthält neben Teer 
besonder« Mineralöl und ist im reis bis zu einer Propor- 
tion von 8,5% enthalten. 

Trotz dieser wenig ermutigenden Aussichten hatte Bich 
im Jahr 1893 in Lausanne ein Studienkomilee gebildet, 
das gegebenenfalls in der Umgebung von Chavornay und 
(Ii he, wo das Vorhandensein von flüssigem Naphla i ähn- 
lich demjenigen von Pechelbronn im Qnm) in der Tiefe 
vermutet wurde, Bohrversuche anstellen wollte. Seither ist 
dann auch dieses Projekt wieder ad acta gelegt worden. 
Man hat zwar in den Molassesandsteinen der Umgebung 
von Agiez bei Urbe, sowie in denjenigen von Chavornay 
das Vorhandensein von Naphtaspuren festgestellt (schon 
von Bazumowsky in seiner 1789 erschienenen Hiitoire 
naturelle du Jorat erwähnt), die hier aber noch in weit 
eringerem Masse den Fels durchtränken als dies bei 
«rdagny der Fall ist. 

Salinen. Lager von Steinsalz linden sich in der 
Schweiz im nördlichen Jura, längs der l«andesgrenze süd- 
lich vom Rhein und in den Voralpen hei Bez. In ver- 
schiedenen andern Teilen der Schweiz unternommene 
Nachforschungen nach Steinsalz sind ohne praktisches 
Ergebnis geblieben. 

Die Lauer im NordenderSchweiz geboren der 
mittlem Trias an und liegen im sog Salzton der Anhy- 
dritgruppe des Muschelkalkes. Sie sind stets mit Gips- 
und Anhydritmassen vergesellschaftet. Ueber diese Lage- 



280 



SCIIW 



SCHW 



rungsverhältnisse haben uns die zahlreichen Bohrlöcher 
unterrichtet, die zum /weck de* lleraufpumpens von Salz- 



100 1 im 



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-am rws^s 

Entwicklung dar schweizerischen Sultverk« IS^t-IWO. 

nomroene Zusammenstellung 



lauge bis auf das Salz lager herunter in die Tiefe getrieben 
worden sind. Durch unterirdische Grubenanlagen ist das 
Salz in dieser liegend bis heute noch nicht gewonnen 
worden. 

Die älteste der Rheinsalinen. Schweizerhalle, liegt im 
Kanton Itasei Land. Daa erste Ikihrloch datiert hier aus 
1836 und die Inbetriebsetzung der Saline, die heute mit 
7 Schächten arbeitet, aus 18117. Der jahrliche Ertrag be- 
lauft sich gegenwartig (1905) auf 221330 Meterzentner, 
wovon 1412878 Kochsalz. 345 Tafelsalz. 4491 Viehsalz, SS 918 
Gewerbesalz und 698 Düngsalz. Die übrigen Salinen dieser 
liegend liegen auf Hoden des Kantons Aargau. Ks sind : 
Kaiseraugst, gegründet 1844, im Jahr 1848 aufgegeben, 
18H5 wieder in lielrieb gesetzt ; hat 4 Schächte im Betrieb, 
deren tiefster bis 158 m (d. h. bis zum Dach des Roth 
oder Buntsandsteins) hinabreicht. — Rheinfelden, seit 
1844. — Riburg, seit 18*8. Die gesamte Salzproduklion 
im Kanton Aargau belief sich im Jahr 1905 auf 289007 
Meterzentner. Die drei aargauischen Salinen sind, auf 
tirund einer vom Kanton targau unterm II» ,20. Dezember 
1871 erteilten Konzession, einer im Jahr 1874 unter 
der Firma «Schweizerische Rheinsalinen in Rheinfel- 
den » gebildeten Aktiengesellschaft zur Ausbeute über- 
lassen wurden. Hin vor etwa zehn Jahren etwas weiter 
östlich, nahe Koblenz, unternommener Bohrversuch 
hat auch hier das Vorhandensein eines ziemlich be- 
trächtlichen Lagen* von Steinsalz ergeben. Itafür sind 
eine ganze Anzahl von andern Rohrvei-kurlien resultatlos 
geblieben, so z. B. diejenigen bei Bettingen (im Kanton 
Basel Statin, im Oriatha', bei Wiesen und bei Oberdorf 
(im Kanton Basel Land), beim Laufen oberhalb Kohlenz, 
an zwei Stellen bei Felsenau gegenüber hohlen», bei Sul/ 
nahe der Mündung des Sulzgtabens oberhalb Rheinfelden 
(im Kanton Aargau . Im Berner Jura hat man bei Cornol 
schon 1820 vermittels eines bis in nnhezu 400 m Tiefe 
hinabgestossenen Bohrloches Salz gesucht, freilich ohne 
Krfolg. da die Erdrinde in dieser Gegend besonders ener- 
gischen Dislokationen unterworfen gewesen ist. Nachdem 
das Bohrloch die Trias durchstossen hatte, schnitt es von 
neuem alle jüngern Gesteinsschichten in umgekehrter 
Lagerung. 

Das Salz werk Rex ist die einzige Stelle der Schweiz, 
wo das Salz in unterirdischen Stollen direkt abgebaut 
und gewonnen wird Zuerst benutzte man zum Betrieh 
eine 1554 entdeckte Salzquelle, die bei Le Fondement im 
Thal der Gryonne dem Felsen entsprang. Der seit 1684 
begonnene bergmännische Helrieh verfolgte lange Zeit 
nur den Zweck der Suche nach Salzquellen, bis man seit 



Reginn des 19. Jahrhunderts den • Salzfels • selbst, ein 
etwa 30°, o Steinsalz enthaltendes Gemenge von Gips. An- 
hydrit, Dolomit und '1 ongestein. in An- 
grill ii ■Ihm Die durch kunstliche Un- 
terwassersetzung der im Salzfels ge- 
triebenen Stollen oder durch Entsal- 
zung des zertrümmerten und in be- 
sondern Apparaten atifeinanderge- 
schichteteu Gesteins erhaltene Salz- 
lauge wird verdampft. Nachdem das 
Salzwerk Hex zu der Zeit, da es vom 
Staat Waadt selbst betrieben wurde, 
eine starke Krise durchzumachen 
gehabt hatte, ist es seit seiner Ue- 
hernahine durch die private « Com- 
pagnie des salines et mines de Bei • 
im Jahr 1x60 in eine Periode be- 
trächtlicher Rlute eingetreten. Heute 
liefert das Werk nicht nur dem 
Kanton Waadt seinen gesamten 
Salzbedarf (etwa 4OU00 Meterzentner 
jährlich) sondern gibt noch an ver- 
srhieilene Industrien I Radetahlisse- 
mente, chemische Fabrik in Monthey i 
Salzlauge und daneben eine beträcht- 
liche Menge von Viehsalz ah. 

Die Salzproduktion der Salinen- 
werke Rex. Rheinfelden, Riburg, 
Kaiseraugst und Schweizerhalle in 
den Jahren 1888 bis 1905 zeigt 
folgende (dem Slatittitehen Jakr~ 
fnich der Sehweit für 1906) ent- 



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Total 








Biburg und 
Rheinfelden i 


halle 


















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«1 


Kochsalz 


29 KCl 


253 755 


192878 


, 476266 


Tafelsalz 


531 


344 


34.-. 


1 220 


Viehsalz 


13 156 


1 lim 


4 491 


18747 


Gewerbesalz 


850 


32765 


22918 


v\ct 


llungsul/ 




104.3 


698 


1741 


Total 


190£i 


44170 


289007 


221 330 


554507 


• 


1904 


v..iii»7 


28t »72ii 


223307 


544 744 


» 


191)3 


37 101 


870780 


211512 


520 2.0 


• 


it»lr2 


39.302 


268847 


201 755 


500004 


• 


1901 


3901 1 


2 7 968 


198927 


505 906 


■ 


1000 


.35301 


2*2 7X3 


194697 


V'.t-JSlI 


n 


1 


37 442 


253 435 


178052 


KM 929 


1 


IW 


:ts \->\ 


261 172 


207 875 


Ö07 171 


Ii 


1X97 


30059 


226865 


184154 


Hl (178 


■ 


1890 


-7 7."- ■ 


2T»2 85» i 


1923*3 


172929 




1895 


20 727 


231 255 


159971 


117953 


■ 


|89l 


■.".1 401 


231084 


173 438 


4:« 986 




1893 


■»1538 


220686 


147462 


397 686 


• 


1X92 


31 411 


213256 


160555 


KCl 222 


* 


1X91 


26 2m» 


196785 


148839 


371 914 


• 


189t) 


25937 


206285 


134928 


367 180 


» 


18-9 


•21 980 


200105 


146484 


3»M575 


• 


IS88 


23166 


187 .Vi»! 


150009 


: 160 831 



Man hat an verschiedenen Stellen der Alpen versucht. 
Salzlager desselben geologischen Alters wie dasjenige Min 
Bex, das gleich den Rheinsalinen der Trias angehört, 
aufzufinden, indem man sich dabei auf die Heobachtung 
stützte, dass sich die das Steinsalz von Hex enthaltende 
liips- und Anhydritzone von dieser Stelle an längs dem 
ganzen Fuss der Hochalpen bis zum Thunersee ununter- 
brochen fortsetzt. So hat man sich in der Umgebung von 
Krattigen umgesehen, ob die Verhältnisse für die Vor- 
nahme von Rohrversuchen günstig seien, die geplanten 
Arbeiten jedoch nicht begonnen. 



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SCHW 

Das Volk kennt an gewissen Stellen da und dort einen 
*og. Salzbrunnen (Salzbrunneli). ohne da«« es »ich in 
diesen Fällen in Wirklichkeit um salzhaltiges Wasser 
handelt. 

Zu erwähnen sind an dieser Stelle noch die ausgedehn- 
ten Nachforschungen, die im Laufe des 18. Jahrhundert« 
ausserhalb de* eigentlichen Salzgebieles von Hex unter- 
nommen worden sind. Diese Haue befinden sich im 
Thal der Grande Eau am Fuss dea Chamo*»« irr (so bei 
Le Darl. Salins, Panex und im Bois de la Chenaux). sowie 
im Thal der l'etile Gryonne bei Lei Vaux unterhall» Che- 
■fieres. Weiler»« Nachsuchungen fanden bei Boche und 
noch an verschiedenen andern Stellen tslatl. 

Bei Birmensdorf im Kanton Aargau gewinnt man aus 
den Keupermergeln durch Auslaugung des darin ent- 
haltenen Bittersalze* (oder Kpsotnites). eine* Magnesium- 
sulfates, das abführende Birmensdorfer Bitterwasser. 
Unter Anwendung des nämlichen Verfahrens erhält man 
in Mülligen ein Mineralwasser, dessen Hauptbestandteil 
Glaubersalz ist. 

c! MetaUtnrze. Von allen einstigen Krzgmben der 
Schweiz stehen heute bloss noch die hisengruben de» 
Delsbergerthales im Betrieh. Doch dürfen wir die zahl- 
losen Erzbergwerke, die einst — namentlich im Wallis 
und in Graubünden — mit grosserem oder geringerem 
Erfolg abgebaut worden sind . nicht gänzlich mit Schweigen 
ubergehen. Einen Beweis für die Bedeutung, den diese 
Unternehmungen zu einer bestimmten Zeit hallen, und 
für die zu ihrer Hebung und Blüte gebrachten Opfer 
bildet die Waldverwüstung dieser Gebirgsländer. 

Bo hnerz (französisch fer siderolithique oder fer pisi- 
furme* wird heute von der Gesellschaft der Ludwig von 
Italischen Eisenwerke in der tertiären Ausfüllung de« 
ltelsbergerthales, deren unterste Schicht die ßohnerztone 
hitden. noch ziemlich lebhaft ausgebeutet. Neben den 
gediegenen Bohnerzkornern besteh l diese Bildung na* 
mentlich noch aus rolen oder gelben Tonen (dem »ob. 
Bolus), aus denen sich kein Eisen gewinnen lässt. Der Ab- 
bau von Bohnen ist damit an das Vorhandensein von Erz- 
lagern an der Sohle der tertiären Ablagerungen gebunden, 
wo das Erz am Kontakt mit der obersten Jurastufe (Ki- 
mendgei in Nestern sich findet und oft auch in Aua- 
höhlungen und Taschen dieses Jurakalkes selbst liegt. 
Neben diesen normalen Lagern an der Sohle der tertiären 
Ausfüllung der verschiedenen Mulden im Berner Jura hat 
man in frühern Jahren noch an sehr zahlreichen Orlen 
Bohnert abgebaut, das die vielen in den jurassischen 
Schichten ausgewaschenen Hohlräume füllte. Im Jahr 
1854 bestanden noch drei Gesellschaften zum Abbau des 
Bohnerzes im Berner Jura, die das Erz in Oelsberg, Cour- 
roux. Courceton. Develier. Seprais, Montavon und Met- 
temberg gewannen, um es in den Hochofen von Oelsberg. 
Rondez, Courrendlin. Undervelier. Choindez. Kleinlützel 
i Lucelle) und Bellefontaine zu verhütten. Heute wird das 
Erz bloss noch in Choindez verhüttet, zur Speisun? von 
dessen einzigem in Betrieb stehenden Hochofen die Menge 
des geforderten Rohmaleriales kaum mehr genügt. Die 
vier zur Zeit im Abbau stehenden Schächte sind in 120 
bis 130 m Tiefe auf das Erz gestossen und beschäftigten 
im Jahr 11)05 noch 65 Arbeiter. 

Die ehemals abgebauten Vorkommnisse von Bohnerz- 
körnern im Berner, Sololhurner. Aargauer, Neuenburger 
und Waadlländer Jura sind heute vollständig erschöpft. 
Ortsnamen, wie Ferrera, Fernere, Lea Fours etc. deuten 
auf solche einstige Erzgruben oder Hüttenwerke hin, die 
mit der Erschöpfung der Minen und der Verbesserung 
der Verkehrsmittel und Verkehrsgelegenheiten natürlich 
ihre Tätigkeil einzustellen sich gezwungen sahen. 

Magneteisenerz von sehr guter Qualität ist am 
Moni Chemin über Martigny noch im Jahr 1860 lebhaft 
abgebaut worden. Dieses Erz findet sich in Form von 
linsenförmigen Nestern und wird von grünlichen oder 
schwärzlichen Schiefern, sowie von Blinken weissen oder 
geäderten Marmors begleitet. Solche Lager hut man im 
Couloir von Coiloux über Bovernier ausgebeutet und das 
Erz in Les Vatlcttes verhüttet In derselben Zone von 
Magneteisenerz waren auch die Bergwerke von Chez Large, 
Vence und Les Planchea über Charrat angelegt, die von 
1842 bis 1845 in Beirieb standen und die Giessereien von 
Ardon mit Erz versorgten. Die Menge des hier geförderten 



SCHW 281 

I Erzes kann im ganzen auf 150 000-200000 Meterzentner 
geschätzt werden, während man in den übrigen Betrieben 
am Mont Chemin jährlich rund I00U0-14U00 Meterzentner 
gefordert hat. 

Magneteisenerz ist ferner auch in verschiedenen Teilen 
der Bündner Alpen gewonnen worden, so z. ß. im Val 
Sourda zwischen Bonaduz und Versa in. 

Eisenglimmer (französisch fer oligiste speculaire) 
wurde auf der Afp Schroorras im Val Nandro (Oberhalb- 
stein) gewonnen und in den einst bedeutenden Hütten- 
werken von Kerrera, deren Ruinen heule noch sichtbar 
sind, verarbeitet. Andere, ehemals ebenfalls ausgebeutete 
Lager »Inden sich auf der Alp Tisch im Albulathal, sowie 
auch im Val Sourda. 

H ä m a t i t ( Eisenoxyd oder Eisenglanz) trifft man am 
Gonzen über Sargans, wo die zwischen 1200 und 1500 m 
Hohe schon seit alter Zeil angelegten Gruben eine ziem- 
liche Bedeutung hatten, da das Erzlager stellenweise mehr 
als einen Meter Mächtigkeit erreicht. Im Gegensatz zu 
den übrigen Eisenerzlagern im jurassischen Fels ist das 
Erz des Gonzen ein dichter, nicht oolithischer Hämatit, 
der dem mittleren Malm angehört. 

Der Chamosil ist ein feinoolithisches Eisenerz, das 
sich in <ier Callovienstufe findet und über der Alpe Cha- 
mosenze am Fuss des Haut de Crv (Rhonetliah ansteht. 
1850 1860 in einer jährlichen Menge von 20000-30000 
Meterzentnern gewonnen und in den Eisenwerken von 
Ardon verhüttet. Chamosit wird auch aus dem bünd- 
nerischen Val Sourda erwähnt. 

Eisenoolith. Versuche zum Abbau des l.imonites 
im untern Dogger (Opalinustone), im Callovien und im 
Valangien sind an verschiedenen Stellen des Juragebirges 
wiederholt unternommen worden, haben aber wegen des 
zu geringen Erzgehaltes dieser Felsstufen nirgends zu 
befriedigenden Ergebnissen geführt. In den Kalkalpen ist 
der Eisenoolith des Callovien und Bathonien (Rlegioolilh) 
{ zu wiederholten Malen bergmännisch gewonnen worden. 
Solche Erze lindet man in einem grossen Teil der Berner, 
Unterwaldner und Glarner Alpen, so z. B. an der Grossen 
Windgälle, doch waren die häutigen Abbauversuche nir- 
gends von dauerndem Erfolg begleitet. Noch vor kurzer 
Zeil hatte man. gestützt aut den billigen Breis der zum 
Beirieb vorgesehenen Wasserkraft, die bedeutenden Eisen- 
oolithlager im Gadmenlhal zu verwerten gesucht, jedoch 
ebenfalls ohne den erhofften Erfolg. 

Pvrit (Eisen- oder Schwefelkies): Ehemaliger Abbau 
im Dogger der Alpe de l'Amöne im obern Val Ferret. 

M a n g a n e i s en erzc (Pyrolusit, Psilomelan, Polianit) 
sind in Graubünden im Val d'Err (Oberhalbstein) und 
n^ch vor ganz kurter Zeit auf der Alpe digl Platz über der 
Rofna gewonnen worden. 

Blei. Es handelt sich hier ausschliesslich um oft sil- 
berschüssigen Bleiglanz (Galenit). Am zahlreichsten waren 
solche Bergwerke in den Walliser Alpen, wo Gerlach im 
Jahr 1859 nicht weniger als 20 Konzessionen erwähnl. 
Heute steht von allen diesen Bergwerken nur noch ein 
einziges in Betrieb, nämlich dasjenige von Goppenstein 
im untern Abschnitt des Lötschenlhales. Hier sind die 
neuen Stollen nahezu im Niveau der Thnlsohle in den 
Berg getrieben worden, während sich die allen Werke 
hoch oben am Botenberg befanden. Das Bergwerk gehört 
jel7i der Gesellschaft « Helvetia », die Einrichtungen zum 
Verarbeiten des Erzes geschaffen hat und auch die An- 
handnahme von elektrochemischen Industrien plant. Die 
übrigen Bleierzlager und ehemaligen Bleibergwerke im 
Wallis sind diejenigen von Salantin über Evionnaz. Dorl- 
naz (Outre Rhone). Les Trappistes, CretUz (am Mont 
Chemin), Botzi und Joeur Durand über Charrat, Ville 
d'lssert (Orsieres). Bruzon und Verbier im Bagneslhal. 
Chassoure über Hiddes. Val Ferret, Iserables. Nendaz 
(Siviez). Praz Jean und Saint Martin im Eringertha). Chip- 
Dis und Chalais, Bratsch' und T.ampel.-Conlliöux im Li- 
fischlhal. 

Das Kupfer ist bei uns durch den Kupferkies (Chal- 
kopyriti und das oft silberschüssige und eine gewisse 
Menge von Wismut führende Fahterz vertreten. Chal- 
kopyrit hat man in Magnin (Tnentthal), Zappelet (Ba- 

Jtneslhal). Praz Jean ( Eringerthal) und Boummont (Ei- 
ischlhal) bergmännisch gewonnen. Bergbau auf die 
I silberschüssigen und an Wismut reichen Fahlerze (Anni 



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SCHW 



SCHW 



v i l i betrieb man bi'i Fuae» Saint Loci. Becollinu und 
Pctolhou, Gollyre (Ayen, welche Lokalitäten alle im Ei« 




BIsiwarae von G'>pi>«o*tcin 

lischthal Uesen. Wahrend der Jahre 191)3 und 1M03 ver- 
suchte eine französische (iesellschaft die Wiederaufnahme 
dieser verschiedenen Betriebe, jedoch, wie es scheint, 
ohne Erfolg, da die Arbeilen neuerding« eingestellt sind. 
Weitere Fahlerzlager linden sich bei l'rai Jean (Saint 
Martin) im Eringerthal. sowie auch in tiraubünden, so 
/. Ii. diejenigen \mi Bomana auf der Alpe l'rsera. auf der 
Aloe Taspin und bei Zilli* im Schamsertnal. 

Nickel und Kobalt. Auf der Kaltenbergalp im ober- 
sten Abschnitt des Turtmanthalcs liegen in einer Höhe 
von nahem 2500 m die seil 1899 verlassenen Minen, in 
denen man wahrend langen Jahren Weisanickelkies (Ham- 
melsbergil) abgebaut hatte, ein seines reichen Gehaltes 
an Kobalt <I7-I8" n ) und Nickel (8-10»'„) wegen sehr be- 
merkenswerte« Eni. 

Die in der Schweix, besonders im Wallis, unternom- 
menen Abbauversuche von Metallenen vollständig aufzu- 
zählen, wurde viele Seilen, sie zu beschreiben dagegen 
Hände füllen. Schon eine Zusammenstellung der im 
Wallis wirklich bekannten l'nternehmungen dieser Art 
fuhrt zu überraschenden Zahlen. Auch die in diese Wer- 
ke gesteckten Kapitalien und Betriebsgelder erreichen 
vielfach daa fünltache und noch mehr der durch den Ver- 
kauf der geförderten Minenprodukle wirklich erzielten 
Kinnahmen. 

Durch fast völlig unglaubliche Verhältnisse haben sich 
in dieser Hinsicht namentlich die Goldbergwerke 
ausgezeichnet. Die Werke von (iondo (am Simploni. die 
einst einen ausgezeichneten Ertrag abgeworfen haben 
sollen, sind im Jahr 1803 von einer franzosischen (iesell- 
schaft mit einem Kapital von mehreren Millionen Kr. 
wieder in Betrieb gesetzt, dann aber nach dreijährigen 
hfi irsi liiin^'H iiinl Mibaiiversiicheii, die etwa an die 
100000 Fr. Gold ergaben, ganz einfach wieder verlassen 
worden. Die ans goldschlissigem Pyrit bestehenden Adern 
und (iange enthalten nach den ausgeführten Analysen 
."10— 40 |ir Gold auf die Tonne geforderten Hohmateriäle». 
«.i- einen Abbau wohl lohnen wurde. E» scheint abei 
hier das Golderz selbst in zu geringer Menge vorhanden 
zu sein. 

Anders liegen die Verhältnisse für das Bergwerk «Gol- 
dene Sonne» am Ca Linda. Hier bestehen die daa gedie- 
gene (iold enthaltenden Adern aus Quarz und Kalksfiat. 
Üas wertvolle Edelmetall ist in diesem Mutlergestein in 
tieslalt von sehr kleinen oktaedrischen Kristallen oder 
von Schuppen in einem Verhältnis von nur 1(1.6 gr per 
Tonne geforderten Erzes verteilt. Goldschüssiges Erz hat 
man hier übrigens einzig im obersten der in den Fela 
getriebenen Stollen angetroffen. 



d' Baumaterialien und Hohtloffe de* Baugewerbe». Von 
diesen Mineralproduklen unseres Landes können die Bau- 
sleine ohne weitere Verarbeitung sofort be- 
^_ nutzt werden, während andere vor ihrer Ver- 
wendung zuerst einer besondern Bearbeitung 
| oder selbst einer eigentlichen Fabrikation 
unterworfen werden müssen. Zu dieser Kate- 
gorie gehören z. B. die Ziegel. Backsteine, 
löschten Kalke und Zemente 
1. Gneise und Granite. Uie Bruche 
auf Gneis und Granit haben eine sehr grosse 
Wichtigkeit erlangt, so namentlich seil dem 
Hau der Gotthardbahn in den Kantonen Tessin 
und t'ri. Bas zunehmende Verschwinden tler 
erratischen Blocke, die während langer Zeil 
in einerziemlichen Anzahl der Mittellandskan- 
ictje der Schweiz die tu Bauzwecken verwen- 
deten Granitsteine lieferten, hatte zur Folge, 
das* die Gneise des Tessin und die Granite 
von Tri jetzt nach der ganzen Nord-, IM- und 
Weslschweiz zur Versendung kommen. Uie 
Moräne von Monthev ist heule die einzige 
Stelle, wo der Bruch von erratischen Blök- 
ken noch gewerbsmässig betrieben wird. 
Doch ist auch diese Industrie dem Erloschen 
nahe, da die letzten grossen Blocke nahezu 
i.-rseh wunden und die übrig bleibenden als 
/• ngen der Zeit der grossen prähistorischen 
Gletscher gesetzlichem Schutz unterstellt sind 
Am Gurnigel. im llabkernlhal und im Thal der 
Or monts hat man hie und da auch die rosa 
en und grünen sog. «exotischen« Granite ausgebeutet 
Im Tessin zahlt man mindestens 50 Brüche auf grob- 
körnigen du. is. der gewöhnlich allgemein «Tessiner- 
granil» genannt wird. Sie beschäftigen an die I.1U) Ar- 
heiter. Dieser grobe Gneis ist von sehr sein mein Aussehen 
und wechselt in «einer Färbung je nach dem Gehalt an 
Glimmei und dessen Färb»'. Die Eigenschaft des Gneises, 
sich in einer bestimmten Dichtung leichter spalten zu 
lassen, erleichtert die Gewinnung dieser Felsart gani 
aiferonli i i h und gestaltet feiner ohne weiter.' Stein 
hauerarli. it das Brechen von sehr grossen Platten ifur 
Balkone. Verandas etc.). was bfi einem wirklichen Gra- 
nit nur schwierig der Fall sein würde. Die stark schie- 
nte zu dünnen Steinplatten verwendet 
werden, heissen «hevola«. Sehr lebhaft wird aber ganz 
I.. -miders der als «Granit« bezeichnete grobkörnige tineis 

t in i. Ii • wichtigsten Steinbruche dieser All sind 

_s dem Thal des Tessin aneinander gereiht, wahrend 
en des Verzasca- und des Maggiathales geringere 
Bedeutung haben. Die gros« len Bruche lindel man an 
folg, iid. ii Orten: Bodio, Chiggiogna. Giornico. Lavorgo, 
Biasca. Glaro. (Jsogna und Lodrino (alle in der Leventina 
und der Biviera). dann in Cevio, Biveo. Gordevio, Ponte 
Brolla und Tegna im Maggiathal, sowie endlich bei La- 
vertezzo und lirione im Verzascaihal. wo ein besonders 
heller Gneis gebrochen wird. Im Kanton Giaubünden ge- 
«rinnl man namentlich im Hergell prachtvolle Granit- 
iii der Mehrzahl nach Italien ausgeführt wer- 
den Mehr mr Deckung der lokalen Bedürfnisse dienen 
die Kröche in der l'mgebung von Zern. / und im Puschlav. 
Einen schonen grünen Gneis liefert die Umgebung von 
Andecr. 

Im Beussthal werden die schonen Bankgranite und 
Gneisgranile des Aarmassives gewonnen, so bei Wassen 
in drei grossen Steinbrüchen. Es bestehen ferner drei 
BfAehC auf I iaisberggranit bei Gurlnellen. Bruche auf 
geachichtelCT Srhullcnengranit am t'rnerloch und Gneis- 
br uch e bei Andermall. Alle diese Steine werden zum 
grösslen Teil in die Gegenden von Zürich, Bern und Basel 
ausgeführt. Die Eröffnung des Simplontunnels hat dem 
prachtvollen i.ranitgneis von Antigorio. der ilie Wände 
di r Dcttfoehl von Iselle und Gondo bildet, ein neues Ab- 
Ixet erschlossen, und bald wird auch der Bau der 
Lotoch B erg bahn ohne Zweifel erlauben, den schon grünen, 
sowie hie und da auch rosaroten Gasterengranit zu 
brechen und in den Handel zu bringen. 

i. Kalkstein. Das wichtigste Geniel der Kalkstein - 
in det Schweiz ist der Jura, wo Steine für die lo- 
kalen Hedurfnisse und für den Versand nach andern 



r\ h 



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SCHW 



SCI1W 



-28:3 



l.andesteilen in ungezählten linichen gewonnen werden. 
In zweiter Linie folgen darauf die Kalkalpen. Wir können 
hier nur diejenigen l'nternehmungen be- 
sonders hervorheben, deren Produkte expor- 
tiert werden und sich auch auswärts einen 
geachteten Namen erworben halfen. Die 
Kalkalpen liefern besonders Hausteine, die 
sich sowohl durch ihre eigenartige Farbe 
als zum Teil durch ihre grosse Wider- 
standsfähigkeit auszeichnen. Ks handelt sich 
dabei in den meisten Fallen um Kalksleine, 
die vorzugsweise als Hausteine Verwendung 
linden. 

Line Uebersicht der hauptsächlichsten 
Kalksteinbrüche des Jnta, nach dem geo- 
logischen Alter geordnet, ergibt folgendes 
Hild : a) Neokom. Kin weisser, weicher 
und sägbarer Stein, der dem aus Frankreich 
importierten sog. « Savonnieres »-Stein ähn- 
lich sieht, ist seiner Zeit beim Dorf Agiez 
im Urgon des untern Abschnittes der Orbe- 
schlucht gebrochen worden. Das l'nterneh- 
tnen. das eigentlich bloss die Wiederauf- 
nahme des Heiriehes eines allromischen 
unterirdischen Steinbruches war. lieferte 
jährlich eine grosse Menge Steine, ruht 
aber jetzt seit einigen Jahren. Aehnlicher 
weisser Stein könnte auch zwischen La Sar- 
raz und Moiry gewonnen werden. Hin eben- 
falls aus römischer Zeit stammender Stollen- 
eingang, die» sog. Grotte de Monlcherand, 
linde! sich gegenüber dem Kruch von Agiez 
in derselben weissen Steinbank. 

Anderwärts liefert das l'rgon meist nur einen harten, 
gelblichen oder weisslichen Stein, der sich für die Bear- 
beitung weniger eignet, so z. H. in mehreren Unichen 
um den Mormont, bei Orbe, sowie zwischen Concise und 
Neuenburg, wo sich bei Houdry und Auvernier wieder 
der kreidige Kalk einstellt. Kin weisser Kreidekalk ist 
auch im Val de Travers in derselben Schicht wie der 
Asphalt gebrochen worden. In Hevaix gewinnt man im 
untern l'rgon einen etwas ins Graue spielenden, porösen 
und leicht zu behauenden Kalkstein. 

Das mittlere Neokom illauterivien) bildet den Horizont 
des sog. gelben Neuenburg erste in es ipierre 
jaune de Neuchätel). dessen vorzügliche Eigenschaften 
schon den Römern vorteilhaft bekannt waren. Die grossen 
Hrüche, in denen nun schon seit Jahrhunderten viele 
Tausende von Kubikmetern dieses Gesteins ausgebeutet 



Stellen ein zur Verarbeitung ebenso geeigneter Stein wie 
es derjenige von Hauterive ist. Zu nennen wären in dieser 




Fahys etc.). 




blelobrueh von Lesnus (Silnl Tnphon 1 . 

worden sind, liegen um das Dorf Hauterive zwischen 
La Favarge und Saint Hlaise. Ausserhalb dieser ziemlich 
eng umschriebenen Zone lindet sich nur an wenigen 



Staiobrocbe vod La Heuoh»u*lU>. 

Hinsicht etwa die mehr nur lokale Bedürfnisse befriedi- 
genden Steinbruche von Perreire und von llretonnieres 
(W'aadl). An andern Stellen, wie z. H. bei Chamldon. er- 
scheint dieser gelbe Stein als für die Bearbeitung zu hart 
und findet er meist nur als Bruchstein Verwendung. 

Dn obern Valangien gewinnt man plaltenförmige. etwas 
gelbrole Bruchsteine. Einen ausgezeichneten Haustein 
und Baustein, den sog. « marbre hälard », liefert im 
ganzen Juragebirge die unlere Valangienstufe. Die Brüche, 
in denen dieser Stein gewonnen wird, ziehen sich vom 
Hays de Gex bei Divonnc bis in die Umgebung von Biel 
ohne L'nterbruch der ganzen Flanke des Jura entlang. 
Die bekanntesten dieser Brüche sind : derjenige von La 
Violette über Arzier, diejenigen von Saint Georges, Bon- 
villars und Saint Maurice, von Neuenbürg (VMM8V0B, 
Le Landeron, Neuensladt. Tuscherz, Gold- 
berg etc. Der ■ Marbre li.Hard« ist ein sehr 
dichtes und ziemlich homogenes Gestein 
von gewöhnlich etwas gelblicher, vielfach 
aber auch vollkommen weisser Farbe. 

In Im Malm oderobern Jura sind die 
zur Gewinnung von Hau- und Bausteinen 
am meisten geschätzten Schichten \on Kalk- 
fels in den obern Stufen der ganzen Forma- 
tion vertreten. So linden wir im Porllamiien 
grosse Steinbruche geofTnct in der Umge- 
bung von Neuenburg (Fenint und in andern 
Teilen dieses Kantons, wie bei l.es Loge». 
Les Haut» Geneveys, Li Joux zwischen Les 
l'onts und La Chaux du Milieu ; dann auch 
bei St. Immer, Lignieres, Nods. La Beu- 
chenette etc. 

In einem etwas liefern Horizont, der Stufe 
des Bog. Kimeridge, liegen die Steinbrüche 
von Solothurn, in denen seit Jahrhunderten 
grosse Mengen von Bausteinen gewonnen 
worden sind. 

Das Sequan tritt im südlichen und zen- 
tralen Jura in wenig mächtigen Banken auf 
und liefert hier auch nur wenig Bauma- 
terial, während im Sequan des östlichen 
und besonders des nordlichen Juia ge- 
waltige Mengen von Stein gebrochen wer- 
den, so namentlich in der Umgebung von 
das kleine Thal von Lochbruck auf eine 
zwei Kilometern sozusagen einen einzigen 
Kin Sequankalk von sehr feinem 



Lauf. 'ii. wo 
Länge von 
Steinbruch darstellt. 



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SCHW 



SCIIW 



Korn und leichter Polierfähigkeit gibt auch nahe Reclere 
Anlas» iu einem Steinbruchbetrieb. 

Während der untere Malm im zentralen und östlichen 
Jura durch da» Auftreten von mergeligen Schichten cha- 
rakterisiert erscheint, setzt er sich im nordlichen Ab- 
schnitt des Gebirges im Gegenteil aus oolithischen koral- 
logcnen Kalken der raurazischen Fazies zusammen. Diese 
Schichten bestehen bald aus dichten Kalken, bald aus ei- 
nem porösen weissen Kalkstein iRauracien). der leicht zer- 
sägt und behauen werden kann. Aeltere Brüche linden 
sich bei Soyhieres. Hoggerwald und Movelier, während in 
neuerer Zeit die Anhandnahme eines grossem Betriebes 
bei Kleinlützel geplant worden ist. Diese korallogenen 
Kalke zeichnen sich durch die nämlichen Vorzüge aus, 
die den ähnlichen Steinen franzosischer Herkunft {Cha- 
rentonay. Savonnieres) eigen sind, bieten aber noch den 
weitern Vorteil, weniger porös zu sein und mit der Zeit 
härter zu werden, was sie gegen Druck 2-ttmal wider- 
standsfähiger macht, als es der Stein von Savonnieres ist. 
Schon die Romer bedienten sich ihrer für die Bauten von 
Augusta Rauricorum. wie auch in Basel zahlreiche Bau- 
werke des Mittelalter*» aus ihnen bestehen. Um dem Stein 
seine ursprüngliche weisse Farbe zu erhalten, pflegt man 
ihn mit einem Silikat zu imprägnieren, welches Ver- 
fahren von ausgezeichnetem Krfolg ist. 




Steinbruch von l.noea um HauptrugaaMein | 

Zahlreiche Steinbrüche werden im Basler und Aargauer 
Jura (Lägern), sowie im Kanton Schaffhausen betrieben, 
dienen aber meist nur dem lokalen Bedarf und liefern 
meist nur Hauateine. 

c) Der Dogger oder mittlere Jura bietet in seiner 
ganzen obern Stufe, dem Callovien. einen Kalkstein, der 
ausgezeichnete kleinere Bausteine liefert. Ks ist dies die 
sog. Dalle nacree, ein dünnbankiger brauner Kalkstein, 
der häutig zu trockenen Alpmauern oder zu gewöhnlichem 
Mauerwerk verwendet und seit der grossen Entwicklung 
des Eisenbahnnetze* auch nach entfernter gelegeneu 
Landesteilen versandt wird. 

Der Hauptrogenstein (französisch « grande oolithe » ) des 
mittlem Dogger ( Bathon ien) liefert gute Hausteine, da er 
trotz häutiger Durchsetzung mit Spalten in ziemlich mäch- 
tigen Bänken ansteht. Spätige oder oolithische Kalke die- 
ses Horizontes werden im Kanton Waadt oberhalb Raul- 
mes, im Neuenburger Jura in der Umgebung der Vue 
des Alpes und von Les Convers, sowie an zahlreichen 
Stellen des Berner, Solothurner, Aargauer und Basler 
Jura gebrochen, von denen wir bloss die grossen Stein- 
brüche von Sulz hinter dem Wartenberg bei Muttenz 
nennen, aus denen die Stadt Basel einen grossen Teil 
ihrer Mauersteine bezogen hat. 

Der unlere Dogger (oder ßajocien) erscheint als Liefe- 
rant von Bausteinen von nur geringer Bedeutung. Immer- 
hin ist zu erwähnen, dass in seinen dünnbankigen Schich- 



ten von spätigen und zum Teil kieseligen Kalken in der 
Umgebung der Vue des Alpes und von Les Convers 
(Neuenbürg» grosse Brüche betrieben werden. Ander- 
wärts ist dagegen die Stufe zu stark mergelig, um 
brauchbares Baumaterial liefern zu können. 

d| Die Trias enthält in ihrem mittleren Abschnitt, dem 
Muschelkalk, einen Horizont von gut brauchbarem Bau- 
stein. Im Solothurner, Berner, Aargauerund Basler Jura 
werden auf diesen Stein zahlreiche Bruche betrieben, 
die zu einem grossen Teil aus der Zeit der Anfänge des 
Kisenhahnbaues datieren. Line ganze Reihe solcher Brü- 
che zieht sich zwischen Koblenz und Äugst der Bahnlinie 
entlang, so namentlich diejenigen von Koblenz, Felsenau 
hei Leuggern. Kaislen. Kiken, Rheinfeiden. 

Die untere Stufe der Trias, der Buntsandstein, der im 
Grossherzogtum Baden und im Lisas* die ihrer Wider- 
standsfähigkeit wegen so bemerkenswerten harten Sand- 
steine von weinroter Farbe liefert, ist auch im Norden 
der Schweiz vertreten, wo er sich aber auf den nordwest- 
lichen Abschnitt des Aargauer Jura beschrankt und nur 
in seinen obersten, leicht zerbröckelnden und daher für 
Bau/wecke unbrauchbaren Schichten ansteht. 

Al/u'n. Bei Gollombey im Walliser Rhonethal bricht 
man seit einer langen Reihe von Jahren einen dem Neo- 
k o m angehörenden, sehr widerstandsfähigen spätigen 
Kalkstein, der als Haustein und seiner l'oher- 
fähigkeit wegen auch als Marmor Verwendung 
findet. Ein ähnlicher Kalk wird ferner seit 
kurzer Zeit auch etwas über dem Dorf Mas- 
songex bei Munlhev gewonnen. Weiterhin tre- 
ten Bausteine der Kreideformalion erst wieder 
in der Zentral- und Ostschweiz auf. Hier sind es 
die dunkeln oder grauen L'rgonkalke (Schrat- 
tenkalk), die gute Mauer- und teilweise auch 
Hausteine liefern und längs dem Ufer des 
Thunersees. in den Steinbrüchen von Telli am 
Alpnachersee. bei Hergiswil und Stansstad. 
sowie längs der Axenstrasae gebrochen werden. 

Noch zahlreicher sind aber die Steinbruche 
im Jurakalk, besonders im Malm, drr bei La 
George nahe Roche 'und stellenweise auch in 
verschiedenen Brüchen längs beider Rhone- 
ufer sehr schone Hausteine (oft • Marmor» ge- 
nannti geliefert hat. Ferner wird oberer Jura- 
kalk im Greierzerland bei Bataille nahe Bulle. 
Grandvillars (jetzt verlassen). Lessoc. Ksta- 
vannens. La Tour de Trenne etc., sodann bei 
Chateau d Oex im Kanton Waadt. bei Saanen 
und für lokale Bedürfnisse dem ganzen Sim- 
menthal entlang gebrochen, ebenso am Ufer 
des Brienzersees. im Uber Hasle ( Isenbolgen, 
Husen etc.). Bedeutender sind die Brüche an 
der Axenstrasse. am L'fer des Walensee« bei 
Quinten, bei Rärschis, sowie bei Ragaz und Sargans. Der 
grosse Steinbruch bei Netstal (Kanton Glarusi liegt im Ti- 
thon und liefert keine Bausteine, indem der Kalk an Ort 
und Stelle gebrannt und an grosse Calciumkarhidfabriken 
abgeliefert wird. 

tler alpine Dogger und der obere Lias sind im all- 
gemeinen zu mergelig, so dass sie kaum auf Bausteine 
hin abgebaut werden können. Dagegen erscheinen im 
mittlem und unlem Lias der Präalpen prachtvolle 
Bänke von spätigem Gestein, dessen Farbe durch alle 
Nüancen von grau bis grün und rosarot gehl. Es ist 
dies der sog. Marmor vom Mont Arvel. der dank seiner 
Härte und Widerstandsfähigkeit sich weithin eine* guten 
Rufes erfreut. Sein dichtes Gefüge erlaubt es, ihn als 
Marmor zu verwenden, wie die grosse Mächtigkeit seiner 
einzelnen Schichten ihn als Hauslein ersten Ranges er- 
scheinen lässt. Die vier Steinbruche befinden sich am 
Fuss des Mont Arvel bei Villeneuve. Ein ähnliches 
Lager von gleichaltrigem, aber eher braun gefärbten 
Kalkstein steht auch nahe dem Schloss Greierz an. wo 
man es abzubauen versucht hat. Diese eigenartige Lias- 
fazies tritt in scharfer Umgrenzung einzig in dem Gebiet 
zwischen dem Greierzerland und der schweizerischen 
Landesgrenze westlich vom Grammont auf, wo bei Les 
Evoueltes (im Wallis) einst noch ein anderer Brach im 
Betrieb stand. Anderswo bildet der Lias einen dunkel- 
grauen Kieselkalk, der sich als Haustein wenigereignet. 



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SCHW 

dafür aber (wie z. Ii. in den Savoyer Drüchen von Meil- 
lerie) einen prachtvollen Mauerstein liefert. In dieser letz- 
lern Ausbildung findet man den l.ias im ganzen Gebiet 
der Präalpen, wo er aber bloss für die rein lokalen Be- 
dürfniase der nächsten Umgebungen gebrochen wird. 

Üer schwarze oder dunkelgraue Stein, den man am 
Hügel von Saint Triphon im Waadlländer Hhonethal in 
«ehr grossem Massslab bricht, gehört der Trias an. Die 
nahezu horizontal gelagerten Schichten erleichtem hier 
die (iewinnung des Steines in ausserordentlicher Weise. 
Dieser ist sehr feinkörnig und lässt sich schön polieren, 
weshalb er auch Marmor von Saint Triphon genannt wird. 
Drei grosse Hrüche liefern hier jährlich eine Menge von 
nahezu 2U00 nv* Hausteinen. 

3. Marmor heisst im weiteren Sinn jeder Kalkslein 
von dichtem tiefüge, der der Politur fähig ist. Im engem 
Sinne des Wortes versieht man sonst unter «Marmor» 
ausschliesslich kristalline Kalke von entweder rein weisser 
Farbe oder verschiedenen Farbennüancen und mit Adern. 
Jetzt belegt man iuit der Bezeichnung ■ Marmor« alle kri- 
stallinisch-körnigen (iesteine, die beim Schüft* eine un- 
regelmässig geäderte Zeichnung zeigen. Daher kommt es 
auch, dass so viele Kalksteine als »Marmor» in den Han- 
del kommen, seihst wenn sie zum grossem Teil gar nicht 
poliert zu werden pllegen. Eigentliche Marmore bricht 
man in der Trias über Saillon (im Wallis), wo sich das 
liestein durch einen grossen Wechsel der abwechslungs- 
reichsten Farbentöne auszeichnet, die vom reinen Weiss 
zu Grau, Grün und Schwarz spielen und dank der adern- 
formigen Verteilung der Tone in der denkbar eigentüm- 
lichsten Weise miteinander verschmelzen. Es werden 
hier jährlich 400 bis TiOO m 3 Stein gebrochen. 

Weisse und graugeäderte Marmore hat man an einer 
grossen Anzahl von Stellen des Wallis und anderer Teile 
der Alpen ausgebeutet. So bei La Batiaz nahe Martigny, 
am Mont Chemin, inder Gondoschlueht am Snnplonpass, 

des Gadmenthales. Am Fuss des I ntern Grindelwald- 
gletschers ist ein ehemaliger Bruch aur bunten Marmor 
zum Vorschein ««kommen, der im 18. Jahrhundert im 
Betrieb gestanden hatte und dann vom vorrückenden 
Gletscher wieder auf lange Zeit hinaus mit Eis überführt 
worden war. 

Gewisse Bänke des obern roten Kreidekalkes der Prä- 
alpen eignen sich dank der den Fels durchziehenden 
weissen Adern vorzüglich zur Verwendung als Marmor. 
Iva ist dies der sog. «Ghüble rouge » von Yvorne. Das 
nämliche gilt von dem den Gipfel der beiden Mythen zu- 
sammensetzenden roten Marmor, der in einzelnen, wahr- 
scheinlich als Erratiker oder als Ahsturzmaterial zu Thal 
gelangten Blöcken in Schwyz verarbeitet worden ist. Alle 
bchwarzen Gesteine von genügend feinem Korn können 
als schwarze Marmore gelten, so die schon genannten 
Kalksteine von Saint Triphon, Hagar, und Bärschis, sowie 
die grautchwarzen oder schwarzen Kalke, die man früher 
bei Lungern und im obern Melchthal gebrochen hat. 

Der mittlere Liaa, dessen Gesteine in den Tesainer 
Alpen von roter F'arbe sind, wird zwecks Verwendung als 
Marmor bei Arzo und bei Besazio im südlichen Tessin 
gebrochen. Sehr schöne Marmorarbeiten lassen sich auch 
ausführen mit den bereits erwähnten grauen, rosaroten 
oder violetten kristallinen Spatkalken des Neokom von Col- 
lombev, Massongex und des mittlem Lias vom Mont Arvel. 

4. Sandsteine gehören vornehmlich der Molasse 
des Mitteilandes an. finden sich aber, in allerdings unter- 
geordneter Menge, auch im Jura und in den Alpen, hier 
in der Form der Flyschsandsteine. Die M o I a s se Sand- 
steine lassen sich in zwei Gruppen einteilen, von denen 
die eine die ihres geringen Härtegrades wegen leicht zu 
bearbeitenden, die andere dagegen die durch grosse Härte 
sich auszeichnenden Steine umfasat. Jene werden vor- 
zugsweise zur architektonischen Ausschmückung der Fas- 
saden und im Innern der Häuser verwendet, während 
man die harten Sandsteine zu Treppenstufen, Fenater- 
und Tu rein Fassungen, Bodenplatten für Korridore, Keller 
etc. verarbeitet. Die den weichen Molasaegesteinen an- 
haftenden Mängel haben aber der Verwendung von künst- 
lichen Zementsteinen grossen Vorschuh geleistet, wie 
auch die Platten aus hartem Sandstein fast überall von 
den Betonböden verdrängt worden sind. Die Zahl der 



SCHW 285 

verlassenen Molassebrüche ist heute weitaus grösser als 
diejenige der noch in Betrieb stehenden. Je nach ihrer 
Zugehörigkeit zu bestimmten Stufen der Tertiärfortnation 
und ihrem regionalen Vorkommen weisen die Sandsleine 
ziemlich verschiedene Eigenschaften auf. Im schweize- 
rischen Mittelland unterscheiden wir folgende Stufen : 

a| Obere Susswassermolaase (oder Ueninger Stu- 
fe). Liefert in einigen Brüchen der Kantone Luzern, Thür- 
gau etc. Sandsleine von guter Qualität. 
I b) Marine Molaase (oder helvetische Stufe). Hier 
müssen zwei verschiedene Fazies unterschieden werden : 
1 ) Graue oder graublaue, homogene Sandsteine von feinem 
Korn. Sie sind in Bänken von grosser Mächtigkeit ent- 
wickelt und werden in zahlreichen Sandsteinbruchen des 
I Freiburger, Berner, Aargauer, Luzerner etc. Mitteilandes 
| abgebaut und zu Hausteinen verwendet. — 2) Harle und 
grobkörnige Sandsleine, oft nahezu konglomeratisch und 
reich an fossilen Muschelschalen, woher der Name • Mu- 
schelsandstein » ( in der Bodenseegegend » SeelafTe • ge- 
nannt). Vorherrschend kieselig und mit sehr widerstands- 
fähigem Bindemittel. Finden Verwendung zu Treppen- 
| stufen. Bodenplatlen, Slrassenpllaster etc. 

c| (iraue Mo lasse (langhische oder burdigalische 
Stufei. Weicher und gewöhnlich als Baumaterial nicht 
besonders geschätzter Sandstein des westlichen Mittei- 
landes (Umgebung von Lausanne). 

d) Subalpine rote Molasse oder Balligsandstein 
I (untere aquilanische Stufe). Harle Sandsleine von grauer 
oder grünlicher, seltener rotlicher Farbe, wechsellagernd 
mit rotgefärblen tonigen oder sandigen Mergeln. Werden 
zu Treppenstufen. Boden- und Mauerplatlen etc. ver- 
wendet. Die obere aquitanische Stufe, welche die terti- 
ären l.ignilllöze enthält, liefert keine zu Bauzwecken 
geeigneten Sandsleine. 

Endlich bleiben noch die harten Flyschsandsteine 
der alpinen Begion zu erwähnen. 

Die wichtigsten liegenden, in denen Sandsteine ge- 
brochen werden, sind — von Westen nach Osten auf- 
gezählt — folgende : 

Auf Genfer Boden wird heutzutage kein Molaseebrucli 
mehr betrieben, obwohl solche früher bei Berne». Choully 
etc. bestanden hatten. Im Waadlland linden sich über 
das Plateau zerstreut zahlreiche kleine Brüche von ganz 
untergeordneter Bedeutung, neben denen sich der guten 
Qualität ihrer Produkte wegen auch noch einige etwas 
wichtigere Betriebe zu hallen vermocht haben. So baut 
man einige mit Nagelfluh wcchaellagerndc Sandstein- 
hänke hei Grand vaux und Le Dezaley ab. Nördlich von 
Lausanne, wo einst bei Le Mont graue unlere Meeres- 
molasse gebrochen wurde, lindet man jetzt bloss noch die 
Bruche von Crissier, sowie weiter nordostwärts diejenigen 
von Servion. Oron. Ghesalles, Civavannes. Moudon und 
Avenches. Unler dieser grauen Meeresmolasse wurden 
früher auch noch weichere Sandsteine der langhischen 
Malusse ausgebeutet. 

Die grosse Mehrzahl der Steinbrüche im Kanton F'rei- 
burg gehört teils der langhischen, dann aber ganz be- 
I sonders der marinen Molasse an, so diejenigen von 
Beauregard bei Freiburg. Cottens, Arconciel. Marly, Grol- 
ley. Nevruz, Büdingen. Murten etc. Auf dem Hucken des 
das rechte Ufer des Neuenburgersees begleitenden Hügel- 
landes sieht Muscilelsandstein an, der in der Umgebung 
der Tour de la Moliere in zahllosen Brüchen (Bollion. Le 
Soc. Sery, Chälillon. Vounaise, Hochemard etc.) ausge- 
beutet wird. Neben dem Muschelsandstein gewinnt man 
hier (am Fuss des Vully und bei Surpierre) noch einen 
ziemlich harten und hinsichtlich der Widerstandsfähig- 
keit der langhischen Molasse überlegenen Sandstein. 
Muschelsandstein wird auch bei Brüttelen im Seeland 
gebrochen. Die subalpine rote Molasse liefert in den Um- 
gebungen von Blonay. Semsales, Vaulruz. Champolhey 
und Marsens sehr gescliälzle Bausleine. 

Die meisten Brüche auf marinen Molassesandslein zählt 
das Berner Mitlelland, so bei Ipsach, Bolligen, Alhligen 
) und namentlich bei Osterinundigen. Muschelsandstein 
wird in den Brüchen von Thorberg, Melchnau. Oberburg 
und Madiswil gewonnen. Im Kanton Aargau bricht man 
geschätzte Sandsteine bei Brittnau. Ober Entfelden, Grä- 
nichen. Hendschikon, Lenzburg, Mägenwil, Othmar- 
singen etc. Auf Zürcher Boden werden Molassebruche bei 



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Bachenhülach. Schwarzenbach und Meilen betrieben. Sehr 
zahlreich sind die Brüche auf Molassesandstein im Kan- 
ton Luzern und zwar namentlich bei Willisau (Sand- 
stein der Oeninger Stufe), dann Meeresmolasse der hel- 
vetischen Stufe bei Dierikon, Boot und im Entlebuch. 
Zug und Seh wyz weisen weniger Brüche auf (Zugerkiemen, 
Walchwil, Lel/i, Haselmatt. Aegeri. sowie Schindellcgi. 
Wollerau. Kinsiedeln und Bach am Zürichsee), die zudem 
fast ausschliesslich der Deckung des eigenen lokalen Be- 
darfes dienen. Am bedeutendsten ist, nach dem Kanton 
Hern, die Ausbeute von Molasse im Kanton St. Gallen, 
wo Holligen. St. Margrethen. Wienachten. Grub. Staad 
und Rheineck die wichtigsten Stellen für die Gewinnung 
von feinkörnigen Sandsteinen, wie auch von «Seelaffe» 
sind. Die Menge des in diesem Kanton jährlich gebro- 
chenen Steines wird auf über 40000 m 3 geschallt. 

Die Fljschsandsteine des alpinen Gebietes geben trotz 
ihrer Vortrefllichkeit nur gelegentlich Anlas« zu Stein- 
bruchbetrieben, wie z. B. bei Broc und Pia Heien im Kan- 
ton Freiburg. 




Hüllestein im Kanton Zürich. Dagersheim im Kanton St. 
Gallen und iierisau gebrochen wird. Das rot-violette 
Konglomerat des Verrucano oder Sernifites (Oberkarbon, 
Perm) baut man bei Ennenda im Kanton Glarus ab. Eine 
schiefrige Varietät des Verrucano wird hei Mels im 
St. Galler Oberland gebrochen. 

f>. Tuffe, d. h. Ablagerungen und Inkrustationen von 
kalkhaltigen Quellwässern sind an zahlreichen Stellen 
vorhanden, werden aber gewöhnlich nur in beschränktem 
Mass gebrochen, da man über die geringere oder grössere 
Ausdehnung des Lager« meist im Unklaren ist und nur 
wenige dieser Vorkommnisse einen Grossbetrieb gestatten 
würden. Trotzdem wird der Tuff seine« geringen Ge- 
wichtes und seiner Eigenschaft als schlechter Wärme- 
leiter wegen als Baumaterial sehr hoch eingeschätzt. Man 
gewinnt ihn heule noch an folgenden Stellen : bei Mont- 
cherand und unterhalb Bretonnieres im Kanton Waadt : 
bei (Virpalaux im Kanton Freiburg ; im Kanton Bern bei 
Beichenstein im Simmenthai, Heichenbach im Frutigland, 
bei Toffen. Leuzingen, Walkringen, Duftbach nahe Grin- 
delwald und Kehrsatz ; in *25 Gemeinden der Kantone 
Aargau und Solothuni, *o z. B. Leutwil, Sarmensdorf, 
Wislikon und Zetzwil (im Aargau), sowie Mümliswil- 
Hamiswil (im Kanton Solothurn); bei Schongau und Zell 
im Kanton Luzern ; Flurlingen bei Schaffhausen ; im Kan- 
ton St. Gallen bei Niederhelfentswil. Uhingen und Bazen- 
heid ; in der «Hölle» bei Baar (Kanton Zug), bei Tarasp 
in Graubünden und bei Cantone nahe Bancate im Tessin. 

6. Schiefer treten ausschliesslich in den Alpen auf, 
und zwar aus dem Grunde, weil nur solche Felsartcn sich 
in icenügend dünnen Bänken und Blatten absondern, die 
einem sehr starken Druck unterworfen gewesen sind, 
wie dies in den Alpen ja tatsächlich der Fall war. Zur 
Erlangung von Blatter- oder Schieferstruktur durch 
starke Auswalzung eignen sich in erster Linie ehemals 
tonige oder zum mindesten mergelige Gesteine, und von 
diesen wieder am besten die an halksubslanz ärmsten 
Tone, die zu gleicher Zeit sich zu den sowohl gegen me- 
chanische als atmosphärische Einflüsse widerstandsfähig- 
sten Schiefern umbilden. Wie die Tongesteine sind aucn 
die verschiedenen Schiefer nicht alle gleichen Alter». Zur 
Schicferbildung eignen sich hauptsächlich die Mergel 
und Tone des Karbon, des Lias und des Doggers, des 
Oxford und endlich diejenigen des Flysch. Am vorzüg- 
lichsten sind die Karbonschiefer, weil sie keinen kohlen- 
sauren Kalk enthalten und, als Dachschiefer verwendet, 
weder verwittern noch die Farbe wechseln, d. h. ihren 
dunkeln Ton beibehalten, während die Kalkschiefer mit 
der Zeit eine sehr charakteristische hellgraue Färbung 
annehmen. Zur Verwendung kommen die Schiefer als 
beliebtes Material zum hindecken der Dächer, als dicke 
Blatten für architektonische Arbeiten und endlich, wenn 
sie sehr glatt sind oder gehobelt und gwlreht werden 
können, als Schreibtafeln und Griffel. 

Im Wallis werden die Karbonschiefer im ganzen Gebiet 
von Sah au und, auf der andern Seile der Rhone, hei 
Dorenaz-Outre Hhöne gebrochen. Man unterscheidet hier 



eine schwarze und eine viel stärker kristalline Kraue 
Sorte. Dem Karbon gehören auch die zeitweise in der 
Nähe der Mayens de Sion, von Nendaz und Plan Baar 
betriebenen Schieferbrüche an, während diejenigen von 
Sembrancher, Orny, Saxon und Levtron jurassischen Al- 
ters (Lias, Dogger und Oxford) sind. Die zahlreichen 
Schicferhrüche des Oberwallis, namentlich diejenigen des 
Brigerberges, sind sog. Glanzachiefer von wahrscheinlich 
eben falls jurassischem Alter. 

Die sehr wichtigen Schieferbrüche des Thaies von Fru- 
tigen, die in der Zahl von etw4 15 erst seit rund 30 
Janren im Betrieb stehen, liegen im Flysch der Niesen- 
zone und liefern einen jährlichen Ertrag von über :I500 
Tonnen. Der einst bei Unlerheid in der Nähe von Mei- 
ringen und bei Lungern gebrochene Schiefer gehört 
wahrscheinlich der Juraformation (Oxfordstufe) an. 

Im Flysch liegen auch die grossen Schieferbrüche de« 
Glarner Sernflhales. die das Gebirge in der Umgebung 
von Engi (Platlonbergi. Matt und Elm (Tschingei) 
anschneiden. Der erste Hetrieb datiert hier schon 
aus dem Jahr 15*5. In den sechs heutigen Brüchen werden 

I ahrlich rund Ä)00 Tonnen Schiefer gewonnen. — Der 
kanton St. Gallen hat bloss einen einzigen Schieferbnich, 
bei Vadura über Pfäfers. der im Flysch liegt und einen 
jährlichen Ertrag von 800-1000 m 3 ergibt. In Graubünden 
verwendet man einen Glimmerschiefer (Abbau im Fex- 
thal des Ober Engadini und einen violetten Verrucano- 
schiefer (Abbau in der Umgebung von Truns). 



Schieferplatten von grossen Dimensionen gewinnt 
im Besonderen bei Sembrancher und Saxon in den dem 
eigentlichen Schiefer aufgelagerten Schichten (Hobelung 
wegen der Quarznatur des Gesteins nicht zulässig), dann 
bei Frutigen und im Glarnerland (künstlich geglättete, 
prachtvolle Platten und Tafeln i, sowie auch bei Avers in 
Graubünden (• Leptynit« genannter weisser Quarzfels). 

7. Pflastersteine werden nur ausnahmsweise beson- 
ders gebrochen, indem man sie meist als Nebenprodukt 
in den grossen Brüchen auf Baustein gewinnt, wo man 
sie aus den Abfällen von geeignetem Kaliber herstellt. 
Derart produziert man Pflastersteine bei Le Bouveret 
(roter Molaasesandslein) und Saint Gingolph (Flyschsand- 
atein), in der Umgebung von Vevt-y und La Tour de Peilz, 
dann besonders bei A Halens (ebenfalls roter Molas-sesaml- 
stein). In der Ostschweiz verwendet man zu diesem Zweck 
die Kiesel kalke des Neokom bei Weesen and Alpnach. 
Auch der Kalkstein von Mcillerie und vom Mont Arvel 
bei Villeneuvc ist als Material zur Slrassenpflästerung be- 
nutzt worden, doch haftet den Kalksteinen der grosse 
Fehler an, dass sie infolge der Abnutzung sehr glatt 
werden. Bei Basel zieht man mit Haken die kristallinen 
Geschiebe (Granite, Porphyre etc.) aus dem Rheinbett, 
um sie zu Pflastersteinen zu verarbeiten. 

8. Ofe n-. Gilt- oder Lavezstein. der sich zum Bau 
von Oefen aller Art eignet, begleitet stets die Serpentin- 
lager und findet meist nur in einem lokal beschränkten Ge- 
biet Verwendung. Am bedeutendsten sind die Brüche im 
Bagneathal ( Wallis), dann auch diejenigen um Evolcna im 
Eringerthal, im Simplongcbiet. im Oberwallis (Ulrichen), 
im Hinnenthal etc. In den Bündner Alpen liefert das Vor- 
derrheinthal zwischen Truns und Tschamutt (namentlich 
die Umgebung von Disenlis) Material zu jährlich etwa 300 
Oercn. Kleinere Brüche finden wir auch im Engadin 
(Pontresinai. 

9. Asbest. Dieses fasrige Mineral hat seit einiger Zeit 
eine ziemlich grosse Bedeutung erlangt, wird aber bei 
uns nur wenig gewonnen. Man hat es eine Zeitlang am 
Gcisspfad im Binnenthal und auf der Alp Quadrats im 
Ihischlav abgebaut. Obwohl in der Schweiz an zahlreichen 
Stellen Asbestlager bekannt sind, erscheint doch ihr Ab- 
bau wegen der unregelmässigen Zusammensetzung, Struk- 
tur und LagcrungsverhältniHse dieses Minerales zu ge- 
wagt Am bekanntesten sind die Vorkommnisse im Thal 
der Visp. im Maderancrthal und um Andermatt. Ver- 
wendet wird der Asbest, in Verbindung mit Zement, zur 
Herstellung von künstlichen Schiefern (Eternit), sowie 
von Platten und Quadern (Asbestilj. 

10. Mineraldünger; ErdcnziirBodenverbesse- 



rung. Phosphatlager besitzt die Schweiz keine. Dagegen 
hat langjähriger Brauch gewisse Mergel von verschiede- 
nem geologischen Alter zu Düngemitteln gestempelt, die 



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der Landwirt allgemein verwendet. Diese Mittel haben 
wohl mehr nur den Zweck, den Boden zu verbessern, da 
bisher noch durch keine Analyse ein Gehalt an Phos- 
phaten nachgewiesen worden ist. Damit soll aber nicht 
gesagt sein, daas ein solcher nicht möglich wäre, wie ja 
auch gewisse Mergel durch ihren Gipsgehalt und andere 
durch ihre bituminösen Einschlüsse einen gewissen Wert 
als Düngemittel besitzen. Zum genannten Zweck ver- 
wendet man im ganzen WaadÜänder und Neuenburgcr 
Jura die Hantcrivemergel des mittlem Neokom und, sel- 
tener, auch die Argovienmergel. Dem nämlichen Zweck 
dienen in der Genend von Montperreux und der T£te de 
Rang die weissen Rathonienmergc) (obere Fureilmergel). 
Im ostlichen und nordlichen Jura übernehmen diese Holle 
die lokal aNiet» genannten schwar/.en Glimmermergel 
des Hajocien und des obern Lias. Mergelgruben, die last 
ausschliesslich nur für den lokalen Bedarf ausgebeutet 
werden, finden sich im Aargauer, Rasier und Solothurner 
Jura in grosser Anzahl. 

11 . Kies und Sand kommen fast immer zusammen vor, J 
und zwar entweder im selben Lager innig gemischt oder I 
dann in aufeinanderfolgenden oder wenigstens nicht weit 
voneinander entfernten Schichten. Nicht weniger häufig 
erscheinen Kies und Sand auch mit tonigen Ablagerungen 
vergesellschaftet. 

Die mit Sand vermengten Kiene dienen zur Herstellung 
von Betonarbeiten, während Sand allein zu Mörtel oder 
für Zementarbeiten verwendet wird. Im Rohzustand ver- 
wendet man den Kies besonders auch als Schottermaterial 
für Strassen und zur Verfestigung de* Schienenunlerhauea 
der Eisenbahnen. Gewonnen werden Kies und Sand 
hauptsächlich in den von Gletschern, Wildbächen, Flüssen 
und in Seen abgesetzten Bildungen, wie solche z. R. 
Schultkegel, Stirn- und Seitenmoränen, fluviogliziale 
Schotter etc.. die alle im schweizerischen Miltelland so 
•lark verbreitet sind, darstellen. Den Bleichen Zwecken 
dient oft auch das eckige und kantige Material von kal- 
kigem Slurzschult. sowie der Abraum von Steinbrüchen. 

Es ist nicht möglich, an dieser Siehe alle Kies- und 
Sandgruben namentlich aufzuzählen. In besonders gros- 
ser Anzahl finden sie sich im Mittelland, wo die Thäler 
mit ausgedehnten Decken von lluvioglazialcn Schottern 
und Alluvionen überführt sind und die grossen Moränen- 
wälle der eiszeitlichen Gletscher liegen. Lang« dem Jura- 
gebirge sind die stark kieseligen und daher ein auage- 
zeichnetes Material liefernden Moränen des ehemaligen 
Rhonegletscher» stark mit jurassischen Kalkgerollen ver- 
mengt. Lokale jurassische Moränenablagerungen werden 
bei Coinsins. Raulmes und Hole, im Val de Rur etc. aus- 
gebeutet. Die Zusammensetzung solcher Kies- und Sand- 
lager erscheint also durch den Ort ihrer Herkunft ebenso 
stark bedingt als durch die Art und Weise ihrer Sedi- 
mentation. 

Da mit Bezug auf Kies und Sand die lokalen Bedürfnisse 
in der Regel den Ausschlag geben, nimmt jeder Indu- 
strielle. Unternehmer oder Privatmann diese Materialien 
meist da, wo sie gerade vorkommen. So zählen denn 
auch die alten und neuen Sand- und Kiesgruben im 
Mittelland nach Hunderten. Sie sind über daa ganze weite 
Gebiet verteilt, das von den mächtigen lakustren Kies- 
terrassen um den Genferse« bis zu den Ufern des Boden- 
sees mit bedeutenden Decken von glazialen und ttuvio- 
glazialen Kiesen überführt ist. In den beiden tief einge- 
schnittenen Thälern der Rhone und des Rheins liefern 
die die flache Thalsohle bis zum Genfersee einerseits und 
zum Hodensee andrerseits auskleidenden Alluvionen na- 
mentlich einen vorzüglichen Kieselsand, der durch direk- 
tes Ausheben aus dem Hoden gewonnen werden kann. 
Nahe der Rhonemündung holt man mit Baggern einen 
prachtvoll gewaschenen Sand herauf, der dann auf Last- 
schiffen nach allen Uferorten, besonders Genf, verbracht 
wird. Diesen Sandstein verarbeitet ferner zu armierten 
Baumaterialien eine ebenfalls nahe der Rhonemündung 
stehende neue Fabrik. Zum nämlichen Zweck werden in 
der Leventina auch die Alluvionen des Tessin abgebaut. 

Die sehr bedeutenden Sand- und Kiesablagerungen ver- 
schiedener Stellen des Mittellandes haben Veranlassung 
zur Entstehung einer blühenden Industrie gegeben, die 
sich mit der Herstellung von Itiurnaterialien in Beton 
und Zement, wie Fenster- und Türeinfassungen, Platten, 



SCHW 287 

Treppenstufen, Geländern etc.. Abzugs- und Wasserlei- 
tungsrohren. Rinnsteinen, Backsteinen und Ziegeln be- 
schäftigt. Die bekanntesten dieser Fabriken sind diejeni- 
gen von Aubonne-Allaman. Renens. Yverdon.Lyss. Laufen, 
Aarau etc. Eine oder mehrere Fabriken dieser Art weist 
zudem fast jede bedeutendere Ortschaft auf. Früher ver- 
wendete man zu den angeführten Zwecken namentlich 
gebrannten Kalk, während jetzt der Gebrauch dea na- 
türlichen Portlandzementes vorherrscht, was den Erzeug- 
nissen dieser Zukunftsindustrien sehr zu gute kommt. 

Die Baumaterialien und die für den Bedarf der Landwirt- 
schaft zur Verwendung kommenden Produkte des Mine- 
ralreiches, von denen wir bisanhin gesprochen haben, 
können im Rohzusland und ohne weitere Umformung 
(mechanische Arbeit, wie Zerkleinerung, Zurüstung zu 
Hausteinen etc.. ausgenommen) nutzbar gemacht werden. 
Es bleibt uns noch übrig, eine Anzahl von Materialien 
aufzuzählen, die vor ihrer Verwendung im Raueewerbeetc. 
einer oft ziemlich verwickelten industriellen Umformung, 
d h einer «Fabrikation« unterzogen werden müssen. An 
ihren Abbau knüpft sich somit immer die Einrichtung 
von mehr oder minder nahe gelegenen industriellen Be- 
trieben, in denen das Rohprodukt verarbeitet wird. 

12) Lehme oderTone zur Herstellung von Backsteinen, 
Ziegeln und Töpferwaren sind in den verschiedenen 
Gegenden der Schweiz, namentlich aber im Mittelland, 
sowie in und um den Jura ausserordentlich Btark ver- 
breitet. Ks erklärt sich diea aus der Art der Zusammen- 
setzung des Bodens dieser Gebiete, indem hier das solches 
Rohmaterial zu liefern fähige Erdreich, besonders in den 
oberflächlichen Diluvialbildungen, vorherrecht. 

Die Tone (Ton, Lehm. Letten, Leimen) verdanken ihre 
Entstehung fast ausnahmslos der Verwitterung und dem 
Zerfall von Felsarten, sowie der Ablagerung der Detri- 
tusmassen im Wasser (was am häutigsten der Fall ist) 
oder nach einem Transport durch Winde im Trocknen. 
Es sind Tonerdesilikate von wechselnder Zusammen- 
setzung und mit mehr oder minder bedeutenden Zusätzen 
fremder Natur, wie Kalk, Kieselsäure etc. Ebenso wechsel- 
voll ist auch das geologische Alter der Tone. Man findet 
sie in den marinen Sedimenten des Jura und der Kreide, 
sowie den marinen oder Sfiaswasserbildungen des Ter- 
tiärs, am häutigsten jedoch im diluvialen Gletscherschutt 
und den rezenten Alluvionen. Es erscheint vorteilhaft, die 
in der Industrie verwendeten Tone nach ihrem geologi- 
schen Alter genau auseinanderzuhalten, da ihre menr 
oder minder vollkommene Reinheit damit eng zusammen- 
hängt. 

Jurassische und kretazische Tone. Die ton- 
haltigen Jura- und Kreidegesteine sind in der Regel zu 
stark kalkig und auch zu haltbar, um wirklich als Tone 
verwendet werden zu können. Dagegen gibt ihre mit Aus- 
waschung und Entkalkung verbundene oberflächliche Ver- 
witterung Anlass zur Entstehung einer grossen Anzahl 
von Tonlagern, die wir noch zu erwähnen haben werden. 
Vollkommen reinen plastischen Ton liefert die jurassi- 
sche Albienstufe, in der bei Noirvaux Dessus nahe Sainte 
Croix eine Tongrube abgebaut wird. 

Tertiär. Eine grosse Anzahl von Molaaseschichten 
aller Horizonte besitzt diejenige Zusammensetzung und 
Konsistenz, die zu ihrer Verwendung in der Tonwaren- 
industrie geeignet Bind. Eozäne Rohnerztone gewinnt 
man im Rerner. Solothurner. Aargauer und Rasier Jura, 
sowie am Randen im Kanton Schaphausen. — Im untern 
Oligozän (tongrische Stufe) sind geöffnet die Gruben von 
Ronfol und Laufen im Rerner Jura, sowie diejenigen von 
Allschwil in Basel Land. — Oberes Oligozän (aquitanische 
Stufe): Grauer oder gelber, mergeliger Ton von Paudex. 
— Unteres Miozän (langhische Stufe) : Münster im Berner 
Jura. — Oberes Miozän (Oeninger Stufe): Käpfhach, 
Luhngen und Roppelsen im Kanton Zürich. 

In den quarlaren oder diluvialen Glazialhildungen 
findet sich die grosse Mehrzahl aller Tonlager, die nach 
mehreren verschiedenen Fazies unterschieden werden 
können : 

a) Grundmoräne mit geschrammten Geschieben ; grauer, 
wenig sandiger Ton: Versoix, Bellevue und Hermance im 
Kanton Genf, Ruchillon in der Waadt, Adctswil und 
Kappel im Kanton Zürich, lslighofen. Langäcker. Moos- 
rüti und Metllen im Kanton Thurgau. Hierher gehören 



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auch viele Tonlager des Aargaues und des Kantons Dcrn. 
sowie fast alle Freiburger Lager. 

b) Die subglaiialen lilattertone stellen einen fein ge- 
schichteten Ton von grauer Farbe dar, dessen I ager aus 
ungezählten dünnen Ton- und Schlaramschicliten sich 
zusammensetzen : Bussigny und Renens im Kanton Waadt. 
Diese Blalterlone werden oft mit dein lakuslren Ton ver- 
wechselt, von dem sie in ihrem Habitus allerding» kaum 
verschieden sind. 

Tone von rezenter Bildung sind : a) Der in Seen 
abgesetzte lakustre Ton. der in »einem Habitus fast ganz 
mit den blättertonen übereinstimmt, aber organische 
Ueberrcste einschliesst : Morges und Eclepens in der 
Waadt, La Sauge im Kanton Freiburg, Bonsteltan und 
Rüschlikon im Kanton Zürich. 

b) Alluvialer Ton. entstanden durch Kolmalion der 
seitlich eines Flusslaufes sich hinziehenden Landstriche 
infolge periodisch wiederkehrender Ueberschwemmun- ; 
gen: Saint Triphon in der Waadt, Vouvry im Wallis. 
Lager nördlich von Bussigny und Lager von Chavornav 
(Waadt), zahlreiche Lager im Heussthal bei Rickenbach j 
und Anstau-Allhäusern ; Merenberg und Frauenthal bei > 
Cham ; Thaingen und Klettgau im Kanton Schalfhauscn. 

c) Gehangelehm, entstanden aus der Verwitterung der 
Felsschichlen und der Abspülung der Materialien durch 
das Regenwasser an den wenig geneigten Hängen von . 
Anhohen jeden geologischen Aller», wird seiner wech- 
selnden Zusammensetzung und der Unregelmässigkeit 
der Lager wegen nur selten abgebaut. 

d) Der Lösslehm ist ein stets gelber, leichter und unge- 
schichteter Niederschlag, der auf Moränen oder altern 
fiildungen aufruht. Er wird als atmosphärischer Staub 
gedeutet, der vom Wind transportiert und abgesetzt wor- 
den ist. In der Umgebung von Basel, sowie längs dem 
Rbeinthal und dem Thal der Aare bis über Aarau hinauf 
sehr verbreitet. 

I\s kommen nun natürlich nicht allen diesen Tonbil- 
dungen die nämliche» Figenschaflen zu. und nur wenige 
erscheinen unmittelbar und ohne weitere Verarbeitung 
als Rohmaterial für die Herstellung von keramischen 
und feinen Töpferwaren geeignet. Selbst für gewöhnliche 
Produkte, wie Ziegel, Backsteine oder litkleupialten, uiuss 1 
das Tonuialerial durch Vornahme von Mischungen mit 
andern Substanzen oder wenigstens durch geeignete Ver- [ 
arbeitung zu einer mehr homogenen Masse umgestaltet 
werden. Die feine Töpferei, Keramik und Kayenc« Fabri- 
kation, bedarf vielfach eines Rohmaterials, das von 
langer Hand für seinen Zweck vorbereitet und durch Ver- 
setzung mit andern, meist aus dem Ausland eingeführten 
Substanzen, geeignet gemacht weiden mu«>, Daher sind 
denn auch solche Kabriken nicht immer an die unmittel- 
bare Nahe des Tonlagers gebunden. Das lokale Gebunden- 
sein erscheint dafür aber als Regel für die Industrien, 
die sich mit der Herstellung von gewöhnlichen Topfer- 
waren. Drainage- oder Leitungsrohren, Hohl- oder Voll- 
ziegeln, Backstein» n etc. befassen. Hier zwingen die 
Transportkosten für die Beschallung des Rohmateriales 
den Fabrikanten, sein Unternehmen in nächster Nähe des 
auszubeutenden Tonlagers anzulegen. Daher weisen auch 
die an Tonlagern reichsten Gegenden die grosste Anzahl 
von Ziegeleien auf. Wir müssen uns auch in dieser Hin- 
sicht darauf beschränken, nur einige der hertorragcndslen 
Betriebe zu nennen. Nyon und Thun (Hiimbergi sind 
durch ihre feinen Topferwaren (sog. Kayencewaren) und 
kunslkeramischen l'roilukle bekannt, wahrend die liegend 
von I'runlrul Bonfol) schon von alters her durch ihre 
gewöhnlichen Töpferwaren (sog. Prui'trutergeschirr) und 
Aarau durch seine Wasserleilungsröhren einen guten Ruf 
besitzen. Die grosse M- hr/ahl der Fabriken widmet sich 
aber, namentlich in den Gegenden, wo gute natürliche 
SU-ine entweder fehlen oder dann zu leuer zu stehen 
kommen, der Herstellung von Backsleinen und Ziegeln. 
Im Mitteilend hatte einst sozusagen jedes Dorf seine 
Ziegelei und ** ine Lehmgrube. Viele di> s< r lokalen Indu- 
strien sind dann mit zunehmender Kntwicklung des 
Eisenbahnnetze«, sowie mit der Vervollkommnung des 
mechanischen Betriebes und der Notwendigkeit der Be- 
schallung von ausreichender Triebkraft verschwunden 
und haben modernen Etablissementen Platz gemacht, die 
über eine genügende Triebkraft verfügen und in der Nähe 



einer Bahnstation liegen, die ihnen eine bequeme Ver- 
sendung ihrer Produkte und Beschallung des notwendigen 
Brennmaterials e> laubt. 

So drangen sich denn die Ziegeleien unseres Landes in 
den westlichen und nördlichen Kantonen längs der Ver- 
kehrswege und inmitten der reichsten Tonlager von jeg- 
licher Qualität naturgemasa am dichtesten zusammen. An 
erster Linie steht in dieser Hinsicht der Kanton Aargau. 
der nicht weniger als 90 Gemeinden mit Tonlagern und 
Ziegeleien oder Backsteinfabriken zahlt. Es folgen die 
Kantone Zürich mit Abbau von Lehmgruben in mehr als 
70 Gemeinden. Bern l4Ki, Solothurn (29). Luzern (28). 
Thurgau (15i, Freiburg (14), Waadt Iii). Basel (Hl. St. 
Gallen^). Schwy/ (7>. Unlerwalden (5|. Genf Tesain 
(4.. Graubünden (4). Appenzell <4.i, Glarus (3,i. Schall- 
hausen (2t, Wallis (II- Diese Zahlen besagen allerdings 
noch nichts über den Umfang der einzelnen Betriebe. So 
linden sich z. B. die bedeutendsten Fabriken dieser Art 
in Allschwil im Kanton Basel Land. 

13. Keuerfeste Tone. Bohnerzton. Nur wenige 
Tonerden besitzen die Eigenschaft, einem starken Feuer 
Widerstand leisten zu können, ohne sich zu erweichen, 
indem sie entweder zu stark eisenhaltig oder kalkhaltig 
sincl. Als feuerfest können weder die tonigen Sedimente 
des Tertiärs, noch die Tone der diluvialen und alluvialen 
Ablagerungen angesprochen werden, während dagegen 
die eozänen Bohnerztone, und zwar ganz besonders die- 
jenigen von weisser Farbe (die sog. tluppererde) dieser Be- 
dingung geniigen. Da sie aber für gewöhnlich mit Kiesel- 
sand vermengt sind, müssen zuerst Ton und Sand von- 
einander geschieden werden, so dass man in Wirklichkeit 
aus diesen Ablagerungen gleichzeitig zwei nutzbare Roh- 
produkte gewinnt, indem auch der sehr reine Kieaelsand 
(Glassandi. in der Glasfabrikalion. Verwendung findet. 
Die Bohnerztone werden namentlich im Berner Jura ab- 
gebaut, wo freilich ein grosaer Teil der Lauer heute schon 
völlig erschöpft sind. Im Betrieb stehen noch die Ton- 
gruben der Verrerie de Montier, »on Court und von Sai- 
court, denen sich in neuerer Zeit aehr bedeutende Gruben 
bei Laufen, die zwei Fabriken versorgen, beigesellt haben. 
Das eine weite Höhlung im M.ilm mit seinem Lösung»- und 
Verwilterungsrückstand der Jurakalke füllende Lajcer von 
Huppererde bei Lengnau im Berner Jura, das wahrend 
langer Zeit ausgebeutet wurde, ist jetzt erschöpft. Andere 
mit Huppererde angefiillteTaschen linden sich bei Balsthal, 
Hagendorf und Grenchen. Umfangreiche Lager von feuer- 
festen Erden kennt man auch aus der Umgebung von Aarau 
und von Lohn, sowie von der Hochtläche des Reiat (letztere 
beiden Vorkommnisse im Kanton Scharrhausen!. 

14. G I a s s a n d stammt aus den nämlichen Lagern wie 
die feuerfesten Tone und erscheint entweder in reinem Zu- 
stand mit weisser Farbe oder durch Eisenoxvd leicht gelb 
gefärbt und oft auch ziemlich stark mit Bolus oder Bohn- 
erzton vermengt. Seitdem die wahrend längerer Zeit ge- 
schlossene Glashütte von Münster t Verrerie de Moutier) 
den Betrieb neuerdings aufgenommen hat, wird auch der 
eozäne Kiesehand von Court, Fcorcheresse. Saicourt. I.o- 
veresse, Fuet. Moron und in der Umgebung von Bellelay 
wieder lebhaft ausg« beutet. Während einer gewissen Zeit 
hat man auch versucht, einen bei Mümliswil anstehenden 
weissen Quarzsand des Rat zu verwenden. Die Glashütte 
von Semsales bedient sich eines kieseligen Sandes aus 
der Umgebung von Rueyres-Trefayes | Kanton Freiburg), 
der den Verwilterungsrückstand der dortigen Molasse 
darstellt. Im Weiler Krähstel bei Buchs im Wehnthal 
i Kanton Zürich > wird ein feiner Quarzsand ausgebeutet, 
der in der Glashütte Bulach Verwendung lindet. 

15. Kalke und Zemen te erhält man durch h rennen von 
Kalksteinen. Mergeln oder auch eines Gemenge« von Kalk- 
stein und Mergel. Mit Sand eingerührt bilden sie den Mör- 
tel, der zur Verfestigung von Malerarbeiten dient. Durch 
Mischung von Mörtel mit Kies erhält man den Beton. 

Fetter Kalk wird durch einfaches Brennen des ge- 
wohnlichen Kalksteines hergestellt. Der im Baugewerbe 
stets zunehmende Verbrauch von hydraulischem Kalk und 
Zement lässt die Verwendung des gewohnlichen Kalkes im- 
mer mehr in den Hintergrund treten- Das Verbreitungsge- 
biet der zur Kalkbrennerei sich eignenden Rohmaterialien 
deckt sich mit dem Auftreten der zu Bauzwecken gebro- 
chenen Kalkgesleinc und umfasst, wie wir bereits gesehen 



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SCI1VV 



SCHW 



-281* 



cn, den ganzen Jura uml die Kalkalpcn. Hier lindVt 
sich, in Form von mehr oder weniger tonhaltigen Kalken, 
zugleich auch das Rohmaterial zur Fabrikation von hy- 
draulischem Kalk und Zement. 

Die h v d ra Ii 1 1 h r he n Kalke Herden durch einfaches 
Brennen von mergeligem Kalkstein, der wenig mehr als 
H0", o kohlensauren Kalk enthalten muss. oder dann durch 
sehr schwaches (trennen eines an kohlensaurem Kalk 
ärmeren Mergels hergestellt. Nach der Entnahme aus 
dem (Ifen zerfallt das gewonnene Produkt langsam an 
der Luft oder schwillt, mit Wasser gelöscht, gleich dem 
fetten Kalk an. Ks musste also, theoretisch gesprochen, 
nicht noch gemahlen werden. Da man aber in der Praxis 
eine genugende Gleichmässigkeit weder in der Wahl des 
Hohmaleriales noch im Hrennen erreichen kann, la*»t 
man alle hydraulischen Kalke noch durch Mahl- und Sieb- 
apparate gehen. Der Imlraulischi Kalk härtet sich unter 
Wasser und zwar umsoiuehr. je mehr »eine Zusammen- 
setzung sich einem bestimmten (ichalt von Calciumkar- 
bonat nähert. Ist dieses letztere im l'eberschuss, so er- 
scheint der Kalk wenig oder gar nicht hyd.aulisch und 
nähert sich dem fetten Kalk. Nach dem Volumeimnter- 
»chied der verschiedenen Sorten dieser Produkte und 
ihrer grossem oder get ingern Aehnlichkeit mit dem fetten 
Kalk unterscheidet man schwere, halbschwere und leichte 
hydraulische Kalke. 

Die hauptsächlichen Itohmalerialien zur Fabrikation so- 
wohl von hydraulischen Kalken als auch von naturlichem 
Zement linden sich in den verschiedenen Jura-, Kreide- 
oder auch Tertiarstufen. Uebngens kann jeder lonige 
Kalkstein von geeigneter Zusammensetzung zu hydrauli- 
schen Produkten verarbeitet werden. Im folgenden stellen 
wir die wichtigsten der in der Schweiz zu Zwecken der 
r'abrikalion von hydraulischen Kalken und von Zementen 
abgebauten Lager nach ihrer geologischen Zugehörigkeit 
zusammen-: 

Oberer Um: Grindel, Uärschwil und Kaimberg für die 
Kahriken in Luterhach. 



in 



Noiraigue, alpiner 



Uberer Dogger: Furcilmergel 
Dogger in Walenstadt. 

Unterer Malm (Oxford und Argovien): Liesberg, Sojhie- 
res. Heuchenette. Bondchätel. Wildegg, Entfelden, Haul- 
ines, Vallorbe, Chälel Saint Denis etc. 

Oberer Malm (Sequan) : Lea Convers. Muhlehorn (Kan- 
ton Glarusi. 

Untere Kreide (Hanterivien) in Cressier (Kanton Neuen- 
bürg! ; Urgon in Holzloch. 

Obere Kreide: Hole Kreide der Präalpen in Hoche 
i Kanton Waadt) und Votivry (Wallis); Seewerkalk in 
Heckenried, Hotzloch (leilwei-e) und Brunnen; Scaglia 
in Haierna (Tessin). 

Tertiär: Tongrien in Laufen; Aquitanien in Paudex 
i Waadt); Oeningien in Kapfnach (Zürich), Emmishofen 
und Wigoltingen (Thurgaui. 

Diluvium : Paudex (Waadt). 

Am wichtigsten sind für die Gewinnung von hydrau- 
lischem Kalk die Argovienmergel des Juragebirges, wo 
denn auch seit dem Hau der Eisenbahnen die Kalk- und 
Zementfahriken wie Pilze aus dern Itodeu gewachsen sind. 
Die grössten Fabriken von hydraulischem Kalk belinden 
sich in Vallorbe. Haulmes, Hondchätel, Unionen etc. 

Die natürlichen Zemente werden aus Mergeln her- 
gestellt, die etwa« weniger als 80°,' o , d. h. etwa 75-78<>/ 0 
kohlensauren Kalk enthalten. Je nach dem mehr oder 
minder starken Hrennen und unter dem Kinfluss von noch 
wenig bekannten Faktoren erhalt man verschiedene Q„a- 
hläten von natürlichem Zement. Sehr starkes Hrennen 
ergibt natürlichen Portland/emenl von grauer Farbe und 
langsamem Abbinden, wahrend als Produkt eine» schwa- 
chem Hrennen» römischer Zement von gelblicher Färb«', 
sog. schnellbindender Zement, entsteht. Nur wenigen 
schweizerischen Fabriken ist ea bis jetzt gelungen, diesen 
letztem Zement herzustellen, so dass wir für den Hejug 
desselben noch erheblich vom Ausland abhängig sind. 
Natürliche Zemente werden hergestellt in den Fabriken 
von Noiraigue, Haulmes. Hondchätel, Brunnen, Hotzloch, 
Käpfnach, Barsch wil. Convers etc , romischer Zement 
sf>ezie|| in Hondchätel, Haulmes. Brunnen und Käplnach. 

Künstlicher Portlandzemenl. Während der na- 
türliche Zement mit Notwendigkeit von der Beschaffen- 



heit des Rohmaterials abhängt und je nach diesem von 
wechselnder Qualität ist. stellt man au» einer feinge- 
mahlenen, beständig kontrollierten Mischung auch einen 
gleichmässju beschaffenen künstlichen Zement her. Hy- 
draulische Eigenschaften erhalt diese Mischung durch 
starke« Brennen, worauf da» Produkt gemahlen wird. 
Die sich stets gleichbleibende gute Qualität hat diesen 
künstlichen Zementen trotz der umständlichen r'abrikalion 
einen grossen Erfolg gesichert, so dass deren Produktion 
heule diejenige von hvdraulischem Kalk und natürlichem 
Zement zusammen übertrifft. Die wichtigsten Zement- 
werke dieser Art befinden sich im Jura : Saint Sulpice. 
Furcil, Baulmes, Reuchenette, Luterbach. Bellerive, Lies- 
berg. Laufen. Ditlingen. Monchenstein. Zwingen, Aarau. 
Wildegg etc. In den Alpen : Grandchamp, Villeneuw und 
Roche. Brunnen. Rotzloch. Walenstadl; im Mittelland: 
Frauenfeld und einige kleinere Fabriken. 

Gemischte Zemente. Seit kaum etwa 10 Jahren 
hat man hydraulische Produkte auf den Markt gebracht, 
die eine Mischung von PortJandzeinent mit einem indiffe- 
renten Material (Kalkpulver) darstellen und damit sog. 
verdünnte Zemente sind. Hie zeigen die nämliche Kon- 
stanz in ihrer Zusammensetzung wi« die Portlandzemente, 
ohne aber die oft sehr langsame Abbindung und Erhär- 
tuug der hydraulischen Kalke zu haben, weshalb sie 
diesen letztem Konkurrenz zu machen bestimmt sind. 
Diese Industrie ist zur Zeit in Paudex. Roche. Brunnen, 
Hotzloch etc. vertreten und sehr im Aufschwung begriffen. 

Schlackenzement wird als Nebenprodukt in den 
Eisenwerken von Choindez im Berner Jura hergestellt, 
und zwar unter Verwendung«' 
die gepulvert und mit einer 
versetzt werden. Verwendet 
sachlich zur Fabrikation von Im 

nad, 

Im folgenden geben wir eine Liste der wichtigsten Fa- 
briken Tur hydraulische Produkte unter Beifügung ihrer 
Produktion im Jahr 11W6: 





isoto «iiiki 



Jura - Zementfahriken Aarau und 
Wildegg 

Portlandrc mcnlfabrik Laufen, mit Fi- 
lialen Monchenstein und Bellerive 

Zement- und Kalkfabriken H. Vigier 
A.-G.. Luterhach und Heuchenelte 32 530 

Basler Zementfahnk. Ditlingen (Kern) 13820 — 

Zement- und Kalk werk Liesberg, Gebr. 
Gresly, Martz und Cie., Liesberg 14 390 »20 

Porllandzeiuenirabr. Frauenfeld A.-G. 9 190 72» 

Laufenthaler Portlandzementfabrik , 
Zwingen 10 400 — 

Vereinigte Zementfabriken Rotzloch 

9260 1170 



H2U0 



2000 



K. Hiirlimann. Kalk- und Zement- 
fabrik, Brunnen 

W. Brodtheck. Portlandzementfabrik, 
Liestal 

Soeicti des Usines de llrandchamp et 
de Roche (Vaud) 

Societe des Usines de Haulmes 

Fabriquc suisse de eiment Portland. 
Saint Sulpice 30 310 

Schweizerische Zement-Industricge- 
sellschaft iSitz in Ennenda) 14 710 - 

Borner. Edelmann und Cie.. Walen- 
stadt 8000 

Societe des IsiiH-s de la Paudeze. 
Pully 3030 27 160 

Sociale des Usines du Furcil, Noir- 
aigue 2 290 

Tounsnw — IT«*). 

Die Gesamtproduktion de« natürlichen Zementes heli. f 
sich im Jahr 1006 auf etwa 15000 Tonnen. 

15) Gips. Gips findet sich in der Schweiz bloss in drei 
Gegenden : im ostlichen und nördlichen Jura, in den 
Nordalpen und im Tessin. Alle anbaufähigen Lager lie- 
gen in der Tria». Unbedeutende Einlager ungen von Gips 

207 — OEOCR. LEX. V — 19 



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-21*0 



SCHW 



SCHW 



zeigen daneben auch gewisse Schichten der mioxänen 
ii ml oligozänen Molasse, sowie die I'tirbeckstufe. 




Zemontfabrik Saint Sulpice lim Val de Traversi. 

Im nördlichen Jura ist es der Keuper, der Lager von 
gewöhnlich ziemlich unreinem Gips enthält, während der 
Gips im östlichen Jura reiner erscheint. Der unreinen 
Qualität des Materiales wegen sind die Gipsgruben in 
Cor nol aufgegeben worden. Ziemlich lebhaft betriebene 
Gipsgruben linden sich heut« an 38 Stellen der Kantone 
Aargau. Basel und Sololhurn, so besonders bei Muttcnz, 
llretzwil, an der Schambeien, bei Günsberg, Rietheim, 
am ßalmberg etc. Der nämliche Horizont enthalt auch die 
Gipslager bei Schlcitheim und Beggingen im Kanton 
Sc Ii all hausen. 

Kerner findet sich Gips eingelagert in den Salzton- 
schichten der Mitte des Muschelkalkes. Doch wird er hier 
nur selten abgebaut, so z. B. hei l.äufelllngen. bei Ober- 
dorf über Holstein und bei der Habsburg. 

Weit wichtiger sind die Gipslager in den Alpen, wo 
ganze Berge aus Gips bestehen. So namentlich in der 
Nähe von Bei, wo sich die Gipsgruben von Villy und Ul- 
lon, sowie diejenigen von Villeneuve befinden. Weiter 
aufwärts im Rhonethal werden die Lager von Charrat, 
Granges, Finge« (Pfln). Gamsen und in der Umgebung von 
Brig abgebaut. In den Berner Alpen bildet das Gipsgebiet 



Vorkommnisse gehören der mittlem Trias an. Im Tessin 
wird der Gips bloss bei Meride etwas lebhafter abgebaut. 

Im Jura verwendet man den unreinen Gips 
vorzüglich als Düngemittel, während die reinsten 
Stucke zu architektonischen Zwecken dienen. Ob- 
wohl verschiedene alpine Gipse {besonders die- 
jenigen von Grandes, Kinges und Gamsen) von 
bemerkenswert rein weisser Farbe sind, wird doch 
bei uns Gips kaum zu Kunstarbeiten gewonnen. 
Das Hauptprodukt ist Gips zu architektonischen 
Zwecken, sowie Kstrirhgips, der weit härter wird 
als der gewöhnliche Gips und auch den atmosphä- 
rischen Einflüssen gut widersteht (sog. Fingiti. 

Bibliographie : Kenngotl. A. Die M merale der 
Schweiz. Leipzig 1886. — Die Baumaterialien 
der Schweiz an der Landesausstellung ; 
bearb. und hrsg. von U. Meister. Fr. Locher, A. 
Koch und L. Tetmaver. 4. Aufl. Zürich 1884. — 
Grubenmann, 1*. Einleitung, Henennung und 
Beurteilung der natürlichen Bausteine lin den 
Mitteilungen der Schweiz. Materuitprüfungsan- 
slalt. I). Zürich 1898. — Notice tust les exploi- 
taliont mint'-rates de la Suisse ; publ. sous les 
ausp. du Comite du groupe 27 de l'Kxpos. nat. 
suisse. Geneve 1896. — Weber, J.. und A. Brosi. 
Karte der Fundorte nm Rohprodukten in der 
Schweiz, 1 : 500000. Zürich 1883 imit Text \un 
H. Streng in der Zeiltchr. f. Schweiz. Statistik. 
1884). — Jaccard. A.. und A. Heim. Veltersiehts- 
karte der Fundorte POM Hohniaterialien für die Kalk-. 
Zement- und Gipsfabrikation der Schweiz, 1:500000. 
Zürich 1894. — Letsch, E. Die schwetrer. Molassekohlen 
östl. der Beuss. iBeitrnge zur geolog. Karte der Schweiz ; 
geolechn. Serie. I). Bern 189Ö. — Kissling, K. Molastc- 
kohlen westlich der Heust. ( Beilr. zur geoloa. Karte der 
Schweiz ; geolechn. Serie. 2). Bern 1903. — Jahrlmch für 
schwen. Statistik. — Berichted. eidg. Fabriktnsf^ektoren. 

II. Mineral- t'ND Tiiermai.ohki.le1n'. a! Allgemeine Be- 
trachtungen. Die Quellen stehen sowohl hinsichtlich ihrer 
Temperatur als auch ihres Gehaltes an gelöster Mineral- 
substanz in Beziehung zu den von ihnen durchsetzten 
Feierten. In Wirklichkeit sind alle (»uellwasser als Mi- 
neralwasser zu bezeichnen, indem es tatsächlich keine 
einzige Quelle gibt, die chemisch reines Wasser führt 
■ iiier. mit andern Worten, auf ihrem unterirdischen Weg, 
sei er noch so kurz, nicht eine gewisse Menge von Mi- 
neralsubslanz gelöst hätte. 

Als c M i n e r a I wa ■ se r » bezeichnet mm im Allge- 
meinen bloss diejenigen Wässer, die wegen ihres zu 
starken Mineralgehaltes nicht mehr als Trinkwasser ver- 
wendet werden können. Es ist aber diese l'nterscheidung 



Gesamtproduktion an Zement, Kalk und Gips in der Schwei/ wahrend der Jahre WH lUß. 



Jahr 



1905 

\m 

1903 

1909 

1901 
l'.MI 
1X9!» 
IX9H 
1897 
1K90 
IHK. 
IHM 



Produktion in Tonnen 



Fort- 
land- 
Zeraenl 

I = tau u 



Itftiiu 
«eher 
Zement 

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Hydrau- 
lischer 
Kalk 

I — ItM l| 



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l-t»mi 



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*) 



l=-l«M »| t_l«M l| 



213469 

iHHvri 

18] 977 
175065 
156 135 
203tHEl 
211 183 
I.-.7 447 
148477 

139730 

II32U-I 
97117 



29625 
12710 
866t) 
IT 190 
16514 
17497 
19654 

1 1 :m 
1 1 375 

15 an 

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130X4 



IUI IH)7 

190908 

162*23 
201 174 
187016 
983390 
I 215 126 
906086 
196 IM 
2H8 .V28 
165 I8M 
14701 1 



XI 6X5 
65 57 1 
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19 807 

45 r.n 
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59 8Ti2 

57 909 
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16 i:n 

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10700 
8 900 

5900 

16700 
15 im 
III 2011 
18201) 

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166511 
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121 052 
57192t» 
524015 
139 187 
113798 
417085 
3492X1 
291 573 



[(etriebtkrull 



HP 



Dampf 
HP 



IMIn- 
uUI 



Total 

HP 



5 473 
i f<« 

4 4X5 

5 2X2 
5 77«) 
5 526 
5 563 
4 928 
4 903 

4 KM 

4 ITH 

3 671 



2 780 
2 721 
2 621 
2 670 
2 525 
2 55K 
•J 420 
2 180 
1 785 
I 059 
'.)•_' I 
651» 



2X73 
I XX4 
I 529 
1 312 
619 
H69 
653 



II 12*5 
9 441 

SIE15 
9264 
S920 
8953 

8698 

7 |I)K 
6 68X 
5 995 
5099 

4:00 



Zahl 
der 
Ar- 

heit-r 



Zahl 
der 

Ofen 



Mahiapp« rate 



Ii* 



3 2X0 
3 075 
2 759 

22? 



980 
267 
239 

•Jhl 

2 »Hl 276 



3(131 
3311 
3 132 
■1 923 
2 617 
2 3tK 
2 064 



310 
3t >4 

277 
271 
277 
2-47 
231 



117 
112 
127 
118 

13» 
146 
146 
144 

139 

188 

113 

132 



74 
72 
63 
66 
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71 
50 
45 
31 
2 t 
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.•»rif TuUI 



46 

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.376 
361 
3X2 

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292 
299 

m 

273 
2tE5 

2»;» 

244 

226 



am Thutiersee { Kralligen und Leissigen) ein Gegenstück zu 
Bex und linden sich Gipslager ferner bei Uei im Simmen- 
thal, bei Zweisimmen, in der Nahe der Lenk etc. Alle diese 



eine rein künstliche und konventionelle, indem es, wie 
wir noch zeigen werden, sogar sehr schwierig halt, zwi- 
schen dem sog. Trinkwasser und dem Mineralwasser eine 



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SUIW 



SCHVV 



-291 



Grenze zu ziehen. Zahlreiche Mineralwässer könnten in 
der Tat »ehr gut auch als Trinkwasser verwendet werden, 
und eine ganze Anzahl derselben wird als rein hygieni- 
sche« Getränk auch wirklich regelmässig genossen. 

Trinkwasser soll nicht über 0,;»gr feste Mineralsubstanz 
per Liter enthalten und diese nur in Gestalt von erdigen 
Salzen, wie z. Ii. kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Ma- 
gnesia und, in geringer Menge, auch .schwefelsaurem Kalk. 
In Wirklichkeit ist aber immer auch ein gewisser, aller- 
dings sehr schwacher Gehalt von verschiedenen anderen 
Salzen (alkalinischen Karbonaten) nachgewiesen, die von 
geringen Mengen von Kieselsäure begleitet werden. Daraus 
ergibt sich, dass die Zusammensetzung eines aus dem 
Erdboden kommenden Wassers, selbst wenn es sich um 
Trinkwasser handelt, stets sehr komplex ist. Noch in 
weit hoherm Grade trifft dies natürlich auf die eigent- 
lichen Mineralwässer zu, die auf den Liter oft mehrere 
Gramme gelöster Salze enthalten und diesen auch fast 
immer einen hesondern Geschmack verdanken. Wir fü- 
gen bei, dass die unterirdischen Wässer ohne Ausnahme 
immer auch gelöste Gase enthalten, von denen hauptsäch- 
lich die Kohlensäure Erwähnung verdient, deren Vor- 
handensein in erster Linie auf die Loslichkeit der Mine- 
ralsubstanzen (Kalk, Eisen, Magnesia etc.) beschleunigend 
einwirkt. Sauerstoff, Stickstoff und Schwefelwasserstoff, 
die sich in den Quell wässern so häutig vorfinden, müssen 
gleichfalls zu den Mineralbestandteilen der unterirdischen 
Wässer gerechnet werden. Obwohl viele Mineralwässer, 
(die sog. Thermen) eine oft sehr hohe Temperatur auf- 



I nicht durch die absolute Temperatur derselben bedingt. 

) sondern vielmehr durch den Unterschied zwischen der 
Wasser- und der Ortstemperatur. Üie Wärme des gewöhn- 

. liehen, d. h. nicht thermalen Quellwassers ist der mitt- 
leren Jahrestemperatur de» Ortes, an dem es entspringt. 

• entweder gleich oder dann um höchstens 1° überlegen. 

I Immerhin werden solche Quellwässer, deren Temperatur 
diejenige ihrer Umgebung bloss um wenige Grade u ber- 
trillt, noch nicht als eigentliche Thermen betrachtet, son- 
dern bis zu einer Wasserwärme von 18-20° C. als sublher- 
male Quellen (Subthermeni bezeichnet. , 

Thermen treten in der Schweiz verhältnismässig nicht 
in grosser Zahl auf, weil das Wasser hier entweder nicht 
aus genügender Tiefe heraufkommt oder dann, bei genü- 
gend tiefem Eindringen, auf dem Wege zur Erdoberfläche 
sich wieder abkühlt. Diese letztere Erscheinung macht 
sich besonders bei schwachen Quellen geltend. Thermen 
sind fast ausnahmslos sehr starke Quellen, was Bich leicht 
daraus erklären lässt, dass das in der Tiefe erhitzte 
Wasser schnell und in mächtigem Strom zur Erdober- 
fläche aufsteigen muss. wenn es sich auf diesem Wege 
nicht annähernd bis zur Temperatur seiner Austritts- 

1 stelle abkühlen soll. 

In folgender Tabelle stellen wir einige schweizerische 
Quellen hinsichtlich der Höhe ihrer Austrittsstelle, der 
mittleren Jahrestemperatur dieser letztern, der Tempe- 
ratur des Quellwassers und der Thermalilät, d. h. des 
Unterschiedes zwischen der Wasser- und Ortstemperatur 



Quallen. 



1. Quelle beim Schulzhaus VII an der Simplonstrasse . . . . 

2. Quelle von Lea Avant« über Montreux 

3. Quelle der Douverette tGenfersee) 

4. Stromquelle der Serriere 

5. Hutlwasaer bei Susten-Leuk 

6. Kirchquelle in Montreux 

7. Quellen im Pfinwald bei Leuk 

8. Quelle des Bras bei Bex (Wasdt) 

9. Fontaine de l'Oura in Montreux 

10 Teniger Bad im Val Somvix (Graubünden) 

11. I-aurenzenbad im Aargau 

12. Bovernier über Martigny (Wallis) ... 

13. Bad Vverdon 

14. Bad Saxon 

15. St. Pelersquelle in Vals I Graubünden) 

16. Bad Weissenburg im Simmenthai 

17. Bad Schinznach im Aargau 

18. Pfäfers (Mittel aus den verschiedenen Quellen) 

19. Leukerbad 

20. Baden im Aargau 

21. Bad Lavey in der Waadt 

22. Quellen bei km 8.700 vom Nordwestportal des Simplontunnela 

23. Quelle bei km 4,400 vom Südostportal des Simplontunnela . . 



Iloho 


Quelleo- 


Oru- 




tem- 


tetn- 


Tb«rmalilil 


(i. M. 


peratur. 


peratur. 


">C 


ra 


o C. 


o C 




1860 


4.5 


2,4 


+ 2,1 
+ 0.94 


1000 


7,0 


6.06 


375 


7.8 


9,8 


- 2,0 


470 


8,5 


8.9 


- 0,4 


594 


8,6 


8.8 


-0.2 


450 


10,6 


10.0 


+ 0,6 


560 


10,8 


9,3 


+ 1.5 


400 


11,2 


9,74 


+ 1.46 


:«5 


12,5 


10.3 


+ 2,2 


1273 


14,3 


5.5 


+ 8.8 


518 


17,5 


8.5 


+ 9.0 


622 


21,3 


8,2 


+ 13.1 


440 


24.0 


9,0 


+ 15.0 


470 


25.0 


9.2 


+ 15,8 


1248 


25,« 


6.0 


+ 19,6 


878 


27,5 


8.0 


+ 19,5 


351 


36,0 


10.0 


+ 26,0 


6H5 


:frt,o 


7.5 


+ 30,5 


1415 


43,0 


5.0 


+ 38,0 


382 


47,0 


10.0 


-t-37.0 


422 


52.0 


9,5 


+ 42,5 




52,0 


54,0 


- 2.0 




10,0 


16,0 


- 6,0 



weisen, steht doch die Thermalilät in keiner Beziehung 
weder zur chemischen Beschaffenheit noch zu den medi- 
zinischen Eigenschaften des Waasers. Dies geht auch 
daraus hervor, dass die zu Badezwecken verwendeten 
Mineralwässer in den meisten Fällen vor Gebrauch er- 
wärmt und umgekehrt die sehr warmen Thermal- 
quellen abgekühlt werden, bevor sie als Getränk dienen 
können. 

Die Thermen fassen wir nicht als eine besondere 

umso mehr 
thermal 

die 

steigende Temperatur ein wirksames Hilfsmittel zur leich- 
teren Löslichkeit der Mineralsubslanzen ist, woraus folgt, 
dass die Thermalquellen, die, eben um die Eigenschaft 
der Thermalilät zu erlangen, einen ziemlich weiten und 
liefgehenden unterirdischen Weg zurückzulegen haben, 
meist auch stark mineralhaltig erscheinen. 
Die Schätzung der Thermalilät einer Quelle wird 



Gruppe von Mineralwässern auf, was sich um 
rechtfertigt, als auch gewöhnliches Trinkwasser 
sein kann. Dabei bleibt freilich anzuerkennen. 



Diese Zusammenstellung zeigt die Abnahme der Tem- 
peratur mit zunehmender Höhe einerseits und die Unab- 
hängigkeit der Quellentemperatur von der mittleren Orta- 
temperatur andrerseits. Die Quellentemperatur erscheint 
vielmehr als das- Ergebnis der Tiefe des unterirdischen 
Quelllaitfes und der Geschwindigkeit, mit der das Wasser 
an die Erdoberfläche aufsteigt. Kinzig die aus einer Tiefe 
von nicht mehr als etwa 20 m kommenden Quellen zei- 
gen die mittlere Ortatelnperatur. Die beiden Beispiele aus 
dem Simplontunnel beweisen ferner, dass auch sehr heisae 
Quellen unter Umständen doch nicht thermal und sogar 
von negativer Thermalität sein können, indem der reis 
noch etwas höhere Temperatur hat als das ihm entsprin- 
gende Wasser. 

W Mineralquellen. Mit Bezug auf die chemische 
Zusammensetzung (Mineralisation) der Mineral- 
wässer lässt sich sagen, dass man in den unterirdischen 
Wässern die Anwesenheit von fast allen bekannten che- 
mischen Substanzen in grosserer oder geringerer Menge 



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m 



sr.iiw 



scnw 



festgestellt hat. Sie linden sich in der grossen Mehrzahl 
der Falle in gelöstem ZusUnd und nur seilen in Suspen- 
sion, in welchem Falle da» Wasser dann tnib erscheint. 

Chemische Elemente und ihre Verbindungen in den 
Quellwässern : 

Sa u e r s t o ff (0). Im freien Zustand oder in Verbin- 
dung mit andern Elementen als Sauren und saure Salze 
vorhanden. Das Wasser selbst enthält übrigens Sauer- 
stoff als chemischen Komponenten im Verhältnis von 
% »eine« Gewichte». Die im Wasser am häutig- 
sten auftretende Sauerstoffverhindung ist die Kohlen- 
säure (CO,). 

Wasserstoffen. Sellen im freien Zustand, häufig 
dagegen in Verbindungen i namentlich als »LS oder Schw e- 
fel Wasserstoff). Das Wasser seihst enthalt Wasserstoff im 
Verhältnis von 0,11111 % seines Gewichtes. 

Stickstoff (N). Im freien Zustand häufig gelöst, sel- 
tener dagegen in Verbindungen (Nitraten, Nitriten. Am- 
moniak'. 

Schwefel (S). In Form von Schwefelwasserstoff 
(IIjS). sowie von Natrium- und Calciumsulfhytlraten etc., 
dann besonders auch in Form von gelösten Sailen der 
Schwefelsäure (den sog. Sulfaten i. Hierher gehören die 
zahlreichen Schwefelwässer, wie diejenigen der Lenk, von 
Leuk und Schinznach, vom Gurnigel etc., dann die von 
Lavey, Leissigen, Stachelberg. Schunberg etc. 

Brom (Br|. In geringen Mengen in Form von Alkali- 
und Magnesiumsalzen. 

Jod |I(. Wie das Brom. In den Thermen von Saxon, 
Botenbrunnen, Solis, Tarasp. Wildegg. 

Fluor (Fl), in vielen Mineralquellen nachgewiesen, 
aber stets nur in sehr geringer Quantität vorhanden. 
Thermen von Baden, St. Moritz, Tarasp etc. 

Phosphor (P). In Gestalt von Eisen- und Calcium- 
phosphaten in Behr geringen Mengen nachgewiesen. Was- 
ser von Schwefelberg, Siewen (Schwyz). Solisund Passugg 
(Graubünden). 

Arsen (A»>. Selten und nur in sehr geringen Mengen. 
Quellen im Val Sinestra (Grauhünden). 

Bor(D). In Form von borsauren Salzen in bemerkens- 
werten Mengen nachgewiesen im Wasser von Baden, des 
Val Sinestra etc Spuren in verschiedenen andern Wässern. 

Silicium |Si). Als freie Kieselsäure (Si O,) oder in 
Form von Natrium- und Calciumsilikaten etc. in fast allen 
Wässern in geringen Mengen nachgewiesen. 

Kohlenstoff <C). Neben den in kleinen Mengen in 
zahlreichen Wässern vorhandenen organischen und bitu- 
minösen Substanzen ist als häutigste und in grossler 
Menge auftretende Kohlenstolfverbindung das Kohlen- 
dioxyd oder Kohlensäuieanhvdrid (CO,) zu nennen. Man 
findet es im getosten Zustand in allen Wässern, und zwar 
in Mengen, die je nach der Temperatur und dem Druck 
schwanken. Sein Vorhandensein erhöht die Loslichkeit der 
erdigen Karbonate und des Eisens. Die an Kohlendioxyd 
reichen Wässer werfen bei ihrem Erscheinen an der Erd- 
oberfläche Blasen und werden Säuerlinge genannt. Ein 
grosser l'eberschusa an diesem durch Druck gelösten Gas 
bewirkt ein eigentliches Kochen des Wassers Sprudel), 
welche Erscheinung bei den schweizerischen Quellen je- 
doch kaum zu beobachten ist. Als an Kohlendioxvd reich- 
ste Wässer der Schweiz sind z.u nennen die Säuerlinge 
von St. Moritz, Belvedra. Schuls. Tarasp, San Bernar- 
dino und des Val Sinestra. die alle mehr als 1000 cm ' CO, 
auf den Liter Wasser enthalten. 

Kalium (K) und Natrium (Na), die beiden be- 
kannten Alkalimetalle, linden sich in der Form von 
Chlorverbindungen und oft in grossen Mengen i besonders 
das Kalium) in den salinischen Quellen. Ihre Karbonate 
bestimmen die besondern Eigenschaften der sog. alka- 
linitcheo Quellen. Ihre Sulfate (besonders diejenigen des 
Natrium) bilden einen ziemlich starken Bestandteil von 
gewissen Quellen mit abführender Wirkung. Zu der ersten 
Gruppe geboten die Wasser von Wildegg. Schweizerhalle, 
Bheinfelden und Sulzthal, zur zweiten die zahllosen, mehr 
oder weniger ausgesprochen alkalischen Quellen (Schuls, 
Passugg etc.). zur dritten das Wasser von Mulligen. 

Lithium ;I.ii. I'em Auftreten dieses Alkalimetalle« in 
den Mineralwässern wird selbst da eine grosse Wichtig- 
keit beigelegt, wo es nur in sehr kleiner Menge vorhanden 
ist. Spuren desselben las-en sich tatsächlich in allen 



Wässern nachweisen, doch ist keine der schweizerischen 
Quellen reich an diesem Element. Zu nennen sind in 
dieser Beziehung namentlich die Wässer von Baden (mit 
0.0043 gr Li auf den Liter Wasser), Stachelberg. Yver- 
don etc. Meistens ist aber der Gehalt an Lithium bis jetzt 
noch nicht ziffernmässig festgestellt worden, was auch 
für die noch seltener vorkommenden Metalle Caesium. 
Bubidiiim und Thorium zutrifft. 

Strontium (Sr) und Baryum(Ba). zwei Erdalkali- 
metalle, sind in den Mineralwässern nur selten und immer 
nur in kleinen Mengen vertreten, und zwar nur in Ge- 
stalt von Karbonaten und Sulfaten. Strontium ist mit 
0,006 gr. auf den Liter Wasser in den Thermen von Baden 

na CaTciu C m n <Ca>. das dritte Erdalkalimetall, erscheint 
neben dem Magnesium als die in gewissen Wässern am 
stärksten in Lösung vertretene Mineralsubstanz. Es fehlt 
sozusagen in keinem Wasser, da überall in grosserer oder 
geringerer Menge kohlensaurer Kalk (CaCO^) vorhanden 
erscheint. Dieser tritt in den an gasförmiger Kohlen- 
säure nicht reichen Wässern im Verhältnis von 0.20-0.30 
gr und in den eigentlichen Säuerlingen im Verhältnis 
von bis auf 3 gr und mehr pro Liter Wasser auf, fällt 
aber, der Luft ausgesetzt, durch Entweichen der Kohlen- 
säure wieder aus und bildet dann den sog. Sprudelstein. 
Tropfstein. Kalktuff, Kalksinter etc. Das Tarasper Wasser 
enthält 2,447 gr Ca Co, pro Liter. Ebenso häutig ist der 
schwefelsaure Kalk iCaSO,), der sich aber weder von 
selbst noch beim Kochen des Wassers abscheidet. Die- 
jenigen Wässer, welche, neben einer gleichwertigen 
Menge von kohlensaurem Kalk, mehr als 0,2-0,3 gr schwe- 
felsauren Kalk pro Liter Wasser enthalten, werden Gips- 
quellen genannt. Cipsqucllcn mit 1,5-2.0 gr schwefel- 
saurem Kalk pro Liter Wasser sind in grosser Menge 
vorhanden. Ausnahmsweise erscheint auch Chlorcalcium 
(CaCUj). und zwar mit Vorliebe in gewissen salinischen 
Quellen. 

Magn esi u m (Mg). Die Karbonate und Chloride dieses 
Meialles begleiten fast immer die entsprechenden Cal- 
ciumverbinuungen, sind aber in weit geringeren Mengen 
als diese vorhanden. Eine vorherrschende Bolle spielt 
dagegen das Magnesiumsulfat (MgSO t ) oder Bittersalz 
(mich Epsomit genannt), das in den abführenden sali- 
nischen Quellen in grosser Menge vorhanden sein kann 
und z. B. im Birmensdorfer Bitterwasser im Verhältnis 
von 22 gr auf den Liter Wasser auftritt. 

Aluminium (Ab. Die Verbindungen dieses Leicht- 
metalle« sind in den schweizerischen Mineralwässern nur 
von untergeordneter Bedeutung und kommen, wahr- 
scheinlich in Form von Silikaten und Sulfaten oder auch 
von Aluminaten, immer in sehr kleinen Mengen vor. 
Wirkliche Alaunwässer, d. h. Quellen mit Doppelsalzen 
des Aluminium, sind in der Schweiz nicht bekannt. 

Eisen (Fe). Eisen enthalten sehr zahlreiche Quellen, 
und zwar hauptsächlich in Form von Karbonat Slalil- 
w.isseri, seltener auch von Sulfat ( Vitriolwässen. Jener 
Gruppe gehören *n die Quellen von St. Moritz, (•rimroi- 
alp. St. Peter, Schuls, Sassal. Morgins etc.. ein Vitriol- 
wasser stellt dagegen die Quelle von Scerina (im Tessii^ 
dar. 

Spuren von Nickel. Kobalt. Mangan. Zinn. Zink. 
Wismut. Blei etc. haben zwar in einigen Mineralwässern 
nachgewiesen werden können, geben aber diesen Quellen 
keinerlei besondere Eigenschaften oder Vorzüge. 

Eine Klassifikation der Mineralquellen erscheint 
wegen der oft zahlreichen chemischen Bestandteile, die sie 
zugleich in Lösung enthalten, recht schwierig. Die von Dau- 
bree nach den elektronegativen Bestandteilen (Säuren: 
aufgestellte chemische Klassifikation leidet an dem l'ebel- 
sland, das» neben jede, durch einige typische Beispiele 
charakterisierte Gruppe noch eine sog. * gemischte • 
l'nlerahteilung. welche stets die weitaus grossere Zahl 
der Quellen umfassl. gestellt werden musste. Eine solche 
Klassifikation kann nur von wissenschaftlichem Interesse 
sein, abgesehen davon, dass man als Einteilungsprinzip 
ebenso gut auch die elektroposiliven Bestandteile (Metalle 
oder Basen) wählen konnte. 

Da die in der Schweiz so zahlreich vertretenen Mineral- 
wasser namentlich vom medizinischen und therapeu- 
tischen Standpunkt aus von Bedeutung sind, erscheint es 



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SCI1W 

zweckmässig, sie nach denjenigen Bestandteilen zu grup- 
pieren, die ihre Verwendung in der Hydrotherapie oder 
der Balneotherapie bestimmen. Eine derartige Klassifi- 
kation erweist sich umso logischer, als fur viele Quellen 
genauere Analysen noch fehlen und ihre besondern Merk- 
male daher bloss nach den äussern Kennzeichen (Geruch, 
Farbe, Geschmack, Niederschlag etc.) zu erkennen sind. 

Auch vollständige chemische Analvsen gestalten eine 
bequeme Vergleichung nicht immer, weil die Berechnung 
der Bestandteile meistens rein theoretisch vorgenommen 
worden ist. d. h. in der Weise, dass man jedem basischen 
Etemcntarhestandteil die entsprechende Menge eines sau- 
ren Elcmentarbestandteiles zur Seite setzte und die che- 
mische Zusammensetzung der gelosten Stoffe in Gestalt 
ihrer Salze ausdrückte. Diese Methode hat den Vorteil, 
dass man zu sagen imstande ist, dieses oder jenes Mi- 
neralwasser enthalte so und so viel kohlen- oder schwefel- 
sauren Kalk, Chlornatrium, Magnesiiimsulfat etc. In 
vielen Fällen sind aber diese Analysen rein willkürlich 
und entsprechen keineswegs der wirklichen Verteilung 
der Elemente, selbst wenn wir uns letztere als im trok- 
kenen Bückstand isoliert vorstellen. Ausserdem weiss man, 
dass in stark verdünnten Losungen, wie es ja die Mehr- 
zahl oder fast alle Mineralwässer sind, die Salze durchaus 
nicht im kombinierten Zustand auftreten, sondern ihre 
Einzelbestandteile vielmehr zu «Ionen* (Anionen und 
Kalhionen) dissoziiert erscheinen, welche nur dann zu 
Salzen sich vereinigen, wenn die Losung durch allmäh- 
üges Eintrocknen eine immer stärkere Konzentration 
erhält. Und auch dann vollzieht sich dieser Vorgang in 
manchen Fällen ganz anders, als es sich der Chemiker 
erklärt hat. Um dies darzutun, braucht man bloss zwei 
gleich gute Analvsen, die nach dieser Methode von zwei 
verschiedenen Chemikern ausgeführt und mit der An- 
nahme kombinierter Salze berechnet worden sind, mit- 
einan 1er zu vergleichen. Fast alle Analvsen, die wir be- 
sitzen, sind nach dieser alten Methode berechnet und 
könnten nur dann Bcharf unter sich vergleichbar ge- 
staltet werden, wenn man sie nach der Ionenlhcorie um- 
rechnen würde. Da dieses letztere aber bis jetzt nicht 
geschehen ist, müssen wir uns eben an die vorhandenen 
Berechnungen halten. 

Die unterirdisch gewordenen Sickerwässer dringen 
dank den sehr verschiedenartigen Fels- und Bodenarten, 
die die Erdrinde in der Schweiz zusammensetzen, und 
infolge der Dislokationen, denen diese unterworfen ge- 
wesen sind, in sehr ungleiche Tiefen vor und kommen so 
mit unter sich stark verschiedenen Komponenten der 
Erdrinde in Berührung. Daraus folgt, dass das Wasser 
auf seinem unterirdischen Lauf ausserordentlich mannig- 
faltige Substanzen zersetzen kann. So erklärt sich denn 
auch die grosse Mannigfaltigkeit der Mineralwässer, von 
dem oft weniger als ein Dezigramm Mineralsiibstanz ent- 
haltenden Trinkwasser bis zu den stark mit Salz be- 
ladenen Soolen (mehr als 300 gr Salze aur den Liter 
Wasser), die die Pumpen der Salinen zu Tage fordern. 

Unter den gegebenen Verhältnissen erscheint uns daher 
die nachfolgende Einteilung als die einfachste und über- 
sichtlichste : 

1.1 Trink waaser. Darf nicht mehr als 0.5 gr feste 
Mineralsiibstanz auf den Liter enthalten und ist daran 
tatsächlich meistens noch viel ärmer. Man kann in dieser 
Gruppe unterscheiden : 

a) Kalkwässer mit nur unbedeutenden Mengen von 
schwefelsaurem Kalk, sowie Spuren von Eisen und Ma- 
gnesium. 

b) Gipswässer, in denen der schwefelsaure Kalk den 
kohlensauren Kalk überwiegt. 

c) Kalk-Gipswässer mit den beiden genannten Salzen 
in gleichen Mengenverhältnissen. 

Alle diese Wässer enthalten stets Spuren von Ma- 
gnesium. Eisen, alkalischen Chloriden, Karbonaten und 
Sulfaten, Phosphor- und Kieselsäure, Lithium, Stron- 
tium etc. H. r erstgenannten Gruppe gehören fast alle 
dein obern Jura- und dem KrcideLalk der Alpen wie 
des Juragebirges, sowie dem Moränenhoden entsprin- 
genden W'ässer an, während die zweite Gruppe die aus 
«lern Lias und viele der aus den tertiären Sedimenten 
des Mittellandes kommenden Wässer und die dritte 
Gruppe endlich die den gipsreichen Tertiärschichten ent- 



SCHW 293 

springenden Wässer umfassl. Den Quellen der beiden 
ersten Gruppen gemeinsam ist, dass die zur Lösung des 
Kalkgesteins notwendige Kohlensäure beim Ablliessen an 
der Erdoberfläche entweicht und das Wasser dabei den 
kohlensauren Kalk als Tuff absetzt. 

dl Granitwässer mit nur sehr wenig erdigen Salzen und 
einem geringen Gehalt an Alkalisalzen. Sie bilden sich 
in den Granit-, Gneis- und kristallinen Schiefergebieten 
der Alpen, wo Kalksedimente fehlen, können aber auch 
aus reinen Tonen und Schiefertonen, sowie aus kalk- 
freien Sandsteinfelsen kommen. 

2) Indifferente Quellen. Die sog. indifferenten 
Mineralwässer bilden eine Gruppe von Quellen und unter- 
irdischen Wässern, die nur in dem Sinne als minerali- 
siert gellen können, als sie meist nicht als Trinkwasser 
benutzt, sondern zu therapeutischen Zwecken anempfoh- 
len werden. Allerdings wäre auch die grosse Mehrzahl die- 
ser Wässer vollkommen zu Trinkzwecken verwendbar, da 
bei vielen von ihnen die feste Mineralsubstanz die von uns 
als Grenze fixierte Menge nicht erreicht. Zu den Mineral- 
wässern rechnet man sie auf Grund der Art ihrer Ver- 
wendung, indem sie nur ausnahmsweise im Verlauf einer 
Kur getrunken werden. »Indifferent» heissen sie im 
Gegensatz zu den wirklichen Mineralwässern. Wie das 
eigentliche Trinkwasser sind diese indifferenten Quellen 
sehr schwach erdige oder alkalische Wässer. Bei einigen 
zeigt sich noch ein etwas stärkerer Gehalt an Magnesium, 
das dann an Stelle des schwefel- oder kohlensauren 
Kalkes auftritt ; andere sind sehr schwache Eisenwässer 
und wieder andere haben Schwefelgeruch, ohne aber 
deswegen die Klassifikation als Schwefel wässer zu ver- 
dienen. Als scharf abgegrenzte besondere Gruppe er- 
scheinen ilie indifferenten Thermen, d. h. Wässer, die 
einzig ihrer Thermalität wegen im natürlichen Zustand 
nicht sofort als Trinkwasser verwendet werden können. 

Durch die Art ihrer Verwendung haben zahlreiche in- 
differente Mineralwässer den Huf als den Appetit an- 
regende und die Verdauung befördernde Mittel erworben, 
weshalb sie auch als • Fressquellen » bezeichnet werden. 
Diese Wirkung muss aber meistens viel eher auf Rech- 
nung der gesamten Kur und der während einer solchen 
vorgeschriebenen körperlichen Bewegung gebucht, als 
den im Wasser enthaltenen Mineralsuhstanzen zuge- 
schrieben wenlen. Im Hinblick auf die grosse Anzahl die- 
ser Quellen, die einen gewissen Ruf erworben haben, er- 
scheint es angezeigt, an dieser Stelle einige der be- 
kanntesten besonders zu erwähnen. Die in Klammern 
beigefügten Ziffern bezeichnen die Menge der in einem 
Liter Wasser enthaltenen Mineralsubstanzen. 

a) Kalkwässer: Bömerbad bei Zoflngen (0.2555 gr) und 
Schwarzenberg im Aargau (zwei Quellen mit 0.2360 bezw. 
0,2844 gr). Hierhergehören auch die berühmten Thermen 
von ITafers, deren es fünr gibt und die in der Tamina- 
schlucht mit einer Temperatur von 28 38° C. dem Plysch- 
schiefer entspringen. Ihre Wassermenge schwankt zwi- 
schen 900 bis 1100 .Minutenlitern (0,2984 gr, wovon 
0,1305 er CaCO,). 

b) Kalk-Gipswnsser: Laurenzenbad im Aargau (0,4447 gri, 
Therme von 17.5° C; Fisibachbad im Aargau 10.2803 gri. 

c) Kalk-Magnesiumwässer: Wängibad oder Aeugsterbad 
(0,3116 gr). Gircnbad am Fuss des Bachtel (0.311 gr) und 
Stammheim bei Frauenfeld (0,403 gri. 

d) Erdig-alkalische Wässer: llenniez 10.3042 gri, Oster- 
fingen im Kanton Schaffhaiisen (0.3469 gr| und Detllinger- 
bad bei Radellingen (0,4850 gr. wovon 0.2403 gr Mg CO,). 

ei Alkaliwässer: Bosenlauibad bei Meiringen i0,2553gri. 

f) Schwache Eisenwässer . Seewen bei Schwyz (0,33555 
gr), Limpachbad bei Thun (0.1873 gr; aus Sümpfen kom- 
mendes Wasser). Schnittweierbad bei Steftisburg (0,4166 
gr). Bad Farnbühl im Entlebuch (0,2773 gr), Knutwil im 
Kanton I.u/ern (0,3109 gr). Monchaltorf bei Greifensee 
(0,343 gr : zugleich etwas schwefelhaltig). 

Es sind ferner noch mehr als 60 weitere Heilbäder be- 
kannt, deren Quellen sich vorn Trinkwasser nur darin 
unterscheiden, dass sie als Mineralwasser verwendet 
werden. Es sind von ihnen nicht einmal Analysen vor- 
handen, an Hand welcher ihr im Volksmund bekannter 
I Titel als Heilwässer bekräftigt oder widerlegt werden 
könnte. 

8) Erdige Mineralquellen. Sie enthalten in Lösung 



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294 



SCI1W 



SCHW 



erdige Salze, namentlich schwefelsauren Kalk in Ver- 
bindung mit kohlensaurem Kalk und Magnesium, und 
zwar in einer Menge von über 0,5 gr pro Liier Wasser. 
Zuweilen haben sie auch die Eigenschaden von Sauer- 
lingen. 

a) Gipswässer ; sind gewohnlich auch kalkhaltig und 
setzen deshalb Tuff ab: Quelle von Les Serves bei Saint 
Gingolph (1.72t grl. In verschiedenen Teilen der Alpen 
und im nordlichen Jura entspringen zahllose Gipsquellen, 
und zwar überall da, wo Gipslager vorhanden sind. Der 
Gips ist sehr leicht löslich, so dass er bei gewöhnlichen 
Temperatur- und Druckverhältnissen im Verhältnis von 
2-3 gr auf den Liter Wasser vertreten sein kann. Nur 
wenige dieser Quellen werden aber als Mineralwässer 
verwendet, während man sie fast überall als Trinkwasser 
benutzt. Oft wird Gipswasser sogar noch dem übrigen 
Quellwasser vorgezogen. Zum Reinigen der Wäsche eig- 
nen sie sich dagegen ihrer Härte wegen nicht, weil 
sie die Seife als Niederschlag ausscheiden. Solche Gips- 
quellen treten besonders zahlreich zu beiden Seiten 
der Rhone und des Genfersee» auf, so zwischen Monthey 
und Saint Gingolph einerseits und zwischen Hex und 
Ciarens andrerseits, d. h. also längs dem ganzen An- 
siehenden der Gips- und Anhydritdecke, welche die 
Grundlage der Präalpen bildet. Während die einen am 
Gehänge über dem den Gips tragenden Flysch ent- 
springen, treten andere mit weit slärkerm Volumen am 
Gehängefuss im Horizont der Alluvialebene oder auch 
mitten in dieser letztem aus dem Hoden. Hesonders zu 
nennen sind die Quellen des ins bei Hex, die ganz nahe 
der Rhone aus der alluvialen Decke sprudeln. Ein ganzer 
Kranz von Gipsquellen begleitet den Bergfuss von Monthey 
bis Le Bouverct, ein zweiter den gegenüberliegenden 
Rand der Rhoneebene zwischen Bex und Villeneuve. 
Eine dritte Reihe mit mehr als einem Dutzend Quellen, 
von denen einige sogar zu Zwecken der Wasserversorgung 
(Charnex und Hrent l gefassl sind, tritt zwischen Terrilet 
und L'Alliaz über Ciarens auf. Im I Min wähl bei Leuk ver- 
sorgt eine sehr bedeutende Gruppe von Gipsquellen, 
deren Mitlelwassermenge mindestens 15000 Minutenliter 
beträgt, eine Fischbrutanstalt. Auch die sog. Passzone 
zwischen Bex und Leissigen am Thunersee, sowie sämt- 
liche Randgebiete der Präalpen weisen da und dort stark 
gipshaltige Quellen auf. die aber zur Mehrzahl nicht, d. h. 
wenigstens nicht als Mineralwässer benutzt werden. 

b) Gips- und MagnesiumwäBser enthalten Gips in Ver- 
bindung mit Magnesiumkarbonat (kohlensaurer Ma- 
gnesia), Magnesiumsulfat (Bittersalz) und Magneaium- 
chlorid : Mineralquelle von Bellerive bei Delsberg 12.485} 
gr, wovon 1,274 gr Ca SO. und 0,650 gr MgSO,), Eutingen 
10,9241 gr|, Quelle des Alpbades bei Sissach. Hierher ge- 
hört auch die Therme von Weissenburg (27..V C), die 
am Nordhang des Simmenthalcs aus dem Triaskern (Gips 
und Dolomit) der Stockhornkette entspringt und daher 
reich an Mineralsubstanzen ist (zusammen 1.6097 gr. wo- 
von 1,0488 gr CaSOj und 0,3464 gr Mg SO.). — Die Ther- 
men von Leukerbad entspringen in einer Meereshohe von 
1415 m mit einer Temperatur von 32-47° C. (die St. Lau- 
renzenquelle sogar mit 51° C. ) und bilden 20 getrennte 
Einzelquellen. Ihre gesamte Wasserführung übersteigt 1000 
Minutenliter, wovon auf die St. Laurenzenquelle als die 
wasserreichste allein 180 Minutenliter entfallen. Das 
Wasser von Leukerbad enthält nach den Analysen 1,80-2.0 
gr feste Mineralsubstanz auf den Liter und zwar: 1.483 
bis 1,539 gr Gins und 0,163-0.258 gr Bittersalz. Gelöste 
Gase sind Kohlensaure mit 2.389 cm . Sauerstoff mit 
1,054 cm a und Stickstoff mit 11,518 cm 3 per Liter Wasser. 
Das Wasser von Leukerbad zeigt sich demjenigen von 
Weissenburg stark ähnlich. 

Die Gipswasser beider eben genannten Gruppen sind 
oft auch eisenhaltig. Da aber in diesem Fall ihre thera- 
peutische Wirkung dem in ihnen gelösten Eisen zuge- 
schrieben werden muss, vereinigen wir sie mit der Gruppe 
der Eisenquellen, obwohl das Eisen mit Bezug auf sein 
Mengenverhältnis zeitweise nur eine untergeordnete Rolle 
spielt. Kerner sind die Gipswässer fast immer auch von 
Schwerelverbindungen begleitet, die ihnen den charak- 
teristischen Schwefelwasserstoffgeruch verleihen. In die- 
sem Falle wird der Gips durch den Kontakt mit organi- 
schen oder bituminösen Substanzen gewöhnlich zu 



Schwefelcalcium, das sich durch Aufnahme von Kohlen- 
säure selbst wieder in kohlensauren Kalk umwandelt und 
da bei Schwefelwasserstoffgas (H,S| entweichen lässt. Trotz 
der oft sehr unbedeutenden Menge dieses Gases erscheint 
es hinsichtlich dessen therapeutischer Bedeutung doch 
angezeigt, alle derart zusammengesetzten Wässer in die 
Gruppe der Schwefelwässer einzureihen. 

c) Kalk- und Magnesiumwässer. Das tvpischste Wasser 
dieser Art ist die jodhaltige Therme (2->° C.) von Saxon 
im Unterwallis (0,7601 gr, wovon 0,3843 gr Ca ICC.) >,, und 
0,1788 gr MgSOj). Sie entspringt einer porösen und pul- 
verigen dolomitischen Hauhwacke, die offenbar die nach- 
träglich in dieses Wasser gelangenden Jodsalze enthält. 

4) Natronquellen oder alkalische Quellen. 
Diese Quellen zeichnen sich oft durch die fast vollständige 
Abwesenheit von erdigen Salzen aus. Sind sie dagegen 
mit Kohlensäure beladen, so enthalten sie stets auch eine 
ansehnliche Menge von kohlensaurem Kalk. 

a) Nicht saure alkalische Wässer. Wenig zahlreich und 
der Zusammensetzung nach den indifferenten Wässern 
gleicher Art ähnlich. Nalronquelle des Karstenloches bei 
Trogen und alkalische Quelle von Trogen (0.2446 gr. wo- 
von 0,2095 gr Na 4 C(>j). Die Therme (30 c C.) von Briger- 
bad ist nur schwach alkalisch und eher ein Schwefel- 
wasser (0.6768 gr). — Hierher gehört wahrscheinlich 
auch die Therme (21. 3 C C.) von Bovernier über Martigm, 
von der wir noch keine Analyse besitzen. Sie wird bloss 
zum Einseifen der Wäsche benutzt, wozu sie sich ver- 
möge ihrer Armut an erdigen Salzen ganz besonders 
eignet (Härte 9.5 '-). 

b) Saure alkalische Wässer (alkalische Säuerlinge». 
Hierher gehören vor allem die drei Quellen \on Passugg. 
deren Wasser benutzt und in Flaschen versandt wird. 
Folgende Tabelle zeigt ihre hauptsächlichsten Mineral- 
bcslandteile (per Liter Wasser) : 

Ulricus- 



Temperatur . 
Fester Rückstand 
NallCO, . . . 
CalLCjO, . . . 
Mgrfo«), . . . 
■VjSOj .... 



quelle 
8.1 « C. 
8.1341 gr 
5,6697 » 
1.026 * 
0.5796 » 
0,1568 . 
0.837 » 



954 



cm' 



Theophil- 

quelle 
7.5° C. 
3.9424 gr 
1.9122 ■ 
1.162 > 
0.4332 » 
0,3400 » 
0.222 • 
1117 cm 3 



Fortuna- 
quelle 

6.3 * C. 
6,7462 gr 
4,7:W3 
0.6977 » 
0.4771 » 
0.1965 . 
0.544 • 
924 cm 3 . 



NaCI 

CO* . 

Wie man sieht, enthalten die beiden ersten Quellen in 
einem Liter Wasser mehr als 1 gr gelosten kohlensauren 
Kalk. Die Passugger Quellen gehören zu den an alka- 
lischen Karbonaten reichsten Mineralwässern. — Die 
Quellen von Tarasp-Schuls im Engadin unterscheiden 
sich von ihnen hauptsächlich durch ihren Reichtum an 
Chlornatrium (Kochsalz) und die konstante Anwesenheit 
einer starken Menge von borsaurem Natrium (Borax). 
Wir geben die wesentlichen Bestandteile in folgender 
Tabelle ; 



Temperatur . . 
Fester Bückstand 
NallCO, . . . 
CalUCjü« . . . 
Na.hOj .... 

NaCI 

Na s B 4 0- .... 
CO. .... 



6,0 c C. 
. 14,7510 gr 
4.873 • 
2,4479 - 
2.1004 . 
. 3,6739 . 

0.1722 - 
1060 cm' 



Emeritaquelle 
6,0_° C. CT 
14, i /67 gr 
4.888 . 
2.4443 » 
2,0710 » 
3.6859 ■ 
0.1763 »; 
1034 cm 1 , 
noch die Quellen 
gr) 



In die gleiche Gruppe gehören ferner r 
von Sassal bei Chur 1.11: 1.27 und 1.70 _ 

5) Eisenquellen. Die grosse Anzahl der bekannten 
Eisenquellen mhrt ohne Zweifel davon her. dass ihre 
Eigenschaft, gelbrotes Eisenhvdroxvd niederzuschlagen, 
leicht die Aufmerksamkeit auf sie lenkt. Diese Quellen 
werden oft auch als Rotenwasser oder Rotenbrunnen be- 
zeichnet, weil die geringste Menge von in einem Quell- 
wasser enthaltenen Eisensalzen am \ustrittsort der Quelle 
und ganz besonders in den Reservoiren einen charak- 
teristisch okerfnrbigen Niederschlag absetzt. Diese Reak- 
tion tritt schon bei einem Gehalt von weniger als 
Zentigramm Eisenkarbonat ein. 

a) Endige Eisenquellen mit Sulfaten. In 
der Eisenquellen tritt das Metall in Form von Bikarbonat 
(FcH.C.0,,1 auf, das von einer ziemlichen Menge (bis auf 



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SCHW 



SCHW 



195 



1-2 gr pro Liter Wasser) von schwefelsaurem Kalk 
Gips und von Kalkkarbonat in wechselnder Menge be- 
gleitet wird. Hierher gehören : die Quelle der sog. » Kau 
Rouge« des Heilbades Morgins über Montli« y lim Wallis), 
die Quellen der Grimmialp im obersten Diemligthal 
iSimmenlhal), das Eisenwasser der Lenk die Quellen von 
St. Peter, des Val d'Urezza, von Val*. Andeer (mit 
0.3200 gr MgSOjl, des Tenigerbadcs imit 0.3428 gr MgSO,i, 
von Bergün (mit 0,. 'läuft gr MgSO,), von Silvaplana und 
San Hernardino |0,30Ö4 gr MgS0 4 i, alle im Kanton Grau- 
bünden. Ferner zahllose unbenutzte oder nicht mehr 
benutzte Quellen, die in den gleichen liegenden wie die 
Gipsquellen auftreten, d. h. also sowohl in den Alpen wie 
im Jura längs Gips- und Anhydritlagern. Solche Quellen 
kennt man im Thal von Champery i Unlerwallisi, im Thal 
von Charmey (Kanton Freiburgl, sowie im Kanton Wullis 
län^H der Zone der Glanzschiefer, wo fast alle der zahl- 
losen Eisenquellen zugleich noch reich an schwefel- 
saurem Kalk sind. An dieser Stelle wollen wir auch be- 
merken, ilasg fast alle im Simplontunnel angetroffenen 
GipvquHlen (warme und kalte) die Eigenschaft besitzen, 
Eisenhydroxyd abzusetzen und zwar die warmen in grös- 
seren Mengen als die kalten. 

bl Erdige Eisenquellen mit Karbonaten. Bei dieser Gruppe 
wird das Eisenbikarbonat regelmässig von kohlensaurem 
Kalk und kohlensaurer Magnesia begleitet. Diese Wässer 
sind gewohnlich nicht stärker sauer als ein gewöhnliches 
erdiges Trinkwasser und enthalten die gelösten Mineral- 
suhstanzen meist in geringeren Mengen als die für 
das Trinkwasser festgesetzte obere Grenze beträgt. Eine 
gewisse Anzahl dieser Quellen h.uss sich in sumpfigen 
Boden bilden, wo die Vegetation im nahezu stagnierenden 
Wasser durch langsame Reaktion zwischen Wasser und 
Boden bekanntlich Eisenkarbonat entstehen lässt, das 
dann vom Sickerwasser aufgelöst und fortgeführt wird. 
Um die Eisenwässer der Sümpfe und diejenigen, die sich 
in der Tiefe mit Eisen beladen, voneinander unterscheiden 
zu können, müsste jeder einzelne Fall besonders unter- 
sucht werden. Dieser Gruppe gehören folgende Mineral- 
quellen an : Ottenleuebad, Langeneibad, Enggistein, über- 
wil bei Büren. Wickarlswiler- oder Rütlihubelbad bei 
Walkriogen. Thalgutbad. Lochbad bei Burgdorf. Limpach- 
l ad. Gulenbergbad, Kapellenbad. Kutllenbad. Laufenbad. 
Illurnenstein. Kiburgund Lüterswil.Gränichenbad.Sehult- 
heissenbad bei Huttwil, Döttingen, Lindenhof bei Luzern. 




Balgach, 

La Brevine im Neuen burger Jura (Snmpfwasser) u. s. f. Die 
meisten dieser Heilbäder sind nur von lokaler Bedeutung. 

c) Erdig-alkalische Eisenquellen (teilweise Säuerlinge i. 
Quellen vom t:harakter der sauren oder nicht sauren 
erdig-alkalischen Wässer mit einem bestimmten Gehalt 
an Eisenbikarbonat, der für gewöhnlich denjenigen der 
beiden vorangehenden Gruppen angehörenden Quellen 
nicht stark übertrifft. Während aber die Kalksubstanzen 
dort unter 0.50 gr per Liter bleiben, linden wir hier 
Wässer, welche oft per Liter ein Gramm und mehr kohlen- 
sauren Kalk, sowie eine vielfach bedeutende Menge von 
Kohlensäure enthalten. Dazu gesellen sich noch kohlen- 
und schwefelsaureAlkalisalze, sowie Bitlersalz und kohlen- 
saure Magnesia. Diese Quellen treten in den gleichen 
Regionen auf wie die alkalischen Säuerlinge und linden 
sich vorzüglich im Kanton Graubünden. Hierhergehören: 
Pideris im Prälligau (fester Rückstand l.'.W3 gr: Nal1CO ;1 
0,7423 gr; freie Kohlensäure 752 cm 3 ). Neu Belvcdra- 
Passugg (KIICO : , 2.0065 gr: CO % 1043 cur 1 !, Castiel im 
Sehanhwg. Sassal, Rotenbrunnen im Domleschg, llnnaius- 
quelle von Solls in der Albulaschlucht, St. Petersquelle 
von Tiefenkasten, Disentis, Rhäzüns. Peiden im Lugnez. 
St. Moritz. Folgendes ist die Analyse der beiden Quellen 
von St. Moritz (Mineralsubslanz auf 1 Liter Wass« r|: 

Alte Quell« Neue Quelle 
Fester Rückstand . . 2.1497 gr 2.1715 gr 

NaCI 0,0437 i 0.0347 » 

Na-SO. 0 3074 » 0.3211 » 

Na HC», 0.2723 . 0.1815 . 

CaH,C,0 R 1,2269 » 1.301!) . 

MglLL-O, 0.1971 » 0.2022 i 

Freie U), .... 1230 cm 3 1283 cm\ 



Die Menge des gelösten Eisens erreicht in beiden Quellen 
nahezu die selbe Zahl, nämlich 0,0331 bezw. 0,1086 
FeH,G.O (i aufden Liter Wasser. 

Alkalische Eisensäuerlinge einspringen ferner bei 
Schuls-Tarasp. Es sind deren vier, die unter einander 
und von den Säuerlingen von St. Moritz derart verschie- 
den sind, wie folgende Tabelle zeigt (Mineralsubslanz in 
gr auf 10 Liter Wasser) : 

Itunitni-ius Carola 



NaCI . . 

KJSO| . . . 

NifSUj . . . 

MgSO» . . . 

CäH.(L0| . . 

MglfjC s O fl . . 

Na II CO , . . 

Fell,C,0„ . . 

M n 11,0,0* • ■ 

SiO, . . . . 
P,0.,.AI s O, etc. 



0,570 
0.955 
2.147 

27,393 
5,129 

14.610 
0.455 

0.185 
Spuren 
51 .444 



0,2070 
0,1310 
0,5800 
0.8560 
7.396(1 
1.0910 

0,1890 

0.1210 
Spuren 
"TO52I0 



WJ 
0.0-21 
0.109 
0.113 
iCaSUji 
17,7911 
1.286 
0,052 
0.365 
0,017 
0.192 
0.001 
IÖ.9ÜÖ~~ 



Kloren ti n us 
0.009 
0.114 
0,199 
0.188 
14.944 
1.190 

0,175 

0.148 



"fO.tfb/ 

Freie Kohlensäure 11848.8 889210 11991,9 12342.8 cm. 

Zwei interessante Eisenquellen, die sich durch ihren 
Gehalt an Arsenik auszeichnen, belinden sich im bünd- 
nerischen Val Sinestra. Sie enthalten auf 10 Liter Wasser 
0,0171 bezw. 0,0199 gr Natriumarsenat. 

Eine grosse Anzahl von Eisenquellen i rillt man auch 
im Kanton Tessin, doch werden nur wenige davon wirk- 
lich benutzt. Mehrere zählen zu den an Eisenkarbonat 
reichsten Wässern. Wir nennen die Quellen von Rovio, 
Lugano, Muzzano, Montagnola, Magliaso, Astano bei 
Novaggio, Manno, Ravegna bei Locarno, Monte dell' Ad- 
dolorata. 

di Vitriol wässer. Bei Scerina befindet sich am Ufer des 
Brenno (Kanton Tessin) eine Eisenquelle, die nach der 
Analyse 0.325 gr erdige Sulfate per Liter Wasser ent- 
halten soll. Eine ziemlich starke Menge von Aluminium 
in Gestalt von schwefelsaurer Tonerde (0,840 gr) charak- 
terisiert dieses Wasser als schwefelsaures Tonerde- und 
Krdmetallwnsser. wie sich solches in verwitternden pyril- 
reichen Tongesteinen bildet. 

6i Schwefel wässer. Aus dem nämlichen Grund, 
der uns bei den Eisenquellen leitete, reihen wir hier alle 
Wässer ein. die genügend Schwefelverbindungen enthal- 
ten, um als Schwefelwässer gelten zu können. Es ist 
ferner möglich, für die Schwefelquellen die nämlichen 
Unterabteilungen aufzustellen wie für die Eisenquellen. 

ai Gipshaltige Schwefelwässer verdanken ihre Eigen- 
schaften fast immer dem in Logung enthaltenen Schwefel- 
wasserstotf. Dieses Gas bildet sich aus der Reduktion 
eines geringen Teiles des schwefelsauren Kalkes (Gipsi 
durch den Kontakt mit bituminösen Schiefern. Die aus 
diesem Kontakt resultierende Unbeständigkeit des Cal- 
ciumsuirates bewirkt, dass sich je nach den Verhältnissen 
Schwerelwasserstoffgas entwickelt, woraus wiederum folgt, 
da«s die betreffenden Wässer unter Zutritt von Luft ihre 
spezifischen Eigenschaften rasch verlieren. Sie begleiten 
stets die Gips- und Eisenwässer und sind vielfach selbst 
gleichzeitig Gips-, Eisen- und Schwefelwässer. Diese 
Wässer enthalten 1-2 gr Gips und einen Gehalt von 
Schwefelwasserstoff, der in einem Liter Wasser von einem 
Bruchteil eines cm' bis zu über 50 cm-' schwanken kann. 
Unter dieser Bedingung erscheint eine Vergleichung der 
verschiedenen Quellrn sehr schwierig und auch von 
keinerlei wissenschaftlichem Interesse. Beim Ablliessen 
auf der Erdoberfläche oder in den Reservoiren setzen die 
Schwefelwässer den Schwefel in Gestalt von Filamenten 
und weisslichen Ueberzügen ab, wobei Algen aus der Fa- 
milie der Oszillarieen (lieggiatoa) eine gewisse Rolle spie- 
len. Die bekanntesten Schwefelquellen dieserGruppe sind : 
Die Bains de l'Allia/ über Ciarens und die Bains de l'Eti- 
vaz ; das Bad Montbarrv und das Schwarzseebad im 
Greierzerlnnd. In der selben alpinen Zone liegt das alt- 
berühmte (iurnigelbad mit zwei Quellen (Slorkwasser 
und Schwarzbrünneiii. Ebenfalls zwei Quellen hat das 
Heilbad an der Lenk : die per Liter Walser bloss 2,8cm' 1 ILS 
enthaltende Hohhebqurlle und die schwefelreichere Bal- 
menquelle (52 cm' 11,8). von denen jene zu Badern und 
diese zu Trinkkuren verwendet wird. Aus den Alpen sind 
zu nennen das Schwefelbergbad. die Quellen von 



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296 



SCHVY 



SÜI1W 



Leissigen (Itad- und Ländiquelle), Schlegwegbad hei Dies- 
bach, Riederwald bei Adelboden und das Faulenseehad ; 
aus dem Jura die beiden Quellen von Köstorf, deren eine 
leicht salinisch int. und ferner die Therme von Schinz- 
nach (36 w C.i. sin ebenfallsetwassalimschcs Mineralwasser 
< "2. 166-2. 64 '2 gr fester Rückstand, wovon über 1 gr Gips). 
Hierher gehören auch das Wasser von Alvaneu in Graubün- 
den und dasjenige von Le l'rese irn Pnschlav. /ahlreiche 
weitere Schwefelquellen dienen ausschliesslich lokalen Be- 
dürfnissen und sind z. T. früher zu Heilzwecken benutzt 
worden, seither aber wieder in Vergessenheit geraten. 
Mehrere würden eine nähere Beachtung verdienen, so 
z. ß. die Schwefelquelle von Im Stein nahe der I,enk und 
eine zweite Quelle in derselben Gegend. Ehemalige Heil- 
bäder belinden sich bei Villeneuve, sowie bei l,es l'la- 
cettes und Leg lies in der Rhoneebene nahe Rex. Wieder 
andere linden sich im Salzbergwerk Rex, bei Cornaux über 
Ciarens, bei Dom Hugon und l.es Siemes bei Charmey, 
über Champery im Val d'Illicz etc. Kndlich sei auch noch 
eine aus den Älluvionen zwischen Roche* und Vers Vey 
heraustretende Schwefelquelle erwähnt, die Sumpfgas 
entwickelt. 

b> Kalkhaltige Schwefel wässer sind nicht reicher an 
Gips und andern Sulfaten als das gewöhnliche Trinkwas- 
ser. Ihr Gehalt an Schwefelwasserstoff geht auf die Zer- 
setzung der in ihnen enthaltenen kleinen Gipsmengen 
durch den Kontakt mit bituminösen Felsarten oder auch 
auf die Wirkungen von Torfboden zurück. Dies letztere 
trifft sicher hei mehreren Quellen dieser Gruppe zu, die 
an den Rändern von Torfmooren entspringen. In diese 
Gruppe gehören die Quellen der Mine du Coulat bei Rex, 
die die Bäder von Hex speisen ; ferner die Quellen von 
Rad Itonn bei Dudingen, de« Heinrichsbades (Appenzell!, 
von Serneus und des Val l'lafna in Graubünden, sowie 
die alkalisch-kalkige Schwefelquelle von Stabbio im Tes- 
sin. Das Schwefelwasser von Les Fonts de Martel im 
Neuenburger Jura ist sicher eine Torfmoorquelle. Es 
werden ferner sowohl im Mitlelland als im .Iura noch an 
die dreissig weitere Schwefelquellen erwähnt, von denen 
bezüglich ihrer chemischen Eigenschaften kaum mehr 
als ihr Schwefelgeruch bekannt ist. Kinige davon, wie 
diejenige von Unlerrcchetein und das Waldstatterbad im 
Kanton Appenzell, sind schon seit sehr langer Zeit be- 
kannt. Diesen Quellen kann in unserm System kein 
bestimmter IMalz zugewiesen werden, doch erscheint es 
sehr wahrscheinlich, dass sie zur grossen Mehrzahl der 
Gruppe der kalkhaltigen Schwefelwüsser angehören. 
Uebrigens werden sie meist nur von der Bevölkerung der 
nächsten Umgebung benutzt. 

c) Alkalische Schwefelquellen. Sie enthalten neben 
einer gewissen Menge Schwefelwasserstoff' noch Schwefel- 
verbindungen in Form von schwefelsauren Mkalisalzen. 
Da sich diese letztern ungleich langsamer zersetzen als 
Schwefelcalcium, behalten die alkalischen Schwefel- 
quellen ihre spezifischen Eigenschaften langer bei. Gips 
tritt nur in sehr kleinen Mengen auf, und es ist wahr- 
scheinlich, dass sich die alkalischen Sulfide dieser Quel- 
len durch Reduktion der alkalischen Sulfate bilden. Als 
typisches Beispiel nennen wir zunächst die Therme v< n 
Yverdon (Ä'i.S" C), die Natriumsulfhydrat und auch ein 
beträchtliches Quantum HuminsMbslanz enthalt. Kerner 
gehören hierher die Quellen des Schimberghades, des 
Leissigerbades (Trinkquelle), des Heustrichbades, von 
Rotzloch und Slachelberg. sowie die Therme von Lavey. 
die mit 52° C. die heisseste Therme der Schweiz ist und 
besonder» reich an schwefelsaurem Natrium (Glaubersalz! 
erscheint (0.703a gr per Liter Wasser), aus dessen Reduk- 
tion sich das Vorhandensein des Schwefel Wasserstoffes 
sehr leicht erklärt. Bei Champery im Val d llliez findet 
sich eine an Nalriiimsulfhvdrat besonders reich- Quelle 
(0,01*7 gr.i, die 300 m über dorn Dorf in einer Mecreshöhe 
von 1320 m einem der Oxfordslufe angehörenden schwar- 
zen Sehieferfcls entspringt. 

d| Schwefel- und Eisenwässer wären hier in grosser 
Anzahl zu nennen, da zahlreiche eisen- und gipshaltige 
Quellen zu gleicher Zeit leichte Schwefelwasser sind. 
Doch haben wir von dieser letztem Eigenschaft in allen 
denjenigen Fällen bereits abgesehen, wo die AnaGse bloss 
Spuren von Schwefelwasserstoff nachzuweisen vermochte. 
Wir nennen daher an dieser Stelle einzig die Schwefel - 



und Eisenquelle von Schuls. die zugleich ein starker al- 
kalischer Säuerling ist und somit einen ganz besondern 
Typus darstellt. 

7 > Salinische Quellen. Sie zeichnen sich aus 
durch das Vorhandensein von Chloriden und Sulfaten der 
Alkalimetalle und des Magnesiums, d. h. also von sehr 
leicht löslichen Salzen, die vom Wasser in grossen Men- 
gen aufg« nommen werden können. Diese Quellen lassen 
sich je nach der Natur des vorherrschenden Salzes in fol- 
gende Gruppen ordnen : 

a) Kochsalzquellen (auch muria tische Quellen genannt). 
Hierher gehören vor allem diejenigen ».»Hellen, aus denen 
Kochsalz (Chlornatrium I gewonnen wird und die in den 
verschiedenen Salinen auf künstlichem Wege aus dem Erd- 
boden gezogen werden. Bei Beginn des thbauea benutzte 
man im Salzwerk Ben früher natürliche Salzquellen, die 
sich aber infolge der fortschreitenden unterirdischen 
Stollenanlagen immer mehr ausgesüssl haben. Die im 
Innern des Salzwerkes heute noch vorhandenen Kochsalz- 
quellen speisen jetzt die Heilbäder von Bex und Lavev. 
Das zu diesem Zweck verwendete salinische Wasser von 
Bex enthalt auf den Liter im ganzen 170 gr Salze, wo- 
von 1.77 gr Kochsalz, dasjenige von Schweizerhalle 444 
bezw. 239 gr und das von RheinCIden 318 bezw. 311 gr. 
Doch können diese Zahlen innerhalb ziemlich weiter Gren- 
zen schwanken. Im Rergwerk Bex stellt man durch Ent- 
salzen de* Gesteins an Ort und Stelle ebenso stark gesättigte 
Soole her. wie sie sich in den übrigen Salinen vorfindet, 
doch darf diese Soole laut dem von der Bergwerksgesell- 
schaft mit dem Staat Waadt als dem Eigentümer des Salz- 
werkes vereinbarten Verlrag nicht in den Handel gebracht 
werden. Es fallt dies übrigens nicht schwer ins Gewicht, 
da man ja eine so stark gesättigte Soole für Radezwecke 
beträchtlich zu verdünnen pllegt. Ein in Wildegg im 
Kanton Aargau eingetriebener Schacht hat eine subtiler- 
male Quelle 1 1">.6 C.) angeschnitten, die auf den Liter 
Wasser 9,8 *r Kochsalz und 1.77 gr Glaubersalz, sowie 
daneben auch noch Jod. wahrscheinlich in Form eines 
alkalischen Jodides (Nal : 0.0393 gr i enthält. 

In Chlornatrium- und Chlormagnesiumquellen. Hierher 
gehören mehrere im aargauischen Sulzthal entspringende 
Quellen, die "»,73 gr Kochsalz, 0,3 gr Magnesiumchlorid 
und 1.59 gr Gips auf den Liter Wasser enthalten. 

c) Glaubersalzquellen. Vertreten durch das Wasser yon 
Mülligen im Aargau, das pro Liter 32 gr schwefelsaures 
Natrium enthält. Line seinerzeit im Bürgerwald am Fuss 
des Käsenberges (Kanton Freiburg) entdeckte Quelle ent- 
hielt pro Liter Wasser 26,249 gr schwefelsaures Natrium 
(Glaubersalz) und 18.827 v-'T Magnesiumsulfat l Rittersalz). 

d) Bittersalzquellen. Hierher gehört das abführende 
Birmensdurfer Bitterwasser mit 22 gr Magnesiumsulfat 
und 7 gr Natriumsulfat auf den Liter Wasser. 

e) Frdig-salinische Quellen. In diese Gruppe lassen sich 
die Thermen von Baden im Aargau einreihen, die im 
Durchbrach der Limmat durch die Lägernkettc zu Tage 
treten und von denen sowohl an beiden ('fern des Flusses 
als auch im Flussbeil selbst 21 Quellen gefasst sind. Die 
Temperatur des Wassers betragt 47 '- U. und schwankt in 
den verschiedenen Quellen nur wenig, was zusammen mit 
der gleichartigen Zusammensetzung ihres Wassers zeigt, 
dass man es hier mit Quellsträngen eines und desselben un- 
terirdischen Wasserlaufes zu tun hat. der an der Stelle in 
die Höhe steigt, wo am tiefsten l'unkt der genannten Jura- 
antiklinale die Trias angeschnitten ist. Diese durch Zu- 
sammensetzung, Stärke (668 Minutenliten und Tempera- 
tur bemerkenswerten Quellen schöpfen die Mineralsub- 
stanzen, mit denen sie beladen sind, aus Gips- und Salz- 
lagern. Das Wasser von Baden enthält auf einen Liter 
4.3T»14gr feste mineralische Substanz, wovon I.0HK2 gr 
Kochsalz. 1.4142 gr Gips. 0.21W gr Glaubersalz. 0.33S8 gr 
kohlensauren Kalk und noch eine ganze Menge anderer 
Substanzen, wie z.B. 0.001.*»» gr Borsaure. 0,0043gr Lithium 
und Spuren (0,00027 gr) von arseniger Saure. Ferner 
enthält der Liter Wasser 2ÖI.Ö cm J freie und halbfreie 
Kohlensaure, sowie 14.43 cm 1 Stickstoff, dagegen bloss 
Spuren von Schwefelwasserstoff, obwohl das Wasser deut- 
lich nach diesem Gas riecht. 

In die Gruppe der salinischen Quellen lassen sich end- 
lich auch noch die Sottlen der Salinen einreihen, die 
ebenfalls durchwegs zu Heilzwecken Verwendung Anden. 



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scuvv 



SCHW 



297 



Neben dem auch im natürlichen Salzwasser vorhandenen 
Kochsalz enthalten die Soolen einen sehr starken Prozent- 
satz von Chlormagncsium. Chlorkalium, f.hlorcalcium und 
»chwefelsauremNalrium. letztere beiden Substanzen treten 
in nahezu gleichen Mengen auf. weil sie sich durch gegen- 
seitige Zersetzung des Gipses bilden, welcher «ich in den 
Kesseln und im Kochsalz niederschlägt. Die Zusammen- 
setzung der Soolen kann von einer Saline zur andern, so- 
wie auch im Lauf der Herstellung und der Jahre schwan- 
ken. Die von den schweizerischen Salinen hergestellten 
Soolen enthalten keine Hrom- oder Jodsalze in nennens- 
werten Mengen. 

c) Verwendung der Mineralquellen. Trotz der grossen 
Anzahl und der ausserordentlich verschiedenen che- 
mischen Zusammensetzung unserer Mineralquellen wer- 
den doch nur verhältnismässig wenige zu Bade- und 
hydrotherapeutischen Zwecken, oder zu Trinkkuren und 
für den Versand regelmässig benutzt und ausgebeutet. 
Der liebrauch der Mineralwässer ist in den meisten Fällen 
mit einer Luftkur, sowie einem Landaufenthalt bei guter 
und kräftiger Kost verbunden. Von einem eigentlichen 
Versand von schweizerischen Mineralwässern nach aus- 
wärts kann kaum gesprochen werden, während unser 
Land im Gegenteil eine sehr ansehnliche Zahl Flaschen 
von Mineralwässern aus Prankreich. Deutschland und 
Oesterreich-Ungarn einfuhrt, und zwar nicht immer nur 
solche Wässer, die nicht auch in der Schweiz selbst 
gleichwertig zu erhalten wären. FCs ist dies eine Tatsache, 
die angesichts der beträchtlichen Auswahl von Thermal - 
und Mineralquellen, die unser Land selbst bietet, nicht 
in dieser Weise sich zeigen sollte. Der Grund für diese 
bedauerliche Erscheinung liegt wohl hauptsächlich darin, 
dasa der Ruf und die Blüte unserer Heilbäder oft von der 
Mode nnd der Reklame, sowie von besondern Anziehungs- 
kräften, darunter namentlich der landschaftlichen Vor- 
züge, abhängt. So kommt es. das* zahlreiche ehemals 
in Blüte stehende oder doch wenigstens häufig besuchte 
Heilbäder, besonders des Mittellandes, heute nur noch 
ein küiMiierliches Dasein fristen. Der nach dem Verbot 
der Hasardspiele so rasch sich vollziehende völlige Bück- 
gang des einst von allen Seiten her stark besuchten Heil- 
bades Saxon zeigt deutlich, dass die Blüte eines solchen 
Etahlissementes nicht immer nur von der Heilkraft seines 
Mineralwassers bestimmt wird, während es sich doch 
gerade in dem genannten Falle um ein sehr bemerkens- 
wertes Wasser handelte, dessen vorzügliche Wirkungen 
sich längst erprobt hatten. In den Handel kommen (in 
Flaschen und Korbflaschen) von unsern Mineral wässern 
hauptsächlich diejenigen von Birmensdorf, .Mülligen, 
Passugg, Montreux, Romanel etc. Selbst die im Natur- 
zustand oder dann unter starkem Zusatz von Kohlensäure 
in den Handel gebrachten indifferenten Wässer behaupten 
nur mühsam ihren Platz an der Sonne, da die impor- 
tierten Wässer immer Tür wirksamer gelten. 

d\ ('.anquellen. Wie es Ouellen gibt, die den Kreislauf 
des Wassers zwischen der Atmosphäre und dem Meer 
vermitteln, bestehen auch Luft-, bezw. Gasquellen, indem 
die atmosphärische Luft ebensowohl wie das Wasser in 
den Klüften des Bodens und der relsarlen zirkuliert. 
Die« zeigt in schlagender Weise der in den Höhlen zu 
beobachtende Luftzug, der etwa mit den gewöhnlichen 
Trinkwasserquellen verglichen werden kann. Daneben 
gibt es aber auch noch Quellen von bestimmten Gasen, 
die sich im Erdinnern bilden und in Gestalt von mehr 
oder weniger auffälligen Ausströmungen an den Tag ge- 
langen. Als Verbindungsglied zwischen den Wasser- und 
den Gasquellen können die verschiedenen Gase gelten, 
die die Mineralwässer dank dem Druck, unter dem sie 
stehen, in Lösung enthalten. Sobald dieser Druck nach- 
lasse lässtauch das Wasser seine Gase entweichen. Wasser 
und Gase folgen ferner den gleichen an die KrdoboHläche 
führenden Wegen. Neben der atmosphärischen Luft als 
dem weitaus verbreitetsten Gas sind in erster Linie die 
Kohlensäure, der StickstolV und das Sumpfgas oder 
Grubengas (CH,) zu nennen. Dampfausstromungen kom- 
men in unserm Land nicht vor. 

1) Die Kohle nsä u rc q uel l en werden Mofelten ge- 
nannt und sind sehr schön vertreten bei Schuls-Tarasp im 
Unter Engadin. Das Gas häuft sich hier in trichterförmigen ■ 
Felshohlungcn an. die zu eigentlichen Fallen fur In- < 



sekten, Eidechsen, Mäuse, Vögel etc. werden, indem diese 
Tiere, sobald sie in eine solche llöhlonic gelangen, augen- 
blicklich ersticken. Die bekannteste MoTette dieses Ge- 
bietes ist diejenige von Coltura-Felix. Die Entstehung von 
Mofetlen lässt sich leicht erklären: sie liegen in der Nahe 
des unterirdischen Laufes und des Quellpunktes von mit 
Kohlensäure gesättigtem Wasser, dessen Gas zum Teil 
noch vor dem Zutagetreten entweicht. Eine Mofettc zeigt 
somit die Nähe des unterirdischen Laufes eines stark 
sauren Mineralwassers an. 

Im Salzwcrk Hex befindet sich ein vor mehr als Vu 
Jahrhunderten ausgehobener Schacht, der stets mit Koh- 
lensäure angefüllt ist und dem diese beständig entweicht. 
In der sog. Grotte aux Fecs bei Saint Maurice wird einer 
der Gänge von einem kaum merklichen Luftzug durch- 
strichen, in dem die Lichter erlöschen. Es ist dies eine 
wahrscheinlich durch vorgängige Berührung mit Wasser 
seines Sauerstoffs teilweise beraubte Luft (Sauerstoff löst 
sich im Wasser leichler als Stickstoff). 

2) Der Methylwasserstoff, auch Sumpf- oder 
Grubengas genannt (CH,1. bildet sich auf zwei völlig ver- 
schiedene Arten und entströmt verschiedenen Felsarten, 
namentlich den bituminösen Schiefern. Die Tunnelar- 
beiten bei der Zuführung der Wasser des Pays d' En haut 
zwischen L'F.livaz und Montreux haben Grubengas in den 
Flyschschiefern, den schiefrigen Mergeln des Lias, wie 
auch in den dunkeln Kalken des Dogger und des Lias 
angetroffen. An verschiedenen Stellen konnte das Gas 
ziemlich lange im brennenden Zustand erhalten werden. 

In den Salzbergwerken Bex kommen die Grubengas- 
ströme aus dem Salzfels. Man h-'itte dieses Gas seinerzeit 
in Röhren gefassl und solange fur die Beleuchtung eines 
unterirdischen Stollens verwendet, bis dieser durch F'in- 
dringen von Oberflächenwasser ersäuft wurde. Dasselbe 
brennbare Gas bildet sich ferner in den Sümpfen und den 
an verwesenden vegetabilischen Stoffen reichenAnschwem- 
mungen, in welchen Fällen es Sumpfgas genannt wird. 
Man kennt es ja aus den faulenden Tümpeln und Torf- 
mooren, sowie aus dem Grund von Seen, aus denen es in 
Blasen regelmässig zur Wasseroberfläche aufsteigt, zur 
Genüge. Bei Antass von Bohrungen, die im Jahr 1NÖU bei 
Dornhirn im Rheinlhal vorgenommen wurden, quoll aus 
der Schachtröhre so lange ein anhaltender Strom von 
brennbarem Gas herauf, bis dessen Austrittsstelle sich 
verstopft hatte. In der nämlichen liegend beobachtet man 
auf dem unfruchtbaren sog. Gallenboden bei Altenheim 
ein besonders in feuchten Jahren sich bemerkbar ma- 
chendes Ausströmen von Sumpfgas. Das Graben eines 
Schachtes hewirkte hier einen so beträchtlichen Gas- 
strom, dass bei dessen Anzünden ein in der Nähe ste- 
hendes Haus in grosse Gefahr kam und die Oelfnung 
schleunigst wieder verstopft werden musste. Heute liefert 
dieser Schacht Wasser, das mit diesem Gas durchsetzt ist. 

3) Schwefel wassers toffgas entströmt im Salzberg- 
werk Bex den Schwefelquellen und wahrscheinlich auch 
dem von diesen durchzogenen Kelsen in so grosser Menge, 
dass sich infolge von durch Mischung dieses Gases mit 
der Luft slattgefundenen Explosionen mehrere Unfälle er- 
eigneten. Das Bescrvoirdes Schwefelwassers von LeCou- 
lat lässt beinahe reinen Schwefelwasserstoff entweichen. 
Aus dem Burgerwald (Kanton Freiburg) nennt man nahe 
einer heute versiegten salinischen Quelle eine Gasquelle, 
die aus 7V2,6<V (r , Stickstoff, 2l8° l(r Kohlen Wasserstoff. 
27. 9°^ Kohlensäure und 1. 5° Sauerstoff besteht. 

el l'nlerirdiiu-he WüMer früherer Krdepttchen. Die 
feste Erdrinde ist zu jeder Zeit der Schauplatz der Tätig- 
keit von Sickerwässern gewesen und muss im Laufe der 
geologischen Epochen wie heule von solchen Sickerwässem 
und von unterirdischen Quellläufcn durchzogen gewesen 
sein. Die nämlichen Vorgänge der Korrosion und Sedi- 
mentation, wie sie von den unterirdischen Wässern heute 
noch vollzogen werden, haben auch schon früher jedesmal 
dann stattgefunden, wenn ein Teil der Erdoberfläche sich 
aus dem Wasser hob und landfest wurde. Von dieser ein- 
stigen Wasserzirkulalion im Erdinnern zeugen heute noch 
zahlreiche verschiedenartige Sedimente. Die unreinen 
Kalksteine werden von solchen Wässern zerfressen und 
schlagen Eisenoxyd oder gelben Oker (Ton, Bolus) nieder, 
der unter dem Namen der «Terra rossa • bekannt ist. Auf 
diese Weise erklärt sich in den jurassischen und Neo- 



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-21)8 



SCHW 



SCIIW 



komschichten de* Juragebirge« «las Auftreten jener Ta- 
schen von eisenhaltigem Ton (Bolu&f. der die sog Bohn- 
erzbildung charakterisiert und Spalten. Kamine oder auch 
durch die Erosion geschattene Hohlräume der emsigen 
Erdoberfläche bis tief ins Gebirgsinnere ausrüllt. Da das 
jetzige Juragebirge während der ganzen Zeit der ubern 
Kreide und des Eo/än Festland war. lassen sich diese unler- 
und oberirdischen Bildungen durch die damals lebhaft täti- 
gen Kräfte der suhterranen Erosion leicht verstehen. Kinen 
lieweis für die Gleichzeitigkeit beider Bildungen mit den 
genannten Erdepochen bilden die Tierreste. die man in 
diesen Taschen und Höhlungen aufgefunden hat. Neben 
dein Bolus enthalten die Hohnerzablagerungen noch erb- 
senförmige Konkretionen, d. h. das den Kalkpisolithen von 
Karlsbad analoge Bohnen, dessen Entstehung thermalen 
Eisensäuerlingen zugeschrieben werden rnuss. 

Die gewöhnlichen Quellen und die stark mineralischen 
Thermen der geologischen Vorzeit haben aber auch noch 
die Entstehung von /.ahlreichen .Mineralsekretionen ver- 
anlasst, die die Wände der von diesen Wässern durch- 
zogenen Klüfte auskleiden. Aus solchen Sekretionen ent- 
wickelten sich nach und nach Gänge und Geoden von 
kristallisierten Mineralien, wie Cslcit. Quarz lAmethystj. 
Barvtin, Zolestin. ISrit etc.. die gleich den heutigen sta- 
laktitischen Ablagerungen kalten Mineralwässern ihre Ent- 
stehung verdanken. Im Granit- und Gneisgebirge füllten 
dagegen die unterirdisch zirkulierenden Mineralwässer, 
die meist thermal gewesen sein müssen, die aufsteigenden 
Kamine mit Metallsekretionen aus, wie z. B. Blende. Blei- 
glanz. Kupferkies und Goldkies, denen sich noch eine 
ganze Menge von Schwefel-, Kohlenstoff- und SauerstofT- 
verbindungen anreihen Hessen. Dadurch entstanden die 
die verschiedensten Muttergesteine durchsetzenden Erz- 
gänge. Besonders reich an solchen Ausscheidungen der 
ehemaligen unterirdischen Wässer sind die Walliser und 
Biindner Alpen. [Prof. D' II. Scb»sot ] 

I). FnKMDkN vEKKUHt UND HoTEi.wEst.N. Als dritte geo- 
graphisch stark bedingte Gruppe von Erwcrbszweigen 
folgt das Holelwesen mit dem gesamten 
Fremdenverkehr, zwei Gebiete des allgemeinen Ver- 
kehrs, die von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung 
sind und in beständiger Wechselwirkung zueinander 
stehen. 

Als Ursprung und Grundlage unserer gesamten Frem 
denindustrie kann man die Nutzbarmachung der in der 
Schweiz in grosser Fülle sprudelnden heilkräftigen Ther- 
men und Mineralquellen zu Trink- und Badekuren ansehen. 
Die Badekur war schon zu den Zeiten der Romer ver- 
breitet und ist in der Folge im ganzen Mittelalter und 
namentlich in der Neuzeit immer stärker in Aufnahme 
gekommen, während die reine Luftkur in der Haupt- 
sache erst als ein Kind der immer nervöseren Hast 
und Ueberstürzung des materiellen Erwerbslebens und 
des geistigen Kullurbetriebes lies 19. Jahrhunderts er- 
scheint, in dessen zweiler Hälfte sie allmählig ihre heutige 
Verbreitung genommen hat. Der schweizer. Fremden- 
verkehr im modernen Sinn ist also eine Erscheinung 
der Neuzeil und beruht im wesentlichen auf vier ver- 
schiedenen Kategorien von Bedürfnissen, nämlich a) auf 
denjenigen des Touristen und Bergsteigers: bl auf der 
Flucht zur Nalur und zur ländlichen Einfachheit und 
Still«' der in der Treibhausiempcratur des industriellen 
und gesellschaftlichen Getriebes der Städte abgehetzten 
und nervös überreizten Kulturmenschheit; c) auf den 
hochgespannten Ansprüchen derjenigen Pluto- oder Ari- 
stokratie, die auch in der Sommerfrische nichts von dem 
daheim gewohnten Luxus und Komfort entbehren will; 
d) auf den Bedürfnissen endlich der wirklich Kranken, 
insbesondere der Lungen- und Nervenkranken, Blut- 
armen etc., die in der reinen Höhenluft Heilung suchen, 
wobei ihnen die reichliche Gelegenheit zu Milch- und 
Badekuren vielfach forderlich entgegenkommt. 

Abgesehen von einigen berühmten Bädern mit inter- 
nationaler Gesellschaft (Baden- im Aargau, Pfäfers, Leuk 
etc.) und vom Transitverkehr hauptsächlich von und nach 
Italien, waren, wie anderswo« so auch in der Schweiz die 
Städte in erster Linie das Ziel der reisenden Fremden. 

Die Beachtung und der Besuch unserer landschaftlich 
hervorragenden Gegenden fanden in der Reihenfolge statt, 
dass man sich zuerst (Ende des 18. Jahrhunderts und 



nach den napoleonischen Kriegen) den Seen (Genfer-, 
Zürich-, Vierwaldstättersee etc.) zuwandte, dann dem 
Rigi. der Innerschweiz und dem Berner Oberland beson- 
dere Aufmerksamkeit schenkte und endlich auch Grau- 
bunden (Engadin), das Wallis (Zermatt elc.) mit regem 
Besuch bedachte, 
i Die vornehmsten Fremdenzentren der Schweiz 
I gruppieren sich immer noch um die Randseen im Norden 
und Süden der Alpen (Vicrwaldslätler-. Thuner-. Genfer-, 
Luganer- und Latigensee) Starke Frequenz bei höchster 
Entfaltung von Luxus und Komfort weisen ausserdem auf 
die mannigfach verzweigten Gehirgsthäler des Berner 
Oberlandes und der Zentralschweiz, des Wallis und Grau- 
bündens, Zermalt und Engadin voran. Aber abgesehen 
von der Höhenlage sind für die Bevorzugung und den 
Bang der zahllosen Sommerfrischen der Schweiz weit 
mehr ästhetische Bücksichten auf die landschaftlichen 
Schönheiten und Annehmlichkeiten der näheren und fer- 
neren Umgebung eines jeden Platzes massgebend, als 
ger;ide geographisch bedingte Ursachen. 

Die Zahl der dem Fremdenverkehr dienenden Hotels 
hat sich in den letzten 25 Jahren in ungeahnter Weise 
vermehrt. Mit auffallender Schnelligkeit sind überall 
Hotelneubauten wie Pilze aus der Erde geschossen, mit 
jedem neuen Jahr erhoben sich neue Bautenprotile, und 
die Bau- und Gründerlust, statt langsam zu verlaufen, 
schwillt noch immer an. Das Grand Hotel wird in der 
Schweiz bereits mehr und m>-hr übertrumpft vom Palacc 
Hotel. In der Niederung, im Vorgebirge und auf den Höhen 
sind neue Fremdenzentren entstanden. Gewisse pittoreske 
oder heilbringende Hochthälcr sind sozusagen über Nacht 
berühmt und in den Strom des internationalen Touristen- 
verkehrs hineingezogen worden ; andere wiederum haben 
ihren alterworbenen Duhm erhalten und vermehrt, so- 
I dass die rapide Zunahme der Etablissemenle, die auf 
den uneingeweihten Betrachter einen fast unheimlichen 
Eindruck macht, ihre natürliche Erklärung findet. 

In neuester Zeit hat sich mit der allgemeinen Vermeh- 
rung der Freunde des Wintersportes ein neuer Zwei« des 
Fremdenverkehrs entwickelt, indem auch in der Schweiz 
eine grosse und stetig sich vermehrende Zahl von W i n ter- 
s p o r t - S t a t i o n e n in Blüte gekommen sind, die reich- 
lich Gelegenheit zu allen Winten ergnügnungen (Schütteln. 
Schlittschuh- und Skifahren, Curling- und Hockevspiel) 
bieten. Mancher altberühmle Gasthof, der einst nur wah- 
rend der Sommersaison in Betrieb stand, öffnet jetzt seine 
Tore auch im Winter und ist auch dann eines regen Be- 
suches von Seiten zahlreicher Fremden sicher. Daneben 
kommen aber auch neue Winterstalionen aur, sodass 
man solche gegenwärtig in ziemlich graeser Zahl kennt. 
Wir nennen : aus dem Juragebiet Ballaigues. Le Ponl, 
Sainte Croix- Les Basses, Sonnenberg, Weissenstein : 
aus dem Kanton Waadl Baumaroche-Mont Pelerin, Caux. 
Chäleau d'(Ex, ehesteres -Villars-Arveyes, Corbeyrier. 
Gryon. Les Avants. Les Plans. Leysin ; aus dem Kan- 
ton Wallis Montana-Vermala. Siders; aus dem Berner 
Oberland Adelboden. Grindclwald. Gstaad. Kanderateg. 
Lauterbrunnen, Wengen, Zweisimmen ; Rigi Kallbad und 
Rigi Klösterli ; aus dem Kanton Unterwaiden Engelberg; 
aus dem Golthardgehiet Andermalt ; Glarus ; aus Grau- 
bünden Arosa, Bergün, Gampfer, Celerina. Chur, Bavos. 
Flims, Klosters. Lenzeiheide. Parpan. PizMundaun, Pon- 
tresina. Preda, Samaden, St. Antonien. Sl. Moritz. Sils- 
Baselgia. Silvaplana, Valzeina, Vicosoprano, Wiesen, Zuox. 
(Vergl. die Spezialpublikation : Les sporM d'hiver en 
Suiase- annuaire de la i>'ui*w hiivmale 1906—01. 
Neuchatel 1907). 

Hotelkategorien. Je nach den Ansprüchen der 
Reisenden, der Grösse, der mehr oder minder luxuriösen 
oder einfachem architektonischen Behandlung des Ge- 
bäudes der reicheren Ausstattung, sowie der Art und Weise 
des Betriebes unterscheidet man Hotels ersten, zweiten 
und dritten Ranges, welche Klassifikation aber an und für 
sich kein Urteil über die Qualität des Geschäftsbetriebe* in 
sich schliesst. Der Dauerdcs Betriebes entsprechend unter- 
scheidet man Jahresgeschäfte und Saisonhotels; ferner 
Familien-Hotels mit Einrichtung für längern Aufenthalt 
von ganzen Familien und Passanten -Hotels mit kurzem 
Aufenthalt der Gäste. Manche Hotels führen auch die Be- 
zeichnung Pension, wodurch angedeutet wird, das« bei 



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800 



SCI1W 



SCHW 



längerem Aufenthalt ein fester, einheitlicher Preis für 
Unterkunft und volle Beköstigung, oder ein besonderes 
Arrangement gelrotlen werden kann. « Hotels garnis» bie- 
ten dem Gast nur Unterkunft und lassen ihm in Bezug 
auf Beköstigung freie Wahl. 

Zur Hebung des Gasthofwesens und de« Fremdenver- 
kehrs, wie auch zur Forderung der Berufsinteressen be- 
steht in der Schweiz der 1882 gegründete «Schwei- 
zerische Hotelier-Verein«, der 1907 mit einem 



Auch die Angestellten im Gasthofwesen haben sich organi- 
siert und zu mancherlei Vereinen zusammengetan. — In 
allen bedeutenderen Ortschaften der Schweiz bestehen für 
Gratisauskunft über alle möglichen Anfragen, die den 
Fremdenverkehr helrelTen. öirentliche Verkehrsbu- 
reaux. die von den lokalen Verkehrsvereinen (erster 
auf Initiative von Fd. Guyer-Freuler 1886 in Zürich ge- 
gründet! unterhalten werden. 

Hie schweizfrUclw llotelerte wird heute vom Ausland 



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6 499 


4 746 


1 753 


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Tlitirgau. . 


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115 


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15237 


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1002 I693|1924|1104| 820;1I12| 534 | 215 | 43 | 20 ||r^119|88a34|124<ltfr<|6<i388|57 680| 9841 | 1690 



Jahre ge«amm«lt«n Erfahrungen und gemachten Beobachtungen hat 

dinuenden Gasthäuser %ou den 



Anmerkung. Gestützt auf die wahrend dar 
far die vorliegende Statistik «in« sorgfältig« Ausscheidung der vorwiegend dem l.okalv«rkrhr 
dem eigentlichen Fremdenverkehr dienenden Hotel», Pensionen und Kuranstalten stattgefunden. Ks « nd im ganzen MI s Geschäft« 
ausgeschieden worden, sodass verschieden» Kantone scheinbar eine Verminderung der Hotel« aufweisen, was in Wirklichkeit 
aber nicht der Hall ist. D»r Aufschwung der llotelerte. wie er «ich in ungeahnter, man darf fast sagen, erachreckemler Wala« 
wahrend dea teilten Dezennium« vollzogen bat, seigt sich infolge der durch die vorgenommene Ausscheidung enger g«zo k -enen 
Kehlergrenze in allen denjenigen Kantonen, in welchen die Unternehmungslust am meiaten sich entwickelte, am so deutlich«* : 
so in den Kantonen Bern. GraubQnden, I.uaern. Tassin und Waadt. I,a»st man die durch die Ausscheidung hervorgerufen« Ver- 
minderung ausser Betracht, so zeigt «ich far 1905 eine effektive Vermehrung der Fremdenhotels von si5 gegenüber dem Jahre 
1S94 und eine solche von 1153 gegenüber dem Jahre tsWl). Bemerkenswert ist ferner, dass infolge des Wintersport* die Differenz 
zwischen den Jahres- und Salsongeschsflen eine erheblich grossere geworden ist ; wahrend numlich vor 5 Jahren noch die Zahl 
■ier beiden Kategorien sich die Wage hielt, ist heute da« Verhältnis der Jahres, »u den Sas« an geschürten wie J , zu */, An dieser 
Vermehrung dar Jahresgescbafle (zum teil zwar nur eine Umgestaltung dar Snmmcrbetnehe in Jabrcsbel-Ub«! sind nament- 
lich die Kantone Bern, Graubünden und Waadt beteiligt. 

Infolge der Ausscheidung von Sit Geschliffen zeigen sieb auch in Bern? auf dia Bat'cnzabl gewisse Verschiebungen nach 
rückwärts, jedoch nicht in demselben Masse. Denn wahrend die Zahl der Frem4enhntel* gegenüber tS9t um beinahe V, und 



gegenüber 1SS0 auf mehr als da* Doppelte der damaligen Gesamtzahl g«*ti«g«a 



die Bsttenzahl ohne Berücksichtigung 



der 21t ausgeschiedenen Geschäfte. Mit 1891 um zugenommen und seil 1SK0 bat »i« sieb fast verdreifacht Dies«* ungleiche 
Verhältnis der Steigerung der Betten Sur Steigerung der Hotels ergibt »ich aus der Vergrößerung zahlreicher aefton be- 
stehender Geschult«. In der Tat ist dann auch die durchschnittliche Bettenzahl per Hotel satt 1*91 von 53 auf 61 geetiegnn. 
/u den Kantonen, welche die grossta Zunahme der Hotels und folglich auch der Bett-nzahl aufweisen, wie Bern, Graubouden. 
I.uzern, Tessin and Waadt, gesellen sich noch, mit ebenfalls erheblicher H*ttenvermehrung, die Kanton« Genf. Unlerwalden, 
Wallis und Zürich. Zahlt man zu den gegenwärtig vorhandenen 13tr*aS Fremdenbetten die Heservcbetten in der Zahl von 
9Mt hinzu, io ergibt »ich. dass in den Schweizer Fremdenhotels ruud 131 QUO Personen gleichzeitig Unterkunft rinden können. 
Interessant ist auch die Zahl der Appartement« 11090), «In« F.rscueinung, die namentlich aeit etwa 5 Jahren an Bedeutung 
gewonnen hat 

Bestand von rund 1100 Mitgliedern das Jubiläum seines 
25jährigen Bestandes gefeiert und bei diesem Anlass eine 
von Olli) Atnsler, dem Chef seines Zentralbureaus in 
Itasei, verfasste und vornehm ausgestattete Jubilitumt- 
GedeHkaehrifl herausgegeben hat. Das Zentralbureau des 
Vereins publiziert ferner noch regelmässige Jahresbe- 
richte, den jährlich erscheinenden Fuhrer llie UdIfIs 
i/o- Stiiwfi:. sowie die JSrAirWier Hotel-Hevue. Der Ve- 
rein unierhält in Lausanne am (ienfersee eine von ihm 
1893 gegründete, und seither mit Frfolg geleitete Hotel- 
fa c h sc h u 1 e. die bis zu 34 Zögling.' aufnehmen kann. 



ohne Biickhalt als mustergiltig anerkannt. Im 
Land gilt sie als diejenige Industrie, die in Verbindung 
mit dem Fremdenverkehr am meisten zur volkswirt- 
schaftlichen Wohlfahrt beiträgt. Soweit sie für den 
Fremdenverkehr in Betracht fallt, zählt die schwei- 
zerische llotelerie gegenwärtig rund 125000 Fremden- 
helten, von welcher Zahl nahezu 100000 auf die Mitglieder 
des schweizerischen Hotelier - Vereins entfallen. Zieht 
man ferner in Betracht, dass das in der Hotelerie inve- 
stierte Kapital beinahe 800 Millionen Franken betragt und 
einen jährlichen Umsatz von annähernd 190 Million 



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SC11W 



scuw 



Franken produziert, sowie dass etwa 35000 Angestellte 
ihr guten Hinkommen aus ihr ziehen, so wird zugegeben 
werden müssen, dass die schweizerische Hotelindustrie 
auf einer für die Wohlfahrt des I-andes erspriesslichen 
Hohe angelangt ist. Denn durch zahlreiche Kanäle flies» t 
der grosste Teil des Umsatzes in fast alle Schichten der 
Bevölkerung wieder ab. 

Die nachfolgenden »lalixtisrhen .Angalten, sowie die 
diesem Artikel freigegebenen Tabellen entnehmen wir 
ebenfalls der « Jubiläums-Gedenkschrift • des schweizeri- 
schen Hotelier- Vereins. 

a) Fremd en hote ls u nd Fremdenbellen. Im Jahr 
1880 befanden sich in der ganzeu Schweiz 1002 dem Frem- 
denverkehr dienende Hotels, welche über 58137 Fremden- 
l>etten verfügten. 14 Jahre später war die Zahl der Hotels 
auf 1693 angewachsen, was einer Vermehrung um 70 % 
entspricht, während im gleichen Zeitraum die bellen nur 
eine Zunahme um 52% zu verzeichnen halten, indem ihre 
Gesamtzahl auf 88634 stieg. Im folgenden Dezennium 
schwoll die Zahl der Fremdcnhotels auf 1924 (mit 124068 
Metten) an, was einer Vermehrung um 93% gegenüber 
I88U und einer solchen von etwa 15% gegenüber 181*4 
entspricht. Die Zahl der Betten vermehrte sich von 1880 
bis 1905 um etwa 114%. Von 1894 bis 1905 betrug die Zu- 
nahme 39%. Wenn also von 1880- 1894 die Zunahme an 
neuen Hotels eine verhältnismässig stärkere war, so fand 
in der nachfolgenden Periode das Umgekehrte statt. Die 
Zahl der Bellen nahm in grösser em Massstabe zu, was als 
ein gutes Zeichen gelten kann, da es auf Anbauten bezw. 
Vergrösserungen schon beslehendei Etablisscmcnte und so- 
mit auf eine Vermehrung der Logierkraft schliessen lä*st. 
Von den 1924 Fremdenhotels des Jahres 1905 waren 1104 
Jahresgeschälte und 820 Saisongeschafte. Infolge des Auf- 
kommens des Wintersports ist die Differenz zwischen 
den Jahres- und Saisongeschäften eine erheblich grössere 
geworden. An der Vermehrung der Jahresgeschäfte sind 
namentlich die Kantone Bern. Graubüridcn und Waadt 
beteiligt. Bettenzahl 1905: 1112 Hotels (58%) von ie 
10-50. 534 (27%) von je 51-100, 215 (12.5%) von je 101- 
200, 43 (2.5%) von je '201-200 und 20 (1 %) von je 301-500 
Betten. Interessant ist. dass gerade der Kanton Grau- 
bünden, der sich verhältnismassig spät dem Fremden- 
verkehr angeschlossen hat. die grossten l'alaces aufweist. 
Von den 20 Hotel« mit über 301 Betten nimmt er volle 
40%. d. h. 8 für sich in Anspruch. 

Ein anderes Bild ergibt sich aus der Einteilung nach 
Höhenlagen. Von den 192V Hotels befinden sich 626 im 
Tiefland, d.h. von 200-51« m Hohe; 394 gehen von 501 
bisauTSOO m, 188 von 801 bis auf 1000 m und 198 von 
1001 bis auf 1200 m. 126 von 1201 his auf 1400 m, 145 von 
1401 bis auf 1600 m, 90 von 1601 bis au 1 1800 m, 122 von 
1801 bis auf 2000 m, 17 von 2001 bis auf 2200 m. 10 von 
2201 bis auf 2400 m und 7 von 2401 bis auf 2600 m. wäh- 
rend endlich ein Fremdenhotel (Belvedcre auf dem Gor- 
nergrat» sogar in einer Hohe von 3136 ?n steht. 

Des starken Anwachsens der Zahl der Fremden bellen 
haben wir bereits gedacht. Diese Vermehrung ist so recht 
das Bild von der wunderbaren Entwicklung unseres 
Fremdenverkehrs. Während 19t 6 die Zahl der Fremden- 
hotels gegenüber 1880 auf das Doppelte des damaligen 
Gesamtbestandes gestiegen ist. hat sich die Bettenzahl 
im gleichen Zeitraum verdreifacht. Damit ist zugleich auch 
die durchschnittliche Heltenzahl pro Hotel seit 1884 von 
52 auf 64 gestiegen. Am stärksten ist der Zuwachs natür- 
lich in denjenigen Kantonen, die auch die grosste Vermeh- 
rung der Hotels aufzuweisen haben, so in Bern, Grau- 
bünden, Tessin, Luzern und Waadl, doch auch in Zürich. 
Genf und Wallis hat sich eine erfreuliche Vermehrung 
bemerkbar gemacht Fugt man den vorhandenen 124 068 
Fremden bellen noch die 9841 Heservebeiten hinzu, so 
ergibt sich, dass wir in unsern Fremdenhotels 131000 
Touristen gleichzeitig beherbergen können. 

b) A n g e s t e 1 1 1 e. Der Fremdenverkehr ergiesst. wie 
bereits hervorgehoben worden ist. seine Silber- und Gold- 
bächlein in die breitesten Volksschichten und bedeutet 
für Unzählige das tägliche Brot. Als Verdienstbringer steht 
er an guter Stelle, so dass er sich sehr wohl den übrigen 
sog. Nationalindustrien an die Seite stellen darf, wenn 
er sie nicht gar noch übertritt. Im Jahr 1880 beschäftig- 
ten unsere dem Fremdenverkehr dienenden Hotels 16022 



Personen beiderlei Geschlechtes ; 1894 halte das Personal 
einen Totalbestand von 23 997 erreicht, während es 1905 
auf einen Bestand von 33480 Angestellten beiderlei Ge- 
schlechtes angewachsen war. Von diesen entfielen 1 i 252 
Personen oder 42.5% auf die Jahresgeschäfle und 19228 
Personen oder 57.5% auf die Saisongeschäfle. 13 392 An- 
gestellte waren männlichen und 20088 weiblichen Ge- 
schlechts. In den Saisongeschäften herrscht das weibliche 
Element weitaus vor, indem hier 12 555 weiblichen An- 
gestellten nur G673 männliche Kollegen gegenüberstehen. 
In den Jahresgeschäften zeigt sich kein so aulfallender 

| Unterschied (6719 männliche und 7533 weibliche Ange- 

I stellte/. 

Im Ausland erhebt man oft den Vorwurf, dass der viel- 
gepriesene Fremdenverkehr der Schweiz nur den Landes- 
k indem zu gute komme und der Hoteldienst ein Schwei- 
I zermonopol geworden sei . wie ehemals etwa das ((eis- 
laufen. Diese Behauptung steht aber auf sehr schwa- 
I eben Fussen. Von den 33480 Personen, die im Jahr 1905 
1 ihr Brot in den sch weizerischen Fremdenhotels verdienten, 
i waren 24235 Schweizer und 9245 Ausländer. Schweizeri- 
, schersetls herrscht das weibliche Element bei weitem vor. 
' während uns das Ausland mehr männliches Personal zu- 
i schickt, das höhere (lagen beansprucht und auch aul 
[ bessere Stellen aspiriert. Von der Gesamtzahl der Ange- 
stellten entfallen 73% auf Schweizerbürger und 27% auf 
Ausländer. Vom männlichen Personal sind % Landes- 
sohne und Ausländer. Hauptsachlich dieses letztere 
Verhältnis illustriert nicht übel die unbegründeten Aus- 
setzungen der ausländischen Kritik und Konkurrenz. 

l.'eber die Durchschnittszahl der Angestellten pro Hotel 
ist zu bemerken, dass sie von 16 im Jahr 1880 auf 17 im 
Jahr 1905 gestiegen und sich somit ziemlich gleich geblie- 
ben isl, nachdem sie allerdings 1904 auf 14 gesunken 
war. 

Vom Standpunkt des Betriebes aus betrachtet, wird 
das Bell eines Jahresetablissementes pro Jahr mit Fr. 425 
im Angcstelllenkonto belastet, was einer täglichen Aus- 
gabe von Fr. 1,16 gleichkommt; das Saisonbett bean- 
sprucht dagegen, infolge des intensiveren Betriebe«, 
Fr. 1,64 pro Tag. 

Sehr interessante Zahlen liefert uns die Frage nach 
dem Verdienst der kleinen Armee von Hotelangcsielllcn. 
Im Jahr 189V wurden Fr. 16080000 (Fr. 8756000 für Sa- 
läre und Gratifikationen. Fr. 7324000 für Verpflegung und 
Logis) auf das Angcstelllenkonto gebucht. 1905 dagegen 
für Saläre und Gratifikationen Fr. 16 245000 und für Nah- 
rung und lx>gis Fr. 10723000, zusammen also Fr. 26968000. 
Jeder Angestellte kommt für Kost und Logis durchschnitt- 
lich auf Fr. 1,50 pro Tag zu stehen. Mit Zurechnung der 
Verpflegungskosten, die als ein Teil des Verdienstes zu 
' betrachten sind, stellt sich der Jahresangestellte aui 
durchschnittlich Fr. 1432 pro Jahr und der Saisonange- 
stellle. bei einer Saison von durchschnittlich 100 Tagen, 
auf Fr. 3V2- Man muss aber nicht vergessen, dass dazu 
noch die Trinkgelder kommen, die bei der Grosszahl der 
Angestellten das eigentliche Salär bei weitem übertreffen 
und von Ed. Guyer- Freuler, dem verdienten Statistikerauf 
dem Gebiete der Hotelerie. schon vor 10 Jahren auf das 
dreifache der bezahlten Solarien geschätzt worden sind. 

ci Finanzen. Die erfreuliche Entwicklung unseres 
Fremdenverkehrs wird inil in erster Linie gekennzeichnet 
durch das stetige Anschwellen der im Hotelwesen inve- 
stierten Kapitalien, die sich in 25 Jahren mehr als ver- 
doppelt haben. Sie betrugen : im Jahr 1880 insgesamt Fr. 
319500000 (wovon Fr. 24001)0000 für Immobilien. Fr. 
73500000 für Mobilien und Fr. 6000000 für Vorräte) 
im Jahr 1894 dagegen schon insgesamt Fr. 518 927 («0 
(Immobilien Fr. 393681 000. Mobilien Fr 105513000. Vor- 
räte Fr. 19 733 000 >, um endlich im Jahr 1905 insgesamt die 
enorme Summe von Fr. 777507000 aufzuweisen. Davon 
entfallen Fr. 608340000 1 worunter der Boden wert mit etwa 
138 Mill. Fr.) auf die Immobilien. Fr. I4726900Ü aur die 
Mobilien und Fr. 21898000 auf die Vorräte. Von der 
Gesamtsumme beanspruchen die Jahresgeschäfle Fr. 
416039000 oder 54%. die Saisongeschafte Fr. 301468000 
oder 46%. Gegenuber dem Jahr 1880 sind angewachsen : 
die Immobilien: 1894 um 64%, 1905 um 112%; 
»Mobilien: 1H9V . 43%. 1905 . 11«%: 
- Vorräte: 1894 . 228%. 1905 . 265%. 



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SCHW 



SCIIW 



Biese Summen bedeuten für jedes für den Fremden- 
verkehr benutzte Bett eine Belastung von Fr. 6,266. 1905 
betrug der Assekuranzwert b4% de« investierten Ge- 
samlkapitals. 

(ieben die investierten Kapilalien ein anschauliches 
Bild von dem mächtigen Umfang, den der Fremden- 
verkehr bei uns angenommen hat, so zeigen uns die 
nachfolgenden Zahlen über Einnahmen, Ausgaben und 
Gewinn die grosse Bedeutung desselben für die Volks- 
wirtschaft. 

Im Jahr 1880 betrugen die Einnahmen Fr. 52800000 und 
die Ausgaben rund Fr. 361)00 000. so dass sich ein Bruttoge- 
winn von Kr. 18800000 ergibt Nach Abzug von Amortisa- 
tionen verschiedener Art verbleibt noch ein Nettogewinn 
von Fr. 7320000, der einer durchschnittlichen Verzinsung 
von bloss 2,3% des Anlagekapitales entspricht. — Etwas 
günsliger im Schlussergebnis stellt sich das Jahr 185*4: 
Kinnahmen Fr. 114 334 DUO. Ausgaben Fr. 83567000. 
BrutU.gewinn Fr. 30 767ÜOÜ; Beingewinn (nach Abzug 
der Amortisationen I Fr. 16 421 000. welche Summe einer 
Verzinsung der investierten Kapitalien von 3,2 % ent- 
spricht. - Noch günstiger lässt sich das Betriebsiahr 1905 
an: Einnahmen Fr. 188 717000, Ausgaben Fr. 131 360000, 
Bruttogewinn Fr. 57337000; Reingewinn (ebenfalls 
nach den üblichen Abschreibungen) Fr. 36397000. 
d. h. Verzinsung des Anlagekapital* mit 4,7 % Es hat 
sich somit im Jahr 1905 gegenüber 1880 die Rendite 



der übrigen Nationen unser Land für gewohnlich in 
raschem Fluge zu durchwandern pllegen. 

Wir folgen auch weiterhin den Ausführungen der er- 
wähnten • Gedenkschrift », die sagt, dass dies« Konstatie- 
rungen, deren Richtigkeit auch von der Statistik der Ver- 
kehrsvereine bestätigt wird, ein wertvolles Material bilden, 
indem sie uns zeigen, wo in Zukunft die Propaganda ein- 
setzen musa, um von Erfolg zu sein. Der Franzose konnte in 
noch grosserer Anzahl gewonnen werden ; ein weit 
rationsgebiet dürfte England sein, das in der Zahl 



zurückgegangen ist. ferner Oeslerreich-l'ngarn, Italien. 
Holland und Russland. Aua diesem Land scheint der po- 
litischen Umwälzungen wegen sowieso ein stärkerer Be- 



Der Fremdenverkehr nach Nationen während den letzten 12 Jahren 
(mit Ausnahme von 1896) 



Nationen 


1906 

% 


_% 


190« 

% 


1903 

% 


19U8 

% 


1901 

1*1 

0 


1900 

0 

» 


i -<'.< 

% 


1898 

% 


1SV7 

% 


1895 

% 


1891 

Oi 

>n 


Deutschland 


31.0 


30.0 


30.0 


31,4 


•29.0 


31.1 


31.9 


33.6 


28,4 


33.8 


32.3 


30.7 


Schweiz ....... 


22.2 


21.0 


20,0 


18,5 


21.8 


21.6 


24.0 


20.0 


24.6 


18.3 


17. K 


18.« 


C.rossbriUnnien .... 


13.5 


14.0 


15.0 


16,5 


15,7 


14.7 


13,1 


17.3 


16.5 


16.5 


15.3 


14.0 


Frankreich 


12.1 


12,0 


12,0 


12.3 


10,1 


11.2 


10,9 


11.2 


11.4 


11,8 


12.4 


10.8 


Amerika 


5,8 


6.0 


6,0 


5.8 


5,8 


5,8 


4.8 


5.2 


3,4 


8.1 


5.4 


6.6 


Belgien und Holland . . 


2.5 


3,0 


3.0 


3.1 


3,1 


3.6 


2.« 


3,4 


2.2 


1.5 


2.6 


2.4 


Kussland 


4.6 


4,0 


4.0 


3.6 


2,8 


3.2 


2.9 


2,9 


2,4 


1.8 


2.5 


2.1 


Oesterreich-Ungarn . . 


1.8 


2.5 


2.5 


2.1 


2.1 


2.2 


2.0 


1.7 


2.0 


1.6 


2.1 


•2.(1 


Italien 


2.4 


3.0 


3.0 


2.8 


2.1 


2,6 


2.6 


2.2 


2,2 


2.0 


2.2 


2.7 


Dänem.. Schwed., Norw. . 


0.7 


0.6 


0.5 


0.7 


0.6 


0.9 


0.6 


0^7 


(K4 


0,5 


'7.. 


'fj 


Spanien und Portugal 


0.5 


0.5 


0.5 


0.6 


0.7 


0.5 


0.4 


0.2 


0.2 


0,2 


Asien und Afrika . . . 


0.3 


0.3 


0.2 


0.3 


0.3 


0.2 


0.6 


0.2 


1,0 


0,6 


Australien 


0,1 


0.1 


0.2 


0,1 


0.2 


0.2 


0.1 


0.1 


0,2 


0.4 


\ 


\ 


Verschiedene Länder . . 


2.5 


3.0 


3.1 


2.2 


">.' 


2.2 


3.2 


1.3 


5.1 


1,9 





des Kapitals mehr als verdoppelt. Man darf wohl mit 
Sicherheit annehmen, dass die Rendite des Kapitals 
mit diesen 4,7% ihren Höhepunkt erreicht hat. Denn 
wenn auch der Fremdenverkehr weiterer Ausdehnung 
Tähig ist. so gestalten sich doch die Konkurrenzver- 
hallnisse immer schwieriger und gehen uberall auch die 
Preise der Lebensmittel, die Steuern und die Lohnan- 
sprüche der Angestellten in die Hohe. Jedes einzelne Bell 
ergab 1905 einen Beingewinn von Fr. 309.55. 

d) Fremdenverkehr nach Nationen. Die 
ziffernmässige Reihenfolge der unser Land besuchenden 
Fremden ändert sich im grossen und ganzen nur wenig. 
Mit Bezug auf Personenzahl steht Deutschland mit 30% 
aller Touristen an der Spitze. Dieses Verhältnis dürfte 
auch in Zukunft sich nicht stark verschieben, da unser 
Alpengebiet den Deutschen mehr und mehr anzieht und 
von ihm zum Ziel aeiner Sommerreisen gemacht wird. 
Viel tragen dazu namentlich auch die vorzüglichen Eisen- 
bahnverbindungen mit dem deutschen Beichsgebiet bei. 
— An zweiter Stelle stehen mit 20% aller Touristen die 
Schweizer selbst. «Ea ist dies eine stattliche Menge, wenn 
man die Kleinheit ihres Gebietes in Betracht zieht, gleich- 
zeitig auch ein erfreuliches Zeichen, daas die Naturwun- 
der des Heimatlandes von den eigenen Bewohnern aner- 
kannt und geschätzt werden». — Es folgen England mit 
IV",, und Frankreich mit 12%. Die übrigen Nationalitäten 
fallen neben den eben erwähnten nur wenig in Betracht. 
Hervorzuheben ist noch, dass unter allen Touristen der 
Engländer das eigentlich «sess hafte Klement« darstellt, 
indem er monatelang bleibt, während die Angehörigen 



such zu erwarten sein, ganz besonder» aber auch aus 
Amerika, wo in Bälde durch die Gründung eine» standi- 
gen Verkehrsbureaus die Propaganda einsetzen soll. Ob 
ein Jahrgang mit Bezug auf den Fremdenverkehr als sehr 

St. miltelmässig. schwach oder schlecht zu bezeichnen 
. hängt nicht vom glänzenden Erfolg einer oder einiger 
bestimmten Gegenden oder vom prächtigen Wetter eine» 
einzigen Monates ab. sondern vielmehr von den ermittel- 
ten Resultaten des ganzen Jahres und aller Landesgegen- 
den zusammen. So kommt ea denn vor. das» das Durch- 
schnittsniveau für den Nichteingeweihtea oft ein uner- 
klärlich niedriges ist. Die Ziffern der prozentuellen 
Bcltenbesetzung wahrend der 12 Jahre 1894—1906 (exkl. 
das Jahr 1896) zeigen, daas sich unter diese« Jahren be- 
finden : nur ein einziges 
sehr gutes Jahr (1895). ein 
gutes (1899). 4 mittlere 1894, 
1897. 1898, 19061. dagegen 5 
schwache (1901-1905i und 
ein schlechte» (1900). Ea steht 
also nicht so glänzend, wie 
der I'neingeweihte. der die 
Holelerie während der Hoch- 
saison sieht, sich vorstellt : 
doch ist das Hotelwesen von 
eigentlichen Krisen, wie sie 
die der Mode und den Zoll- 
komplikationen unterworfe- 
nen Industrien (S«ide, Sticke- 
rei. Uhren, Slrohwaren etc.) 
betroffen haben, verschont 
geblieben. 

Zur Bestimmung der Güte 
der einzelnen Jahre nimmt 
man als Basis die prozen- 
tuelle Besetzung der Betten 
»amtlicher Fremdenhotels 
während des ganzen Jahres, bezw. der ganzen Saison. 
Auf Grund der so gewonnenen Zahlen erfolgt dann die 
Klassifikation nach folgendem Schema : sind durchschnitt- 



lich nur bis 25% aller Fremdenbetten besetzt, so gilt« 

wach, mit 
gut und mit 37 % 



«•» n ""ei iiciiwniuriirii in;«-,*.», i 

Jahr als ein schlechtes, mit 26-28% als schi 
29 - 32% als mittel, mit 33- 36% als gut und 
und darüber endlich als sehr gut. 

Die for den Fremdenverkehr in erster Linie in Betracht 
fallenden Monate sind Juli und August. Annehmbar ist 
auch noch die Vorsaison (April und Maii. sowie der Monat 
September, während die übrigen Monate sehr zurück 
trelen. Die Versuche zur Kreierung einer eigentlichen 
Wintersportsaison in der Schweiz haben bis jetzt sehr 
gute Resultate gezeitigt, doch hat man bei diesem Anlass 
auch die Wahrnehmung gemacht, dass die Zunahme der 
Zahl der Winterbesucher zum Teil auf Kosten der Som- 
merfrequenz erfolgt. 

SrhluHxhetrachtungen. Die eben diskutierten statisti- 
schen Ergebnisse, die durch die reichhaltigen Angaben 
in Teil und Tabellen der Jutnlnuna-GedenkMchrift des 
schweizer. Hotelier-Vereins ihre Ergänzung und Vertie- 
fung in alle wünschbaren F.inzelheilen finden, dürften 
genügen, um zu zeigen, wie wichtig der Fremdenverkehr 
für die ganze Bevölkerung unseres Lande» ist und wie er 
1 geradezu als der Lebensnerv unseres Landes betrachtet 
werden darf. Er ist allerdings nicht so alt wie die schon 
zu Ur gross vaters Zeiten blühenden Uhren-, Stickerei-, 
Seidenstoff- oder Baumwollindustrien, aber gegenüber 
diesen allen — die man yogar als nationale Industrien 
anpreist — hat er den gewalligen Vorteil IVir sich, nicht 



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SC11VV 



SCI1W 



von den Konjunkturen des Weltmarktes, von der Zoll- 
politik der Einzelstaaten oder von der Mode abhängig zu 
sein; auch kann man ihn nicht über die Grenze verpflan- 
zen, denn sein Reichtum liegt in den eixgekronlen Firnen, 
den grünen Matten, den dunkelblauen oder smaragd- 
grünen Seen und in den feenhaften .Horizonten. So konnte 
er sich ungehindert entfalten, immer weitere I.andes- 
gegenden erölTnend und grossere Bevölkerungskreise in 
seinen Hann ziehend, und der Zeitpunkt ist noch weit 
entfernt, von welchem man sagen kann : Nun ist der 
Fremdenverkehr keiner Entwicklung mehr fähig. Jetzt 
schon, wenn man alle Umstände in Berechnung zieht, 
übertrifft der Fremdenverkehr die oben genannten Indu- 
strien an Wichtigkeit für die schweizerische Volkswirt- 
schaft nach beinahe jeder Richtung hin . . . Eine reiche 
Einnahmequelle liegt im Fremdenverkehr ; es ist Pllicht 
des Staates, dafür zu sorgen, dass sie unvermindert 
weiterfliegst. Es ist dies umso notwendiger, als auch an- 
dere Länder den Strom der Reisenden in ihre Thäler. auf 
ihre Berge, an ihre sonnigen Gestade oder tiefen Fjords 
zu lenken versuchen und dabei der vollen, tatkräftigen 
Unterstützung ihrer Regierung sich erfreuen. Diese Tak- 
tik sollten auch unsere Bundesbehorden befolgen : dann 
wird der Fremdenverkehr einen neuen Aufschwung neh- 
men zum bleibenden Segen des Landes. » 

Bibliographie; Guj er-Freuler. Ed. Fremdenverkehr 
und Holelwesen (im Ii and uVirterbuch der schweizer. Volks- 



oder im Aufblühen begriffene Spinnereien und Webereien 
angelehnt und mit der Wasserfrage erst nachträglich ab- 
gefunden zu haben. Fälle, wo. wie bei den Schwarzwald- 
nüssen oder in Saint Etienne und Saint Chamond. die 
chemische Beschaffenheit des Wassers die Färbereien 
in ausgesprochener Weise angezogen und begünstigt hat. 
sind in der Ostschweiz kaum nachweisbar», und noch 
weniger kann es die Qualität des Wassers gewesen sein, 
welche im 18. Jahrhundert dem Stoffdruck in den wel- 
schen Jurakantonen zu so hoher Blüte verhol Ten hat. 

Es kann nur im Allgemeinen gesagt werden, dass alle 
gewerblichen Vei Wendungen möglichst reines und ausser- 
dem, mit Ausnahme der Hierbrauerei und der Gerberei, 
möglichst weiches, d. h. kalkfreies Wasser erfordern. 
Das gilt namentlich für alle Rearbeitungsarten der ver- 
schiedenen Texlilfasern. Daraus ergibt sich für die Schwei* 
als allgemeine Regel, dass die aus Gneis-, Granit- und 
Sernifllgehieten stammenden kalkfreien weichen Wasser 
die Veredlungsgewerbe der Textilindustrie und die sons- 
tige gewerbliche Verwendung in hervorragendem Masse 
begünstigen, wogegen die kalkhaltigen hurten Wasser 
des Jura und der Kalkalpen zu technischer Verwendung 
an sich weit weniger geeignet sind. Diese letztern müssen 
in den meisten Fallen zunächst einen Reinigungsprozess 
von ihrem Kalkgehalt durch Zusatz von Kalkmilch und 
kalzinierter >oda durchmachen. 

Sehr drastisch tritt diese Differenz zwischen weichem 



Die i 


'RO/ENTl ELLI 


I BEITENBESirrZUNÜ WÄHREND DEN LETZTEN 12 JAHREN (MIT AUSNAHME VON 1896). 




Vonje 100 Rotten 
scbniltlicb pro 


warsD durch- 
Tau he «etil 


19UG 
0 


1906 

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1S90 

0. 

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1«6 

10 


% 






16.2 


14.6 


15.3 


13.3 


15,5 


14,0 


12.0 


17.0 


15.0 


16.0 


21,0 


14.0 






17.4 


15,3 


14.8 


14.0 


16.5 


18,0 


14,0 


18.0 


15.0 


15.0 


23.0 


15,0 


März . . . 


.... 


17.4 


15,9 


14.5 


14.4 


16.5 


17.0 


14,0 


«1.0 


17.0 


14.0 


27,0 


20,0 


liG" • • 




21.7 


20,6 


17.0 


16.6 


20,0 


18.0 


15.0 


'24.0 


18.0 


15.0 


26,0 


21,0 




23.6 


21.7 


17,8 


t«,2 


19.0 


•20. U 


16.0 


33.0 


22.0 


20.0 


29.0 


20,0 








20.1) 


26.7 


2X,0 


27.0 


29.0 


260 


34.0 


31,0 


30.0 


34.0 


2ti,() 


Juli .... 




58.9 


58.5 


57.7 


(iO.S 


57.0 


56.0 


58.0 


65.0 


52.0 


59.0 


67.0 


59,0 


August . . 


.... 


75.9 


79,1 


76.9 


79,3 


76,5 


77.0 


68,0 


81,0 


76,0 


81.0 


87,0 


81.0 


September 


.... 


40.9 


41.9 


3(5.0 


39,4 


42.5 


40.0 


37,0 


50.0 


50.0 


53.0 


6-1.0 


49.0 


Oktober . . 


. . * 


19.0 


18,1 


15.6 


16.0 


19.5 


17.0 


16.0 


32.0 


23,0 


30,0 


26.0 


•24,0 


November 




14.« 


13,1 


11.5 


12.0 


12.0 


15,0 


12.0 


19,0 


18.0 


IVO 


21,0 


13.0 


Dezember 




13,9 


13.0 


12.2 


12.0 


13.5 


14,0 


12.0 


16.0 


14.0 


14,0 


20.0 


12.0 


Jahresdurchschnitt 


29 
mittel 


28 
»chw. 


26 

«••hw. 


27 

suhw. 


j 28 

»chw. 


28 
»chw. 


25 
fehl. 


34 
uut 


29 
mittel 


30 
mittel 


37 


29 
mittel 



Wirtschaft . . ; herausgegeben von Prof. Dr. X. Reichesberg. 
2. Rand, 1905). JubiUiums-tiedenksct>rift des Schweiz. 
Hotelier-Vereins 1H8'i—1lHH : herausgegeben vom Zon- 
tralbureau des Schweizer. Hotelier- Vereins in Ba«el. 

(Rkuaktio.n.! 

E. Wasserin disthien. Unter den Wasserindu- 
strien haben wir zunächst zu unterscheiden zwischen 
denjenigen, die das Wasser seiner reinigenden Wirkung 
oder andrer chemischen Qualitäten wegen verwenden, 
und denen, die Bich nur die Kraft der Strömung zu nutze 
machen. Gänzlich ausserhalb des Rahmens fallen die 
bereits behandelten Heilquellen und andrerseits die Ver- 
wendung der Tragkraft des Wassers zum Gütertransport, 
worüber im Abschnitt »Verkehrswege » bereits gesprochen 
worden ist. 

1> Was die chemisch nutzbaren Eigenschaften unserer 
Gewässer betritn, so bestehen darüber meines Wissens 
noch keine Nachweisungen, am wenigsten gerade für das 
Hauplgebiet der schweizerischen Farberei und Druckerei, 
die Kantone Glarus und Zürich. Nach gell, brieflichen 
Mitteilungen von Dr. Otto Meister in Thalwil. an den 
sich der Verfasser um tunlichsle Aurklärung hierüber 
gewandt hat. « rechnet das Wasser des Zürichsees mit 
1T-12 Härlegraden noch zu den weicheren Wassern. Siht. 
Glatt, Toss und Thür sind wahrscheinlich ziemlich kalk- 
reicher », also härter. « Auch der Walensee und die Glar- 
ner Gewässer dürften kaum reiner sein als der Zürichsee, 
weil ihr Einzugsgebiet noch nicht im Rezirk der Ur- 
gesteine liegt. Dort wie in Zürich scheint sich die che- 
mische Bearbeitung der Textilfascrn mehr an bestehende 



Granitwasser und hartem Kalkwasser in der Rasier In- 
dustrie 7U tage, die sich weil überwiegend aufdem rechten 
Rheinufer angesiedelt hat, wo sie durch den Wiesenkanal 
das weiche Granitwasser des Schwarzwaldes geniessl, wäh- 
rend die aus dem Jura kommenden linksseitigen Zuflüsse 
des Rheins, Hirn und Hirsig. hartes kalkhaltiges Wasser 
führen. Durch künstliche Weichung wird allerdings dieses 
naturliche Hindernis mehr und mehr überbrückt und mit 
der Zeil wohl gänzlich verschwinden. 

2) Als Hauptgebiet für die geographische Erörterung 
verbleibt an dieser Stelle die Verwendung des Wasser* 
als motorischer Triebkraft, in älteren Zeiten nur für 
Getreide- und Sagemühlen, Walken. Stampfen. Schleifen 
und Hämmer, in neuerer Zeit aber auch für eine ganze 
Reihe moderner WasserkraRindustrien. Die grosse Re- 
deutung der zahllosen Mühlenbache und namentlich auch 
der städtischen Gewerbekanäle der älteren Jahrhunderte 
soll hier nur angedeutet werden. Eine ganz neue Zeit ist 
für die Nutzung der Wasserkräfte angehrochen uro die 
Mille des 19. Jahrhunderls. Und zwar hat im Laufe dieses 
Jahrhunderts die Nutzung der Wasserkräfte eine zwei- 
malige Wendung und Gegenwendung durchgemacht. Von 
der ursprünglichen direkten Anwendung der Wasserkraft 
durch das Wasserrad wurde die Industrie zunächst los- 
gelö*t durch die örtlich gänzlich unabhängige Einführung 
der Dampfkrafl. Vermittels der Steinkohle und der 
Dampfmaschine trat das im Kessel verdampfte Wasser als 
Triebkraft an die Stelle des fliessenden. Sehr bald aber 
folgte darauf doch wieder die teilweise Rückkehr zum 
Standort der lebendigen Wasserkraft, auf Grund des Prin- 



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:304 SCIIW 

zipes der Turbine seit den 1850er Jahren und in der 
Folge der Elektrizität in den 1870er Jahren. Seit 1890 ist 
dann eine nochmalige teilweise Loslosung der Industrie 
vom Standort der Wasserkräfte erfolgt durch die U Über- 
tragung de» elektrischen Stromes auf grossere 
Distanzen und ganz neuerdings ausserdem durch die Er- 
llndung der Dampfturbine. Immerhin bleibt bis auf 
weiteres die naturliche Wasserkraft die originäre Kraft- 
quelle für das Gros der elektrisch übertragenen und in- 
dustriell verwendeten Energie. 

Sowohl aus den alteren Zeiten der lokalen Gebundenheit 
der Industrien und Gewerbe an die gegebenen Wasser- 
kräfte unserer Gebirgsbäche und Strome, als aus der Zeit 
der Wasserturbine und der ersten Indienststellung elek- 
trischer Energie sind nun aber die Standorte verschie- 
dener wichtiger Industrien bestimmt und dauernd lixiert 
worden, von den oberen Glarncr und St. Galler Thälern 
herab bis zum Zürcher Toss- und Sihlthal. von der Visp, 
der Lonza, der Navizence im Oberwalluf bis zum Lac 
de Joux, zur Schüss und zur Birs im welschen Jura, be- 
sonders charakteristisch bei den Querdurchbrüchen des 
Keltenjura (Balsthal, Reuchenelte. Frinvillier, Hozingen). 
Vergleiche auch die Zusammenstellung der Erwerbstätig- 
keit im Jura durch Dr. Rollier im Art. «Jura« dieses 
Lexikons. 

So sind seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts haupt- 
sächlich Hol/. -.toll- und Papierfabriken, Zement- und Kalk- 
fabriken und auch mannigfache Zweige der Textil- und 
der Metallindustrien lokal festgewurzelt. Neuerdings sind 
es hauptsächlich die elektrolytischen Betriebe der Metall- 
urgie und der Elektrochemie, die derart den stärksten 
Wasserkräften nachgehen : das Aluminium von Neuhausen 
und von badisch vlden. sowie demnächst auch von 

Chippis |im Wallis), das Galciumkarbid vonThusis, Gurl- 
nellen, Vernayaz und Flums, das Fcrrosilicium der Hag- 
neckwerke von Nidau. der Chlorkalk und das Aetznatron 
von Monthey, die Bleigewinnung von Gampel, die Slick- 
stoirgewinnung aus der Luft in Genf u. s, f. Die Auswahl 
und der Kreis dieser Produkte ist in beständiger Aus- 
dehnung und beständigem Fluss. Was gestern noch in 
(ienf fabriziert wurde, macht heute ganz anderen Pro- 
dukten l'latz, die morgen schon wieder ungeahnten neuen 
Erfindungen oder rentablerer Verwertung der Kraft wei- 
chen müssen. 

•i Die Schweiz ist recht eigentlich das Land der «weissen 
Kohle.» Für den Ingenieur, «dessen Blick gewohnt ist, 
die Schönheiten der Natur auch unter praktischen Ge- 
sichtspunkten zu betrachten, . . . bedeuten die eigen- 
artigen Gestaltungen des Geländes . . . tausend Gelegen- 
heiten, den naturlichen Wasscrfluss durch künstliche 
Massnahmen zu fassen und in seiner Wirksamkeit zu 
vervielfachen. • End tatsächlich «steht wohl nirgends wie 
in der Schweiz auf engem Baume die Verwertung der 
Wasserkräfte in so hoher Blute . . . Das Land ist über- 
spannt mit einem engen Netz von Drähten, die die Ener- 
gie verteilen . . . Dieses Land, obwohl bar an Kohlen- 
lagern, ist auf diesem wesentlichen Kulturgebiet andern, 
kohlenbesilzenden Ländern weit voraus. Der elektrische 
Betrieb der F.isenbahnen ist hier zur Wirklichkeit ge- 
worden ... Es itt naturgemäss, dass aus solch güns- 
tigen Vorbedingungen die Industrie reichen Segen zieht 
und in lebhafter Entwicklung begriffen ist.« So lautet 
das Urteil des neuesten ausländischen Beobachters (E. 
Maltern: Ihe Ausnutzung der Waam'kräf /<•• Leipzig 
l'.KXi). fl)'. T. Omchim» J 

3) Entwicklung unil Statistik >l*r rlektrm-tieu Imhi- 
■Irira. Die Entwicklung der sog . «elektrischen« Industrien 
i«t in der Schweiz durch die Fülle von Wasserkraft be- 
trächtlich begünstigt worden. Die elektrischen Industrien 
befassen sich mit der Erzeugung und der Fernübertragung 
der elektrischen Energie, um dieselbe dadurch in Gestalt 
von Licht. Kraft und andern Verwendungsarien |che- 
mische Prozesse) nutzbar zu gestalten. Die elektrischen 
Anlagen haben sich in der Schweiz namentlich seil dem 
Jahr 185)0 stark vermehrt. E eberall wachsen sehr be- 
deutende Kraftanlagen aus dem Boden, dkl einen ganz 
hervorragenden Kapitalwert darstellen. 

Die hauptsächlichste Form der Verwendung des elek- 
trischen Stromes war ursprünglich die Erzeugung von 
Licht und Triebkraft, wozu sich aber bald andere Arten 



SCHW 

| der Anwendung, wie elektrischer Betrieb der Eisenbahnen 
und elektro-chemische Pro/esse, gesellten. 

Prof. W. Wyasling hat im Jahr 1907 eine Karte der 
schweizerischen elektrischen Kraftzentralen veröffentlicht. 

| der wir die nachfolgenden statistischen Angaben ent- 
nehmen. Die Leistungsfähigkeit der mit Namen ange- 

, führten Werke drücken wir in Kilowatt aus. wobei als 
Grundlage die Klemmenspannung der Dynamos ange- 
nommen wird. Die Pferdestärke des Dampfbetriebes ent- 
spricht einer elektrischen Kraft von 0.736 KW. Em die 
verfügbare hydraulische Kraft zu berechnen, muss die 
Arbeit der Dynamos |0.9i und diejenige der Turbinen 
(0.7ÖI zusammen berücksichtigt werden. 

Zu Beginn des Jahres 1907 z.ihlte man in der Schweiz 
674 elektrische Zentralen, wovon 344 die elektrische Kraft 
selbst erzeugen, während die übrigen &50 diese Energie 
von den erstgenannten beziehen, um sie dann an die In- 
teressenten abzugeben. Die die Kraft selbst erzeugenden 
Werke können wie folgt eingeteilt werden : 

a) Werke, die die elektrische Energie mit Hilfe von 
Wasserkraft erzeugen. Zusammen 256 Werke mit einer 
Leistungsfähigkeit von 144 16» KW. Die wichtigsten Werke 
dieser Gattung sind: Societe des forces motrices de IA- 
vancon (Bexl mit 1765 KW : . — Administration des eaux 
et forets ; entreprise Thusy-Hauterive ( Freiburg j mit 
5460 KW. — Elektrizitätswerk Lonza (Werk in Thusis. 
Sitz in Gampel) mit 5000 KW. - Albulawerk der Stadt 
Zürich mit 16000 KW. - Elektrizitätswerk Wangen a. d. 
Aare mit 4200 KW. - Elektrizitätswerk Schwyz mit 1620 
KW. - Elektrizitätswerk Luzern- Engelberg mit 5890 KW. 

— Compagnie Vaudoise des forces motrices des Lacs de 
Joux et de l ürbe mit 5644 KW. - Societa elettrica Lo- 
earnese mit 2180 KW. — Vereinigte Kander- und Hag- 
neckwerke: Kanderwerk mit 6000 KW. und Hagneckwerk 
mit 4040 KW. — Kraftwerke Brusio mit 24000 KW. — 
Motor, A.-G. für angewandte Elektrizität (Badem : Elek- 
trizitätswerk Beznau mit 14200 KW. und Löntschwerk 

1 mit 12000 KW. 

bi Den erstgenannten Werken ähnliche Anlagen mit 

i Gas-. Dampf- oder Pelrolreserve : Städtisches Elektri- 
zitätswerk Aarau mit 1400 KW. — i>as-, Wasser- und 
Elektrizitätswerke Basel mit 1600 KW. (kaufen dazu von 

j einem andern Werk noch 1500 KW.). — Elektrizität- und 

1 Wasserwerke der Stadt Bern mit 1400 KW. (kaufen noch 
1500 KW.). — Service eiectrique de la ville de Geneve mit 
13350 KW. - Elektrizitätswerke Winau mit 2200 KW. 

— Elektrizitätswerk der Stadt Luzern mit 770 KW. (kauft 
noch 5MM) KW.). — Service industriel de la Commune de 
Lausanne mit 4280 KW. — Service industriel de la Ville 

I de Neuchälel mit 3100 KW. — Elektrizitätswerk Ollen- 
Aarburg mit 3430 KW. — Kraftübertragungswerke Bhein- 
felden mit 3700 KW. — Social« 5 des usines hydro-elec- 

1 triques de Montbovon mit 5100 KW — Societe des forces 
motrices de la Grande Eau mit 58110 KW. — Societe eiec- 
trique Vevey-Montreux mit 4<r20 KW. — Elektrizitätswerk 

I der Stadl Zürich mit 4900 KW. ikauft noch 3000 KW.l. 
ci Werke mit Gasmotoren. 15 Anlagen mit zusammen 
1558 KW. Zu nennen : Elektrizitätswerk Arbon mit 3ttJ 
KW. (kauft noch 500 KW.,. - Gas-. Wasser- und Elek- 
trizitätswerk Jer Stadl Biel mit 130 KW. (kauft noch 365 
KW.). - Societe du gaz et de I electncite de Colorobier 
mit 2* KW. - Davos-Schatzalpbahn mit 66 KW. - Ton- 
warenfabrik Einbrach mit 220 KW. - Elektrizitätswerk 
der Gemeinde Escholzmatt mit 45 KW. - Elektrizitäts- 
werk Jona mit .50 KW. i kauft noch NB KW. . - Wasser- 
und Elektrizitätswerk Bomanshorn mit 400 KW. (kauft 
noch 800 KW.|. - Elektrizitätswerk Kirchuster mit BIO 
KW. (kauft noch 80 KW ). 

di Dampfwerke. II Anlagen mit zusammen 4425 KW. 
Zu nennen : A.-G. Arnold B. Heine in Arbon mit 560 KW. 

— Fischer Elektrizitätswerke Dottikon mit 40 KW . - De, 
Binswanger in Kreuzlingen mit 60 KW. — Kantonale 
Irrenheilanstalt Munsterlingen mit 80 KW. — Elektri- 
zitätswerk der Gemeinde Huli mit 3t«) KW. | kauft noeU 
180 KW.). - Elektrizitätswerk Winterlhur mit 400 KW. 
i kauft noch 1000 KW.). 

e) Elektrische Bahnen mit einem Kraftbedarf von z i- 
I sammen 1 5* 47 * KW. Zu nennen: Chemin de fer eiectrique 
Aigle-Ollon-Monthev mit 300 KW. - Winenthalhahn mit 
| 720 KW. - Basier Strassenbahnen mit 1100 KW. - 



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THE NfcW YORK 

;i;?UC LIBRARY 



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SCHW 



scnw 



305 



Ferrovia eleltrica comunale di Bellinxona-Mesocco mit 
1500 KW. — Städtische Slrassenbahnen Dem mit 500 
KW. — Chemin de fer »Slectrique de )a Gruye>e mit 474 
KW. — Chemin de Ter electriquc BexGryon-Villara mit 
590 KW. — Jungfraubahngesellachaft mit 1900 KW. — 
Elektrische Bahn Freiburg-Murten-lns mit 220 KW. — 
Tramways de Fribourg mit 220 KW. — Compagnie gene- 
voise des tramways electriques mit 229 KW. — Tram- 
bahn der Stadt l.uzern mit 354 KW. — Chemin de Ter 
e^ectrique Martigny-ChAlelard mit 603 KW. — Tramways 
electriques Vevey-Montreux-Chillon-Villeneuve mit 5«! 
KW. — Tramways electriques de Neuch;Uel mit 400 KW. 
— Limmatthat-Slraasenbahn mit 200 KW. — Trambahn 
der Sudt St. Gallen mit 200 KW. - Chemins de Ter 
«Hectriques Veveysans mit 320 KW. ~ Gornergratbahn 



altera heute ein blühendes, mächtig ragsames Handels- 
volk von 3',' t Millionen Seelen geworden ist, verdankt 
die Schweiz wesentlich ihrer Industrie, insonderheit ihrer 
Kxportindustric. die durch ihren starken Bedarf an frem- 
den Höh- und Hilfsstoffen, sowie an Nahrungsmitteln die 
Einfuhr und durch ihre kräftige Exportproduktion die 
Ausfuhr zu der heutigen Höhe von 1469 bezw. 1075 Mill. 
Franken Wert, höher als Spanien und nahezu so hoch 
wie Italien, hat anschwellen lassen. Pro Kopf der Be- 
völkerung steht die Schweiz mit ihrem Handel in Ein- 
und Ausfuhr unbedingt an der ersten Stelle. 

Dieses gewaltige Gelriebe erstreckt sich der Hauptsache 
nach bis jetzt in breitem Kranze über das ganze oat-, 
nord- und westschweizerische Vorderland von St. Gallen 
bis Genf. Es dringt aber in neuerer Zeit mehr und i 









KlNFI'HK. 


1905 

Werte in millionks 

FRANKEN. 








AUSFUHR. 


Total — 




mittel 


Ruh- Fabri- 
»tolfe kat« 


1 Total - •/„ 


. - — . 
mittel 


Höh- 
tiiotTe 


Fabrik 

RBlo 


440.8 = 
274.3 = 

176.9 = 
91.5 — 


32 
20 
13 
65 


43.0 
94.1 
54.2 

40.5 


137.0 
99.7 

12,5 


200.8 

80.5 

32,5 


Italien . 

Oesterreich- Ungarn 


f 2.(2.0 = 
1 119.6 = 

0^,U 

54,4 - 


24 

12,3 

— Q 

D,o 

5,6 


21,5 
23,8 
9.1 
5,4 


09,5 
17,5 
10,5 
4,9 


141,0 
78,3 
37,4 
44,1 


983.5 = 


71.5 


237.8 


350.3 


389.4 


Tatnl (i rt'itzlmtiAfr . . 


463,0 = 


47,7 


59.7 




.*JU.O 


31,8 = 
8,0 = 
68,8 = 


2,3 
0.6 
5 


1.8 
2,6 
1,2 


11.9 
2.0 
14.0 


18.1 
3,4 
53,7 


Belgien 

England 


17,7 = 
6,6 = 
175,2 = 


1,8 
0,7 
18 


2, St 
1,0 
28,7 


1,2 
0,1 
1,2 


13,6 
5,5 
145.3 


108,6 — 


7,9 


5.6 


27. II 


75.2 


Total der Seemächte . . 


199,5 = 


20,5 


32,0 


2,5 


104.4 


77.1 — 
19.1 = 
22.5 = 
6.0 = 


5.6 
1.4 
1.6 
0,4 


73,6 
17,6 
22,1 
3,5 


'2.7 
0.6 
0,3 
1,4 


0.8 
0.9 
0.1 
1.1 


Uhriget Europa .... 


14,7 = 

7,6 = 
19.2 = 


2,9 
1,5 
0,8 
2 


2.9 
1,7 

0,9 
2,7 


1.0 

0.3 

0,02 

0.3 


23 8 
12.6 
6.7 
16,2 


124,7 = 


9 


11R.8 


5,0 


2.9 


Ohrige europäische Länder. 


69.2 = 


7,2 


8.2 


1.7 


59.4 


1217 = 


88 


300.3 


380.3 


467,4 


Total Europa . 


731,8 -- 


75,5 


100,0 


106.6 


524,6 


17.2 = 
1,9 = 


i .25 

0,13 


0,2 
1.0 


10.6 

0,8 


0.4 
0,1 


Übriges Afrika ..... 


' 5,8 - 
5.2 = 


0.6 
0,54 


0,6 
1.9 


0.0« 
0.04 


5.2 
3.2 


19.1 = 


1.38 


1.2 


17.4 


0,5 


Total Afrika . . 


11.0 


1.14 


2,5 


0,07 


8,4 


8,2=; 
19,7 = 
9,8 = 


0,6 
1,4 
0,7 


4.0 

0.8 
5,4 


2.8 
16,8 
4.0 


1,4 

2,1 
0,4 


Britisch Indien .... 


16,8 = 

19,7 = 
77 


1,73 
2 


3,7 
1,7 
1.6 




13.1 
18,0 
6.1 


37.7 = 


'2.7 


10. 2 


23.0 


3,9 


Total A*nm . . 


44.1 - 


4.53 


7 




37.2 


56,9 ~ 
10.3 = 
17,5 = 
11.2 = 


4.13 

0,75 
1.27 
0.8 


7.3 
8.9 
15,6 
7,7 


32.:» 
1,4 
1.9 

2.8 


17.1 
0.02 
0.04 
0.7 


Vereinigte Staaten . . . 

La Plataländer .... 
Übriges Amerika .... 


125.0 - 

5.5 =. 
16.1 = 
23,8 _ 


12.9 
0.56 
1.7 
2.42 


II. 3 

1.2 
0,8 
1.6 


1,2 

0.1 
0.1 


112.5 
4.3 
15,2 
M.1 


95,9 = 


6.95 


39,5 


38,6 


17.8 


Total Anirrika . . 


170,4 = 


17.6 


15,0 


1.4 


154.0 


10,2 = 


0.74 


0.2 


9.9 


0.1 




5.1 = 


0.53 


2.4 




2.7 












Unbestimmbar 


6.7 


0.7 


0,8 


0,2 


5.7 


| 1379.» - 1(Xi 


411,3 


478,8 


489.8 


Total . , 


909.3 -100 


128.3 


1US.3 


732.7 



(Zermatt) mit 750 KW. — Elektrische Strassenbahn der 
SUilt Zürich mit 1500 KW. 

Die Anzahl der elektrischen Glühlampen zu 50 Walt 
kann auf 1250000 geschützt werden. Die primären oder 
Hauptleitungen endlich umfassen eine Lange von 4600 km, 
die sekundären oder VerteilutigsleitunRetr eine solche von 
3657 km. [I"*-'- a. Bbi.i.knut.) 

XI. Handel. K. Ali gemeine Uehehsicht. Wenn der 
'landel der Schweiz heute und seit lange schon eine 
.uisserordentlich starke Kniwicklung aufweist, so ist da» 
nicht etwa durch die Gunst der geographischen Bedin- 
gungen des Landes, sondern ganz im Gegenteil trotz ihrer 
ausgesprochenen Ungunst so geworden. Von Natur wäre 
die Schweiz eine kleine Hauernrepuhlik geblieben von 
höchstens 1'/«-2 Millionen Einwohnern, mit enge und 
nieder ausgemessenem Bedürfnis reis ohne starken Im- 
portbedarf und ohne die Fähigkeit, eine stärkere Zufuhr 
zu bestreiten. Dass aus dem BaurrnUaale des Mittel- 



weiter vor ins Landesinnere, bis an den Fuss des Ge- 
birges, ja bis tief in dasselbe hinein. 

Die Hauplhandelsplätze an der Grenze sind Basel 
und Genf, die KinlriltJtore am Hhein von Norden und Nord- 
westen, von den Wclthäfen der Nordsee und des Aermel- 
kanals her einerseits und an der Rhone von Südwesten, 
vom Mittelmeer her ohne Durchbrechung des Gebirgs- 
walls der Alpen andrerseits. Im Innern steht Zürich als 
Handelsplatz an erster Stelle. Daneben St. Gallen und 
Wintertiiur im Osten. Luzorn und Hern im Zentrum. Biel, 
Neuenbürg und l-ausanne in der Westschweiz, sowie viele 
kleinere Orte für einen beschränkteren Umkreis. Fur das 
lokale Festwurzeln des Handels sind in der Schweiz wie 
überall geographisch bevorzugt die Eininündungspunkte 
sonst getrennter Thalxchaften (Banz, Tliusis. lU'ichenau. 
Chur, Landnuart, Sargans. Glarus etc.). die Wegkreu- 
zungen und Krückenot le, welche von allen Seiten her die 
Slrassenzüge anziehen und wie in einem Bündel zu. 

208 - «Eonn. lex. V - 20 



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SCIIVY 



SCIIVV 



sammenfassen (Solothurn. Ölten, Brugg), sowie au» dem- 
selben Grunde die Seenkopfe, zumal diejenigen am untern 
Knde der Seen (Genf, Neuenbürg. Miel, Thun. Luzern. 
Zürich). 

Indessen liegt die Hauptaufgabe einer g e o g r a p h i- 
schen Schilderung des Handels der Schweiz 
offenbar weniger nach der Seite seiner Lokalisierung im 
Innern den Landes, welcher Aufgabe wir uns implicile 
bereits bei dem Hundgang durch die schweizerische In- 
dustrie von Nordost nach Südwest im vorigen Abschnitt 
unterzogen haben. Hier handelt es sich vielmehr in crrter 
Linie um die machtige Entfaltung des Aussenhandels der 
Schweiz, um die Ausstrahlung des schweilerischen Ex- 
ports nach allen Ländern und Zonen und umgekehrt um 
die Kennzeichnung der wichtigsten Bezugsquellen der 
Schweiz für ihren hochgespannten Importbedarf. Da- 



Drogen. sowie vor allem an Getreide, insonderheit Weizen 
und Mais. So erklären sich die starken Bezüge der 
Schweiz aus Italien und Ostasien wesentlich aus dem 
Seidenimport, diejenigen aus Russland und Nordamerika 
aus dem Getreide- und Petroleumimport. Für Nord- 
amerika kommen ausserdem Baumwolle und Bohtahak 
stärker in Betracht. Hie Zufuhr aus Aegypten besteht fast 
ganz aus Baumwolle, diejenige aus Australien fast ganz 
aus Wolle u. s. f., wobei allerdings wohl zu beachten ist, 
das» viele Importe nicht unter ihrem ursprünglichen Er- 
zeugungsland, sondern unter dem Land ihrer letzten Ver- 
edlung figurieren, so z. B. die ostasiatische Seide unter 
Italien und Frankreich, wo sie gezwirnt wird, viel rus- 
sisches Getreide unter Frankreich und Italien, wo es zu 
Mehl verarbeitet wurde, die meisten spanischen und über- 
seeischen Erze unter Frankreich, England und Deutsch- 




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OESTERREICH UNGARN > 



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Schweizerische Einfuhr (UilUil au« «len Jahreo IMXM'JXti. 



rüber »oll die Uebersicht des Verkehrs mit den wichlipten 
Ländergruppen (Tabelle auf Seite 305) orientieren (Werte 
in Millionen Franken). 

Aus dieser Tabelle geht hervor, dass Europa Jahr für 
Jahr über 80% des gesamten Außenhandels und dass 
die 4 Grenzläncler allein 71",,, der Einfuhr und W* 0 /,, der 
Ausfuhr der Schweiz in Beschlag nehmen. 

Geographisch bedingt ist da vor allem die Präpondcranz 
des deutschen Marktes in Ein- und Ausfuhr, in gerin- 
gerem Masse die der drei übrigen Grenzender. Der Nah- 
verkehr, bezw. der Verkehr mit den nächsten l.ieferungs- 
orten der unentbehrlichsten Rohstoffe und Lebensmittel, 
Kohle und Eisen. Schlachtvieh und Fleisch. Zucker und 
Wein, auch verschiedener Hodenfrüchte, ist naturgemäss 
in der Regel der stärkste. Darüber hinaus sind aber für den 
Import der Schweiz weiter entlegene Länder von wesent- 
licher Bedeutung durch den fast volligen Mangel an 
eigenen und den starken Bedarl der schweizerischen ln- 
duslrie nach überseeischen Rohstoffen (Seide. B.iutnwolle. 
Wolle) und manchen Lebensmitteln (Kolonialwaren). 



land. wo sie eingeschmolzen oder ausgewalzt werden, die 
überseeische Wolle unter Frankreich und Ileutschland. 
wo sie gewaschen und gekämmt wird u. s. f. Es folgt 
daraus, dass die EinfuhrzilTcrn der Schweiz aus ihren 
Grenzländern, sowie auch aus Belgien und England stets 
ziemlich stark mit überseeischen Elementen versetzt und 
daher virtuell und dem Werte nach ii hersetzt sein werden. 

Bei der Ausfuhr gilt das Gegenstück dazu natürlich 
gleichfalls in hohem Masse, da die schweizerische ExjK>rt- 
industrie mit Ausnahme der Milchwirtschaft weil über- 
wiegend ausländische, grossenteils überseeische Rohstoffe 
oder europäische Halbfabrikate weiter und fertig verar- 
beitet, so dass von ihrem gesamten Exportwert teilweise 
nur massige Bruchteile als wirklicher Anteil der Schweiz 
angesprochen werden können. Davon war bereits im 
vorigen Abschnitt näher die Hede. Doch mus* ausdrück- 
lich hervorgehoben werden, dass die schweizerische 
Handelsstatistik nicht nur grundsätzlich, soweit irgend 
möglich, dem ursprünglichen Herkunft»- und dem end- 
gilligen Bestimmungslande nachgeht. 



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SCHW 



SCIIW 



SOI 



damit auch praktisch viel konsequenter verfahrt als die 
wenigen andern Linder, die diesem Grundsatz huldigen, 
d. h. das« sie namentlich alle blossen Zwisrhenhaiidels- 
plemente, soweit solche irgend erkennbar sind, aus ihrem 
Spezialhandel in Ein- und Ausfuhr gänzlich ausscheidet, 
sodass derselbe im Vergleich in dem der andern Länder 
von vornherein besonder» reduziert ist. Hei der näheren 
Betrachtung der Zahlen unserer Tabellen ist zu beachten, 
das» 1905 namentlich forden llezug fremder Fabrikate nach 
der Schweiz deshalb ein ausserordentlich starkes Import- 
jähr war, weil auf den 1. Januar 1 SsfM» neua und zwar viel- 
fach höhere ZoliansiUe in Sicht standen Mit diesem Vor- 



behalt besagen obige Ziffern in der Hauptsache folgendes 
aas (dieser folgende Abschnitt ist mit Genehmigung des 
Herausgebers und des Verlegers, sowie mit den notwen- 
ngen auf das Jahr 1905 der vom Schweize- 
innischen Verein veranstalteten und bei 
& Co. in Zürich erschienenen Wirttvhaf In- 
der Schweiz 




lischer Indiislrieprodukle stellen sich die entsprechenden 
Hinfuhren aus andern Lindern mehr nur als Krgänzung 
in bestimmter Hichtung dar. Aus Oesterreich (32' t Mill.i 
kommen hauptsächlich liretter und Holzwaren, aus Nord- 
amerika (17 Mi II Maschinen und Eisenwaren, an* Hel- 
gien {18 Mill.) und aus Italien i1.V' ;l Mill.) Teitilprodukte 
verschiedener Art, aus Helgien ausserdem Glas-, Leinen- 
un.l Wollwaren, sowie Maschinen. 

An der schweizerischen Nahrungsmittel 
sind Hussland. Frankreich und Itahen am stärks 
teiligt , in zweiter Linie stehen Oeslerreich- 
Deutschland, weiterhin die Donaulander. Spanien und 
Amerika. Je nach den einzelnen Importartikeln gruppie- 
ren sich die verschiedenen Lieferanten aufs raannigfal- 
ligste zusammen. 

Vom gesamten Werte der schweizerischen Getreideein- 
fuhr kommt je und je die Hauptmasse auf Hussland, wah- 
rend sich der Best von Jahr zu Jahr sehr verschieden auf 



von T. Geering und 
R.Hot-K 3. Aull 1903. 
Seilen KL 86-911 ent- 
nommen) : 

/. Z>ie Uetugtge- 
biete der Schweiz. 
Auf den ersten Wiek 
fällt das Ueberge- 
wicht Deutschlands 
in der Hinfuhr 
von Fabrikaten 
auf. Mehr als die 
Hälfte der Gesamt- 
einfuhr der Schweiz 
an fremden Indu- 
strie - Erzeugnissen, 
261 von 490 Mill. Fr., 
hat Deutschland ge- 
liefert ; Frankreich 
und England stehen 
hinler dieser Ziffer 
mit 80' , und 53*/;, 
Mill. Fr. weit zurück. 
Die grossten Hosten 
sind deutsche Eisen- 
waren und Maschi- 
nen mit 58 Mill. Fr., 
VVoll • u. Katimwoll- 
waren mit 42 bezw. 
28 Mill. Fr . Leder 
und Lederwaren mit 
19V, Millionen Fr. 
Daneben hat aber 
Deutschland bei- 
nahe für alles und 
jedes an der Schweiz 
seiner besten 
Und in- 
seines Heich- 
an 



Ausfuhr 




Kodenschätzen und der Viel- 
seitigkeit seiner Industrie sind wohl drei Vierteile dieses 
starken Importes als Erzeugnisse deutschen Hodens und 
deutscher Arbeit anzusprechen. Die blosse Weilerver- 
arbeitung fremder Rohprodukte oder Halbfabrikate tritt 
bei dieser deutschen Exportproduktion durchaus zu- 
rück. An Vielseitigkeit kommt dem Import deutscher In- 
dustrieprodukte derjenige aus Frankreich am nächsten. 
Doch beträgt die ganze Einfuhr franzosischer Fabrikate 
kaum ein Drittel derjenigen aus Deutschland, und zudem 
sind darin nichl-franzosische Rohstoffe und Halbfabrikate 
in ziemlich starkem Masse inbegriffen. Auch hier stehen 
Eisenwaren und Maschinen mit 13V, Mit). Fr. obenan ; 
dann folgen Seiden- und Wnllwaren mit 7 bezw. 10 
Mill. Fr. Von dem Fabrikatenimport aus England (53*/ 3 
Mill.) sind Aber vier Fünftel Textilprodukte, hauptsäch- 
lich Baumwoll- (33'/, Mill.) und Wollwaren (9V ; , Mill.), 
dann Maschinen i3' Mill . Im ganzen aber liefert uns 
Kngland weit überwiegend Rohprodukte (Eisen 10 Mill. I 
und Halbfabrikate (Baumwollgarne T.fi und Hollge webe 

III . ). 

deutscher, französischer und eng- 



Spezulhandel der Schweiz mit den wichtigst™ Lindern 1SW-190I. 

Nordaroerika, die La Plata-, die Ralkan- und auch auf 
die vier Grenzländer verteilt. Frankreich liefert haupt- 
sächlich Mehl. Oesterreich Malz. Süddeutschland Hafer 
In die Weinzufuhr teilen sich, im Werte weniger als 
in den Mengen verschieden, Spanien. Italien und Süd- 
rrankreirh. im weitern Oeslerreich, Griechenland und 
Deutschland : in den Zuckerimport (1«r>: 33.7 Mill. Fr.| 
Prag (14.7 Mill.), Pari« (6,8 Mill.i und Frankenthal 
(10.3 Mill ). Speiseöl liefert hauptsächlich Südfrankreich 
(2.0 Mill ). sodann llalien |0.7 Mill ); Butter und Käse 
Savoyen 5,2 Mill.). die Lombardei (4,9 Mill.i und Steier- 
mark (1,1 Mill ). Eier bezog die Schweiz im Jahr 1905 
am meisten aus Italien (o,3 Mill.), sodann aus den 
Donauländern (3,1 Mill.i und der Türkei (1,5 Mill.i. aus 
Steiermark (2,3 Mill.) und aus Frankreich (1,7 Mill.); 
Geflügel aus Frankreich Bresse ; 5.6 Mill.) und Italien 
(2.5 Mill.). Schlachtvieh und Fleisch kamen im Jahr 
1905 am meisten aus Frankreich (24,8 Mill.), haupt- 
sächlich aus Savoyen. und aus llalien (17,7 Mill.i. we- 
niger aus Deutschland (4,9 Mill.i und Oesterreich l'ngarn 
i6.4 Mill.i. Doch wechseln diese Lieferanten tierischer 
Nahrungsmittel, namentlich Italien und Oesterreich, be- 



ignizeo Dy 



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308 



SCI1W 



SGHW 



ständig ihren Hang, je nach dem Stande der Ernten und 
der Seuchen. Hauptlieferant für konservierte» Fleisch 
t2,4 M 1 1 1 und Schweineschmalz (1.85 Mill.i ist die Union. 
Kartoffeln und Obst produziert die Schweiz im ganzen in 
genügender Menge; ihren Bedarf an Primeurs und Spe- 
zialitäten deckt sie wesentlich in den Grenzländern - 
Südfrüchte kommen hauptsächlich aus Italien und Spa- 
nien, in zweiter Linie aus der Levante und Südfrankreich. 

Von den eigentlichen Kolonialwaren verdient vor allem 
der Kaffee Erwähnung. Von der gesamten Kinfuhrmenge 
machen Rio und Santos regelmässig etwa zwei Drittel, 
vom Einfuhrwert die Hälfte aus (1905 : 6 von 11 Mill. Fr.); 
darauf folgen Java (2,5 Mill.i, Zentralamerika (1,4 Mill.) 
und Ovlon Ii Mill ). Ihren starken Bedarf an Kakao (1905: 
7 Mill. Fr. j deckt die schweizerische Schokoladenindustrie 
der Hauptsache nach in Süd- und Mittelamerika ; ausser- 
dem kommen regelmässig ansehnliche Posten aus Ceylon 
und von der afrikanischen Goldküsle. Im Tee herrscht 
immer noch China vor. neben welches Land aber mehr 
und mehr Ceylon tritt. Den Reis liefert zur grössern 
Hälfte Italien, zur kleinem Indien nebst Ostasien. Der 
Tabakimport der Schweiz im Betrage von 8 Mill. Fr. 
stammt grösstenteils aus der Union i IV , Mill l, sodann aus 
Niederländisch Indien (1,7 Mill.) und Brasilien (1 Hill.); 



zig (5'; 4 Mill.) und Antwerpen <2' , Mill.) erhält. Nur die 
kleinere Hälfte wurde direkt aus Australien (9 1 ,, Mill.) 
und vom La Ptata (0,37 Mill.) bezogen. 

Nächst der Seide bilden je und je den Hauptposten des 
Rohstoflimports der Schweiz : Kohle mit 6.V , itUOH Maxi- 
mum nach Menge und Werl: 74.7 Mill.i und Eisen mit 
46,3 Mill. Fr. ; speziell deutsche Kohle (51 Mill. Fr., wovon 
Vi von der Ruhn und deutsches 



II aus dem Saargebiet, 



Eisen (27 Mill.). Die deutschen Lieferungen werden 
ergänzt durch französische (8 \ Mill. ) und belgische 
Kohle (4,9 Mill.), sowie durch schottisches (10 Mill.i 
und franzosisches Ki-en (6,4 Mill.). Von den teurem 
und den edeln Metallen gilt, ganz wie von Wolle 
und Seide, Flachs und Hanf. Jute und Kautschuk, das* 
bei weitem das Meiste ursprünglich aus der Erzeugung 
entlegener, vorzugsweise überseeischer Lander stammt, 
aber in Frankreich, Deutschland. Italien, England etc. 
einen Schmelz-, Legierung»- oder Umformungsprozess 
durchmacht, der es für die Statistik zum Produkt dieser 
europäischen Hauptlieferanten umstempelt ; so nament- 
lich spanisches, amerikanisches und austral-asiatisches 
Kupfer, desgleichen Zinn und alles Edelmetall. 

Petroleum liefert der Schweiz zur Zeit weil überwie- 
gend die Union (6 1 : , Mill.), daneben immer noch Huss- 



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Millionen 



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7 



EINFUHR 



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89 1890 9t 92 93 9t 9J 96 97 98 «9 1 900 Ol N 03 0". 03 89 1890 91 91 13 9» 9b 96 97 98 99 1900 01 02 OS 



Spezialhondel der Schweiz nach wirtschaftlichen Kategorien IB.SV-1'JÜI. 



dagegen bleibt infolge der Nachwehen des kubanischen 
Krieges Zentralamerika 10,33 Mill.i immer noch ausser- 
ordentlich weil zurück. 

Den stärksten Drittel der schweizerischen Einfuhr, je 
nach den Preisen und dem Geschäftsgang auch zwei 
Fünftel, machen in der Regel die H o h s t o f f e aus. Das 
Jahr 1905 macht davon nur deshalb eine Ausnahme, weil 
die Einfuhr von Fabrikaten wegen der auf Anfang 1906 ein- 
getretenen Erhöhung vieler schweizerischen Zolle ausser- 
ordentlich hoch war (490 Mill. gegen 479 Mill. HnhstolTim- 
portim vorangehenden Jahr). Wie bei den Nahrungsmitteln 
das Getreide, so steht hier die Rohseide mit 135 Mill. Fr. 
Importwert weit obenan. Nahezu drei Viertel davon, 94' 
Mill. Fr. Wert, hat scheinbar Italien geliefert; in den Rest 
teilen sich Ostasien 1 16 Mill.) und Frankreich (SS Mill.). 
Doch wäre es verfehlt, diese ganzen 94% -f- 22 Mill. F'r. 
als wirklichen Anteil der europäischen Seidenerzeugung 
an der Versorgung des schweizerischen Marktes anzu- 
sehen. Vielmehr ist wohl die Hälfte davon auf Japan- und 
Chinagrege zu rechnen, welche in Italien und Frankreich 
Mus- gezwirnt worden i*t- Ostasiatisclie Trame und < tr- 
ganzine werden in der schweizerischen llandelsslatistik 
nicht unter den ersten Ursprungs-, sondern unter den 
Veredlung»- (d. h. Zwirnungs- ilandern aufgeführt. Nur 
Cocons, Dechets und Grege kommen direkt aus Japan 
und China nach der Schweiz. 

Aehnliches gilt von der überseeischen Wolle (1905: 
22* i Mill. i. welche etwa zur Hälfte ihre erste Zubereitung 
in Mazamct (französisches Dep. Tarn; 3',', Mill.). Leip- 



land( 1.4 Mill.) und in steigendem Masse Galiziend' .Mill. 
sowie Rumänien (0,2 Mill ). 

Die eigene llolzproduktion in der Schweiz im Werte von 
40Mill. Fr. reicht immer weniger zur Deckung des Landes- 
bedarfes hin. Im Jahr 1905 wurden für volle 30 Mill. Fr. 
fremde Hölzer, hauptsächlich aus Oesterreich und Deutsch- 
land, eingeführt, wahrend die Ausfuhr nur 2'/, Mill. Fr. be- 
trug. Ebenso herrschen die Lieferungen der Nachbarn vor 
beim Import von landwirtschaftlichen und tierischen Roh- 
produkten aller Art, sowie von Chemikalien. Dagegen ver- 
mag sich die Schweiz vollauf selbst zu genügen in ihrem 
Rohstoffbedarf für die Lederbereitung : rohe Häute und 
Felle wurden im Jahr 1905 für nahezu 14 Mill. Fr. aus- 
geführt und nur für 4'/ : , Mill. Fr. vom Auslande bezogen. 
Aehnliches gilt vom Baumaterial, woran die Schweiz 
Ueberlluss hat. 

//. Abtat igelttet*. Als wichtigstes Absatzgebiet 
der schweizerischen Industrie steht England da. Von den 
733 bezw.. einschliesslich der industriell hergestellten Le- 
bensmittel. K5oMill. F'r. Gesamtexport der schweizerischen 
Industrien im Jahr 1905 hat es nahezu einen Viertel ( 145 
hezw. 174 Mill.i aufgenommen, wovon nahezu die Hälfte 
Seidenwaren 1 74,4 Mill.), fast ein Viertel Stickereien und 
Plaltstichgewebe (31 Mill.) und für 16.3 Mill. F'r. Taschen- 
uhren ; dazu kommt für 1.V , Mill. Fr. kondensierte Milch. 
Abgesehen von diesem letztem Posten, in welchem Eng- 
tand der Hauptabnehmer der Schweiz ist. kehrt eine 
ähnliche Zusammensetzung des schweizerischen Exports 
I bei den sämtlichen Hauptausatzgebieten stereotyp wieder. 



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SCHW 



SCHVV 



300 



Nur das» dazu bei den Grenzländern und vielen 

stärkere Posten von Käse. Maschinen und 
1 hinzutreten. Außerdem sind in «lern Absatz 
nach den Grenzländern vielfach die lialbfahrikate starker 
vertreten als die fertigen Erzeugnisse. So machen na- 
mentlich im Textilexport der Schweiz nach Deutschland 
ißtP.'jMill. ). dem scheinbar zweit besten Kunden für chwei- 
zerachelnduslrieerceugnissei 1905: MI bezw.. einschliess- 
lich der fabrizierten Lebensmittel, I.Y? Mill. Fr.J. die Halb- 
fabrikate Schappe (17 Mill.) und Seidengarn (10.3 Mill.i, 
wollene und baumwollene Garne (je 6 Mill.) und ruhe 
llaumwollgewebe (4,9 Mill.i, also lauter Artikel, an denen 
relativ sehr wenig schweizerische Arbeit und Veredlungs- 
verdienst haftet, über zwei Drittel <44.'2 Mill. Fr.) der be- 
züglichen Exporte aus. 

In dritter Linie stehen die Vereinigten Staaten, welche 
im Jahre 1905 für 112«/,, einschliesslich der Nahrungs- 




internationalen Wettbewerb nach dem Grundsatz der 
offenen Tür zu gleichen Bedingungen zugänglich waren. 
Die Schweiz wird deshalb in der Kolonialpolitik stets 
eher auf Seite Englands und Deutschlands stehen als auf 
derjenigen Frankreichs. Husslands und der Vereinigten 
Staaten, welche ihre Kolonien buTs strengste in ihr eige- 
nes schroffes Prohibitivsystem einbeziehen und damit die 
Ausbeutung ihres Kolonialmarktes in den Händen ihrer 
eigenen Kaulleute und Unternehmer mnno|M>lisieren. 

Schlu$$belrachtungen. Im ganzen folgt aus dem Gesag- 
ten, und es ist dies auch durch die geographische Lage 
der Schweiz als Binnenland ohne eigenen Seehafen be- 
dingt, dass die schweizerische Volkswirtschaft in Absatz 
und Bezug vorwiegend auf den Güteraustausch mit den sie 





Wß 'TSlgie * DEUTSCHLAND/-'" 



ESTERREICH UNGARN 



Q00000 
»n. u M mm |tK 

jSONAL'lANDER 



Schweiterinche Ausfuhr (Mitt<-1 an» »899-1903). 



mittel sogar für IM 1 /« Mill. Fr. schweizerische Industrie- 
Produkte aufgenommen haben, hauptsächlich Stickereien 
(58i/„ 1906: 72 Mill.) und Seidenwaren (30 Mill.), ferner 
I hren (8,85 Mill ). Käse (7 1 /,. 1906 sogar 9,4 Mill.) und 
Fnrbwaren (4,6 Mill.). Sodann folgen Frankreich mit 78 
bezw. 98 Mill., Oesterreich-Ungarn mit 44 bezw. 48 Mill.. 
Bussland mit 23.8 bezw. 25,7 Mill.. Italien mit 37,4 bezw. 
45.5 Mill.. Ostasien mit 18 bezw. 19,7 Mill. und Britisch 
Indien mit 13 bezw. 16.6 Mill. Fr. 

Es kann sich hier nicht darum handeln, in beständiger 
Wiederholung aufzuzählen, wie viel von jedem schweize- 
rischen Hauptprodukt ein jedes dieser Länder jährlich 
aufnimmt. Genug, das» sich der Kleidungsweise zufolge 
Afrika und Asien ebenso empfänglich zeigen für bunte 
und leichte Stoffe, wie ablehnend gegenüber Stickereien 
(mit Ausnahme der indischen ■ Kolonnen ■, d. h.Tüll mit 
Banken bestickt) und Seidenbandern. Doch wird dies mit 
dem Vordringen europäischer Mode, z. B. in Japan, zu- 
sehends anders. Dasselbe gilt für den Schweizerkäse. 

Als mächtigster Förderer der Verbreitung schweizeri- 



ringsum einschliessenden vier Grossmächten angewiesen 
ist. Für ihren Export kommen ausserdem hauptsächlich 
England und Nordamerika in Betracht. Demgemäss legt 
die Schweiz denn auch den Schwerpunkt ihrer Handels- 
politik je und je auf die Erzielung möglichst annehmbarer 
Verkehrsbedingungen mit ihren vier Nachbarn. Hier so- 
wohl als gegenüber Spanien und Serbien ist es ihr in den 
Verhandlungen der letzten drei Jahre gelungen, ein Ver- 
hältnis herbeizuführen und — ausser gegenüber Frank- 
reich — auf längere Zeit zu sichern, das ihrem gewohnten 
Absatz die Fortdauer in annähernd gleicher Hohe ver- 
spricht, teilweise sogar ihm eine gewisse Ausdehnung über 
seinen bisherigen Umfang hinaus gestatten mag. Dagegen 
besteht gegenüber England und Nordamerika gleichwie 
gegenüber allen andern Ländern lediglich das Verhältnis 
der gegenseitigen Meistbegünstigung zu Hecht, das ihr 
wenigstens die Konkurrenz zu den gleichen Bedingungen 
mit allen andern Dritten garantiert. [I>r T SmM.] 

B. BANKWESEN. Der Gedanke, Kreditanstalten zu grün- 
den, welche den Staat oder die Gemeinden mit den zu 



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310 



SCHVV 



SCHW 



ihrer Verwaltung notwendigen Geldern zu versehen im- 
stande sind, ist keineswegs neu. Solche Kreditanstalten, 
die man mit dem Namen von « Banken « belegte, wurden 
durch die Staatsverwaltungen und unter deren Aufsicht 
schon im Mittelalter eingerichtet, und zwar der Reihe 
nach in Italien. Deutschend und Holland. Die Schweiz 
blieb auf diesem Gebiete ihren Nachbarn gegenüber lange 
Zeit im Hockstand. Allerdings lindet man in Zürich schon 
seit 1755 die wichtige Dank von Lcu& Cie (im Volksmund 
• Leuenbank • geheissen). die ihren Geschäftskreis nach 
und nach nicht nur über die ganze Schweiz, sondern auch 
auf die bedeutendsten Staaten Kuropas ausdehnte. Diese* 
Kreditinstitut, das als die älteste derartige Hinrichtung 
in der Schweiz betrachtet werden kann, steht heute noch 
in Blüte und geht jetzt besonders darauf aus, seine Be- 
ziehungen zu den Vereinigten Staaten von Nord Amerika 
weiter auszudehnen. Wenn wir aber von dieser Bank 
Leu & Cie. absehen, kann festgestellt werden, dass die 



wenig scharf gehandhablen) Slaatsmonopoles an eine in 
die Kerne zielende Wirksamkeit kaum dachte. 

Die Macht der Verhältnisse Hess aber unsere Banken 
bald erkennen, wie notwendig eine allseitige Verstän- 
digung durch ein Konkordat zur gegenseitigen Annahme 
und Einlösung der llanknoten. zur Auslieferung von Man- 
daten, zur gegenseitigen Einlösung von Handelsetleklen 
ii. s. w. sei. Nach verschiedenen besondern Uebereiu- 
künften, deren erste aus 1852 datiert, kam am 8. Juli 1K7<> 
ein allgemeines Konkordat zustande, dem gleich von An- 
fang an 20 Emissionsbanken beigetreten waren. Nach 
mehrfachen Abänderungen, besonders in den Jahren 1877» 
1878 und 1882. vermochte dieses Konkordat schliesslich 
sämtliche 36 Emissionsbanken der Schweiz um sich zu 
gruppieren. 

Ks steht ausser allem Zweifel, dass dieses Konkordat, 
das am 1. Juli 1.W7 infolge der Erotl'nung der Schweize- 
rischen Nationalbank hinfällig geworden ist, vorzügliche 




Oes amtbetrag des Kapital« der Hauptbankeu in den Ortschaften der Schweix. 



ersten Kantonalbanken in der Schweiz erst zu Beginn des 
19. Jahrhunderts entstanden sind. Deren zeitlich erste 
war die im Jahr 1834 als Staatsbank gegründete Berner 
Kaotonalhank, aufweiche im Jahr 1K» die St. Galler und 
dann 1837 die Zürcher Bank folgten, welche beide letztern 
zunächst mit dein Staat in keinerlei Beziehung standen. 
Seither vermehrte sich die Zahl der Kantonalhanken in 
rascher Folge, sodass wir in der Schweiz schon am Ende 
des Jahres i8&4 nicht weniger als 20 Emissionshanken 
finden. Diese Zirkulationsbanken, die entweder durch 
private Initiative oder unter Mithilfe der kantonalen Re- 
gierungen entstanden waren, hatti n bis /um Jahr 1875 
nur eine rein lokale Bedeutung, indem ihr Wirkungskreis 
und die Zirkulation ihrer Noten selten uh 



des Kantones, in 



über die Grenzen 
sie ihren Sit/, aufgeschlagen, 



hinühergrilTen. Zu beachten ist in dieser Hinsicht auch, 
dass die grosse Verschiedenartigkeil der kantonalen Ge- 
setzesvorschriften diese Institute auf einen unter sich 
verschiedenen Boden stellte und eine gewisse Zahl der- 
selben wegen des mit ihnen verknüpften (z. T. allerdings 



Dienste geleistet und im weitesten Mass dazu beigetragen 
hat, die allgemeinen Geschaftsbeziehungen in unserm 
Land zu erleichtern und zu begünstigen. 

Mit zunehmender Entwicklung und Ausdehnung der 
Verkehrswege, der Industrie und des Handels der Schweiz, 
sieht man in den verschiedenen Kantonen neben den Emis- 
sionsbanken noch zahlreiche I'rivatinstitute entstehen, 
die sich ihren Wirkungskreis als Wechselbanken. Hypo- 
thekarbanken, Spar- und Leihkassen etc. suchen. Von 
solchen Instituten nennen wir bloss die zw ei bedeutendsten, 
nämlich die im Jahr l8iV> gegründete « Schweizerische 
Kreditanstalt » in Zürich, die heute mit einem voll ein be- 
zahlten Kapital von <>5 Mill. Fr. und einem Reservefonds 
von 20 Mill. Fr. arbeitet, und den «Schweizerischen 
Bankverein » in Basel mit einem autorisierten Kapital von 
75 Mill. Fr., dessen einbezahltes Kapital sich zur Zeit auf 
62800000 Kr. belauft, während der Reservefonds auf 
11280000 Kr. angewachsen ist. 

Nach einer von Nationalrai Hirter in Bern, dem Präsi- 
denten des Bankrates der «Schweizerischen .Nationalbank». 



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SCIIW 



SCIIVV 



311 



in der Schweiz im 



NotauiriuiUhori dire. juorobsnks« 
«Jjkradunlurf.n.,. 4J:br ICC« >m 



aufgestellten Statistik zählte man 
Jahr 1901 : 
1. Hinsichtlich der Organisation: 
23 Staatsbanken. 
3 zum Teil staatlich ga- 
rantierte Aktienbanken. 
234 Aktienbanken ohne 

staatliche Beziehungen. 
170 Genossenschaften. 
30 Gemeindeinstitute und 

Stiftungen. 
260 Privatbanken. 
Total 726 Bankinstitute. 
3. Hinsichtlich d. Geschäftskreises: 
125 Handelsbanken und Ban- 
ken mit Handels- und 
Hypothekarabteilung. 
4 reine Inkassobanken. 
15 reine Hypothekarbanken. 
269 Spar- und Leihkassen. 
•2641 Wechselstuben. 
47 Kredit- u. Spargenossen- 
schaften. 

Total 726 Bankinstitute. 

Dabei ist zu bemerken, dass eine 
grosse Anzahl dieser Banken in allen 
bedeutenderen schweizerischen Ort- 
schaften Filialen und Agenturen be- 
sitzen. 

Die nachfolgende Statistik vom Jahr 
1900 zeigt den seit der Gründung der Berner Kantonal bank 
im Jahr 1834 erfolgten Aufschwung der schweizerischen 
Banken wahrend der zweiten Hälfte des 10. Jahrhundert«, 
lu den schweizerischen Banken waren im Jahr 1900 fol- 
gende Kapitalien i in Tausenden von Franken) angelegt : 
Kantone Kinbezahlte 

Fr. 

Aargau 21 «81 

Appenzell I. R — 

Appenzell A. R 3 5O0 

Basel Land 9 000 

Basel Stadt IM 454 

Bern 76 382 

Frei bürg 28900 

Genf 36080 

01a rn* 3 7TiO 

firaubtmd. n 4 021 

Luzerti 11 400 

Neuenbürg 12 (KW 

Nidualrlen 500 

Oh wählen 500 

St tlallen 28 680 

Schall bannen 4 {100 

Scliwvz 20V) 

Solothnrn 9825 

Tessiii 7 625 

Thurg;.ii 14 250 

Iri 750 

Waadt 32 040 

Wallis 250 

Zürich 208112 

Zug 4000 

Total in Tausenden 



Angesichts der Gründung der Schweizerischen National- 
bank hat die Schweizerische Kreditanstalt in Zürich ihr 




Fr. 
5390 

526 
3000 
22 000 
11000 
2000 
8500 
1000 
2 700 
2600 
4200 
132 
180 
8500 
2000 
750 
2 300 
1 400 
4:W) 
200 
9300 
6 

:i4 45* 

720_ 

von Fr. 633 229 127 298. 

Neben dem beträchtlichen Aufschwung, den der Geld- 
markt in der Schweiz während eines verhältnismässig 
kurzen Zeitraumes genommen hat, zeigen diese Zahlen 
auch noch die Reihenfolge der einzelnen Kantone hinsicht- 
lich des Bankwesens. 

Von 1900 an lässt sich nachweisen, dass die hauptsäch- 
lichsten Kreditinstitute der Schweiz sich darauf einzu- 
richten suchen, den Anforderungen unserer Zeit mehr 
und mehr Rechnung zu tragen. Diese drängen in der Tat 
sowohl im Bankwesen als in der Industrie und im Handel 
zu einer Konzentration der Kräfte und zu mächtigeren 
Aktionsmitteln, als früher notwendig waren. Diesem un- 
widerstehlichen Drang nach Vorwärts kann sich kein 
Unternehmen mehr entziehen, wenn es nicht zurück- 
gehen will. 



MotenitrkuUüuu der schweizerischen Emissionsbanken (Mittel au« den Jahren t'JUO-1904). 

Kapital im Jahr 1906 von 50 auf 65 Mill. Fr. erhöht und 
zugleich mit zwei bedeutenden Banken in St. Gallen, 
nämlich der «Bank in St. Gallen» und der «St. Galler 
Handelsbank» fusioniert. Der Schweizerische Bankverein 
in Basel erhöhte seinerseits sein Kapital von 50 auf 
75 Mill. Fr. und hat sich mit der «Bank in Basel» ver- 
einigt. 

Es ist sicher, dass diesem Beispiel der beiden bedeu- 
tendsten Banken der Schweiz auch andere Kreditinstitute 
unseres Landes folgen und Fusionen vornehmen oder ihr 
Kapital erhöhen werden, um ihren Wirkungskreis zu er- 
weitern und der Konkurrenz die Spitze bieten zu können. 
Diese Tendenz zur Konzentration der Kräfte wird im 
schweizerischen Bankwesen ohne Zweifel tiefgreifende 
Umänderungen veranlassen, so dass alle Angaben der heu- 
tigen Statistik in sehr kurzer Zeit nur noch einen rein 
historischen Wert beanspruchen dürften. 

Das schweizerische Bankwesen als Ganzes ermangelte 
bis jetzt eines verbindenden Gliedes in Form einer 
Zentralstelle, die in der Schweiz dieselbe Rolle spielen 
würde wie etwa die «Deutsche Reichsbank» im Deutschen 
Reich oder die Banque de France in Frankreich. Diese 
Lücke ist endlich durch die Gründung der Schweize- 
rischen Nationalbank ausgefüllt worden, deren 
Errichtung auf Grund eines im Januar 1906 in Kraft ge- 
tretenen Gesetzes erfolgt ist, worauf das Institut am 
20. Juni 1907 seine Schalter dem allgemeinen Verkehr 
geöffnet hat. Dieses Datum bezeichnet den Anfang einer 
neuen Aera in der Geschichte der Volkswirtschaft und 
des Finanzwesens unseres Landes. In der Tat brachte die 
Existenz einer grossen Zahl von verschiedenen Emissions- 
banken in dem Sinne einen Uehelstand mit sich, dass der 
Schweiz ein zentrales Noteninstitul fehlte, dessen Mission 
darin besteht, für diejenige Notenreserve zu sorgen, 
welche der allgemeine Geldmarkt in einem gegebenen 
Moment zur glatten Abwicklung der Geschäfte bedarf. 
Die verschiedenen Fmissionsbanken haben zwar ihr mög- 
lichstes getan, um stets auf der Höhe der ihnen anver- 
trauten delikaten und schwierigen Aufgabe zu bleiben, 
konnten aber doch deswegen dem Lande nicht alle Dienste 
leisten, die man von ihnen zu verlangen berechtigt war, 
weil sie oft privaten oder lokalen Interessen Rechnung 
tragen mussten. Die Schweizerische Nationalbank wim 
dank ihrer Organisation und ihrer Kmissionskraft die 
Geldzirkulation in unserm Land regulieren und er- 
leichtern, indem sie zugleich mit Aufmerksamkeit die 
Kursschwankungen im Ausland und die daraus ent- 
springende Wertschwankung der Edelmetalle verfolgt. 
Ferner wird sich die Nalionalbank auch der Finanz- 



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319 



SCHW 



SCHVV 



Verwaltung des Bundes kostenlos zur Vi 
stellen haben. Der juristische X 



□los zur Verfügung zu 
ertt<altuttg»titz der Bank 



worden. BeschafTl wird dieses Kapital zu *,'. von den Kan- 
tonen. '/., \on den Emissionsbanken und zu 1 ., durch 



trste Sparkasse 

tot/ia 1876 

fmlmrg W?* 

Ttfssm 1833 

Schnrs 1812 

Qvuöütii/fjt me 



«gründet im Jahr e: 



^., w< ..». r ,yrt -.S^JV 



SCHWEIZ 

Sasel 

Appenze/I 
So/utJiur/i 
luiern 

S<JtafTfi-ju»jn 1817 

Thurgiu 1823 

Zty" 1873 

Aurcau 1812 

& allen 1811 
Unlervralrfcn 18?/ 

IHcurntiui'j 1812 

Zürich töOS 

Gttrus l«X5 

b-nf 1816 





- , 



^^^^ 



Aius 'hl der E integer 
tuf 100 Em» 
im Jahnw&S SSäSSÜ 




Entwicklung <l«n »rhwcixarinchen Sparkaaspnweaens loach Kantooen). 

öffentliche Subskription. Bis jetzt ist die Hälfte dieses 



ist Bern, wo die Generalversammlungen der Aktio- 
näre, sowie die Sitzungen des Verwallungsratea und, 
in der Begel, auch diejenigen des Bankkomilees statt - 



Kapitales, d. h. also SS Mill. Fr., bereits einbezahlt. In- 
haber von Aktien können nur Schweizerbörger, sowie in 




Schwi'iienache S|>orkanen midi den Kiniahlunffen jfTOppiort». 



zufinden haben. Sil: der (iencmhiirrktion der Bank ist 
dagegen Zürich. 

Das Kapital der Schweizerischen Nationalbank ist aur 
50 Millionen Fr. in 100 QUO Aktien zu SUÜ Fr. festgesetzt 



der Schweiz niedergelassene Firmen und juristische Per- 
sonen sein. 

Das die Gründung der Schweizerischen Nalionalbank 
setzt eine dreijährige Frist an. 



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SCflW 



SCHW 



31.1 



nach Ablauf welcher den jetzigen 36 Emissionsbanken 
die Erlaubnis zur Ausgabe von Banknoten entzogen wer- 
den soll. Diese Banken werden also vom 30 Juni 1910 
an als solche zu bestehen aufgehört haben, von welchem 
Zeitpunkt an in der Schweiz nur noch die Bundesbank- 
note zu Recht bestehen wird. 

Banknoten. Die ersten Versuche zur Ausgabe von Bank- 
noten in der Schweiz gehen auf den Anfang des 19. Jahr- 
hunderts zurück, zu welcher Zeit einige Bankiers von 
Genf, Lausanne und Bern sog. Kassenscheine iBons de 
caisse) in Umlauf setzten, welche sich aber nur auf ver- 
hältnismässig geringe Summen belieTen und auch nur 
für eine kurze Zirkulationsdauer berechnet waren. Des- 
halb entsprachen sie denn auch den Erwartungen nicht, 
die man in sie gesetzt halte. Vom Jahr 1830 an und wäh- 
rend der nächstfolgenden Jahre sah man sich genötigt, 
nach einem Mittel m suchen, das zur Erleichterung der 
sleU anwachsenden HandeUbeziehungen sich eignen 
wurde. So kam denn die Banknote den bisher ausschliess- 
lich in Metallgeld geleisteten Zahlungen zu Hilfe. 

Als erstes Bankinstitut befasste sich in der Schweiz die 
Berner Kantonalbank mit der Ausgabe von Banknoten, 
worauf »ich nach und nach auch verschiedene andere 
Banken diesem System zuwandten. Im Jahr 1884 verfüg- 
ten die damals bestehenden 20 Emissionsbanken über ein 
einhezahltes Kapital von 53,6 Mill. Kr. und eine Noten - 
Zirkulation von 15,7 Mill. Pr. Dieses Verhältnis änderte 
sich bis nach dem deutsch-französischen Krieg nur 
wenig. Die darauffolgende Periode de» Friedens gab dann 
aber dem Handel wie der Industrie einen mächtigen Auf- 
schwung, so dass wir bereits 1881 in der Schweiz 36 Emis- I 
sionsbanken mit einer durchschnittlichen Notenzirkula- 
tion von nahezu 100 Mill. Fr. antreffen. Schon vom Jahr 
1865 an beschäftigte man sich damit, die Frage der Aus- 
gabe von Banknoten durch eidgenossische Gesetzgebung 
zu regeln. Die verschiedenen zu diesem Zwecke aufge- 
stellten Vorschläge blieben aber zunächst durchaus erfolg- j 
los. Eine erste Volksabstimmung (vom 19. April 1874) gab 
dem Bund durch Einfügung eines besondern Artikels in 
die Bundesverfassung das Hecht, auf dem Wege der Ge- 
setzgebung Vorschriften über die Emission und Einlösung 
der Banknoten zu erlassen. Das aufgrund des betreffenden 
Verfassungsartikels ausgearbeitete Bundesgesetz fand am 
8. März 1881 die Sanktion des Volkes und steht heute noch 
in Kraft. Es überträgt dem Bund mit Bezug auf die wich- 
tige Krage der Emission von Bank- 
noten ausgedehntere Befugnisse und 
hatte eine Verschärfung der Sicher- 
eine Garantie für die Banknoten- 
emission bieten sollen. Von dieser 
Zeit an machte sich in der Schweiz 
nach und nach eine immer mächtiger 
werdende Strömung nach der Grün- 
dung einer zentralen Emissionsbank 
geltend, welche im stände sei. zur 
Regelung des Geldverkehres einheit- 
liche und wirksame Massnahmen zu 
treffen. Diese Bank sollte über den 
Bücksichten von mehr untergeord- 
neter Natur und über der missgüns- 
tigen Konkurrenz stehen, sich mit 
Hilfe ihrer Zweiganstalten und Agen- 
turen beständig im direkten Kon- 
takt mit dem gesamten Land erhal- 
ten und zugleich diu Zahlungsbe- 
dingungen durch Schaffung eines 
über das ganze Gebiet der Schweiz 
sich spannenden Systeme» von 
Uebertragungen (Giroverkehr) er- 
leichtern. 

Ein erster Gesetzesentwurf über 
die Schaffung einer zentralen Emis- 
sionsbank, die allzusehr den Cha- 
rakter einer reinen Staatsbank auf- 
gewiesen hätte, wurde vom Volk im 
Februar 1897 verworfen. Der wieder 
aufgenommene und in dem Sinne abgeänderte Entwurf, 



lagekapitales an der Organisation der 
Nationalbank zu beteiligen, fand betsere Aufnahme, indem 
die Gegner der Vorlage die zur Veranstaltung einer allge- 
meinen Volksabstimmung vorgeschriebenen 300O0 Refe- 
rendumsunterschriften nicht zusammenbrachten. So wurde 
denn die Schweizerische Nationalhank nach mehr als 20jäh- 
rigen Anstrengungen in dieser Bichtung zur vollendeten 
Tatsache, um dem volkswirtschaftlichen Gefüge unseres 
Landes die Krone aufzusetzen. £I«r. P. Ii. }u,xj»vu.] 

C. Sparkassen. Als Einrichtung zur mchern, verzins- 
lichen Bückstellung kleinerer Geldbeträge für künftige 
Bedürfnisse betrachtet, bieten sich die schweize- 
rischen Sparkassen in mannigfaltigen Formen dar: 
mit Garantie des Kantons in den Kantonalbanken und 
den Amtsersparniskassen, sowie den Hypothekenbanken 
(1895 : 4% der schweizerischen Kassen i ; mit Garantie der 
Gemeinde : in den Gemeindesparkassen (8%) ; ferner von 
Genossenschaften aller Art (50°/«}. von Aktiengesellschaften 
('27%). von Privaten I Pabriksparkassen. Spai vereine : 11%). 
Das Sparkassenwesen der Schweiz hat sich, ursprünglich 
als rem gemeinnützige Einrichtung, im Laufe des verflos- 
senen Jahrhunderts ohne eigentliche gesetzliche Fürsorge 
zu kräftiger Blüte so entwickelt, dassdieSchweiz neben den 
skandinavischen Staaten zu den ersten Sparländern gerech- 
net werden darf. Zwar fehlen fortlaufende Erhebungen, und 
aus neuester Zeit sind keine Daten veröffentlicht worden. 
Nach den Zusammenstellungen von G. Katio in Genf ergab 
sich jedoch Ende1897 bei den eigentlichen öffentlichen und 
privaten 373 Sparkassen ein GesamtK'itliaben von nahezu 
983 Millionen Kranken gegenüber 168 Mill. im Jahr 1867. 
Eine mehr untergeordnete Rolle spielen neben diesen 373 
Instituten die Schul- und Fahrikka^sen (53 und 33). 

Die zeitliche Entwicklung wird veranschaulicht durch 
die Zeichnung Seite 313. lieber die territoriale Verbrei- 
tung nach Sparzentren und über die Verbreitung im Ver- 
hältnis zur Volkszahl, nach Kantonen, geben die Zeich- 
nungen Seite 31'2 Aufschluss. 
Nach Fatio gab es : 1882 
Sparkassen 187 
Einleger 746984 
» auf je 100 Einwohner 26 
Guthaben 

pro Einleger Fr. 688 

» » » in Fabriksparkassen 
» » > in Schulsparkassen 



18117 
373 
1291 910 
44 

Fr. 514078123 Fr. 981949530 
Fr. 760 



83. 




Zollhohe Entwicklung der »ehweilerischen Sparki»«eo und der Zahl ihrer Einleger 

Die Anregungen zur Einführung von Postsparkassen 



dass man den Kantonen und Privaten die Möglichkeit gab, sind mit dem Hinweise auf die Verbreitung und leichte 
sich durch Subskription eines bestimmten Teiles des An- | Zugänglichkeit der vorhandenen Anstalten, sowie auf ihre 



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314 



SCI1W 



SCIIW 



Kostspieligkeit bisher abgelehnt worden. Die Gelder der 
Sparkassen sind vorwiegend in Hypotheken, in Darlehen 
gegen Bürgschaft und in Wertpapieren angelegt, ein 
Modus, der mit demjenigen der schweizerischen Ver- 
sicherungsgesellschaften harmoniert. Die Abnahme de« 
Zinsfußes hat die Entwicklung de» Sparwesens keines- 
wegs aurgehalten, vielleicht, infolge grosserer Anforde- 
rungen an die Sicherheit, eher befördert. 

Eine Ai t Aufsicht besieht nur in wenigen Kantonen, 
z. Ii. in Aargau, Bern und St. Gallen, eine Befugnis des 
Bundes zur Gesetzgebung im Sparkassenwesen fehlt. 
Dem Entwurf des Zivilgesetzbuches ist eine Bestimmung 
eingelügt worden, wonach die Kantone befugt sein sollen, 
die Spareinlagen durch Einräumung eines gesetzlichen 
Pfandrechtes an den WerUehriften und Forderungen der 
betreuenden Kassen zu schützen. 

Die Spar Versicherung einzelner Versicherungs- 



Franken 



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1011} 




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iÄ.1.2.lJ...L.i.l..LS- 



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?Ä X «. > 




Von ilen in .ler Schwei« 



AU>. 



kimsesnomerlen Versicherung« pesell*c haften 
im Jjihr t'j<>5 besagen« Prämien pro Haushaltung. 

gesellschaften, bei derauf Grund fester, periodischer Ein- 
lagen nach Ablauf einer bestimmten Zeit das versicherte 
Sparkapital mit dem eventuell angesammelten Gewinn 



fällig wird, hat bisher nur geringen Umfang ange- 
nommen. [Kr.ts I hbt-zah J 

D. VensicHKHi ni.syve.skn. Wir unterscheiden zwischen 
der vom liunde. sowie der von den Kantonen organisierten 
oder siibventionierlen und der PrivaUersicherung. 

1. Bwtd. Die einzige vom Bunde organisierte Versiche- 
rung ist die temporäre Versicherung der schweizerischen 
Wehrmänner gegen l'nfall und Krankh-'it wahrend des 
Militärdienstes . -i i / vom 2H. Juni UN)| ). An dies«! Ver- 
sicherung hat der Wehrmann keine Beitrage zu leisten. Ver- 
sichert sind auch das militärische Verwaltung«- und In- 
slruktionspersonal. sow ie die Schiessvereine, [lie Leistung 
besteht in der Heilbehandlung nach dem Dienste, in einer 
Invalidenrente- 70" n desJahresverdien*les i.llinterlassenen- 
rente. Sterbegeld. Die Friedensau<>gaben werden aus den 
laufenden Krediten bestritten, im Kriegsfälle sind drei 
Fonds ( Invalidenfonds. (irenus-lnvalidenfonds und eidt. 
Winkelriedstiflungi verfügbar, welche Ende I9U0 
zusammen den Betrag von 23.6 Millionen Fr. über- 
schritten hatten. 

Der Gesetzesentwurf für eine obligatorische, staat- 
liche Kranken - und l' n f a II Versicherung 
wurde im Mai 1900 vom Volke abgelehnt. Ein neuer 
Entwurf des Bundesrate» zu einem Kuinproinissge- 
setz, auf dem Subventionsprinzip beruhend, liegt seit 
Dezember 1906 vor. Dieser Entwurf begegnete bisher 
einer günstigen Aufnahme. Darnach soll die Kran- 
kenremu Vierung von freien, sog. anerkannten Kassen 
ausgeübt und durch Bundesbeiträge gefördert wer- 
den. Diese anerkannten Kassen müssen die notige 
Sicherheit bieten, ferner Freizügigkeit. Heilbehand- 
lung oder mindestens ein tägliches Krankengeld von 
1 Fr. gewähren. Dann haben sie Anspruch auf den 
Bundesbeitrag von 1-1 V* Rappen per Mitglied und 
Tag der Mitgliedschaft. Den Kantonen steht die di- 
rekte Aufsicht und die Befugnis zu, den Beitritt all- 
gemein oder teilweise obligatorisch zu erklären und 
öffentliche Kassen zu gründen. Der Bund hat die 
Oberaufsicht. 

Die VnfaUversicherung soll nach dem zweiten Ent- 
wurf wiederum durch eine Slaatsanstalt in Bern mit 
Agenturen in den einzelnen Kantonen < Kranken- 
kassen) durchgeführt weiden. Die Versicherungs- 
pflicht umfassl alle hartpllichtigen Betriebe; Sub- 
ventionsanspruch geniessen auch die Arbeiter und 
Angestellten der Landwirtschaft, des Handwerkes 
und Kleingewerbes, der Hausindustrie, die Dienst- 
boten und Taglohner. falls sie der Versicherung 
beitreten. Die Leistungen sind : Heilbehandlung und 
Krankengeld. Invalidenrente von 60'\ r , des Tages- 
verdienstes. Hinlerlassenenrente von im ganzen ätF J0 , 
Sterbegeld (bis 40 Fr. j. Diese Leistungen sind nur 
bei Arglist und grober Fahrlässigkeit seitens des Ver- 
sicherten verwirkt. Prämientarif nach Gefahren- 
klassen. Bundesbeilräge für niedrige Prämien '-'*<',. 
für höhere relativ abnehmend. Dem Versicherten 
darf vom Arbeitgeber die Bestprämie mit höchstens 
Vi am Lohne verrechnet werden. 

Als staatliche Spe xial versichern ng en sind 
die obligatorischen Pension«- und Krankenkassen der 
schweizerischen Bundesbahnen zu betrachten, welche 
das Kisenbahnpersonal gegen Krankheit, Invalidität 
und Tod. vorwiegend durch periodische Benten ver- 
sichern. Dieser Versicherung geborten Ende 1906 
21 24i Personen (17233 Aktive, 1621 Invalide. 1633 
Witwen und 7." Waisen) an, und das vorhandene 
Vermögen betrug 53,9 Mill. Fr. Zu erwähnen ist hier 
noch, dass der Bund seine Haftpllicht bei Unfällen 
iles Postbetriebes < Postregal vom 5. April I • i . Art. 
18» ;iuf eigene Gefahr, d. h. ohne Versicherung trägt. 

Kerner beteiligt sich der Bund subventions- 
weise mit etwa 4 ,' % an den Beitragen für die Witwe n- 

J und Waif O Bka o se der Professoren des Polytechni- 

cr jr kums. sowie mit ', 4 an denjenigen fiir die fakultative 
Kapital- oder Bentenversicherung der eidgenös- 
sischen Beamten und Angestellten. Die Bundessub- 
vention für das Schulwesen wird teilweise zur Er- 
richtung oder Unterstützung der Lehrerhilfskassen ver- 
wendet. 

t, Kantone. Allgemeinverbindliche kantonale Anstalten 



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SCHVV 



SCIIW 



:J15 



bestellen nur zur Versicherung der Gebäude gegen Feuer- 
schaden. Ohne obligatorische Feuerversicherung Kind 



Millionen 
kO 



Lebens - Versieh 

IM,//- | . 

Feuer - 

Transoo/t- » 




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30 



25 



20 



15 



10 



zT35w 

Pramleneionahmen der in der Schweiz konzeislonlerten 
privaten Versicherungen ntprnebmuogon. 

einzig noch die Kantone Genf. Wallis. Tessin, Grau- 
bünden, Obwalden, Uri. Scliwyz und Appenzell 1. R. Die 
Einführung der Versicherung gegen Elementarschaden 
(wie Lawinensturz, Erdbewegung. Ueberschwemmung) 
in die Feuerversicherung wird geplant. Manche Kantone 
suchen sich durch starke Ruckversicherung des Risikos 
bei Privatgesellschaften zu entlasten Zwangsweise Mo 
biliarversicherung haben bisher nur die Kantone Glarus, 
Aargau, Freiburg und Waadt, letzterer mit staatlichem 
Monopol. Die übrigen lassen den Wettbewerb mit Versiche- 
rungsgesellschaften zu. I>er Aargau organisiert die Ver- 
sicherung durch Kollektivverträge zu gunsten vorwiegend 
der geringen Fahrhabe. Ende I9(X"> waren bei allen kan- 
lunalen lirandkassen gegen Keuerversiehert5,92Milliarden 
Fr. ; hiezu kommen 8,92 Milliarden Fr. bei konzessionierten 
in- und ausländischen Gesellschanen. Im gleichen Jahre 
wurden in der Schweiz an Prämien 17.3 Millionen Fr. be- 
zahlt, dagegen von den Kantonen und den konzessionierten 
Anstalten für Brandschaden 9.41 Mill. Franken vergütet. 

Der Kanton Neuenburg errichtete anfangs 1899 eine 
kantonale, freiwillige « Caisse cantonale d'Assurance po- 
pulaire» für Kapital- und Rentenversicherung. 
Der Kanton übernimmt die Verwaltung und Organisation 
und beteiligt sich an den Eintelprämien durch Beiträge, 



die durch besondere Steuer erhoben werden. Ende 1U>6 
waren dergestalt versichert mit 9829 Policen 10' , Mill. 
Franken kapital und öÜUOO Fr. Jahresrenten. 

Auf den I. Januar 1908 soll im Kanton Waadt eine ähn- 
liche subventionierte A I lers versorgu ngskasse. doch 
ohne eigentliche Invalidenversicherung, ins Leben treten. 
Geplant sind solche Anstalten auch in den Kanlonen Gla- 
rus. Zug, Si. Gallen und Genf. Dieser letztere Kanton 
unterstützte I90.~> : 38 Krankenkassen, die einem Mindest- 
mass technischer und finanzieller Leistung genügten. Die 
Mehrzahl der Kantune unterstützt auch die Alters-, Wit- 
wen- und Waisenkassen der Lehrerschaft oder des Ver- 
waliungspersonal*. lUtd wurden so an lluhegehalten und 
Kas«abcilrägen für kantonale Primär-. Sekundär-, Mitlel- 
und Hochschulen rund \ ' } Millionen Fr. bezahlt. 

Nach dem Subvenlionsprinzip sintl auch manche Ge- 
roeindekassen eingerichtet. Die A r b e i tslose n kasse 
in Hern verdient hier Erwähnung, obwohl sie nicht als 
Versicherungsanstalt gellen kann. 

.f. l'riratvrrxH'herwuij. Dass das Versicherungswesen 
der Schweiz trotz des bescheidenen Umfange» der staat- 
lichen, freien oder zwangsweisen Versicherung sehr hoch 
entwickelt ist. muss der Tätigkeit der privaten Vereini- 
gungen verdankt werden, welche alle Zweige der Ver- 
sicherung umfasM. Durch das Gesetz vom £">. Juni 1885 
sind die privaten Unternehmungen der eidg. Staatsauf- 
sicht unterstellt. Sie bedürfen einer Erlaubnis zum Ge- 
schäftsbetrieb und haben in zahlreichen Ausweisen ihre 
Organisation darzulegen. Derart können unsolide oder 
schwindelhafle Betriebe fern gehalten werden. Die Auf- 
sicht wird durch den Bundesrat ieidg. Versicherungsami ( 
ausgeübt. Nach dem Berichte dieses Versichcrungsamtcs 
arbeiten im Lande 29 einheimische und ,V» ausländische 
konzessionierte Gesellschaften, hiekleinen, lokalen Sterbe- 
und Krankenkassen u. s.w. bleiben dagegen immer 
ohne Aufsicht, ebenso Neugründungen dieser Art. 

Im Jahr 1905 wurden in der Schweiz bezahlt : 



Zweige 



Brutto 
prAmion. 



Fr. 

Für Lebensversicherung jrtt719 7&"> 
Für Unfall- und Haft- [ 

Pflichtversicherung . «4 892 894 
Für Feuerversicherung 

(inkl. kant. Kassen) . 11070494 
Für die übrigen Zweige ') 4 174 308 

Total I905 
Dagegen 1895 



B7 ti57 431 
38 198 439 



Davon eot- 
fallt-0 auf 
einheimi- 
sche Gesell 
*r haften . 


0' 

0 


Kr. 




1866:1519 


49.5 


12940 085 


88,1 


7 604053 


68.7 


3 272 916 


78.4 


42 480 573 


62.H 


22 «531 381 


59,2 



In der Lebensversicherung waren Ende 1905 
bei 6 einheimischen und 27 fremden Gesellschaften 
versichert : 



Bei einheimischen Gesell- 
schaften ä i 

Bei fremden Geaellschaf 
ten 

Total 



Policen 


Kapi- 
tal!«» 


Jahr«s 

renten. 




Mill. Kr. 


Kr. 


99 950 


359 


2 832 Ott » 


62 096 


492 


631 (KJ0 


162 0*6 


851 


3 9» Ott! 



M tila*- und Wa»*erleitiinir»«ch»<ten ; Diebstahl-, Kaution . 
Viel»-. Hagel- und Transport- Versicherung. 

*) Diese Gesellschaften »ind folgende : 
Schweizerische LebeuaversK-hertiiigx. und Hentenanttall in 

Zürich, auf Gegenseitigkeit IHöT izegr. 
La Sülm« in Lausanne, Akt -Gen.. lü&H gegr. 
Ba»ler Ub»nsversicherunginie»ell»rhafl in basel, Akt. -Oes . 

gegr. .86 1. 

La Genevnise iu Oonf, Akt -Ges., 1S7S gegr. 
Schweizerischer l«eben«vor»ichcruiifr»vereia in Basel, auf 

Gegenseitigkeit l*7»i gegr. 
Schweizcfische Sterne- und Alter»ka««r> in Hasel, auf 

Gegenseitigkeit 1S.M gegr. 



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SCHW 



SCMW 



Die graphische Tahelle Seite 313 »teilt die Entwicklung 
der einreinen Hauptzweige nach Mas*>gabe der bezahlten 
Prämien dar. Die Tabelle Seite 314 zeigt den Anteil der 
Kantone an der Versicherung im ganzen und der Lebena- 
versicherung inabesondere, pro Haushaltung berechnet 
auf Mitte des Jahres 1905. 

Ausser diesen vom Runde beaufsichtigten Gesellschaften 
besteht eine grosse Zahl kleinerer Kassen für Kran- 
kenpflege und Krankeneeid, Tod, Invalidität, Witwen- und 
Walsengelder etc. 1880 zählte man ihrer 1085 Gesell- 
scharten mit rund 201X10 Mitgliedern, welche jährlich an 
Beiträgen über 2'/* Millionen Fr. aufbrachten. 1903 waren 
es 1814 Kassen mit 435000 Mitgliedern, welche diesen 
Kassen ihre Ersparnisse von jährlich '.)' , Millionen Fr., 
d. h. über '/ 4 des im gleichen Jahre an Lebensveraiche- 
rungsprämien bezahlten Betrages, anvertrauten. 

Der Bund würde sich nach dem Entwürfe des Bundes- 
rates dieser Kassen, sofern sie anerkannt werden, zur 
Forderung der Krankenversicherung bedienen, sie beauf- 
sichtigen und subventionieren. 

Die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Ver- 
sicherer und dem Versicherten sollen durch ein Hundes- 
csetz über den Versicherungsvertrag geregelt wer- 
en. Der Entwurf hat noch die Beratung des National- 
rates zu passieren | Herbst 1907). [Priia Tlim.] 

XII. Geschichte. A. DIE URGESCHICHTLICHEN PE- 
RIODEN. Eim.eiti'NG. Die Prähistorie oder Urgeschichte 
zeigt die Entwicklung des menschlichen Geschlechts vom 
ersten Auftreten desselben bis zu der Zeit, da der Mensch 
imstande ist. seine Schicksale durch das geschriebene 
Wort der Nachwelt mitzuteilen. Die ersten Spuren 
des Menschen in der Schweiz schliessen sich an das 
Phänomen der Eiszeit an. Wahrend aber z. B. in Frank- 
reich menschliche Ueberreste bekannt sind, welche aua 
Inlerglazialzeiten stammen, haben sich die sog. Wetzi- 
konstäbe aus interglazialen Kohlen im Kanton Zürich 
nicht als Beste von Menschenhand erwiesen. Der Di- 
luvialmensch tritt bei uns erst in postglazialer Epoche 
auf. Es ist zwar nicht unmöglich, dass während der letzten 
Interglazialzeit in der Schweiz menschliche Ansiedlungen 
Norhanden gewesen seien. Sichere Beweise liegen dafür 
aber nicht vor. Während z. Ii. in der Hohlenstation am 
Wildkirchli (Sänlisi Höhlenbär und Mensch zugleich vor- 
kommen, fehlt letzlerer in der interglaziale Höhlenbär- 
reste führenden Ablagerung der Höhle von Cottendruz 
oberhalb Trais Bods (Neuenbürg). Seine Gerale und Waf- 
fen verfertigte er hauptsächlich aus Stein : erst später 
wurde das Metall bekannt. Die ersten Melallobjekte be- 
standen aus Bronze, einer Mischung von Kupfer und 
Zinn. Das Eisen wurde erst im Anfang des letzten vor- 
christlichen Jahrtausends bekannt und bald allgemein 
bevorzugt. So unterscheiden wir denn eine Steinzeit, 
eine Rron zeperiode und eine Eisenzeit, an welch 
letztere sich die geschichtlichen Perioden an- 
schliessen. 

I. Die Steinzeit. Nachdem die Gletscher sich vom 




Da« Rc»«l««r|iich im Kau Ion SrharTbausen. 



Flachland der Schweiz zurückgezogen und das Land sich 
mit einem Pllanzenteppich überdeckt halte, konnte sich 
auch die Tierwelt entfalten. Manche Tiere jener Zeit, wie 
das Mammut, der Höhlenbär und der UrBtier. sind jetzt 



ausgestorben ; andere, wie z. R. das Rentier, der Viel- 
frass. das Elen und der Eisfuchs haben sich nach Norden 
verzogen ; dritte, wie die Gemse, der Steinbock, der 
Alpenhase wanderten nach dem Hochgebirge, und nur 
ein kleiner Teil der diluvialen Tierwelt nat sich bis heute 
bei uns erhalten. Nach und nach erschienen die heutigen 
Tiere und Pflanzen, endlich brachten die Menschen noch 
Haustiere und Kulturpflanzen. Die Zeit der ausgestorbe- 
nen Tiere und Pflanzen nennt man die ältere Stein- 
zeit oder die pa I äo I i t h ische Periode; die Epoche 
der tteinzeitlichen Haustiere und Kulturpflanzen wird als 
jüngere Steinzeit oder neolithische Periode 
bezeichnet. 

n ' l'aUwHtlti*clte Periode, lue Menschen lebten da- 
mals bei uns in Höhlen oder unter überhängenden 
Kelsen. Zahlreiche Ueberbleibsel dieser Zeit fanden sich 
am Mont Saleve bei Veyrier, in der Grotte du Sc« 1 bei 
Villeneuve. bei Liesberg und Grellingen, in der Thier- 
steiner Höhle bei Busse räch, im Käsloch bei Winznau 
unfern Ölten, im Schweizersbild und im Freudenthal bei 
SchafThausen. sowie endlich in der durch ihre Funde be- 
rühmt gewordenen Höhle Kesslerloch bei Thaingen an 
der Eisenbahnlinie von Schalfhausen nach Singen. 

Die im Grund dieser Höhlen erhalten gebliebenen Ge- 
räte der Paläolithiker bestehen hauptsächlich aus Feuer- 
stein. Es sind Schaber, Sägen. Messer, Bohrer, Stichel, 
Dolche, Speer- oder Lanzenspilzen, Schlagsteine u. dergl. 
Auch die Kernslücke, von welchen jene Objekte abge- 
schlagen wurden, haben sich erhalten und mit ihnen 
Lausende von Abfallsplittern. Knochen und Horn wurden 
ebenfalls zu Werkzeug zurecht gemacht. Man findet Speer- 
spitzen und Dolche aus Bentierhorn, Ahlen aus Knochen, 
Nadeln aus Elfenbein. Spateln, Harpunen, Haken etc. 

Auch Schmucksachen sind zum Vorschein gekommen. 
Sie bestehen in durchbohrten Zähnen. Muscheln, Schnek- 
ken, sowie in bearbeiteten und als Hängeschmtick ge- 
tragenen Amuletten und Perlen aus Kohle. 

Die Höhlenbewohner haben uns sogar eigentümliche 
Kunstwerke hinterlassen. Wie viele primitive Völker- 
schaften von heute, liebten es auch die Rentierjäger der 
Urzeit, zu zeichnen, zu malen und zu schnitzen. Unter 
den Funden vom Mont Saleve befindet sich ein durch- 
lochtes Rentierhorn, ein sog. Kommandostab. Er weist 
auf der polierten Oberfläche einerseits eine pflanzliche 
Darstellung, andrerseits die Figur eines Steinbocks auf. 
Im Schweizersbild bei Schalfhausen kam ein Kommando- 
stab zum Vorschein, auf welchem zwei Pferde eingraviert 
sind. Ein Steinplättrhen von demselben Fundort zeigt 
auf der einen Seite einen Wildesel und zwei Rentiere, 
auf der andern Seite ein Gewirr von Linien, in welchen 
man z. R. zwei Pferde erkennen kann 

Der berühmteste schweizerische Fundort von Höhlen- 
zeichnungen ist das Kesslerloch bei Thsingen. Neben 
Rentierhornstücken, welche einfache Ornamente auf- 
weisen oder unvollkommene Tierhilder zeigen, gibt es 
künstlerische Zeichnungen und sogar Skulpturen. Unter 
den Gravüren lassen sich das Diluvialpferd, der Wildesel 
und besonders das Ren nachweisen. Eine der schönsten 
paläolithischen Zeichnungen, nicht bloss der Schweiz, 
sondern von ganz Europa, stellt ein weidendes Ren 
dar, und fast ebenso schön ist die Darstellung eines 
Füllens oder jungen Pferdes. Die meisten Zeichnungen 
wurden in Renhorn graviert, einige auch auf Kohle und 
Stein. So ist bei der abschliessenden Ausgrabung des 
Kesslerlochs ein Pferdebild, auf Kohle gezeichnet, auf- 
gefunden worden. Im Kesslerloch fand man auch die 
leider beschädigte Schnitzerei eines Ochsenkopfes und 
diejenige eines fein ausgeführten Pferdeköpfchens. 

Gegenwärtig 1 1906/07) werden die Höhlen des durch 
Scheffels Ekkehard berühmt gewonlenen Wildkirchli im 
Srinlisgehiet erforscht. Man fand daselbst, in nahezu 
1800 in Meereshohe, die ältesten bis jetzt in der Schweiz 
entdeckten Geräte von Menschenhand. Sie entsprechen 
dem französischen Mousterien. 

b) Sefdithitche Peritute. Die Höhlenbewohner der 
ältern Steinzeit verschwanden, und lange Zeit scheint die 
Schweiz nicht bewohnt gewesen zu sein. Da erschienen 
Leute, welche imstande waren, Hütten zu bauen, zahme 
Tiere und Kulturpflanzen mitbrachten, den Ton zn Ge- 
lassen formen konnten und zierliche Geflechte, Gewebe. 



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Uit. w*. GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ »erUg «w o-bm-w *iu n »,r, Nc«.nb«,r». 




DIE SCHWEIZ ZUR STEINZEIT 




DIE SCHWEIZ ZUR BRONZEZEIT 



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THh N V_W YORK 

•IJJUC LIBRARY 



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SC1IVY 



SC MW 



317 



ja sogar Stickereien zu erstellen wusstcn. Ihre wich- 
tigsten Geräte und Waden bestanden zwar auch aus 
Stein, aber sie benutzten nirht mehr einseitig den Feuer- 
stein und schliffen ihre steinernen Werkzeuge zurecht. 
Sie waren nicht mehr blosse Jäger, sondern Viehzüchter 
und »ckerbauer. Selbst ein primitiver Handel lässt sich 
bei ihnen nachweisen. 

1. Pfahlbauten. Im Winter 1803/54 kamen bei dem 
ausserordentlich niedrigen Wasserstand in Obermeilen 
am Zürichsee alte, ganz weiche Pfähle im Seegrund 
zum Vorschein, und als man den dieselben umgebenden 
Schlamm durchstach, fanden sich Steinbeile, Feuerstein- 
messer. Hirschhorngeräte. Tierknochen, Scherben aus 
Ton. Sämereien, ia sogar etwas Bronze. Her Lehrer des 
Dorfes, Job. Aeppli. erkannte in den Kunden Reste alter 
Wohnungen und berichtete der antiquarischen Gesell- 
schaft in Zürich darüber. Man suchte nun auch anderwärts 
nach dergleichen Dingen und fand solche in fast allen 
Seen der Schweiz, ferner in Frankreich. Italien, Oester- 
reich, Baiern u. s. w. Heute sind in der Schweiz allein 
etwa 200 Pfahlbaustalionen bekannt, wovon die Mehr- 
zahl der Steinzeit, ein anderer Ted der lironzeperiode 
angehört. Her liodensee birgt an seinen Ufern in Deutsch- 
land und der Schweiz Reste von etwa SO solcher See- 
dörfchen, der Zürichsee 10. der Greifensee 6, der Zuger- 
see 10, der Sempachersee 8, der liielersee mindestens 
30, der Neuen burgersee mehr als 70 und der Genfersee 
etwa 50. Selbst kleine >een, wie derjenige von Nieder» il 
bei Frauenfeld, von Wauwil im Kanton Luzern, von 
Moosseedorf bei Hern, von Inkwil und Hurgäachi, von 
Luyssel oberhalb Hex enthalten eine ««der mehrere Sta- 
tionen. 

Die Pfahlbauten wurden auf verschiedene Art kon- 
struiert. Entweder trieb man die Pfähle reihenweise 
in den weichen Seegrund und verband sie oben mit 
Querbalken, auf welche der Boden zu liegen kam, der 
dann die Hütten trug. Oder man erstellte ein Floss und 
haute die Hütten auf dasselbe. Fing im Laufe der Zeit 
das Floss an zu sinken, so wurde ein zweites Floss iiber 
dem ersten errichtet und wie jenes durch Pfähle am Weg- 
schwimmen gehindert. Später legte man ein drittes Floss 
über das Ganze u. s. f. So entstand der Floss- oder Pack- 
werkbau, wie er in Niederwil. Wauwil und Inkwil nach- 
gewiesen wurde. Die andern Pfahlbauten der Schweiz 
sind aber Boslpfahlbauten. so die bedeutenden Stationen 
Steckborn am Bodensee. Bobenhausen am Pfäflikcrsee, 
Obermeilen am Zurichsee. Schutz im Kanton Luzern. 
Morigen am Hielersee, Auvernier am Neuen burgersee etc. 

In den neolithischen Seedörfern lebten nun 
Menschen und Tiere. Der Pfahlbauer war be- 
gleitet von seinem Hund, und in den Ställen 
hatte er Binder, Schweine, Schafe und Ziegen, 
für die er Winterfutter sammeln musste. Auf 
seinen kleinen Aeckern pflanzte er mehrere 
Sorten Gerste und Weizen. Hirse. Fennich und 
Flachs, dessen Fasern zu Gespinsten benutzt 
wurden. 

Die Hausgerate waren sehr einfach aus Stein. 
Holz, Horn und Ton erstellt. Man schlug und 
schliff aus verschiedenen Gesteinsarten tieile, 
Messer, Sägen, Hämmer, Meissel u. s. w. Man 
bildete aus Ton Gelasse in Form von Schalen, 
Schüsseln, Tellern, Töpfen und Krugen. Man 
fertigte aus Holz und Knochen Ahlen, Meissel. 
Dolche und Keulen, spann mit der Spindel 
und wob am Webstuhl die Stoffe aus Leinwand. 
Der Jäger und Krieger bedurfte der Waffen. 
Die Keule wurde aus Holz gemacht, die Ham- 
meraxl aus zähem, hartem Stein, oft sogar aus 
edlem Nephrit. Lanzenspitzen und lk>lche ver- 
fertigte man aus Knochen oder Feuerstein, die 
Pfeilspitzen aber wurden am liebsten aus dem 
letzlern Material erstellt und mit Asphalt und Plachs- 
schnuren im Schaf! befestigt. Der lange Bogen bestand 
aus Kihcnholz, seine Sehne war aus Gedärmen verfertigt. 

Primitive Menschen haben grosse F'reude an Schmuck. 
So haben uns denn auch die Neolithiker zahlreiche 
Schmucksachen hinterlassen. Man fand Nadeln aus Horn 
und Knochen, Kämme. Perlen aus Hirschhorn. Hinge, 
Gehänge und Amulette aus Stein. Holz. Horn und Zähnen. 



Selbst in der Kleidung wurde dem Schmuckbedürfnis 
Bechnung getragen. Man färbte die Leinwand ; verfügten 
die Neolithiker doch über rote, blaue, gelbe, weisse und 
schwarze Farben, die sie vielleicht auch zur Körperbe- 
malung verwendeten. Bot gewannen sie aus Boteisenstein 
fllämalit). blau aus dem Altich, einer Art Hollunder, und 
gelb aus der VVau ;Urieda luteola}. 

i. Landansiedlungen. Werkstätten. Die Pfahl- 
bauten waren aufs Wasser hinausgeatellt worden zum 
Schutz der Menschen und des Viehes gegen wilde Tiere und 
feindliche Menschen, sowie auch aus hygienischen Grün- 
den. Der See bot auch Nahrung und war die Strasse, die 
den Nachbar zum Nachbarn führte. Man darf aber nicht 
glauben, dass die ganze Bevölkerung der j ungern Stein- 
zeit in Seedörllein ansässig gewesen sei. Es gab auch 
Leute auf dem festen Lande. Freilich hat man noch nicht 
sehr viele Landansiedlungen entdeckt. Eine solche fand 
sich z. B. hoch über dem Zusammenlluss von Aare, Beuas 
und Limmat auf der Terrasse über dem Dorf Siggingen 
■ Aargau I. eine andere bei Stammheim unfern des untern 
liodensees. Manche Landansiedlungen waren an schwer 
zugänglichen Orlen angelegt oder mit Wall und Graben, 
wohl auch mit Palisaden beschützt. Das sind die sog. 
Hefugien, die in kriegerischen Zeiten als Zufluchtsorte 
dienten. I n. solches Befugium wurde im Aathal bei See- 
gräben, zwischen dem Pfäfliker- und Greifensee, entdeckt. 
Es bildet ein Dreieck, von welchem zwei Seiten wegen 
der Steilheit der Gehänge fast unzugänglich sind ; die 
dritte Seite aber ist durch Wille und Gräben sehr gut 
beschützt. 

In manchen Pfahlhauten wurden gewisse Geräte oder 
Waffen in Menge hergestellt und die uberüüsaige Ware 
dann verhandelt. So hat man beim Pfahlbau Moosseedorf, 
zwei Stunden von Bern, eine Feuersteinwerkstätte ent- 
deckt. In Mäurach am Bodensee verfertigte man haupt- 
sächlich Nephritbeile u.s. w. Derartige Werkstätten kon- 
statierte man auch auf dem festen Lande. In Bümlang. 
nördlich von Zürich, fand man z. B. eine Topferwerk - 
Stätte, die dein Hude der Steinzeit oder dem Beginn der 
Bronzeperiode angehört. 

Gegen das Ende der Steinzeit wurden der Verkehr und 
der Tauschhandel lebhafter. Man vertrieb seltene Steine, 
wie ilie Nephritoidc, auf weite Strecken, tauschte dalnr 
HMi«e Fcuersteinsiurkc ein oder ^'ar Kupfer. (M Bfaftt 
Metall, das bekannt wurde. Dieses ward mancherorts so 
haulig benutzt, dass man von einer eigentlichen Kupfer- 
zeit spricht. 

3. Neolithische Gräber. In der Gegend von Pully 




Pfahlbau inarb dorn Modell im schweizerischen LandesmuseuitH. 



und Lutry am Genfersee fand man Skelette in kleinen 
Steinkisten beerdigt. Oft waren es Mann und Frau.' die 
gleichzeitig begraben worden : einigemale lagen auch Kin- 
der dabei. Die Länge der Gräber betrug selten auch nur 
einen Meter; man hatte die Toten in zusammengekauer- 
ter läge begraben. Ganz ähnliche Gräber in ebenso 
kleinen, aus Platten erstellten Steinkisten fanden sich am 
Nordfusse des Simplon bei Glis. Meistens lagen auch Bei- 



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1. I>n> « weidende Realler ' von Th.nntren. — 2-1. Fla<-b»nelx, Gewebe und Kr»n««n au» dem Pfahlbau Hohenhausen bei WeUikon — 
5-7. Töpfe au» den lirabbnfreln von SohMllndorf und ()bervenina*en. — 8-11. Bronieacbwerler verschiedener Tvpen an» I-iddea, 
MrOut. Wollt»bofen. l atf da l.utaael. — 12 M • ■ u<l (i. . r<» vom Kher- berp. — 13-17 Gusuformeo au» bfOMBtaitlici»M Pfahlbauten. — 
W A vt mii Salrx (St. (taller Kliemlhali. — 19. GrifT eine» tiroiii*»chwertea au» Martijrnv — 20. BfWUwioM au* dem Wallis. — 
21. Scheiben n :o I e 1 von sau--.' 22 Grablund von BtUp, — 23 Armring ifirabfuud von Glattfelocn .. — 21 Gürtelschnalle aa> 
Thalheirn. — 25. Krourcuailel Grabfund von UlattfoMeo). 



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SCI1W 



gaben neben den Skeletten, so z. it. aus Muscheln heraus- 
geschnittene A> mringe. Gehänge in Forin von gespaltenen 
i^berzähnen. Marmorknopfe mit eigentümlicher Durch- 
lochung etc. In Glis fand man auch eine Steinaxt und 
Wallen aus Feuerstein, worunter Heile, Speer- und Pfeil- 
spitze. Die Hohle Dachsenbühl bei Beddingen < Schap- 
hausen) enthielt innerhalb eines trockenen Mäuerchens 
zwei Skelette in ausgestreckter Lage, und ausserhalb 
dieses Doppeigrahe* kamen angebrannte menschliche 
Knochen nebst tierischen Kesten zum Vorschein. Durch 
die Heigabe von Steinperlen. Tonscherben und Knochen- 
meissel sind diese Graber als steinzeitliche charakterisiert. 
Desselben Alters waren die teils in einer Art Kiste, teils 
n freier Erde liegenden Skelettgräber vom benachbarten 
Seh weizersbild. Sie lagen in dem vor dem Wohnsilz der 
pal.'iolithischen [iewohner dieses Felsdaches durch die 
weggeworfenen Abfälle gebildeten Wall in verschiedener 
liefe und enthielten Skelette von zum Teil so unbedeu- 
tender Grosse, das« man diese Leute als P»gmaon be- 
zeichnet hat. Auch in den inden) Steinzeltgribera sind 
solche Pygmäen nachgewiesen. Kin Volk, da«, seine Toten 
ehrt, ist kein wild** Volk mehr. Es besitzt schon eine 
gewisse Kultur und kann sich unter günstigen Verhalt- 
nissen weiter entwickeln. 

\. Die Kupferteil Gegen da- Ende der Steinzeit, also 
iui dritten vorchristlichen Jahrtausend, wurde in der 
Schweiz das erste Metall benutzt: das Kupier. Aber dieses 
weiche Material vermochte nicht, die Steingerale zu ver- 
drangen, die immer noch benutzt wurden. Em waren viel- 
leicht neue Ein r, die von Norden kamen, welche 
Kupfer mitbrachten. Im Pfahlbau Vinelz am Itielersee, in 
Saint Dlaise am Ncueiihui .■ - I u. a.D. sind Kunferzeit- 
slationen nachgewiesen worden. Neben zahlreichen Ob- 
jekten aus Stein fanden Bich daselbst Dolche, Lanzen, 
Beile. Ahlen, Meissel u dergl. aus Kupfer. Es erscheinen 
neue Formen von knöchernen Schmucknadeln, sowie 
Perlen und Gehänge aus Kupfer. Die Töpfer wenden das 
Schnurornament an zur Verzierung der Topte oder sie 
stechen Punkte in die Aussenseite derselben. Aber all 
diese Anzeichen einer andern Kultur verschwanden beim 
Hereinbrechen einer neuen Zeit. 

II. Dtl Uhoszepeh imdk. Um das Jahr '2000 v. Chr. wurde 
in Mitteleuropa die Bronze bekannt, die aus etwa 90% 
Kupfer und 10% Zinn besteht. Ihr 
Glanz, machte sie zu Schmucksachen 
geeignet, ihre Harte und ihr Ge- 
wicht aber liess ihre Verwendung 
als Material zu Walfen und Geräten 
zu. Die Kenntnis der Bronze ver- 
danken wir wohl dem Orient, und 
von Süden her. der ithone nach, 
mögen die ersten Händler, die das 
«oldcn aussehende Metall nach der 
Schweiz brachten, gekommen sein. 
Mit der Bronze traten Blei. Gold, 
'das und Hernstein auf. 

a) Pfahlbauten. Auch in der 
lironzezeit w ohnten die meisten l.eute 
über dem See. Aber die Bronze- 
Pfahlbauten befinden sich gewohn- 
lich weiter im See draussen als die 
Steinstnlionen. Man hatte ja auch 
bessere Wei k zeuge. die.Vnsiedlungen 
zu bauen, als früher. Es scheint, als 
ob die Zahl der Seedorfrhen abge- 
nommen habe ; dafür sind die meis- 
ten Hronzestalionen viel grösser. 
Einigederselben habenTausende von 
Fundslucken geliefert, so z. H. Genf 
und Morset im Genfersee, Corce- 
lettes, Kslavayer und Auvernier im 
Neuenburgersee, Vallamand und 
Monlelier im Murtensce. Morigen 
und Nidau im Itielersee, Wollishofen 
bei Zürich, Uodmann am Nordende 
des Hodensees u.s.w. Die Pfahlbauer 
ler Itron/e/eit beschäftigten sich 
DCfa noch mit Fischfang und Jagd; aber viel mehr Bedeu- 
tung hatten für sie die Viehzucht und der Ackerbau. Ge- 
werbe und Handel. Ihre Haustiere hatten sich durch neue 





(jrab mit SkolHl in zimammi'iigcliaucrler 
Stellung <0li« im Wallis) 



'irab vom llaclivnhuhl 
Ober Ht-rblmgrn. 



Kassen vervollkommnet und um das Pferd vermehrt. Das 
Ackerland war ausgedehnter geworden und im Handwerk 
grossere Ar- 
beitsteilung 
durchgeführt. 
Es ist begreif- 
lich, dass die 
Hand, die den 
Pflug führte, 
nicht sehr ge- 
eignet er- 
schien für die 
feinen Bronze- 
arbeiten. Der 
Hronzegiesser 

wird nicht 
auch Topfe ge- 
formt haben, 
es seien denn 
metallene Ge- 
lasse gewesen. 
Der Künstler, 
der die feinen 
\ erziel ungen 
auf den 
Schmuck- 
sachen an- 
brachte, wird 
nicht auch als 

Händler 
durchs Land 
gezogen sein. 

Man halte Arbeitsteilung. Die Waffen der damaligen Leute 
bestanden aus Bronze. Neu war das Schwert, eine Ver- 
längerung des metallenen Dolches. Häutig wurden Schwert 
klingen und Schwertgriffe verziert, indem man auf den- 
selben lineare Ornamente anbrachte. Auch auf Dolchen. 
Lanzen, ja sogar auf Beilen und besonders oft auf Messer 
klingen findet man diese Verzierungen. Eine ganz vor- 
/.ügliche Gelegenheit zur Anwendung von Ornamenten 
bot die Töpferkunst. Die bronzezeillichen Schüsseln. 
Schalen. Teller. Topfe bestehen aus gut geschlemmtem 
und gut gebranntem Ton. Manche Gelasse haben einen 
spitz zulaufenden Boden, so dass sie auf Tonringe oder 
in Sand gestellt werden mussten. Unter den Verzierun 
sen erscheinen Kreise, Kreisbogen. Guirlanden und sogar 
Mäander. Die Töpferarbeit wurde von den Frauen besorgt. 
Man hat in einigen Gelassen Abdrücke von Fingern der 
Töpferinnen, die bei der Arbeit den weichen Ton fest- 
hielt! n, entdeckt. Die Geräte aus Bronze waren sehr ver- 
schiedener Art und häufig ebenfalls verziert. Da finden 
sich mehrere Arten von Heilen, aber keines von der jetzt 
gebräuchlichen Form. Alle haben Schaftlappen stall eines 
Loches zum Befestigen des Stiels. Die Messer haben fast 
immer eine schon geschweifte Klinge und sind oft ver- 
ziert. Dazu kommen Meissel und Ahlen. Hammer und 
AmhoBB, Sägen. Feilen, Durchschläge. Nägel etc. Hie und 
da sind sogar Meissel, Hämmer und Ambosse verziert. 
Die bronzezeitlichen Leute müssen sehr geschickt gewesen 
sein in der Metallarbeit. Sie liebten das Schöne. 

Zahlreich sind die Schmucksachen in den Hronze- 
stalionen. Im Pfahlbau Wollishofen-Zürich hat man z. B. 
nicht weniger als 1500 Schmucknadeln gefunden, und 
doch ist derselbe nicht einmal zur Hälfte ausgebeutet. 
Die Stationen Morigen und Auvernier lieferten besonders 
viele Armringe und Spangen. In Kstavayer wurden Gürtel- 
beschläge in grosser Zahl gefunden. Wie in der Steinzeit, 
haben auch in der Bronzeperiode manche Stationen ge- 
wisse Waren nicht bloss tür den eigenen Bedarf herge- 
stellt, sondern auch für den Verkauf, d, h. dm Export 

Nach und nach verliesaen die Pfahlhauer ihre gebrech- 
lichen Seedörfchen. Sie siedelten sich auf dem Lande 
an, und als die Eisenzeit anbrach lelwa 800 v. Chr.) wai 
kaum ein Pfahlbau der Schweiz noch bewohnt. Es gab 
nur noch Landansiedlungen. Welchem Volk gehörten 
nun aber die Pfahlbauer an? Man weiss es nicht ; man 
kennt nur ihre Kultur. Soviel kann man sagen : In der 
Steinzeil haben meistens Leute mit breitem Schädel in 
der Schweiz gewohnt, sogenannte Hrachycephalen. Am 
Ende dieser Periode trett n mehr und mehr langschädeligc 



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320 



SCHW 



SCHW 



Leute. Iloliehorephalen, 
zeit herrsehend. OIj aber 
elemente in friedlicher 
«der ob die Dolichocep 
kamen, wer vermag das 



auf und »erden in der Bronze- 
dieses Findringen fremder Volks- 
weise, langsam vor sich ging. 
>alen hIs Heinde in unser Land 
zu hauen'.' 



b) La n da ns led 1 u n g e n, Werkstätten. Je mehr die 
Leute ihre Pfahldörfer verliessen, um so zahlreicher wurden 
die Landansiedlungen. Line solche entdeckte man vor 
etwa 50 Jahren am Ebersberg, einem Vorbergedes Irchel. 
Am Abhang gegen den Bhein erhob sich dort zur Bronze- 
zeit auf weitschauendein ['unkte ein von Palisaden be- 
schützte* Itorllein. Auch dort kamen die oben erwähnten 
tiegenstände zum Vorschein, wenn freilieh nicht in gar 
grosser Zahl. Die interessantesten FundsUtcke bildeten 



Horner aus Ton und Mein. Man nennt sii 



nru-M 




ihrer der Mond- 
sichel ähneln- 
den Form we- 
gen Mond- 
horner. Solche 
Mondhorner 
fand mau spa- 
terauch inGrä- 
bern als Toten- 
beigaben. Sie 

halten wohl 
eine religiöse 
Bedeutung. 
Viel starker 
war der aus- 

sichta reiche 
l'eiliberg bei 
Zürich befes- 
tigt. Von drei 
Seiten war die 
Kuppe dessel- 
ben für Feinde 
fast unnahl>ar. 
und auf der 
einzigen leicht 
zuganglichen 
Seite waren 
zumSchutzder 
Llewohner des 

Befugiums, 
das über eine 
Weidefläche 
für das Vieh 

und eine 
starke Ouelle 

verfügte, 
Wälle u. Gra- 
ben erstellt. 
Gelang es dem 

Feind aber 
den noch. diese 
zu erstürmen, 
so zogen sich 
die Verteidiger 
auf den Kulm 



I.ageplan d«s Refugium* «uf d«in miu», g«, 

Leiliberg bei Zarich. nur von Nord- 

westen her zu- 
gänglich, auf dieser Seile durch drei Walle und zwei 
Gräben sehr gut befestigt war und auch noch über eine 
kleine Quelle verfügte. Aehnliche itefugien finden sich in 
allen Teilen des schweizerischen Mittellandes in grosser 
Zahl. An vielen Orten sind noch Wälle und Graben er- 
hallen, besonder* schön z. H. in der sog. Teufelsburg bei 
Rüti im Berner Amtsbezirk Büren ; an andern Orten er- 
innert noch ein Flurname an die einstigen festen Werke, 
wie z. B. der Ausdruck uChätelanl» (n der Westschweiz 
oder der Name «Burg» im Osten unseres Landes 

Anderwärts waren w ichtige Slrassendurchgange befestigt, 
so bei Vorbourg unfern Oelsberg, oder man sicherte Heilig- 
tümer. Der Ghätelard bei Bevaix am Neuenburgersee hat 
vielleicht schon in der Steinzeit als heiliger l'latz Besucher 
von nah und fern erhalten; in der Bronzeperiode dehnte 
sich an seinem Abhang eine grosse Ansiedlung aus. 

Wie man in einigen Pfahlbauten, z. B. in Itenf und 
Zürich, Gusswerkställen nachweisen konnte, so gab es 



auch auf dem festen Lande Plätze, wo die Bronze verar- 
beitet wurde. In Fchallens (Waadt) wurde eine Bronze- 
giesserei entdeckt, in Kerzers, nordostlich vom Murtensec, 
die Werkstätte eines Bronzearbeiters gefunden. Beim 
Bad Heustrich am Fusse des Niesen im Berner Oberland 
kamen Kupfermasseln zum Vorschein, und ebensolche 
Beste von Werkstätten fand man in Tschugg im Berner 
Seeland. Grenchen besass in der Bronzeperiode auch 
eine Werkstätte für Metallverarbeitung. In Wulllingen und 
Veltheim bei Winterthur wurden ähnliche Platze nach- 
gewiesen. In den Giessereien der Bronzeperiode fand 
sich nicht bloss Rohmaterial an Kupfer. Zinn und Blei, 
es kamen auch Gussformen zum Vorschein, in 
die neuen Gegenstände geschmolzen 
Sie bestanden meist aus Sandstein, hie und da 
Ton oder gar aus Bronze. Ausserdem barg die Werkstätte 
Gussligel. halbfertige Ware, «gefehlte» Stücke und Mate- 
rial, das zum Kinscnmelzen bestimmt war. 

Man hat sich lange den Kopf zerbrochen über die Frage, 
wie die Bronzeschmiede die feinen Verzierungen in die 
Bronze eingraviert haben, da sie ja keine Stahlgeräte be- 
sassen. Praktische Wrsuche ergaben aber, dass es ganz 
wohl möglich ist, Bronze mit Bronze zu bearbeiten. Zu- 
dem hat man das Harten der Bronze gewiss auch schon 
verstanden und mit gehärteter Bronze graviert. 

c) Schatz-, Depot- und Bergfunde. Beim Hofe 
Illau, Gemeinde Honenrain, an der luzerniseh-aargaui- 
schen Grenze, zersprengte man vor einigen Jahrzehnten 
einen grossen Findling. Da kamen unter demselben etwa 
40 Schwerter aus Brome zum Vorschein. Sie waren ra- 
dial angeordnet, d. h. die Spitzen gegen den Mittelpunkt 
gekehrt, und alle hatten dieselbe Form. Hat vielleicht ein 
Händler vor 3000 Jahren hier seine Waren vergraben, 
oder haben wir eine Gotlergabe vor um ' In Salez im 
St. Galler Bheinthal fand man über 50 Bronzebeile in der 
Erde. Sie lagen in regelrechten Reihen. Alle waren von 
gleicher Grosse und Form, alle von nahezu demselben 
Gewicht. Ein ganz ähnlicher Fund wurde bei Sigriswil 
nördlich vom Thunersee gemacht. Dort wollte man einen 
Felsblock wegschaffen, der so gross war wie ein Häus- 
chen. Auf einem Absatz dessellien fanden sich, etwa 
ÜO cm tief in der Erde, eine Menge von Bronzen : 2 Speer- 
spitzen, 2 Dolche, 11 Beile der ältesten Form (Salezer- 
tvpus) u. s. w. Spätere Nachgrabungen ergaben noch 
Scherben von Tongefässen, Kohlen und Asche. War man 
da auf einen Opferplatz gestossen? In allen Teilen unse- 
res Landes werden vereinzelte Bronzen gefunden. Beson- 
deres Interesse erregen dabei aber diejenigen Funde, die 
auf Bergen und Pässen zum Vorschein kommen. Sie wei- 
sen auf alte Verkehrswege und zeigen, dass schon vor 
mehreren tausend Jahren die Berge kein unüberwindliches 
Hindernis bildeten für den Verkehr mit dem sonnigen 
Süden, der frühe eine hohe Kultur zeitigte, und von wel- 
chem aus neue Gedanken auch in unser Land kamen. Auf 
der Höhe des Flüelapasses fand man bei Slrassenarheilen 

Zses P ?wrwu"rde e bef 'süs ""n« UinHche^LanM «t- 
deckt, und auf der Drusalscha-Alp bei Davoa kam ein 
Rronzebeil zum Vorschein. Wie der Fluela-, so scheint 
auch der Albulapass schon sehr früh begangen worden 
zu sein. In Scanfs im Engadin fand man -nämlich ein 
Bronzemesser mit verziertem Griff, in Bergün (am Nord- 
fuss der Alhula) wurde eine ornamentierte Armspange aus 
Bronze zutage gefordert. Noch weiter unien im Thal, bei 
Filisur. entdeckte man sogar Spuren einer Bmnzegiesse- 
rei. Von ganz besonderer Wichtigkeil ist ein im Frühjahr 
1907 gemachter Fund in St. Moritz. In der Mauritiusquelle 
daselbst fand man die bronzezeitlichc Fassung und in der- 
selben mehrere Bronzen, die als Volivgaben betrachtet wer- 
den müssen. Auch am Weg über den Bernhardin kamen 
Bronzen zum Vorschein. In Lostallo im Misox wurde ein 
Bronzebeil gefunden. Ein anderes Beil fand sich beiAndeer. 
und vom Ausgang der Viamala an werden Bronzefunde 
geradezu häutig. Schon auf und am Hügel, der die Ruinen 
von llohenrätien trägt, entdeckte man Schmucknadeln 
aus Bronze. Unweit der Anstalt Realta bei Gazis wurde 
ein Bronzebeil ans Tageslicht gebracht, in Tomils fandeu 
sich hronzezeilliche Gräber, bei Botenbrunnen scheint 
eine Bronzegiesserei bestanden zu haben, bei Beichenau 
fand man eine Bromeschwert-Klinge, und bei Ems unfern 



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snuvv 



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321 



•in.- An.iedlung der 
Wenn man vom Bernhardin 

Scham» hinunter zu steinen, über den Berg 
nach Norden wandert, so gelangt man ms 
Vals. Auch dieser Weg war schon in der 
Bronzezeit bekannt Als man kürzlich im 
Dorre Vals die Heilquelle besser fas*te. stiess 
man in *,."> ■ Tiefe auf prähistorische Kno- 
chen und eine Tonischer he alt italischer Form . 
Oberhalt Vals, am Uehergang gegen Sahen, 
entdeckte ein Hirt zwei Bronzedolche, von 
denen der eine ebenfalls eine italische Form 
besitzt. Bei (kill fand sich ein Bronzesohwerl 
von einer Fora, wie sie nur in Italien vor- 
kommt, und in der Nähe dieses Städtchens, 
bei Ruit und Wallensburg. kamen Bronze- 
beile zum Vorsehein. die auch nach Süden 
weisen, Üas Beil von Wallensburg gleicht 
ganz demjenigen von I.ostallo, Wir haben 
also hier einen uralten Verkehrsweg zwi- 
schen dem Hhein- und Tessinthal. 

Ebenso alt ist der Weg über den Ii rossen 
St. Bernhard. Auel) er ist schon in der Bronze- 
zeit begangen worden. I'eber den Bernhard 
gelangten Bronzen vorn Genfersee in die (le- 
gend von Ao»ta, und umgekehrt wurden ita- 
lische Bronzen ins Bhonelhal gebracht. Man 
hat in Martigny sogar ein Hronzes.ch wert ge- 
funden. da> den ungarischen gleicht. Noch 
interessanter ist eine andere Form : In ober- 
italischen Fundorlen findet man nicht allzu 
selten eine Art dreieckiger Bronzedolche mit 
massiven drillen. |tie»e Boich«- Irillt man in 
der Ostschweiz und in Oeslerreich nie, eben- 
so wenig int westlichen Frankreich, wohl 
aber imAVallis. im Berner Oberland, ander 
Bhone, am Hhein und in grosser Menge in 
Norddeulschland- Ollenbar ist diese Oolch- 
form in der ersten Bronzezeit in Italien ent- 
standen, gelangte dann über den Grossen Sl. 
Bernhard ins Wallis, von dort über Leuker- 
bad und den («emmipass nach «lern Berner 
Oberland nach Sigriswilt und zuletzt an den 
Rhein. Sie kann auch längs der Bhone in die 
Rheinlande gelangt sein. Man findet sie in 
der Rheinebene von Basel bis Main/ ; von 
Mainz zieht sie sich an die Elbe und breitet 
sich dann in Nm-ildeuUchland weithin aus 
Wahrend man in Italien nureinfache Formen 
dieses Dolches findet, tritli man in Nord- 
deutschland hoch entwickelte Stücke von 
guter Technik und mit geschmackvollen Ver- 
zierungen. Lieber den Grossen St. Bernhanl 
zog sich also ein Völker verbindender \\ eg vom Süden Euro- 
pas nach dem Norden. Auf diesem Wege drangen auch an- 
dere Dinge nach dem Norden, z. B. Diademe, Schwerter 
it. s. w. Womit aber bezahlten die Nordländer die aus dem 
Süden kommenden Waren ? Im Pfahlbau Corcelelte* am 
Neuen burgersee wurde ein nordisches Hängegefäss und 
eine Sicherheitsnadel ( Fibel I aus Brome gefunden; beide 
Stucke stammen aus dem Norden. Andere Pfahlbauten 
haben unter ihrem Inventar Bernsteinperlen : es ist nor- 
discher Bernstein. Wir sehen, der bronzezeitliche Handel 
hatte eine grosse Ausdehnung. 

d) B ro n zezei t-G rä ber. Bei den bronzezeitlichen Grä- 
bern kann man einen auffallenden Gegensatz zwischen 
dem Osten und dem Westen unseres Landes bemerken. 
In der Westschweiz begegnet uns. wenigstens im Anfang 
der Bronzeperiode, das Steinkammergrab wieder ; in der 
Ostschweiz dagegen sind aus der Bronzezeit nur ver- 
brannte laichen bekannt. Bei einer Baute in Auvernier 
am Neuenburgersce süess man in der Erde auf grosse 
Steinplatten. Als man dieselben abhob, grinsten zahlrei- 
che Totenschädel dt n Grabenden entgegen. Man war auf 
alte Gräber gestossen. Die Toten waren in Kammern bei- 
gesetzt worden. Man hatte das ganze Grab folgender- 
massen gebaut : Je drei Steinplatten waren der Hohe 
nach in parallele Reihen gestellt. Her Zwischenraum 
wurde durch zwei Öuerplatlen in 3 Baume oder Kam- 
geleilt. Seitwärts errichtete man noch '2 Kammern. 




Ugsplan d«.r T«uf«l*burg boi Hbti (in Börner Amtsbezirk Bür.n). 



mer. Die Schädel sollen den Wänden nach gelegen haben. 
Die Grabheigaben bestanden in Schmucksachen und Ge- 
räten. Besonders zahlreich war der Hängeschmuck. Ks 
fanden sich durchbohrte Zähne von Wolf, Bär und Eber, 
Steingehänge, ein Knochenscheibchen, ferner Perlen aus 
Bronze. Dazu kamen eine Bronzenadel mit durchlochtein 
und geschwollenem Hals, Bronzeringe und Hronzespan- 
gen, Knöpfe aus Bronze und Bronzemesser. Ein Feuer- 
stein mag zum Feuerschlagen benutzt worden sein. Nur 
wenig weit von diesem Massengrab entfernt stiess man 
auf ein Kindergrab. Aber da lag das Skelett in freier FIrde. 
und bei demselben befanden sich zwei Paar Armspangen 
aus Bronze, ein Bronzeknopf und eine Bernsteinperle. 

Auch das von hohen Bergen eingeschlossene Wallis muss 
in der Bronzezeit dicht bevölkert gewesen sein, besonders 
in der i legend von Sitten. Spuren einer bronzezeitlichen An- 
siedlung daselbBt glaubt man zwischen den Hügeln Valere 
undTourbillon entdeckt zu haben. Auch Gräber wurden ge- 
funden. Häufiger aber sind die letztern in Lens, Ayent, Sa- 
vierte und Gonthey. Bei Rebarbeiten sind in der Nähe des 
letztgenannten Dorfes in den letztenJahrenmehrcrcBronze- 
zeitgraber zum Vorschein gekommen. L'nter den Funden 
fallen prächtig verzierte Nadeln auf, deren flacher Kopf die 
Form einer Scheibe hat Ausserdem lagen Diademe, ver- 
zierte Bronzegehänge, Muschelschmuck etc. in den Grä- 
bern. Verwandte Funde wurden auch im Waadtland ge- 
macht, wie z. B. in Vers Chiez bei Ollon, Villeneuve etc. 

tiO» - OEOGR . LEX V - 21 



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SCHW 



Da das Hemer Oberland, wie wir gesehen, schon in 
der Bronzezeit uber die Geinrni Verbindungen mit dein 
Wallis unterhielt, linden wir z. H. am Renzenbnhl bei 
Strattligen am Thunenee dieselbe Form de» Grabes wie 
im lUionelbal und neben den Skeletten ebenfalls Diademe 
von Bronze, eine Art Scbanfelnadel und dreieckige Dolche. 
Besonders interessant sind ein Gürtelhaken italischer Form 
und ein Bronze- Flachbeil mit eingesetzten Goldstiften. 

Wenden wir uns nun dem schweizerischen Mittelland zu. 
ao begegnen wir in den deutsch sprechenden Kantonen ganz 
andern hronzezeitlichen Grahgebrauehen als in der VSest- 
untl Südwestschweiz. Das zeigt sich schon bei den Gräbern 
von der Hohliebe bei Help, die nur wenige Stunden vom 
eben genannten Denzenbühl zum Vorschein kamen. In 
Delp famf man keine Skelette, sondern verbrannte Leichen, 
deren Asche in Urnen geborgen war. Als Beigaben er- 
schienen einfache Bronzespangen, Knopfe. Schmuckna- 
deln, die wegen der den Mohnkapseln gleichenden Form 
der Köpfe als Mohnkopfnadeln bezeichnet werden, und ein 
Messer aus Bronze, dessen Grill' stil förmig und mit einein 
Nielnagel versehen ist. Hin anderer Bronzezeit- Grabfund 
stammt aus Binningen in Basel Land. Bei verbrannten 
menschlichen Knochen fand man daselbst Spangen mit ver- 
dickten Enden oder Stollen, Schmucknadeln mit mehr- 
teiligen Köpfen, Ringe. Ketten, ein Messer mit Flaehgriff 




erstorbenen vielleicht sogar Opfer dar- 
bringen. Zu diesem Zwecke muBate man genau wissen, 
wo er begraben lag. Die Grabhügel der Bronzezeit sind 
bei uns nicht häufig ; die Sitte der Hügelbeslatlung kam 
erst in der Eisenzeit recht auf. Man hat indessen doch 
einige Grabhügel entdeckt, die sicher in der Bronze- 
periode entstanden sind. Am Altenberg bei Gossa u im 
Kanton Zürich lagen einige kleine Grabhügel. In einem 
derselben wurden zwei glattgeschiiflene Steine, mehrere 
Armspangen aus Bronze und eine Schinucknadel aus 
demselben Metall gefunden. Schon das Aussehen dieser 
Bronzen deutet auf Leichenbrand. Im Hanl bei Weiach 
unfern Kaiserstuhl wurden ebenfalls ßronzespangen. Na- 
deln und zudem ein Bronzedolch in Grabhügeln entdeckt. 
Sie lagen bei verbrannten menschlichen Knochen und 
waren durch einen Sleinkern gegen aussen geschützt. 
Das Oberholl bei Rickenbach in der Nähe von Winter- 
thur birgt eine Gruppe von eisenzeitlichen Grabhügeln. 
Zwischen denselben liegen einige älter«*, kleinere Hügel. 
In einem der kleinsten land man Spuren von Leicheu- 
brand unter einem Steinlager. Dabei kamen eine Ton- 
scherbe. Broozespangen, eine Schmucknadcl und knopf- 
artige Besatzstucke, eine Spirale aus Bronze und eine 
Bernsteinperle zum Vorschein. 
Woher rührt nun die Verschiedenheit der hronzezeit- 
lichen Graber in der (.Ist- und der 
Westschweiz'.' Haben dazumal 
Leute verschiedenen Stammes, 
vielleicht gar verschiedener Re- 
ligion unser Schweizerland be- 
wohnt '? Erst eine Anzahl neuer, 
genauerer Untersuchungen kann 
die Antwort auf «liese Fragen 
geben . 

III. Du. Eisenzeit. In den jüng- 
sten Pfahlbauslationen, z. B. in 
Morigen am Bielersee, erscheint 
neben Bronze. Blei und Gold auch 
das Eisen, aber sehr selten. Da 
fand man u. a. ein Schwert mit 
weidenblattförmiger Klinge. Es 
besass einen Bronze- VollgrilT. 
Aber die Klinge bestand nicht aus 
Bronze, sondern aus Eisen, und 
im BronzegrilT waren zur Zier 
papierdunne Eisenplältchen ein 



Grab von Auvermer. 

und ein getriebenes Gürtelbeschläge aus Gold. Als man den 
Bahnhof Glatlfelden an der Linie Zürich-SchafThauscn er- 
stellte, kam eineTonurne. gefüllt mit verbrannten mensch- 
lichen Knochen, zum Vorschein. Als Beigaben fanden sich 
Stollenspangen mit Kerbverzierungen, die in ein Oval ein- 
geschlossen waren, und eine Mohnkopfnadel. Ganz ähn- 
liche Funde machte man in Thalheim (Kanton Zürich), 
wo in Bronzezeitgr.ibern mit Leichenbrand auch Stollen- 
spangen mit Kerbverzierung und Mohnkopfnudeln gefun- 
den wurden, ferner ein Hförraiger Gürtel haken, dessen En- 
den eingerollt waren. Ein anderes Urnengrabfeld kam bei 
Mels im St. Galler Oberland zutage. Im Weiler Heiligkreuz 
daselbst (früher Tscherlingen genannt) wurden neben dem 
sog Heidenkirchlein am Fuss des Gonzen Urnen mit ver- 
brannten Menschenknochen angetroffen. Die Heigaben be- 
standen in Mohnkopfnadeln, verzierten Hingen und Span- 
gen. Messerchen und einem Dolch aus Bronze 

Neben l'rnengräbern, deren Beispiele sich leicht ver- 
mehren Hessen, gibt es aber in der Oslschwciz noch 
andere Begräbnisse aus der Bronzezeit. Wenn der Schei- 
terhaufen, auf welchem der Tote lag, niedergebrannt war. 
brauchte man die menschlichen Reste ja nicht zu sam- 
meln und in einer Urne zu begraben ; man konnte die 
Erde auch uber dem /usammengebrannten Holzstoss auf- 
werfen. So entstand ein Hügel, ein Grabhügel, wie deren 
zu hunderten in allen Landern Kuropas entdeckt worden 
sind. Bei den l'rnengräbern wussten nur wenige, wo sie 
sich eigentlich befanden : den Grabhügel sieht jeder- 
mann. Starb z. B. ein mächtiger Häuptling, so wollte 
man die Stelle auch den Nachkommen zeigen können ; 



im Seesen Ii 
Da konnte man sehen, wie sehr 
jene Leute Unrecht haben, die 
behaupten, das Eisen sei schon in der eigentlichen Bronze- 
zeit bekannt gewesen. Es sei nur verrostet, und darum 
finde man es nicht. In dem eben erwähnten Schwert von 
Morigen haben sich ganz dünne Elsenlamellen nahezu 
IJOOU Jahre erhalten, und da sollten eiserne Aexte und Beile 
spurlos verschwunden sein '.' Das ist einf ielt unmöglich. 
Ein Bronze-Armband von Morigen trägt ebenfalls hisen- 
einlagen von grosser Feinheit. Ttas Eisen muss also teuer 
gewesen sein ; sonst hatte man es nicht als Schmuck, als 
Einlage benutzt. Teuer war es seiner Seltenheit wegen. 

Das Eisen erscheint also im Anfang als seltenes, neues 
Metall. Nach und nach wurde es häufiger. Man lernte das 
Eisenerz unseres Landes benutzen und bezog nicht mehr, 
wie in der Bronzeperiode. alles Rohmaterial aus der 
Fremde. Am Gonzen ob Sargans mag schon sehr früh 
Eisen gewonnen worden sein, und das Hohnerz des Jura 
hat man wohl ebenfalls benutzt. Aber wie wurde das Erz 
dem Gestein entnommen? Am Gonzen sieht man uralle 
Gänge, welche mit Meissel und Pickel gehauen worden 
sind. Manchmal aber schichtete man llolzhaufen an die 
erzführende Gesteinswand, entfachte ein grosses Feuer 
und kühlte dann die erhitzte Wand mit kaltem Wasser 
rasch ab. Dadurch wurde das Gestein locker, mürbe und 
konnte nachher leicht mit dem Pickel in Brocken abge- 
lost werden. Wenn das Eisenerz gewonnen war. musste es 
geschmolzen werden. Zu diesem Zwecke errichtete man 
eine Art Ofen aus Ton. der mit harten Steinen ausgekleidet 
und mit einem dicken Krdmantel umgeben war. Die Höh- 
lung dieses im Freien befindlichen Schmelzofens zog sich 
vom Feuerloch, von der ..Türe», horizontal bis zur Mitte 



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SCIIW 



SCHW 



des Bodens und stieg dann empor, zwar nicht in (tanz 
gerader Dichtung. Wollte man Lrz schmelzen, so wurde 
eine Schicht Kohle, dann eine Schicht zermalmten Er- 
ze«, hierauf wieder Kohle, dann Erz u. s. w. von oben 
eingeschüttet. Endlich fachte man «ij- PiMMf -in Durch 
da» Ordnen der i Türe » entstand ein lebhafter Zug, und 
die Kohle fing Feuer. Beim Feuerloch wurden die Schlak- 
ken herausgezogen, und endlich blieb ein Kisenklumpen 
zurück, der beim Anschmieden ein stahl. ihnltches Eisen 
lieferte. In fast gleicher Weise wird in manchen Teilen 
Afrikas heute noch ein vorzüglichen Eisen erzeugt, Das 
Eisen verdrängte die Bronze mehr und mehr. Ums Jahr 
800 v. Chr. herrschte auch in der Schweiz die volle Eisen- 
zeit. Wallen und Geräte wurden jetzt zumeist aus Eisen 
gefertigt; die Bronze verwendete man aber immer noch 
mit Vorliebe zu glänzendem Schmuck. 

a) Eiscnzei tliche Ansiedlungen. Bei Beginn der 
Eisenzeit waren die Pfahlbauten fast ausnahmslos schon 
verlassen. Die Leute wohnten auf dem festen Lande in 
durch Wall und Graben, Palisaden und Dornhecken wohl- 
geschützten Dörfchen. Daneben wurden die auf schwer 
zugänglichen Felsvorsprüngen und Höhenzügen ange- 
legten Befugien immer noch, besonders in Knegszeiten, 
gern benutzt. Wir haben schon früher von dem grossen 
Kefugium auf dem Uetliberg gesprochen; es ist auch in 
der Eisenzeit benutzt worden, wie besonder? ein Friedhof 
aus der Zeit um 400 v. Chr., der beim grössten Wall der 
Anlage zum Vorschein kam, beweist. Eine grössere, 
gleichfalls befestigte Ansiedlung der Eisenzeit aber lag 
am Fuss jenes Berges mitten in der Stadt Zürich. Durch 
diese Stadt sieht sich, heutzutsge freilich nicht mehr 
uberall erkennbar, ein Moränenwall. Ein Teil desselben 
bildet den sogenannten Lindenhof. einen Hügel hart am 
linken Ufer der Limmat. Auf diesem Hügel haben sich 
schon zur Bronzezeil Leute angesiedelt, und als die Pfahl- 
bauten am untern Ende des Zurichsees verlassen wurden, 
erhielt er erst recht viele Bewohner. Die Ansiedlung 
wuchs während der Eisenzeit und dehnte sich aus. Man- 
ches Hüttchen, das tief unten an der Moräne stand, wunlc 
von den Hochwassern der wilden Sihl, die in Zürich 
mündet, erfasst und zerstört. Der Inhalt solcher Hütten 
wurde dann vom Wasser fortgeschwemmt So kann man 
sich erklären, dass da, wo Sihl und Limmat sich ver- 
einigen, zahlreiche Funde aus der Bronze- und Eisenzeit 
zum Vorschein kamen. Die ältesten derselben bestehen 
in Bronzeschwertern, Beilen, Nadeln etc., ganz wie wir 
sie aus Pfahlbauten kennen. Dazu kommen nun über 
eiserne Beile, eiserne Schwerler, eiserne Schmucksachen. 
Zangen der Eisenzeit. Die Ansiedlung auf dem Lindenhof 
hat also schon in der Bronzeperiode bestanden und sich 
durch Jahrhunderte erhalten. Gewiss ist Zürich eine der 
12 Städte oder eines der 400 Dorfer gewesen, welche die 
Helvetier bei ihrem Auszuge verbrannt haben. 

Ein noch wichtigerer Fundort der Eisenzeit ist eine 
einsame Stelle am Neuenburgersee, La Tene. etwa eine 
halbe Stunde tom Dörflein Marin und 1 Stunden von 
Neuenburg, am Austins-, der Thiele gelegen. D.i vermutete 
man einen Pfahlbau, weil man allerlei urgeschichlliche 
Dinge fand, besonders Sicherheilsnadeln aus Bronze und 
Eisen, sowie eiserne Schwerter. Auch Pfähle. Spuren 
von Brücken etc. kamen zum Vorschein. Aber die Funde 
waren ganz verschieden von denjenigen der eigentlichen 
Pfahlbauten. Sie glichen vielmehr den Objekten, die man 
auf Schlachtfeldern aus der Zeit Gasars in Frankreich 
ans Tageslicht gefordert hatte. Nach und nach brach sich 
die Erkenntnis des wahren Sachverhaltes Bahn. La Tene 
war ein befestigter Platz aus der jungem Eisenzeit, er- 
baut zum Schutz des Weges, der von Helvelicn durch 
den Jura nach dem östlichen Gallien führte, und zugleich 
als Grenzwache. Die Festungswerke lagen auf einer Kies- 
insel der Thiele und waren durch Brucken mit dem Lande 
verbunden. Nicht friedliche Pfahlbau, i . sondern krie- 
gerische « Eisenleute > bewohnten den Platz. Darum findet 
man hauptsächlich Waffen, daneben wenig Geräte, wenig 
Schmuck, fast keine Gelasse, Sämereien, Küchenabfälle. 
Auch Münzen kamen zum Vorschein. Sie bestehen aus 
Gold, Silber oder Polin, einer Mischung von Kupfer, Zinn 
und Blei. Die wichtigsten Funde vom l-a Tene sind 
die Schwerler. Sie bestehen aus ziemlich weichem 
Eisen und sind höchstens einen Meter lang. Man unter- 



scheidet drei Formen derselben. Die ältesten sind noch 
ziemlich kurz, haben eine lange Spitze und tragen eigen- 
tümliche Verzierungen an der Spitze der Scheide. Man 
nennt diese Form Früh -La Tene-Schwerter. Die Mittel- 
la Tene-Schwerter halien an der Stelle, wo der Griffdorn 
in die Klinge ubergeht, einen Bügel. Sic besitzen eine 
kurze Spitze. An der Scheide finden sich «gallische« 
Ornamente beim Griff, nicht mehr an der Spitze. Solche 
Schwerler benutzten die Helvetier bei Bibrakte. Wie 
dieses Schwert länger ist als das Früh- La Tene-Schwert, so 
wird es selbst wieder an Länge übertreffen vom Spät-La 
Tene-Schwert. Dieses besitzt keine Spitze mehr ; die 
Scheide ist oben ebenfalls gerade abgeschnitten und be- 
steht häutig aus Bronze. In ganz ähnlicher Weise unter- 
scheidet man Früh-, Mittel- und Spät-La Tene-Fibeln 
(Sicherheitsnadeln). Die erstem gehören dem 4. und 3. 
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung an, die Mitlel-La 
Tene-Fibeln und Mittel-La Tene-Schwerter der Zeit vor 
dem Auszug der Helvetier (58 v. Chr.) und die Spät-La 
Tene-Fibeln, wie die Spät-La Tene-Schwerter der Zeit 
um Christi Geburt. 

Unter den übrigen Eisenzeit-Ansiedlnngen der Schweiz 
wollen wir nur einige wenige anführen, so Sitten und 
Siders im Wallis, Saint Triphon bei Ollon in der Waadt. 



WM 




Ei»eU9Clutielj»feu Im Hemer Jum. 

Avenches. wo ein helvetischer Mün/.stempel zum Vor- 
schein kam, Hrugg am Aarekanal unfern Biel, ein wich- 
tiger Brückenkopf. Jedenfalls sasa auch bei Bern zur 
Eisenzeit eine zahlreiche Bevölkerung, und das am Zu- 
sammenHuss von Aare, Heuss und Limmat gelegene Win- 
disch existierte ebenfalls schon in vorromischer Zeit. 
Selbst im ratischen Lande hat man eisenzeitlichc An- 
siedlungen nachgewiesen, so in Mels und Vilters bei 
Bagaz. 

b) Die Grabhügel des schweizerischen M ittel- 
I and es. Während zur Bronzezeit in der Westschweiz 
die Beerdigung, in der Ostschweiz der Leichenbrand üb- 
lich gewesen zu sein scheint, wird in der ersten Eisenzeit 
das Verbrennen der Toten im schweizerischen Mitlelland 
allgemeiner Brauch, und ebenso allgemein wurden vom 
Genfersee bis zum Bodensee zu Ehren der Verstorbenen 
Grabhügel errichtet. 

Das bedeutendste bis jetzt bekannte Grabhügelfeld der 
Schweiz helindet sich oberhalb des Dorfes Unter Lunk- 
hofen an der heuss im Kanton Aargau. Da waren über 
80 Grabhügel beisammen, und manche derselben ent- 
hielten mehrere Bestattungen. Fast jeder Grabhügel 
mochte ursprunglich mit einem Steinkranz unigeben ge- 
wesen sein. Unter dem Basen stiess man gewöhnlich 
zuerst auf einen Steinkern, und erst unter demselben be- 
fanden sich die Beste der Urzeit. Den verbrannten Toten 
waren Schmucksachen, zahlreiche Tongefässe, hie und 



324 



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1 uod S. Sctimiickgehiiogv aus t'ot»rluiikhufoii. — 3. Kurtalacbmuck au> rnlerlunkkoren. — I. Hfunnuroe vuo Oruchwil. — 
5-7. Früh-, Mitlei- uod Sp.lt-I,a T*n«rlbelu aus St.inh.mson und Cortaillod — 8 ued 9 Achale und Schussel aus t'nWlunk- 
hofen. — 10. Wallisers|>aage aus Martifrnv. — 11—13. I.a Teoe-Scta werter lau» der KrOti-, Mittel- und Sp.iM.a Teue-Zeit, — II. 
Gürtelschnalle aus Casiione. — 15. Cortosäribel au« Caalioue. — IC, Sohoabelkanne uns einem Grab von Castinne. — 17. Schlan- 
(reudbel aus Moliaauo bei Arhedo. — 18. Bronta-Ciate aus eioem Grab voo Carioasoa. — lU-il. Grabfuod tun Morgan. 



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325 



da auch Geräte und Waffen ins Grab mitgegeben worden. 
Die Tongefasse bestanden in kleinen Schalen. Näpfen, 
Tellern, Schüsseln und in Topfen, die manchmal sehr 
gross waren. Nicht selten hatte man die Ge fasse bemalt 
oder sonst verziert. Alle waren von freier iland gemacht 
Die Topferscheibe war noch unbekannt. 

Die Leute, welche diesen Friedhof angelegt, scheinen 
im Frieden gelebt zu haben. Nur ein einziges Mal fand 
sich ein Schwert. Dasselbe gleicht einigen Eisenschwer- 
lern aus dem berühmten Grabfelde von Hallstatt in Uber 
Oesterreich, nach welchem man die ganze erste Eisenzeit 
(etwa 800-400 v. Chr.) auch etwa Hallstattperiode nennt, 
wahrend die zweite Eisenzeit (ca. 400-50 v. Chr.) die La 
Tene-Zeit geheissen wird. 

Unter den Schmucksachen von Lunkhofen belinden sich 
Ringe und Spangen. Ohr- und Brustgehänge und Gürtel- 
schmuck. Sri,, interessant sind zwei mit Aufhingeringen 
versehene Bronzetlgürchen. Mann und Frau, die wahr- 
scheinlich südwärts der Alpen verlertigt worden sind und 
durch den Handel in unser Land kamen, ähnlich wie der 
Bernstein aus dem Norden hieher Belangte. 

Grosses Aufsehen erregte ein Fund aus einem Grab- 
hügel bei Grächwil, nordwestlich von Bern. Da fand man 
im Mantel des Hügels ein Kriegergrab aus alemannischer 
Zeit. Unter dem Steinkern aber scheint ein Stammesfurst 
begraben gewesen zu sein. Er war verbrannt worden. 
Seine Asche lag in einer grossen Urne aus Bronze, deren 
Henkel von Leoparden gebildet werden, die rechts und 
links von einer Palmette liegen. Am Hals des Kessels sitzt 
ein merkwürdiges Bildnis aus Bronze. In der Mitte dessel- 
ben befindet sich eine Göttin, auf einer Palmelte stehend. 
Sie ist beflügelt und hält mit den Händen zwei Hasen. Zu 
Seiten derselben sitzen zwei Löwen. Das Haupt der Göttin 
ist mit einer Krone geschmückt, auf welcher ein adler- 
artiges Tier sitzt. Von der Krone winden sich zwei Schlan- 
gen horizontal nach links und rechts, und auf denselben 
ruhen zwei Leoparden (oder Löwen ?j, im Gegensatz zu 
den untern nach aussen gewendet. Ausser der wahrschein- 
lich etruskische Arbeit verratenden Urne mit dem Bild- 
werk fand man im Grachwiler Hügel noch ßronzereste. 
ein Hufeisen, ein Tongefäss und Beste eines Wagens, 
wohl des Streitwagens des verstorbenen Häuptlings. 

Das Berner Seeland hat noch andere Hallstattfunde ge- 
liefert, die zum Schönsten gehören, was man in den Grab- 
hügeln der Schweiz angetroffen hat. Im Grossholz bei Ins 
(Anet) liegen 5 Tumuli. denen man Goldschmuck, Bron- 
zekessel. Wagenreste etc. enthob. Sehr schöne Funde 
lieferten auch die Grabhügel von Subingen im Kanton 
Solothurn. Neben den verbrannten menschlichen Kno- 
chen fand man daselbst Halsschmuck aus Bronzespiralen, 
Ijagatperlen und Menschenzähnen. 250 Emailperlen, 
Schmuckrädchen. Kelten. Hasseln. Hinge, Spangen, Arm- 
schlaufen, Fibeln. Gürtelblechstücke, Eisenmesser und 
-dolch, Gewebereste, Urnen, Schalen, Topfe etc.. zum 
Teil mit Bemalung. Auch die West- und Ostschweiz sind 
reich an Grabhügeln, und in manchen derselben traf man 
Funde, welche aus dem Süden stammten. 

c) Die Gräber der Sudschweiz. In den Gebirgs- 
gegenden der Schweiz fehlen die Grabhügel. Was hätten 
denn auch diese Hügelchen für einen Eindruck gemacht 
gegenüber den Riesenhügeln der Natur! Selbst in den 
flachem Teilen des Wallis, des Tessin und Graubündens 
treffen wir während der ganzen Eisenzeit Gräber in flacher 
Eitle. Nur der Zufall lässt diese Friedhöfe linden ; keine 
äussere Spur zeigt, wo die Toten ruhen. 

Dieser Zufall hat uns aber schon mit einer ansehnlichen 
Zahl solcher t-'lachgräber bekannt gemacht. Wir wissen 
deshalb, dass im Wallis die Gräber der Eigenzeil recht 
häufig sind, dass sie sich nicht bloss im eigentlichen 
Bhonelhal. sondern auch in den Seitenthälern finden So 
besitzen wir z. B. prächtige Funde vom Leukerbad am 
Gemmipass. Beim Bau der zahlreichen Hotels daselbst 
kamen hie und da Gräber zum Vorschein. Manche der- 
selben enthielten Fibeln, worunter Früh-La Tene-Fibeln 
nicht selten sind. Hinge und Armspangen mit Kreis- 
verzierung, dem sogenannten Walliserornament. Dieses 
Ornament heisst so. weil es nur im Wallis in dieser 
derben Form vorkommt. Statt der auch anderwärts 
vorkommenden feinen Kreisverzierung sind bei den 
Walliserspangen und -ringen häufig scharf markierte 



Kreise mit Mittelpunkt zu sehen. Diese Verzierungsart 
wird mit der Zeit immer massiver ; die Spangen werden 
schwer, unförmlich, bis sie endlich zu Beginn der 
Römerzeit verschwinden. Das Unschöne erhält sich nicht. 

Wie das Rhonethal, so ist auch das Tessinthal reich 
an eisenzeitlichen Gräbern, besonders die Gegend von 
Bellinzona. Dort vereinigen sich die Wege vom Bern- 
hardin. vom Lukmanier und vom tjotthard und treten 
die Hügel so nahe zusammen, dass sie eine natürliche 
Thalsperre bilden. Schon lange vor der Zeit der krie- 
gerischen Römer haben Leute bei dieser Sperre sich 
niedergelassen, um die Alpenstrassen zu beherrschen 
und mit den rauhen Alpenvölkern in Verbindung zu 
treten. Es darf also nicht wundernehmen, wenn wir in 
der Nahe von Bellinzona eisenzeitliche Gräberfelder 
antreffen in Arbedo, Molinazzo. Castiono, Cerinascia. 
u. s. w. Es ist 
entdeckt 
neue Funde. 

der Eisenzeit bis in die romische Knoche hinein gele 
Auch aus andern Teilet des Tessin, sovie des angren- 
zenden Misox besitzen wir solche Funde. Das Schweize- 
rische Landesmuseum, das die grossartigste Sammlung 
derselben birgt, ist in den Besitz 
Kollektion ge- 



Beginn 
eleiten. 




um 

die es sogar die 
grossen Museen 
des Auslandes 
beneiden kön- 
nen. Was diese 
Tessiner Grä- 
ber auszeich- 
net, istihrgros- 
ser Reichtum 
an wertvollen 
Objekten. Da 

linden sich 
ganze Colliers 
von Bernstein- 
u. Glasperlen, 
H.'ingeschmuck 
aus Bronze und 
Silber. Schlan- 
genfibeln, Cer- 
tosa- und La 
Tene-Fibeln in 
grosser Zahl. 
Armringe aus 

Bronze oder 
Silber. Finger- 
ringe, zum Teil 
mit Gemmen 
geschmückt. Gürtelbleche und -beschläge. oft mit getrie- 
bener Arbeit. Gürtelhaken, Spangen, Ketten u.s.w. Unter 
den Gcfässen begegnen wir allen möglichen Formen in 
Ton. oft mit Bemalung. Manche Geschirre sind mit der 
Drehscheibe erstellt oder imitiren die Technik der römi- 
schen Kaiserzeit. Daneben erscheinen zylindrische Kessel 
aus Bronze, 
haben die 



Hronicbil.l am Hat« ite* Ko««ol« 
von ürachwil 



, sog. eisten ; andere Bronzekessel, die Situlae, 
Form eines abgestumpften Kegels, und neben 



ihnen linden sich prächtige Schnabelkannen. 
An Waffen nennen wir La Tene-Schwerter, Unzen, 



Schildbuckel und kostbare Helme von Bronze und Eisen. 
Endlich seien die Münzen nicht vergessen. Auf manchen 
ribeln erkennt man Einlagen von verschiedenfarbigem 
Email, an Helmen und Tongefassen linden sich hier und 
da Inschriften in sog. nordetruskischer Schrift. Die meis- 
ten Leicht n sind verbrannt; Skelettgraber sind selten. 
Die Aschenurnen samt den Beigaben liegen manchmal in 
Steinkisten, hier und da auch nur in freier Erde. 

Die Kultur, die sich in den Tessiner Flarhgräbern offen- 
bart, ist diejenige des Nordrandes der Poebene. Auch in 
der Gegend von Como zeigt sie sich, eltenso westlich des 
Langensees. Sie ist ganz verschieden von derjenigen der 
Gegenden diesseits der Alpen, obwohl auch hier eine Zeit 
lang, wie in Oberitalien. Kelten wohnten. 

In jüngster Zeit sind nun auch im schweizerischen 
Mittelland Flachgräber der ersten Eisenzeit gefunden 
worden, so in Scholz. Besonders hervorzuheben ist das 



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896 



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Fürstengrab von Zürich, welches eine Goldschnsscl bare, auf 
deren Bauch Tierliguren zu sehen sind. Es i<t ein Unikum. 

dl Die La 
Tene-Gräber 
der N ord- 
ii n d West* 
Schweiz. Die 
altern Grabhü- 
r . I bergen nur 
m rbrannte lai- 
chen. Nach und 




Helm au« Oiubia«*> 



Zeitrechnung, wird auch 
man bettet die Toten in 



der Grabhügel 
freie Erde und 



scheinet) auch 

«leder Skelett- 
tiiber. und ge- 
feit das End-» 
der 1. Eisenzeit 
o.ler der Hall- 
stattperiode 
t erschwindet 
.ler Leichen- 
l>rand ganz. 
IM Beginn der 

1. Eisenzeit 
<>iler der La 
Ti-ne - Periode, 
also im fünften 
Jahrhundert 
vor unserer 
verlassen, und 
zwar in ausge- 



streckter Laue. Höchstens wirtl ein trockenes Mauer ■■ tu n 
(ohne Mörtel) um die Leiche aufgeführt. I)ie jüngsten La 
Töne-Gräber dürfen den Helvetiern zugeschrieben werden. 

In Horgen am Zürichsee wurde bei einer Strassen- 
korrektion ein Grab gefunden, das wohl eine Krau be- 
herbergt hat. Heim Skelett, welches in freie Erde gebettet 
war, lagen viele Schmucksachen, ein auf der Töpfer- 
scheibe erstellter Topf und eine goldene Münze, l'nter 
den Schmucksachen ist zuerst zu nennen eine silberne 
Mittel-La Tene- Fibel. Bei den Früh-Iji Tene-Fibeln ist 
der Fuss nur aufgebogen und gegen den Hügel zurück- 
gelegt: hier umfasst er den Bügel mit einer Zwinge. Wäh- 
rend die Sicherheitsnadel aus Silber besteht, fand sich 
daneben ein Stück eines Kellchens aus Bronze. Ausser- 
dem enthielt das llorgener Grab zwei Armringe aus Glas, 
welche mit Kobalt blau gefärbt waren, und einen Hing 
aus Pechkohle oder Gagat. Glasarmringe linden sich nur 
in Gräbern der mittlem La Tene-Zeit, also in solchen der 
letzten zwei Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Sie 
weisen verschiedene Farben auf. Am schwierigsten herzu- 
stellen war durchsichtiges Glas. Ks gibt indessen schon 
in der Mittel-La Tene-Zeit durchsichtige (Ilasringe ; aber 
sie erscheinen gelb, weil auf der Innenseite eine gelbe 
Folie eingebrannt wurde. In Horgen fand man auch 
Fingerringe. Zwei derselben bestehen aus Gold, ein drit- 
ter aus Silber. Der letztere trägt > 
Stein. Wichtiger als diese Hinge ist ein Topraus 
Grabe, der auf der Töpferscheibe hergestellt wurde. 
Die Drehscheibe ist also in unsern Gegenden seit der 
Mittel-La Tene-Zeit bekannt. Endlich müssen wir noch 
die Münze erwähnen. Es ist eine Goldmünze. Sie zeigt 
auf der Vorderseite einen lorbeerbekränzten Kopf, ähn- 
lich den griechischen Münzen. Auf der Hückseite erblickt 
nun ein Zweigespann und darunter einige griechische 
Buchstaben. Teile des Namens Philippos. Wir haben also 
hier eine gallische Nachahmung der Münzen des Königs 
Philipp von Makedonien vor uns. 

Im Dickehof bei Schlatt (Kanton Thurgaui wurde ein 
Kriegergrab der La Tene-Zeit entdeckt. Neben dem Ske- 
lett lagen ein Mittel-La Tene-Schwert von 1 m I.änge mit 
eiserner Scheide, der Schwertkoppelring ebenfalls aus 
Eisen, und eine breitblätterige La Tene-Lanze von etwa 
30 cm Länge. 

Gräber wie diejenigen von Horgen und Schlatt linden 
sich nicht bloss vereinzelt, sondern in ganzen Grabfeldern 
beisammen im schweizerischen Mittelland. Kines der 
bestuntersuchten ist dasjenige vom Boulevard Saint Mar- 
tin in Vevey. Dasselbe enthielt etwa 30 Gräber, welche 
der Früh- und Mittel-La Tene-Zeit angehören. Die in 



diesen Grabern liegenden Toten gehörten zu den Doli- 
chocephalen mit langem schmalem (Besicht. Die mittlere 
Grosse der Männer wurde zu 167 cm, diejenige der Frauen 
zu 156 cm bestimmt. Ein Grab enthielt die Leiche 
einer jungen Frau in freier Krde. von NNO. nach SSW. 
liegend. Auf der Schulter fand rnan eine Fibula, bei den 
Hüften eine Bronze-Gürtelkette. Am linken Arm kamen 
ein Bronzering und zwei Glasarmringe zum Vorschein, 
am rechten Arm ein Eisenring. Hie rechte Hand trug 
einen goldenen Spiralring, die linke einen Silberring. 
Zwischen den Lnterschenkeln fanden sich etwa 6 Fibeln 
der Mittel-La Tene-Zeit. Grab 17 barg in einem von NNO. 
nach SSW. liegenden viereckigen Holzsarg eine Kinder- 
leiche. Auf der linken Schulter lag eine eiserne La Tene- 
Fibel, und ausserdem fand sich ein Glasarniring wie in 
Grab 8. Kin wohlerhaltenes Kriegergrab der Mittel-La 
Tene-Zeit war Nr. '26. In einem viereckigen Sarge lag ein 
Mann, dessen l'nterkorper mit dem Schilde uberdeckt 
worden war. Auf dem rechten Arm befand sich das 
Schwert, das Schwertband um die Klinge gewickelt. Da- 
neben lag die Lanze, deren Spitze gegen die Fuss«- des 
Toten gerichtet war. Bei jeder Schulter wurde eine Eisen- 
libel entdeckt. Sie haben wohl zum Zusammenhalten des 
Leichentuches gedient. In andern (iräbern fanden sich 
Fibeln mit Emaileiniagen. Perlen aus Glas und Bernstein ; 
ja sogar eine massaliolische Silbermunze kam zum Vor- 
schein. 

Das grosste bis jetzt in der Schweiz entdeckte La Tene- 
Graberfeld wurde in Münsingen (Kanton Bern) bekannt, 
wo über 200 (iraber zum Vorschein kamen. Die Funde 
bestehen in Schwerlern, aber auch in zahlreichen 
Schmucksachen. Besonders Fibeln, Hinge und Spangen 
waren haulig. Die meisten Schmucksachen bestanden aus 
Bronze, eintue aus (iold, Bernstein elc. Die WalTcn be- 
stehen aus Eisen. Diese Funde von Münsingen helinden 
sich jetzt im Historischen Museum von Hern. 

I..< Tene-Friedhofe fand man auch in Gempenach. Hern, 
Spiez, Steinhausen u. a. O. ; ja in der Tiefenau bei Hern 
glaubte man sogar ein Schlachtfeld aus helvetischer Zeit 
entdeckt zu haben. 

e) Die ältesten Münzen und Inschriften. 
Im Jahr 1786 sah ein Fuhrmann, der vom Julier gegen 
Chur hinunter fuhr, in der Nähe des Hofes 
Burvagti (Burwein) bei Conters etwas in der 
Knie glänzen. Kr grub nach und fand zwei 
ineinandergestülpte Kessel, in welchen Arm- 
bänder aus Silber und Gold, ein kleiner 
Kessel, «griechisches Krz» und besonders 
Münzen lagen. Der ganze Schatz wurde dann 
später von einem Goldschmied eingeschmol- 
zen; nur einige Münzen haben sich erhalten. 
Es sindSilbermunzen aus Massilia (Marseille). 
Ein anderer interessanter Munzfund aus vor- 

baude in Zürich gemacht, wo etwa 100 Kilo 
zusammengeschmolzener Polinmünzen ans 
Tageslicht kamen. Es scheint also da schon 
vor 2000 Jahren eine Art Börse bestanden zu 



Zahlreiche Goldmünzen aus der Zeit, die 
uns hier beschäftigt, stammen aus dem Frei- 
amt. aus der Gegend von Windisch. Aarau 
und SchönenwenT. Im Winter 1839 40 stiess 
ein Bauer von Balsthal i Kanton Solothurnl 
beim Holzschlitteln auf mehrere Silber- 
münzen, die wahrscheinlich von den gal- 
lischen Stämmen der Se»juaner und Aeduer 
geprägt worden waren. Noch bedeutender ist 
der Münzfund von Nünningen in demselben 
Kanton, der kleine dicke Silbermünzen mit 
behelmtem Kopf und springendem Pferd lie- 
ferte. Manche dieser iNunninger Erbschen« 
weisen sogar Namen von gallischen Häupt- 
lingen auf. Aehnliche Funde machte man am 
Mont Terri im Berner Jura. In der berühm- 
ten Station I •' Tene wurden bohnenartige 

I Goldstücke gefunden, die man als Wert- 
messer, d. h. als Münzen betrachtet. Daneben kamen 
goldene Philippermünzen zum Vorschein, besonders aber 

| Potinmünzen. Münzen aus Gold und Elektron (Mischung 



Schwerter 



Grab von 
Schlatt ' 
bei Diesten- 

bofen. 



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3-27 



\on Gold und Silber) fanden sich auch in der Gegend von 
Yindonissa. Aventicum, das heutige Avenehes, sclieint 
wirklich, wie der romische Geschichtschreiber Tacitus 
eagl. das Haupt des helvetischen Landes gewesen zu sein; 
denn man fand daselbst einen Prägestock für Münzen. 
Merkwürdig ist, «las» die Münzen, welche Orgetorix, der 
ehrgeizige Häuptling der Helvetier, schlagen liess. bis jetzt 
fast nur im östlichen Frankreich gefunden worden sind. 

Sehr zahlreich sind die Münzen, die man auf und 
am Grossen St. Bernhard entdeckte. Ks sind zumeist 
Münzen der am Südabhang des Bernhard wohnenden 
Salasser. In dem Heiligtum, das ilie im Norden de« 
Herges sitzenden Veragrer in der Nahe des heutigen 
Hospize* errichtet hatten, kamen ausserdem Münzen ver- 
schiedener gallischer Stämme und Häuptlinge, Münzen von 
Massilia etc. zum Vorschein. Vereinzelte vorromische Mün- 
zen sind in der Schw eiz häutig, grosse Munzschälze nicht all- 
zu selten ; wirklich seilen kommen dagegen Inschriften aus 
der Zeit vor Heginn unserer Zeitrechnung vor. Eigentlich 
sind es nur das Misox und der Kanton Tessin, die uns 
solche geliefert haben. Vereinzelle Worte und Ituchslahen 
linden sich auf Helmen. Sicherheils- 
nadeln und Gefässen der Gräber- 
funde, die wir besprochen haben. 
Hie bis jetzt gefundenen Sleinin- 
schriften liegen fast alle im ratischen 
Museum in Chur. In Mesoccu wur- 
den zwei lnschriflsteine entdeckt. 
Her eine derselben tragt, wenigstens 
teilweise, römische Buchstaben ; der 
andere eni halt die Worte VALAVNAL 
HANKNI. In Davesco unfern Lugano 
kam eine 170 cm lange Granitplalle 
zum Vorschein, welche offenbar als 
Grabstein gedient hatte und in sog. 

lepontischer (nordelriiskischeri 
Schrift die Worte enthalt : » Her 
SLANIA VERKALA Grab . und »des 
TISIUS I'IVOTIALOS Grab Zwei 
ahnliche Inschriftsteine wurden in 
Mendrisio entdeckt. Der eine der- 
selben ist lesbar und enthält die 
Worte: «ALKOMINOS, des ASCO- 
NKTKS iSohn)». Beide Steine schei- 
nen Grabsteine gewesen zu sein. 

B. FRClIGESCHICHTLIUIE 
PERIODEN. I. Hie m.tm»tin c;e- 

BCWCH TUCHEN NACHfUCHTKH hier 
dir Schwei/. Fast gleichzeitig mit 
den ersten Münzen und Inschriften 
linden wir auch Spuren der Schrift. 
Die Priester der Helvetier, d. h. der 
La Tene-Leule der Schweiz im letz- 
ten Jahrhundert vor unserer Zeit- 
rechnung, scheinen die Kunst des Schreibens verstanden 
zu haben. Das helvetische Volk war eben im BegrilT, in 
die Reihe der zivilisierten Nationen einzutreten, als sein 
Unglück und Ende kam. Kein Geringerer als der grosse 
römische Feldherr Julius Casar erzahlt uns die letzten 
Schicksale der tapfern Helvetier. Hören wir, was der Be- 
sieger derselben über sie berichtet: Die Helvetier, welche 
zwischen dem Rhein, dem Jura und den Alpen wohnten, 
wünschten eine neue, schönere Heimat zu erwerben. Ihr 
rauhes Land war zu klein, und von jenseits des Rheins 
drängten die Germanen heran. Ein Land, wie sie es sich 
wünschten, gab es im südlichen Frankreich. Dorthin wies 
der Häuptling Orgetorix oder, wie er sich auf den Münzen 
nennt, Orcitirix. Horthin waren die alten Krieger der 
Helvetier einst auf einem Kriegszug gekommen und prie- 
sen das Land. Dort hatten sie sogar ein Homerheer be- 
siegt. Man beschloss, drei Jahre lang Vorräte zu sammeln 
und dann auszuwandern. In der Zwischenzeit wurde be- 
kannt, dass Urcitirix darnach trachte, König zu werden : 
ein todeswürdiges Verbrechen. Man wollte ihn zur Ver- 
antwortung ziehen ; aber es gelang nicht. Orcitirix ver- 
schwindet : er hat sich wohl das Leben genommen, um 
der Volksstrafe zu entgehen. Aber die Auswanderung 
fand dennoch statt. Im Jahre 58 v. Chr. bewegten sich 
schwerfällige Züge von Menschen und Tieren nach dem 
Genfersee. Es waren die Helvetier und ihre Nachbarn, 



die sich sammelten, um der Rhone nach in das südliche 
Gallien (Frankieich) zu wandern, im ganzen 368000 Men- 
schen. Hinter ihnen lagen 400 Dörfer und 1*2 Städte in 
Schutt und Asche. Man hatte sie verbrannt, um jedem die 
Lust zur Heimkehr zu benehmen. Auf Ochsengespannen 
wurden Kranke, Vorräte, Schmuck und Waffen tnitge- 
führt. An der Spitze des ganzen Zuges stand der greise 
Feldherr Di vi ko. L'nter seinem direkten Befehl befanden 
sich etwa 920HO guthewallnete, kampfgeübte Krieger. 

Der ungeheure Zug bewegte »ich nach Genf. Dort stiess 
man auf die Homer, die von Cäsar kommandiert wurden. 
Die Helvetier baten, man möge sie ruhig ziehen lassen : 
sie werden strenge Mannszucht halten. Cäsar erbat sich 
Bedenkzeit; er wollte die Keslungswerke vervollständigen. 
Als die helvetischen Gesandten wieder kamen, schlug er 
ihr Begehren rundweg ah. Diviko versuchte, den Durch- 
las* mit Gewalt zu erzwingen ; aber er fand einen über- 
legenen Gegner. Wohl oder übel mussle er sich ent- 
schliessen. über den Jura zu gehen. 

Unterdessen eilte Cä*ai nach Oberitalien, liess die Le- 
gionen aus den Winterquartieren aufbrechen, hob neue 



Truppen* aus und Jeilte über die Alpen zurück, 'um sein 
Heer in Lyon zu vereinigen. Dort horte er, die Helvetier 
seien oben an der Saönc mit dem L'ebergang über diesen 
Fluss beschäftigt. Er eilte hinauf, schlug den zurückge- 
bliebenen Stamm der Tiguriner und folgte dem helveti- 
schen Heere. Er vermied jede* grössere Gefecht und 
suchte den Feind im kleinen möglichst zu belästigen. Erst 
bei Bibrakte (heute Mont Beuvray) im mittleren Frank- 
reich, in der Nähe der Stadt Autun, kam es zur entschei- 
denden Schlacht. Heu ganzen Tag wurde heiss gekämpft. 
Es mass sich die ungestüme Tapferkeit der sieggewohnten 
Helvetier mit der Disziplin der waffentüchtigen Römer 
und dem Genie eines Cäsar. Am Abend kamen neue 
Scharen : es war die Vorhut der Helvetier, die von ihrem 
Vormarsch zurückgerufen worden war. Wieder begann 
das Ringen. Die Helvetier wurden in ihre Wagenburg 
zurückgedrängt. Selbst Frauen nahmen am Kampfe teil. 
Das Schicksal entschied gegen die Auswanderer ; die 
Römer siegten. Von den 368000 Seelen, die hoffnungsfroh 
aus unserm Lande ausgezogen, waren nur noch 1 10000 am 
Leben, meist Greise, Frauen und Kinder. Cäsar schickte 
die Reste des helvetischen Volkes in ihre alte Heimat zu- 
rück. Sie sollten die niedergebrannten Ortschaften wieder 
aufhauen und das Land neu besiedeln. Es muss ein trau- 
riger Anblick gewesen sein, als die Trümmer des tapfern 
Volkes wieder in ihrer Heimat anlangten, und manche 




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m 



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SCI1VV 



stille Träne mag in den Bart der harten Krieger gerollt 
sein, die nie ein Feind weich gesehen. Die Hinte des 
Volkes lag tot auf den Feldern von Uibrakte. Und die Ueber- 
lebenden? Nicht als freie Männer kehrten sie heim, son- 
dern als Untertanen ; hinter ihnen dröhnte der Schritt 
der erzgepanzerlen Legionäre des weltbeherrschenden 
Horn. 

II. Die Römische Periode, a) Besitznahme des 
Landes durch die Römer. Schon ein Jahr nach 
der Unterwerfung der llelvetier schickte Cäsar seinen 
Unterfeldherrn Galba ins Wallis, um den Pass über den 
Grossen St. Bernhard in seine Gewalt zu bringen. Troti 
des Sieges der Börner bei Martigny scheint aber im Jahr 
37 v. Chr. das Wallis nicht unterworfen worden zu sein ; 
das geschah wohl erst unter Augustus. Im Jahr 15 v. Chr. 
eroberten Druaus und Tiberius auch noch Ratien, so dass 
von dieser Zeit an die ganze heutige Schweiz unter dem 
Szepter Borns stand. Genf, das alte (ienava, gehörte mit 
dem Allobrogerlande zur Provincia (Provencel und der 
heulige Kanton Tessin zum Stadtbezirk Como (Comum i. 

Nun galt es, die Grenzen des Homcrreiches definitiv zu 




K Ami »oho Mi>«»ikarb*it aus Aventionm 
(nach den blittrilumicn lier antiquar. UrtttUrhafl in Zürich, 
Itaod XVI) 



Kichern. Augustus erklärte den Rhein und die Donau als 
Grenzllüsse, und so bildete denn der Bhein von seiner 
Mündung bis zum Bodensee die Nordgrenze Roms. Vom 
Bodensee zog die Grenzlinie zur Quelle der Donau und 
diesem Strom entlang bis zu seiner Mundung. Ilelvetien 
war also (Irenzland und wurde durch ein kunstvoll ange- 
legtes S\stem von Militärstrassen mit Italien, d. h. mit 
Dom verbunden. Von Mailand i.Mediolanum) aus führten 
zwei llauplstrassenziige nach Norden : der eine nach 
Como, der andere nach Aosta (Augusta Praetoriai, Am 
letztgenannten Orte teilte sich die Strasse. Der eine Weg 
führte über den Kleinen St. Bernhard nach Lvon. der 
andere über den Crossen St. Bernhanl naeh Martigny 
(Octoduram). Auf der Passhöhe, dem Summus Peninus, 
hatten schon lange vor den Römern die Veragrer ein 
Heiligtum errichtet. Unweit desselben, durch den Moni 
Joux iMons Jovis; vor den Nordslürmen. die das heutige 
Hospiz umtoben, einigermassen geschützt, fand man die 
Reste des romischen Tempels. In Martigny erreichte die 
Bernhardstrasse das Bhonelhal und vereinigte sich, we- 
nigstens im dritten Jahrhundert, mit dem \\eg_e, den die 
Romer über dem Simplon erstellt hatten. (>emeinsam 
tOgCD diese Wege nach der Rhonepforte i Saint Maurice) 
zur Zollslntion Tarnaiae und von dort an den Genfersee 
zur Station Villeneuve fPenneloci» und nach Vevey iViliis- 



cum). Hier teilte sich die Strasse. Hin Strang führte 
nach Lausanne i Lousannai. wo ein Seitenweg über den 
Jura und nach Yverdon abzweigte, und dann gings über 
Nyon (Noviodunum) nach Genf ((ienava > und Lyon (Lug- 
dunum). Die Hauptstrasse von Vevey überstieg die Höhen, 
welche den Lemansee im Norden begrenzen, und führte 
über Promasens iHromagus) und Moudon • Minnodonum 
nach der Hauptstadt Helvetiens, Aventicum, dem heutigen 
Avenches. wo auch die Strasse von Yverdon (Eburodunum) 
einmündete. 

Von Aventicum zog sich die Militärstraase dem Murten- 
see entlang und durch das Grosse Moos nach Petinesca. 
dessen Reste am Sludenberg südlich von Biel wieder aufge- 
funden wurden. Von Petinesca zweigte der Weg durch die 
Pierre Perluis nach dem Birsthai ah ; die Hauptstrasse aber 
führte nach Solothurn (Salodurum) und Oensingen. wo 
der Weg über den obern Hauenstein sich abzweigte, nach 
Ollen und endlich nach dem Standlager der Legion. 
Vindonissa (Windisch). 

Die Strasse, welche von Mailand nach Como gezogen 
wurde, teilte sich, wie der westliche Strang, ebenfalls 
in mehrere Arme, und man glaubt, auf dem Bernhardin, 
dem Splugen, Sepliiner und Julier Spuren von römischen 
Strassen gefunden zu haben. Die Tabula Peutingeriana. 
eine Militärkarte des alten Rom. verzeichnet zwischen 
Como und Chur, an welch letzlerm Orte jene Strassen 
zusammenliefen, die Stationen Summus lacus (Samolaroi. 
Clavenna (Chiavennai. Murus (Caslelmur Tinnetio 
(Tinzen i. Tarvessede (Madesimo'.'). Cunus aureus (Splugeu- 
passhöhe'.') und Ijipidaria. 

Von Chur (Curia) führte die Heerstrasse der Römer 
nach Magia (Maienfeld ?), wo eine Seitenstrasse an den 
Walen- und Zurichsee zog. an letzlerm sich teilte und 
einerseits über Irgenhausen bei Oberwinterlhur. andrer- 
seits über die Zollstätte Zürich (Turicum). bei Baden die 
Hauptstrasse wieder erreichte. Diese letztere stieg von 
Maienfeld über die Luzisteig hinunter nach Clunia und 
Brigantium. dem heutigen Bregenz. 

In Brigantium teilte sich die Bomerslrasse. Hin Arm 
zog nach Augsburg (Augusta Vindelicorum). der andere 
aber über Ad Renum iHheineck '.') nach Arbon (Arbor Fe- 
lix). Plin (Ad Fines). Oberwinterlhur (Vitodurum) und 
Baden (Aquae) nach dem Zentral waflenplatz Vindonissa. 
Von diesem militärisch so ausserordentlich wichtigen 
Punkte führte eine Strasse über Zurxach (Tenedo) und 
Schieitheim (Juliomagus) an die Donau ; die andere über 
den Bözberg nach Baselaugst (Augusta Raurica; und 

j Basel (Basileal nach Strassburg etc. 

Wer diesen kurzen Ausführungen aufmerksam gefolgt 

j ist. hat ersehen, dass die vom Genfersee bis zum Boden- 
see reichenden Strassen eine von starken Kastellen be- 
wahrte Verteidigungslinie vorstellen, die durch mehrere 
Alpenslrassen mit dem Reichsinittelpunkt Rom verbunden 
war und als Operationsbasis gegen die Germanen diente. 

I Aber vor dieser ausgezeichneten strategischen Linie lag 

i eine zweite : die Vorpostenketle am Rhein. 

In der Tat hat man am Rhein zwischen Basel und 
Stein a. Bh. etwa 40 romische Wachltürme entdeckt. 

| mit deren Untersuchung die eidgenossische archäologische 
Kommission beschäftigt ist. Diese Wachltürme oder tjwcu- 
lae waren so angelegt, dass sie durch optische Signale 
miteinender in Verbindung treten konnten. Als Verstär- 
kung der ganzen Linie, dienten die Kastelle von Basel 

' Äugst. Zur/ach und Stein a. Bh., die durch Strassen 
mit der vorhin besprochenen zweiten Etappenlinie in 
Verbindung standen. 

Unter Domitian loderTrajani wurde die Bheingrenze 
verlassen und eine künstliche Grenzlinie besetzt, der 
Limes, der. weit ins Germanenland vorgeschoben, mit 
Kastellen. Warten, Wassergräben etc. in ausgesuchter 
Weise beschützt war. Hintei dieser liren/wehr genoss 

I Helvetien eine lange Zeit der Buhe und des Friedens. Es 

I gelangte zu neuer Blüte. 

hl Kultur des römischen Helvetien. Mit den 
römischen Heeren zog auch die Kultur der weltbeherr- 
schenden Borna in unser Land ein. Besonders die Städte 
wurden Mittelpunkte der feinen Lebensweise und des rö- 
mischen Luxus. Aber auch in den nach (Hinderten zählen- 
den sog. Villen der Römer, deren Reste man im schwei- 
zerischen Mittelland entdeckt hat. kann man erkennen. 



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welcher Fortschritt in materieller und geistiger Hinsicht 
eingetreten int. Man kleidet« und schmückte sich nach 
römischer Weise. Gerate und Werkzeug wurden nach 
italischer Art verfertigt. Man bezog neue Obstsorten und 
Gemüse aus Italien, und am Genfersee wurde die Rebe 
gepflanzt. Der Handel nahm einen neuen Aufschwung. 
Man schickte Pelze, Käse, Wachs. Honig, Rheinfische und 
wohl auch Sklaven nach dem Süden, um dafür die feinen 
Produkte dieses Landes zu erhalten. Wie überall im Kö- 
merreich, wurde auch in der Schweiz die lateinische 
Sprache herrschend und die römische 
Schrift benutzt. Römische Gottheiten wur- 
den verehrt, den alten Göltern gab man 
römische Namen. Selbst die Gräber zeigen 
das römische Wesen : die Leichen werden 
nicht mehr, in trockene Mauerchen ein- 
gefasst. in die Erde versenkt, sondern ver- 
brannt. Kunst und Wissenschaft sind rö- 
misch geworden. In allen Villen finden 
sich Bronzestatuelten. in den ölfentlichen 
Gebäuden sah man Säulen und herrliche 
Marmorliguren. Die Städte, von denen 
einige Veteranenkolonien erhielten, an- 
dere mit dem lateinischen Stadlrecht be- 
dacht wurden, hauten Thealer. Amphi- 
theater, Tempel, Ehrenbogen. Längs der 
Strassen befanden sich Meilensteine, über 
Flüsse wurden steinerne Krücken gebaut. 
Wasserleitungen entstanden. In Aventicum 
bestand sogar eine hohe Schule. Aus-die- 
ser dürfte jener Claudius Cossus hervorge- 

fangen sein, der nach dem Aufstand der 
lelvetier im Jahr 69 die Soldaten Cae- 
cina's, die den Tod der Empörer forder- 
ten, mit seiner hinreissenden Beredsam- 
keit so zu gewinnen wusste. dass sie, von 
Mitleid bewegt, selbst die Barmherzigkeit 
ihres Peldherru anriefen. 

Vergleicht man nun die in unsern Mu- 
seen liegenden Keste aus der Zeit der 
römischen Okkupation, deren Zahl sich 
fast täglich mehrt, so erkennt man die 
damaligen Zentren des Landes. Im Westen 
nimmt unbedingt Aventicum die erste 
Stelle ein, die Stadt, in der der Kaiser 
Traian einen Teil seiner Jugend verlebte, 
die mit dem ganzen Luxus einer reichen 
Provinzialsladt ausgestaltet gewesen zu 
sein scheint und in «leren Kuinen heute 
durch die (iesellschaft Pro Attention mit 
Hilfe des Hundes Jahr für Jahr neue 
interessante Kunde, besonders auch In- 
schriften und Gräber, zutage gefordert 
werden. In der deutschen Schweiz steht 
in erster Linie das am Zusammenlluss 
von Aare, Reusa und Liinmat gelegene 
Standlager der Legion: Vindonissa. eine 
befestigte Stadt mit Amphitheater, Ka- 
sernen, Thermen. Tempeln, Ehrenbogen 
etc., wo ebenfalls eine Gesellschaft mit 
Hilfe der Eidgenossenschaft und mit gros- 
sem Erfolg seit Jahren ihre Nachforsch- 
ungen betreibt. 

c) 6 e s c h i c h l e H e I v e t i e n s in 
spätromischer Zeit. Die Klüte des 
romischen Helvelien sollte einen jähen 
Abbruch erfahren durch die Germanen. Diese drängten 
immer mehr nach Süden, und am Limes musste oft genug 
gekämpft werden. Nach dem Tode des Kaisers Maximin 
durchbrach der germanische Stamm der Alemannen jene 
Grenzwehr, und im Jahr iiVi verwüsteten diese blond- 
lockigen Söhne des Nordens auch llelvetien. Aventicum 
sank in Trümmer. Wenn auch die Grenzlinie des I.imes 
noch einige Zeit nachher gehalten werden konnte, so war 
doch keine Sicherheil mehr, und die Leber- und Ein- 
fälle mehrten sich. Nach dem Tode des Kaisers Prohlis 
musste ums Jahr 280 der I.imes ganz aufgegeben wer- 
den. Wieder wurde der Rhein zur Grenze und die 
Schweiz ein Grenzland. Nun galt es. die Kastelle und 
Warten am Rhein wieder herzustellen, die in Trümmer 



gesunkenen festen Werke neu aufzubauen. An Stelle 
von Baselaugst erhob sich Kaiseraugit (Castrum Kauri- 
cense), an'der Stelle von Vindonissa das Castrum Vindo- 
nissense (Altenburg). Stein a. Hh. und Oberwinterthur 
wurden neu befestigt, wie Inschriften uns lehren. Noch 
Valentinian errichtete neue Kastelle am Hhein. Um 370 
entstand Basilea (Basel) Trotzdem muss eine grosse Un- 
sicherheit in den Grenzländern Platz gegriffen haben. Das 
beweisen die zahlreichen Münztöpfe, die im 4. Jahrhun- 
dert vergraben wurden. Gar nicht selten stösst man näm- 




ROnierMil 



Römischer Lc>(iionar. — Morkurttatue. 

(S Aimcblonh 



Altimftrtr 

Slatue Oer Venu» 



lieh bei Ausgrabungen auf Topfe voller romischer Münzen, 
die der Mehrzahl nach zu Ende des 3. und im Anfang des 
4. Jahrhunderts geborgen wurden und deren Kesitzer 
diese Schätze später nicht mehr heben konnten, vielleicht, 
weil sie plötzlich fliehen mussten und nie mehr zurück- 
kehrten. 

Zwar versuchten einige Kaiser, das rechtsrheinische 
Land wieder zu erobern. Julian gelangte 350 sogar bis 
zum Limes, aber es war an keine dauernde Besetzung 
mehr zu denken. Der letzte römische Kaiser, der sieg- 
reich den Boden Germaniens betrat, war Gratian. Zu den 
steten Kriegen in den Grenzbezirken kam noch die Ncn- 
einteilung des Ijirides unter Diokletian, wodurch llelve- 
tien zur Maxima Sequanorum geschlagen wurde. Seit dem 



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Thiedes Kaisers Theodosiu* I. GUS) griffen die Aleman- 
nen ihre Feinde immer wuchtiger an und warfen sie 
schliesslich über die Alpen zurück. Aufdcn Trümmern der 
römischen Kultur setzten sich vom Jahr 40" an Germanen 



fest. Deutsches Wesen, detilsche Sprache machten sich 
geltend, und nur in Italien vermochten sich die römischen 
Sitten etwas länger zu halten. 

III. Al.KMANNISCIl-IIl HÜNDISCH- FHANKISCHF. PERIODE. 

fDw ZBT DkK Völker WAMiEiiiN<0. ai Historische Nach- 
richten. Als im Anfang des .">. Jahrhunderts die Ale- 
mannen in die Nordschwei/ eindrangen und dieselbe blei- 
bend in Hesil/. nahmen, waren sie nicht die einzigen 
(Germanen, welche gegen Horn anstürmten. Mit ihnen 
Hüteten eine ganze Anzahl anderer Stamme über den Rhein 
nach Gallien und selbst über die Alpen nach Italien, so 
die Vandalen. Sueven. Juthungen, Rurgundionen. Diese 
Yolkcrhe wegung dauerte Jahrhunderic, und erst nach 
und nach kamen die einzelnen Stamme zur Ruhe. In 
Gallien trat «der letzte grosse Romern, Aetius. der Ger- 
manennut entgegen. Kr schlug 
die Juüiungen, die sieh spater 
mit den Alemannen ver- 
schmolzen. Aetius und kurze 
Zeit nach ihm die Hunnen 
unter Attila vernichteten 435 
und 437 das Burgundionen- 
reich um Worms. Diedeutsche 
Heldensage bat die furcht- 
baren Kampfe, die sich dort 
abgespielt, im Nibelungenlied 
poetisch verklärt und umge- 
dichtet der Nachwelt erhal- 
ten. Die Reste der Burpn- 
dionen siedelten sich 443 in 
Ostfrankreich (Savoyen) und 
der Westschweiz zwischen 
den Romern an und ver- 
schmolzen mit ihnen. Da- 
durch entstand das burgun- 
dische Reich, das spater von 
seinem grossen Gesetzgeber 
l . /'^«v* ' Gundobad ein festes Gefuge 

erhielt. 

Unterdessen halte sich der 
Alemannenstamm in der heu- 
tigen deutschen Schweiz fest 
angesiedelt . und manche 
Fehde entstand um die Grenze 
t'egen die Hur^undionen. Im 
Jahr 4Uß aber ereilte auch die 
Alemannen ihr Scbicksal. Sie 
waren mit den Franken in 
Streit geraten und wurden 
besiegt. Ihr Land liel dem 
Sieger anheim. Anno 332 er- 
oberten die Enkel Chlod- 
wigs, des Siegers über die 
Alemannen, auch das Burgundionenland, und 53ti kam 
Hätten durch Vertrag an das Frankenreich, so das» nun 
wieder die ganze heutige Schweiz unter demselben Herr- 
scherslab vereinigt war. Noch einmal schien es. als sollte 
das Alemannenreich selbständig werden. Unter den immer 
schwächer werdenden Merowingern wurde der Herzog 
von Alemannien fast so mächtig wie sein Oberherr. Zäh 
hing auch das kraftvolle Volk an seinen Sitten und Ge- 
bräuchen, die in der Lex Alatuannorum schon im 6. Jahr- 
hundert wenigstens teilweise gesammelt wurden. Herzog 
Gotefrid, der 709 starb, und sein Sohn Lantfrid (f 730) 
regierten als selbständige Fürsten in Alemannien. Frei- 
lich mussten sich ihre Nachfolger unter die Gewalt der 
fränkischen Hausmeier beugen, aber immer noch be- 
wahrten sich die Alemannen einen Teil ihrer Rechte. Hil- 
degard, die Tochter einer Urenkelin Gotefrids, schenkte 
Karl dein Grossen den Tronfolger; ihr Rruder Gerold war 
ein gewaltiger Kriegsmann. Nach dem Tode des grossen 
Karl mussten die Alemannen von neuem bezwungen wer- 
den. Ludwig der Deutsche endlich, der die Alemannen 
besiegt hatte, machte ihr Land zum Mittelpunkt seines 
Reiches, womit nun definitive Ruhe eintrat. Die alten Sitten 
halten sich zum Teil geändert, neue Verhallnisse heisch- 




Röm. Diptychon in Elfenbein 
i LttitMIMlUI in Zarichl. 



ten eine neue Ordnung. Unter Karl dem Grossen war 
auch eine andere Landeseinteilung vorgenommen worden, 
aber bis heute haben sich in einigen Teilen der Schweiz 
altgermanischc Einrichtungen erhalten. 

b) Die Kultur in frühgermanischer Zeit. Bei 
der Eroberung unseres Lande« durch die Alemannen ging 
das gesamte Grundeigentum in die Hände der neuen An- 
siedler über, wahrend die Burgundionen infolge der 
zwangsweisen Niederlassung sich anfanglich mit etwa 
einem Drittel des Bodens begnügen mussten. Wir linden 
also die ursprünglichen, d. h. altgermanischen Besitz- 
verhältnisse bei den Alemannen in voller Klarheit. Aller 
Grund und Boden war Gemeinbesitz : Allmende. Diese 
Verhaltnisse haben sich in den Kantonen Schwyz und Uri 
im grossen und ganzen bis heute erhallen. Jetzt noch be- 
sitzt die Oberallmend-Genossenschaft in Schwyz fast alles 
Land zwischen dem Hossberg und dem Brägel ; heute 
noch bildet Urseren eine eigentliche Markgenossenschaft, 
und die Bestrebungen der In' Gemeinden des allen Be- 
zirkes Uri. den Allgemeinbesitz an Weide und Wald, 
Alp und Feld in Einzeleigeutum aufzulösen, haben noch 
wenig Erfolg gehabt. In der Urschweiz linden sich also 
noch Abbilder der alten alemannischen Markgenossen- 
schaften mit ihrem Allgemeinbesitz an Feldern, Weiden, 
Alpen. Wäldern. 

Schon zur Homerzeil waren in der heutigen Schweiz 
Privatgüter an ausgediente Soldaten verteilt worden. 
Nach dem Siege der Franken griff im Flachland auch bei 
den Alemannen der Eigenbesitz immer weiter um sich. 
Die Agrarverfassung tral an Stelle der alten Verhallnisse. 
Die Ifofstätle wurde jetzt die Einheit. Benachbarle Hof- 
stätten bildeten das Dorf, das durch einen Zaun, das 
« Elter », von der Feldmark getrennt war und aus welchem 
sich im Lauf der Zeit eine neue politische Einheit ent- 
wickelte : die Gemeinde. 

Die Felder wurden bis in die Frankenzeit hinein von 
den Sippen gemeinsam bebaut. Ein regelmässiger Wech- 
sel zwischen Winterfrucht. Sommerfrucht und Brache 
verhinderte die übermässige Ausnutzung derselben. Diese 
sog. Dreifelderwirtschaft dauerte noch lange, nachdem 
das Ackerland schon teilweise oder ganz in Privatbesitz 
übergegangen war. Wald, Weide und Wasser blieben 
aber auch da noch Gemeineigentum, und noch heut-.* 
erinnert der in der deutschen Schweiz überall vorkom- 
mende Name Allmend an diese einstigen Besitzverhält- 
nisse. An der Allmend halte jeder einzelne Bürger sein 
Nutzungsrecht ; ja sogar an Urten, wo Feld und Weide 
schon in private Hände übergegangen waren, mussten im 
Herbst alle Zäune geollnet werden, damit der Weidgang 
für das Vieh ein allgemeiner sei. Erst im ! am vieler 
Jahrhunderle ist es dem Privatbesitz gelungen, sich des 
Grundes und Bodens zu bemächtigen und damit die bezüg- 
lichen allgermanischen Rechtsverhältnisse umzuslossen. 
Wer die Namen unserer Ortschaften an Hand von Ur- 
kunden durchmustert, ist erstaunt, so wenig romische 
und so viele alemannisch-burp-undionische zu finden. Um 
so auffallender ist es. das» der Archäologe so selten Reale 
von frühgermanischen Ansiedlungen antrifft. Aber das ist 
begreiflich. Aus zwei Gründen: Ii sind an Stelle der 
ersten Rauten im Lauf der Zeit neue entstanden und 2) 
bestanden die altern Häuser nur aus Holz oder es waren 
sehr einfache Steinbauten, deren Reste kaum mehr auf- 
findbar sind. Indessen kennen wir zahlreiche Urkunden 
des 6.-8. Jahrhunderts, welche uns von solchen Heim- 
stätten berichten, wenigstens ihre Namen nennen. 

Um so zahlreicher sind die fruhgermaniachen Graber 
in der Schweiz. Fast bei jeder grossem Ortschaft sind sie 
nachzuweisen, wie ein Blick auf eine archäologische Karte 
lehrt. Manchmal sind et eigentliche Nekropolen, wie*. B. 
diejenigen von Beiair bei Cheseaut oberhalb Lausanne, 
von Feligny im Kanton Freiburg. Elisried im Kanton Bern, 
von Bern. vonOberbuchsiten im Kanton Solothurn, Kaiser- 
augst an der aargauisch-baslerischen Grenze, Zürich. 
Schieitheim im Kanton Schaffhausen etc. Dabei ist ein 
merkbarer Unterschied im Grabinvenlar wahrzunehmen, 
sodass der Kenner in den meisten Fällen mit Sicher- 
heit entscheiden kann, ob er Burgundionen. Franken, 
Alemannen oder Langobarden vor sich hat. Zwar linden 
sich in allen diesen Grabern Skelette, die in mehr oder 
weniger gutgeordneten Reihen liegen. Die Krieger haben 



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331 



ihr zweischneidiges Einbändet-- Schwert, die Spatha. bei 
sich, noch häutiger aber den kurzen einschneidigen Zwei- 
händer, den Skrontaxur. In Frauengräbern stösst man 
auf Perlschmuck aus Glas, Email und Bernstein. Hier 
und da erscheint auch anderer Schmuck, z. B. Schnallen, 
Gürtelbeschläge, Riemenzungen. Amulette. Auch die 
Wallen beschränken sich nicht auf die obgenannlen, 
sondern es erscheinen ferner Pfeil- und Speerspitzen, 
Beile, Messer, Schilde, sogar Helme. 

Betrachtet man besonders den Schmuck, so erkennt 
man, dasa gewisse Formen und Verzierungen nur im Ge- 
biet der Alemannen, andere nur im Gebiet der Burgun- 
dionen vorkommen. Besonders interessant ist in dieser 
Beziehung ein Vergleich der Funde des Kantons Solo- 
thurn. Unter den 146 mit Beigaben versehenen Gräbern 
von Oberbuchsiten lindet sich kaum eine ienpr breiten 
Gürlelplaquen. wie sie z. B. aus Grenchen Gekannt sind. 
Während die silbcrlauschierten Gurtachnallen von Ober- 



I Einige Christengemeinden vermochten sich trotz der 
Wirren der Völkerwanderung zu erhalten, so Genf, Uber- 
winterthur, ßregenz. Die Burgundionen waren bei ihrer 
Einwanderung in die Westschweiz bereits Christen, aber 
sie gehörten zu den Arianern. Deshalb entstanden harte 
Glaubenskampfe, bis auch sie der orthodoxen 1-elire bei- 
traten. Die Alemannen kamen als Heiden in unser Land. 
Erst ums Jahr 600 erschienen auch bei ihnen Prediger, 
welche den Glauben an Christus verkündigten. Unter 
denselben ist der bedeutendste der Ire Gallus, der Gründer 
des Klosters St. Gallen, das in karolingischer Zeit sogar 
die berühmten Stifte von Agaunum (Saint Mauricel und 
Homainim'iticr in Burgund an Huhm übertreffen sollte und 
in dessen Klosterschule die vorzüglichste Stätte der Bil- 
dung im sudlichen Germanien entstand. Den im Kloster St. 
Gallen aufbewahrten Urkunden verdanken wir auch einen 
wesentlichen Teil unserer Kenntnisse über die aleman- 
nischen Ansiedlungen unserer Gegenden. |l>r.J. Hi km i | 



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Goldene römische Schmucksachen aas Lunnera iKanlua Zürich). 



bnchsiten oder Seengen derart erstellt wurden, dass man 
Silberfaden in den Eisengrund presste, sehen diejenigen 
vom Weissbühl (Bern) aus, als hätte man aus dem Silber- 
belag der Eiaenschnalle die Ornamente herausgeschnitten. 
Nimmt man aber die Funde aus den Langobardengra- 
bern, etwa von Castione (Tessin). zum Vergleich, so er- 
kennt man leicht, dass bei Alemannen und Burgundionen 
die Bandverschlingungen noch in spater Zeit deutlich 
sichtbar sind, während bei den l^ingobarden all das in 
Fragmente zerstückelt erscheint. In burgundischen Grab- 
stätten bewundern wir die Darstellungen aus der Bibel, 
z. B. Daniel in der Löwengrube ; in den Frankengräbern 
erscheint die Lieblingswaffe der Franken, die Wurfaxt 
oder Franrittka. So zeigt sich überall die Mannigfaltigkeit 
in der Einheit. 

In römischer Zeit war das Christentum auch in unser 
Land gekommen, und die Legenden wissen viel davon zu 
erzählen, z. B. diejenige über die Niedermelzelung der 
Thebaischen Legion in Saint Maurice, von Ursus und 
Viktor in Solothurn, von Felix und Begula in Zürich. 



C. GESCHICHTE SEIT KAHL DKM GROSSEN. I. An- 
fange. 1. Hr Ivetten unter den Karolingern. Der stür- 
mische Sinn der Alemannen und der Einfall der Sara- 
zenen hatten die fränkische Herrschaft zu einem gegebe- 
nen Moment in Gefahr gebracht, bis die von Kail Martell 
errungenen grossen Erfolge dieselbe wieder fester als je 
auf die Ftisse stellten. Karl de r G rosse, der Enkel Karl 
Martell«, errichtete eine Staatsordnung, die als ein 
Versuch der Verschmelzung römischer Zivilisation mit 
der freieren Verfassung Germaniens aufgefasst werden 
kann. Alljährlich wurde das Volk zu grossen Versamm- 
lungen, den sog. Maigerichlen (französ. Champs de Mai 
oder Plaids gi'nerauxi. zusammengerufen, um den Ge- 
setzen seine Sanktion zu erteilen. Zur Vorbereitung dieser 
Gesetze oder Kapitularien beriet sich Karl der Grosse 
mit den weltlichen und geistlichen Würdenträgern, sowie 
den Grossen seines Heiches. Gesetzgeber, Kriegsherr und 
oberster Richter war der Kaiser. Die LandesverwaUung 
beruhte auf dem System der Grafschaften, indem in jedem 
Gau ein vom Kaiser eingesetzter Graf (Gaugraf) in dessen 



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Namen gebot. Im 9. Jahrhundert war das später « die 
Schweiz» genannte Land, dem wir diesen Namen nun 
auch fürderhin geben wollen, in eine ganze Reihe von 
Gauen eingeteilt worden, die folgende Namen trugen : 
Thurgau, Zürichgau. Kleggau. Aargati, Frickgau, Sissgau. 
Itaseigau. Kuchsgau, Itargau «Biel und Neuenbürg). Wald- 
gau (Waadtl. Ufgau (Freiburg und Berner Oberland). 
Equestergau, Genfergau, Grafschaft Wallis, Grafschaften 




• u* gerni»ni»rb*r Zeit: 1-7 Fibeln ao* «i'O irubgerrnaui»fben Oiabern 
Klmried und Pfetin v . — M uml '.). Burguodi»n«n-OQrUjl>chu«llen 
MarMellunir vua Ilaniel in der l,flwen(r rubel au» Lavigny 

Churrätien , Bellenz. Misox und Cläven idiiavenna). 
Hauptaufgabe des Grafen war dasUericht. dessen Verhand- 
lungen er in unter freiem Himmel stattfindender Volks- 
versammlung leitete. Eine schwere Last bedeuteten fur 
die Gesamtheit de« Volkes die zahlreichen Fcldzuge Karls 
des Grossen, die die Zahl der freien Männer erheblich 
verminderten und der kommenden Feudalherrschaft we- 
sentlichen Vorschub leisteten. 

Die Kirche bemühte sich, den rauhen Sitten jener Zeit 
möglichst entgegenzutreten. Karl der Grosse sicherte ihr 
durch Einführung des Zehntens regelmas-ige Kinkünfle 
die Kloster unter die bischöfliche Gerichts- 



barkeit. Fr schenkte der Abtei Saint Maurice reiche Güter 
und soll das Chorherrenstift am Grossmunster und die 
« Karlsschule» (Carolinuml in Zürich gestiftet haben. 

4. Aufkommen der Feudalherrtchaft und »teigende 
Macht der Klötter. Aur Karl den Grossen to\ 
814 sein Sohn Ludwig der Fromme. De 
teilten nach seinem Tod im Vertrag von 
das Reich: Ludwig der Deutsche erhielt 

(Schwaben), Karl der Kahle Frank- 
reich und Lothar Italien. Burgund. 
Lothringen und die Niederlande. Von 
Helvetien kamen der Osten und das 
Zentrum an das Königreich Aleman- 
nien und der Westen zuerst an das 
Königreich Lothringen, später an 
Krankreich. Im Jahr 853 vergabte 
Ludwig der Deutsche das Land Uri 
dem Kloster St. Fein und Regula in 
Zürich, das er für seine Tochter Hilde- 
gard gestiftet oder vergrössert hatte. 
Drei Jahre später fügte er dieser 
Schenkung noch die Kapellen zu Bür- 
gten und Silencn bei. ZurZcitKarlsdes 
Dicken erklärte ein diesem schwachen 
Herrscher im Jahr 877 abgerungenes 
Kdikt die Grafschaften für erbliche 
Reichslehen. Seither kannte der Ehr- 
geiz der Grossen keine Schranken 
mehr. Die schon im Innern durch den 
emporkommenden Adel geschwächte 
Konigsmacht sah sich dazu noch den 
Einfällen der Sarazenen. Normannen 
und Ungarn ausgesetzt. Burgund ward 
wieder ein Königreich und wählte zu 
seinem ersten Herrscher den Grafen 
Rudolf, Rektor des transjuranischen 
Burgund (888). und wenige Jahre spä- 
ter (917) konnte es der deutsche Konig 
Konrad I. nicht hindern, dass der 
Markgraf Burkhard von Churrätien 
zum Herzog von Schwaben erhoben 
wurde. Im Laufe des 9. und 10. Jahr- 
hunderts kamen neue Geschlechter 
zu Macht und Ansehen, wie u. a. die 
Savoyer. Lenzburger, Neuenburger. 
Kiburger und Zäringer. Die Macht der 
Grafen sah sich aber bald wieder ein- 
geschränkt durch die sog. Immunität, 
die sich Konigsleute und geistliche 
Stiftungen zu erwerben wussten. Was 
der Staat an Autorität und Boden 
verlor, kam der Kirche zu gute. Zu 
jener Zeit überwiegenden Einflusses 
der religiösen Ideen auf alle Zweige 
des Lebens pflegten Fürsten wie Volk 
zu ihrem Seelenheil der Geistlichkeit 
reicheSchenkungen zu vergaben. Zahl- 
reiche Männer und Frauen verzichte- 
ten auf das unruhigef.elrii Im- des welt- 
lichen Leben* und zogen sich in das 
lerlcben zurück. Die 
wie Pilze aus dem 
so entstanden im 10. und 11. 
Jahrhundert die Abteien oder Priorate 
von Payerne. auf dem Grossen St. 
Bernhard, von Einsiedeln, Stein am 
Bhein, Muri, Allerheiligen in Schap- 
hausen. Rougemont u. a. in. 
.'f. EinverleHntng den llrrzogtum» üchwat>en und de» 
Ki'migrvche* Burgund in da* deutsche Heult. Auf den 
Zusammenbruch der Karolingermacht folgte eine Zeit all- 
gemeiner Unsicherheil. 917 verheerten die Ungarn das 
Gebiet der Schweiz ; die Sarazenen bemächtigten sich der 
Alpenpässe, besetzten Churndien |936-940|, steckten die 
Abtei Saint Maurice in Brand und verwüsteten das Waadt- 
land. Gerade zu dieser kritischen Zeit traten aber zwei 
grosse Monarchen auf den Plan: Heinrich I. von Sachsen, 
genannt der Vogelsteller, und sein Sohn Otto der Grosse, 
die durch ihre Siege über Slaven. Ungarn und Norman- 
nen dem Königtum wieder zu i 



Zürich, 
(die eine mit der 



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GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ Mag »«« o-brtder Aiiii.««r. Nr»cnb»r, 





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DIE SCHWEIZ ZUR ALEMANNISCH-BURGUNDISCHEN ZEIT 



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I iHE NEW YORK 

HJB.iC LIBRARY 



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Um gegen die Ungarn besser genistet zu sein, verbün- 
dete sich Herzog Burkhard I. von Schwaben mit König 
Budolf II. von Burgund, dem er als 
Pfand des Friedens seine Tochter 
Bertha zur Gemahlin gab. Das An- 
denken der guten Königin Bertha 
lebt heute noch im Herzen der 
Welschschweizer in dankbarer Er- 
innerung fort. Im Jahr WO bequemte 
sich Burkhard I. zur Anerkennung 
der Oberhoheit Heinrichs des Vogel- 
steller*. Als sein Sohn Burkhard II. 
im Juhr 973 kinderlos starb. Hei sein 
Herzogtum nach verschiedenen Zwi- 
schenfällen an das Reich zurück. 
Das gleiche Schicksal traf im Jahr 
1032 auch das Königreich Bur- 
gund, indem Rudolf III. fein En- 
kel der Königin Bertha) den deut- 
schen Kaiser zu seinem Erben 
einsetzte. Von diesem Zeitpunkt ab 
betrachtete die herrschende Kaiser 

familie das transuranische Burgund als ihr erbliches 
Eigentum und wurde das Welschland nach einer selb- 
ständigen Existenz von 14T» Jahren zu einer Provinz dea 
deutschen Reiches. 

4. Verkündigung des « üottetfrtedenn ». Sillrn, reli- 
giöse* und geistiges Istben im 10. und 1 1. Jahrhundert- 
Die Macht des Königtums reichte nicht aus, um die öffent- 
liche Ruhe wirksam zu erhalten und die Schwachen gegen 
ihre in:K-liti^en W idersacher ni beschützen. Gewalttätige 
Uebergrilfe, Plünderung und Anarchie waren zu einem 
chronischen Uebel geworden. Um dieser allgemeinen 
Zerrüttung ein Ende zu machen, folgten die Erzbischöfc 
von Besancon, der Tarenlaise und von Vienrte im Dau- 
phinc, sowie die Bischöfe von Basel, Helley, Genf, Sainf 
Jean de Maurienne, Aosta und Sitten einem Ruf des Bi- 
schöfe« Hugo von Lausanne und versammelten sich im 
Jahr I036 loder 1037) am Fuss des Hügels Monlriond bei 
Ijiusanne, um einen allgemeinen « Gotleafrieden • (treuga 
Hei; franzos. Treve-Dieui feierlich zu verkünden: Unter 
Androhung der Strafe der Exkommunikation wurde jeder- 



tungen und hielt Reichslage in Zürich, Solothurn und 
ßaael. Die von den Ungarn niedergebrannten Dörfer und 





Kirch? von M runter in (iraubonden 
(Stiftung Karl» des Oroisen SMS dem 0. Jahrhundert). 

mann angehalten, vom Mittwoch Abend bis Montag Mor- 
gen, sowie in den heiligen Wochen der Advents- und 
Passionszeit jegliche Fehde ruhen zu lassen. 
Der Kaiser besuchte seinerseits die geistlichen Stif- 



Wandmalerei aus dem 9. Jahrhundert in der Kireh« xu Munster 
in Qraubunden). Nach ainor Zeichnung von H. Durrer. 



Weiler wurden wieder aufgebaut. Die Häuser bestanden, 
wie übrigens auch einzelne Kirchen, durchwegs aus Holz 
und waren mit Stroh gedeckt. Neben diesen armseligen 
Hütten erhoben sich mitten im Feld oder zu oberst auf 
einem Hügel liefestigte Anlasen mit steinernen Türmen. 
Dies waren die Sitze der Herren (Grafen. Freiherren, 
Ritler) oder auch wohl der von einem Kloster einge- 
setzten Vögte. Hinter diesen Willen suchte das in der 
Umgegend angesiedelte Volk zu Zeiten der Gefahr Schutz 
und Zuflucht und begann sich bald auch ein bescheidener 
Handels-, Verkehr«- und Gewerbestand zu bilden. Die 
Mehrzahl der Schweizerstüdte bestand schon im 11 oder 
12/ Jahrhundert. Die Scheidung in Herren und Volk 
machte sich immer schärfer geltend. «Jene gebieten und 
geniesaen ; dieses gehorcht und leidet. Das ritterliche 
Wesen und Treiben beginnt sich jetzt zu entwickeln, und 
die Klöster und Stifte ergeben sich, da sie nun reich ge- 
worden, dem Wohlleben und dem Genuss. Alles diea 
geschieht zum Schaden dea Landvolkes. Der Bauer gerat 
in Abhängigkeit von geistlichen und weltlichen Grund- 
herren ; er geht seiner Freiheit verlustig, wird zum Zins- 
bauer oder gar zum Leibeigenen und Hörigen herunter- 
gedrückt. » Doch stand sich das Volk hei uns immer noch 
besser und war der Stand freier Leute immer noch zahl- 
reicher als anderswo. Unglücklicherweise hauten aber 
Herren wie Bauern nur so viel, als man zum Leben ge- 
rade bedurfte, sodass eine schlechte Ernte unfehlbar 
Hungersnot und Teuerung nach sich zog Die Klöster, 
deren Besitzungen oft weit auseinander lagen, begannen 
bald einen Tauschhandel unter ihren eigenen Gütern und 
mit andern religiösen Stiftungen. Auch die Herren, deren 
Landbesitz vielfach stark zerstückelt war und die an den 
verschiedenen Herrscherhofen dienten, fanden Vorteil am 
Austausch ihrer Produkte. Bloss das Volk war nicht in der 
Lage, es den geistlichen und weltlichen Herren gleich- 
zutun. Wein und Lebensmittel wurden auf Ochsenkarren 
oder auf dem Wasserweg von Ort zu Ort transportiert. 
Der Durchgangsverkehr zwischen Italien. Deutschland 
und Frankreich lockte zahlreiche Handeltreibende in 
unser Land. Zu dieser Zeit war der Gotthard noch nicht 
begangen, während der I.ukmanier. St. Bernhardin und 
besonders der Grosse St. Bernhard und Septimer eines 
verhältnismässig regen Verkehrs sich erfreuten. Beson- 
dere dieser letztgenannte Pass zeigte sich dank der zu 
entrichtenden Zolle als eine reichlich lliessende Ein- 
nahmequelle für die Bischöfe von Ghur. Nicht selten 
ereignete es sich, dass friedliche Reisende und ehrbare 
Handelsleute überfallen und ausgeplündert wurden. Eine 
allgemeine Unsicherheil der Strassen war die Regel, wie 
überhaupt die damalige Zeit von mhen Sitten war und 
den übelsten Leidenschaften die Zügel schiessen liess. 
Kirchen, Klöster und Höfe wurden oft überfallen, ge- 
plündert und in Brand gesteckt. 

Die geistige Kultur blieb auf die Klöster beschränkt. 
Als hervorragendes Beispiel hiefür kann das Kloster 
St. Gallen dienen, welche berühmte Abtei im 10. Jahr- 
hundert zu einer Blüte gelangt war, die sie nie mehr über- 
treten sollte. Als Vertreter der höchsten Kultur die- 



SCHW 



SCHW 



»er Zeit können die Ekkeharde und Nulkere gellen. Iias 
Christentum im Volke erscheint dagegen noch »ehr roh 




Ivr b. Galln« mit •Inn Raren Schnitzarbeit ia Klfeobeio, dem Illach 
Tutilo ragotcbriebea. (SlifUblblioihek SU Oallen). 

und vielfach rein äussertich, indem viele Bauern neben 
dem christlichen (ilauben immer noch den alten heidni- 
schen Gebräuchen and Göttern huldigten. Die Konzile 
beschäftigten sich immer und immer wieder mit diesen 
Missbräuchen, vermochten aber trotzdem nicht, sie völlig 
auszurotten. Die Missionäre versuchten dagegen das 
Mittel, an Stelle der heidnischen Feste solche christlicher 
Art einzuführen. Mancher im Mittelalter allgemein ver- 
ehrte Brauch läast sich auf die heidnischen Praktiken 
der alten Barbaren zurückführen, so z. B. der in allen 
llev.dkcrungsschichten eingewurzelte Glaube an guten 
«»der bösen Einfluss der Gestirne und llimmebterschei- 
nungen. So charakterisieren sich jene Zeiten durch die 
l'nregel massig keilen in der Wahl der kirchlichen Wür- 
denträger und den daraus sich ergebenden Zerfall, durch 
die l'ebergriffe der obern Klassen und durch das wirt- 
schaftliche Elend als recht traurige. 

Mitten in dieser allgemeinen Zersetzung äusserte sich 
das religiöse Gefühl durch die Stiftung eines neuen Mönchs- 
ordens, der dank seiner strengen Zucht im 10. und II. 
Jahrhundert zu grosser Bedeutung kam. Wir meinen den 
Orden der Cluntacenser. Das im Jahr 909 zu Cluny bei 
Macon gestiftete Kloster suchte der damaligen Ausartung 
des Benediktinerordens dadurch zu steuern, dasa es die 
strenge Disziplin, die einst auf dem Monte Gassi no geübt 
ward, in ihrer ganzen Herbheit wieder einführte und da- 
mit eine wirkliche Kirchenreform in Angriff nahm, die 
bald auch in andern geistlichen Stiftungen Eingang fand. 

5. Die Urrrn liaj I itrirr eoii /{/lem/eMcn in Schu<il>rti 
utui Burgund. Das transuranische Burgund und Schwa 
ben loder Alemannien) hatten natürlich bald unter den 
Wirren zu leiden, die durch das Wanken der deutschen 
Kaiserherrschaft in unserm l-and zum Ausbruch kamen. 
Mit dem Tod Kaiser Heinrichs III. fiel die Krone im Jahr 
10% an seinen damals bloss sechsjährigen Sohn. Wah- 
rend der t.'nmündigkcit dieses Heinrich IV. glaubte die 
mit der Regentschaft betraute Kaiserin Agnes im Grafen 
Budolf von Bheinfelden eine Stutze des Trones gefunden 
zu haben und übertrug ihm zugleich mit der l'and ihrer 
Tochter die Begiemng über Schwaben und das transjura- 
nische Burgund. Nachdem Heinrich IV. mundig geworden, 
brach der berühmte sog. Investiturstreit aus. Die deutschen 
Fürsten sahen sich von der fränkischen Dynastie zurück - 
txt und ubertrugen ihren Hass auf den tyrannischen 
Konig, gegen den sie sieh verschworen. An der Spitze 
dieser (Opposition linden wir Budolf von Bheinfelden und 
seinen Schwiegersohn Berthold II. von Zäringen. Hein- 
rich IV. wurde von der päpstlichen Partei seines Trones 
verlustig erklärt und ihm Budolf von Bheinfelden als 



Gegenkonig gegenübergestellt (1077). «Jetzt begann ein 
Kampf auf heben und lod zwischen den beiden Parteien», 
deren jede in der Schweiz ihre eifrigen Anhänger 
hatte. Geistliche und weltliche Herren stellten 
sich, nur ihren persönlichen Interessen Bechnung 
tragend, entweder auf die Seite Heinrichs IV. oder 
diejenige Budolfs. je nachdem sie von der Herr- 
schaft des einen oder des andern mehr zu be- 
fürchten oder zu erhoffen hatten. Die Bischöfe von 
Lausanne. Genf. Basel und Konstanz, der Abt von 
St. Gallen, sowie die Herren von Grandson und 
Neuenbürg erklarten sich zu gunsten Heinrichsl V.. 
I während der Herr von Faucignv. die Grafen und 
Hm Herren von Savoyen, Genf. Kiüurg. Wulflingen. 
3» Hegensberg. Toggetilnirg und ILited.urg. »..wie 
Hl der Bischof von Sitten, der Abt der Reichenau 
und die Cluniacensermunche für den Papst 
Gregor VII. und seinen Schützling Rudolf von 
Bheinfelden Partei ergriffen. •Furchtbar litt wäh- 
rend dieser Zeit das Volk. Feindliche Scharen 
überfielen die Dörfer, plünderten und verbrannten 
die Hütten, führten das Vieh weg und verwüsteten 
die Saaten. Der wehrlose Bauer musste mit Weib 
und Kind in die Walder Iiiehen und wurde durch 
Hunger und Krankheit hingeralft. Nicht einmal 
die steinernen Häuser der Edelleute boten Schutz 
vorden Schrecken des Krieges». Gerade in unsere 
Landen wurde der Gegenkonig Budolf von Geist- 
lichheit und Volk verwünscht, und in Burgund 
verwüsteten die Bischöfe von Basel und Lausanne 
seine Besitzungen. Der Kaiser stellte ihm in 
Friedrich von Staufen, dem er 1079 das Herzogtum Schwa- 
ben gab, einen gefährlichen Gegner gegenüber. Im folgen- 
den Jahr fand Budolf in der 
Schlacht zu Molsen in Sachsen 
seinen Tod. Doch war damit 
der Kampf keineswegs zu Ende, 
indem Rudolfs Sohn Ber- 
thold mit Hilfe seines 
Freundes Weif von Baiern 
und seines Schwagers Ber- 
thold von Zäringen. sowie 
unterstutzt von Mönchen 
und • Pfaffen ». die Hetze 
gegen Heinrich IV. fort- 
setzte. Nachdem Berthold, 
der letzte derer von Rhein- 
felden, im Jahr 1090 ge- 
storbenwar, fand die päpst- 
liche Partei in Berthol»! II. 




Eine llelngerung im 9. Jahrhundert. Miniaturmalerei aas dem 
Goldenen Pualter (Stiflibibln.tbek St. Gallen). 

von Zäringen einen neuen und tatkräftigen Führer. De* 
endlosen Kampfes müde, schlössen nun aber Kaiser und 
Papst im Jahr 10U7 einen Vergleich ab. wonach der nord- 



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396 



lich'vom Bodensee gelegene Teil Schwabens den Staufern 
\erbleiben sollte, wahrend die Zaringer, die bereits Land- 
grafen desThurgaurs und auch im transjuranischen Bur- 
gund begütert waren, den Herzogtitel und die Oberhoheit 
uber die Reichsvoglei Zürich erhielten. Dieser Vergleich 
führte zu einer dauernden Verschiebung der Machtver- 
hältnisse : die helvetischen Lande wurden von Schwaben 
abgetrennt, die dieselben mit dem Beich verknüpfenden 
Bande lockerten sich, und als Folge davon ergab sich eine 
Steigerung der Macht der lokalen geistlichen und welt- 
lichen Herren. Damit verloren in unserem Land auch 
die Bezeichnungen »Schwaben» (oder Alemain i und 
• Burgund* alle und jegliche politische Bedeutung. 

(}. l)ie Ztiringer. Dieses tieschlechl hat »eine Wiege in 
der etwa zwei Stunden nördlich von Freiburg im Breisgau 
am Fuss des Schwarzwalde» stehenden Burg, deren Ueber- 
reste heute noch siebtbar sind. Die erste bedeutende Per- 
sönlichkeit des Geschlechtes ist Berthold I. ider Bärtige) ; 
er war ein einfacher freier Mann, wohnte aul dem Sehlos» 



schlagen wurden. Immerhin gelang es Rainald, das zisju- 
ranische Burgund oder u Hochburgund ► zu behaupten, das 



Villingen (östlich von Freiburg). heiratete die reiche Krbin 
der Herzoge von Kärnten und nannte sich 1078 «von Za- 
ringen ». Einen zweiten wichtigen Markstein im Empor- 
kommen des Geschlechtes bildete die Heirat Berlholds IL 
mit Agnes von Bheinfelden. Während des ganzen zwölften 
Jahrhunderts sollten die Zäringer dann eine durchaus 
vorherrschende Rolle spielen und eine Art von Koniga- 
macht ausüben. Ihr Auftreten in unserm Land liel in eine 
kritische Zeit. Sie gaben den erst schwachen Städten ei- 
nen kräftigen Buckhalt, indem sie ihnen durch «Hand- 
festen» ausgedehnte Freiheiten und Rechte verliehen. 
Zugleich gründeten sie eine beträchtliche Zahl von neuen 
Städten, die dazu bestimmt waren, den Uehergriflen der 
adeligen Herren vorzubeugen und ihrer eigenen Herrschaft 
selbst als feste nollwerke zu dienen. Dem Beispiel Ber- 
lholds IL, der Freiburg im Breisgau gegründet hatte, folgte 
Berthold IV. mit der Gründung von Freiburg im Ueeht- 
land auf einer festen Halbinsel der Saane (I178i. Unter ihm 
und seinem Sohn Berthold V. entstanden die Mauern und 
Tore von Moudon. Yverdon. Laupen, Murten. Thun und 
Burgdorf. Den würdigen Abschluss dieser Tätigkeit der 
Zäringer bildete die durch Kerlhold V. erfolgte Gründung 
von Bern im Jahr 1191. Konrad von Zäringen. Sohn Ber- 
thilds IL, war vom Kaiser Lothar von Sachsen mit der 
Würde des «Rektors«, d. h. des Statthalters beider Bur- 
gund beliehen worden. Als aber Rainald HL. 
Graf des zis|urnnnehen Burgund, dein neuen 




Ein« Belagerung im 9. Jahrhundert. Miniaturmalerei au« dem 
Goldenen PMltM (StifUbibliolhek 8t Gaben». 

nun den Namen der Freigrafschaft (Franche-Comtö) er- 
hielt, wahrend der Titel des Rektors von Burgund sich von 
Konrad von Zäringen auf seinen Sohn Berthold IV. und 
seinen Enkel Berthold V. forterbte. Dieser letztere erfreute 
sich einer so hohen Achtung, das« ihm in dem nach 
Heinrich* VI. Tod ausgebrochenen Kampf zwischen Ghi- 
bellinen und Weifen von diesen die Konigswürde ange- 
tragen wurde, die er aber ablehnte. 

Nun tritt mit den Grafen von Savoyen ein neues Ge- 
schlecht auf den Plan, das aus der Maurienne stammte 
und sich bereits das Cbahlais, das l'nterwallis und das 
rechte Ufer des Genfersees bis zur Vevevae zu eigen ge- 
macht hatte. Auf den Ruf des Grafen Thomas I. 




Kloster und Stadl St. Gallen . nach dem lnlU»ton bekannten) Holzschnitt von Heinrich Vogther 1515. iStiftebibliothea St. Gallen.! 

Rektor seine Würde streitig machte, kam es zur Fehde, in voven bemächtigten sich die welschen Edelhcrren des 
welcher die vom Grafen von Savojen befehligten Truppen Schlosses Chillon, sowie der Städte Moudon und Ro- 
Rainalds von Konrad von Zaringen ll.'Cl bei Payerne ge- | mont, wo nun der zäringische Adler und Löwe dem 



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SCHW 



Savoyer Kreuz weichen musste. Am Abend seines Lebens 
versuchte der alle Herzog Berthold V. noch einmal das 




Darstellung au« <t«m 10. Jahrhundert : Klosterv«rU"idig<ir. 
(Sliriabibliotbak Sl. fialleo). 

Gluck der Waffen und drang, ober die Grimsel ins Wallis 
vor, wo er aber bei Ulrichen im Jahr 1211 geschlagen 
wurde. Des Kampfes müde, schloss er mit dem Grafen 
von Savoyen Frieden und zog sich auf seine Burg Zäringen 
zurück, wo er als letzter seines Geschlechtes im Jahr 121K 
starb. 

Das Haus Zäringen war den Städten in ihren Kämpfen 




oder ßaiern entstanden. So kam denn das Erlöschen 'des 
Geschlechtes gerade recht, um die Weiterentwicklung der 
helvetischen Freiheiten zu begünstigen. 

7. Staatliche und geteilte haftliche Ordnung zur Ritter- 
xeit. Nach der alten germanischen Anschauung, die in 
dieser Hinsicht vom romanischen Standpunkt stark ab- 
weicht, bestand die Aufgabe des Staates einzig darin, den 
Frieden und die öffentliche Sicherheit zu wahren, wäh- 
rend die Sorge um die Nationalwohlfahrt und die Hebung 
der geistigen Kultur nicht seines Amtes war. Daher er- 
scheint denn auch im Mittelalter der soziale Fortschritt 
sozusagen der grossem oder geringem Gunst der Um- 
stände anheimgestelll. Er fallt damit ins Gebiet des Wir- 
kungskreises der Kirche, des Handelsstatutes und einiger 
Fürsten, wie der Zäringer und des Hauses Savoyen. Ein 
Uebergreifen des obersten Landesherra aul dieses Tätig- 
keitsfeld lässt sich mit Ausnahme der Regierung von Karl 
dem Grossen zu keiner Zeit erkennen. Nachdem der grosse 
Frankenkaiser gleich den romischen Kaisern wahrend der 
Blütezeit Horns eine feste politische Organisation ge- 
schaffen, wurde diese zu Ende des Jahrhunderts vom 
aufkommenden Hittertum beseitigt. Die Herzoge, Grafen, 
Markgrafen etc. sind nun keine Beamte im romischen oder 
modernen Sinne des Wortes, d. h. keine Organe der ober- 
sten Macht mehr, sondern werden zu Vasallen, die dem 
König den Treueid leisten und zu Kriegszeiten ins Feld 
folgen. Mit der Zeit wurden alle Lehen erblich und ver- 
erbten sich gleich den Gutem auch die Aemter, Titel und 
Rechte vom Vater auf den Sohn. 

Die politische Macht zerstückelte sich, indem die grossen 
Kronvasallen selbst wieder besondere Unter- oder After- 
vasallen sich verpflichteten. Die Teilungen zwischen den 
einzelnen Gliedern der graflichen Geschlechter und die 
Immunität, d. h. Befreiung von der gräflichen Gerichts- 
barkeit, die sich die Kirche und zahlreiche Gemeinden zu 
verschaffen wussten. führten zu einer stufenweisen Macht- 
einschrankung der grossen Kronvasallen. Der Graf durfte 
die Kloster und geistlichen Bezirke nicht betreten und 
musste • für Ausübung einer Amtsgewalt innerhalb dieses 
Territoriums der Vermittlung des mit Immunität ausge- 
statteten geistlichen Herrn sich bedienen. ■ Daraus ergab 
sich, das« diese geistlichen Herren innerhalb ihres Gebietes 
nach und nach selbst diejenigen staatlichen Befugnisse 
auszuüben begannen, die sonst in der Bogel der weltlichen 
Macht zukamen. Da aber Bischöfe und Aebte die Gerichts- 
barkeit nicht in Person auszuüben pflegten, betrauten sie 
mit derselben wellliche Herren, die nun den Titel von Kast- 




SirjH Hurlhold» IV. von Zäringen. i l-.indi". imi <(iim .o Zun. 'In. 



gegen den Adel ein fester Rückhalt gewesen. Wenn es 
sich foi Ii rhallen hatte, wäre zwischen Alpen. Rhein und 
Jura wahrscheinlich ein monarchischer Staat wie Savoyen 



oder Schirmvögten |lat. advoeali ; französ. avouesi er- 
hielten. Diese nahmen dann die weltlichen Interessen 
ihrer geistlichen Oberherren wahr Kastvogteien wurden 



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GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ V»rl M n» CfcbrOdw AlUnger. N«.ab.r ( . 



t> Bi3lum 

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U> JJj Königreich Burgund 1 ' 
^ erto 9^ Jlamannien I I 
" Herzogt. Bai cm 

Königreich Italien 
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DIE SCHWEIZ IM JAHR 1032 (Königreich Burgund und Herzogtum Alemannien) 




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DIE SCHWEIZ IM JAHR 1218 (beim Aussterben der Zärlngem 



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an vornehme Geschlechter als erbliche Lehen vergeben. 
So waren i. B. die Len/.hurger Vogte von Sch; innig, Bero- 
münster und S:<ckingen. die Habsburger Vogte von Muri, 
die Grafen von Rapperswil Vogte von Einsiedeln etc. 

Neben diesen kirchlichen Yogteien entstanden auch 
Reichsvogteien. denen die Verwaltung der ebenfalls der 
Gerichtsbarkeit der Grafen entzogenen Reichsgüter an- 
vertraut war. Von dieser Art waren die Reichsvogteien Zü- 
rich, Un. Hasle u. a., denen die Kaiser besondere Reichs- 
vögte vorsetzten. Die Lage der Bewohner der reichsfreien 
Städte und Landschaften war in der Regel eine bevorzugte, 
da sie vom Kaiser gegen die UeltergrifTe der Grossen ge- 
schützt wurden. Da aber auch die Reichsvogteien zu erb- 
lichen Lehen und vom Kaiser zuweilen gegen eine be- 
stimmte Geldsumme verkauft wurden, gaben sie den mit 



diese Geld- und Naturalabgaben entrichten, sowie per- 
sonliche Dienste und Frohnden leisten mussten. Ferner 
nahm der « Vogt» auch noch Mutationsgebühren (französ. 
lods) bei Guterverkiufen für sich in Anspruch. 

Während sich *o die Grafen und geistlichen Herren 
den Besitz der Regalien (Münz- und Marktrecht, Zölle), 
die als Vorrechte des königlichen Fiskus galten, zu ver- 
sehenen gewusst hatten, verfügten die einfachen a Vögte » 
über verschiedene grundherrliche Rechte in den Dorfern, 
wie Tavernenrecht. Mühlerecht, Schmiedegewerbe, Jagd- 
und Fischrecht etc. 

Zugleich mit der Ausbildung der soeben geschilderten 
staatlichen Hinrichtungen vollzog sich auch ein wirt- 
schaftlicher Umschwung. Es bildete sich der Grossgrund - 
besitz aus, wie er sich in Spanien. Italien. England und 



STAMMTAFEL DER ZÄRINGER UND DER KIBL'RGKR. 

Behtiioi ü I. von Villingen, 
nennt »ich »alt IlfJS *«n ■• Zarlng«-n »■ 



Bkhthoi.d II. 

.1077 Ulli. 
Gemahlin: Agne» von Kheint'elden. 



! 

ÜEltTHOttl III. f «'ST 



Hermann, 
Stamms aler de» regierenden 
Hauses von Raden. 



Ko.NflAD, + 1 152. 
K«lit»r vnu Burguud. 



BeRTHOU» IV. t M86. 
Heklor von Lturgund. 
Grandel 117* Freiburg im l'ochtland. 



HEWTIKIIJ) V. j 1218. 
LeUicr «eine» N 
Gründet 1191 B«ru 



(.eui-iril 



> 1231. 
t Incb von Kiburg, 
t 1**7. 



Hartmann der Aeltere, f 1264. 
ür«f van Kiburg. 
Gemahlin: Margaretha vc>o 
aavoven. 



Werner, f 1*28. 



Hartmann der Jüngere, f 1283. 
Graf von Kiburg 



Anna von Kiburg. 
Gewabl : F.berhard vun 
ll.ibal.urg-l.aufenburg. 



Heii.wig. 

Gemahl . Albrocht 
von Habuburg, 
™ 1£39. 

Rrnoi-K von Habsburg, 
1*73 mm Koolg erwählt. 

At.BRECHT von Hababurg, 
Herzog ton Oo»U-rr«i< h. 
lüORjurn König erwählt. 



ihnen betrauten Herren Anlass zur Yergrösserung ihrer 
eigenen llausmacht und zu t'ebergriffen aurdie Freiheiten 
iler Kron vasallen. Um dieser Gefahr vorzubeugen, suchten 
die Reichsleute, d. h. die Bewohner der Rcichsgüter. durch 
einen förmlichen Erlass des Oberherrn für sich die Reichs- 
unmittelharkeit zu erlangen, in welchem Falle sie unter 
Reichsvogte gestellt wurden, die einfache Statthalter wa- 
ren. Dil' Geschichte der Entstehung der Eidgenossenschaft 
liefert klassische Beispiele für diese Art der Verwaltung. 
Unter den Grafen standen als niedere Richter die sog. 
Zentenare. Diese niedere Gerichtsbarkeit, die ebenfalls 
erblich geworden war, lag in den Hunden des niedern 
Adels, d. h. einfacher Ritter, erstreckte sich meist nur 
über wenige Dorfer und wechselte durch Erbteilung. Ver- 
kauf oder Schenkung vielfach den Inhaber. Solche kleine 
Herrschaften mit dem Recht der niedern Gerichtsbarkeit 
wurden gegen das Ende des Mittelalters oft von Bürgern 
oder Städten erworben und haben sich teilweise noch 
bis zur Revolution von 1798 erhalten. Den Herren kam der 
Schutz der ihre Güter bewohnenden Leute zu, wofür ihm 



Irland noch bis heute zu erhalten vermocht hat. Die 
kleinen freien Bauern sahen »ich der harten Zeiten wegen 
genötigt, den Schulz der Grossen iu suchen, denen sie 
ihre Güter und Unabhängigkeit übertrugen und Gefalle 
(Grundzinsen) zu entrichten sich bequemten. Verschie- 
dene Umstände führten dazu, dass der freie kleine Grund- 
besitz der Rauern sich in den Alpenthälern besser zu er- 
halten vermochte als im vorliegenden Mittelland und 
somit die Lehensverfassung dort weniger tiefe Wurzeln 
fassen konnte. Diesem Umstand ist es denn auch zu ver- 
danken, dass die Schweizer den übrigen Völkern Europas 
auf dem Wege der Freiheit vorangeeilt sind. 

Auf Grund ihres umfangreichen Grundbesitzes haben 
etwa 20 grosse Feudalgeschlechter, denen noch einige 
geistliche Herrschaften angefügt werden müssen, auf die 
Geschicke unseres Landes einen massgebenden Eintluss 
ausgeübt. Wir nennen dieselben in der Reihenfolge von 
Südwesten nach Nordosten. Zunächst die Grafen von 
Maurienne. deren Macht sich über das l nterwallis er- 
streckte. Als erstes Glied dieses Geschlechtes tritt in der 

"210 - i;i:»..;n. lex. V - 22 



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Geschichte Graf llumhert der Weisse als Führer der bur- 
gundischen Herren im Kampf tiefen Kaiser Konrad II. 




Klosterkirche Hauterive tKanton Freibur«». OrOnduag de» Zisterzienser 

urdens au« KKTJ. 

auf i 1034] Seine Nachkommen nannten sich dann Grafen 
von Savoyen. Durch eine Reihe von Heiraten erwarben 
sie reiche Besitzungen in Faucigny. Piemunl und Wallis, 
worauf sie auch im Waadtland und Genf politische Macht 
erlangten, während jedoch Lausanne zu keiner Zeit unter 
ihr Szepter kam. Im Waadtland hatte sich eine ganze 
Reihe von Raronien'i gebildet, denen die Herren von 
Grandson, Kstavayer. La Sarraz. Cossonay, Blonay, Gou- 
moens, Vufllens, Divonne etc. vorstanden. Am Weslende 
des Genfersecs sasscn die Grafen von Genf, im 
obern Saanethal die Grafen von Greierz*) iehe- 
tnals Grafen des Gaues von Ugo oder des ITgaues) 
und nordwestlich vom Waadtland die Grafen 
von Neuenbürg, von denen auch diejenigen von 
Strausberg. Nidau. Aarberg und Bargen ab- 
stammen. Mit dem Aargau gelangen wir in den 
Machtbereich der einflussreichen Grafen von 
Lenzhurg. die sich im 12. Jahrhundert in die 
beiden Zweige Lenzbarg und Kaden teilten. 
Itas Krloschcn der Lenzburger erhob die Habs- 
burger, die einen Ted ihrer Guter erbten. 
Oeslltch von den llabsburgem. d. h. im alten 
Thurgau und einem Teil des Zürichgaues, 
herrschte das reiche Geschlecht der Kiburger. 
Neben ihnen sind in der Oslschweiz noch ilie 
Freiherren von Hegensberg im den Thälern der 
Limin.it und t'ilatti. Sellenbüren, Bonstetten, 
Hachenbach und Wädenswil. sowie die Grafen 
von Rapperswil und von Toggenburg zu er- 
wähnen. 

Sowohl die geistlichen wie die weltlichen 
Herren nutzten ihre politische Macht zu ihrem 
rein persönlichen Vorteil aus. ohne sich um 
Wohl oder Wehe ihrer Untertanen viel zu küm- 
mern, bis zu dem Tage, da es den dieses Joches 
mnden Gemeinden (Stadien) gelang, sich von 
ihren Oberherren zu emanzipieren. Diese Auf- 
lehnung der Gemeinden in unserm Land steht nicht ver- 
einzelt da. indem sie sieh auch in Italien vollzog, wo die 
Kewegun^: nirGründun^ u.ii mehreren Rapabllkfln fuhrt-, 
und in Deutschland fortpflanzte, wo die von ihren Herrn un- 
abhängig gewordenen Städte den Schutz des Kaisers erlang- 
ten und sich untereinander verbündeten. Auch in Flandern 
und Frankreich machte sie sich bemerkbar. In diesem lett- 
lern Lande gelang es dann freilich dem Klinik, die Städte, 
die er in ihren Kämpfen gegen den Adel zuerst unterstützt 



hatte, sich wieder zu unterwerfen. In der Schweiz ist die 
Emanzipation der Land- und Stadtgemeiriden das Ergebnis 
einer langsam aber stetig fortschreitenden Ent- 
wicklung gewesen, die durch die gebirgige Natui 
des Landes begünstigt und durch den vorsichtigen 
aber zähen Charakter der Bergbewohner zum 
Siege geführt wurde. Bei uns gelang es dem Adel 
zu keiner Zeit, sieh so vollständig zum Herrn des 
Landes aufzuschwingen, wie er es in Frankreich 
oder Deutschland zu tun vermocht hat. 

Zu den Zeiten der Griechen und Homer halle 
im Kampf das Fussvolk die Hauptrolle gespielt, 
los dann mit den Einfallen der Barltaren sich 
auch in dieser Hinsicht ein Umschwunganbahnte 
Um erfolgreich gegen Sarazenen, l'ngarn und 
Franken zu kämpfen, sahen sich die Alemannen 
und Burgunder genötigt, sich deren Taktik zu 
eigen zu machen und. um dem Heere grössere 
Beweglichkeit zu verleihen, zu Pferde zu steigen. 
Das Keilen fördert aber eine gewisse Sorglosig- 
keit, Trägheil. Rohheit und brutale Kampfeslust. 
So sehen wir den mittelalterlichen Ritler zu Ross 
mit Helm und Banzer. Schild und Lanze be- 
wehrt, durch das Land irren und auf Abenteuer 
ausgehen. Je nachdem plünderte und beraubte 
er den armen Reisenden oder forderte er irgend 
einen Hivalen heraus, den ihm der Zufall in den 
Weg führte. So ritt er von Burg zu Burg, immer 
auf der Suche nach Kampf und Streit und stets 
bereit, seine Geschicklichkeil im Kampfspiel be- 
wundern zu lassen. Im 11. Jahrhundert kam die 
Sitte der Turniere auf, bei denen die Ritler. von 
Kopf bis zu Fuss bewehrt, auf gepanzerten Pfer- 
den gegeneinander ritten und sich aus dem Sattel 
zu werfen bemühten. Der Sieger erhielt als Preis für seine 
Geschicklichkeit aus der Hand einer schonen Edeldam- 
kostbare Wallen etc. Diese Turniere gaben Anlass zu 
glänzenden Festen. Da die Ritter durch die Rüstung und 
das heruntergelassene Ilelmusier unkenntlich waren, 
schmückten sie Schild und Waden mit besondern Ab- 
zeichen, die symbolische Figuren darstellten und in der 
Folge als « Wappen» bezeichnet wurden. Dabei hatte jede 
Farne ihre bestimmte besondere Redeutung. 




Sehl»»» Kstavayer. 

Wie die Kleidung waren auch die Wohnstätlen der 
Herren den Bedurfnissen des Krieges angepassl. Sie 
•> Nach Qnlaard hatte )«)d«f Adelige, der Ober ein Hinkommen 
von ■• ■ I l»-ulden verfügte und die Gerichtsbarkeit omni 

modo Ober Vasallen besas», daa Recht, sieb Baron de* Waadt- 
land«» au ueunen. 

Zi Der Name Uruyerc <deul«ch Greierzi leitet sieb davon her. 
da«» diu Herren an der Sanne unter den Königen de« trau»- 
juranisehen Burgund da» Amt eiDes t gruyer», d. b. eines Ober- 
ior»therrn, bekleideten. 



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SCIIYV 



SCHW 



;{.;«. i 



len aus Testen Türmen, die bisweilen von Stallen 
und Scheunen umgehen waren, allgemeiu auf Anhöhen 




Ititterkampf «Turnier . Au« der Woltohrooik des Hude 
iStlfUblbliolh«« St. Oalleol. 



>n Km». 



standen und sich mit Mauer und (iraben umgürteten. 
Diese K aMelle dienten in Zeiten der Gefahr den Va- 
sallen als Zulluchtsort, woher sie ihrou Namen •Burgen* 
(von bergen, schützen) erhalten haben. Im 12. und 13. 
Jahrhundert erhoben sich solche Burgen von mannigfal- 
tiger Form und Grosse auf fast allen Anhöhen unseres 
Landes. Manche standen geradezu an 
der Stelle von einstigen römischen Be- 
festigungsanlagen. Aber nicht nur die 
Familien der grossen Herren selbst 
wohnten auf den Burgen, sondern mit 
ihnen noch der Tross ihrer Vasallen 
und Diener, welch ganzer Hofstaat an 
der Tafel des Burgherrn aas und sich 
nach demselben benannte. Ursprünglich 
bestand die Burg in der Hauptsache aus 
einem starken Turm (Bergfried. Donjon). 
Hessen unterer Teil, in welchen man 
nur von Innen, auf Treppen, hinunter- 
gelangen konnte, umfasste die Keller- 
räume und war nur durch schmale Oeff- 
nuneen in der Mauer spärlich beleuch- 
tet. Der Eingang von Aussen lag in einer 
gewissen Hohe und war auf einer höl- 
zernen Treppe zugänglich, die man in 
Zeiten der Gefahr entfernen konnte. 
Durch ihn gelangte man in einen grossen 
Saal, der zugleich als Küche und Wohn- 
raum diente. Spater uberliess man die- 
ses (ieschoss der Dienerschaft und rich- 
tete man für den Burgherrn und seine 
Familie besondere Gemacher ein. Ver- 
vollständigt wurde das Ganze durch 
einen sog. Bittersaal, in dem sich die 
(Ȋste und Vasallen des Herrn vereinig- 
ten. Das oberste l ieselniss bestand haulig 
aus einem ausladenden Ueherbau, der 
hie und da noch mit die Verteidigung 
erleichternden Kcktürmchen versehen war und auf Zinnen- 
umgängen mit sog. ■ Machicoulis» f konsoh nartigen Mauer- 
pfeilern) ruhte. Zuoberst auf dem Turm sass der Wäch- 



ter, der die ankommenden Gaste anzeigte oder bei drohen- 
der Gefahr den Alarm gab. 

Diese iinheuuemen Wohnslällen t ermochten naturlich 
nicht auf die Dauer zu genügen. Mit zunehmendem Be- 
dürfnis fugte man dem Turm verschiedene Anbauten 
zu, wobei jener dann nur noch als Kerker, Vorratshaus 
und zu Zwecken der Verteidigung zu dienen pflegte. Die 
so entstehenden grossem Burganlagen umschlossen nun 
innerhalb ihrer Gräben und mit Zinnen und Rundgängen 
versehenen Mauern mehrere Hufe und eine ganze Beihe 
von verschiedenen Bauten. Die nennenswertesten solcher 
sog. Hofburgen, die heute z. T. noch sehr gut erhalten 
sind und einen Begriff von der damaligen Bauweise 
vermitteln, sind die Kiburg. Burg Bapperswil. Habs- 
burg, l.enzburg und die Burgen von Eslavayer, Vuftlens. 
Lucens. Greierz. Chi I Ion etc. Gerade die Burg Chillon 
kann als Muster einer feudalen Festungshaute bezeich- 
net werden. Sic reicht in ihrer ersten Anlage bis zum 
Anfang des Mittelalters zurück und bestand zunächst 
aus einem einfachen Bergfried (Donjon), der im 12. 
und 13. Jahrhundert von den Grafen von Savoyen nach 
und nach zu einer umfassenden Hofburg ausgebaut wor- 
den ist. 

Der Missbrauch der Gewalt und die Uebergrifle. die 
sich die feudalen Herren dieser Zeit so oft zu schulden 
kommen Hessen, dauerten so lange an, bis ein neue« 
soziales Element, das Bürgertum, genügend erstarkt 
war, um den Adel in Schach zu hallen, und bis die Er- 
findung des Schiesspulvers es den Belagerern gestaltete, 
sich der lange Zeit als unüberwindlich gellenden festen 
Burgen zu bemächtigen. Doch fehlte es dem Bitterlehen 
nicht ganz an höhern Idealen. Sein höchstes Ziel war die 
Verbreitung des christlichen Glaubens unter den Heiden, 
der Kampf gegen rohe Unterdrückung von Sehwachen 
und Bedrängten, sowie der Schulz von edeln Frauen. 
Jeder Bitter trachtete darnach, sich dem Dienste der 
Schönheit und Tugend zu widmen. Die hochgespannten 
Ehrbegriffe, die sich die Bitter gebildet, führten zu einem 
Selbstbewusstsein und einer romantischen Lebensauf- 
fassung, die oft in eigentliche Träumerei und Narr- 
heit ausarteten. In den mittelalterlichen Schöpfungen 
der Dichtkunst sieht mau die Bitter unerhörte Taten 
vollbringen, um die Gunst ihrer Herzensdame zu ge- 
winnen. Als Beispiele dieses mittelalterlichen Minne- 
gesanges geben wir im folgenden je eine Strophe des 




ScbloM Angsuntoin im Horner Jura. Typu 



■ «ine» imUeUlterlicheu Herpfriede« 



Zürcher Sangers lladlaub (aus dem 13. Jahrhundertl und 
des welschen Minncdichlers Dito von Grandson »aus dem 
14. Jahrhundert'. 



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340 



SCIIW 



Hadlaub singt von »einer Verehrton. wie er ihr, als Pilger 
verkleidet, heimlich einen Brief an die Rocktasche hing : 

Ach, mir wsi Im ff« 
nAch Ir «A «A gesln, 
dA von dachte ich *U aoge. 
da* ir daj wurde -cum. 

Ich nam ir achte 
in gwande al* ein pilgerin 
«i Ich heinllcb«! nn machte ; 
do »i gieng voo metlio. 

tH> Kate ich von aender klage 
•inen brief. daran ein aniril wa*. 
den hieng lob ao al. dai war vor tage, 
dai - 1 nicht iIim dai. 

Und nun die Probe aus dem Welschland : 

Puisqu' Arno* r vtK-lt Ii plaitt et »free 
Quc vuatre «oiont du tout enlierement 
Mamuur, m'ea|iuir, raun plaisir. ma penaeo, 
Mon euer, ma jute, tout mon «abstemmt 
Je Ten merey, car je -. aj ferniement 
Que plus grand bien» ue me pourrait donuer 
(jue de voua faire par mui chenr, doubler, 
Obeir, craindre. hooorer et «ervir. 

Kin anderer Charakterzug des Mittelalters war die innige 
Verbindung des kriegerischen Geistes der Ritter mit den 




Scbloei ChilloD. 
Typus de* miltelalterliebea Rurgonbaue«. 

religiösen Bestrebungen. Die Kreuzzüge erwiesen sich als 
so recht geeignet, dem abenteuerlichen Sinn der Ritter 
Nahrung und Gelegenheit zu geben, sich durch hel- 
denhafte Taten auszuzeichnen. Allein die Beweggründe 
zu solchen Taten waren nicht immer einzig religiöser 
Natur. So stark auch die religiöse Färbung der Kreuz- 
züge war. hatte diese tanze Bewegung ihren eigent- 
lichen Grund doch in den »sozialen Ueheln« der damali- 
gen Zeit. «Viele folgten der Fahne der Itcligion. um irgend- 
wie ihre eigene Lage zu verbessern. Der Vornehme, der 
Fürst und Ritter, holTte Macht, Herrschaft und Ansehen 
zu erlangen, der Arme Reichturn, der Unfreie — was ihm 
auch wirklich vom Papste verheissen war — Freiheit.« 

Ras Rittertum verfeinerte die Sitten und trug wesent- 
lich zur ästhetischen Hebung der herrschenden Klassen 
bei. Kleidung und Hinrichtung der Wohnungen zeugen 
von diesem Einlluss. Die Adeligen kleideten sich nun in 
kostbare Stoffe von leuchtenden Farben und hielten sich 
das lang herabwallende Haar mit Reifen. Kränzen und 
Diademen zusammen Mit Ausnahme der Hose, zeigte die 
weibliche Kleidung grosse Aehniichkeit mit der männ- 
lichen. Sie bestand aus Hemd. Bock oder Tunika und 
weitem Mantel. Später trugen die Frauen, um ihre For- 
men besser zur Geltang zu bringen, eng dem Korper sich 



anschmiegende Kleidung. Mit den Ehrbezeugungen, deren 
Gegenstand nie wurden, wuchs auch ihr Sinn für Eleganz 
und Reiz. 

• Rn frühern Mittelalter, vor dem 10. Jahrhundert, gab 
es im Abendland nur einen geistlichen Orden : den der 
Benediktiner. Alle altern Stifte unseres Lande* gehörten 
ihm an : St. Gallen, Einsiedeln, Disentis, Piafers, Rheinau 
u. s. f . « Auch im 11. und 12. Jahrhundert wurden noch 
eine Reihe Benediktiner-Sliflegegründrt, so Stein a. Rh.. 
Muri. Allerheiligen in Schaffhausen. Herzogenbuchsee, 
Engelberg. Fahr, Fischingen. Trab, Alt St. Johann. Nach- 
dem sie sich unter dem Einflus« der Cluniaeenser refor- 
miert hatten, arteten die Sitten der Klosterleute von Neuem 
aus. «Die Cluniaeenser bereicherten sich wie die Benedik- 
tiner, verfielen allmählig dem Wohlleben, der Zuchllosig- 
ki-it. und genügten den Anforderungen der strengen geist- 
lichen Disziplin, dem kirchlichen Ideal der Armut und 
Abhärtung nicht mehr.» Damit war der Gründung neuer 
Orden der Weg geebnet : Zisterzienser, Kartäuser und 
Prämonslratenser tauchten auf und verbreiteten sich über 
unser Land. Die Zisterzienser gründeten Stifte in Lützel, 
Bonmont, Frienisberg, Hautcrct. Monlheron. Hauterive, 
Sl. t'rban. Kappel. Wi ltingen; die Kartäuser Hessen sich 
in La Lance. Oujon. Illingen, Valsainte, Part Dien nieder; 
die Pramonslratenr-ei siedelten sich am einsamen Ufer des 
Lac de Joux. in Humilimont. Hellelay. Churwalden. Kuli. 
Klosters im IV.itigau an. * Hoch auch diese strengen Orden 
verloren nach und nach das Hcwusstscin ihres Ursprunges. 
Auch sie sammelten irdische Güter, wurden reich und er- 
schlafften naturgeni.os. wie diejenigen Kongi egationen, 
die sie zurückgedrängt hatten. Da bildete sich wieder ein 
Gegengewicht, im 18, Jahrhundert, der Epoche der aus- 
gehenden Kreuz/uge. einer Zeil. <Ij Abfall von der Kurl e. 
l'nglauhe und Kelzerei stark im Schwange waren. • So 
entstanden die Bettelorden der Dominikaner und der Fran- 
ziskaner. Biese eigenartigen Mönche lebten, ohne sich 
um den folgenden Tag zu kümmern, von Almosen, plleg- 
(en weder die Wissenschaften wie die Benediktiner, noch 
die körperliche Arbeit wie die Zisterzienser, Prämonstra- 
tenser und Kartäuser; sie widmeten sich der Predigt und 
Mission und erbauten daher ihre Kloster nicht wie die 
übrigen Orden in einsamen Wabi thalern. sondern mitten 
in volkreiche Gegenden. Ilaher sieht man sie in Zürich, 
Basel. Bern. SchaMhaiisen, Luzern. Freiburg. Solothum, 
Chur, Lausanne, Genf etc. sich niederlassen. Auch Frauen 
traten in grosser Zahl dem Kloslerlehen bei. und jeder 
der bestehenden geistlichen Orden gründete bald eine 
Reihe von Nonnenklöstern : Benediktinerinnen in Fahr, 
Zisterzienserinnen in Fraubrunnen. Frauenthal Zug>, 
Gnadenthal i Aargau ■, Kalchrain. Magdenau. Seldenau 
(Selnau in Zuriehi. Steinen bei Schwyz. Dänikon, Wurtns- 
hach hei Rapperswil. Kellevaux bei Lausanne. Val de 
Sainte Catherine. Munster in Grauhunden. 

Die geistlichen Stifte mehrten sich so. dass man im 13, 
Jahrhundert in der Schweiz schon an eise» 31)0 Kloster 
zählte. 

Mit den Kreuzzügen entstanden weitere Orden, die sich 
den Schutz der Pilger nach dem heiligen Lande, die 
Pflege der Kranken und die Verteidigung der christlichen 
Herrschaft gegen die Ungläubigen zur Aufgabe stellten. 
Es sind dies die Orden der Johanniterritter. Tempelritter 
und Deutschrilter. Diese kriegerischen Mönche hesassen 
auch in der Schweiz Niederlassungen, so die Johanniter 
in Münchenbuchsee. Hohenrain. Bubikon. Basel, Frei- 
burg, Orbe. Moudon. Tobel (Thurgau). Klingnau. Leug- 
gerh. Wädenswil , Küsnacht am Zürichsee etc.. die 
Deutschrilter zuSumiswald. Koniz. Hitzkirch, Basel u. s. f. 
Ganz besonders der Pflege von Verwundeten um! Kranken 
widmeten sich zwei weitere Orden, die Heiliggeist- oder 
llospitalbriider und die Lazariler, von denen jene in Bern. 
Neuenburg. Freiburg. Trachselwald und Lausanne, diese 
in Seedorf i I th und Gfenn bei Dubendorf Häuser grün- 
deten. 

Das beschauliche Klosterleben zog die Menschen der 
damaligen Zeil so stark an. dass die Kloster die Menge 
der um Aufnahme Ersuchenden nicht mthr fassen konn- 
ten Manner und Frauen, denen das Kloster verschlossen 
blieb oder die einzig der Beligion leben wollten, ohne 
sich an ein Klostergehibde zu binden, taten sich in den 
Dörfern zu kleinen Gemeinschaften unter der Leitung 



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SCHVV 



SCHW 



341 



eines Priesters zutamraen. gelobten ewige Keuschheit und 
widmeten Bich einem intensiven geistlichen Leben. Ks 
■iinl dies die sog. Begharden und Beghinen. eine Art 
Freischärler der grossen mönchischen Armee. 

Das II. Jahrhundert zeigt sich uns als eine Zeit, da sich 
viele Werte umzugestalten und neu zu formen beginnen, 
und zwar sowohl »iifdem Gebiete von Sitte und ((rauch, 
wie auch auf demjenigen der Kunst. Individualistische 
Tendenzen machen sich geltend, die in der Architektur 
zur Herausbildung von neuen Baustilen führten. So ent- 
standen der romanische und der gotische Stil, die zwei 
verschiedenen Zeitabschnitten entsprechen. Der Ueber- 
gang von jenem zu diesem vollzieht sich ganz allmahlig, 
ist doch der Spitzbogen- oder gotische Stil nur das letzte 
Glied einer Entwicklung, für die der Rundbogen- oder 
romanische Stil eine Etappe bedeutete. Ein besonderer 
Anteil an der Verbreitung des Spitzbogens in unserm Land 
kommt dem Orden der Zisterzienser zu. der schon im 12. 
Jahrhundert zu hoher Blüte gelangt war. Zu dieser Zeit 
spielte auch die Malerei eine grosse Rolle, und ea gab 
kaum eine, wenn sonst noch so bescheidene Kirche, die 
nicht ihren Farbenschmuck aufgewiesen hätte. Der Rund- 
bogen des romanischen Stiles erforderte starke Stütz- 
mauern. « Mit verhältnismässig einfachen Mitteln hatte 
die romanische Kunst einen malerischen Eindruck zu 
erzielen gewuaat. Ihre Kirchen sind nicht hoch und kühn 
emporragend, sondern breit, massiv und ge- 
drungen ; sie sind einfach ausgestattet, aber 
doch nicht kahl : sie sind ernst und würdevoll 
und entbehren doch nicht anmutiger Zierde. > 
Beim Spitzbogenstil ruht das Gewicht des Ge- 
wölbes auf dem durch die Kreuzung der Gurten 
(Hippen) gebildeten festen Gerüste, während den 
Gurten selbst wieder starke Pfeiler als Stutze 
dienen. Gegenüber den Gurten treten hier die 
Wölbungen ;urück. Durch diese Lösung des 
statischen Problemes wurde ea möglich, den 
dem Gottesdienst dienenden Bauwerken viel um- 
fassendere Dimensionen zu geben. Der Ueber- 
gang vom romanischen zum gotischen Stil voll- 
zog sich gerade zu jener Zeit, da die Weltgi ist - 
liclikeit sich von der Uebcrmnchl der Kloster- 
geistlichen frei zu machen wusste und die Städte 
für ihre Gemeindebedürfnisse Rathäuser, sowie 
die Bischöfe prachtvolle Kathedralen zu bauen 
begannen, um darin der steigenden Zahl der 
Glaubigen die Segnungen der Religion bieten 
zu können. 

Die Entwicklung der Architektur war in gewisser Hin- 
sicht von den geistlichen Gebietsgrenzen abhängig, indem 
in einer bestimmten Diözese oder auch in einer ganzen 
Gruppe von solchen gerne ein und dasselbe Kunstgefühl 
sich geltend machte. Die künstlerischen Strömungen 
fliessen gerade umgekehrt wie die Flüsse j sie steigen von 
unten nach oben in die Thäler hinauf, so dass man die 
Stätte des Ursprunges dieses oder jenes Stiles, der in 
bestimmten Thalschaflen vorherrscht, in den vor den 
Thalausgängen liegenden Städten suchen muss. Eine 
kartographische Darstellung würde uns zeigen, dass der 
romanische Baustil in den rheinischen Bistümern (Basel, 
Konstanz und Chur) länger zu Ehren gezogen woiden ist 
als in den Bistümern um die Rhone (Genf, I-ausanne und 
Sitten). 

Von den unserer Aufmerksamkeit würdigen Hauwer- 
ken, bei denen die beiden Stile in im Einzelnen sehr 
verschiedenem Masse miteinander verschmelzen, nennen 
wir im Gebiet des ehemaligen Königreiches Burgund 
die Kirchen von Romainmötier. Saint Pierre de Clage 
im Wallis, Saint Sulpice bei Lausanne und Saint 
Jean Baptiste in Grandson. die Abteikirchen von Payerne 
und Bonmont. den Kirchturm von Saint Maurice im 
Wallis, die Kirchen von Valeria ob Sitten, von Am- 
soldingen und von Spiez bei Thun, sowie endlich 
die schönen Kathedralen von Genf. Lausanne etc. Auf 
Hoden des Herzogtums Schwaben oder Alemannien ent- 
standen die Kathedrale von Chur, eine der seltenen 
mit einer Krypta ausgestatteten geistlichen Bauten der 
Schweiz, die Klosterkirchen von Muri und von Aller- 
heiligen in SchatThausen. die Münster von Zürich und 
Hasel u. s. f. 



H. Sitten und Leltentart im 11.— 13. Jahrhundert. 
Die langjährigen Kämpfe zwischen Thron und Altar halten 
zu einer Schwächung der kaiserlichen Macht geführt. 
Herzogtümer, Grafschaften. Herrschaften. Bistümer und 
Städte hatten sich vielfach ihre Selbständigkeit zu er- 
ringen vermocht. Das Kindesalter der christlichen Völker 
stand unter dem Schulz der Kirche. Einzig die Ange- 
hörigen der Geistlichkeit waren damals genügend ge- 
bildet, um Gesetze redigieren und Anstände schlichten 
zu können, so das* sich Fürsten und Herren ihre Räte 
auB dem Prieslerstand bestellten, l'ngeheure Fortschritte 
machte besonders das klosterliche Leben. Die tiefe As- 
kese jener Zeiten fand in den Klöstern eine gegebene 
Stätte zu ihrer vollen und freien Entfallung. Schenkungen 
und neue Ordensbrüder strömten in Masse herbei. Neben 
den aus freiem Antrieb sich dem Klosterdienste weihen- 
den Erwachsenen nahm man in den Klostern auch noch 
Kinder (sog. Oblaten), die von ihren Eltern Gott geweiht 
wurden, oder die jungern Söhne adliger Familien auf. 
denen der Zutritt zu den weltlichen Würden und Aemtern 
nicht leicht war. Eine grosse Menge von Armen kamen 
an den Klostcrtüren ihr tägliches Brot holen. 

Missbräuche und Ausschweifungen aber dauerten unbe- 
hindert fort. Manche Achte und grosse Herren waren viel 
eher auf eine Mehrung ihrer Einkünfte als auf die Auf- 
rechterhaltung der Kloslerzucht bedacht. Kriegerische 




Relief« au» dam 9. Jahrhundert (am r.rii»mOQ*l«r m ZQ ich). 

und welllich gesinnte Bischöfe, die sich wenig um die 
von Rom ausgehenden Drohungen bekommenen und 
von den Kaisern in ihren Bestrebungen gerne unterstützt 
wurden, dachten kaum an ihre geheiligte Mission. Die 
Vorgänger Gregors VII. halten in ihrem Bestreben, das 
Gebot des kirchlichen Zölibates allgemein durchzuführen, 
nur einen geteilten Erfolg. Mehr Kraft und Strenge zeigte 
der berühmte Papst Gregor VII. , der nicht nur die Ge- 
bote seiner Vorgänger bestätigte, sondern dazu noch neue 
erliess. l'nmöglich erschien es aber auch ihm, seinen 
Willen sofort und vollständig geltend zu machen, da die 
fortwährenden Klagen darauf schliessen lassen, dass im- 
mer noch Auflehnung dagegen herrschte. Das 12. allge- 
meine Konzil und verschiedene Synoden bedrohten die 
kirchlichen Obern, die sich aus selbstsüchtigen Beweg- 
gründen gegen die Misswirtschaft des Klerus nachsichtig 
zeigen sollten, mit schwerer Strafe. 

Das 11. und 12. Jahrhundert weisen eigentümliche Ge- 
gensätze auf. Die Geschichte deckt zahlreiche Akte der 
Brutalität und Sittenlosigkeit auf und zeigt, das« zu dieser 
Zeit, wo sich geistliche und weltliche Macht grimmig be- 
fehdeten. Unregelmässigkeiten aller Art von der zu schwa- 
chen Oberinacht kaum geahndet wurden. Andrerseits er- 
scheint keine Zeit reicher an einzelnen Persönlichkeiten 
von tiefster Frömmigkeit und grosster moralischer und 
sittlicher Reinheil der Gesinnung, sowie an frommen 
Werken verschiedenster Art. Die mystische Geistesrich- 
tung zeigte sich damals in Frankreich in rwei an edler 
Gesinnung und geistigem Schwung gleich ausgezeichne- 
ten, in ihrer Lebensanachauung dagegen voneinander 
grundverschiedenen Männern personi Ii ziert. Einerseits in 
dem Asketen Bernhard von Glairvaux. dem folgsamen 



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.{•i-2 SCHW 

Sohn der Kirche, und andrerseits in drin stolzen Ahiilanl. 
<ler ollen fur dir geistige Freiheil in Ulaubenssachen ein- 
trat und dessen Lehren auf beehren des h. Bernhard 
vom Konxii von Sens (1140) wie vom Papst Innozenz II. 
verdammt wurden. Doch nicht nur die lielehrten dama- 
liger Zeit waren unter sich uneinig. Auch im semeinen 
Volk begann es im 1*2. lahrhundert tu Kahren. Ks trat als 
• unerschrockener und heldenhafter Verfechter der Idee 
einer Hefurin der Kirche« Arnold von ftrescia auf. der be- 
-ondei- gegen die weltliche M.nlit und den Iteichliim der 
Kirche eiferte. Von einer Synode I Uttl verdammt, lluchtele 
er sich nach Frankreich und dann in die Schweiz, wo er 
einige Zeit in Zuiich predigte ( I M'2-l 143). Obwohl er hier 
mächtige Freunde, wie u. a. den ('trafen l'lrich \on Lciu- 
burg. gewann, wurde er vom Hi«chof von Konstanz und 
dem skreuzprediger» liernhard von t'.lairvaux auch \on 
hier vertrieben. Da er nicht nur als religiös, sondern auch 



als politisch gefährlicher Mann galt, lieferte ihn Friedrich 
Hart larossa dem Scharfrichter aus. 

Wahrend die Kreuzzuge in politischer Hinsicht nicht 
vom erwarteten Erfolg begleitet waren, öffneten sie doch 
dem Abendland neue Horizonte. Her von ihnen in sozia 
ler Beziehung gezeitigte Fortschritt war. obwohl indi- 
rekter Natur, doch ein recht greifbarer: viele in Geld- 
nöten steckende Herren verkauften vor ihrem Auszug ins 
heilige Land den Gemeinden Freiheiten und Hechte, und 
zahlreiche Hörige erlangten durch ihre Teilnahme an 
einem Kreuzzug die persönliche Freiheit. Hamit erstarkte 
die Klasse der freien Leute, die durch das Kiltertiim 
unterdrückt worden war, aufs neue und bildet sich wie- 
derum der Kleingrundbcsilz aus. 

Hie Bewohner des Meiches schieden sich nach der hie- 
rarchischen Ordnung der Hitterzeit in folgende Klassen : 
Auf den an der Spitze stehenden König folgten zunächst 
die Fürsten und Hischofe. dann die zum Tragen der Mitra 
berechtigten Aeble. die Herren. Vasallen, Ministerialen 
und endlich die freien Bauern. Fürsten i Herzoge und 
Grafen) und Herren i Freiherren. Barone i bildeten den ho- 
hen oder Beichsadel und genossen den Vorzug, nur unter 
■ler (Gerichtsbarkeit de* Königs und Kaisers oder eines 
aus Ihresgleichen zusammengesetzten Heichsgerichtes zu 
stehen, hie Vasallen i Bitter, latein. miles und die hohem 
Ministerialen | Hienstleutei bildeten den niedern oder 



SCHW 

Landadel. Hoher und niederer Adel zusammen galten als 
die erste Klasse der Freien, wahrend zur zweiten Klasse 
die ireien Hauern und freien Hintersassen gerechnet 
wurden. Ks waren dies Leute, die von Alters her frei ge- 
wesen waren, sich aber in der Folge unter den Schulz 
eine» welllichen oder geistlichen Herren gestellt hatten, 
dem sie nun eine Abgabe entrichteten, hie dritte Klasse 
bildeten die Hörigen und die vierte endlich die Leibeige- 
nen. Mit dem Aulkominen der Städte im LI. Jahrhundert 
entstand eine neue Klasse, der Bürgerstand, der sich dem 
Hange nach zwischen die Hilter und die freien Hauern 
(teilte. Hie llurger schieden sich dann selbst wieder in 
verschiedene Klassen : an der Spitze standen die Hilter - 
„e-. Iiiechter, die in die Stadt gezogenen Kdelleule und 
die Vasallen des Sladlherrn, die weder Gewerbe noch 
Handel trieben, sowie die freien llurger, die von Land- 
wirtschaft oder ihrem Vermögen lebten. Dann folgten die 
Handwerker, Arbeiterund Gewerbsleute, die sich 
wie die erstgenannte Klasse zu Zünften vereinig- 
ten und gewisser Hechte erfreuten, auf (.rund 
welcher sie sich über den freien Bauer stellten. 
Zur Bekleidung öffentlicher Aemter zugelassen, 
d. h. regimentsfiihig war aber nur die Klasse der 
Kdelleule und freien Hurger. die sich \otn 14. 
Jahrhundert an zum städtischen Patriziat ent- 
wickelten. 

(■eld war im Mittelalter ein sellener Artikel, 
indem meist nur Tauschhandel mit Naturpro- 
dukten getrieben wurde. Her Zinsfuss war min- 
destens dreimal hoher als heute, und Zinse. 
Steuern und Bussen zahlte man in Naturalien. 
Nachdem Kirche und weltlicher Herr von der 
Krnte ihren Anteil bezogen hatten, blieb dem 
Hauer nur noch ein geringer Teil, sodass aul 
Misswachs regelmässig Hungersnot und Teue- 
rung zu folgen pflegte. Auch hielt es bis zum 
Aufkommen der Städte schwer, überschüssige 
Naturprodukte an den Mann zu bringen. Im 
eigentlicher Handel existierte noch nicht, indem 
ihm die zur gedeihlichen Entfaltung notwendige 
Sicherheit «ler Strassen und Wege fehlte. Ar- 
beitsteilung war unbekannt j jede Familie be- 
sorgte sich ihre Kleidunu und Gerate salbst und 
mussle sozusagen ihr euener Handwerker sein. 
Kaulladen und Warenhandler gab es in den Dör- 
fern noch keine. Von Zeil zu Zeil tauchte ein 
Krämer, meist ein Jude. auf. der den Leuten 
Salz. Spezereien. Schmuck. Stolle und andere 
fremde Artikel zum Kaufe anbot. Von Briefver- 
kehr war keine Hede, indem die Kunst des 
Schreibens nur von wenigen geübt wurde. Ein 
Austausch von Hriefen war nur den vornehmen 
Herren möglich, die ihre Mitteilungen von Geist- 
lichen verfassen und durch besondere Boten an 
den llestimmungsort gelangen Hessen. In den Dörfern ver- 
nahm man Neuigkeiten bloss .um dem Mund von Durch- 
reisenden oder durch fahrende Spielleute, die der Zufall 
des Weges führte. 

Trat eine Hungersnot oder Seuche auf, so stand für 
die unglücklichen Landbewohner nichts als Klend oder 
jämmerlicher Tod in Aussicht, da die Zufuhr von Nah- 
rungsmitteln schwierig und arztliche Hilfe vollkommen 
unmöglich war. Daraus erklärt sich die grosse Sterblich- 
keit und die äusserst gerii ge Zunahme der Bevölkerung 
wählend des Mittelalters. 

Diese t'ngleichheilen der wirtschaftlichen Lage? der 
verschiedenen Stände war nun aber in den Thalern Hel- 
vetiens weniger scharf ausgeprägt als im übrigen Kuropa. 
Die auf ihren abgelegenen Hofen sitzenden freien Bauern 
erfreuten sich hier einer gewissen rnahbaugigkeit [und 
Selbständigkeit. Sie blieben lange Zeit unter den Formen 
des alten, karolingischen. Hechtes und standen unmittel- 
bar unter dem Grafen selbst. «Sie hatten ein aus ihrer 
Milte bestelltes freies Gericht iPreigericht). dessen Vor- 
steher ein vom Grafen unter Mitwirkung der Freien ge- 
wählter, ebenfalls aus ihrer Mitte genommener, dem 
Stande der Freien angehoriger Amismann | Ammanii i war. 
Die (lewall dieser Vorsteher war jedoch in bestimmter 
Weise begrenzt, und ausserdem wurden sorgfältig die 
Hechte und Freiheiten dieser Vollfreien gewahrt : aie 




Belagerang: im 13. Jshrhuodirt Aus der Vt'eltebroalk de* Rudolf von Km» 
iStifisbibiiuthek St. tialleni. 



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SCHW 



SCIIW 



SM 



bildeten einen geschlossenen Geburtsstand. durften nicht 
mit Hörigen oder Vogtleuten auf die gleiche Linie gestellt 
werden und waren noch, wie die Freien der alten Zeit, 
waffenfähig.» Solche Gemeinschaften von freien Leuten 
landen »ich an verschiedenen Orten der Grafschaft Ki- 
burg. in den Herrschaften Greifensee. Groningen und 
Reinsberg, in Affoltern a. A., Willisau und Weggis. in 
verschiedenen Teilen des Aargaues und Thurgaues. in R.i- 
tien. sowie namentlich auch in den Ländern Sehwyz. 
I'nterwalden und Hasle. uDas sind die echten Träger und 
Verfechter der Schweizerfreiheil, die Vertreter des all- 
germanischen stolzen Freiheitsgefühls. der Kern des 
freien Schweizeivolkes.» Aber auch diese freien Leute 
waren beständig den Uebergrillen der Grafen ausgesetzt, 
die sie ihrer Unabhängigkeit berauben wollten. Mehr als 
einmal sahen sie sich genötigt, mit den Wallen in der 
Hand für ihre Vorrechte einzustehen. 

Ihre Gemeinschaften trugen zunächst einen rein wirt- 
schaftlichen Charakter, der dann aber mit der Zeit 
auch eine politische Färbung bekam. Aus der Zeit der 
Alemannen stammend, halten sie den gemeinsamen Be- 
litz von Wiesen, Wald und Weiden zum Zweck und 
heglanden aus einer ge- 
wissen Anzahl von Hö- 
fen und Häusern, die 
nahe beisammen stan- 
den. Dieser gemeinsame 
Besitz umschlang die 
iienossenschaft mit ei- 
nem festen Band. Die 
Mark- und Allmendge- 
nossen leisteten sich 
Hilfe in jeder Not. Re- 
greiflich ist. dass sich 
-olche Genossenschaf- 
ten auch auszudehnen 
trachteten. Zu diesem 
Zw eck erwirkten sie von 
Seite ihrer Herrn Zuge- 
ständnisse mancherlei 
Art oder kaulten sich 
dir. kt von den Herren- 
rechten los, Durch solche 
Rückkäufe gestalteten 
sich manche Gemeinden 
zu eigentlichen kleinen 
Republiken. Indem die 
Bewohner von in einer 
und derselben Thal- 
«chaft gelegenen Dör- 
fern und Weilern sich 

ähnlicher Freiheiten und Rechte erfreuten, kamen sie von 
selbst dazu, sich jedes Jahr in allgemeiner Versamm- 
lung über ihre gemeinsamen Interessen und die Mittel 
zur Abwehr von Uebergriffen zu beraten. Diese Ver- 
sammlungen, die man Landsgemeinden nannte, halten 
den Ammann dieser oder jener der verbündeten Gemein- 
den zum Vorsitzenden, der dann den litel eines Land- 
ammannes erhielt. Diese staatliche Hinrichtung, die sich 
in den Kantonen Uli, Unterwaiden, Glarus und Appenzell 
bis heule erhalten bat, geht mit ihren ersten Anfängen bis 
■ ns 11. Jahrhundert zurück. Zum äussern Zeichen ihrer 
Unabhängigkeit legten sich die Gemeinden freier Leute 
Siegel und Regalrechte bei ; sie spielten ihrerseits die 
Holle von Herren und erwarben sich, sobald sie einmal 
ihre Anerkennung als eigene staatliche Gebilde durchge- 
setzt hatten, selbst wieder Untertanen. ein dieser freieren 
Cemeindebildung liegt der Keim zur Schweizerfreiheit». 

Neben den ländlichen Gemeinden strebten nun aber 
auch die Sladlgemeinden empor. Der Unterschied zwi- 
schen Städten einerseits und Dörfern und Höfen andrer- 
seits war im Mittelalter weit stärker ausgeprägt als dies 
heute der Fall ist. Die Städte zeichneten sich damals 
nicht nur durch ihre Bauart, stärkere Bevölkerungsziffer 
und höhere geistige Kultur aus. sondern waren noch mit 
Mauern und Wallen umgeben und besassen Marktrecht, 
das als Regal galt. Zahlreiche Städte verdankten ihre Ent- 
stehung oder ihr Anwachsen dem Schutze eines Bischofes, 
Abtes oder Grafen, so z. B. die Bischofssitze Basel. Lau- 
sanne, Genf, Sitten und Chur. dann Zürich, St. Gallen, 



SchaHdausen. Luzern, Solothurn. Saint Maurice und 
Payerne, wo bedeutende geistliche Stifte die Bevölkerung 
anzogen und festhielten, ferner Freiburg, Burgdorf, Bern. 
Diessenhofcn, Frauenfeld. Moudon etc.. die von den Gra- 
fen von Zaringen, Kiburg, Savoycn oder Habsburg ge- 
gründet und beschützt worden sind. Diese Herren suchten 
an den Städten einen Buckhalt in ihren beständigen Feh- 
den gej:en den rivalisierenden Adel und fanden auf den 
Märkten Absatz für die Naturprodukte ihrer Ländereien. 
Deshalb verliehen sie dem Bürgersland auch nach und nach 
verschiedene Vorrechte, wie Gerichtsprivilegien. Zoll-, 
Markt- und Münzrecht. Sie umschlossen die Städte mit 
Mauern, innerhalb deren die Bewohner der Umgegend in 
Zeiten der Gefahr den gesuchten Schutz fanden. Ein sol- 
cher befestigter Ort hiess vielfach einfach « Burg», woher 
sich der Name « Burger » oder * Bürger » ableitet und wel- 
chen Ausdruck heute noch zahlreiche Städte in ihrem 
Namen führen (Freiburg. Aarburg, Neuenburg etc.). 

Im 13. Jahrhundert vollzog sich in den Städten ein Um- 
schwung, der das Vorspiel zur Gründung der Eidgenossen- 
schaft war. Wenn man den ganzen Verlauf der Ereignisse 
überblickt, sieht man mit Krstauncn, wie oft sich die 





Siegel l'lricb« III., Grate» 
von Kiburg. 



Siegel Werner« I , Grafen 
von kiburg. 



grossen Ereignisse ganz langsam und allmählig vorbe- 
reiten. Ein enges Band der gemeinschaftlichen Interessen 
umschlingt die aufeinanderfolgenden Generationen des- 
selben Volkes und lässt sie unbewusst und wie unter der 
Herrschaft einer höhern Macht so lange n-ch einem ge- 
meinsamen Ziele hinarbeiten, bis bei sich bielendem An- 
lass eine unwiderstehliche Strömung aufkommt und ein 
kraftvoller Mann auftritt, der gleichsam als Werkzeug 
eines Geschickes dessen Beschlüsse vollzieht, ohne sich 
seines Rufes selbst bewusst zu sein. 

Die Entstehung des Bürgertums und die stufenweise 
fortschreitende Freiwerdung der Gemeinden haben in der 
Schweiz den Boden für die kommenden Ereignisse vor- 
bereitet. Diese Bewegung begann mit den unter geistli- 
cher Olierhoheit stehenden Städten und machte sich den 
Gegensatz zu nutze, der zwischen dem Papsttum und dem 
Kaisertum sich entwickelt hatte. Die geistliche Oberhoheit 
zeigte stets einen zwiespältigen Charakter. Bischöfe und 
Aeble hielten die Mitte zwischen Reichsbeamten und pri- 
vaten Grundeigentümern. Da sie ihre Hoheit vom Reich 
erhalten halten, stand ihnen auch im Namen von Kaiser 
und Reich die Ausübung der hohen und niedern Gerichts- 
barkeit zu. Da der geistliche Herr nach den Kirchenge- 
setzen aber die Gerichtsbarkeit nicht in eigener Person 
ausüben durfte, verlieh er die niedere an einen weltli- 
cli*n Beamten, der den Titel eines SchullheUsen erhielt, 
und die hohe an einen Grafen oder den Schirmvogt (Kast- 
vogtf seines Stiites. Bei wichtigen Gelegenheiten pflegten 
I die geistlichen Herren auch den Rat der hervorragend- 



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SCHVV 



STAMMTAFEL DES HALSES SAVuYKN. 
Hl MHERT III. 
wird litt) «iebeuler Oraf von Savoyen 

Thomas I. 
11177-1*331. 
wird ll*« achter Grar toii Savoyen. 

I 



Amadeus IV. 

|H97-1»3>. 
wird 1833 neunter 
Gr»f von Savoyen. 



BOMPAZ 

<iie4i-ia>3i t 

wird l»3»ehnler (iraf 
von Savoyen. 



Thomas II. 
UI9V-t».K 
Graf von Maunonn« 
und Hivmoni. 



I'eter II. 
ii*i)3-i»i8i. 
genannt «der klein« 
Karl der Orot«« ». 
Graf von Rumonl. 
elfter Oral von Savo\en. 



Pill 1.1 PI» 

mird IStW iwollter 
Oraf vuu Savoyen 



Margaretha 

f 1JS3. 
Gemahl. Graf 



Kiburg. 



r 



Thomas III. 

lt«l*-l**S|, 
Gral von Maurlenne 



AMADEI s V. 
.my.1343), 
wird 1S*Ö dreüehntcr 
Uraf von Savoyen. 



Li bwi'i 

M»>-I3l«|, 
(iraf der Waadt 



Ellt'ARf» 

(IS^t-l3g9>. 
rird 1323 vieriehnler 
Graf von Savoyen. 
Slirbl ohne Nach- 



AYMO 
4I«U-<343|, 
wird 1349 fetnfrennter 
(iraf vuu Savoyen. 
Stammvater des herrschenden 



! 

Amadeus VI., dor «(iiune l.iaf- 
(133» 1Sm3i, wird 1343 
aech«*ehnl«r Graf von Savoyen. 



Amadeus VII.. der «Hott» Graf' 
il3öü-i:r.»li. wird 
»iebroholor (Iraf von Paviyeu. 



Amadeus VIII. 

(13S3-I151I. wild 13-.H 
•ohUvhnler Oraf von «avovwn. 
1416 Herzog, 
Itt) l'ap-t (Kein V.t. 

I 

Ludwig I. 

<l4ltf IKAt, 
»ird II« Herzog von Savoyen 



Amadeus IX. 

1 1435-1 tTfi, 
wird ItOü zwanzigster Hering von Savoyen 



Philipp II. 

M13S. 110*i. 

wird lt«i vierundiwanzltfiiter Herauf von Savoven. 

i 



Phiijbert I. 

<I1<>5-H**I, 
wird 1 472 einund- 
zwanaigsler Herzog 
von Savoyen. 



hAW. I. 
fttr*-ltN9i. 
wird 11*2 iweiundzwanng-ier 
Herzug voo Savoyen. 



Kaki. II. 

IIPMllff.L 

wird 11S9 dremndjwaimgster 
Herzog von Savovan. 



PHIl-IBERT II. 

wird I W7 fcinlund- 
zwnnztgsler Herzog 
voo Savu\m. 



Kahl III. 
.lWMöMt. wird 1501 seel 
iwaorigstrr Herzog von S«vov< 
Verliert 1536 dl« Waadt " 



hMMANI I I PhiIHIERT 
I15t*-15«>:.. wird 1553 .iehemitid- 
zwanzigster Herzog von Savoyen. 



Katii. Emmanuel I. 
(I>;j-l'.3üi. wird 15NJ arblund- 
Zwaiizigsler Herzog von Savoven 
l/nter »einer Herrschaft findet IW 
die «.>g K-<*«l».le von Gcof »Uli 



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345 



»tcn Bürger einzuholen. Solche « Rite » findet man Nhofl 
zu Knill- des 1*2. Jahrhunderts in Basel, sowie zu Beginn 
und im Verlaufe des 13. Jahrhunderts in Zürich und 
Solothurn. Im allgemeinen gehen die Städte der 
französischen Schweiz in der Erreichung ähnlicher 
Vorrechte denen der deutschen Schweiz zeitlich 
voran. Die Organisation der Bäte vollzog sich in den 
einzelnen Städten auf sehr verschiedene Art. So sieht 
man im 13. Jahrhundert in Bern im • Rat der Zwei- 
hundert • neben den weltlichen Ratsherren auch 
geistliche sitzen und daneben noch einen i Kleinen 
Hat der Sechszehn » amlen. In Zürich war die Bats- 
herrenwürde den Handwerkern zunächst versagt, 
während sich umgekehrt in Basel der Bat im Jahr 
1274 Ulis dem Bürgermeister, vier Rittern, acht Pa- 
triziern und 15 Handwerkern. al* Vertretein der 
Zünfte, zusammensetzte. In Bern, Freiburg und 
Lausanne treffen wir ausserdem noch sog. Panner- 
herrn (franzos. bannerets), die in Kriegs/eilen, daa 
Panner in der Hand, an der Spitze der waffenfähigen 
Mannschaft ihres Quartiers ausrückten MUH 
Der in der Stadt sich ansiedelnde Bauer gab seinen 
landwirtschaftlichen Beruf nicht immer auf. Die 
Madtbürger besassen , wie dies in unsern Land- 
städtchen noch heute der Kall ist, ausserhalb der 
Mauern ihrer Stadt Aeeker, Wiesen. Wald und Beben 
und hielten sich ihr Vieh in der Stadt selbst. Bann 
kamen allmählig aber andere Beschäftigungen und 
Krwerbszweige auf, die die I-andwirtschaft in den 
Schalten stellten. Ks blühte Handel und Verkehr, 
sowie auch einige industrielle Tätigkeit auf. Einen 
guten Huf erwarben sich die Tuchwebereien von 
St. Gallen, die Woll- und Seidenindustrie in Zürich, 
die Gewebe von Bern und Freiburs. die Gerbereien von 
Basel. Genf entwickelte sich zur Niederlage der Speze- 
reieu des Orientes und der Südfrüchte. In den Händen 
von jüdischen, lombardischen oder franzosischen i Gabors 
daher « eahorsiena * genannt) Bankiers, die unter dein 
Schutz des Kaisers standen, welchem sie Abgaben zu ent- 
richten hatten, beginnt sich der Geldverkehr zu entwik- 



Der beginnende Wohlsland fand seinen Ausdruck in 
der Bauart, l'rsprünglich bestanden selbst in den Städten 




Fr i ad 
Mai 




Turm von l,a BAttaz bei Martijfny, au» der Zeil PoUm II. vun 
Snvoven «lammend. u.andi'<imi«eiMii Ztmcbl. 

kein. Die Handwerker schlössen sich zu eigenen Korpo- 
rationen. Zünften (franzos. ahbayes oder confreries) ge- 
nannt, zusammen. 



rieb II. verleiht der Stadt Bern die Reichafreibelt 'Frankfurt ani 
n 1X1S). (Aua Konrad Ju*tin|rera Chronik. Landaablbliolbek Bern). 

fast sämtliche Häuser aus Holz und einem einzigen Stock- 
werk. Nachdem dann in Bern, Baael, Zürich, Lausanne 
etc. häullge und verheerende Peuersbrünste ganze Gassen 
und Quartiere zeratört hatten, begannen im 13. Jahrhun- 
dert einige Bürger, sich Wohnhauser aus Stein zu er- 
bauen, doch wurde die Sitte der steinernen Häuser erst 
im folgenden Jahrhundert allgemein. Ilie Wohnungen der 
Burger waren weder geräumig noch bequem, und in die 
niedrigen und engen Gemacher drang durch kleine, mit 
Tuch verschlossene Fensteröffnungen nur notdürftiges 
Licht herein. Die armselige innere Ausstattung zeigte 
sich dem Uebrigen ebenbürtig und bestand in der Haupt- 
sache aus einem langen Tisch, einer an der Wand befes- 
tigten Bank, einigen Scheinein und einem Kleiderschrank. 
Der Luxus, eigentliche Betten zu haben, war unbekannt : 
die guten Bürger des 13. Jahrhunderts legten sich zum 
Schlaf auf eine Schafhaut oder einen rohen Strohsack, 
die am Boden ausgebreitet wurden. Aus diesen Angaben 
lässt sich schlieHsen, dass damals auch auf die Toilette 
keine überflüssige Zeit zu verschwenden gepflegt wurde. 

Die Kleidung der Männer bestand aus einein durch 
einen Gürtel festgehaltenen und auf der Brust durch eine 
Sicherheitsnadel geschlossenen langen Bock, dessen Stofl' 
bei Personen von Stand feiner und dessen Aermel in 
diesem Falle mit Stickereien und Aufschlägen verziert 
waren. Mantel und Hut vervollständigten den Anzug der 
Adeligen und der reichen Bürger. Im Kampf trug der 
Ritter Panzer, Schild und Lanze. Das Fussvolk war 
mit Streitaxt oder kurzem Schwert bewehrt. Die Eid- 
genossen der Urschweiz zeigten ausgesprochene Vorliebe 
für den keulenartigen Morgenstern und die Hellebarde, 
ein in einer Spitze endigendes scharfes Beil an langem 
Spiess. 

Im 12. Jahrhundert kam die Sitte der Geschlechtsnamen 
auf. und zwar zunächst in den Städten. Die ersten Namen 
dieser Art Bind blosse Taufnamen, die sich zu Geschlechts- 
namen umwandelten, dann auch Ausdrücke, die sich auf 
körperliche Eigenschaften oder den Beruf der ersten Tra- 
ger. so wie auf H.-iuser. Tiere, Pflanzen oder Herkunft be- 
zogen- Die Partikel «von*, die einem Orts- «Hier Her- 
kunftsnamen vorgesetzt wird, zeigt nicht, wie man noch 
oft glaubt, mit Notwendigkeit den Adel an. sondern er- 
scheint oft bloss als ein Zugeständnis an ein Vorurteil, 
das in unserer Zeit viele eitle Menschen dazu bewogen 
hat, den Anfang des Namens ihrer Ahnen in die Adcla- 
parlikel umzuwandeln. 

9. Dil' Kiburyer, Savotfcr und Hahttnirger. Die von 
den Zäringern erworbene Macht war nach dem Erloschen 



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dieses Geschlechtes an das Reich zurückgefallen. Damit 
wurden die adeligen Geschlechter, die bisher dem Rekto- 
rat von Burgund unterstanden hatten, tatsachlich Frei, so 
ii. a. die Grafen von Thierstein Solothiirni. von Buchegg 
i Aargau i, Neuenburg, Kiburg und Greierz. die Herren von 
Grandson etc. Zürich ward nun freie Reichsstadt. Auch 
diejenigen Städte, über welche die Zaringer als Vogte 
und Rektoren geherrscht, wie Bern. Solothurn, Laupen, 
Murten n. s. w., hetrachtetHn sich nun als reichsfrei und 
bloss dein regierenden Kaiser Untertan, dessen Oberhoheit 
jedoch »einer grossen Kntfernung wegen wenig lästig er- 
schien Die mächtigsten Geschlechter jener Zeit waren 
die Grafen von Savoyen einerseiU and diejenigen von Ki- 
burg und Hamburg andrerseits. Diese Verteilung des 
Einflusses sollte nun das romanische Gebiet neuerdings 



von neuem aus und wurde auf der einen Seile von Kaiser 
Friedrich II. und auf der andern von den Päpsten Gre- 
gor IX. und Innozenz IV. mit ausserordentlicher Heftig- 
keit gefuhrt. Im Schatten dieser Streitigkeiten blühte die 
Freiheit und Unabhängigkeit der schweizerischen Ge- 
meinden auf: Zürich, Rern, Sulothurn, Schallhausen und 
Murten wurden reichsfreie Städte, und L'ri und Sehwyz 
erwirkten sich kaiserliche Freiheitshricfe. Im Westen der 
Schwei/ erwarb daB Haus Savoyen Cliilluo, Moudon und 
Romont. Graf Thomas von Savoyen, der im Jahr 12X1 
starb, hinterließ acht Sohne und drei Töchter. In seine 
Erbschaft teilten sich drei der Sohne: Amadeus IV. er- 
hielt Savoven im engern Sinne. Thomas II. die Graf- 
schaften Maurienne und I'iemont, Aymo das Chablais 
und Moudon. Die übrigen waren Onlensgeistliche gewor- 



STAMMTAFül. DKR HABSBURGER. 



erbt 



Ai.rrkciit Hl., der « Reiche ». 
117* .Ii.- Be»i1itiiiig#n der l.enxhurger 
im .\«rg«u. I'oterwaldou clo. 

Rroi.i.f der «Alte, 
t I232. 



Al.RlUXIIT IV. t IS«, 
(leinahlm. Hedwig von Kiburg 



Rt r>oi-K. 

I181S-1JEH» 
IS73 «um König gewählt. 



Rt I nii I- | 



I249 

UegrQndrr der Limo 
Hahnburgl-aufeDburg. 



Al.RRKCIIT 

il-Jls-ljas,, 
llenog von o e »|''rreich. 
I2»s zum König gewählt. 



Rinoi.K. 



I.KOl'Oi n der «Glorreiche 1 

lUSTJ-UWOi. 
wird »ni Morgarten geschlagen. 



Fnir.nRiui der Schöne « 
.I*^;-I330t. 
wird m* /um K*i««r gewühlt. 



Alrreciit II., der . Weise". 
rl«K-i3>.. 
Herzog von «►»»Irnoich- 



ALllKECHT III. 7 i:»T). 
wird bei Nutet» ge.chl.grn. 



Leopold III. 
{tar.t-i:w»ii. 

Wnd b«i Scinuach g«»chl»geu 
und ift'total. 
Stammvater dei regierenden 
aaterreicbuchen Ka iterbtusrs. 



für eine Zeit lang vom alemannischen Helvetien trennen. 

Die Erbgüter Rerlholds V. von Zäringen fielen an seine 
beiden Schwestern, von denen die allere, Agnes, den 
Grafen Egon von Urach 1 Stammvater der Fürsten von 
Fürstenberg) und die jüngere. Anna, den Grafen Ulrich 
von Kiburg geheiratet hatte. Die von Urach erhielten die 
Burg Zäringen und die davon abhängigen Güter im Breis- 
gau, die Kiburger dagegen alle Guter, welche die Zarin- 
ger im transjuranischen Burgund und im Thurgau be- 
sessen hatten. Graf Ulrich von Kiburg schloss als kluger 
Mann Freundschaft mit dem Hause Savoyen. Kr hatte 
zwei Sohne und eine Tochter. Der ältere Sohn, Werner, 
begleitete den Kaiser Friedrich II. auf seinem Kreiu/ug 
und starb vor Akko an der Pest, während der jüngere 
Sohn, Hartmann )« der ältere » genannt), "Margaretha von 
Savoyen, die Tochter des Grafen Thomas, heiratete. Die 
Tochter, Dellwig, vermählte sich mit dem Grafen Albrecht 
von Habsburg und ward die Mutter Rudolfs von Habsburg. 

Der alte Streit zwischen Kaisertum und Papsttum brach 



1 den. Der eine derselben. Peter (1203-1263), wurde aber 
I seines geistlichen Gewandes bald überdrüssig und gewann 
! sich eine eigene Herrschaft, indem er sich mit Agnes, der 
I Tochter des Herrn von Faucignv. verheiratete, die ihm 
das ganze Thal der Arve mit in die Ehe brachte. Vereint 
mit seinem Bruder Aymo erwarb er dann das Thal von 
Aosta und, nach dessen Tod H237i. auch die Landschaft 
Chablais und Moudon. Dieser Graf Peter II. war einer 
der hervorragendsten Manner derer von Savoyen. Er war 
von imponierendem, hohem Korperbau. - Man schildert 
ihn uns stolz, kühn und furchtbar wie ein Lowe. Weise, 
klug, leutselig, reich an glücklichen Einfällen und feinen, 
einnehmenden Worten, die von der Lebendigkeit seines 
Geistes und dem Adel seiner Seele zeugten, gewann er 
alsotmld Aller Herzen. Er verband mit den ritterlichen 
I Tugenden den Scharfblick eines Feldherrn und eines 
Staatsmannes. * Das romanische Land war ihm für seinen 
unbändigen Ehrgeiz zu klein. Nachdem seine Nichte Leo- 
nore den Konig Heinrich III. von England geheiratet, be- 



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S47 



gleitete er sie nach London, folgte seinem königlichen 
Neffen in den Krieg und ward dessen einllussreicher Rat- 
geber. Als Entgelt für seine Dienste überhäufte ihn der 
König mit Khren und Reichtümern. Kiese Frfolge liessen 
ihn aber das Welschland nicht vergessen, wo er mit eng- 
lischem Gold durch eine Reihe von Erwerbungen seine 
Güter vermehrte. Mehrere in Schulden geratene Herren, 
wie z. Ii. der Graf von Greierz. sowie die Barone von Rue, 
l-a Tour de Peilz, Cossonay. Iiiens. Oron etc.. sowie etwa 
/wanzig der ersten Geschlechter des Landes anerkannten 
seine Oberhoheit. Durch Geld erwarb er sich ferner die 
Städte Vevey und Oron. Den im VYaadlland herrschenden 
anarchischen Zustanden machte er ein Ende und er- 
setzte sie durch eine atralTe Ordnung, indem er seine 
Länder mit weisen Gesetzen bedachte, die ihm von der 
dankbaren Nachwelt den Titel des ■ kleinen Karls des 
Grossen (Petit Charlemaj;ne> " eingetragen haben. 1*263 
erbte Peter von seinem Neffen Bonifa/ die Krone von Sa- 
voyen. Nun organisierte er die Herrschaften des Waadt- 
landes, an deren Spitze er einen in Moudon residierenden 
Vogt stellte. Nach Ouisard wäre von ihm im Jahr 1244 
die waadtland ische .Standeversammlung geschaffen wor- 
den. In jenem 13. Jahrhundert sahen sich die Gemeinden 
■ les Waadllandes in einer hervonagend günstigen Lage, 
indem sie von Reter von Savoyen und seinen Nachfolgern 
ohne Kampf das Recht der eigenen Gerichtsbarkeit er- 
hielten. Jedes zivil- oder strafrechtlich!- I'rieil musste ge- 
mäss den Wünschen der Rürgerschafl gefällt und kein 
Rewohner des WaadtlandeH durfte vor ein fremdes Ge- 
richt gestellt werden. Damit sah sich deren personliche 
Freiheit gegen jeden l'ebergritT unantastbar sicher ge- 
stellt. Die Gesel/.i- Peters von Savoyen zeichneten sich 
ausserdem durch wohlwollende Rücksichtnahme auf die 
Armen und Schwachen, Witwen, Waisen und l.andes- 
fremden aus. 

Gleichzeitig mit dem Hause Savoyen dehnte auch das 
Haus Kiburg Beine Macht aus. Im Jahr 1*255 stellte sich 
die Stadt Hern, die sich über den Grafen von Kiburg zu 
beklagen hatte, unter den Schutz Peters von Savou-n. 
Nun trat eine andere kraftvolle Personlichkeil auf den 
Schauplatz: Rudolf von Habsburg, der gefährliche Neben- 
buhler des Grafen Peter. Wenige Geschlechter vermögen 
sich eines so glänzenden Erfolges zu rühmen wie die 
Habsburger, dieses seinem l'rsprung nach so bescheidene 
aargauische Herrenhaus. Von ihrer Stammburg bei 



ober Oesterreich. Rohmen, Ungarn, die Niederlande. 
Spanien. NordiLalien und Südamerika aus. 





Oauversaminluofr unter dem Yortitz« dci Grafen von Kiburg 
iRurgorbibliolhek l.uiero). 

Sellin/nach aus dehnten ihre Nachkommen durch eine 
Reihe von Eroberungen und Erbschaften ihre Herrschaft 
nach und nach über den grössten Teil der Schweiz, sowie 



Siegel Hudolfa von llahaburi? (laiiile»inii>eum Zürich». 

Rudolf der alte, der erste in der Geschichte bekannte 
Habsburger, war ein treuer Anhänger des Kaisers Fried- 
rich II. Nach seinem Tod teilten sich seine Sohne Albrecht 
und Rudolf in die Erbschaft. Die beiden Linien des Hau- 
ses wendeten sich politisch nach getrennten Richtungen. 
Die ältere, später österreichische Linie, blieb, der Ueber- 
lieferung getreu, staulisch, d. h. »reichslreu». während 
die lungere, das sog. Haus Habsburg- Laufenburg zu den 
Weifen und dem Papst hielt. Sie sank aber bald von 
ihrer Hohe herab und gab dem zweiten Geschlecht derer 
von Kiburg. das wir später in der Geschichte Berns noch 
antreffen werden, den Ursprung. Albrecht von Habsburg, 
der Hedwig von Kiburg geheiratet hatte, starb 1239 in 
Palästina. Sein berühmter Sohn Rudolt 
(geboren 1*218) erbte nun sämtliche Ea- 
milienguter der Kiburger. Als nahezu 
einziger aller Herren von Obenschwaben 
erklärte sich Rudol f zugunsten der Hohen- 
staufen. Gemeinsame Sache machten mit 
ihm hierbei Zürich. Bern. Luzern. Solo- 
thurn. S' hallhausen, L'ri. Schwyz und 
l'nterwalden, während die Geistlichkeit 
von Konstanz, Lausanne und Sitten, die 
Aebte von St. Gallen und Reichenau, so- 
wie der grossle Teil des schweizerischen 
Adels zum Papste hielten. Der Mut und 
die Festigkeit, die Rudolf in dieser kri- 
tischen Zeit entfaltete, werfen ein güns- 
tiges Licht auf seinen Charakter. Auch 
als er sich zusammen mit den schweize- 
rischen Städten von dem gegen Fried- 
rich II. und seine Anhänger ergangenen 
päpstlichen Interdikt (1247-1249) ge- 
troffen und wegen eines nächtlichen 
l'eberfalles auf ein Frauenkloster in 
Hasel 1254 persönlich exkommuniziert 
sah, Hess er sich nicht entmutigen. 12137 
begleitete er sogar den letzten Sprössling 
der Hohenstaufen, den im folgenden 
Jahre durch Karl von Anjou auf dem 
SchalTot endigenden Konradin, bis nach 
Verona. Diese feste Haltung trug viel 
dam bei, Ruitnlf von Habsburg bei den 
l,and- und Stadtgemeinden Oberdeutsch- 
lands beliebt zu machen. Neben der 
Treue, die er seinen Verbündeten hielt, zeigte sich aber der 
künftige Kaiser sehr habgierig und begehrlich. Als er nach 
dem Tode seines Vetters Hartmann des Jüngern (7 1263 1 



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zum Vormund von dessen einzigem Sprossliog, Anna von 
Kiburg, bestellt worden war. verheiratete er seine Mündel 
mit seinem Vetler Eberhard von Habsburg-Laufenburg und 
überredete sie, ihm selbst ihre Güter in den heutigen Kan- 
tonen Aargau, Zug, Luzern und Unterwaiden, sowie ihre 
Rechte auf Freiburg zu verkaufen. Später lies» er sich I 
von Eberhard, dem Liruder Gottfrieds, auch noch Sem- 
pach, Willisau, Unlerwalden und Schwyz abtreten. • In 
unersättlichem Streben nach Macht und Besitz setzte 
Rudolf alle Rücksichten, alle Pllichten der Verwandt- 
schalt und Hollichkeit ausser Acht •. So beraubte er u. a. 
auch Margaretha von Savoyen, die Witwe des letzten Ki- 
burgers. ihrer als Wittum von ihrem verstorbenen Ge- 
mahl erhaltenen Güter. Daraus ergab sich eine Fehde mit 
dem «kleinen Karl dem Grossen», die damit endigte, daas 
Rudolf seiner Tante die abgelisteten Güter wieder heraus- 
geben musste (12B7|. Während dieses Feldzuge« zeigten 
sich die Hemer, obwohl sie anfallen Seiten von den Par- 
teigangern Rudolfs umgeben waren, als unerschütterliche 
Bundesgenossen Peters II., weshalb sie dieser aus Dank- 
barkeit aller ihrer Vasallenpdichten gegen das Haus ; 
Savoyen enthob. 

Der o kleine Karl der Grosse » überlebte aber seinen 
Sieg nicht lange, indem er, durch rastlose Tätigkeit auf- '■ 
gerieben, schon P268 starb. Kr hatte, wie später Karl der • 
Kühne, darnach getrachtet, zwischen Deutschland. Italien j 
und Frankreich eine eigene Monarchie zu errichten, die > 
eine grosse Rolle zu spielen berufen gewesen wäre. «Allein . 
er hatte nicht genug gelebt, um die Elemente, die er ein- 
ander genähert, ganz zu verschmelzen. Freiburg war 
habsburgisch. Bern dagegen, dank der Heldenkraft seiner j 
Bürger, unabhängig geblieben. Die Bischöfe waren nicht | 
zum Gehorsam gebracht worden. Peter hatte in den letz- 
ten dringenden Gefahren auf die Stellung, die er zuvor in 
Genf eingenommen, wieder verzichten müssen. Die Land- 
schaft, die um den Leman sich auabreitet, das Vaterland 
der Waadt, war freilich grösstenteils in e i n e n Staalskör- 
per vereinigt, aber getrennt von Lausanne, seinem natürli- 
chen Mittelpunkte ; in zwei Staataformen. eine kirchliche 
und eine weltliche, zerteilt, stand sie bald in ihrer 
Entwicklung stille und sank am Ende in die Anarchie zu- 
rück, aus welcher die Hand Peters sie hatte herausreissen 
wollen ». Die Nachfolger Peters, die Grafen Philipp und 
Amadäus V., waren nicht geeignet, sein Werk zu voll- 
enden, und die Zersplitterung, welche in der Westschweiz 
erfolgte, bereitete den allmähligen Lebergang der romani- 
schen Linder an die schweizerische Eidgenossenschaft 
vor. «Gleichwie das Ausslerben der Zäringer, so ist also 
das Stocken und der schliessliche Zerfall der savoyischen 
Macht eine der Grundbedingungen zur Entstehung der 
heutigen freien Schwei/.» 

Mit mehr Glück kämpfte Rudolf von Habsburg, der sich 
nun von seinen savoyischen Gegnern erlost sah, in der 
Ostschweiz. Hier machte er zunächst die Rechte geltend, 
die er al« Erbe der Kiburger auf den Zürichgau hatte. I 
Um die Sicherheit der Strassen, die vom Elsass her über ' 
Zürich, die «chwyzerische March und Gaster nach Grau- 
bünden und der Lombardei führten, zu schützen, belagerte 
er im Verein mit den Zürchem die Schlosser der Grafen 
von Toggenburg und der Freiherren von Hegensberg, die 
er sich Untertan machte. In einen langwierigen Kampf 
verwickelte er sich ferner mit dem Rischof von Basel, der 
Ansprüche auf den Besitz von Breisach und Rheinfelden 
erhoben halle. Während Rudolf im Sommer 1*273 Hasel 
belagerte, kam die Kunde, dass er zum Konig gewählt 
worden sei. Sofort seh los s er nun mit dem Bischof einen 
Waffenstillstand, um nach Aachen zur Krönung ('24. Ok- 
tober 1273> zu eilen. Die neue Würde Hess ihn zugäng- 
licher werden, sodass er nun die Rechte des Bischöfe«, 
mit Vorbehalt von Brcisach und Rheinfelden, anerkannte. 
Der Aufstieg dieses aargauischen Edelmannes zur Konigs- 
und Kaiserwürde bezeichnet einen neuen Markstein in 
der Geschichte der schweizerischen Nation. 

II IlFJinisr.HKS Zf.ITaI.TKR /. Vortpii'l >ler HrfWiutig 
der Wahttlütto. Jetler der drei jetzigen I rkantone weist 
einen ihm eigentümlichen Ursprung auf. Der Name Uri 
wird in der Geschichte zum erstenmal im 8. Jahrhundert, 
d. h. im Jahr "32 erwähnt. Ein Jahrhundert später vergabt« 
Ludwig der Deutsche das Thal Uri dem Kloster St. Felix 
und Regula < Fraumunslerablei) in Zürich. Diese Schen- 



kung umfasste aber nicht das ganze Land, da man im 
13. Jahrhundert unter den Großgrundbesitzern im Reuss- 
thal auch noch das Stift Beromunster. die Abtei Wettin- 
gen und andere geistliche Stifte, sowie die Grafen von 
Rapperawii und die Herren von Belp. Hasenburg, Grünen- 
berg, Homburg. Utzigen und besonders diejenigen von 
Attinghausen antrifft. Mitten unter diesen geistlichen 
und welllichen Herren halten sich auf ihren eigenen Gu- 
tern auch noch einfache freie Leute zu erhallen gewusst. 
Die Güter der Aebtissin vom Fraumünster in Zürich 
wurden >on vier Meiern verwaltet, die auf ihren Burgen 
in Altorf, Rürglen. Erstfeld und Silenen sassen. Die 
Meier von Silenen führten in ihrem Wappen einen Stier- 
kopf mit Nasenring, der in der Folge zum Landeawappen 
von Uri wurde. Mit der Zeit verstand es der Reichsvogt, 
seine Machtbefugnisse auf Kosten derjenigen der Meier 
auszudehnen. Die Zürcher « Gotteshausleule » erfreuten 
sich einer Reihe von Vorrechten, die sonst nur den 
Freien zuzustehen pflegten. Auch die Lage der Wetiin- 
ger « Gotteahausleute .. war eine wesentlich günstigere, 
als diejenige der Hörigen und Leibeigenen der weltlichen 
Herren. Im 13. Jahrhundert erwarben sich dann auch 
noch die Klöster Rathausen bei Luzern, Kappel. Muri 
und St. Urban Güter im Lande Uri. E i n Band umschlang 
aber alle die nach ihren sozialen und politischen Ver- 
hältnissen sonst so sehr verschiedenen Bewohner des 
lande« : ihr gemeinsamer Besitz von Wald und Alp wei- 
den. Sämtliche Thalleute, Edle und Gemeine, freie Män- 
ner, Hörige und Leibeigene, versammelten sich in regel- 
mässigen Zeiträumen, um über ihre gemeinsamen In- 
teressen zu ratschlagen. Aus dieser einheitlichen Mark- 
genossenschaft entwickelte sich mit der Zeit auch die po- 
litische Einheit und Freiheit. • Dies ist die Wurzel der 
sozialen Freiheiten von Uri. und darin liegt zum Teil die 
grosse Bedeutung, welche Ludwig« de« Deutschen Schen- 
kung für die Schweizerfreiheil hat.» 

Wie die Fraumünsterablei selbst waren auch ihre Gü- 
ter der Gerichtsbarkeit der Gaugrafen entzogen und di- 
rekt unter den Schutz de« Reiche« gestellt. Der Reichs- 
vogt kam alljährlich zweimal in« Land, um unter der 
Linde zu Altorl Gericht zu halten. Diese Reichsvogtei 
lag zunächst in den Händen der Lenzburger und kam 
dann an die Zäringer, um nach deren Erlöschen von Kai- 
ser Friedrich IL seinem getreuen Anhänger Rudolf von 
Haltsburg verliehen zu werden. Da dieser von den Lenz- 
burgern den Zürichgau geerbt hatte, liefen die freien 
Leute in Uri Gefahr, als einfache Untertanen de« Hauses 
Habsburg angesehen und behandelt zü werden. 

Das Land Schwyz erscheint geschichtlich zum erstenmal 
in einer Urkunde vom '29. August 972. mit welcher Kaiser 
Otto II. dem Kloster Einsiedeln die diesem von seinem 
Vater. Otto I., gemachten Schenkungen bestätigte, unter 
welchen sich auch Güter in » Suittes » im Zürichgau be- 
fanden. Im Lande Schwyz wohnten zahlreiche freie Leute 
mit eigenem Grundbesitz, die in sozialer Hinsicht völlig 
unabhängig waren und in politischer Beziehung einzig 
den Gaugrafen von Zürich als ihren Oberherrn aner- 
kannten. Neben ihnen sassen im Land noch Lehensleute 
der Klöster Einsiedeln, Schännis. Heromünster. Muri. 
Engelberg und Kappel, sowie der Grafen von Lenzburg 
und ihrer Erben, der Habsburger. 

Alle Leute von Schwyz bildeten, wie die Urner, eine 
Markgenossenschaft und waren sich ihrer bevorzugten 
Stellung wohl bewusst. wie sie denn auch ihre Rechte 
mit zäher Ausdauer zu verleidigen bereit waren. Dies 
zeigt sich in besonder« aullallender Weise in ihrem über 
hundert Jahre dauernden Marchenstreil mit dem Kloster 
Einsiedeln. 

Weniger günBtig als in Uri und Schwyz war die poli- 
tische und soziale Lage von Unterwaiden, das damals wie 
heule durch einen wasserseheidenden nordlichen Ausläufer 
des Titlis, an den sich der . Kernwald » lehnt, in zwei 
Teile getrennt wurde : da« östliche Nidwaiden mit Stans 
und das westliche Obwalden mit Samen. - Dieses frucht- 
l.are Gebiet war früh stark angebaut : e« gab da «ehr viele 
Höfe mit reichen Erträgnissen, und nirgendwo im Alpen- 
gebiet war der Hoden so sehr zerstückelt wie hier ». 
Grundherrn waren die Klöster Luzern- Murbach, Rero- 
münster. Muri und Engelberg. sowie die Grafen von 
Habsburg. Daneben gab es aber auch freie Leute, die be- 



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sonders um Samen und Slans lebten, aber weniger zahl- 
reich waren als in Schwyz. Endlich fand sich, wie in 
Uri. ebenfalls ein einheimischer Adel, wie die Hilter von 
Samen, Buoch*, von Aa. Winkelried. Wolfenschiessen, 
Wallersberg etc. Es fehlte jedoch in l'nterwalden ein ge- 
meinsames Rand, das. ähnlich den Markgenossenschaften 
in Uri und Schwyz, alle diese sozial verschiedenen Stände 
zusammengehalten hätte. Politisch gehörte Unterwaiden 
tum Zürichgau und damit unter die Hoheit der Habs- 



| briefes vom I. August 1*291 Nidwaiden und Übwalden als 
Teile einer einzigen grossen Markgenossenschaft erschei- 
nen, die bereits ein eigenes Siegel mit der Umschrift 
Uttivenit€U hominuni de Plannet et ralHs $uperinri* 
führte. 

Die Bewohner der Waldstalle waren ursprünglich ein- 
zig darauf bedacht, ihre Hechle zu wahren. Später frei- 
lich, nachdem der Kampf einmal entbrannt war. dachten 
l auch sie an eine weitergehende Emanzipation, die sie 



Vw pur» tfenfti r w! fh»'»lwf^M^'l)fiT»l^ TwHf< fj>*»m*f V.ÜvS An ruf V~iCr-f T 



^ T äi.K Vw^^jJ»«^ V5^«»»W(IU wWVk««f »fera* ^^~"(U^"^«V»^"vr7vit^w< > Jfc, 



I 






Kundesbrief zwischen Schwyz, l'ri und l'nterwalden vom 1. August UM. (Plkshull« de« «ehwei*. Slaatiarelilve* nach dem im 

Archiv zu Schwyz aufbewahrten Original). 



hurger. genoss aber das Privilegium der Reichsvogtei, wie 
es Uri hatte, nicht. Es fehlte mm zudem das « Selbstbc- 
wiisslsein, mit dem die freien Männer von Schwyz auf- 
treten konnten •. In einem päpstlichen Hrief vom 24. Au- 
gust 1247 wird erwähnt, das» sich die Leute von Samen zu- 
gleich mit den Schwvzern gegen den Grafen von Habsburg 
erhoben hätten. Der Ursprung der Markgenossenschaft von 
Unterwaiden ist noch in Dunkel gehüllt. Es lässt sich zur 
Zeit einzig feststellen, dass die Verbindung der Kirch- 
spiele von Stans und Huochs vor 1261 stattgefunden haben 
muss, da sie in einem aus diesem Jahr datierten Hrief 
des Propstes von Luzern bereits erwähnt wird. Die Ver- 
einigung der sechs Pfarreien Obwaldens datiert dagegen 
aus der Zeit vor 1291. indem beim Abschluss des Hundes- 



auf durchaus rechtmässigem Weg durch Anrufen des kai- 
serlichen Schutzes zu erlangen suchten. Diesen Weg 
beschritten zuerst die Urner. Durch eine Urkunde vom 
26. Mai 12,'H bestimmte König Heinrich, der damals für 
seinen in Italien kämpfenden Vater Friedrich II. die Re- 
gentschaft führte, folgendes: « Es ist unser Wunsch» — 
schreibt Heinrich «seinen Getreuen, allen Mannern des 
Thaies Uri • — , «allezeit das zu tun. was zu Euerm Heile 
dient, und darum haben wir Euch aus dem Hcsitxe des 
Grafen Rudolf von Hnbsburg losgelöst und befreit, mit 
dem Versprechen, dass wir Luch nie wieder weder durch 
Lehenserteilung noch durch Verpfändung veräussern wer- 
den, sondern Euch stets zu unseren und des Reiches 
Diensten gebrauchen und Euch schirmen werden. » Zu 



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dieser Urkunde sagt Dändliker : «Das isl die Gcburts- 
alunde der Urner Fi-eiheit und damit der Schweizerfrei- 
heit überhaupt. Dies ist der erste der so denkwürdigen 
Schweizer Freiheilsbriefe, die erste staatsrechtliche An- 
erkennung einer Ausnahmestellung von Leuten in der 
• Urschweiz ». Gerade zu jener Zeit begann der Verkehr, 
sich des Weges über den Gotthard zu bedienen, wobei 
der Kaiser ein offenkundiges Interesse halle, einen so 
wichtigen Alpenübergang unter seiner unmittelbaren 
Oberhoheit zu haben und in den Hunden von Leuten zu 
wissen, die ihm treu und ergeben waren. Als Friedrich II. 
zehn Jahre später in der Lombardei gegen den Papst 
kämpfte, war e« ihm für seine Verbindungen mit Bculsch- 
land von höchster Wichtigkeit, dass nicht nur der Gotthard 
und das Land I ii. sondern auch die weiteren Zulange 
zum Gotthard Deichsgebiet seien. Als daher Graf Rudolf 
von Ilabsburg-Laufenburg für den heiligen Stuhl Partei 
crgrilL benutzten die Schwyzer die Gelegenheit, um Boten 
nach Faenza. wo Friedrich* gerade weilte, zu senden und 
durch sie den Kaiser ihrer Treue zu versichern. In An- 
erkennung dieser treuen Gesinnung ubergab Friedrich 
den Boten im Dezember 1240 eine Urkunde, durch welche 
er die Schwyzer als freie Männer unter seinen und des 
Reiches Schutz nahm und ihnen versprach, dass sie zu 
keiner Zeit wieder der Herrschaft des Reiches entfremdet 
oder entzogen werden sollten. 

5?. Ufr etrigi' Hund von 1^01 . So hatten also die Leute 
der Waldslatte die Verwicklungen der Herrschaft Fried- 
richs II. geschickt dazu benutzt, ihre politische Lage zu 
verbessern. Auf Friedrich folgte sein Sohn Konrad. Wäh- 
rend des langen Interregnun s. der « kaiserlusen » Zeit, 
die nach dem Tod Konrads hereinbrach, wusste sich Graf 
Rudolf von Habsburg in der Schweiz eine mehr und mehr 
überwiegende Stellung zu sichern, üa es einen Reichs- 
vogt nicht mehr gab. erbaten sich die Zürcher auf Wunsch 
der Urncr seine Unterstützung, um die mittlerweile im 
Reussthal ausgebrochenen Unruhen und Kampfe zwischen 
zwei weitverzweigten Geschlechtern zu schlichten. Ru- 
dolf kam und stellte den Frieden im Thal wieder her 
(1-257-1258). 

Zur Königswünle gelangt, stellte sich Rudolf über den 
Streit zwischen Weifen und Ghibellinen und machte er 
mit der Kirche seinen Frieden. Des starken Rückhaltes 
dieser letztem sicher, zog er gegen König Otlokar von 
Böhmen, der sich der Provinzen Oesterreich. Steiermark 
und Kärnten bemächtigt hatte, zu Felde und schlug ihn 
am 26. August 1278 auf dem Marc Ii fehl bei Wien aufs 
Haupt, worauf er die genannten Herzogtümer seinen 
Söhnen verlieh und so den Schwerpunkt der politischen 
Macht der Habshurger an die Donau verlegte. Obwohl 
nun sein Haus zu einem der machtigsten des Reiches 
geworden, verlor er sein Geburtsland keineswegs aus den 
Augen, sondern suchte hier mit allen Mitteln, seine Güter 
zu mehren. Wahrend er seine Eroberungen meist mit 
Geld zu machen pflegte, sehen wir ihn doch im Jahr 1288 
die Stadt Rern belagern, die Savoven treu geblieben war. 
Dabei erlitten die Berner an der ächo&shaluc eine blutige 
Niederlage, wussten ihrer Stadt aber trotzdem die Rechte 
einer freien Reichsstadt zu wahren. Eine der wichtigsten 
F>werbungen Rudolfs war diejenige der Stadl Luzern, die 
ihm die Abtei Murbach im Elsass, deren Kastvogt er ge- 
wesen, abtrat. Ausserdem brachte er auch die Thäler von 
Glarus und Urseren. die die Wahlslatte einrahmten, in 
seinen Besitz. Durch den Ankauf aller Besitzungen des 
Klosters Murbach in Unterwaiden durch Rudoir 1291 kam 
dieses Land vollständig in die Pände Habsburgs. Da dem 
Land auch kein Freibrief erteilt worden, befanden sich 
die hier sitzenden Freien in einer misslichen Lage, die 
Anlass zu grosser Unzufriedenheit bot. Direkte Folge der 
Ausdehnung der habsburgischen Hausmacht waren für 
Stadt und Land schwere Steuerlasten und häutige Trup- 
penaufgebote. 

So lagen die Dinge, als Kaiser Rudolf am I.Y Juli 1*291 
in Speier starb, ohne seinem Sohn Albrecht die Nach- 
folge auf den Thron gesichert zu haben. Dies erwies 
aicli als ein für die Waldstätte glücklicher Umstand. 
Schon l'i Tage spater, d. h. am 1. August 1291, kamen 
die Vertreter von Uri. Sehwyz und Nidwaiden zusammen, 
um ihren um die Milte des Jahrhundert« geschlossenen 
Bund auf ewige Zeiten zu erneuern. Die neue Rundes- 



urkunde, in lateinischer Sprache abgefaßt, befindet sich 
heute noch im Archiv von Sehwyz und ist milden Siegeln 
von Uri und Untcrwalden versehen (dasjenige von Sehwyz 
fehlt!. In dieser Urkunde geloben die M. inner des Thaies 
Uri. der Markgenossenschaft des Thaies Sehwyz und der- 
jenigen von l'nlerwaldcn nid dem Wald folgendes: « In 
einer gefä' Hieben und schlimmen Zeit, wo man vor Be- 
schwerden und Beleidigungen, vor Gewall und Angriff 
nicht sicher ist. wollen wir uns und das unserige schir- 
men. Darum geloben wir uns in guten Treuen, uns mit 
Bai und Tat, mit Leib und Gut. nach I es lern Vermögen 
heimstellen und Hilfe zu leisU n innerhalb der Thäler und 
ausserhalb, gegen alle und jede, die uns Gewalt. Be- 
schwerde und Unrecht zufügen, einem Einzelnen oder 
einem ganzen Teil. Und darauf leisten wir uns ohne alle 
Gefährde einen feierlichen Eid, durch welchen wir die 
alte Vcrlragsurkunde erneuern. » Im Falle von Streitig- 
keilen unter den Eidgenossen selbst, «sollen sich die 
Weiseren ins Mittel legen und den Streit der Parteien 
schlichten : und welcher Teil den Schiedsspruch verwerfen 
sollte, wider den sollen sich alle Eidgenossen wenden. » 
Andere Bestimmungen der Urkunde beziehen sich auf die 
Bestrafung von Uebeltatern und den Vollzug zivilrecht- 
licher Urteile. Vorbehalten waren die Untertanenver- 
j hnltnissc und Pflichten der Einzelnen gegenüber ihrem 
. Oberherrn : « Jedermann soll nach dem Stande seiner 
) Person, wie es sich geziemt. Untertan sein und dienen. » 
Wo dieser ewige Bund unterzeichnet worden ist, weiss 
man nicht. Auch über die Namen der Vertreter der drei 
Waldstätte bei seinem Abschluss schweigt die Urkunde. 
Wenige Wochen später, am 16. Oktober 1291. schlössen 
Uri und Sehwyz ein Bündnis mit Zürich, bei welchem 
Anlass sich Uri durch seinen Landammann. den Meier 
Arnold von Silenen. und Schwvz durch seinen Landam- 
mann Konrad ab Iberg vertreten liessvn. Die Vertrags- 
parteien best-llten eine besondere Kommission, die in den 
Fällen, wo eine von ihnen einen Buf um Hilfe ergehen 
lassen sohle, sofort Beschluss zu fassen halle. Interessant 
ist der Nachweis, dass die Vorkämpfer für die Unab- 
hängigkeit und Freiheit den höhern Klassen des Volke« 
angehört zu haben scheinen, da einigen der Vertreter 
in der Urkunde der Ehrentitel • Herr • beigelegt wird. 

Der Inhalt des Btindesvertrages von 1291 zeigt, dass 
dessen Urheber erfahrene Leute waren. Dieser von den 
Bevollmächtigten der drei Urkantone abgeschlossene Bund 
blieb aller Wahrscheinlichkeit nach geheim, und es wurde 
ein grosser Teil der Landleute davon nicht in Kenntnis 
gesetzt. Die Eidgenossen waren aber keine Verschwörer, 
sie wollten bloss in dem Augenblicke, da die oberste Ge- 
walt ihren Träger wechseile, sich gegen Uebergriffe. 
denen sie sich ausgesetzt sahen, nach Möglichkeit sichern. 
Die Urkunde von 1291 war der Hauptsache nach konser- 
vativ. Dieses Vorgehen der Eidgenossen stand nun keines- 
wegs vereinzelt da, indem sich im selben Jahrhunderl 
auch andere Runde gebildet hatten, wie diejenigen der 
rheinischen Städte (1247 und 12ö5i, der norddeutschen 
Bürgerschaften ( Ilansa i und der schwäbischen Städte. 
Während aber diese für eine bestimmte Zeil abgeschlos- 
senen Städtebünde nicht zur Schaffung von eigenen 
Staatswesen führten, verfolgte der e w i g e Bund der Eid- 
genossen ein anderes Ziel, indem sich diese nicht bloss 
gegenseitige Hilfe gegen äussere F'einde zusicherten, son- 
dern auch gegen innern Zwist vorsahen und. um die 
Einmischung des Reiches zu verhindern, für den Kall 
xon solchen mnern Streitigkeiten ein eigenes Schieds- 
gericht aufstellten. Auch einige strafrechtliche Grund- 
besiimmungen sind in den Bund der Eidgenossen auf- 
genommen, wie das Verbot, sich selbst Hecht zu ver- 
schaffen, und die Zusicherung der Ahndung von Ver- 
brechen und Vergehen. 

3. hie Volks» ttfrlirfermigi'n ron Wilhi'ln» Toll und 
dem Schwur auf drvi Huih. Die Geschichtschreiber al- 
terer Zeil lassen den l'rsprung der Freiheit der Wald- 
statte auf Ereignisse zunickgehen, die »ich 17 Jahre später 
ereignet haben sollen, als diejenigen, die wir eben aus- 
einandergesetzt haben. Es erklärt sich dies daraus, dass 
die Bundesurkunde von 1291 lange Zeit im Archiv von 
Sehwyz verborgen gelegen hat. Erzählungen, die sich vom 
Vater auf den Sohn forterbten, gaben Anlass zur Bildung 
von poetischen Traditionen, die die Namen von Wilhelm 



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Teil, Walter Fürst, Slauffacher und Arnold von Melch- 
tlial, sowie denjenigen den Hütli, der grünen und ein- 
samen Wiese am Urner*ee. auf immer berühmt gemacht 
haben. 

Zu Knde des 15. Jahrhunderts, d. h. zu jener Zeit, da 
der Kriegsruhm der Eidgenossen ganz Europa erfüllte, 
gab es ums Jahr 1470 einen Sang, der den Ursprung der 
Eidgenossenschaft ausschliesslich dem Lande Uri und 
Wilhelm Teil zuschrieb. Aus der gleichen Zeit datiett 
auch ein anderer Itericht, in welchem Teil 's Tat in we- 
sentlich anderem Licht verherrlicht erscheint. Er ist das 
Werk eines unbekannten Chronisten, dessen -Manuskript 
sich in einem Urkundenbuche, dem sog. « weissen Buch » 
im Archiv zu Sarnen tindet, und erwähnt zum ersten- 
mal auch Walter Kürst. Arnold von Melchlhal und Werner 
Staullacher. In diesem Bericht werden eine Beihe von 
Anekdoten erzählt, die auf d. ig Vorgehen der österreichi- 
schen Vogte Gessler und I-andenberg ein übles Licht wer- 
fen Dabei vergleicht der Chronist die gute Zeit unter 
Budolf von Habsburg mit der harten Tyrannei der von 
Rudolfs Nachfolgern in« Land gesandten Vogte. Darnach 
vernahm z. B. der l.andenherg auf Sarnen, das* ein Be- 
wohner des Melchlhales einen » hübschen Zug mit Ochsen • 
hätte. Sogleich sandle er einen Knecht hin, d>r die Och- 
sen wegnehmen und den Bauern sagen sollte, sie mochten 
ihren Pllug selber ziehen. Der Sohn des Bauern wider- 
setzte sich aber dem Baub der Ochsen, verwundete den 
Knecht und entfloh der Bache des Vogtes. Ergrimmt Hess 
dieser den V;«ter blenden und seines ganzen Gutes be- 
rauben. — Dann versetzt uns der Chronist nach Altzellen, 
wo ein wackerer Mann lebte, dereine hübsche Frau hatte, 
i Und der nun da Herr war, der wollte die Frau haben, 
und «ante ihr das. Die Frau bat ihn, dass er sie unbe- 
kümmert Besse, sie wollte dies nie tun. Da kam der Herr 
nach Altzellen auf ihr Baus. Der Mann war « im Holz». 
Der Herr zwang die Frau, dass sie ihm ein Bad inusste 
inachen, und sprach, sie mussle mit ihm baden. Die 
Frau bat Gott, dass er sie vor Schanden behüte, und wei- 
gerte sich In dem kam der Mann und fragte die Frau, 
was sie bekümmerte. Sie erzählte alles. Der Mann wurde 
zornig, ging hinein und schlug den Herrn von Stund an 
mit der A*t zu Tod und erlöste die Frau vor Schande. » — 
Zur selben Zeit, liest man im • weissen Buch », war zu 
Schwyz ein gewisser Stautfucher, der sich ein hübsches 
steinernes Haus gebaut hatte. Als nun einmal der Land- 
vogt Gessler vorbeiritt, rief er dem Staullacher und fragte 
ihn hochmütig, wem das schone Haus gehöre. Die Art 
und der Ton der Frage beunruhigten den Stautracher. der 
sich auf den Bat seines Weibes mit seinen Freunden 
Fürst von Uli und Arnold von Melchlhal besprach. Jeder 
klagte dem andern seinen Kummer. Sie vereinigten sich 
mit andern Unzufriedenen und Bedrückten und kamen 
uberein. an einem einsamen Ort, dem Butli, im Gehei- 
men zu tagen. 

Nach Obwalden. Nid wählt n und Schwyz liefert nun 
auch Uri seinen Helden in der Person des Wilhelm Teil. 
Gessler, der I-andvogt von Uri. verordnete in einem An- 
fall von tyrannischer Laune, dass jedermann bei schwerer 
Busse einem auf einen Stecken aufgepflanzten Hut huldi- 
gen solle. « Nun war ein redlicher Mann, hiess der Teil, 
der hatte auch zu dem Staullacher geschworen und seinen 
Gesellen. Der ging nun oft vordem Stecken auf und ab. 
und wollte sich nicht neigen. Darum verklagte ihn der 
Knecht. Der Herr liess den Teil kommen und fragte ihn. 
warum er nicht (gehorsam wäre. Der Ti ll sprach : « Es 
ist von ungefähr geschehen ; denn ich habe nicht gewus-t. 
dass es Euer Gnaden so hoch aufnehmen würde, denn 
wäre ich witzig, so hiesse ich anders und nicht der Teil. » 
Nun war der Teil ein guter Schulte, hatte auch hübsche 
Kinder. Da zwang ihn der Herr mit seinen Knechten, das« 
er einem seiner Kinder einen Apfel vom Haupte schiessen 
mussle. Der Teil sah, dass er gezwungen war, und nahm 
einen Pfeil und steckte ihn in sein Goller. Den andern 
Pfeil nahm er in seine Hand, spannte die Armbrust, 
bat Gott, dass er ihm sein Kind behüte, und schoss den 
Apfel vom Haupt. Der Herr fragte nun, was er damit 
meinte, dass er einen Pfeil in seinen Göller genommen. 
Der Teil hätle sich gerne ausgeredet; der Herr lies* aber 
nicht ab, er wollte es wissen und sprach : « Sage mir die 
Wahrheit, ich will dir das Leben sichern. Da sprach 



| der Teil : » Da Ihr mir das Leben gesichert, so will ich 
Euch die Wahrheit sagen : wäre mir der Schuss fehl ge- 
I gangen, und halte ich mein Kind gel rollen, so wollte ich 
I den Pfeil in Euch oder der Euern einen schiessen. » Der 
Herr spiach : » Es ist wahr, ich habe dir das Leben ge- 
sichert ; aber ich will dich an einen Ort legen, wo du 
weder Sonne noch Mond siehst! •>. und liess ihn binden. 
Und die Knechte nahmen ihn in einen Nachen, legten sein 
Schiess/eug auf das Hinterteil und ihn gebunden und ge- 
fangen, und fuhren den See ab bis an den Axen Ha kam 
ein so starker Wind, dass der Herr und die andern mein- 
ten, sie müssten ertrinken. Einer von ihnen sprach 
" Herr, ihr sehet wohl, wie es gehen will, l-assel also den 
Teil losbinden ; er ist ein starker Mann und weiss wohl 
zu fahren, und gebietet ihm, dass er uns helfe, damit wir 
davon kommen ! » Da sprach der Herr: . Willst du dein 
Bestes Inn. so will ich dich losbinden, dass du uns allen 
helfest!» Der Teil antwortete: "Ja Herr, recht gern! ■ 
und sland ans Ruder und fuhr hin. Jeden Augenblick sah 
er aber hin auf sein Schiesszeug ; denn der Herr liess 
ihn ungebunden. Und da der Teil kam bis zu der Tellen- 




Tell ■ AtifolschuM. Aeltole bekannt* Darstellung aus BUWÜM 
Chronik töl>7. (I.andeainuspura Zürich*. 



platten, rief er ihnen allen, sie sollten fesl ausziehen; 
kau ii n sie vor die Platte hin, so hätten sie das Bose über- 
\ standen. Also zogen sie fest, und als ihn dünkte, dass er 
I zu der Piatie kommen mochte, schwang er den Nachen 
hin. nahm sein Schiesszeug und sprang aus dem Nachen 
auf die Platte, und stiess den Nachen von sich und liess 
sie schwanken auf dem See, und lief durch die Berge, so 
viel er mochte, und lief durch Schwyz auf der Schatten- 
seite der Berge bis gen Kussnacht in der hohlen Gasse : 
da war er vor dem Herrn und wartete da. Und als sie 
herbeigeritten kamen, da stand er hinter einem Gebüsch, 
spannte seine Armbrust und schoss einen Pfeil in den 
Herrn und lief wieder zurück gen Uri durch die Berge.- 
Ferner erzählt der Chronist, wie StaulTacher und seine 
Genossen die Burgen Twing Uri, Schwanau. Sarnen. Stans. 
Schwyz und RoUberg brachen. 

Dem Verfasser des « weissen Buches » haben altere Er- 
zählungen als Quelle gedient. Deren Urheber berichten 
von den durch Habshurgs Vogte begangenen Uebeltalen. 
die zu einem Volksaufstand und zur Zerstörung der Burg 
Lowerz führten. Dagegen schweigen diese altern Chro- 
nisten von Gessler und Teil. 

Das ums Jahr 1470 verfassle «Teilenlied diente den 
Erzählungen der beiden Luzerner Chronisten Melchior 
Russ (148>2) und Diebold Schilling (um 1510) als Grundlage. 



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Das • Teilenlied ». wie das .l'rner Spiel von Wilhel 
Teil • (um 151*2) machten den Teil zuin*erstenillclden ( di 




Siegel de« Hörings Johann, I36P. 

ganzen Ueberliererung. während er im • weissen buch ■ 
bloss als eine nebensachliche Persönlichkeit, d. h. als 
einer der Genossen von Stauflacher erscheint. Ausserdem 
figuriert er im l'rner Spiel an Stelle des Walter Fürst als 
einer der drei Kidgenossen. Die Holle des Kessler wird 
von Diebold Schilling einem Grafen von Seedorf zuge- 
schrieben, während der Landvogl bei Bus« von Teil gleich 
nach dem Sprung aus dem Schiff, von der Teilenplatte 
;ius, erschossen wird. Diese verschiedenen Abweichungen 
zeigen, dass die L'eberlieferung schon zu jener Zeit un- 
sicher und schwankend war. 

Die im «weissen Buch » enthaltene Erzählung wurde 
vom Luzerner Chronisten Petermann Etlerlin Kopiert, 
dessen 1Ö07 in Kasel gedruckte Chronik nun die (Grund- 
lage bildete, nach der man in der Folgezeit die ganze Tra- 
dition darzustellen pflegte. Ihr gab auch der berühmte Aegi- 
dius Tschudi von Glsrus den Vorzug, indem er zugleich zur 
Belebung seiner Darstellung sehr genaue Angaben über die 
handelnden Personen mitteilte, ohne dass man die Quelle, 
aus der er gesrhopft. bis jetzt gekannt hätte. Tschudi's 
Version fand alsbald überall Anklang und wurde dann 
namentlich allgemein bekannt und volkstümlich durch 
die Schweizergeschichte des grossen Johannes von .Muller 
(1740) und durch Schiller s Drama . Wilhelm Teil i 1804 

Schon fruh begann aber die geschichtliche Kritik, sich 
mit diesen Berichten und Darstellungen näher zu be- 
fassen. 1607 hegen Franz Guilhmann aus Freiburg und 
nach ihm, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die 
beiden Rasier Christian und Isaak Iselin Zweifel an der 
Echtheit der Tellensage, worauf im Jahr 170*2 auch Emma- 
nuel von Haller in einem Brief an seinen Freund Freuden- 
berg zu der Erzählung von Tschudi ein Fragezeichen setzte. 
1700 verölten Lüchte der selbe Autor eine Kritische Streit- 
schrift über «Wilhelm Teil», worin er dieser l'eberliefe- 
rung einen dänischen l'rsprung zuschrieb. Diese Schrift 
wurde auf Befehl der l'rner Regierung den Flammen 
uberliefert. Als dann am Schiusa des Jahrhunderls Jo- 
hannes von Müller • mit seiner Autorität für die Sagen 
eintrat, hielt man deren Inhalt fur gerettet. • 

Da trat der Luzerner Geschichtschreiber Josef EuUch 
Kopp auf den Plan, der 183Ti zuerst zeigte, «wie grund- 
verschieden die wirklich durch Dokumente verbürgte Ge- 
schichte der Entstehung der schweizerischen Eidgenossen- 
schaft von dem debaude sei, das Tschudi aufgeführt hat». 
Seine Beweisführung brachte der L'eberlieferung einen 
Schlag bei. von dem aie sich nicht wieder zu erholen ver- 
mochte. Nach Kopp beschäftigten sich die Professoren 
Hisel*, in Lausanne, Rilliel und Vaucher in Genf. Georg 
von Wyss und Gerold Meyer von Knonau in Zürich, 
Wilhelm Vischer und A. Bernoulli in Basel. Cisler in 
Chur. sowie neuestens noch J. Sehollenberger in Zurieh 
mit dieser Frage. Die zu Beginn sehr lebhafte und leiden- 
schaftliche Polemik hat mit der Zeit einer kühlem Auf- 
fassung Platz gemacht. Man hat einsehen gelernt, dass. 



wenn auch zur Feststellung einer Tntsache authentische 
Urkunden notwendig sind, doch aus dem Fehlen solcher 
Dokumente nicht unbedingt auf die (Grundlosigkeit einer 
jeden L'eberlieferung geschlossen werden darf. In der Tat 
sind zahlreiche Dokumente durch Feuersbrünste ver- 
nichtet worden, ao d*s« die streng urkundliche Ge- 
schichlsdaratellung grosse Lucken aufweist. Die Zer- 
störung von gewissen Kursen bildet einen Kewcis fur 
die zahlreichen Streitigkeiten, die aalässlich des auf 
den Tod des Königs Kudolf von Habsburg folgenden Auf- 
stände« ums Jahr 1308 ausbrachen. Trotzdem die zeit- 
genossischen Urkunden schweigen, erscheint es also doch 
nicht ganz unmöglich, dasa es in Altorf oder Schwyz 
einen l.andvogt (.essler gegeben habe. Die Chronisten 
erwähnen ums Jahr 1400 einen Landvogt dieses Namens 
im Aargau. der aber auch in Küssnacht residiert haben 
kann, da dieses Sc bloss bis 1347 ein Lehen der Habs- 
burger gewesen ist. 

Prof. Georg von Wyss schrieb schon voi nunmehr 40 
Jahren, dass man in der Geschieht* vom Teil eine sehr 
alte Fabel erkennen könne, die in den Volksballaden 
verschiedener germanischer Stamme wiederkehre. Der 
ursprünglichen Grundlage hätten sich dann mit der Zeit 
lokale Ueberlieferungen angegliedert, sodass eine Unter- 
scheidung zwischen Tatsächlichem und Erdichtetem ohne 
willkürliche Annahmen und Auslegung nicht möglich sei. 
Es sei durchaus kein tlrund vorhanden, an einem ge- 
schichtlichen Ereignis ähnlicher Art zu zweifeln, dessen 
sich dann später die l'eberlieferung bemächtigt habe, 
um es poetisch auszuschmücken. Wir schliessen uns der 
Auflassung von Prof. Dändliker an, der der Tellutier- 
lieferung einen historischen Kern zuschreibt und sagt : 
I Wir sind aber des Glaubeiis. dass jeder Eidgenosse, 
welcher im Kahne über den See zu der lieben grünen 
Matte (des Itiitli) hinüberfährt, mit der Geschieht*« issen- 




Klooterkirche h<tn ig» leiden. 
Auf Befehl der Kli«abeth von Oesterreich an der Stelle errichtet, 
wo Kaiser Albrecht ermurdet wurde, 
i l.aode«M>uteum /Qrichi. 



schalt im ganzen und grossen durchaus nicht in Wider- 
spruch gerät, wenn er auf der berühmten Stätte freudig 
seinen patriotischen (Gottesdienst feiert ...» 



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•i. 7>ie Schlacht um Hargarten: ewiger Bttml von 
liruntien (1315). Auf Hudolr von Hahsburg folgte I2W2 
als Konik' Adolf von Nassau. Da es in dessen Interesse 
lag. die Gegner des Hauses Habsburg zu begünstigen, 
t >!•» t.i 1 1 k; 1 1* er den I rnern und Schwyzern ohne Zogern 
die Fieilieilen. die ihnen Friedrich II. verliehen 
hatte. Zum I n^liiek fur die Eidgenossen \erlor aber 
Adolf von Nassau in der Schlacht von Göllheim 
unfern Worms schon 129Hsein Leben und wurde sein 
Nebenbuhler Albrecht von Oesterreich, der Sohn 
Rudolfs von Habsburg, zum Könige gewählt und in 
Aachen MI . I August MM gekrönt. Der neue Herr- 
scher zeigte sich noch habgieriger als sein Vater: die 
Privilegien von Zürich, Rern und Luzcrn wurden 
nicht bestätigt und Reichsvogteien wie Reichsrechte 
gleich Österreich isrhrm Hausbesitz behandelt. Daas 
Albrecht aber, wie die L'eberlieferung erzählt, fremde 
Vogte in die Waldstälte geschickt habe, wird von den 
Ouellen nicht bestätigt, indem diese Länder fort- 
fuhren, an ihrer Spitze Landammanncr ihrer eigenen 
Wahl zu haben. So treffen wir in Uri Werner von 
Attinghausen und in Schwyz Rudolf SUiuffarher als 
l-audammunner. Zu gleicher Zeit (1304) erscheint 
auch zum erstenmal ein Landammann von Untcr- 
walden in der l'erson des Rudolf von Oedisried. 
- Reim Verkehr mit den Waldstälten wendet sich 
nuch die österreichische Regiemng selbst an Land- 
ammann und Landsgemeinde, nicht an Vogte.» Soll 
nun etwa zwischen 1304 und 1308 eine Aenderung 
dieses Zustandes stattgefunden haben '.' Das Fehlen 
von zeitgenössischen Ci künden erlaubt es nicht, sich 
über diesen Punkt entscheidend auszusprechen, doch 
deutet nichts darauf hin. dass Herzog Albrecht diesen 
Lindern Vogte vorgesetzt oder ihre Rewohner in 
tyrannischer Weise behandelt habe. Immerhin er- 
scheint es sehr wohl möglich, dass die Kidgenossen 
wie unter Rudolf sich darüber zu beklagen halten, 
dass der König versuche, seine Macht auf Kosten ihrer 
Vorrechte weiter auszudehnen. 

Albrecht hielt feinem Neffen Johann dessen väter- 
liches Erbe vor und widersetzte sich auch dessen Ab- 
sicht, seine Rechte auf Rohmen, die er von seiner Mutter. 
?iner Tochter Ültokars von Rohmen, geerbt, g' Iteud zu 



isctien Edelleulen und ermordete im Verein mit diesen 
seinen Onkel, als er eben, von seiner Kskorte getrennt. 





Sc lischt am Murgarlen IV Nuvmfcer 1315, nach Schilling* Chronik von 11S0 
<l,and -«bibliothek Heroi. 

machen. Durch diese Ungerechtigkeit aufs tiefste erbittert. 
\erhand sich der junge Herzog mit einigen durch Albrechts 
Habgier und Regehrlichkeit ebenfalls gekränkten aargau- 



Schlacbl am M»rgarlea IS November 131a. 
nach Stumpf« Chronik von I5W. 

mit den Verschwornen die Reu»« auf der Fähre bei Win- 
disch gequert hatte (1. Mai 1308). Zum Glück für die 
Waldstätte wählten nach diesem Ereig- 
nis die Kurfürsten nicht wieder einen 
Habsburger, sondern Heinrich VII. aus 
dem Hause Luxemburg. Auf das Be- 
gehren der Eidgenossen bestätigte ihnen 
auch dieser Fürst, wie seinerzeit Adolf 
von Nassau, ihre alten Freibriefe (3. Juni 
130it), indem er zugleich die einst von 
Friedrich II. den Ländern L'ri und 
Schwyz bewilligten Vorrechte auch noch 
auf das Land l'nterwaldcn ausdehnte. 
Damit waren die drei Urkantone unter 
sich völlig gleichgestellt und haltenden 
Zweck ihres Rundes von I52M erreicht. 

Die Herrschaft Heinrichs von Luxem- 
burg dauerte aber nur kurze Zeit. Wäh- 
rend lies darauf folgenden Interregnums 
nahmen die Schwyzer den allen Marchen- 
streit mit den Einsiedler Mönchen wie- 
der auf. Zur Strafe dafur, das« sie das 
Kloster überfallen, wurden sie, zugleich 
mit ihren Rundesgenossen von L'ri und 
Unterwaiden, vom Rischof von Konstanz 
exkommuniziert und auch mit dem 
Reichsbann belegt. Doch sollten die 
Tronslreitigkeiten und die darauf fol- 
gende Wahl von Ludwig dem Raiern 
HU. Augutl 1314t zum deutschen König 
die den Eidgenossen drohende Gefahr 
noch einmal abwenden. Auf Hegehren 
Ludwigs hob der Erzbisehof von Mainz 
den gegen die Waldstätte ausgesproche- 
ni n geistlichen Rann wieder auf, wäh- 
rend sie der König durch ein aus Mün- 
chen datiertes Dekret vom 17. Juli 131.") zugleich auch aus 
der Reichsacht enlliesi. Untenlessen halte iler von der 
Minderheit der Kurfürsten zum Gegenkonig erhobene 

211 — Ii EOG n. lex. V — 23 



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dritte Su f in Alhrcchts. Krietl rieh der ».Schont".' von < (eitler- 
reich, seine Ansprüche auf die Kaiserkrone aufrecht er- 
halt* n und tlie Reichsstädte Zürich, Härtel und St. (iahen, 
sowie einen grossen Teil des Adels von Oherschwaben für 
seine Sache gewonnen, während Kern und Solothurn neu- 
tral blieben. Aus dieser Lage der Dinge entwickelte sich 
naturgemäss eine Spaltung. Die Waldstätte sahen sich 
vun ihrem Beschützer, dem Kaiser Ludwig, durch die 
Lande des Gegenkonigs Friedrich und seiner Verbündeten 
geographisch getrennt. Der Landgraf des Elsasses und 



die Keiler, die fröhlich waren, wie wenn sie zu einer 
Jagdpartie auszögen. Das Fussvolk blieb weiter zurück 
oder strebte auf andern Wegen dem verabredeten Ziel zu. 
Das Hergthal hatte die Oeslerreicher genötigt, in Kolonne 
vorzurücken, statt sich in entwickelter Schlachtordnung 
zu sammeln. Auch war es nicht für notwendig erachtet 
worden, das Terrain zum voraus zu rekognoszieren. Vom 
Aegerisee an zieht sich die Strasse nach Schwyz durch 
einen von den Höhen am Morgarlen beherrschten Eng- 
pass. Hier erwarteten die Eidgenossen ihre Gegner, bei 






Bundesbrlaf des ewigen Bunde« von Brunnen vom f. Dixmhir 1315 (Faksimile de« Schweiz- Staatsarchive» n»oh dein Origiuali. 



Herzog Leopold, der liruder Friedrichs, übernahm die 
Aufgabe, die unruhigen Iterghewohner zum Gehorsam zu 
bringen und den l'cherfall von Kinsiedeln zu rächen. Im 
November 1315 sammelte er sein Heer in Zug und liai 
tlen Vormarsch gegen Sehwvz an. Aber auch tlie Eid- 
genossen bereiteten sich auf den Kampf vor und hatten 
eine Lelzi errichtet, die die Strassen von Zug und Ku-s- 
nachl her völlig absperrte. Dieses Werk bestand in einer 
hohen und hielten, vom Rullberg bis zum Fuss des Rigi 
reichenden und mit drei Türmen bewehrten Mauer. In 
einer Zahl von etwa P2UO-I5IIO Mann wachten tlie Leute 
der Waldstalle an ihren Grenzen und «empfahlen sich in 
Gebelen, Fasten und Prozessionen und Kirchenbitlen 

Gott. » 

Die Stärke der herzoglichen Armee isl auf SO 000 Mann 
geschätzt worden, doch erscheint diese Zahl übertrieben. 
Am 15. November verliess der herzog Zug mit einem 
glänzenden Gefolge, das die Hinte der uhcrdeuthchen RH« 
terschaft. wie die von Toggenburg. Landenberg, Kiluirg. 
Honstetten. Ilallwil etc.. umfnssle. Mit tliesen zog ferner 
die Bürgerschaft von Zürich. Winterlhur, Zug. Luzern, 
Sempach. Hremgarten u. s. f. Die Spitze des Zuges hielten 



deren Heranrücken prasselte ein Ilagel von geschickt 
hinuntergerolllen Steinböcken und llaumslainmen auf 
die Oesterreicher nieder und brachte deren Reihen in 
Inoidnung. worauf ein mit einem Flankenangriff ge- 
paarter Krniitsturm folgte, der die Niederlage des stolzen 
Heeres besiegelte. « Entsetzen und Verwiming verbreitete 
sich im Heere der Oeslerreicher. Die Hos.se wurden 
scheu, bäumten »ich hoch auf. warfen die Heiter nieder; 
viele Heiler werden sofort samt ihren Pferden in den See 
oder auf di-- Strasse hinuntergeworfen worden sein, l'nlen 
drängte sich auf engem Haume eine Masse in buntem 
Wirrwarr zusammen. Mit unwiderstehlicher Wucht warf 
sich der (iewallhaufcn der Eidgenossen, natürlich mit 
gellendem Geschrei, hinab, dem erschrockenen Feind in 
die Flanke . . . Wie in einem Netz waren die Feinde ge- 
fangen und wurden, fast ohne die Möglichkeit energischer 
liegenwehr, niedergemacht. Milden schrecklichen Helle- 
barden . . . hieben die Schwyzer »chomnigslos drein. Es 
war ein furchtbares Schauspiel. . . . wie das Hinschlach- 
ten einer zur Schlachtbank geführten Herde. Die Eid- 
genossen kannlen keinen Pordon ; sie machten keine 
Gefangenen, sondern schlugen toi, wen sie konnten. 



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Canzc Trupps wurden wühl durch die nachjagenden 
Schwyzer in den See gesprengt : manche zogen einen 
freiwilligen Tod in den Wellen dem unter dem Beile der 
trotzigen Sieger vor.» Nach dem Chronisten Johann von 
Winlerthur sollen bei diefem Anlas» t.ViO Mann den Tod 
gefunden haben, ungerechnet die im See Ertrunkenen. 
Der Chronist erzählt ferner, das» an diesem Tag die Hinte 
der Ritterschaft das Leben verloren habe und für lange 
hinaus in den umliegenden Landen die Zahl der Hitler- 
hurtigen klein gewesen sei, da fast ausschliesslich Adelige ! 



des andern ihr Ende fand, konnte man sich über den für 
das [Ji-nkmal zu wahlenden Rlatz nicht einigen, so das* 
wir heute am Vorabend der Einweihung von zwei Denk- 
m.ilcrn stehen. 

Die Schlacht am Morgarlen war die Hlultaufe des ewi- 
gen Hundes von 1291 und kittete die Eidgenossen auf im- 
mer aneinander. Haid nachher versammelten sich die 
Vertreter von l'ri, Schwyz und l'nterwalden in Urunnen. 
um ihren Hund zu erneuern und die geheime Hundesur- 
kunile in lateinischer Sprache durch eine solche in deut- 



I 




L-C*. .-ilS;C-*.U-i4-C^lkUAM, «.iv- ?v- L i ,.— , m l CjrJL £-Q — C^mLm — Lc A. r, .t-^Zl - 

L Us, »-J- - ~ .'- u-va;. 



— - » — ■ , - • L> > ,\. .« » 

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•>t»»^iV»i, l j. 1 iu < ,. J) 




BuuJobrief de* Bunde» der drei t'rkanlooe mit l.uzcro vom 7. Nor«mbar 1338. 
(Faksimile das »ohwelz. SlaaUurvbives nach dem Original! 



umgekommen waren. Das Fussvolk, das zum Teil auf 
andern Wegen herangezogen war. brachte sich in Sicher- 
hett, sobald es von dem Hlutbad Kenntnis bekommen. 
Auch Herzog Leopold entkam wie durch ein Wunder 
dem Gemetzel und fluchtete --ich, \nller Scham rlarliher. 
dass er von einlachen Hauern derart geschlagen worden 
war. 

l'm das Andenken an die glorreiche Schlacht am Mor- 
garten zu ehren, haben die Schwyzer einerseits und die 
Zuger oni/i'-rsgr-ell-chaft andrerseits beschlossen, an 
der Stelle, wo ihre Vorfahren die Oesterreichel- besiegt, 
ein Denkmal zu errichten. Da aber die Schlacht auf lk>- 
den des einen Kantons begonnen hatte und auf Roden 



scher Sprache zu ersetzen lU. Dezember lUL'ti. Der Ver- 
trag von Iii iiimen bedeutet eine erste eidgenossische Ver- 
fassungsrevision. Er uuterscheidel sich vom ersten Hund 
von l'-.'l hauptsächlich durch zwei Klauseln, die die vom 
eidgenössischen (iedanken geinachten Fortschritte kenn- 
zeichnen und den Weg zu einer grosseren Selbständigkeit 
vorzeichneten. « Kein einzelnes l.aiid. auch kein einzelner 
Mann soll selbständig für sich nacii aussen handeln ► • 
Damit wollten die Eidgenossen der Aussen well gegenüber 
als vollkommen geschlossene Einheit erscheinen. Der 
Bestimmung des Verdate* von 121*1 . dass .jeder seinem 
Herrn (Grundherrn) gehorsam sein solle», wurde jetzt 
beigefügt: « aber derjenigen Herrschaft wollten sie kei- 



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nen Gehorsam schulden, welche die Eidgenossen mit Ge- 
walt angreifen oder bedrängen wollte >. 

Die am Morgarten erlittenen Verluste nötigten den 
Herzog von Oesterreich tum Aufschub seiner Revanche- 
gelüste. Im Jahr 1318 schloss er darum einen Waffen- 
stillstand, der zu wiederholten Malen erneuert wurde. 
Dieser Frieden anerkannte in einem gewissen Mass die 
Eigenschaft der Eidgenossen als direkte Untertanen des 
Kelches, d. h. als reichsfreier Leute. 

ü. Rückgang der Feudalzeit. Im Verlaufe des 13. Jahr- 
hunderts schwächte sich die kaiserliche (iewall ab und 
kräftigte sich zu gleicher Zeit das Bedürfnis nach Unab- 
hängigkeit mehr und mehr. Das Volk suchte sich allmäh- 
lig und fortschreitend von seinen Herren zu befreien. Es 
waren namentlich die vom Adel dem Verkehr in den Weg 
gelegten Hindernisse, die das Volk erbitterten. Der Tod 
so vieler Edelleute in der Schlacht am Morgarten war für 
den Adel der deutschen Schweiz ein Schlag, von dem er 
sich nie wieder zu erholen vermochte. Die fortschreitende 
Entwicklung des i Ii meindewesens führte zum Aufschwung 
des llurgertums. das nun zu einem in der Politik aus- 
schlaggebenden Faktor Wird. Dank besonderer lokalen 
I mstande ging die Schweiz auf diesem Wege ganz Eu- 
ropa voran. 

Die Dcwohncr der städtischen Gemeinden waren in ver- 
schiedene Klassen oder Stande geschieden, von denen 
ursprünglich allein die Adeligen und die durch Grundbe- 
sitz Reichen zu den öffentlichen Ehrenstetten Zugang 
hatten. Aber auch die durch ihn- Arbeit zu Wohlsland 
gelangenden Handwerker lingen ihrerseits an. nach po- 
litischen Rechten zu verlangen. Sie vereinigten sich zu 
besondern Korporationen oder « Zünften I 'r, wie den- 
jenigen der Schneider, Schuhmacher, Schmiede, ll.icker, 
Krämer, Weber, Rebleute. Metzger, Ziminerleule etc. 
solche Zünfte sieht man in liasel schon um die Milte des 
13. Jahrhunderts sich bilden. Die Zünfte umschlossen 
sowohl die Handwerksmeister, als auch die Gesellen und 
Lehrlinge des nämlichen Handwerkes. Der Eintritt in 
eine Zunft war an inehrere Prüfungen des Arbeiters 
gebunden, und später wurde verlangt, dass jeder, der 
Meister werden wollte, ein eigenes Haus besitzen müsse. 
Gemeinsame Gastmähler und Feste brachten die Zu öf- 
ter einander personlich näher. Hei Anlas« solcher Ver- 
einigungen besprachen die Handwerker ihre Lage und 
klagten sich gegenseitig ihre Kümmernisse. Haid wur- 
den sie gewahr, dass sie auch politisch eine grosse Rolle 
>u spielen fähig seien. Derart gestalteten sich die 
Zünfte ganz naturgemäß zu einem Herd der Opposition 
t-egen das Patriziat, das bisher die ganze öffentliche 
(iewall in seiner Hand monopolisiert halle. • Das städ- 
tische Leben gestaltete sich seit dem 13. Jahrhundert 
immer mannigialtiger. Handel und Verkehr weckten neue 
Itedürfnisse und Interessen. Man begann, der Bequem- 
lichkeit und Annehmlichkeit des äussern Daseins ein 
grosseres Augenmerk zu schenken : man strebte auf allen 
Gebieten nach Vervollkommnung. Ein friseher, lebens- 
froher und fröhlicher Geist weht uns im mittelalterlichen 
liürgerlum enlgegen . . . Die städtischen Obrigkeiten 
handliahlen eine weilgehende Polizeigewalt » und schenk- 
ten besonders auch der Gesundheitspolizei eine grosse 
Aufmerksamkeit, itrol-, Wein- und Heischverkauf wur- 
den strenge beaufsichtigt und namentlich Weinfilscher 
hart bestraft. Man crliess Verordnungen betreffend Rein- 
lichkeit und Sicherheit und Hess in den Strassen beson- 
dere Nachtwachen die Runde machen. Auch sillenpoli- 
zeiliche Vorschriften crliess man. ■ Jeder übergrosse 
Aufwand in Kleidung, Geschenken u. dergl. ward verholen. 
Man schrieb vor, wann iler Einzelne Abends nach Hause 
gehen müsse. Nach dem Abendläuten waren in Luzern 
alle Spiele (wie Kegeln. Siechen, Turniere. Schiessen. 
Steinsiossen. Brettspiel t verboten, wie auch Tanzen und 
Lustigmachen. » 

Von berühmten Predigern dieser Zeil kann der Fran- 
ziskanermonch Berlhold von Begensburg tum 12fö| ge- 
nannt werden, der die Nordschweiz durchzog und als ge- 
walliger Bussprediger aller Orten die Herzen ruhrte. 

•) Im Welschlind, d. h. in den Bi«cbof*»t*dU-ii Genf und Lau- 
sanne nannten sieb dm eisen reliiri<i«en Charaktrr tragend.-!! 
Zfmlto «Onfreries» id h Bruder«, hartem und -teilten »ich 
nnler den SchuU ein.-« IL-iligen. 



Auch der Sinn für Bildung erwachte von neuem, und 
die Städte wurden zu Herden der Kunst un 1 Wissenschaft. 
Hier entstanden weltliche Schulen. 
<». Autdehnung det Bundes der Eidgennuen : Luzern» 

I Beitritt :unt Bund fi. yoremher f.iii'). Im Morgarten- 
krieg halten sich die Städte Bern, Solothum, Murten. 

1 Biel und Kreiburg neutral verhalten. Nach dein Sieg der 
Eidgenossen verbündeten sie sich dagegen mit diesen. 
Die Bildung dieser erweiterten Eidgenossenschaft erbit- 
terte den Herzog Leopold, der sich zur Hebung seines 
Ansehens mit dem Grafen Hartmann von Kiburg. dem 
Freiherrn von Weissenburg und dein Baron Jean La Tour 
de Chätillon verband, um mit einer aus Aargauern, E1- 
sässern. Wallisern. und Berner Oberländern bestehenden 
grossen Armee Solothurn zu belagern. Die Berner beeil- 
ten sich, der bedrohten Stadt Hilfe zu senden. Doch hätten 

1 Soloihurns Aussichten auf einen Sieg wohl auf schwa- 
chen Fussen gestanden, wenn sich ihm nicht ein Zufall 
günstig gezeigt hätte : Ein plötzlich eintretendes Hoch- 
wasser der Aare riss die Brücke, die Leopold über den 

I Pluss halte schlagen lassen, hinweg, so dass die dieselbe 

1 besetzt haltenden Wachen in den reissenden Strom fielen. 
Einem grossinütigen Zug des Herzens folgend, machten 
sich nun die Solothurner an die Bettun/ ihrer Feinde, 
worauf Leopold, von solcher Besinnung gerührt, die Be- 
lagerung aufhob und Frieden schloss. 

Im Jalir 1327 traten die Eidgenossen einem umfassen- 
den Bündnis bei. dem Zürich. Bern, Mainz, Worms, 
Speier, Strasshurg, Basel. Freiburg im Üreisgau, Kon- 

, stanz, Ueberlihgen, Lindau und der Graf Eberhard von 
Kiburg angehorten. 1331 schloss der Landammann von 
Allinghausen im Namen der Eidgenossen und ihrer Ver- 
bündeten Zürich und l'rseren mil dem Generalvikar von 
Como. Franchino Rusca, als Vertreter der Leventina und 

l und des Ossolaihales, einen Vertrag, laut welchem sich 
jede der Parteien verpflichtete, auf ihrem Gebiete für den 
Unterhalt der Gollhardstrasse zu sorgen. 
Am Ausfluss der Reuss aus dem Vierwaldstättersee hatte 

; das Kloster Murbach im Elsass im 8. Jahrhunderl ein be- 
scheidenes Klöslerlein gestiftet und unter den SchuU des 

| h Leodegar gestellt. I m die Stiftung herum entstand 
dann auf Kloslerboden ein Fischenion, das den Namen 
Luzern erhielt, sich vergrösserte und im Laufe des 
Ii, Jahrhunderts zu einer Stadt auswuchs. die aber gleich 
15 umhegenden Ortschaften unter der C.erichtsbarkeit 
der reichen Ablei Murbach verblieb. Dem Vertreter des 
Abtes stand ein Rai von 12 Bürgern zur Seile. Die hohe 
Vogtei war dem Landgrafen des Aarg.iucs, d. h. seit 1239 
der ältern Linie der Habsburger anvertraut, die sich an 
Ort und Stelle durch die Edeln von Rotenburg vertreten 
Hessen Die an der Atismundung verschiedener Thäler 
und nahe dem Gotthard gelegene Stadt, von der aus der 
Verkehr bequem nach dem Rhein weitergeleitet werden 

j konnte, hatte sich zu einem wichtigen Stapelplatz und 
Markt entwickelt. Schon hatte auch der Rat ziemliche 

I Freiheiten und Rechte erlangt. Während des Kampfes 

I zwischen Weifen und (thibelfinen nahm Luzern für das 
Reich Partei und trat damit in Gegensatz zum Kloster 

I Murbach, das zum Papste hielt. Gegen Ende des 13. Jahr- 
hunderts erlaubten es die zerrütteten finanziellen Ver- 

1 hältnisac von Murbach der Stadt Luzern, einen Teil der 
■lern Kloster zusiehenden lloheitsrechte zurückzukaufen. 

I Im Jahr 1291 verkaufte Abt Berchtold von Murbach die 

I Stadt Luzern samt allen seinen Ciülern in deren L'rage- 

| bung an den Konig Rudolf. Anlässlich dieser Erwerbung 
verpflichtete sich das Haus Habsburg «ler Bürgerschaft 

I Luzerns gegenüber, alle ihre bisherigen Freiheilen zu 
bestätigen. Ein vom Landvogt von Baden abhängiger 

I Srhultheiss sollte in Luzern die habsburgischen Interessen 
wahren, vermochte aber dem Bat der Stadt gegenüber 

I nicht viel auszurichten. I m diesem Lebeisland abzuhel- 
fen, übertrugen die Herzoge von Oesterreich während der 
aufgeregten Zeiten vor der Schlacht am Morgarten die 
Verwaltung der Stadt und ihrer in der Umgebung ge- 
legenen üuter einem auf Rotenburg sitzenden Vogt. Der 
nun folgende Sieg der Eidgenossen am Morgarten machte 
auf die Luzerner einen tiefen Eindruck, unter welchem 
sie, die Kämpfe llabsburgs gegen Ludwig den Baiern 
ausnutzend, ihn- Vorrechte zu erweitern und die Befug- 
nisse des österreichischen Vogtes einzuschränken suchten. 



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857 



Am '&<. Januar 1328 taten sich 26 städtische Räte gegen 
den Vogt von Rotenburg zusammen, und im Jahr 1330 
bildete die ganze Sladt. der Schultheis« an der Spitze, 
einen geheimen Hund zu dem Zwecke der selbständigen 
Wahl von Schultheis» und Hat. Man beauftragte Johann 
von .Mallers und drei andere Hurger, mit dem Oberherrn 
zu unterhandeln- Allein Herzog Otto, der Nachfolger Leo* 
polds. bcharrte auf seinem Hecht, den Schultheis» selbst 
zu ernennen, worauf der Vogt von Rotenburg 1331 die 
Auflösung des Hundes forderte. Der Rat weigerte sich, 
diesem Ansinnen zu entsprechen, und »chloss im folgen- 
den Jahr, {um 7. November 1332. einen Hund mit den 
Waldstatten. Dieser Hund verschallte den drei Ländern 
einen städtischen Mittelpunkt für den Absatz ihrer Pro- 
dukte. Der Wortlaut der Hundesurkunde hat auf die Zu- 
kunft der (Eidgenossenschaft einen entscheidenden Hin- 
du*» ausgeübt. Während die Waldslnllc reichsfrei waren, 
stand l.uzern unter der direkten Hoheit der Habsburger, 
deren Rechte es sich daher vorsichtig vorbehielt. Daraus 
ergab sich, das» es nicht in allen Dingen sich dem Rund 
von Rrunnen .in/u«chliessen vermochte und somit in die- 
ser erweitei ten Eidgenossenschaft nicht alle Glieder die- 
selben Rechte hatten. Dieser ursprüngliche Langel an 
Gleichberechtigung, der auch in den 
künftigen Hundesurkunden anzutrellen 
ist, war es. wie Hilly bemerkt, der die 
Schweiz hinderte, sich gleich von An- 
fang an zum HundessUat zu gestalten, 
sie vielmehr sich zu einem Staaten- 
bund entwickeln liess. Zugleich mit l.u- 
zern wurden auch die beiden österrei- 
chischen Dorfer Gersau und Weggia in 
den Rund aufgenommen. Dieses letz- 
tere inachte l.uzern 48 Jahre später tu 
seinem l'nterlanengebiet, wahrend Ger- 
sau, ohne je einen besondern eidgrnös- 
sischen • Ort l zu bilden, bis 17S6 eine 
unabhängige kleine Republik blieb und 
IN03 dem Kanton Schwy/ angegliedert 
ward. 

Der Vot behalt der Rechte Oesterreich» 
im Rund von 1332 blieb aber fur dieses 
mehr oder weniger illusorisch. Seine Ei- 
genschaft als Handelsmittelpunkl de» 
ganzen Gebiete» um den Vierwaldstätter- 
see musste Lu/ern, obwohl es rechtlich 
den übrigen Rundesgliedern nicht eben- 
bürtig war, doch in kurzer Zeit an die 
Spitze der Eidgenossenschaft stellen. 
I.uzerns Eintritt in den Rund der Eid- 
genossen fassten die Anhänger Habsburgs als Verrat auf, so- 
dass bald Feindseligkeiten mit Oesterreich ausbrachen, die 
aber von dieser durch ihren langen Kampf mit Ludwig 
dem Raiern erschöpften und des Streites müden Macht 
nicht weiter geführt wurden. Im Jahr 1334 sehloss Herzog 
Otto mit den Luzernern einen Waffenstillstand. Aber 
schon zwei Jahre später entbrannte der Kampf auf» neue. 
Die von Zug her angegriffenen Schwvzer plünderten 
ihrerseits die herzoglichen Güter, und die Luzerner wei- 
gerten sich, die abgeschliffenen österreichischen Münzen 
anzunehmen und die vom Herzog gewünschte Wiederein- 
setzung des Johann von Malters und seiner Kollegen in 
ihre Rechte zu vollziehen. Dagegen erboten sie sich, den 
Spruch eines Schiedsgerichte» anzuerkennen. Dieses be- 
stand aus neun Vertretern der Städte Zürich. Hern und 
Hasel und gab am 12. Mai 1336 seinen Spruch dahin ab. dan 
l.uzern sich den Forderungen Oesterreichs zu fügen habe, 
dafür alter seine althergebrachten Rechte beibehalten 
solle. Etliche in der Stadt sitzende Anhänger Oesterreichs, 
denen da» Hominis milden Waldstetten ein Dorn im Auge 
war, verschworen sich nun am St. Jakobstage 1343, wur- 
den aber überrascht und gefangen genommen (l.uzerner 
Moninacht). Der Chronist Etterlin erzählt, das* die Ver- 
schwornen, die ala Erkennungszeichen Röcke mit einem 
roten Aertnel trugen, an ihrer nachtlichen Sammelstelle 
von einem jungen Knaben überrascht worden seien, der 
eben an der Stelle vorbeiging. Nachdem er geschworen, 
keinem Menschen zu sagen, was er gesehen, achtete man 
nicht mehr auf ihn. Er schlich sich weg und begab sich 
auf die MeUger/unft, wo noch viele Leute beisammen 



•ii. Hier wandle er sich gegen den Ofen und erzählte 
diesem, was er gesehen und gehurt. Die aufmerksam ge- 
wordenen Hurger eilten hinaus und schlugen Lärm, wo- 
rauf die Verschwörer gefangen genommen werden konn- 
ten und Urfehde schwuren mussten. 

7. Eintritt Zürich» in den üuml jl. Mcu t:l~>1'. Wie 
Luzern hatte auch die Stadt Ziirich ihren Hat, dessen Ue- 
fugnisse sich auf Kosten der Rechte der Aebtissin vom 
Fraumunster und der Reichsvogte allmählig erweitert 
hatten. Die Zünfte waren im 14. Jahrhundert zu einem 
bedeutenden Faktor geworden und strebten nach der Teil- 
nahme am städtischen Keviment. IIa verfielen die herr- 
schenden Geschlechter auf den unglücklichen Gedanken, 
die Zünfte aufzuheben. An die Spitze der l'nzufriedenen 
stellte »ich Rudolf Rrun, der einem regirnenlafähigen Ge- 
schlechte angehörte, seinen Slandesgenossen aber grollte, 
weil sie ihn eines Vergehens wegen mit einer hohen Geld- 
busse belegt hatten. Am 7. Juni I33(S brach der Aufstand 
los. Der Hat wurde abgesetzt und Rrun mit der Verpflich- 
tung, das Regiment auf neuer Grundlage zu bestellen, 
zum ersten Hurgermeister gewählt. Der neue Diktator 
Zürichs war ein Mann von bedeutenden Fähigkeiten und 
hielt es nicht für klug, das Patriziat vollständig aus den 




Hudulf Brun gibt IS»; der Stadl /«trieb «ins neue Verfstnuog. 
(HOrgsrbtbliotbsk I.utara). 

Räten zu entfernen, weshalb er den neuen Rat aus 13 
dem Rittersland und den bürgerlichen Geschlechtern an- 
gehörenden Mitgliedern und den 13 Zunftmeistern bestellte. 
I m eine Reaktion des allen Regimentes von vornherein 
unmöglich zu machen, liess er die gewesenen Räte unter 
der Reschuldigung schlechter Verwaltung und parteiischer 
Rechtsprechung in Ank lagezustand versetzen und zu einem 
grossen Teil aus der Stadt verbannen. 

Dieser Volkaaufstand in Zurich zeigt sich nicht als eine 
vereinzelte Erscheinung, indem ähnliche Ereignisse zur 
selben Zeit sich auch in Hasel und den rheinischen Städ- 
ten vollzogen. Die verbannten Zürcher Räte wandten sich 
nach Happersvtil und erbaten die Hilfe des dort silzenden 
Grafen Hans von Habsburg, der in engster Verbindung 
mit dem allen Stadlregiment gestanden hatte. Er sam- 
melte den umwohnenden Adel und eröffnete die Feind- 
seligkeiten gegen Zürich, wurde aber am 12. September 
1337 im Gefecht von tirinau geschlagen und getötet. Nun 
legte sich der Herzog Albrecht II. von Oesterreich ins 
Mitlei; Rudolf Iii im. der einem Kampf mit Oesterreich 
ausweichen wollte, gewährte einer Anzahl der Verbannten 
die Rückkehr nach Zürich und sehloss mit den Erben 
des Grafen von Habsburg-Rapperswil Frieden. 

Rrun» Machtstellung in Zürich war eine ganz ausser- 
ordentliche und lässt sich etwa mit derjenigen der Vis- 
conti in Mailand und der Medici in Florenz vergleichen, 
welche ebenfalls mit Hilfe der Kleinbärger sich zur Ge- 
walt aufgeschwungen hatten. Der allmächtige Rürger- 
meister wussle sein Schifflein vorsichtig durcli die Klip- 
pen zu steuern. In der Zeit von 1340 bis 1348 schlo»» er 



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Bündnisse mit dem Bischof von Basel, eowieden Stadien 
Konstanz, St. Gallen und SchatTbausen. wie er auch mit 
dem Herzog Frie«irich von Oesterreich gute Beziehungen 
zu unterhalten wusste. Im Jahr 1341t erlangte er vom Kai- 
ser Karl IV von Luxemburg die Anerkennung der neuen 
Verfassung von Zürich und die Bestätigung der Rechte und 
Freiheiten seiner Stadt. Die in Happerswil verbliebenen 
Verbannten, die von lötlichem Haas gegen das neue Regi- 
ment erfüllt waren, traten mit ihren (ieninnungsgenossen 
ii Zürich in geheime Unterhandlungen und wussten sich 
unter verschiedenen Verkleidungen in die Stadt einzuschlei- 
chen. um dem Grafen von Raupen*« il und dessen Begleitern 
das Tor zu öffnen. Durch Verrat war aber Brun von allem 
■ereits unterrichtet. Wie sie sich nun anschickten, • ihr 
böses Werk zu beginnen, erscholl von der Hohe des Gross- 
münsters die Sturmglocke. Ks war das Zeichen, durch 
welches der Hurgerineistcr die Gemeindegenossen auf- 
schreckte. Ha die Bürger zum Teil schon unterrichtet waren 
im I die Wallen bereit gehalten halten. . . . sahen sich die 
Verschwornen plötzlich von Bewaffneten umringt. Vor dem 
Rathaus entspann «ich ein furchtbarer Kampf. Im Dunkel 
der Nacht stritt man beiderseits mit grosser Wut. Brun 
seihst war der vorderste im Gefecht ; mitlen im ärgsten 
i.etuuimel stand er. wahrscheinlich verkleidet, als tapferer 




K ntrilt /iinrh» in die Kidjz«n»«««n»chift 1. Mai 
H ir,'«rhil.,ii.i iak I.liwro 

Streiter. Die Handwerker, deren Stellung und Ansehen 
am meisten auf dem Spiele stand, wehrten sich tapfer. 
Ks wird erzählt, die Metzger hätten mit einem Kifer und 
Gleichmut ihn- Beile auf die Verschwornen geschwunden, 
alt hätte es gegolten, Uchsen zu schlachten . . Unter der 
geschickten und gewandten Leitung Bruns war die Stallt 
gerettet. » Sechs Tage nach dieser • Zürcher Mordnacht - 
vom 2t. Februar IXjO zog Ruin mit den Zureitern und 
Jen ihnen verbündeten Schallhausern gegen Rapperswil, 
das sich nach einer dreitägigen Belagerung ergab. Das 
folgende Jahr bemächtigten sich die Zürcher der March 
und zerstörten die Burg All- Rapperswil. worauf sie wieder 
vor die Stadt Rapperswil ruckten und diese, mitten im 
Winter, anzündeten und ausbrannten. Diese Eroberungen 
und die Grausamkeit, mit der die Zürcher dabei vorge- 
gangen, bestimmten Oesterreich, zu den Waffen zu 
greifen, Um sich gegen die drohende Gefahr zu sichern, 
schloss Zürich einen ewigen Bund mit den Waldstätten, 
der am 1. Mai 13Ö1 besiegelt wurde. Dieser Bund weicht 
von denjenigen der Jahre 131."» und 1332 in wesent- 
lichen Punkten ab und ist zum Vorbild für die spätem 
Kunde der Eidgenossen geworden. Wahrend der Rund 
mit Luzern beiden Parteien den selbständigen Abschluss 
von anderweitigen Rundnissen untersagte, behielt «ich die 
Stadt Zürich dieses Recht ausdrucklich vor. Diese Klausel, 
die sich auch im spätem Rundesvertrag mit Kern wieder 
liildet. sollte in der Folge die Kidgenossenschaft der 
Einheit, die sie für ihre künftige Entwicklung so nötig 
gehabt halte, entkleiden - Für die Hilfeleistung fasste 



man einen grossen Bundeskreis ms Auge : derselbe war 
so gezogen, dass die Hauptpässe, die für den Handel Zü- 
richs und der Waldstätte in Retracht kamen, sowie auch 
Gebiete im Süden, welche l'ri zur Verfügung standen, 
eingeschlossen waren. Die freie Stellung, welche Zürich 
als Reichsstadl genoss. hat dann Brun durch weitgehende 
Privilegien sich sichern lassen. • Abänderungen an den 
Bundesbeslimmungen durften nur mit Reistimmung samt- 
licher vertragschhessender Parteien vorgenommen und 
der Rund musste von den Eidgenossen von zehn zu zehn 
Jahren erneuert werden 

s. Krieg der E%dgenw>srn mit i tetten-exch ; Eintritt 
vnn Ginnt* und Zug in <irii Hund und Juni t.1.'rj\ 
l'm sich au Zürich und den Eidgenossen zu rächen, be- 
schl'iss der Herzog von Ueslerreich 1351 gegen sie zu 
Felde zu ziehen. E* scheint aber, dass die Kriegslust auf 
beiden Seiten nicht so gross gewesen sei. da Herzog 
Albrecht wie Zürich eine von Hern und einigen adeligen 
Herren vorgeschlagene Vermittlung annahmen. Es wurde 
vereinbart, dass für den Fall der Uneinigkeit des zu be- 
stellenden Schiedsgerichtes die Stimme der Konigin Ag- 
nes von Ungarn, der Tochter des Kaisers Albrecht, den 
i Aussehlag gehen sollte. Es war vorauszusehen, das- unter 
! solchen Einständen der Spruch zu gunsten Oeslerreich» 
ausfallen musste. Als dies denn auch tat 
sachlich geschah, weigerten sich die Eid- 
genossen, ihn anzuerkennen. Damit brach 
der Krieg von neuem aus 

Zunächst folgten blosse Scharmützel in 
Zu nchs Umgebungen ; dann aber ergrif- 
fen die Eidgenossen im November !3T»i 
kuhn dieOHensive und eroberten das Land 
Glarus. Das Thal der Linth gehörte seit 
dem 8. und 9. Jahrhundert dem Kloster 
Sackingen am Rhein, ilas seine Kastvogtei 
der Reihe nach durch die Lenzburger. 
Kiburger und Habsburger halte ausüben 
lassen, während die niedere Gerichtsbar 
keit und die Verwaltung der Güter der 
Kürslabtissin in den Händen eines Meiei> 
lagen. Iiis zum Anfang des Ii. Vahrhun- 
derts waren die Beziehungen des Landes 
Glarus zu den Waldstätten nur gering 
gewesen. Doch halten die (ilanier im Mor- 
gartenkrieg dem Herzog Leopold den Zu- 
zug verweigert und waren neutral geblie- 
ben. 1323 war dann eine erste Verständi- 
gung, allerding* ausschliesslich handels- 
politischer Natur, mit den Waldslatten 
zustande gekommen. Als die Unzufrieden 
heit auch im Lande Glarus sich gelten 
zu machen begann, setzte der Herzog im Jahr 1344 aul 
dem Schloss Na fei* einen Vogt ein. Unter solchen Um- 
standen ist leicht begreiflich, dass sich die Besitznahme 
von Glarus durch die Eidgenossen gegen Ende I3T>1 ohne 
Schwierigkeiten vollzog. Als dann die Anhänger Oester- 
reichs versuchten, das Thal der Linth zurückzuerobern, 
wurden sie geworfen. Die wackere Haltung der Glarner 
bewog nun die Eidgenossen, auch sie in ihren Rund auf 
zunehmen 14 Juni 13521. Dieser Bund, dem Luzern fern 
blieb, hatte wie derjenige mit Luzem den Charakter eines 
Protektorates, indem es den Glarnem untersagt war. 
ohne Zustimmung der Kidgenossen ein anderes Bündnis 
einzugehen. Diese untergeordnete Stellung, die den Glar- 
nem damit eingeräumt wurde, behielten sie bis zum Jahr 
1301 bei, zu welcher Zeit. d. h. einige Jahre nach der 
Schlacht bei Näfels (1388). dann auch sie den übrigen 
Eidgenossen gleichgestellt wurden 

Unterdessen dauerte der Krieg zwischen Oesterreich 
und den Eidgenossen mit wechselnden Erfolgen fort. Die 
alten* Linie der Habsburger besass seit 1212 die Stadt 
Zug und das Dorf Ob TWll, sowie Vogtrechle über die 
Landgemeinden Baar, Menzingen und Aegeri. Nun war 
der Besitz von Zug den Zurchern zur Sicherung ihrer Be- 
ziehungen mit den Waldstatlcn durchaus notwendig ge- 
worden. Es wurde daher das Land ohne Schwierigkeiten 
besetzt und die Stadt Zug mit Belagerung überzogen, wo- 
rauf sie sich am 23. Juni I3.V2 ergah. Vier Tage später, am 
27. Juni 13Ti2. unterzeichneten die Zuger Bürger eine ewige 
Bundesurkiinde mit Zürich. Luzern und den Waldstätten. 



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35!) 



wobei sie sich bloss die Gerichtsbarkeit Oesterreichs vor- 
behielten. Die Stellung, die Zug damit im Bunde der Eid- 
genossen erhielt, war eine günstigere als diejenige von 
(ilarus, was sich daraus erklärt, dass es als eine im Her- 
zen der Kidgenossenschaft liegende feste Stadt Oester- 
reichs Angriffen weniger ausgesetzt erschien als die 
abseits gelegene und offene Thalschaft Glarus. 

Am 18. Juni 1352 erschien Herzog Albrecht mit einem 
gewaltigen Heer neuerdings vor Zürich. Während aber 
die Zürcher, durch herbeigeeilte eidgenössische Hilfstnip- 
pen unterstützt, die Angriffe der herzoglichen Truppen 
erfolgreich abwiesen, nötigte die im österreichischen La- 
ger herrschende Uneinigkeit den Herzog zum Anknüpfen 
von Unterhandlungen. Diese wurden vom Markgrafen von 
Brandenburg geführt, nach dem der nun zum Absrhluss 
kommende Friede als Brandenburger Friede.. (I. Sep- 
tember 1352) bezeichnet wird. Er bedeutet einen wich- 
tigen Markstein in der Geschichte der Eidgenossenschaft. 
Seine hauptsächlichste Bestimmung war. dass Zürich und 
der Herzog die Ländereien, deren sie sich im Verlaufe 
des Krieges bemächtigt, gegenseitig wieder herausgeben 
mussten. Dagegen überging der Friedensvertrag die An- 
sprüche des Hauses Habsburg auf das Gaugrafel) recht über 
die Waldslätte, die vom Schiedsspruch der Konigin Agnes 
anerkannt worden waren, mit Stillschweigen, wotiiit der 
Bund der fünf Orte (d. h. Luzern inbegriffen) seine An- 
erkennung fand. 

0. Schlacht bei Lauven ; Eintritt von Bern in den 
Hund (ti. Marz 1.% r h3}. Die im Jahr IHM gegründete Stadt 
Bern halte sich rasch zu einem blühenden Gemeinwesen 
entwickelt, in dessen Mauern Hilterbürtige, Bürger und 
Handwerker Schutz vor gemeinsanier Gefahr suchten und 
fanden. Die ausnahmsweise günstige Lage der Stadt, 
ihre Märkte und Messen, sowie ihre Eigenschaft als freie 
Reichsstadt stempelten Bern zum bedeutendsten Mittel- 
punkt der burgundischen Lande. Das St idtregimcnt lag 
in den Händen eines Schultheissen und Hates. Die Stadt 
ward zur Münz- und Gerichtsstätte fur Burgund. Kaiser 
Friedrich IL zeigte sich den Bernern günstig gesinnt und 
übertrug ihnen die Schirmvo^tei über die Kloster Hegens- 
berg und Interlaken. Zu der Zeit, da die Hohenstaufen in 
ihren Kämpfen gegen die päpstliche Partei vom Unglück 
«ich verfolgt sahen, bemächtigten sich die Grafen von 
Kiburg der Stadt Laupen. voi 
aus sie auch Bern bedrohten. Um der 
Gefahr zu entgehen, halten sich nun 
Hie Berner. wie - wir bereits gesehen 
haben, zeitweise unter den Schulz des 
Grafen Peter von Savoyen gestellt. 
Die Tronbesteigung Hudolfs voi) Habs- 
burg erfüllte sie zunächst mit froher 
Zuversicht, sollte ihnen aber bald 
fatal werden, da sie dieser habgierige 
Monarch zur Knlrirhtungeiner Reichs- 
Steuer zwang, während er ihnen im- 
merhin ihre Rechte und Freiheiten 
Beliess Als gegen Ende des 13. Jahr- 
hunderts die Zünfte ihren Anteil am 
Stadtregiment verlangten, waren Hit- 
te< hurtige und Patriziat so klug, ihnen 
entgegenzukommen, ein Schritt, der 
ilie Siadt Bern vor einer Revolution, 
wie sie Zürich sah, bewahrte. Eben 
aus diesem ti runde vermochten die 
Zünfte in Bern aber niemals die wich- 
tige Bolle zu spielen, welche ihnen 
t. B. in Zürich zugefallen war. Indem 
Hern den innern Streitigkeilen ent- 
ging, die das Uebergewicht der Zünfte 
in Zürich. Sehaffhausen und Basel her- 
vorrief, bewahrte es sich eine straffere 
und einheitlichere Organisation, die 
ihm gestattete, nach Aussen impo- 
nierender aufzutreten. Nachdem die 
Stadt in kirchlicher Beziehung zuerst 
der DeiiUchritterkomthurci Knniz 
unterstellt gewesen war, gestaltete sie 
sich im Jahr 147« zu einer eigenen Kirchgemeinde um. 

Als Adolf von Nassau zur honigswiirde gelangte, traten 
Bern, Solothurn und die Kiburger auf seine Seite, wäh- 



rend Freiburg, die Grafen von Savoyen. Neuenbürg und 
Greierz. sowie der Freiherr von Weissenburg für Oester- 
reich Partei nahmen. Aus dem daraus sich ergebenden 
Krieg ging Bern als Sieger hervor ( Kampf am Dornbühl 
4. Mär/ 121)8). Auch unter der Regierung Albrechts von 
Oesterreich, Heinrichs von Luxemburg, Ludwigs des 
Baiern und Friedrichs des Schönen wusste sich Bern 
seine Unabhängigkeit zu wahren. Der Bruderzwist im 
Hause Kiburg galt den Bernern Gelegenheit zur Ausdeh- 
nung ihres Terrilorialbesitzes. Eberhard von Kiburg 
« mussle Stadt und Burg Thun als Lehen von Bern an- 
nehmen und Berns Vasall werden. » In einem mit Frei- 
burp ausgebrochenen Kampf zerstörten die Berner meh- 
rere Schlosser, darunter auch die Feste Gümm^ncn. Es 
folgte ein von der Königin Agnes vermittelter Frieden 
(1333). Im folgenden Jahr erhoben sich die Leute des 11ns- 
lethales gegen die sie bedruckenden Freiherren von Weis- 
senburg und riefen Berns Hilfe an, das sich die günstige 
Gelegenheit nicht entgehen lies» und das Oberland in 
seinen Besitz brachte. Der mächtige Aufschwung, den 
Bern genommen, reizte die Nachbarn der Stadt, die das 
Los der Weissenburger fürchteten. Es bildete sich eine 
mächtige Koalition «ogen Bern, an der die Barone der 
Waadl und die Grafen von Greierz mitsamt dem ganzen 
welschen Adel, die Stadt Freiburg, die Bischöfe von Lau- 
sanne und Basel, die Grafen von Nidau. Aarberg und 
Strassbcrg, Oesterreich und selbst der Kaiser Ludwig der 
Baier sich beteiligten und die für die Stadt verhängnis- 
voll zu werden drohte. Von Savoyen im Stiche gelassen, 
konnten die Berner einzig auf die befreundete Stadt Solo- 
thurn und die Hilfe der NValdslätle, sowie der Leute aus 
dein Ilaslelhal zählen. Der regierende Schultheis». Jo- 
hannes von Bubenherg. suchte zunächst eine Vermittlung 
anzubahnen, doch führten die darauf bezüglichen Ver- 
handlungen in Neuenegg nur zu einem noch stärkern 
Aufflammen der Kampfeslust der Gegner Berns. Im Früh- 
jahr 133!* liesseri sie durch den Grafen Gerhard von Va- 
langin die Feindseligkeiten eröffnen. Eine gewaltige Ar- 
mee von 20000 Mann begann die Belagerung von Laupen, 
dessen unter Johannes von Buitenborg, dem Sohne des 
Schultheis** n. siebende Besatzung von bloss 600 Mann 
dem Feinde wacker Stand hielt. Am 21. Juni 133» 
ruckten- die Berncr, 5000 Mann stark und mit 900 Zu- 






Schlacht bei t.aupea 21. Juni 1.130. 
Stumpft Chruoik von tiso. — L»Dil<'Mnu'wiim Zöncb). 

zügern aus den Waldstatten, 300 aus dem Ilaslelhal und 
300 aus dem Simmenthal. sowie einiger Mannschaft aus 
i, unter dem Oberbefehl des Hilters 



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nudulf von Erlach aus der Stadt und errangen noch am 
»einen Abend in der Schlacht bei Laupen einen glor- 




Kiatrltt Hirn« m die Kidg«Do«MD»caafl 0. Muri U.'i3. (BQrgsrbibljothsk Liusro). 

nach Vergnügungen 



reichen Sieg. ■ I>er Abend ging zu Ende ; die Sonne -ank 
zum Horizont und sandle ihre (etilen Strahlen vergoldend 
über die Landschaft. Sic beleuchtete und rötete ein mit tau- 
senden von Erschlagenen und Verwundeten, mit Pferden, 
Wallen und Pjnnern grausig überdecktes Feld. Man schall- 
te die Zahl der Toten auf löOu. Angesehene Adclshaupter, 
wie der Graf von Nidau. der von Valangin. der junge Graf 
Ludwig von W. -ia.lt und der Schultheis» von Freiburg lagen 
tot. Die Klage um Gefallene war weit ausgebreitet, durch 
Elsas«, Dreisgau. Sundgau, dies- und jenseits des Kheins. 
durch deulsc he und wel*che Lande. ■ Es folgte noch eine 
lange Fehde zwischen den streitenden Parteien, bis durch 
die Vermittlung der Königin Agnes am 7. August 1340 
der Frieden von Rheinfelden geschlossen wurde, der ein 
zehnjähriges Dundnis Rems mit Oesterreich und die An- 
näherung zwischen Dern und Freiburg zur Folge hatte. 
Beide Städte zogen wenige Jahre später | 1319) gemeinsam 
gegen den Grafen von Greierz zu Felde. Als Bundes- 
genossen von Oesterreich sahen sich die Berner gegen 
ihren Willen veranlasst, in dem Kampf zwischen dem 
Herzog All. recht und Zürich vor diese Stadt mitzuziehen. 
Nach Abschlug* des Brandenburger Friedens, von dem 
wir schon gesprochen, bot Bern den Waldstetten einen 
ewigen Bund an, der dann auch am 6. Marz 1333 abge- 
schlossen wurde. Damit trat Bern als achter Ort in den 
Bund der Eidgenossen. Dieser Bund Bern« hatte denjeni- 
gen Zürichs mit den Eidgenossen zum Vorbild und be- 
schränkte sich auf Bern und die WaldaUtte, indem Zürich 
und Luzern ausserhalb desselben blieben. Solche Bünde 
verschiedener Natur mit verwickelten Doppelstellungen 
di r Bundesgenossen snlHen noch für lange Zeit hinaus 
die Regel bleiben. Erst dreissig Jahre später, d. h. nach 
dem Sempacherkrieg, der die Eidgenossen zwang, gegen 
den gemeinsamen Feind Front zu machen, kam dann der 
geschlossene Rund der acht alten Orte wirklich zu Stande. 

10. Xett* Fehden mit Österreich : Megenifmrger und 
Thorherger Frieden. — l'faffenhrief. — Guglerkr'ieg. Der 
zwischen den Eidgenossen und Oeslerreich vereinbarte 
Frieden war von kurzer Daner. Im Frühjahr 1353 rüstete 
der Herzog von neuem gegen Zürich und srhloss zu diesem 
Zwecke ein Bündnis mit Kaiser Karl (V. von Luxemburg. 
Der K.ii-i'i i iHm Iiii il forden Krieg, worauf Herzog Albrecht 



wiederum mit einem starken Heer, dem es aber an Ein- 
heitlichkeit fehlte, vor Zürich rückte, dessen Umgebungen 

er verwüstete. Des ewigen 
Streitens müde, schlössen 
dann Oesterreich und die Eid- 
genossen am 25. iuli 1355 den 
Frieden von Regensburg, der 
mit dem Brandenburger Frie- 
den ziemlich gleichlautend 
war. Schon im folgenden Jahr 
ä». April VS*Y, schloss Zürich 
mit Oesterreich einen Hund. 
Als Herzog Albrecht 1358 ge- 
storben war, entzweite sich 
sein ältester Sohn und Nach- 
folger. Rudolf IV., mit dem 
Kaiser, der nun die sechs- 
orlige Eidgenossenschaft ((Ha- 
rnt und Zug nicht inbegriireu i 
anerkannte. DieSchwyzer er- 
oberten das mittlerweile wie- 
der in österreichischen Besitz 
gekommene Zug zurück, wo- 
rauf der auszubrechen dro- 
hende Krieg durch einen Im- 
gen W. dienst ill-.t.ind, den nach 
»einem hauptsächlichsten Ver- 
mittler, dem Ritter Peter von 
Thorberg, Landvogt des Thur- 
gaues und Aargaues, soge- 
nannten Thorbergcr Frieden 
März 1368), beschworen 
wurde. 

Während dieser unruhigen 
Zeiten Hessen ili" Sitten und 
das Gebaren der Geistlichkeit 
vieles zu wünschen übrig. 
Junge Leute, deren Sinn ein- 
una Lustbarkeiten stand. 
Hessen sich fette 'Pfründen übertragen und machten 
sich unter dem Schutz ihres geistlichen Gewandes zahl- 
reicher Uehergriffe schuldig, die sie dann unter Be- 
rufung auf ihre geistliche Immunität vor dem well- 
lichen Richter zu verantworten sich weigerten. Die» 
traf z. B. zu bei Bruno Krün. Propst am Grossmünstcr in 
Zürich und Sohn des Bürgermeister« Brun, der den Lu- 
zerner Schultheissen Peter von Gundoldingcn durch seinen 
Bruder bei Wollishofen halte überfallen und gefangen 
nehmen lassen. Der gewaltige l'n willen, den dieser Frevel 
weit herum erregte, gab den Eidgenossen Anlass zum Ab- 
sen lus* des unter dem Namen des PfafTenhriefes bekann- 
ten Konkordates, das die Kompetenzen der weltlichen 



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misenung der Geistlichkeit in die weltlichen Angelegen- 
heiten verhüten sollte. Seine wahre Spitze richtete der 
PfalTenbrief aber gegen Oesterreich, indem in ihm «alle 
im Gebiete der Eidgenossenschaft wohnenden Vasallen. 
Diener und Anhinger Oesterreichs» verpflichtet wurden. 
1 /u schworen. • l.i—— »ie der Eidgctmssensch.iit Nutzen und 
Ehre fordern. Gefahr von ihr wenden und sie nicht schä- 
digen wollten k. 

Während die Eidgenossen mit Oesterreich in Fehde 
lagen, hatte sich die im Entstehen begriffene französische 
Nation mit den Engländern herumzuschlagen. Einen Still- 
stand dieses Kampfes benutzend, uberzog der Hilter Ingel- 
ram ( Enguerrand) von Coucy aus der Picardie an der Spitze 
einer Bande von gallischen Abenteurern die Schweiz mit 
Plünderung und Totschlag. « Er hatte es auf Oesterreich 
abgesehen. Seiner verstorbenen Mutter, Katharina von 
Oesterreich, einer Tochter des am Morgarten so schwer 
gedemutigten Leopold, war seinerzeit als Aussteuer die 
Summe von Sinn Mark Sdliei versprochen winden, und 
da diese nicht bezahlt werden konnte, so waren als Pfan- 
der die besten Städte des Aargaues verschrieben worden : 
Sempach, Sursee, Aarau. Lenzburg und Bremgarten. Dem 
Vertrag war aber von Seiten * lesterreiehs . . . keine Folge 
gegeben wurden. Herr Ingeham. auf Ruhm und Macht 
leidenschaftlich erpicht, beschloss, mit den Waffen sich 
zu holen, was ihm geharte. - Beim Herannahen der ge- 
fährlichen Bande ersuchte Oesterreich die Eidgenossen um 



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GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ \>ri«g >„-, obro<i«r mag*, Kmmdmtg. 





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DIE VIII ORTE 1331-1412 




DIE XIII ORTE 1422-1797 



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361 



Hilfe. Bei Bultisholz. Ins und Franbrunnen wurden die 
• Gugler l, wie man diese Scharen nach ihren Kugclhülen 
benannte, von den l'nterwaldnern. Luzernern und Her- 
nern Beschlagen (1375) und darauf hinler den Jura »uriick- 
getrieben. Die Haltung Oesterreichs und s iner Verbün- 
deten, der Grafen von Kihurg. war bei diesem Anlas« 
eine klägliche gewesen. Hern benutzte das Ansehen, das 
ihm sein Sieg gegeben, um die verschuldeten Grafen von 
Kihurg zur kaufweisen Abtretung der Städte Thun und 
llurgdorf zu veranlassen. 

//. Senipacherkrieg und Schlacht hri SAfel* il.txti 
uml 1.1HNK — Srtupacherbrief. Durch die l'chernahme der 
ktburvischen Güter halte Bern die Kluft, die zwischen 
den Eidgenossen und Oesterreich gähnte, noch erweitert. 
Nach Budolf* IV. Tod teilten sich dessen zwei Bruder in 
die Erbschaft: während das eigentliche Oesterreich an 
Alhrecht III. kam, Helen die Herrschaften der Habsburger 
in der Schweiz, in Kärnten. Steiermark. Tirol und Elsas*, 
im Breisgau und Sinidgau an Leopold III. iden Besiegten 
von Sempach), den Vorfahren Karls V. Biesen jungen und 
walTenfreudigen Fürsten halte Kaiser Wenzel von Böhmen 
zum Landvofft von Schwaben bestellt. Die sich bedroht 
fühlenden schwäbischen Beichestadte schlössen nun arn 
'21. Februar i;K> in Konstanz einen Bund mit den Städten 
Zürich. Bern. Luzern, Sololhurn und Zug, die duich 
österreichische llausguter räumlich voneinander getrennt 
waren. Oesterreich hatte in Botenburg an der von Luzern 
nach dem Aarcau führenden Strasse einen Zoll eingerich- 
tet, der dem Handel von Luzern sehr lästig war. Die von 
Peter von Thorberg, dem Herzog Leopold das Entlebuch 
verpfändet hatte, unterdrückten Kntlcbucher erhoben sich 
mit Hilfe ihrer Nachbarn, der Leute von Obwalden Als 
dann dieser Aufsland blutig unterdrückt wurde, wandten 
sich die Kntlehucher um Hilfe an Luzern. welche Stadt 
sich beeilte, diese l.eute unter ihren Schutz und Schirm 
zu nehmen. Ober das freche Gc bahren der Besatzung von 
Botenburg ergrimmt, brachen die Luzerner den Waffen- 
stillstand mit Oeslerreich und bemächtigten sich unver- 
mutet des Schlosses Botenburg ( Weihnachten 1385), das 
sie zerstörten. Im folgenden Jahre nahmen aie ferner 
das Städtchen Sempach, «das durch die Herrschaft Oester- 
reich sich zurückgesetzt und durch die Vogte von Boten- 
burg sich beleidigt sah », in ihr Burgrecht auf. I'm sich für 
diese Beleidigungen zu rächen, sammelte Herzog Leopold. 



Streitern, mit dem er am 8. Juli in Sursee einzog. Dm 
wellige Hügelland, in dem sich am 9. Juli 1386 die Schlacht 





Schlacht M Soinpach 9. Juli 13*3. 
i/Vus Stumpf« Chronikl 

der sich mit den scfiwäbi*clien Städten versöhnt und da- 
durch die Eidgenossen isoliert hatte, ein Heervon5lM>-6»lUU 



Zerstörung der Rotenburg durch die l.uieroar 1383. 
(HQrgrrblbllothok l.u»*rn). 

entwickelte, war für die Beiler sehr un- 
günstig, so dass sie alsbald absassen. 
Die bloss etwa 1500 Mann starken Eid- 
genossen « bildeten eine schmale, aber 
tiefe Schlachtordnung, die Sturmko- 
lonne (• Keil «I. wornach in den vor- 
deren Beihen nur Wenige standen, je 
weiter hinten, desto mehr. Sic suchten 
sich in den Feind einzubohren. Dieser 
seihst (Und in geschlossener, massiger 
Aufstellung mit breiterer Front, als die 
der Eidgenossen war. da.« Vorne stan- 
den die Luzerner. Bevor aie sich auf 
den Feind warfen, riefen die Eidge- 
nossen Gott und die h. Jungfrau um 
ihren Beistand an. Der darauffolgende 
erste Angriff gestaltete sich zu gunsten 
lies Herzogs : die Schweizer vermoch- 
ten die Schlachtordnung der Oester- 
reicher nicht zu durchbrechen und 
kamen in grosse Not. Der Dannerherr 
der Luzerner. Alt-Schultheiss Peter von 
Gundoldingen, liel. Nun ordneten sich 
die Eidgenossen anders : sie losten ihre 
Sturmkolonne auf. « Die hintern Glie- 
der brachen seitwärts au* ; der Angriff 
erfolgte länga der ganzen Front der 
Oesterreicher : die Einzelnen suchten 
nun recht» und links an verschiedenen 
Stellen zugleich in die Reihen des 
Feindes einzudringen. Doch auch die» 
war schwierig >. Da entschied das kräf- 
tige Eingreifen der Leute aus den 
Waldstätten den Sieg : es entspann 
sich ein furchtbares Bingen Mann an Mann, dem Herzog 
Leopold selbst, einige hundert F.delleule aus dem Aargau. 



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Schwaben und Tirol, sowie mehr als fMJU gemeine Krie- 
ger /um Opfer fielen. 
Der grosse Erfolg bei Sempach. an dem liern nicht 




Her/off I eopold voo Pentcr «ich, ■{■ bei Srmpsch. 
illdilai« n-ic n Stumpft Chronik 1*>Wi. 

teilgenommen hatte, ist lange Zeil einem kriegsmnnu 
zugeschrieben worden, dessen heldenhafte«! Verhalten 
im kritischen Moment das Schicksal der Schlacht 
entschieden habe. Nach der t'eberliefening, der das 
Schweizervolk heute noch treu anhangt, hatte sich ein 
wackerer l'nlerwaldner, Arnold Winkelried, dem Feind 
entgegengeworfen, so viele gegen ihn gerichtete Spiesse 
der < »esterreicher, als er konnte, mit den Armm um- 
schlungen und an sich gerissen, wodurch den Eidgenus- 
sen ein Weg in die Keinen des Feindes gebahnt worden 
sei. Diese Darstellung gibt zuerst das alle 
Sempacherlied. das, wie man glaubt, aus 
der Mitte de» 15. Jahrhunderts stammt. 
Doch erwähnen die ältesten Chroniken 
den Namen W'inkelried nicht. Kine von 
Prof. Georg von Wyss entdeckte und itiß'I 
herausgegebene alte Zürcher Chronik 
aus der /eil um W'W spricht von einem 
wackern Ftdgenossen , der so viele 
Spte»se als möglich umiasst, dadurch 
aber nicht den Tod gefunden, sondern 
Noll Freude die Flucht der Oeslerreicher 
verkündet habe. Der Name Winkelried 
tritt in den Chroniken ersl um die Mith 
des Di. Jahrhunderls auf. Die heulige 
Form der Erzählung von Winkelrieda 
Heldentat leitet sich aus den Darstel- 
lungen von Tschudi ( I.VH) und llullinger 
I'.'..: her. IVof. Da ml Iii. er ist /u der 
Annahme geneigt, dasa Winkelried* Tal 
durchaus nicht bestimmt geleugnet wer- 
den kann. 

rnmiltelbare Folge der Niederlage der 
< »esterreicher war, das« die Eidgenossen 
alle Zugeständnisse, die sie im Ihamlcn- 
burger. Hegensburgcr und Thorbergcr 
Frieden gemacht, für null und nichtig 
erklärten, sowie /ug und Clarus von 
neuem in ihren Bund aufnahmen. Claims 
benutzte die Celegenhcit zugleich, um 
sich unabhängig zu erklären Das öster- 
reichische Stadlchen Weesen war 1388 
von den Eidgenossen genommen wor- 
den, wünschte diese Herrschaft aber 
wieder ahzu«chutteln . Deshalb ciltneten etliche Verräter 
in der Nacht des 22. Februar 1388 die Tore den (»estei- 
reichem, die nun die im Städtchen liegende eidgenös- 



sische Besatzung erbarmungslos niedermetzelten I Mord- 
nacht von Weesen) und darauf ein fjOlXMiOilU Mann 
starkes Heer sammelten, das am 9. April 1388 unter der 
Führung von Donat von Toggenburg und Peter von Thor- 
berg aufbrach, um gegen Nafels und Clarus zu ziehen. 
Zur gleichen Zeit zog Hans von Werdenberg mit 15iK) 
Mann über den kerenzerberg. in der Absicht, sich in 
Mollis mit dem andern Heer zu vereinigen. Vor Nafels, 
wo sich das Thal einengt, trafen die Oealerreieher auf die 
l.elzi oder « gemauerte Landwehr », die die Clarner hier 
«|uer durch das Thal gezogen hatten. Hier stand die Vor- 
hut der Clarner unter Matthias Ambühl. der beim Heran- 
nahen des Feindes sofort im ganzen Thal iSlnrm lauten 
Hess. Vor dem überlegenen Feind mussle sich Matthias 
Ambuhl bald zurückziehen und die l.elzi preisgeben. 
• Jetzt glaubten die Oesterreich er. gewonnenes Spiel zu 
haben. Sorglos liefen Nie . . . in die Häuser zu Nafels. 
Mollis, Netstal und noch weiter thalaufwärts bis Clarus. 
um zu rauben und zu plundern . . . (Jeher diesem Trei- 
ben lockerte sich die Disziplin des österreichischen 
Heeres, und es grilT eine gänzliche l'nordnung Platz. 
Mittlerweile aber sammelten sich auf Antrieb des Matthias 
Arnim hl die Clarner wieder, die Unachtsamkeit des Fein- 
des benutzend. Sie erspähten eine Stelle, wo sie sicher 
sein konnten, nicht umgangen zu werden, und von wo 
sie am bequemten den Feind an der Seile angreifen 
konnten . . . Bald wurden die Feinde gewahr, da-« die 
Clarner sieh wieder gesammelt hatten. Sie erkannten 
die grosse Cefahr. die von daher drohte. Auch sie sam- 
melten sich nun und ordneten sich zum AngnlT. » Da 
prasselte von der Schutthalde, an der die Clarner standen, 
ein Ilagel von Steinen auf die anruckenden Heiter nieder, 
so das« die Pferde scheu wurden und in den Bethen dea 
nachrückenden Fussvolkes Unordnung entstand. • Im 
gleichen Moment druckten die Clarner von der Höhe her- 
unter und Ii leben die ( leslcrreicher durchs Thal hinab. Ein 
Witte riiiigKumschlag vermehrte den Schrecken der letz- 
tem. Nachdem der Tag schon und hell angebrochen war, 
folgten Nebel, Hegen und Schnee und bald ein solches 
Dunkel, dass man einander hei geringer Knlfernnng kaum 
sah. In dieser unheimlichen Finsternis, eingeschlossen 
zugleich von himmelanstrebenden Felswanden, auf völlig; 
unbekanntem Boden, mutslcn die Oesterreicher von 




Schlacht bei NaMa B- April H«« 
(Nach Stumpf» Chronik». 

bangen Ccfuhlen he«chhchen werden. Ein hitziges, länger 
dauerndes Cef echt entspann sich, in das auch die Zuzü/er 
aus dem obern Thal, die sich unter heissen Kämpfen 



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363 



durchgeschlagen halten, und ebenso auch die eben an- 
rückenden Sehwyzer eingriffen. Unaufhaltsam stürmten 
die Glarner vor und hieben mit ihren Hellebarden un- 
barmherzig drein. Sie jagten den Feind durch die Linlh 
und die LeUi, dann durch das grosse Riet hinab ins Thal 
von Weesen *. Die Abteilung de* Grafen von Werdenberg 
Höh. ohne in den Kampf einzugreifen, eiligst nach dem 
Walenset' zurück. Damit war die Schlacht bei Näfels 
i9. April 1388), die den Oesterreichern 1700 Mann kostete, 
zu gunsten der Glarner entschieden, die seither deren 
Andenken jedes Jahr am ersten Donnerstag im April mit 
der sog. Näfelser Fahrt feierlich begehen. 

Des Krieges müde schloss das nach diesem neuen 
Schlag erschöpfte Oesterreich mit Bern und den Eidge- 
nossen am 22. April 1389 einen Frieden auf sieben Jahre, 
der diesen letztern alle ihre Eroberungen und Bünde 
sicherte. Dieser Friede wurde 13U4 auf weitere 20 und 
1412 auf 50 Jahre erneuert und dann 1474 in einen ewigen 
Frieden umgewandelt. 

Die Siege von Sempach und Näfels haben der Kidge- 
nossenschaft der acht alten Orte die Freiheit und Unab- 
hängigkeit gegeben und ihre vollständige Emanzipation 
zur vollendeten Tatsache gemacht. Politisch bildeten die 
eidgenössischen Orte aber immer noch ein Glied des 
Reiches, von dem sie »ich dann im Frieden von Basel 
(14901 de facto, sowie im Westfälischen Frieden von 
1648 auch de iure loslosten. 

I m ihren Bund zu festigen und sich auch für die Zu- 
kunft zu sichern, verschärften und vervollständigten die 
8 « Orte » oder « Stände » im Sempacherbrief vom 10. Juli 
1393 die Massregeln, die sie schon 23 Jahre früher im 
Pfatfenbrief getroffen hatten. Damit legten sie den Grund 
zu einer eidgenössischen Zivil- und Militärverfavsung. 
Dieser neue Bundesverlrag ist oft auch mit dem Namen 
• Frauenbrief » belegt worden, weil er gewisse Bestim- 
mungen enthielt, die sich auf die den Frauen schuldige 
Mucksicht bezogen. « Fr ist der erste, alle acht Orte zur 
Einheit \crknnpfende, also allgemeine, umfassende Bund, 
und er behauptete diesen Vorzug für fast hundert Jahre. 
Kr ist also von hervorragender nationaler Bedeutung. » 
Die Rücksicht auf religiöse Gefühle und geweihte Orte, 
sowie der ganze menschenfreundliche Geist, die sich in 
diesem [lundesbrief kundgeben, zeugen von den gross- 
mutigen Gefühlen, die die Helden von Sempach und 
Nafels beseelten. Obwohl sie einfache Bauern von rauhen 
Sitten waren, erkannten die Eidgenossen doch, dass 
Hoheit kein Zeichen von gesunder Kraft sei. Indem sie 
Person und Kigentum schützten, dem Kriegsvolk das Plün- 
dern auf eigene Faust untersagten und jeden verpachte- 
ten, alle Beute, die er gefunden, zur gemeinsamen Tei- 
lung abzuliefern, indem sie ferner die Misshandlung von 
Frauen und Töchtern, sowie das Einäschern und Ausplün- 
dern von Klöstern, Kirchen und Kapellen verboten, be- 
mühten sie sich, den Ausschweifungen, denen das Kriegs- 
leben so leicht Vorschub zu leisten geeignet ist, möglichst 
vorzubeugen. 

i'i. Kultur de$ ausgehenden /4. Jahrhundert*. Das 
14. Jahrhundert bezeichnet für die Schweiz eine Zeit 
kräftiger Jugend und siegenden Heldenmutes. Weniger 
glänzend als das 15. Jahrhundert, erscheint es dafür sit- 
tenreiner. Wenn man den Text des Bundesbriefes von 
1291 und denjenigen des Sempacherbriefes, die den An- 
fang und das Ende dieser ersten Periode der Schweizer- 
geschichte bezeichnen, aufmerksam liest, fällt einem sofort 
die vornehme Gesinnung und das Gefühl der Pietät auf, 
die diese Urkunden beseelen. In der Zeit der Morgenröte 
ihrer Unabhängigkeit und ihres Ruhmes zeigen sich die 
Schweizer als grossmütige und gemässigte Sieker. 

Alle wichtigern Gemeinden, aus denen sich heule das 
Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft zusammen- 
setzt, haben nach und nach Freibriefe und Handfesten 
sich erworben. Nach dem Ursprung dieser Freibriefe ge- 
ordnet, lassen sich drei Reihen von schweizerischen Städ- 
ten unterscheiden. In die erste Reihe gehören die freien 
Reichsstädte Zürich, Sololhurn (Handfeste von 1280). St. 
Gallen (Handfeste von 1281) und Schalfhausen. sowie die 
freien Markgenossenschaften Un undSehwyz. Eine zweite 
Reihe bilden die BMchofatotadte : Chur, dessen Hürger 
schon im 9. Jahrhundert sich gewisser Freiheiten er- 
freuten ; Lausanne, dem der Propst Ardutius ums Jahr 



114V eine Art freiheitlicher Verfas<un; gegeben ; 'Sitten 
(Statut von 1217), Bisel (Freibrief von I2til) und Genf 
(Freibrief von 1342 1 . Die am zahlreichsten vertretene 
dritte Reihe umfasst die Städte, Flecken und Landge- 
meinden, die sich von ihren Herren Vorrechte zu ver- 
sch allen wussten. Dahin gehören u. a. : Villeneuve (1121), 
Burgdorf. Freiburg (1178), Murten. Bern \ 1191). Aubonne, 
Vevey, Moudon 1 1236 1. Thun (12Öti. Aarau. Sempach, 
Bremgarten. Nidau. Erlach. Aarherg, Payerne (1283), 
Grandson (1293), Romont. Yverdon (1328). Dank diesen 
Freibriefen und Handfesten, die zugleich die Fragen des 
Zivil- und des Strafrechtes regelten, nahm da* Gemeinde- 
leben überall seinen Aufschwung und machte sich über- 
all der Trieb nach Unabhängigkeit geltend. Di Stadt und 
Land zeigte sich ein Fortschritt im wirtschaftlichen Lehen, 
der sich namentlich in der sich festigenden Machtstellung 
der Zünfte offenbart. In Basel. Zürich, Bern. St. (lallen. 
Luzern. Freiburg etc. entstanden Tuch-, Leinwand- und 
Zwilchrabriken. wie auch Gerbereien ; in Zürich blühte 
Seidenindustrie und Seidenhandel auf; in GenT hielt die 
Goldschmiodekunst Einzug. Im Biuwesen sah sich das 
Holz allmählig durch den Stein verdrängt. Der Verkehr 
über die Alpen begann sich zu beleben ; so erscheint der 
Weg nach Italien über den Simplon zum erstenmal in 
einer Urkunde vom Jahr 1233. Die von Nürnberg oder 
Frankfurt kommenden Händler nahmen ihren Weg uber 
Basel. Solothum und Neuenburg, um sich dann uber 
Yverdon und Orbe nach Murges zu wenden, wo sie die 
von Italien kommenden und von Villeneuve auf dem See- 
weg hergeführten Waren in Empfang nahmen. 

Die Möglichkeit des Austausches und der Verwertung 
der Bodeiierzeugnisse erlaubte die Gründung eines ge- 
wissen Wohlstandes. » An Stelle der alten ■ Naturalwirt- 
schaft» traten jetzt immer mehr (ieldverkehr und Geld- 
wirtschafl ». Das Geld wurde ausgeliehen und begann, 
ein ausschlaggebender Werlfaktor zu werden. Kapital- 
Wirtschaft, Kredit- und Bankwesen entwickelten sich zu 
machtigen Hilfsmitteln des kulturellen Fortschrittes. Doch 
erfreute sich der Geldverkehr zu dieser Zeit noch nicht 
des Ansehens, dessen er heute geniesst. i Die christliche 
Kirche und die christlichen Obrigkeiten verpönten aus 
Vorurteil das Zinsnehmen oder den . Wucher», wie man 
diese Sitte auch in ihrer sittlich unanfechtbaren Form 
nannte. Und so kamen denn Geldverkehr und Geldge- 
schäft in die Hände der damals veraehtelsten Menschen, 
der Juden. » Diese Hessen sich als Geldwechsler und Ban- 
kiers in allen bedeutenden Städten der Schweiz wie des 
Auslandes nieder. Aus Frankreich vertrieben, dann aber 
von den Grafen von Savoyen beschützt, kamen sie um die 
zweite Hälfte des 12. Jahrhunderls nach Genf, um 1230 
nach Bern und um die Mitte oder das Finde des 13. Jahr- 
hunderts nach Basel und Zurich. Ihnen verdankt man 
die so nutzliche Einrichtung des Wechsels. Im 14. Jahr- 
hunderl Hessen sich hei uns als Geldwuchcrer auch 
nichtiüdische Lombarden und Franzosen (aus der Gegend 
von Cahors, * Kawerlschen » genannt), sowie später Flo- 
rentiner und Genuesen nieder. 

\ Ganz folgerichtig führte der steigende Wohlsland der 

j bürgerlichen Klassen auch zu einer Verbesserung der 
Lage des Handwerkers, dem er einen regelmässigen Ver- 
dienst sicherte. Der Aufschwung, den im 13. Jahrhundert 
die Zulassung von Vertretern der Zünfte in die Räte der 

I Stadt Basel herbeigeführt, vollzog sich im 14. Jahrhundert 
auch in Zürich und im 15. Jahrhundert in SehalThausen, 

I welche Stadt sich im Jahr 141 1 eine Verfassung nach dem 
Musler derjenigen von Zürich gab. Die Zahl der Zünfte 
wechselte. Kasel hatte deren 15. Zurich 13, Scharnhausen 0. 
An ihrer Spitze standen die Zunftmeister. Die gleichen 
Einrichtungen linden wir auch in St. Gallen, Genf und 
l-ausanne, wo sich die Zünfte in der Gestalt von Bruder- 
schaften oder «Confreries. organisierten, deren jede unter 
dem Schutz eines Heiligen stand und von einem Prior 
präsidiert wurde. 

Die in Zürich. Basel, St. Gallen und Schaflhausen bis 
zu Beginn des 19. Jahrhunderts an der Spitze des Ge- 
meinwesens stehenden Magistraten führten.wie in Deutsch- 
land, den Titel « Bürgermeister •, während der Bürger- 
schaft von Luzern. Bern, Solothurn und Freiburg je ein 
<■ Schultheis« • vorstand und der Chef der Regierung in 
den Kanlonen Uri. Schwyz, Unterwaiden. Zug. Glarus 



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und Appenzell als • Landammann » bezeichnet wurde. 
Diese Benennungen sind charakteristisch und deuten auf 
die verschiedene Gestalt der Vertagung und voneinander 
abweichenden Tendenzen hin. Die l'rkantone, sowie Zug, 
Glarus und Appenzell haben sich aus der Vereinigung 
von einigen Landgemeinden herausgebildet, an deren 
Spitze je ein Ammann «fand und deren Gesamtheit sich 
in der Pervon des o Landatnmannes» seinen obersten Ma- 
gistraten «ab. In dienen rein demokratischen Staatswesen 
lag uind liegt, mit Aufnahme von Schwvz und Zug, heute 
noch) die legislative Gewalt in den Händen der Lands- 
gemeinden, an denen sämtliche Aktivbürger sich betei- 
ligen müssen. Bern und Luzern. die ursprünglich von 
einem Schultheissen als Vertreter des Reiches bezw. des 
Klosters Murbarh regiert worden waren, behielten dienen 
Titel für den Vorsitzenden ihrer Häte bei. Das gleiche 
gilt für Freiburg und Solothum, wo sich die aristokra- 
tischen leberlieferungen erhallen hatten. In Basel. Zürich 
und Schaphausen dagegen war eine repräsentative Demo- 
kratie ans Ruder gekommen, die die oberste Gewalt in 
die Hände von, allen bürgerlichen Klassen entnommenen 
Vertretern der Zünfte gelegt hatten, weshalb der Vor- 
steher des Gemeinwesens den Titel «Bürgermeister* er- 
hielt. Diese Verschiedenheit in der Regierungsform sollte 
in der Folge einen grossen Einfluss auf die Politik der 
drei Gruppen von «Orten» oder Kantonen ausüben und 
entsprach auch einer verschiedenen Sinnes- und Lebens- 
weise. In drei Kantonen widmete sich die Bevölkerung 
hauptsachlich dem Handel und der Industrie, in vier 
Kantonen der Landwirtschaft und in sechs Kantonen end- 
lich der Alpwirlschaft mit Viehzucht. Der Titel «Syndi- 
kus«, der einst in Genf üblich gewesen und in den Kan- 
tonen Waadt. Freiburg und Tessin als Bezeichnung des 
Gemeindepräsidenten heute noch zu Recht besteht, scheint 
italienischen Ursprungs zu sein. An der Spitze der Stadt 
Uiu«anne standen zuerst zwei Gouverneure oder Prior«, 
die 1329 durch einen Bürgermeister und 1803 durch einen 
Syndikus ersetzt worden sind. 

Die verschiedenen Stände der städtischen Bevölkerung 
waren im 14. Jahrhundert von »ehr verschiedenartiger 
Lebensweise. Sie bcsuchleneigeneTrinkstuben und wohn- 
ten in besonderen Quartieren An diese Zeilen erinnern 
noch heute die llerrengasse, Junkerngasse etc. in Bern, 
die Schmidgasse in Basel, die Schmidgasse, B*<! erfasse. 
SchotTelgasse etc. in Zürich, die Mercerie in 1-aut.anne, 
die Pelisserie und Hölisserie in Genf, die Rue des Chau- 
dronniers in Neuenburg und verschiedene Judengassen 
in diesen und andern Städten. 

Mit den Sitten und Gebräuchen wandelte sich auch die 
Kleidung. Es kam der Luxus auf, der wieder strengen 
Verholen rief. So untersagte ein solches « Kleider-Man- 
dat« z. B. in Zürich 1370 den Frauen daB Tragen von 
• Borden und Säumen, von Seide. Gold. Silber. Perlen 
und Edelstein. Den Männern wurden verschiedenfarbige 
Hosen verboten, nur eine Farbe erlaubt : ihr Rock sollte 
bis zu den Knien reichen und die Zipfel der (iugelhaube 
nicht länger nein als der Rock. » f ür l'ebertretungen 
waren empfindliche Bussen angesetzt. • Nach einer Ver 
fügung von Zürich gebot 1374 der Stadlrat wieder, dass 
der Bräutigam an seine Hochzeit nicht mehr als zehn 
Manns- und ebensoviel Frauenspersonen einlade und die 
Braut ebenfalls. Auch sollte man sich nicht mehr als ein- 
mal zur Tafel begeben und niehl mehr als zwei Sänger, 
zwei Geiger und zwei Pfeifer auftreten lassen. Bern gebot 
137». dass bei Totenmählern niehl mehr als fünfzehn 
Personen ins Hans geladen werden sollten. » Während 



der Hitterstand dem finanziellen Ruin entgegen ging, be- 
reicherte sich der Bürgersland. Ks bildete sich ein neuer 
Adel, das städtische Patriziat. Schreckliche Verheerungen 
richtete 1348-1351 die Pest an. 

Ras religiöse Lehen war zwar immer noch intensiv, 
doch hatte eine arge Zuchtlosigkcit eingerissen, nament- 
lich unter den Geistlichen selbst. Besonders in Frank- 
reich und Deutschland waren die hohen geistlichen Wür- 
den gleichsam zum Erbstück des Adels und zu einer Art 
von Vernorgungsanstalt für die jungem Sohne adeliger 
Geschlechter geworden, die man vielfach ohne irgend 
welchen Wunsch oder Ruf ihrerseits in che Kloster steckte. 
Die Folgen eines solchen Vorgehens liessen nicht auf sieh 
warten. Von allen Seiten her regle sich die Unzufrieden- 



heit des beleidigten YulK »gewissen«, das dringend nach 
einer durchgreifenden Reform verlangte, welche Bestre- 
bungen auch im Vatikan lebhafte Unterstützung fanden. 
Die Zeiten waren aber für einen Umschwung auf religiö- 
sem Gebiet nicht günstig. Die Verlegung <len päpstlichen 
Sitzes nach Avignon (1307 1377) und die grosse Spal- 
tung, die sich daraus im Abendland ergab, warfen in 
der Christenheit mächtige Wellen und verhinderten die 
so nötige Erneuerung der Kirche and des kirchlichen 
Lebens. Man darf sagen, dass diese Erneuerung, wenn 



sie damals vom Haupte der Kirche i 
den wäre, ohne Aufregung und ohne kirchliche Revo- 
lution sicherlich alle die eingeschlichenen Missbräuche 
beseitigt haben würde. 

Das 14. Jahrhundert ist das goldene Zeitalter der My- 
stik, die namentlich in Deutschland einen günstigen Boden 
fand. Zahlreiche Personen betonten damals die Notwendig- 
keit individueller Beziehungen der Seele zu Gott, ohne sich 
deswegen der bestehenden kirchlichen Geroeinschaft zu 
entziehen. Sie arbeiteten so nicht nor an ihrer eigenen 
Vervollkommnung, sondern auch an der religiösen He- 
bung ihrer Mitmenschen. Zu nennen sind von solchen 
Mystikern namentlich Thomas a Kempis, der Verfasser 
der Iniitatio Christi und zugleich der liebenswerteste 
und anziehendste der deutschen Mystiker, sowie der 
Predigertnönch Heinrich Suso (12U5-1366) in Konstanz, 
o Ernste, beschauliche Naturen, abgestosaen von dem 
üppigen Treiben der Welt, ergriffen von Schmerz über 
die sittliche Verderbnis, erfasst von Hunger und Durst 
nach dem Himmlischen, zum Teil auch beleidigt durch 
die Aeueserlichkeiten des mittelalterlichen Kultus und die 
Entartung der Kirche, zogen sich einzeln oder in Gesell- 
schaften in die Stille zurück, pflegten einen rein inner- 
lichen Gottesdienst des Herzens. Der weltlichen Minne 
entsagend, ergaben sie sich milder ganzen Innigkeit eines 
liebebedürftigen Herzens der göttlichen Minne. Sie such- 
ten einen unmittelbaren, nicht durch die Kirche ver- 
mittelten Zugang zu Gott, erhoben sich zu einem Schauen 
und Erleben des Gottlichen. Mit Rücksicht auf jene neu- 
teatamenlliehe Stelle, wo Christus zu den Aposteln sagt : 
« Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde ! », 
wurden sie « Gotlesfreunde * geheitsen. * Anders die 
Sekte der sog. « Brüder des freien Geistes ». welche « die 
Sakramente und die Lehre von den guten Werken ver 
warfen und Feinde der hohem Geistlichkeit und des 
Papstes waren«. Gegen diese «Ketzer» wurden strenge 
Massregeln ergriffen, besonder» in Bern und Freiburg. 
1380 erhielt der Franziskaner Boret I vom l>apst den Auf- 
trag, diese « Ketzer« aufzusuchen, welchen er so gründ- 
lich ausführte, dass er mehrere hundert Personen ver- 
brennen lies«. 

Mit Bezug auf Literatur und Wissenschaft kann das 
14. Jahrhundert als eine Zeit des Uebergangea bezeichnet 
werden. Während die Literatur früher ausschliesslich 
von der Klostergeistlichkeit und nachher auch noch vom 
Riltersland gepflegt worden war, tritt mit der Blüte des 
Bürgertums nun auch in ihr ein anderer, bürgerlicher 
Geist auf. Ks erscheinen sowohl lateinisch als auch in 
schweizerdeutscher Mundart verfassle Chroniken und 
Volkslieder, die die Kriegstalen der Kidgenossen verherr- 
lichen. Der bekannteste der Chronisten jener Zeit warder 
Franziskaner oder Minorit Johannes von W'interlhur, der 
um 1300 geboren war und auf Seite Oesterreichs stand. 
Er hat uns die beste und genaueste Beschreibung des in 
seine Jugendzeit fallenden Morgartenkrieges überliefert. 
Der zürcherische Ritler Eberhard Müllner verfassle eine 
Erzählung der Brun'schen Revolution und Verfassungs- 
änderung. Die Volkslieder «Guglerlied. Sempacher- und 
Näfelserlied elc> jener Zeit hatten als Verfasser meist 
Kriegsmänner, die sich darin gefielen, ihre eigenen Taten 
zu verherrlichen. Sofort nach einem errungenen Sieg 
verfasst, wurden dies«! Lieder später oft noch durch die 
Beifügung neuer Strophen vervollständigt. Deriillesle be- 
kannte dieser Sänger ist der Luzerner Halbsuler. Das hu- 
moristische Genre vertrat der Benediktinermonch Konrad 
von Ammenhausen, dessen um 1330 verCaaatea • Schach- 
zabelbuch " eine i. in Rhythmen und Reime gebrachte Be- 
schreibung und allegorische lleutung des Schachspiels >• 
ist. die «den Adel vor l'eppigkeit. die Landvogle vor 
Lehermut. warnt und über die l ebergritfe der Hand- 



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werker und die Unterdrückung der Geistlichkeit klagt, 
i Ungefähr gleichzeitig schrieb in Bern der gelehrte Pre- 
digermönch Ulrich I ioner sein grosses Fabelwerk «der 
Edelstein ». In dieser Sammlung von Fabeln, die er wegen 
ihres moralischen, für die Lebensweisheit höchst wert- 
vollen Gehaltes so benannte, berührt auch er durchweg 
die Zeitverhällniase. » Im Welschland trelTen wir den 
Minnesinger Otto von Grandson. von dem wir bereits eine 
Milprobo mitgeteilt haben. 

Indessen übte damals da» Wallenhandwerk einen grös- 
sern Heiz auf die Kidgenossen aus als die Künste des 
Friedens. So zeichneten Hie sich denn auch vor allem durch 
ihre Kriegskunst aus. Da für die einfachen Uürgcr der 
I »iriist zu Pferd zu kostspielig gewesen wäre, brachten «in 
den Dienst zu Fuss zu neuen Khrcn. Sie pflegten gleich 
den alten Griechen eine geschlossene und tiefe Schlacht- 
ordnung zu bilden, diu von Spiessen und Hellebarden 
starrte. Das Terrain nutzten sie geschickt aus und ver- 
standen es. durch einen sorgfältigen Sicherheitsdienst 
sich den Sieg zu erringen. Die ersten Freiheitaschlachlen 
der Eidgenossen fallen in die Zeit des Aufkommens des 
Schiesspulver«. doch brach sich diese neue Erfindung zu- 
nächst nur langsam Hahn. Die ältesten Kanonen oder 
■ Donnerbüchsen ». wie man damals sagte, halle Hasel im 
Jahr 1371. Geschütz kam. soviel uns bekannt, zum ersten- 
mal 1383 durch die Berner bei der Belagerung von Burg- 
dorr wirklich zur Verwendung. 

1.1. Befreiung der Stadt St. Gallen und (fall Landes 
Appenzell ; ' Kampf bei Speicher und am S'ut*. Dank 
der Hührigkeit ihrer Bewohner blühte die Stadt St. Gal- 
len in Handel und Industrie auf und loste sie sich un- 
merklich von den Banden los. die sie an den Fürstabt 
des Klosters knüpften. König Hudolf schon halle ihre 
Selbständigkeit dadurch anerkannt, dass er ihr im Jahr 
1281 Titel und Rechte einer freien HeichsaUdt verlieh. 
So gab sich denn Sl. Gallen auch einen eigenen Hat, so- 
wie seit 1344 einen an dessen Spitze stehenden Bürger- 
meisler. Als die Bodenseestädte im Jahr 1377 einen Bund 
zur gemeinsamen Abwehr der Ucberg rille des Adels schlös- 
sen, gesellte sich ihnen auch St. Gallen zu. Diesem Bei- 
spiel folgten die Appenzeller, St. Gallena Nachbarn. Ohne 
auf die Hechte des Abtes von St. Gallen Bücksicht zu 
nehmen, betrachteten sie sich als freie Leute und gaben 
sich 1.177 eine Landsgemeinde, sowie einen aus 13 Mit- 
gliedern bestehenden Bat. Dies ereignete sich unter der 
strengen Herrschaft des Abtes Georg von Wildenstein. 
Sein Nachfolger war Kuno von Stolleln. der den Geist 
der Unbotmässigkeit, der bei seinen Untertanen einge- 
rissen, mitGewalt zu unterdrücken versuchte. Doch bewirk- 
ten die Hartherzigkeil seiner Vögte, die Prunksucht seines 
llofhaltes und seine geheime Verbindung mit Oester- 
reich gerade das Gegenteil von dem. was er zu erreichen 
beabsichtigte. Von den Erfolgen der Eidgenoasen bei 
Sempach und Näfels begeistert, beschlossen die Appen- 
zeller, sich enger an die Bürgerschaft der Stadt Sl. Gallen 
anzuschlieasen und nach dem Schulz der Schweizer Bünde 
zu trachten. Die gerade im Frieden mit Oesterreich leben- 
den Eidgenossen lehnten aber einen Bund mit den zum 
Aufstand gerüsteten Appenzellem ab, die einzig von 
Schwyz 1403 ins Landrecht aufgenommen wurden. Durch 
diesen Schritt aufgebracht, rüstete der Abt, der sich der 
Hilfe der schwäbischen und österreichischen Städte ver- 
sichert hatte, ein Heer von 5000 Mann, das von St. Gallen 
aus gegen das Land Appenzell hinaufzog. So kamen sie 
zur . Vogelinseck «. einer Anhohe vor dem Dorfe Speicher. 
« Es war ein schmaler und tiefeingeschnittener Hohlweg, 
durch den sie sich hinaufzuwinden hatten ; in diesem 
Einschnitt konnten sie nicht weit sehen, denn die Borde 
des Weges waren so hoch, dass selbst die Heiler mit dem 
Kopfe nicht uher dieselben hinausragten. Der Zug war 
derart geordnet, dass Zimmerleute und Werkleute mit 
Schulzen vorangingen, dann die Beilerei und Fusstruppen 
folgten. Mit grosser Leichtlertigkeit und ziemlich ord- 
nungslos zogen sie dahin. » An der Letzi angekommen, 
machten sie Hall und wurden so von den hinter der Ver- 
schanzung aufgestellten Appenzellem überrascht, die 
kraltvoll hervorbrachen und die Heiteret durch Steinwürfe 
in Unordnung brachten. «Die Beiter wurden zurückge- 
worfen und -ii- Ilten weiter unten Stellung m nehmen ; 
allein dadurch geriet das Fussvolk in Verwirrung ; die 




Denkmal hat VOgelnegg zur Erinnerung an 
die Appenzelle l-relbeiUkampfe. 



schimpllichste Flucht begann. Unter beständigen Angriffen, 
mit wuchtigen Schlägen und Hieben, jagten die Appen- 
zeller und die 
Eidgenossen 
sie alle den 
Berg hinunter 
bis vordie Tore 
von St. Gallen 
und schlugen 

viele tot. • 
(15. Mai 1403). 
Während des 
auf diesen Sieg 
noch folgen- 
den Kleinkrie- 
ges legten sich 
nun die Eid- 
genossen ins 
Mittel. Sie ver- 
anlassten ei- 
nerseits den 
Stand Schwyz, 
von seinem 
Bündnis mil 
Appenzell zu- 
rückzutreten, 
andrerseits 
aber auch die 
Reichsstädte 
und St. Gallen, 
mit den Appen- 
zellern ihren 
Frieden zu ma- 
chen. Der Abt 
dagegen, der 
aut die Hilfe Oesterreichs zahlte, wies jeden Vergleich 
zurück, sodass der Kampf umso heftiger von neuem ent- 
brannte. Nun schlug .sich ein Hilter aus der Nachbar- 
schaft. Graf Rudolf von Werdenberg-Heiligenberg, den 
Oesterreich um sein ganzes Gut gebracht, auf die Seite 
der Appenzeller, denen er seine Mithilfe versprach, unter 
der Bedingung freilich, «dass sie ihm zur Besitznahme 
seiner verlorenen Herrschaften wieder verhelfen und ihn 
an Oesterreich rächen. Die Appenzeller gingen den Ver- 
trag ein (Oktober llöii.n Zugleich wurde auch die Freund- 
schaft mit der Stadt St. Gallen wieder erneuert. Nun zog 
zum zweitenmal eine feindliche Armee gegen das aufrüh- 
rerische Bergvölklein. Das Heer teilte sich in zwei Haufen. 
Wahrend der eine unter der personlichen Führung des 
Herzogs Friedrich von Oesterreich die Umgebung von 
Sl. Gallen verwüstete, /oh der andere am 17. Juni 1404 
von Allsttitten aus, um über den Stoss ina Appenzeller- 
land vorzudringen. - Der Tag war trüb und kühl : es hatte 
stark geregnet, sodass Pfade und Abhänge schlüpfrig ge- 
worden waren.» Die Appenzeller erwarteten den Feind 
hinter der Letzi an der Grenzmark ihres Landes, unter- 
halb der Höhe des Stoss. Sie liessen einen Teil der 
Oeslerreicher sich einen Durchgang durch die Letzi hauen 
und der Höhe zu weiter ziehen. Dann aber brachen sie 
lo«. «Schnurstracks rückten die Appenzeller heran mit 
wildem Geschrei, Steine und llnlzblöcke vor sich her auf 
den Feind werfend. Verwirrung trat bei diesem ein. Der 
Abhang war glatt und schlüpfrig ; die Oeslerreicher ver- 
mochten nicht zu stehen, während die Appenzeller bar- 
fuMs, mil wunderbarer Sicherheit leicht und frei auf den 
bekannten Alpenhalden sich vorwärts bewegten.» Nach 
einigen Stunden hartnäckigen Kampfes war der Feind 
geworfen, der sich nun in wilder Flucht bergabwärts Alt- 
stetten zuwandte. Die Appenzeller hatten «den glänzend- 
sten Sieg erfochten ». der ihnen die Achtung ihrer nähern 
und weilern Nachbarn sicherte. Auf der Tagsatzung von 
Zug schlössen die sieben eidgenössischen Orte (Berti hielt 
sich zunickt mit Appenzell ein Burg- und Landrecht 
(24. November 1411). Als die Eidgenossen im folgenden 
Jahre mit Oesterreich einen fünzigjahrigen Frieden schlös- 
sen, wurde auch Appenzell in diesen miteingeschlossen 
und konnte sich von da an als fiei und unabhängig be- 
trachten. Die Stadt St. tiallen ward von den Eidgenossen 
im Jahr 1412 in ein zehnjähriges liurgrecht aufgenommen, 
das dann 14.V> in ein ewiges Bündnis umgewandelt wurde. 



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/■i. Hefreinng ile* W'allit ; Kampf ron Ulrichen. Die | 
Bischöfe von Sitten waren vom letzten Könige Burgunds 
mit der Grafschaft Wallis belehnt worden, die ihnen je- 
doch die Grafen von Savoyen streitig machten, denen es 
gelang. Bich des Unter Wallis bis zum Wiidbach Morgc 
2U bemächtigen. Sowohl im hischöllichen wie im grälli- 
chen Teil des Landes entstanden dann Gemeinden, deren 
Vorhandensein schon im 13. Jahrhundert erwähnt wird 
und die unter dem Vorsitz ihrer Herren oder Vogte ihre 
lokalen Angelegenheiten in eigenen kleinen Landsgemein- 
den behandelten. 1339 erhielt die Stadt Sitten vom Kaiser 
Ludwig dem Haiern einen Freibrief. Von dieser Zeit an 
erlangten die Gemeinden samt der Stadt Sitten • nach 
und nach Mitwirkung neben dem Hischof bei öffentlichen 
Angelegenheiten : sie bestellten einen Landrat. durch den 
des Bischofs Gewalt beschränkt war». Zur Ernennung 
der Abgeordneten |« Nuntii » genannt) in diesen Hat taten 
sich die Geineinden zu Gruppen zusammen, die von ihrer 
frühern Anzahl • Zehnten » geheissen wurden. 

Im 13. und 14. Jahrhundert spielte im Wallis die Ritter- 
schaft eine grosse Holle. Von den einllussreichsten dieser 
Adelsjjeschlechler nennen wir die Herren von Thurn- 
Geslelen (fratuos. LaTour-Chfitilloni, die Harun, Saillon, 
Saxon, Turtman. Tavelli, AHperling. Chaland. Diese Her- 
ren >«tanden entweder unter den Bischöfen von Sitten 
oder unter den Grafen von Savoyen. zuweilen auch unter 
beiden zugleich. Sie lagen mit ihren Oberherren in be- 
ständiger F ehde, weshalb die Bischöfe, um sich vor ihren 
Angriffen zu schlitzen, den die Stadt Sitten beherrschen- 
den Hügel von Tourbillon befestigen liessen. mit Hern 
und Solotlmrn Hundnisse eingingen und an verschiedenen 
Punkten des Landes VerlcidigungMuruic erbauten. Nun 
beschloss der Adel, an dessen Spitze die Herren von 
Thum standen, sieh der Feste Tourbillon tu bemäch- 
tiuen. Sie warben im Hasle-, Simmen- und Fruligthnl 
ein Heer. dasdieGemmi herabzog, aber bei Leuk vom Volk ■ 
des Wallis überfallen und auf einer thalabwarts gelegenen 
Wiese i« Seufzermatle » genannt) vollständig vernichtet 
wurde (I318|. Oer Adel gab seine Sache aber noch nicht 
verloren. Als nach der Kinsetzungdes Bischöfen Witschard 
von Tavelli 1344 ein Streit mit der Stadt Sitten ausbrach, 
suchten das Domkapitel und der Adel Hilfe beim Grafen 
von Savoyen, Amadeus VI., der diese Gelegenheit zur 
Einmischung in die Wailiscr Händel gerne ergriff und 
1352 Sitten einnahm, dessen Bürger ihm huldigen muss- 
ten. Die in ihrer Existenz bedrohten Gemeinden des 
Ober Wallis wandten sich an den Kaiser Karl IV. von 
Luxemburg um Schulz, der ihnen denn auch in der 
l'rkunde vom 31. August I3T>4 durch Bestätigung aller 
ihrer Privilegien und Freiheiten gewahrt wurde. TroU- 
dem dauerte der Kampf weiter und erreichte seinen Höhe- 
punkt mit der Ermordung des Ri»chofes Witschard von 
Tavelli, der am 8. August 1374 von Knechten seines Gross- 
netlen und ärgsten Heindes. Anton von Thum, aus den 
Fenstern der Burg La Soie zu Tode gestürzt wurde. Diese 
Schandtat brachte das Volk in Aufruhr : die Leute des 
Goms, von Hrig. Leuk. Sitten und Siders brachen mit 
Hilfe von Zuzugern aus den Waldstetten die Schlosser 
Antons von Thum und notigten diesen selbst, am Hofe 
von Savoyen Schutz zu suchen. Wenige Jahre später ent- 
brannte die Fehde von neuem. Hin vom Grafen Ama- 
deus VII.. dem « Roten», geworbenes Heer, das unter 
dein Befehl Peters von Greierz das Hhonethal aufwärts 
zog, wurde aber von den Wallisern unter Peter von 
Baron bei Visp überrascht und gänzlich geschlagen 
(23. Dezember 1388,. 

Nach dem Tod Witseharda von Tavelli war Wilhelm 
von Baron zur Bischofswürde gelangt, dessen Onkel 
Wilschard sich den Titel eines Landeshauptmanns bei- 
legte, die Zügel der Hcgierune ergriff und die Freiheit 
des Walliser Volkes bedrohte. Der krieg gegen Baron be- 
gann. Die Patrioten trugen nun die sog. « Mazze ». eine 
mächtige liolzkeule, deren Spitze ein roh geschnitztes 
Menschenhanpt trug, von Ort zu Ort. Das in seinen Zügen 
eine tiefe Traurigkeit ausdrückende Bildnis wurde gefragt : 
«Wer bedrückt dich? Ist es Silenen '.' Ist es Asperlm ' Ist 
es llaugarten '.' » Auf alle diese Namen blieb die Mazze 
unbeweglich, senkte sich aber auf den Namen Baron, 
worauf alle diejenigen, die *m Zuge gegen das verhasste 
Geschlecht teilnehmen wollten, einen Nagel in die Keule 



schlugen. Um dem gegen ihn sich erhebenden Sturm zu 
entgehen. Höh Witschard von Baron 1414 nach Savoyen . 
Die Burgen der Baron wurden genommen und gebrochen. 
Während aber die Waldslätte mit den Wallisern gemein- 
same Sache machten, stellte sich Bern auf Seite der Ha- 
ren. Bei Ulrichen »Hessen die Feinde aufeinander : hier 
hieben die Walliser, von einem wackern Bauer, Thomas 
Biedi in der Pünt. und dem Diakon von Münster, Jakob 
Minirhow, zum Kampfe aufgerufen und ermuntert, die 
Eindringlinge in Stucke. Die Berner musaten sich mit 
ihren Zuzügern aus Solothum. Freiburg. Biel. Aargau. 
Neuenbürg und Schwvz zurückziehen (Ende Oktober 1419). 
sannen aber auf Hache für ihre Niederlage. Da endigte 
den Streit ein vom Herzog von Savoyen, dem Erzbischof 
von Tarentaise und dem Bischof von Sitten gefällter 
Schiedsspruch (14201, laut welchem die Walliser dem Ba- 
ron seine Herrschaften zurückgeben und ihm für seine 
Mohilien 10000 Gulden bezahlen, sowie die Herner mit 
1001)0 und den Bischor von Sitten mit 4000 Gulden ent- 
schädigen sollten. Die des langen Kampfes müden Wal- 
Hser lugten sich diesem für sie so ungünstigen Entscheid. 
Der neue Bischof von Sitten. Andreas von (iualdo. sah die 
Notwendigkeit ein, dem Volk entgegenzukommen : er ga- 
rantierte 1425 den Gemeinden und Zehnten ihre Frei- 
heiten und Hechte und schränkte die richterliche Gewalt 
des llischofesein. Der Walliser Historiker Boceard urteilt, 
dass der grüsste Fehler, den Witachard von Tavelli be- 
gangen, der war, dem Volkswillen vor den Kopf gestoasen 
und polizeiliche Massnahmen getroffen zu haben, die zwar 
an sich gerechtfertigt gewesen, vom Volk aber wegen ihrer 
Tendenz, alt eingewurzelte (Gewohnheiten umzustossen. 
schlecht aufgenommen worden seien. Dem Hasse des 
Volkes geweiht, verlicss der Herr von Raron mit seinen 
Söhnen das Land, worauf seine Nachkommen Anspruch 
auf Toggenburg und L'znach. die ihnen aus dem Toggen- 
burger Erbe zugefallen waren, machten. Seither ver- 
mochte sich im Wallis kein andere« Geschlecht mehr der- 
art emporzuschwingen, dass es den Gang der politischen 
Befreiung des Landes hätte hemmen können. Nach dem 
Tode Andreas' von Gualdo beteiligten sich die Volksahge- 
ordneten zum erstenmal an der Bischofrwahl, welche 
Sitte sich seither durch alle Jahrhunderte hindurch bis 
heute erhalten hat. 

1.'>. Die Hunde in Hatten. Unter Karl dem Grossen 
war die Ausübung der welllichen Gewalt in ChurrSlien 
einem Grafen übertragen. Als dann dessen Nachkommen 
Herzoge von Aletnannien wurden, kam Churrätien eben- 
falls an dieses Herzogtum. Die geistliche Hoheit stand 
den Bischöfen von Ctiur zu. die ihre Herrschaft zu Ende 
des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts auch noch 
auf das Hinterrheinthal. Engadin. Puschlav und auf 
Chiavenna ausdehnten und als grüsste Grundherren des 
Landes bald auch wieder weltliche Macht erlangten. Da- 
neben bestanden noch andere, weltliche und geistliche 
Herrschaften. So beherrschten die Fürstäbte von Piafers 
die Gemeinden Hagaz, Pfäfers. Vältis und Valens, wozu 
noch viele zerstreut gelegene Meierhofe kamen. Nahezu 
das ganze Bündner (.Iberland. d. h. das Thal des Vorder- 
rheins stand unter den Achten des Kloster« Disentis. 
»Von welllichen Herrschaften findet man ein ganzes Ge- 
wimmel in diesem so zerstückelten Bergland, wovon jetzt 
noch die vielen Burgruinen Kunde geben. • Von diesen 
Dvnastengeschlechtern. die heute alle erloschen sind, nen- 
nen wir als die hervorranendslen die Herren von Mont- 
Ibrt. die Werden berg ■ Sa rgans. die Freiherren von 
Sax und von Vaz. die Herren von Belmont, von Aspcr- 
munt und von Mälsch, sowie die Freiherren von Hn- 
züns. Daneben gab es aber in Räliett, namentlich in 
den obersten Rheinthälern. auch noch zahlreiche freie 
Leute, von denen in erster Linie die « freien Wal- 
ser « erwähnt werden müssen. ■> Es waren dies allem An- 
scheine nach Kolonisten, welche aus dem Ober Wallis 
eingewandert waren und ode Gegenden der obern Alpen- 
regionen bebauten. Die rätischen Herren beförderten 
diese Einwanderung, die ihnen Nutzen bringen konnte. 
Diese deutschen Kolonisationen nahmen zu. wurden ge- 
schätzt und begünstigt ; die Romanen sahen sich ver- 
drängt. Wir linden diese > Walter « ausser im Bhein- 
waldthal noch im Avers. Salien. in Obersaxen. Calfeisen- 
Ihal, Bavos und zer-'ieut in Churwalden, Seewis und 



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andern Orten. Sie genossen persönliche Freiheit, Selbst- 
verwaltung, eigene Gerichtsbarkeit, Steuerfreiheit. Der 
Entwicklungsgang von Italien ist nun der, dass 
der ge.slliche und weltliche Adel allrnahlig seine 
Gewalt verliert und das* letztere Schritt Cur 
Schritt uns Volk, an die Gemeinden, übergeht ». 
Die niedere Gerichtsbarkeit in Hätten lag in den 
Händen von Ammännern. die hohe dagegen in 
denen der bischöflichen Schirmvogte, welche 
Wurde von den Herren vonVaz und denen von 
.Malsch, die m* erblich zu machen gewussl hatten, 
autgeüht wurde. Die in den verschiedenen Hhein- 
thäfern begüterten Herren lagen unter sich, wie 
mit den Bischöfen von Chur li.nilig in Fehde, 
was die Stadt Chur benutzte, um sich im 13. Jahr- 
hundeit einen eigenen Hat zu gelten, der sich 
den llerrschergeluslen der Iiischöre häulig wider- 
setzte. Die l.andleule Raitens waren infolge der 
oftern kleinen Fehden der Waffen gewohnt, hal- 
len ileziehungen zu den Waldglätten unterhalten 
und waren sich ihrer Kraft bewussl geworden 
Als daher Bischof Peter um 13(54 einen Hund mit 
Oesterreich IchloM, sahen sie sich in ihrer Un- 
abhängigkeit bedroht und begai nen sich zu re- 
gen. Diese gemeinsame Gefahr, die den Adeligen 
wie dem Volke drohte, ist der erste Grund zur 
Entstehung der ratischen Hönde. Hier wie im 
Wallis haben die von den Landesherren began- 
genen Fehler das Kergvolk der Demokialie zugeführt. 

Am 2W Januar Ulti7 schlössen das Domkapitel und die 
Bürgerschaft von Chur, zusammen mit den Abgeordneten 
der benachbarten Thalschaflen einen Hund, laut welchem 
sie beschlossen. • in Zukunft keinen als Vikar und Pfle- 
ger der weltlichen Sachen des Bistums annehmen zu 
wollen, der ohne ihrer aller Kai und Zustimmung gewählt 
worden sei». Ferner wurde bestimmt, «die Korten für 
den Unterhalt der Schlosser und Burgen des Bistums, so- 
weit das Gotteshausgilt nicht hinreiche, gemeinsam zu tra- 
gen, und zwar alle. Pfaffen und Laien, F.del und Unedel, 
Arm und Heich gleichmässig. Mit Leib und Gut wollten sie 
überhaupt für die gemeinsamen Interessen zusammen- 
stehen. » Da die Angehörigen dieses Bundes in, dem der 
politischen Macht der Bischöfe von Chur unterstehenden 
Teil Italiens wohnten, erhielt derselbe den Namen • Gol- 
leshausbund n asa Deii-, der ihm in der Folge geblieben 
igt. Bemerkenswert ist, dass in diesem Bund wie in denen 
der Waldslatte zwischen Laien und Geistlichen. Adeligen 
und Volk keinerlei Unterschied gemacht wird« sondern 
Alle gleichberechtigt waren und die Lasten gemeinsam 
inigen. 

Nachdem das Bundner Oberland unter der Herrschaft 
des Faust rechtes und den zahlreichen Uebergriffen der 
vielen Herren des Thaies schwer gelitten, schlössen am 
13. Februar UftC> der Abi von Disentis und die Herren von 
Sax und von Räziins einen Bund, der den Frieden »ichern 
sollte und dem nachträglich auch noch andere Adelige 
der Gegend beitraten, 2t* Jahre spater, im März 14*24. 
wurde dieser Bund in Truns erneuert. Diesen nach di-r 
im Lande üblichen grauen Kleidung sogenannten «Grauen 
Bund» beschworen der Abt von Disentis. die Herren von 
Häzüns und von Werdenberg, sowie die Vertreter der 
Gemeinden Disentis, Sahen. Ten na und Ohersaxen. der 
Leute von Lugnez. Vals und Films, von Truns und Ta- 
mins. von Bheinwald, Sehams, Tschappina. Thusis und 
vom Heinzenberg. Die Benennung des »Grauen Bundes» 
ist dann mit der Zeit auf das ganze Land «Craubünden ■ 
tibergegangen. 

Nun taten sich auch die Gerichte •' oder Ccrichlsge- 
meinden Prätigau. Bavos, Schauligg und Churwaldcn, die 
in ihrer Gesamtheit die «zehn Gerichte» genannt wurden 
und von dun Herren von Vaz durch Krhsciiaft andicTog- 
genburger gekommen waren, zu einem eigenen Bund, dem 
« Zehngerichlenhund • zusammen, den sie nach dem Tode 
des letzten ToggcnburgersamH. Juni 1438 beschworen, um 
den Folgen einer Krhteilung vorzubeugen und den I.au- 
deafrieden zu sichern. Es gelang dann den »zehn Ge- 
richten», die unter die Herren von Brandis. Monifort 
und Matsch, sowie das Haus Oesterreich verteilten Guter 
der Toggenburger nach und nach zurückzukaufen und 
sich so ihrer adeligen Herren zu entledigen. 



Um die Mitte des 15. Jahrhunderts vereinigten sich 
diese drei Bunde zu einem Gesamtbund. Die genaue Zeit 




Ivaptflle uud Ahorn zu Trum i Ansicht au» dem Jahr IHuö). 



und die unmittelbare Veranlassung zu diesem Schritt 
lassen sich nicht feststellen. Jeder der Ftnzelbunde be- 
hielt seine eigene politische Organisation bei und zerfiel 
in eine Anzahl von »Hochgerichten» und «Gerichten», 
die an die auf dem Hofe Vazerol nahe Tiefenkastel stalt- 
lindenden Bundestage des Gesamtbundes ihre Abgeord- 
nelen sandten. 

• IG. Kitte italirnixche Feliziige; SifHierlage von Ar- 
bedo. Nachdem 1328 in Mailand die Visconti zur Herr- 
schaft gelangt waren, suchten deren Nachkommen sich 
die Freundschaft der Schweizer zu erwerben. Zwischen 
den Eidgenossen und der Lombardei waren schon seit 
langer Zeit Handelsbeziehungen im Gang. Die nach den 
Siegen xon Sem|iach und Nafels von ihren Erfolgen be- 
rauschten Schweizer, die nun von Norden her keinen 
Angriff mehr zu befürchten hallen, begannen nun nach 
und nach, ihre begehrlichen Blicke auf die reiche ober- 
italische Kbene zu werfen. Ihre Stimmung war derart 
kriegerisch, dass der geringste Zwischenfall zu einer 
Fehde Anlass gehen konnte. Die Gelegenheil bot sich, 
als die mit ihrem Vieh den Herbstmarkt zu Varese be- 
suchenden Leute aus Uri und Obwalden von den Mai- 
länder Amtleuten beleidigt und geschädigt wurden. Nun 
zogen im Jahr HIß die Urner und Obwaldner über 
den Gotthard, eroberten das l.ivinenlhal und setzten 
dort einen Vogt oder • Richter» ein. Wenige Jahre später 
dehnten die Kidgenossen ihre Macht an der Südtlanke 
der Alpen weiter aus. indem sie sich auch noch 1411 
des F.schenlhales (Val d'Ossola) bemächtigten und dem 
Freiherrn Sax von Misox 1411* die Grafschaft Bellenz 
abkauften. Der Herzog von Mailand sah diesem Trei- 
I ben eine Zeitlang scheinbar ruhig zu, sammelte dann 
I aber im Süllen ein Heer, das Hellinzona überrumpelte 
i4. Apiil 1422). 

Die überraschten Kidgenossen rafften in aller Kile ihre 
Kontingente zusammen und zogen gegen Süden. Bei Ar- 
bedo Hess sich die aus den Luzernern, Urnern und Unlcr- 
waldnern bestehende Vorhut kuhn in einen Kampf ein. 
wurde aber vollständig geschlagen (30. Juni I422|. Die 
Fidgenossen zogen sich ober den Gotthard zurück. Voller 
Bachediirst s.mmellen sie drei Jahre spater ein Heer von 
22000 Mann, mit dein sie von neuem ins Tessin ein- 
brachen. Da nahm der Heizog von Mailand seine Zuflucht 
zu diplomatischen Kniffen und säte unter den eidgenös- 
sischen Orten Hader und Zwietracht. Die Folge war, dass 
I die Schweizer 1426 auf das Kschenthal und die Leventina 
verzichteten. 

11. Eroberung tles Aargatirs. Um der trostlosen Kir- 
I chenspallong im Abendland endlich ein Ende zu machen. 
| trat in Konstanz 1414 ein allgemeines Konzil zusammen, 
das drei sich um die Tiara streitende Päpsle absetzte. Da 
I deren einer. Johann XXIII. . vom Herzog Friedrich von 



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Oesterreich unterstützt wurde, belegte Kaiser Sigismund 
von Luxemburg, der diese Gelegenheil, sich seines un- 
bequemen Nebenbuhler« zu entledigen, mit r'ifer ergrilT, 
den Herzog mit der Reichsacht und ersuchte die l>eul*chen 

und Schweizer, sich >l n Ländereien zu bemächtigen. 

Die Deutschen folgten diesem Ruf sofort und traten unter 
der Führung des Markgrafen von Nürnberg, Friedrich 
von llohenzollern, in den Kampf. Weniger eilig hatten 
es die Schweizer, die im Hinblick auf den erst vor drei 
Jahren mit Herzog Friedrich geschlossenen Frieden sich 
vorerst noch zurückhielten, um dann aber, vom Kaiser 
neuerdings ermuntert, ebenfalls loszuschlagen. Nun Helen 
die Besitzungen der Habsburger auf Boden der heuligen 
Schweiz ihren Nachbarn zur Heute: SehafThausen und 
Bapperswil errangen »ich die Reichsunmitlelbarkcit, der 
Thurgau wurde von Reichstruppen besetzt, der Graf von 
Toggenburg bemächtigte sich der Landschaften Sargans 
und Gaster und schickte sich zur F.roberung des Rhein- 
thaleB und Vorarlbergs an. Bern besetzte die aargauischen 
Städte /.Olingen. Aarburg. Aarau. Lenzburg und Brugg. 
Hie Luzerner machten »ich zu Herren von Sursee und 
Münster. Die Zürcher nahmen das Knonauer Amt. Die 
von den Eidgenossen belagerten Städte Mellingen. Hrem- 
garten und Baden ergaben sich nach kurzer Gegen- 
wehr 1 1415)- 

Nun schritt man zur Teilung der Beule: Bern, l.uzern 
und Zürich behielten die Orte und Gebiete, die sie sich 
auf eigene Faust erobert, während die Grafschaft Ilailen 
und die »freien Aemter» Rremgarten und Muri gemein- 
eidgenössische Vogtci und Unlerlanenländer der Slnnde 
Zürich. Luzern, Schwyz, Glarus, Unlerwalden end Zug 
wurden. Biese Eroberungen waren, vom strategischen 
Standpunkt aus betrachtet, für die Eidgenossenschaft sehr 
vorteilhaft, da sie ihnen den bisher mangelnden nun- 
liehen Zusammenschluss brachten. Vom allgemein mensch- 
lichen Standpunkt aus boten sie dagegen ernstliche Nach- 
teile, indem es von nun an in der Schweiz neben sou- 
veränen Orten auch noch Unlerlanenländer gab. Bas 
Prinzip der Gleichberechtigung aller Eidgenossen, das 
die Grundlage der ersten Bünde gewesen, war durch- 
brochen und machte einer, oft anmassenden. Oligarchie 
Platz. Die Landvogteien wurden zu einem bestandigen 
Zankapfel und gaben Veranlassung, zu Hader und Zwist, 
der sich später, als die religiöse Reform des 16. Jahr- 
hunderts die Eidgenossen in zwei Lager gespalten hatte, 
mehr und mehr zuspitzte. 

fX. Her alle Zürich krieg. Wahrend sich die Habsburger 
die Sympathie ihrer Vasallen und Nachharn verscherzten, 
verstanden es die Grafen von Toggenburg, mit den Eid- 
genossen freundschaftliche Reziehungcn anzuknüpfen und 
zu unterhallen. Zugleich halte sich auch ihr Machtbereich 
beträchtlich erweitert. I)em Grafen Friedrich V. von Tog- 
genburg brachte seine Heirat mit der Tochter des letzten 
Freiherrn von Vaz im 14. Jahrhundert die Herrschaft 
Maienfeld. sowie das Präligau und die Landschaft Davos 
ein. 1415 bemächtigten sich die Grafen anlasslich der 
Verhangung der Beichsachl Uber Friedrich von Habsburg 
des Vorarlberges und der Sladt Feldkirch. Nachdem sie 
1424 auch noch das Bheinthal erworben, waren sieaufder 
Hohe ihrer Macht angelangt Em sich vor der anschwel- 
lenden Flut der Demokratie zu schützen, machte Graf 
Friedrich VII. von Toggenburg mit ihr gemeinsame Sache, 
indem er sich I4U0 mit Zürich. 1417 mit Schwyz und 1411» 
auch mit Glarus verbündete. Er fuhrle einen glänzenden 
Hofhält, an dem die Herren von Raron. Sai. Malsch, 
Brandis und Werdenberg oft und gern gesehene Gäste 
waren. Zum Unglück für sein Haus hatte ihm seine Ge- 
mahlin Elisabeth von Matsch keinen Erben geschenkt. 
Als er dann am 30. April 14:« starb, entspann sich um 
das toggenburgische Ei he ein erbitterter Streit. An der 
Spitze von Schwyz und Zürich standen zu jener Zeit zwei 
Persönlichkeiten, die beide zugleich geschickte und ehr- 
geizige Staatsmänner waren und durch ihre personliche 
Rivalität die Gegensätze zwischen den beiden Republiken 
noch verschärften. Der Landammann Rai Redine be- 
gehrte für Schwyz die March, die ihm vom Grafen Fried- 
rich wirklich versprochen worden war. Bürgermeister 
Slussi von Zürich halte dagegen sein Auge auf das Thal 
der Linlh. die I ferlandschafkn des Walensees, Gasler 
und Sargans geworfen, deren Besitz, für Zürich eine Er- 



I leichterung seiner Handelsbeziehungen zu Chur und Ra- 
hen bedeutet hätte. Von Friedrich VII. Witwe erlangte 
Zürich in der Tat die Abtretung von Weesen und des 
Gaster. 

Die Verwandten des verstorbenen Grafen, die Herren 
von Brandis, Monifort, Werdenberg, Razuns, Matsch und 
Raron bestritten der Grafin die Erbfolge ihres Gemahles. 
Zu jener Zeit war es auch, dass, wie wir bereits gesehen, 
die Untertanen des Grafen in Rälien sich zum Zehn- 
gerichtenbund zusammenschlössen, wahrend die Toggen- 
burger und die Leute von Uznach und Gaster sich zu 
Volksgenossenschaften zusammentaten. Kaiser Sigismund 
machte unter dem Vorwand, die Güter der Toggenburger 
seien Reichslehen gewesen, ebenfalls Anspruch auf die 
Erbschaft, und Oesterreich verlangte seinerseits das Gaster 
und Sargans für sich. Nach dem Tod des Grafen Fried- 
rich VII. hallen die Schwyzer sofort die obere March be- 
setzt und sich von deren Bewohnern huldigen lassen. Als 
dann auch Zürich mit Zustimmung des Kaisers von den 
Leuten des Gasler sich den Treueid schworen lassen 
wollte, verweigerten ihn diese, da sie von den Schwyzern 
1 und Glarnern gegen Zürich aufgewiegelt worden waren, 
j Dagegen machten die Leute von Sargans, Walenstadt. 
Mels und Ragaz der zürcherischen Besitzergreifung keine 
Schwierigkeiten. Die Stimmung zwischen Schwyz und 
' Zürich wurde immer gereizter, so dass sich schliesslich 
i die übrigen Eidgenossen (I.uzern. Uri, Unlerwalden, Zug 
I und Berni ins Mittel legten und einen Rechts tag nach 
' Luzern zusammenberielen (Februar und Marz 1437). Die 
| von demselben bestellten Schiedsrichter verfügten, dass 
| die Schwyzer Uznach an die Gralin von Toggenburg zu- 
! nickzugeben hatten, den Rund mit der Landschaft Gaster 
j dagegen aufrecht erhalten dürften. Nachdem nun auch die 
i verwitwete Gralin unerwartet auf ihre Ansprüche ver- 
zichtet halle, kaufte llal Beding den legitimen- Erben der 
Toggenburger Uznach. Wiodegg. Gaster. Amden. Weesen. 
Walensiadt und Schannis ab | I437-14:«) Die Folge dieser 
Gebietserwerbungen war, dass nun die Handelsbezie- 
hungen Zürichs mit Chur und Italien vom guten Willen 
der Schwyzer und Glarner abhängig waren. Dies brachte 
den Groll'der Zürcher zum Uebei Iiiessen, so dass sie be- 
schlossen, den Glarnern und Schwyzern ihren Markt und 
ihre Strassen zu sperren. Eine Entscheidung durch Waf- 
fengewalt war unvermeidlich gewurden. Nach verschie- 
denen kleineren Scharmützeln besetzte Bürgermeister 
Stussi am 4. November 1440 an der Spitze von 6U00 Mann 
eine Anhohe bei Pfaftikon. Als sich aber die von beiden 
Parteien um Vermittlung angerufenen Urnerund Unler- 
wahlner für Schwyz entschieden und sich anschickten, 
zu den Schwyzern und Glarnern zu Blossen, brach im 
Lager der Zürcher Zwist und Unordnung aus. so dass 
Stussi mit seinen Truppen abzog. Damit uberliessen sie 
das Sudufer des Zürichsees den Schwyzern und sahen 
sich gezwungen, die Lebensmittelsperre wieder aufzu- 
heben. Die Zürich widerfahrene Demütigung trieb dies«* 
Stadt in die Arme Oeslerreichs. Nach langem I nterbruch 
waren die Habsburger wieder deutsche Kaiser und damit 
Inhaber der Heich&gewalt geworden. Am 17. Juni 144*2 
schlössen der Konig und Oesterreich einen ewigen Rund 
mit Zurich. Dieses anerkannte die Ansprüche der Habs- 
burger auf die Grafschaft Kiburg und versprach dem 
Konig und Herzog Friedrich III., ihm bei der Wieder- 
erwerbung der Grafschaft Raden und des Aargaues be- 
hilflich sein zu wollen. Friedrich verpflichtete sich da- 
gegen, die Ansprüche Zürichs zu schützen und dieser 
Stadl den Besitz von Toggenburg und Uznach zu ver- 
schallen. Nach Abschluss dieses Rundes kam der König' 
Friedrich im Herbst des nämlichen Jahres persönlich 
nach Zürich, wo er mit grossem Pomp empfangen und 
bewirtet wurde. Damit schien der ganze Erfolg eines und 
eines halben Jahrhunderts Anstrengungen und Kampfe 
nach Freiheit wieder vollständig in Frage gestellt zu sein. 
Im Frühjahr 1443 entbrannte der Krieg zwischen Zürich 
| und den Eidgenossen aufs neue. Am •>•>. Juli 14-43 wurden 
; ilie Zürcher bei St. Jakob an der Sihl. wo Bürgerm* , isler 
] Stussi den Tod fand, geschlagen. Nach einem neunmonal- 
( liehen WatTenstillstand nahmen beide Parteien den Kampf 
wieder auf. Die Eidgenossen bemächtigten sich des Städt- 
j chens und Schlosses Greifensee. das ihnen Hans \on 
RrettenlandenbCfl nach heldenhafter Verteidigung zu 



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übergeben sich gezwungen sah, und begannen die Bela- 
gerung von Zürich. Ihr Heer zählte 20000 Mann. Trotz 
ihrer grossen Tapferkeit wären die Zürcher in 
diesem ungleichen Kampf wohl unterlegen, 
wenn nicht ein anderes Ereignis die Eidge- 
nossen gezwungen hätte, die Belagerung aufzu- 
heben. Da Kaiser Friedrich nicht in der Lage 
war. den Zürchern persönlich beizuspringen, 
sucht« er Frankreichs Hilfe. Karl VII., der eben 
mit England Frieden geschlossen hatte, wussle 
nicht, was er mit seinem vielen Kriegsvolk anfan- 
gen sollte, und sandte daher gerne eine Armee 
von 30000 Mann gegen die Schweiz. Diese aus 
allen Ländern stammenden Abenteurer, die 
nach einem ihrer fruhern Führer die « Arma- 
gnaken •• genannt wurden, standen unter dem 
nominellen Oberbefehl des franzosischen Dau- 
phin und spätem Königs Ludwig XL, wurden 
aber tatsächlich von Jean de Bueil befehligt. Am 
23. August 1444 sahen die Basier von ihren Mau- 
ern aus mit Schrecken, wie ein Geschwader des 
feindlichen Heeres um das andere heranrückte. 
Am 2b*. August traf die Spitze der Armagnaken 
bei St. Jakob an der Birs auf 1500 Eidgenossen, 
welche die Vorhut des der Stadt Basel zu Hilfe 
eilenden eidgenossischen Heeres bildeten. Es 
entspann sich ein furchtbarer Kampf. Die Eid- 
genossen fochten mit grossem Heldenmut, muss- 
ten aber der Eeberzahl der Feinde unterliegen. 
1301) Mann wurden getötet, und bloss 200 konn- 
ten dem Blutbad entrinnen. Der siegreiche Dau- 
phin, der ebenfalls grosse Verluste erlitten, bot 
den Eidgenossen voller Bewunderung ihrer 
Tapferkeil einen ehrenvollen Frieden an, der 
am 28. Oktober 1444 unterzeichnet wurde. Die 
Eidgenossen hoben die Belagerung von Zürich auf; doch 
dauerte der Krieg noch zwei Jahre fort, ohne einen 
entscheidenden Schlag zu bringen, sodass sich die Par- 
teien endlich dahin einigten, dem Streit durch einen 
Schiedsspruch ein Ende zu machen Am 13. Juli 1450 
fällte der Obmann der Schiedsrichter, der hochangesehene 
Berner Schultheiss Heinrich v. Bubenberg, den Spruch 
dahin, dass der Bund Zürichs mit Oesterreich unverein- 
bar mit dem eidgenössischen Bunde sei. f Damit warder 
hauptsächlichste Stein des Anstosses beseitigt, und der 
' orte einen Sieg. Zürich wurde 
wenige grollten.« Zürich be- 
l mach und Gaster an 
Schwyz und Glarus abtreten. Damit war der $lalu$ </uo 
ante bellum wieder hergestellt. Das Bündnis mit Oester- 
reich hatte Zürich nur Nachteile und keinen einzigen Vor- 
teil gebracht. Das erfreulichste Besultat des allen Zürich- 
krieges war die Einsicht, dass dem Schweizerbund ein 
festerer Zusammenhalt und eine neue F'olitik nottue. I m 
sich vor den Folgen eines neuen Bruches mit Oesterreich 
zu schützen, schlössen nun die Kidgenossen ein Bündnis 
mit Frankreich, welcher Schritt in der Folge einen gros- 
sen Einlluss auf die Geschicke der Schweiz ausüben sollte. 
Weitere Bunde schlössen die Eidgenossen während des 
nämlichen Zeitabschnittes ferner noch mit Savoyen, dem 
Bischof von Sitten, dem Wallis, dem Fürstabt von St. Gal- 
len, den Städten SchafHiausen, St. Gallen. Mülhausen und 
Bottweil, sowie mit dem Herzog von Burgund. 

Doch betagte dieser Friedenszustand dem kriegerischen 
Sinn vieler Eidgenossen der damaligen Zeit, denen Kampt 
und Fehde in Heisch und Blut übergegangen und gleich- 
sam zum Beruf geworden waren, nur wenig. Als auf ei- 
nem Schiessen zu Konstanz 1458 ein von einem I.uzerner 
gesetzter Hemer l'lappart (Scheidemünze) höhnisch zu- 
rückgewiesen wurde, sahen sieh die Eidgenossen belei- 
digt und zogen alsobald mit 4000 Mann vor Konstanz, das 
ihnen eine beträchtliche Entschädigung bezahlen musste 
iPlappartkrieg). Durch ihre Verbindung mit den Eid- 
genossen halten sich die beiden Städte Mülhausen und 
Schalfhausen den in ihrer Nachbarschart sitzenden Adel 
zum Feinde gemacht. Da Herzog Sigmund nicht in der 
Lage war, sie gegen die Uebergriffe dieser fehdelustipen 
Herren zu schlitzen, riefen sie den Beistand der Eidse- 
an. Es kam nun zu einem Scharmutzelkrieg. Die 
zu den Waffen und zwangen die ade- 



ligen Herren des Klettgaues. Hegaue?, Sundgmues und des 
Elsass, die sich mehr durch kühne Beden als durch wirk- 




hielt sein altes Gebiet. . 

ab 



Dio EM|M«aaan vor Zürich ItUL iL«n<lcsbibliolhok Boroi 

liehe Taten auszeichneten, im Städtchen Waldshut Schutz 
zu suchen. Am 22. Juli 1468 begann die Belagerung von 
Waldshut, das sich aber wacker verleidigte, sodass am 
26. August der Waldshuter Friede zu stände kam. Herzog 
Sigmund musstc • den Eidgenossen für den Schaden und 
die Kriegskosten die (kleine) Summe von 10000 Gulden 
gutschreiben. Sollte diese Summe nicht auf Johanni des 
folgenden Jahres bezahlt sein, so sollten die Bürger von 
Waldshut und des Herzogs Leute auf dem Schwarzwald 
Eigentum der Eidgenossen werden. 

Iii. Politische Laqe de* Wehehtandes. Während sich 
in der deutschen Schweiz der Bund der acht alten Orte 
bildete und seine Unabhängigkeit errang, verblieb das 
Welschland unter der Herrschaft verschiedener kirch- 
licher oder welllicher Herren, die ihre Untertanen < 
Gewährung von Freiheiten und Hechten an sich z 
vermocht hatten. Dank dieser Freigebigkeit ihrer Fürsten 
war die rechtliche Lage der weslscnweizerischen Gemein- 
den schon im 13. Jahrhundert eine vorteilhaftere gewor- 
den als diejenige der Gemeinden der deutschen Schweiz. 

Je le Stadt hatte ihren Grossen und Kleinen Rat, sowie 
ihre Bürgerversammlung. Zuweilen schlössen die Städte 
unter sich auch Bündnisse, so z. B. 1339 Avenches mit 
Freiburg; Payerne 1313 mit Bern, 1349 mit Freiburg, 1355 
mit Neuenburg und 1384 mit Murten. Die Abgeordneten 
der dem Haus Savoyen unterstehenden Städte vereinigten 
sich zusammen mit den Angehörigen des Adels und der 
hohen Geistlichkeit in Moudon zur Waadtländer Stände- 
versammlung (Etats de Vaud). In den Städten sprachen 
die Bürger und in den Landgemeinden der Herr des 
Ortes Recht. Gegen diese Erteile konnte beim savoyischen 
Vogt in Moudon und in letzter Instanz am Hof zu Cham- 
be>\, der sieh in dieser Hinsicht nach dem im Waadtland 
üblichen Brauch zu richten hatte, appelliert werden. Das 
Einkommen des Fürsten bestand aus einigen Zöllen und 
dem Erträgnis der Kronländer. Zu Zeiten von Ebbe in 
der herzoglichen Kasse übermittelte der Vogt der Waadt 
seine Wünsche der Ständevcrsammlung. die dann die 
Erhebung von Steuern bewilligte. Die Grafen von Savoyen. 
die vom Kaiser Sigmund 1416 in den Herzwratand erhoben 
wurden, waren mit Bezug auf diejenigen ihrer Güter, die 
in der Freigrafschaft lagen, Vasallen des Herzogs von 
Burgund. Die Herrschaft Savoyens erstreckte sich aber 
nicht auf die Stadt Lausanne, deren Bischof zugleich auch 
ihr weltlicher Überherr war und zudem noch über die 

212 - GEOGR. LEX V — 24 



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Pfarreien Lavaux. Lucios, Avenches, Bulle. I.a Roche und [ 
Albeuve gebot. Lausanne bestand aus zwei Städten: der 1 
Allstadt (cite) und der Unterstadt, welch letztere die 
Quartiere (bannieres) dea Bourg, von La Palud, Le Pont 
und Saint Laurent umfasste. Das Stadtregiment führten 
zwei Priorc, denen ein im Madeleine-Kloster sich ver- 
sammelnder Bat zur Seite stand, während die allgemeine 
Versammlung der Burger auf dem Platz La Palud oder, 
bei schlechtem Wetter, in der Markthalle stattfand. Die 
Bürgerschaft von Lausanne halte von den Kaisern Sig- 
mund HL und Friedrich Iii. im Jahr 1431 bezw. 1409 ver- 
schiedene verbriefte Vorrechte zugestanden erhallen. 
Karl V. erkannte in einem vom 5. Juli 1530 datierten Brief 
Lausanne als freie Reichsstadt an. 1494 wurde die Borger- 
versammliing durch einen von den Quartieren ernannten 
Rat ersetzt, der zuerst aus CO, dann aus 97 und endlich 
aus 200 Mitgliedern bestand. lf>29 trat ein Bürgermeister 
an die Stelle der zwei Priore. Jedes Jahr trat in Lausanne 
der sog. « Plaid general », eine Versammlung von Abge- 
ordneten des Adels, der Geistlichkeit und der Bürger der 
bischöflichen I^indereien, zusammen, die zugleich legis- 
lative und richterliche Behörde war und deren Zustim- j 
mung der Bischof bedurfte, um Gesetze geben, Truppen 
ausheben und Münzen schlagen zu können. Die obersten i 
bischöflichen Beamten waren der Vogt, der Truchsess 
senechal). der Siegelbewahrer (saulier) und der Meier 
mitral), lieber diesen standen wieder der grosse welt- 
liche Gerichtshof und das Apncllationsgericht des Bi- 
schöfe«. Als später das Haus Savoyen dem Bischof den 
Rang abgelaufen hatte, entstand der « Cour de Billens » 
genannte Gerichtshof, der aus dem Stellvertreter Lieu- 
tenant) des Vogtes der Waadt und sechs vom Bai von Lau- 
sanne ernannten Beisitzern bestand. Jeder neue Bischof 
musste beim Antritt seiner Würde auf die Anerkennung 
der Freiheiten der Stadt seinen Kid leisten, was jedesmal 
zu einer feierlichen Zeremonie vor dein in die Stadt füh- 
renden Tor von Saint Etiennc Anlass gab. Lausanne be- 
sä »s ein aus 1316 stammendes Gesetzbuch (coutumier), 
das nach der Behörde, die es ins Leben gerufen, den 
Namen des Plaid general trug. Die in ihm aufgezeich- 
neten Grundsätze werden übrigens in der Hauptsache 
schon vom Propst Ardutius in einer Verordnung von 1144 
erwähnt, durch welche derselbe die Freiheiten der Stadt 
anerkannte. 

Die ersten Versuche zu freiheitlicher Gestaltung der 
öffentlichen Angelegenheiten in Genf datiert man ins 13. 
Jahrhundert zurück. 1294 erwarbon die Grafen von Sa- 
voyen die Kuslvogtei (vidomat) über Genf, und seit 1330 
waren sie verpllichtet, die Freiheiten der Stadt zu be- 
schwören. An der Spitze der Verwaltung stand der Syn- 
dikus. Diese Beamten verstanden es jeweils, zwischen ! 
dem Haus Savoyen und dem Bischof geschickt ihre In- I 
teressen wahrzunehmen, indem sie sich bei Ansprüchen 
des letztern auf das eratere stützten und umgekehrt bei 
l'ebergriffen Savoycna sich wieder dem Bischof anzu- 
nähern wussten. So hatten sie /.. B. vom Bischof Adhemar 
Fabri im Jahr I3H7 die Bestätigung der Freiheiten der 
Stadt erlangt. 1415 zeigte das Stadtregiinent seine Unab- 
hängigkeit dadurch, dass es, ohne die Vermittlung des 
Bischofes anzurufen, mildem Herrn von Gea einen Waffen- 
stillstand vereinbarte, den e» von der Bürgcrversammlung 
bestätigen liess. Als es den Herzogen von Savoven später 
gelungen war. den hischollichen Stuhl mit Angehörigen 
ihres Geschlechtes zu besetzen, suchte und fand Getir 
l nlcrstüUiing von Seiten der Städte Freiburg und Bern. 
Zu die-er Zeit bildeten sich zwei politische Parteien: die 
sog. « Mameloucs» oder Anhänger des Herzoges von Sa- 
voyen und die «Eidgnota» oder Parteigänger der Ver- 
bindung mit den Eidgenossen. Anfangs 151» kamen diese 
letztem ans Huder und schlössen am 7. Januar dieses 
Jahres ein Bündnis mit Freiburg. Die hervorragendsten 
Führer der Partei der « F.idgnuts » waren Desancon 
Hugues und Philibert Berthelier. Jener, von Beruf Pelz- 
hiniilcr und Kürschner, wurde 1518 zum Syndikus ge- 
wählt und erwarb sich durch »eine vorsichtige Klugheit 
und Energie den Beinamen des Vaters der Stadl. Berthe- 
lier, der eine stürmische Jugend gehabt, zeichnete sich 
durch Unternehmungslust und Eifer aus. Nachdem er, 
um den gegen ihn gerichteten Nachstellungen zu ent- 
gehen, im Jahr 151 , sich nach Freiburg hatte begeben 



müssen, kehrte er schon im folgenden Jahr, mit einem 
Frciitass des Bischofes versehen, wieder in seine Vater- 
stadt zurück, wo er vor dem Rat erschien und die An- 
schuldigungen, die der Kastvogt gegen ihn erhoben hatte, 
entkräftete. Bald nach seiner Freisprechung kam aber 
der Herzog selbst nach Genf, liess ihn festnehmen, durch 
bestochene Richter verurteilen und am 24. August 1519 
hinrichten. Dem nämlichen Schicksal entgingen Beaancon 
Hugues und Bonivard durch die Flucht. Auch Ami Le- 
vrier. der fünf Jahre später Genfs Freiheiten wieder ver- 
teidigte, wurde (am 12. März 1524) verhaftet und hinge- 
richtet. Diese rasch aufeinanderfolgenden Machtspruche 
erregten bei den Eidgenossen grosses Aufsehen. Bern und 
Freiburg verbündeten sich mit Genf, worauf Besancon 
Hugues und seine Getreuen wieder heimkehrten und die 
hauptsächlichsten Führer der savoyischen Partei die Stadl 
verlassen mussten. Genf gab sich nun eine den Städten 
der Eidgenossen ähnliche Verfassung und bestellte einen 
Kleinen Bat, einen Rat der Sechzig und einen Rat der 
Zweihundert. Unerklärlich bleibt, warum die Herzoge 
von Savoyen, die doch gegen Ijiusanne und die Waadt 
stets so zuvorkommend gewesen waren, sich Genf gegen- 
über so feindselig zeigten. Vor der Reformation war Genfs 
Bedeutung verhältnismässig nicht gross gewesen. Wäh- 
rend z. B. Basel schon im 15. Jahrhundert eine durch 
ihren Handel, ihre Industrie und die Universität blühende 
Stadt darstellte, datiert Genfs Aufschwung erst aus dem 
Ende des 16. und dem Verlauf des 17. Jahrhunderts, d. h. 
aus der Zeit, da sich italienische und französische Befu- 
gianten hier niedergelassen hatten. 

Während so Lausanne und Genf als Enklaven im Her- 
zogtum Savoyen sich allmahlig von der Macht ihrer Bi- 
aenofe befreit hatten, bildete Neuenburg mit seiner Um- 

Sebung eine direkt dem Reiche unterstellte Grafschaft, 
lit dem Erlöschen des ersten Grafenhauses war das Land 
im 13. Jahrhundert an das Haus Chalona-Ürange gekom- 
men, dessen Erben dann nachher die Grafen von Hoch- 
berg worden. Die letzte dieses Geschlechtes. Johanna von 
Hochberg, vermählte sich 1514 mit Heinrich von Orleans- 
Longueville. Seit dem 13. Jahrhundert besass die Graf- 
schaft ein eigenes Gericht, das zuerst « Plaid de May » 
oder «Grand Plaid» hiess und sich später den Namen 
der tAudiences generale*» beilegte. Wie anderwärts bil- 
deten die Bürger auch hier einen Rat, der seine Befug- 
nisse auf Kosten derjenigen des Grafen zu erweitern 
und sich dabei auf die Schweizer Städte zu stützen 
trachtete. So schlössen Bern, Solothuro, Freiburg und 
Luzern Bündnisse mit Neuenburg. Als sich die Eid- 
genossen 1512 mit Heinrich von Orl leans überwarfen, be- 
mächtigten sie sich seiner Grafschaft, der sie einen Vogt 
vorsetzten und von deren Bewohnern sie sich huldigen 
liessen. Erst 152» erhielt Johanna von Hochberg dank der 
Fürsprache von König Franz I. das Land wieder zurück, 
wobei sich aber die Eidgenossen ihr Bündnis vorbehielten. 

Nördlich von Neuenburg lagen die Ländereien des 
Fürstbischofes von Basel, der ebenfalls den Gang der Be- 
freiung der (iemeinden nicht aufzuhalten vermochte. 
Schon I35M hatte Biel seine nahezu völlige Unabhängig- 
keit erlangt und darauf mit Bern einen Bund geschlossen, 
aufweichein Wege ihm 1388 auch Ijl Ncuveville (Neuen- 
stadt) gefolgt ist. 

Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die Zünfte im 
Welschland nicht die wichtige Bolle gespielt haben, die 
ihnen in der deutschen Schweiz zugefallen war, und dass 
die Herzoge von Savoyen und die Grafen von Neuenburg, 
sowie die Bischöfe von Genf. Lausanne und Basel sich 
auf Grund von Unterhandlungen und nicht infolge einer 
durch Niederlagen in eigentlicher Fehde geschaffenen 
Zwangslage zur Erteilung und Anerkennung der Frei- 
heiten der Gemeinden verstanden haben. Die Helden, 
denen Genf seine Unabhängigkeit verdankt, starben auf 
dem Blutgerüst und nicht auf dem Schlachtfelde. 

'W. Hie Burgunderkriege. Das Ergebnis der kriege 
des 14. Jahrhunderls war die vollständige Loslosung der 
Eidgenossen von Oesterreich. Mit den Burgunderkriegen, 
sowie dem diesen folgenden Schwabenkrieg und den ita- 
lienischen Feldzügen tritt die Schweiz dann in eine etwa 
vierzig Jahre dauernde Epoche (1474-1515). während 
welcher sie auf die europäische. Politik einen überwiegen- 
den Einlluss ausuben sollte. Während die Eidgenossen 



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früher zu den Herzogen von Burgund in freundschaft- 
lichen Beziehungen gestanden hatten, führten der ehr- 
geizige und unersättlich nach Ausdehnung »einer Macht 
begierige Herzog Karl der Kühne, der nach dem Besitz 
Lothringens, des Elsasses und des II erzog turne» Mailand 
strebte und daran dachte, sich ein von der Nordsee bis I 
zum Mittelmeer ausdehnendes Heich zu gründen, einer- i 
seits und die diplomatischen Kniffe und Hanke des fran- 
zosischen Königs Ludwig XI. andrerseits einen vollstän- 
digen Bruch mit den Kidgenossen herbei. Wir haben be- 
reit» gesehen, dass sich Oesterreich im Wildshuler Frie- 
den vom 16. August 1468 verpflichtete, den Eidgenossen 
innert zehn Monaten eine Kriegsentschädigung von 
10000 Gulden zu bezahlen, wofür es ihnen Waldshut und 
den Scliwarzwald zum Pfand gegeben halte. Als sich nun 
Herzog Sigmund ausser stände sah. seine Schuld einzu- 
lösen, den Schweizern aber die zum Pfand gegebenen 
Linder nicht abtreten wollte, suchte er bei Ludwig XL. 
dem er seine Besitzungen im Eisaas als Garantie anbot, 
ein Anleihen aufzunehmen Der König von Frankreich, 
der sich die Schweizer nicht entfremden wollte, ging 
nicht auf das Angebot ein, verwies aber den Herzog von 
Oesterreich an den Herzog von Burgund, der denn auch < 
Sigmund wirklich 50000 Gulden borgte und dafür die Hui- j 
digung der österreichischen Untertanen im Elsas« ent- i 
gegennahm (9. Mai 1469). Diese Verbindung Oesterreichs ' 
mit Burgund und die Besitznahme des Elsasses durch Her- ' 
zog Karl bildete für die Eidgenossen und besonders auch 
für die ihnen verbündete Stadt Mülhausen eine grosse Ge- I 
fahr. Zu gleicher /.eil widerrief Kaiser Friedrich III., der 
Vetter Sigmunds, den Waldshuter Frieden und sprach die 
Reichsacht über die Eidgenossen au». Die Annäherung 
Oesterreichs an Burgund wurde dadurch besiegelt, data 
sich des deutschen Kaisers Sohn. Max. mit Karls Toch- 
ter, der Prinzessin Marie von Burgund verlobte. Diese 
Ereignisse führten natürlich alle nur dazu, die bereits 
bestehenden Beziehungen zwischen Ludwig XL und den 
Schweizern noch enger zu gestalten. 

In Bern war man geteilter Ansieht. Auf der einen Seite 
stand Adrian von Bubenberg mit dem gesamten auf 
Grundbesitz angewiesenen alten Adel, der in der Besei- 
tigung der die Kidgenossen von Frankreich trennenden 
Sehranke eine Gefahr sah, auf der andern Seite dagegen 
der durch Handel und Verkehr emporgekommene jüngere 
Adel mit Nikiaus von Uiesbach an der Spitze, der mit 
Herzog Karl brechen und nähere Beziehungen zu Pran k- 
reich anbahnen wollte. Als diese letztere Partei die Ober- 
hand erhielt, wurde am Kl. August 1170 zwischen Lud- 
wig XL und den acht allen Orten der Eidgenossenschaft 
ein Neutralitätsvertreg geschlossen, durch den beide 
Staaten sich gegenseitig Versprachen, Burgund im Falle 
eines Kru ge» nicht unterstützen zu wollen. 

Herzog Karl hatte dem Etsats in der Person des Bitters 
Peter von Hagenhach einen stolzen, übermütigen, ge- 
walttätigen und grausamen Landvogt vorgesetzt, der die 
Reichsstädte gleich Unlertanenländer behandelte und von 
den ihnen verbündeten Schwei/ein nur mit Verachtung 
sprach. Als nun einst Schweizer Kaufleute, die nach 
Frankfurt zur Messe zogen, von einem österreichischen 
Bitier überfallen und ausgeplündert wurden, beklagten 
sich die Eidgenossen wiederholt bei Karl, fanden aber 
kein Recht bei ihm. Andrerseits hatte sich Kail durch 
seine Anmassung auch den Kaiser Friedrich III. ent- 
fremdet und wünschte sich Herzog Sigmund wieder im 
Besitz des Eisaases iu sehen. Schon Ende März 1474 
hatten die Eidgenossen mit Oesterreich zu Konstanz eine 
«ewige Richtung », d. h. einen ewigen Frieden geschlos- 
sen. « Die Kidgenossen sollten gegen die von Oesterreich 
gebotene Garantie ihres Gebietsstandes dem Herzog 
Sigmund auf seine Kosten in einem Kriege Hilfe leisten 
und ihm vor allem helfen, die Pfandlande zurückzuneh- 
men. Ohne sie konnte Sigmund nicht in den Wiederbe- 
sitz dieser Pfandlande kommen, und auch den Eidgenos- 
sen lag die Beseitigung der so lastigen burgundischen 
Herrschaft sehr am Herzen . . . Ein grosser und wich- 
tiger Augenblick schweizerischer Geschichte war es doch, | 
als derart eine zweihundertjährige Feindschaft, auf wel- 
cher die ganze bisherige kriegerisch-politische Entwick- 
lung sich aufgebaut halte, preisgegeben wurde und der 
Feind, welcher bisher stets den Bestand der Eidgenossen- 



schaft bestritten lind angefochten hatte, vrsoluit. die 

Eidgenossen als ebenbürtige Macht anerkannte . . . 
Beide, Oesterreich und du- Eidgenossenschaft, traten in 
eine neue Zeit ein und gingen nun andern Richtungen 
und Bes rvbungcn nach. » Herzog Sigmund kündete nun 
dem Herzog Karl die Pfandschafu-n, nachdem die elsisai- 
schen Städte die Pfandsumme zusammengelegt und in 
Basel deponiert halten. Karl lehnte jedoch die Kündigung 
ab. t Da schritt das Volk im Elsass zur Gewalt. Die 
burgundisehen Kriegsleute und Beamten wurden verjagt 
und der Tyrann Hageubach bei einem Volksauflaui in 
Breisach gefangen genommen. Einst der gefurchtele 
llandhaber Iiurguiidischer Hoheit, schmachtete er jetzt 
wie ein gemeiner Verbrecher, i Er wurde zum Tode ver- 
urteilt und iu der Nacht des 9. Mai 1474 enthauptet. 

Am 26. Oktober 1474 schlössen die Eidgenossen mit 
Ludwig XL ein Offensiv- und Defensiv bündnis. Schon An- 
fangs November vereinigten sich die 8000 Mann starken 
Schweizertruppen milden Oeslerreichern. um in die Frei- 
grafschafl einzudringen und den festen Platz llericourt zu 
belagern. Ein unter dem Befehl von Heinrich von Neuchä- 
tel stehendes burgundisches, Entsatzheer ward am 13. No- 
vember in die Bucht geschlagen, worauf sich die Besat- 
zung von llericourt ergab und dir Stadt von Herzog Sig- 
mund in Belitz genommen wurde. Im Jahr 147ö setzten 
die Eidgenossen den Kampf fort, machten im Welschlaml 
eine Reihe von Eroberungen und bemächtigten »ich am 
I.Juli auch der Fest.' Illumont. Der in den Wnilerbeeiil/ 
iles Elsasses gelangte Herzog Sigmund hatte sich inzwi- 
schen mit Karl dem Kuhnen v. i söhnt, worauf bald auch 
Ludwig XL ohne Wissen der Eidgenossen mit diesem 
• inen Waffenstillstand schlnsa und damit Lothringen und 
die Eidgenossenschaft, welche sich ihm ganz angeschlos- 
sen hatten, preisgab. Während die Eidgenossen derart 
verraten wurden, halte die Grälin Jolantha von Savoyen. 
Ludwigs XI. Schwester, die für ihren minderjährigen 
Sohn Philiberl I. die Regentschaft führte, mit Karl von 
Burgund ein Bündnis (Januar 1475) geschlossen, zn die- 
sem Schritt getrieben durch den Burgund geneigten 
\<lel der Waadt. wie den Herren Jakob von Romont, so- 
wie die Herren von La Sarrai, von Goumocns, von Collom- 
bier etc., die unter Karls Fahnen zu Ehren und Würden 
gekommen waren. Als nun von Burgund angeworbene 
lombardische Söldner sich zum l'ebergang über den 
(i rossen Sl. Bernhard anschickten, verbündeten sich die 
Berner mit den Ober Wallisern und sandten dem Grafen 
von Romont am 14. Okiober 1475 den Fehdebrief. So- 
gleich entbrannte der Kamnf. Die (»her Walliser bemäch- 
tigten sich di« L'nter Wallis, während die Bentor. zu- 
sammen mit den Freiburgern und einem von Hans Wald- 
inann geführten Heer von 1500 Eidgenossen. Murten. 
Cudrefiu. Avenche«, Payerne, Eslavayer, Moudon, Yver- 
don, Orbe, Lea Clees, La Sarraz, Cossens y. Morges, Ro- 
mont und Aigle nahmen. Genf und Lausanne mussten 
eine lliaiidschatzuugssumme bezahlen. Im Zeiträume von 
drei Wochen eroberten die Eidgenossen auf diesem Zuge 
14 Städte und 40 Schlösser, worauf sie im Monat Novem- 
ber heimkehrten. Während ihres Zuges im vergangenen 
Jahre halten aie sich der Burgen von Joogne, Orbe und 
Grandson bemächtigt, in welch letztern Ort, der wie Orbe 
und Kchallc us dem Grafen Louis von Chalons, Marschall 
von Burgund, gehörte, eine Besatzung gelegt wurde. 

Herzog Karl der Kühne, der inzwischen vor Neuss am 
Rhein gelagert und dann Lothringen, das er dem Herzog 
Renatus nahm, niedergeworfen hatte, rüstete sich nun, 
die Eidgenossen für die Verwüstung der Ländereien sei- 
ner Verbündeten zu zuchtigen. Am II. Januar 147b' ver- 
liesa er Nancy und lagerte am 19. Februar vor dem Städt- 
chen (Irandson, das er schon am 21. Februar nahm, 
während ihm die Besatzung der Burg Grandson bis zum 
28. Februar widerstand. Ein burgundischer Edelmann 
hatte ihr mit lügnerischer Zunge • mitgeteilt, dass die 
Burgunder bereits Freiburg genommen hätten und jetzt 
gegen Bern und Solothurn marschierten. Zugleich erklärte 
er ihr, dasa sie im Falle der Uebergabe geschont wer- 
den solle. Allein Karl kümmerte sich um das gegebene 
Wort nicht und Hess die Mehrzahl der Besatzung, 412 
Mann, an die Nussbäume auf dem Wege gegen Orbe auf- 
knüpfen und eine Anzahl im See ertränken. Nach diesem 
leichten Sieg rückte er mit seinem Heer von etwa 3Kl¥s» 



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Mann gegen Neuenbürg, wo sich diu Eidgenossen, zu- 
sammen mit den ihnen verbündeten ELäsfccrn, Schall- 




BvUgerung von Murten 9. N). Juni tf7fi. 

von I IBM. 



(Aus Schilling« Chronik 



Diese Niederlage, die Karl der Kühne am 2. März I47ß 
bei Grandson erlitten, halle seinen Mut und Kachedursl 
noch nicht abgekühlt. Sofort beschäftigte er sich mit den 
Vorbereitungen zu einem neuen Feldzug. Er sammelte 
seine Truppen bei Lausanne, von wo aus er am 27. Mai 
seinen Vormarsch auf Bern antrat. Zunächst wendete er 
sich gegen Murten, dessen Belagerung er am 9. Juni be- 

Knn. ha- von einer unter Adrian von Bubenberg Ste- 
nden Besatzung von 130U Mann verteidigte Städtchen 
widerstand tapfer und schlug drei nächtliche Anstürme 
erfolgreich zurück. Unterdessen sammelten sich die 
Kontingente der Eidgenossen, die am 22. Juni, 2itMX> 
Mann stark, bei Giimmencn die Saane überschritten. 
Ihnen hatte sich Herzog Uenalus von Lothringen mit 
einigen hundert elsassisclien und österreichischen Hitteru 
angeschlossen. Die Vorhut der Eidgenossen befehligte der 
Berner Hans von Halhvil, den Gewalt häufen Haus Wald- 
mann aus Zürich und Wilhelm Herler aus Sirassburg, 
die Nachhut Kaspar Hertenstein aus Luxem. Nach einer 
von ÜU Heitern unter Wilhelm Herter unternommenen 
Hekognoszierung rüsteten sich die Eidgenossen zum An- 
griff. Die Burgunder wurden geworfen und wandten sich 
bald zur Flucht, in die sich Karl der Kühne selbst mit- 
gerissen sah. Mit Muhe und Not entkam er nebst einigen 
Heitern seines Gefolges den ungestum nachsetzenden 
Eidgenossen. So endete auch die Schlacht bei Murten 
i22. Juni 1 171) mit einer vollständigen Niederlage des 
Herzoges. 

Auen bei dieser Gelegenheil zeigten die Eidgenossen, 
das* sie wohl Krieger von unvergleichlicher Kühnheit 
und Tapferkeil und Meister im Ausnutzen der Vor- 
teile auf dem Schlachtfelde selbst waren, ihre Siege aber 
nicht zu verwerten wussten, indem die schönsten Früchte 
dieses Krieges gegen Burgund dem Konig Ludwig XL, 
der ihn zwar geschickt angebettelt aber in keiner Weise 
zu gunsten der Schweizer eingegrillen halte, muhelos in 
den Schoss lielen. 

Nach dem Siege bei Murten zogen die Kontingente aus 
der Ur- und Ostschweiz sofort heim, während die Berner 
und Freihurger, sowie der Graf von Greierz noch das 
ganze Welschland heimsui hlen und dessen Städte brand- 
schatzten. Als sie sich aber anschickten, auch noch in die 
Freigrafschaft einzubrechen und Savoyen zu bedrohen, 
legte sich Ludwig XL ins Mittel, um die Interessen seiner 



hausern und St. Gallern etwa 18000- 
20000 Mann, gesammelt hatten. Die 
Feinde trafen sich am 2. Marz UTK 
zwischen Concise und Vaumarcus in 
einem Engpass am Fusse des Moni Au - 
bert. Bei dieser Gelegenheit zeigten sich 
die Führer der Eidgenossen nicht nur 
ala kühne und beherzte, sondern auch 
als in der Taktik wohlerfahrene .Man- 
ner. Während sich der Herzog von Bur- 
gund in den Kampf einlies«, ohne sich 
um die Sicherung des linken Flugeis 
seines Heeres zu bekümmern, brach 
der rechte Flügel der Eidgenossen Inn 
den Hohen herab und brachte die Heilten 
der Burgunder in Verwirrung. Bald wand- 
ten sich die Söldner Karls des Kuhnen 
zur Flucht, ungeachtet aller Versuche, 
sie zum Stehen zu bringen. Der tapfer 
streitende Herzog sah sich seihst von 
dem allgemeinen Schrecken mit fortge- 
rissen und lluchtete sich nach der Feste 
Jougne. um von da das Schlos» Nozeroy 
in der Freigrafschaft zu erreichen. Seine 
Artillerie (400 Geschütz«), zahlreiche 
Pferde und sein an Schätzen aller Art 
i Waffen, Blutungen, kostbaren Teppi- 
chen. Juwelen und Edelsteinen etc. ) wie 
an Lebensmitteln reiches Lager ll«| den 
Eidgenossen zur Beute. Diese Beute, 
deren Wert den Eidgenossen meist 
nicht bekannt war. wurde unter die 
Fuhrer verteilt und kann in ihren einzelnen Stücken 
heute noch in den Museen von Solothurn. Bern, Zürich 
und Schuffhauseii bewundert werden. 




Scilacht bei Murten tt Juni 117(1. (Ana Stumpfs Chronik. — 
l.aD<ia*mu<«um ZOriCb). 

Schwester, der Herzogin Jolantha, zu wahren. • Die 
Schweizer waren so schwach und kurzsichtig, nachzu- 
geben. • Am 25. Juli 1476 versammelte ein Frieden s- 



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kongress die Häupter der schweizerischen Orte und die 
Gesandten von Frankreich, Savoven und Oesterreich in 




Schlicht b«i Nsncv 5. Janusr 1477: I t Karl« de« Kähnen 
(Au« Schilling« Chronik. — Landsshibliolbek. Hi rn.. 

Freiburg. Da die Eidgenossen wegen ihrer Forderungen I 
unter sich nicht einig waren, benutzten dii> französischen 
Diplomaten diese Meinungsverschiedenheiten in geschielt- 
ter Weise, um der Herzogin von Savoyen wieder zur 
Waadt, die Bern für sich gefordert hatte, zu verhelfen. 
Hern behielt für sich einzig Krlarh und die vier Manila - 
nipnte von Aigle, ße», (»Ion und Ormonts, sowie zusam- I 
men mit Freiburg die Herrschaften 
Grandson, Murten, Orbe, Echallena 
und lllens. Die Ober Walliser muss- 
ten die Landschaft Chablais. deren sie 
sich bemächtigt hatten, wieder he- 
rausgeben, behielten dafür aber das 
I'nter Wallis. Herzog Karl hatte sich 
am Kongress von Freiburg nicht ver- 
treten lassen. Trotz Vermittlungsver- 
suchen von Kaiser und Papst weigerte 
er sich hartnackig. Lothringen di-m 
Herzog Renatus herauszugeben. Als 
Verbündeter der Kidgenomen rief die- 
»er nun natürlich die Hilfe derselben 
un. um wieder in den Besitz seines 
Herzogtiunes zu kommen. Daraus ent- 
spann sich «-in neuer Feld/ug, der am 
5. Januar 1477 vor den Mauern von 
Nancv mit einer neuen Niederlage 
und dem Tod Karls des Kühnen sei- 
nen Abschluss fand. «So war denn 
aus dem LusUpiel, das Karl erwartet 
hatte, ein ernstes Trauerspiel ge- 
worden.« 

Derart glänzende Siege, wie sie sie 
eben erfochten, hätten den Eidge- 
nossen eine beträchtliche Erweite- 
rung ihres Gebietes eintragen kön- 
nen. Die Hewohner der Freigrafschaft 
verlangten nichts besseres, als sich 
den Schweizern anzuschliessen, and 
waren auch von den Hernern, die sich bei dieser Gelegen- 
heit wiederum durch ihre politische Grosszügigkeit und 
Weitsichtigkeit auszeichneten, gerne in den Rund aufge- 



nommen worden. Diese Annexion hätte aber den Schwer- 
punkt der lidgenossensehaft verschoben und Bern zu ei- 
ner Macht gehoben, die die schon längst auf sein 
Uebergewicht eifersüchtigen Waldalätle nicht zu- 
geben wollten. Diese gegenseitigen Eifersüchte- 
leien der Eidgenossen kamen dem König Ludwig XL 
gerade gelegen. Seines gefürchteten Gegners. Bur- 
gunds, entledigt, war er einzig nur auf seinen Vor- 
teil bedacht. Am 2fi. April 1477 schloss er mit den 
Eid g e n o me n einen Vertrag, durch welchen er gegen 
die Stellung von G000 Schweizer Söldnern die Be- 
zahlung einer Untschadigung von 100000 Gulden 
versprach, welche Verpflichtung er jedoch später 
.iblelinte. Nach mancherlei Schwankungen behielt 
Ludwig XL Burgund für sich und gab er I W< die 
Freigrafschaft dem Kaiser Maximilian zurück, von 
dem sie zuerst an Karl V. und dann an Philipp IL 
überging, um erst unter Ludwig XIV. endgiltig an 
Frankreich zu kommen. 

Während die Burgunderkriege den Schlachten- 
riihm der Kidgenossen auf eine bisher unerreichte 
Höhe gehoben hatten, deckten sie zugleich deren 
innere Zwistigkeiten und Uneinigkeit, sowie deren 
politischen Rückgang auf. Vom deutschen Reich 
und dem Hause Hahshurg unabhängig geworden, 
waren sie nunmehr dem Kinlluss Frankreichs an- 
heimgefallen, unter dessen Schutz sie sich gewisser- 
massen stellten, um ihm zur Unterdrückung der 
Macht des Hauses Oesterreich, das das gewaltigste 
Hindernis zur Entfaltung der französischen Herr- 
schaft war, behilflich zu sein. Militärkapitulationen 
und Pensionswesen wurden nun für die Schweiz 
zu einer offenen Plage. Dieses System leistete der 
Faulheit und He<|iieiulichkeit mächtigen Vorschuh 
und hinderte jeden moralischen und wirtschaft- 
lichen Fortschritt der Nation. Die französische 
Diplomatie bedient'' sieh der Kautlichkeitdc rst-hwei- 
/erischen Machthaber und führte schliesslich zum 
Untergang der allen Eidgenossenschaft. Vor den 
Biirgunderk riegen waren die Schweizer ein einfaches Volk 
von rauhen Sitten gewesen, das den Wert des Geldes so- 

zusaget h nicht erkannt hatte. In ihren Kämpfen gegen 

Oesterreich war die verführerische Sucht nach Reichtum 
noch nicht mit im Spiele gewesen. Zur Ehre der Habs- 
burger iiniss gesagt werden, d.iss sie ihre Macht auf l'r- 
kunden stutzten und sich mit den Waffen zu erkämpfen 




Schlicht l" i Oioraico SS. Dezember 1 17« (I .lndeibibliothek Berel 



suchten. Ludwig XL führte dagegen ein neues System 
in seine Politik ein, indem er schon die Ratgeber "Karls 
des Kuhnen, so u. a. den Herrn von Commines, mit Geld 



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erkauft halle und dieses Vorgehen nun auch, mit Erfolg, 
auf die Eidgenossen auszudehnen »lichte. 




Der Tag von St»n» ti. IViomb.-r 1481. 
• Aus Schillings Ceronik Ton IMS — Hftrgarbibliotbsk Luzerne 

21. Krieg gegen den Herzog von Mailand. — Tag von 
Statu. — Eintritt von t'reiiurg und Solothum in drn 
Bund. Die von den Schweizern erfochtenen wunderbaren 
Erfolge hatten ihrem kriegerischen Sinn mächtigen Vor- 
■chuh geleistet. Die Eifersucht der Wüld«tättc war durch 
die von Bern gemachten territorialen Erweiterungen seines 
Gebietes geweckt worden. Da - entspann sich um ein 
Drücken- und Weiderecht in der Leventins zwischen den 
Urnern und der Herzogin Bonne von Savoven, Hegentin 
des Herzogtums Mailand 1 1477 i. ein erbitterter Streit, der 
noch nicht beigelegt war. als der mit Mailand in Fehde 
liegende Papst Sixtus IV. die Eidgenossen um Hilfe an- 
ging. Die im Oktober 1478 in Luxem versammelte Tag- 
satzuug zögerte, auf die Vorschläge des Papstes einzu- 
gehen. • Tri wollte aber absolut den Krieg und Hess sich 
durch die üble Stimmung der Orte und die vorgenickt«' 
Jahreszeit nicht beirren. > Gegen Ende November sam- 
melten sich etwa 101*00 Mann, die unter Hans Waldmnnn 
und Adrian von Bubenberg den Gotthard überschritten 
und gegen Belhuzona vorrückten. Ein im Lager der Eid- 
genossen ausgebrochener Zwist und die inzwischen ein- 

getieteue grimmig. Kalle, «..wi. dci Mang« I an Proviant 

und an Geschütz veranlassten aber den Bückzug über den 
Gotthard. Ilm h Ii.-*-, man ein lletasi hement von 1 70 Mann, 
denen sich noch 350 Leute aus dem Livinenthal ange- 
schlossen hatten, inGiornico (Irnis) c zur Bewachung der 
Urner Land mark • zunick. Da traten die Mailänder mit 
über 10000 Mann den Vormarsch an und eröffneten den 
Angriff auf die Besatzung von Giornico. «Giornico war 
von Nalur tn'fflieh geeignet zur Abwehr von Angriffen, 
die vom untern Tessinthale aus erfolgten. Die Haupt- 
strasse zog sich am linken Tessinufer hin ; bis Faido hin- 
auf ist das Flussbett sehr steil, die I Ter tum Teil tief und 
felsig; Befestigungen und Schanzen kamen hinzu. Knie 
Drucke ermöglichte die Verbindung mit dem rechten 
Ufer . . . Die Eidgenossen hatten eine günstige Stellung, 
da sie von den Höhen herab fochten ; auch hatten sie. 
wahrscheinlich durch Stauung der Berghäche, das steil 
abfallende I Ter des Tessin in eine Kisflächc umgewandelt, 
um den Anmarsch der Mailänder zu erschweren. Als nun 
diese sich anschickten, hinatifzurtlcken, rollten die Kid 
genossen (wie am Morgurlen) Steine und FeUstücke hin- 
unter, wodurch die Beiten-i in furchtbare Verwirrung 
geriet. Daun stürzten sie mit Wucht unter wütendem 



Geschrei hinunter, und das Heer der Mailander wurde 
leicht und rasch in die Flucht geschlagen ...» (Schlacht 
bei Giornico vom 28. Dezember 1478i. Nach diesem 
Kampf legten sich König Ludwig XL, der Laust und 
die Bischöfe von Sitten und Chur ins Mittel. Auch 
hier brachte die Eidgenossen ihre Uneinigkeit wie- 
der um die Früchte des Sieges, doch behielten die 
Urner das Livinenthal. 

Zu dieser Zeit tat sich in der Eidgenossenschaft 
zwischen den Ländern und den Städten eine liefe 
Kluft auf. Am 23. Mai 1477 hatten Zürich, Hern und 
Luzem mit Solothiiru und Freiburg ein Burgrecht 
abgeschlossen, das alle fünf Städte auf den Boden 
vollkommener Gleichberechtigung stellte. Die Län- 
der zeigten sich /.war geneigt. Solothiiru in den 
Hund dei Eidgenossen aufzunehmen, wollten aber 
von der Zulassung Freiburgs nichts wissen, da ihnen 
diese die Mehrheil ander lagsatzung entrissen hätte. 
Da sich dieser Zwist zu verewigen drohte, rief mau 
auf den 18. Dezember 1481 ztiStans eine Tagsatzung 
zusammen, an der eine Versöhnung der Gegensätze 
versucht werden sollte. Aber auch da vermochten 
sich die Parteien nicht zu einigen, sodass mau nach 
dreitägigen Verhandlungen wieder auseinandergehen 
»utile. «Man sah nichts anderes voraus als einen 
Bürgerkrieg, und der Gedanke an einen solchen er- 
zeugte eine aussergewöhn liehe Spannung der Ge- 
müter. » Da riet der ehrwürdige Waldbruder Ni- 
kiaus von der Flue, den der Pfarrer von Staus in aller 
Eile um seine Hilfe angefleht . zum Frieden. Seinem 
weilen Bat gelang es, die aufgeregten Gemüter zu 
beruhigen und du- Leidenschaften zu glatten. An 
Stelle des « Sondcrbiinde* • der fünf Städte trat ein 
neuer Bundcsv ertrag, das sog. Stanser Verkomm ms 
Die Bedaktion dieser neuen Bundesurkunde schreibt 
man Hans Waldmann zu, der damals in der Eidge- 
nossenschaft die erste Bolle spielte. Die Orte versprachen 
«ich gegenseitig Beistand und Hilfeleistung gegen unge- 
horsame Untertanen, welcher Artikel sich gegen Vorkomm- 
nisse richtete, die wie i. B. der Zug vom « tollen Leben» 
1477 die innere Buhe und Ordnung gefährdeten. PfaüTcri- 
brief und Sempacherbrief wurden neu bestätigt. Die Län- 
der stimmten der Aufnahme von Freiburg und Solothiiru 
in den Bund der Eidgenossen unter der Bedingung bei, 
» dass die neuen Orte nicht allem in Bunden, sondern auch 
in Kriegen den acht alten sich fügen . . . Beide Parteien 
gaben ihre bisherige Starrkoptigkeit auf; beide reichten 
sich die Hand über 
dem Altar des Va- 
terlandes. Eine 
mächtige Gefahr 
war damit über- 
standen. Die Eid- 
genossenschaft, 
deren Auflosung 
man bereits pro- 
phezeit ' .iiie war 

wieder geeinigt 

Der Hervorra- 
gendste Mann der 
Schweiz war zu 
jener Zeit unstrei- 
tig der Bürger- 
meister Hans 
Waldmann von Zü- 
rich, der Sieger 
von Murlen. Von 

einfacher Her« 
kunfl. hatte er sich 
zu den höchsten 
Ehrenstellen der 
Hepublik eui|".i- 
gesch wiingen und 
auf manchem 
Schlachtfeld 
ruhmvoll ausge- 
zeichnet. Kr war 
ein hochgewachsener Mann von elegantem und einneh- 
mendem Wesen, dabei aber heftig, ehrgeizig, von leich- 
ten Sitten und fremdem Gcldc zugetan. Dant'bcn verfugte 




Niklant vod <l«r Pia«. 
(Aas Stumpfs Chronik nach einer juthei. ti- 
schen »Hern Darstellung. — l.»nd««mu- 

»oum Zürich). 



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375 



i-r über einen eiwrncn Willen und grosses staats- 
männische» Talent. Am Herten las.* ihm in erster Linie 



X? 




AmUkolle de* HurgnmiiMtU-r» 
H*n* Waldmann. 



die Gross« Zürichs, die er mächtig zu fördern ver- 
stand. Auf den Gipfel der Macht gelangt, untergrub er den 
Einiluss der alten Patriziergeschlechler und kannte im 
Gefühl seiner Machtfülle keine Schranken mehr. Hoch- 
fahrendes Wesen und unkluge Verordnungen entfrem- 
deten ihm die Herzen seiner Mitbürger. Ergrimmt über 
ihn waren namentlich die Landleute, denen er durch 
lästige Reglementiererei zu nahe getreten. Am 31. März 
1489 brach ein Aufstand gegen den stolzen Bürgermeister 
los. der seines Amtes entsetzt, gefoltert, zum Tode verur- 
teilt und am 6. April 1489 durch das Schwert hingerichtet 
wurde, Ucber diese Behandlungdes Helden von Murtensagt 
Uändliker: «Die Bossergfsiiintcii hatten das Gefühl, dass 
ein Justizmord begangen worden sei. Jedes freimütige 
Gerede jedoch, jedes Wort zu guusten Waldmanns wurde 
nachher gewaltsam erstickt. Ein bann lag auf der öffent- 
lichen Meinung noch viele Jahrzehnte, ja fast drei Jahr- 
hunderte hinaus. Freisinnige Darstellungen des « Wald- 
innnn- Handels » wurden vernichtet. Durch förmlichen 
Besch Ins« der Räte wurden dann auch im Raisbuche die 
Verhandlungen über Waldmanns Prozess zerstört . . . 
Damit haben die Richter Waldmanns der Nachwelt selber 
offenbart, wie es um ihr Gewissen stand, und selbst das 
Urteil über ihre Handlungsweise und ihr Verfahren aus- 
gesprochen. ■ 

9x. Schwabetikrieg, — Aufnahnte von Hasel und Schaff- 
hauMtm (IMi), totne von Appenzell [151.1) in den Bund. 
Die Schweiz war staatsrechtlich immer noch ein Glied 
des deutschen Reiches, doch hatte diese abhängige Stel- 
lung jede tatsächlichen Bedeutung verloren. Die Eidge- 
nossen waren sich ihr« 1 * Wortes bewussl geworden und 
hatten sich in den Rurguiiderkriogen ihre faktische Un- 
abhängigkeit erfochten. 

AU Kaiser Maximilian seinem Vater auf den Tron folgte, 
wollte er, um tatkräftiger gegen die Türken und die Fran- 
zosen kämpfen zu können, seinem Reich einen festern 
Innern Zusammenhalt gehen. Zu diesem Zwecke setzte 



er im Jahr 1495 u. a. ein Reichskammergericht ein und 
stellte eine Reichssleuer fest. Auch die Schweiz wurde 
aufgefordert, der neuen Reichsordnung beizutreten. Die 
eidgenössischen Orte konnten sich aber diesen Verord- 
nungen nicht fugen, wenn sie ihre in heissen Kämpfen er- 
rungene Unabhängigkeit nicht wieder preisgeben wollten. 

Inzwischen hatte sich in SüddctiUchlaud der sog. 
«schwäbische Rund* gebildet, der das österreichische 
Kaiserhaus gegen die immer mächtiger werdenden Wittels- 
i. acher unterstützen sollte und dem auch einige Verbün- 
dete der Eidgenossen, wie z. B. Konstanz und Rottweil, 
beilraten. Dagegen siegten die eidgenössisch Gesinnten 
in Graubünden oh, wo Oesterreich die kleine Herrschaft 
Rizflns besass. Da brachen im Gebiete des Zehn- 
gerichtenbundes Streitigkeiten aus, die 1498 zu Waf- 
fentaten führten. " Ralrl stand man sich auf der gan- 
zen Linie vorn Hodensee bis nach Maienfeld hinauf feind- 
selig gegenüber.» In diesem Augenblick, Januar 1491», 
erliess iler eben in Freiburg im Breisgau Itelindlirhc k.n- 
ser eine sehr anmessende Botschaft, in der er die Hal- 
tung der Eidgenossen in den schärfsten Ausdrücken brand- 
markte. Dieses Vorgehen, dem sich Oesterreichs Prah- 
lereien windig /in Seite stellten, warf die brennende 
Laote ins Piilverfass und entfachte den Krieg. Dieser 
gestaltete sich ziemlich langwierig. Eine Reihe von sieg- 
reichen eidgenössischen Watrentaten (bei Hanl, am Schwa- 
derloo. an der Calvi n, bei Dorneck etc.) brachte den 
Kaiser, dem es zu einem energischen Vorgehen au den 
nötigen Mitteln fehlte, derart in Nol. dass er den ihm vom 
Herzog von Mailand angebotenen Vorschlag zur Vermitt- 
luiig eines Friedens annahm. So kam am '22. September 
1499 der Friede zu Hasel 
zustande, der in der Ge- 
schichte der Schweiz von 
der r i ös* 1 1 ii llcdctiluiie. 
ist. Kr stipullerte zwar 

noch nicht die politische 
Trennung der Schweiz 
vom Reiche, wie dies dann 
fast 150 Jahre später der 

Westfälische Fl ieden Voll 

1648 ausdrücklich tat. 
brachte aber der Eidge- 
nossenschaft ihn* Unab- 
hängigkeit von den 

Reichsordiiungen und 

vom Reiehskammerge- 
richt und entband sie zu- 
gleich der Verpachtung 
zur Bezahlung der Heirh- 
steiler. In dem Umstände, 
■ dass nichts über die Stel- 
lung der Schweiz zum 
deutschen Reiche gesagt 
ward t, lag « von Seite des 
Reiches eine stillschwei- 
gende Anerkennung des 
tatsächlichen Zustanden, 
d. h. des ITnabhängig- 
seins der Eidgenossen- 
schaft von den Reichs- 
ordnungen. Als eine un- 
anfechtbare Tatsache bat 
somit das Reich die Kxi- 
slens der Schweiz als 
eil 'igeiiarligen Ge- 
meinwesens zugegeben. » 

Der entscheidende Sieg 
von Dorneck (22. Juli 1499) 
brachte den Eidgenossen 
ähnliche Fruchte ein, wie 
seinerzeit die Siege am 
Moroni leu und bei Sem- 
pach. Seine unmittelbare 
Folge war der Eintritt 
Pasels und Scha (Ihausens 
in den Schweizerbund. 
Jener erfolgte am 8. Juni und dieser am 9. August 1591. 
Zwölf Jahre später, am 17. Dezember 1513, brachte die 
Aufnahme von Appen/eil den Hund der Fiilgeuo<-s l . M eil 




Khremchwrrt ; 0*«-benk d*» Pap- 
stes Jollus II. t51S an die Kid- 
gvBo*MD. (Landeamuscum Zo 

rieh). 



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87t» 



SCHW 



SCHW 



des Bestand von] 13 sog. «alten» Orlen. Seither wurde 
keine weitere Aufnahme mehr vollzogen, so das« der 




Khrenpannar; Geschenk da« Papste* Julius II. 1512 an die Kid- 
genouen. ( Landesmuaeura Zürich;. 

Hund der 13 ;ilten Orte wahrend drei Jahrhunderten, d. h. 
bis zur helvetischen Revolution unverändert bettelten blieb. 

tS.K&npfs in Italien.- Eroberung deiTeum. - Schlacht 
von Stivara i t.~> 131. Die zahlreichen Peldzuge, au denen 
die Schweizer bisher teilgenommen, hatten die Entstehung 
einer Klasse von Bcrufsmilitars zur Folge, die nur von 
Kampf und Krieg träumten, zu keiner friedlichen Arbeit 
mehr zu gebrauchen waren und sich bei jeder beliebigen 
Gelegenheit sofort bereit zeigten, zu Felde zu ziehen. 
Nach Beendigung des Sehwabenkrieges suehten diese 
Abenteurer anderweitige Betätigung. 

In Mailand waren nach dem Erlöschen der Visconti 
die Sforza durch Gewalt auf den herzoglichen Tron ge- 
laugt. Als sich Ludovico Sforza, genannt « il Moro» (der 
Mohr) auf diesem Trone zu unsicher fnhlte, Verbündete 
er »ich mit dem Konig Karl VIII. von Frankreieh gegen 
Alfons II. von Aragonien, der auf dem Tron von Neapel 
sass. Nun -teilten »ich .'iMJU-MlOO Schweizer unter die 
'Fahnen Frankreichs und marschierten gegen Neapel, auf 
welches Königreich ilie Herrscher Frankreich- Ansprüche 
geltend machlen. Die Eroberung gelang mit leichter 
Muhe. Während nun die frnn/u-i-rlie Armee und die mit 
ihr gezogenen Schwei/er im schönen Süden es sich 
wohl sein lie-sen, wandte sich I. mim ico .Moro von seinem 
Verbündeten ah und »chloss sich der Liga von Venedig 
an. der ausser ihm noch der Papst, der deutsehe Kaiser, 
der Köllig von Aragonien und Venedig angehörten. 
Karl VIII. musste sich zurückziehen und vermochte sich 
nur noch mit Muhe durchzuschlagen |I495). Nachdem 
sein Heer in kläglichem Zustand über die Alpen heim- 

Erkehrt war. starb er 149N. Sein Nachfolger. Konig 
udwig XII.. zog mit einem Heer von 25000 Kriegern, 
worunter ."MX! Schweizer, von neuem nach Italien und 
eroberte das ganze Herzogtum Mailand. Da er aber seine 
llilfstruppen verabschiedete, ohne ihnen den versproche- 
nen Sold auszubezahlen, kostete es Ludovico Moro keine 
grosse Muhe, etwa fSUlO Schweizer anzuwerben, die ihm 
zusammen mit deutschen Landsknechten und italieni- 
schen llilfstruppen sein Herzogtum wieder zurückerober- 



ten Februar 1500i. Ludwig XII. hielt lieh aber nicht für 
geschlagen und war imstande, mit nach allen Seiten reich- 
lich gespendetem Gold lOOtiO Schweizer Soldner in seinen 
Dienst zu ziehen. Da weigerten sich die Schweizer im 
Solde Ludovico's. gegen ihre Landsleute zu fechten, 
und zwangen ihren Herrn, der in Novara von den Fran- 
zosen belagert wurde, zum Absrhluss einer Kapitulation. 
Ludwig XII. nahm neuerdings Besitz von Mailand, auf 
welche Stadt er von seiner Grossmutter. Valentine Vis- 
conti her Ansprüche geltend machte. Jetzt erinnerten 
die Eidgenossen den Konig von Frankreich an sein 1 \ '.»."> 
noch als Kronprinz gegebenes Versprechen, ihnen an 
dem Tage, da er in den Besitz des Trones »einer Ahne 
gelangen wurde, die Herrschaften Lugano, Locarno und 
Itellinzona abtreten zu wollen. Ludwig dachte aber keines- 
wegs an die Erfüllung dieses Versprechens. Der Streit 
verschlimmerte sich derart, dass ein Heer von 14000 Eid- 
genossen über den Goltliard zog, worauf Ludwig nach- 
gab und .im II. April im Vertrage von ArOM die lleri- 
schaft Bellenz nebst dem Blcniotnal auf ewige Zeiten an 
die drei Länder I ii, Schwvz und Cuterwalden abtrat. 

Zu dieser Zeit erlangle der einstige Bischof von Lau- 
saune. Julian von Roverea. die Papstvvürdc. Dem neuen 
Inhaber des kurulischen Stuhles, der sich den Namen 
Julius II. beilegte, lag nun vor allem die Vergrösserung 
des Kirchenstaates und die Vertreibung der fremden Er- 
oberer aus Italien am Herzen. I.MO schloss er mit Vene- 
dig, Ferdinand von Aragonien. dem Kaiser Maximilian, 
dem König Heinrich VIII. von England und den Schwei- 
zern die t heilige» Liga, die ihre Spitze gegen Frankreich 
kehrte. Auf das Zureden des frühern Bischofes von Sitten 
und jetzigen Kardinals Matthäus Schinner hin überschrit- 
ten 18MI0 Schweizer im Frühjahr 151*2 die Alpen, worauf 
sich die Franzosen zurückzogen und Mailana preisgaben 
(Pavierzug). Maximilian Sforza ergriff nun wieder Besitz 
vom Trone seines Valers, wahrend Julius II. sich mit 
Stolz den <■ Refreier Italiens» nannte und den Eidgenossen 
den Titel (Beschützer der Freiheit der Kirche* erteilte*. 
Der Herzog von Mailand musste den Schweizern Itomo 
d'Ossola und das ganze Escheulhai. sowie die lessinischeu 
Herrschaften (Lugano, Locarno. Mendrisiound dasMaggia- 
thal) abtreten; die mitgezogenen Riiudner erhielten das 
Veltliu mit den Grafschaften Chiavenna und Bormio. Am 
2W. Dezember 151*2 hielt Herzog Maximilian seinen feier- 
lichen Einzug in Mailand. « Er wurde von den eidgenös- 
sischen Deputierten in Gegenwart eines glänzenden fürst- 
lichen Gefolges empfangen. Die Eidgenossen mussteu 
gegenüber Anmussungeu Anderer mit allem Nachdruck 
Im- sich selbst das Recht der Einsetzung in Anspruch 
nehmen . . . Durch der Schweizer Macht und Gunst kam 
so Mailand an den angestammten Herzog und wurden die 

Verhältnisse 
Italiens vor- 
läufig ent- 
schieden. Die 

Eidgenossen 

standen auf 

dem Höhe- 
punkt ihrer 
Macht. »Wenig 
nachher 

wandte sich 
Venedig vom 
Papste ab und 

schloss, am 
•23. Marz 1513, 

ein Hominis 
mit Frank- 
reich . Der 

i'i snzösische 

Feldherr La 

Tremouille 

überschritt 
miteiriemHeer 

die Alpen und 
eroberte Mai- 
land zurück. 
Am 3. Juni begann er die Belagerung von Novara. in 
welcher Slaill ller/ug Max mit 4M tu Schweizern lag 
Nachdem noch weitere 6UtO Kulgcims*en zu ihren Bru- 



WZ 



Kardinal Mattbau« Srhinner, geb. 1156. (Au- 
thentische« Porlrul, nach einem bisher 
nicht veröffentlichten Medaillon. — l~in 
■ >-• - rn 'j -.-11111 Zürich). 



SfJIW 



SCHW 



377 



(lern gcstossen. ruckte das jetzt 10 OU) Mann starke 
>cliwci/eri»che Heer am 0. Juni 15 12 aus den Toren der 




Dlo Kidgenotten Obcrreio 
Mailand. KD. 



jen dem Henog Maximilian Sforza die ScalQmcl Ton 
Dezembor 151». (Landesbibliothek Bern). 



Stadl den Franzosen entgegen, ilic binnen wiMiiRen Stun- 
den vollständig 'schlagen wurden und dich in eiliger 
Flucht reilelen (Schlacht von Novara). «Mit Recht zahlt 
man den T.i. von Novara, da da« Raucrnvolk der Schweiz 
dl.' |jr<> — ^tc Macht Kniop.i» iiii-ilcr,'evvorfcu, zu den höch- 
sten Ehrentagen der Eidgenossenschaft : es war der Gipfel- 
punkt unserer Marlitentwirklung. > 

S4. Schlacht von Marignano. — Ewiger Hund mit 
h'iiink reich (l.'iltü. Nach dieser wunderbaren Reihe von 
Siegen wäre es für die I nl;ri n wünschenswert ge- 
wesen, «uch auf ihren Lorheeren auszuruhen. 
Im Lande machte sieh allmählig eine tiefe l"n- 
zufriedenheit geltend, hie Hauern wurden der 
ewigen Feldzüge überdrüssig, die sie /war mit 
Hu Im Überhäuften, deren rniehlc aber einzig 
die herrschenden Klassen für «ich in Anspruch 
nahmen. Doch war nach dem Siege von Novara 
der Krieg keineswegs beendigt. Ilie Schweizer 
zogen gegen die Stadt Dijon. deren llefehlshaher 
La Tremouillc im Namen des franzosischen 
Königs mit ihnen unterhandelte. Frieden 
schloss und eine Entschädigung von 4U00U0 
Kronen versprach. Als auch der Kaiser, der 
Papst. Spanien und England mit Frankreich 
ihren Frieden machten, sah sich Ludwig XII. 
seiner Widersacher entledigt und widerrief den 
Vertrag von Iiijon. « Damit war das eilige- 
llösische Heer geprellt. » 

Millen in den Vorbereitungen zu einem 
neuen italienischen Feldzug -Urb König Lud- 
wig XII. am I. Januar IM.». Sein Nachfolger. 
Franz I., der dem fran/osischeii WalTeuriilim 
wieder neuen (Hau/ geben und Mailand wieder- 
um an sieh bringen wollte, erneuerte das Kund- 
in- mit Venedig und tOf mit f>»XKlO Mann über 
die Alpen. Hie Eidgenossen, die -ich die Ver- 
teidigung der Lombardei zur Pflicht gemacht 
hatten, ruckten ebenfalls aus. waren aber, wie 
-Ii, .od. unter sich uneinig. Franz 1. benutzte 
diese Meinungsverschiedenheiten in Beschick- 
ter Wei-r, um Frieden-aulrage zu stellen. Trotz 
aller Versuche des kriegerischen Kardinales 
Matthäus Schinner, sie zurückzuhalten, erklär- 
ten »ich die Hemer. Sololhurncr, Freiburger 
ii int Walliser als mit den frati/o-ischen Aner- 
bietungen zufrieden ge-tellt und kehrten heim. 

Das französische Heer hatte bei Marignano, 
10 km von Mailand entfernt, eine schone Stel- 
lung bezogen, wahrend die Truppen Venedig- in Creniona, 
tW km von Marignano. lagerten. Die Eidgenossen zahlten 
nach dem Abzug der We-tsrhwcizcr noch 20 000-21000 



Mann, die unter denn Hurgermeister Max Rnusl von Zü- 
rich standen. Am 13. September 1515 entspann sich die 
Schlacht. Obwohl an Zahl dem Feinde nicht 
ebenbürtig, hielten die Schwei/er tapfer 
stand, bis um Mitternacht vollige Dunkelheit 
die Waffen ruhen lies-. « Heide Parteien zo- 
gen sich, aufs au-»erste ermüdet und ruhe- 
bedürftig, zurück. Aber so gross war die 
Verwirrung, welche die Dunkelheit erzeugte, 
da-» oft Freund und Feind unbewusst dureh- 
c inander sieh mengten. Mancher, weicherde* 
(Hauben- war, bei guten Freunden zu sein, 
verriet sich durch die Sprache als Fremder 
und cmpllug statt de- freundlichen llfgen- 
gruase* den Todesstoss. Das Ergebnis diese» 
ersten Kampftage- zeigte »ich den Eidge- 
nossen günstig. Der Feind war zurückge- 
drängt worden, und schon erging nach allen 

Richtungen die Kunde vom Siege der Schwei- 

zer ober die Franzosen. » Am folgenden Mor 
gen entbrannte der Hieseukampf von neuem 
Den Franzosen kam nun die venetianische 
Keilerei zu Hilfe. Der französische Marschall 
Trivulzio Hess die Dämme de» die Ebene 
lii u.issemden (.ambro' durchstechen und das 
Wasser auf die Eidgenossen losslröinen. Ih> 
entschlossen sich dies«' endlich zum Rückzug, 
den sie stolz und unter furchtbarer Gegen- 
wehr vollführten. Nach einem letzten sehreck- 
lichen Kampf an einem Graben blieb der Feind zurück. 
• Niemand beunruhigte sie mehr; der Feind, voll Er- 
»tatiuen • i tat] Kevviiiidcriing. sah ihnen nach und wagte 
nicht, sie zu verfolgen. Arhtung vor dem Heldenmut und 
der unerhörten Tapferkeit und Tollkühnheit, sowie Furcht 
vor der Macht ihre» Arme» mochten »ich bei den Siegern 
in eigentümlicher Verbindung mischen. E» war ein ein- 
zigartiges Schauspiel, wie e* nur selten in der (•••schichte 
vorkommt; denn der Eindruck, welchen die Resiegten 
bei den Siegern selbst erzeugt hatten, glich dem Erfolge. 




Schlacht von Novara •>. Juni IMS 
(Nach einer Zeichnung des Joh. Melch Fossil n. — lidrgerbibiiotbek Luzorn . 



dessen sieh die letztern erfreuen konnten.» An diesen) 
denkwürdigen Tag von Marignano verloren die Schweizer 
12 000 Mann, mehr als die Hälfte ihre» ganzen Heeres. 



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• 



.378 



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SCHW 



Iii«' Schlacht \iui Marigiiano halle fur dir Schweiz ein- 
schneidende Kolben. Die Tagsatzung freilich Hess sich 




Schlacht von Marignano 13. Septnmber IM* 
(Laadeabibliulhek Barm. 



nicht entmutigen, sonilern heschloss, ein neues Meer von 
•22000 Mann aufzubieten, um die in den vorangegangenen 
Feldzugcn gemachten Eroberungen dem Lande zu er- 
halten. Doch waren die wcst.schwt-iz.c rischen Orte eines 
Kampfe« müde, der nur dem Papst, dem Kaiser und dem 
Konige von Spanien Fruchte trug und alle Insten einzig 
der Kidgenossenschaft auflud. Kranz I. verstand es, die 
gegebene Lage geschickt auszunutzen. Voller Hewunde- 
rung für die Tapferkeit der Schweizer, beschloss er, deren 
Freundschaft zu suchen. Am 7. November begannen in 
Genf die darauf bezüglichen Verhandlungen. Während 
»amtliche Orte zum Friedensschluss geneigt waren, erklär- 
ten sich Tri, Schwyz, Zürich, Kasel und Scharnhausen ge- 
gen ein Bündnis mit Krankreich. Nach einjährigen l'nter- 
handlungen kam endlich eine Verständigung zu stände. 
Her Vertrag von Preiburg vom 12. November 1516 sicherte 
den Eidgenossen mit Ausnahme von Homo d'Ossola und 
lies Eschcnthalcs alle ihre Erobertingen in Oberitalien 
zu, gab ihnen kommerzielle Vorteile und brachte ihnen 
eine Kriegsentschädigung von 700000 Kronen ein. • Jede 
Partei verpflichtete sich. Feinde der andern nicht zu 
unterstützen, also bei Kriegen, an denen die andere be- 
teiligt war. neutral sich zu verhalten. * Sechs Jahre später, 
am ;i. Mai 1541. wurde dieser ewige Frieden zu einer 
Offensiv- und Defensivallianz erweitert, die dem fran- 
zösischen König die Anwerbung von 6000-16000 Schweizer 
Soldnern erlaubte. Diese Verträge sind dann 1663, 1715 
Und 1777 in ihren llaiiptbeslimmuugen erneuert worden, 
her Vertrag von 1516 bezeichnet den lieginu des l'nter- 
ganges der schweizerischen Machtstellung. 

l'eber die Zeit der italienischen Feldzüge gibt Hermann 
Esther folgendes Gesamturteil ab : « Die Periode der Mai- 
länderkriege ist nicht nur der machtvollste Abschnitt der 
Schweizergeschichte, sondern auch der am meisten dra- 
matische. Es ist eine Zeit voll stürmischer Bewegung, 
starken Ausdehuungslricbes, trotzigen Auftretens, über- 
wallenden Kraftgefuhles und äussern Glanzes. Aber da- 
neben her geht ebensoviel Ztichllosigkeil, Selbstsucht, 
wild«? Gier, Zersplitterung und Zerfahrenheit. In stürmi- 
scher Heweguug werden grosse Erfolge erzielt; aber es 
fehlt die Kraft, sie festzuhalten. Am Eingänge des Dramas 
stehen gleichsam zur Vorbereitung des Kommenden die 
Ereignisse, die zur Gefangenschaft Ludovico Moros führen. 
Nach längerer, höchst ungleichmässiger Entwicklung 
wird zuletzt in raschem Anlauf und stolzer Aufwallung 
der Höhepunkt erreicht. Den Abschluss bildet der jähe 
Zusammenbruch der kaum erst errungenen t'rossmacht- 
stellung, eine Katastrophe freilich, «he trotz .«Med. -in auf 
Zeitgenossen t. ml spatere Geschlechter einen liefen Ein- 



«Iruck, wenigstens von der militärischen Kraft des Volkes, 
gemacht hat. I 

III. Zkitai.teh [ihn Kluuhiatjon. /. Die 
/{r»i«i*«inee. Vier Ereignisse von allererster 
h den Iii iig -md i ■«. .he da- Ende des Mittel- 
alters bezeichnen und der europäischen Ge- 
schichte neue Wege vorgezeichnet haben : 
die Erfindung der Buchdruckerkunst, die 
Entdeckung Amerikas, die sog. Renaissance 
und die kirchliche Hcfurm. Die Erfindung 
der Huchdruckerkunst machte das Wissen, 
das ln-l:ei um Wenigen zugänglich g. - 
vvesen. zum gemeinsamen Gut der Allge- 
meinheit. Die äusseret! ropäischen Entdek- 
kungen bahnten in den wirtschaftlichen 
Verhältnissen von Europa eine l'mwalzung 
an, an der auch die Schweiz ihren Anteil 
haben sollte, trotzdem ihr Gebiet nirgends 
an ein Meer stösst. Die Renaissance be- 
deutet eine geistige Wiedergeburt, die zwar 
von Italien ausgegangen ist, deren Folgen 
jedoch den Landein des Nordens wohl mehr 
als denen lies Süden« zugute gekommen 
sind. Die Deformation endlich besteht nicht 
bloss in einer Scheidung auf «lern Gebiete 
der kirchlichen Lehren, sondern hat sich 
zu einer Bewegung von weit umfassenderem 
Charakter ausgewachsen, von dem ihre Vor- 
kämpfer zunächst keine Ahnung haben 
konnten. 

In dem grossen Kampf zwischen Tron und 
Altar war der Papst über den Kaiser Sieger geblieben. Das 
Kaisertum sollte sich von «lein Schlage, der es getroffen. 




Schweizer Soldner au- dem t(t. Jahrhundert 
i Zeichnung von Maos Holbein. — Hflrgerblbliotbok. Luiero). 

nicht wieder erholen. Nördlich der Alpen war eine Zeit 
wirklicher Anarchie eingebrochen. Die Päpste halten sich 
entschlossen in die weltlichen Handel eingemischt. Auf 



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I 



SCHVV 



«teil Rur Julius' Ii. waren die Eidgenossen nach Italien 

geeilt und zur wirksamen Stüt/.e des heiligen Stuhles ge- 




Schwelier Söldner aus dem Jahrhundert. (Zeichnung von 
Hins Holbcin. — UQrgerbibliothak Luxer n.. 



worden. Die italienischen Feldzüge, in die sich die 
Schweizer milhercingcrissen sahen und die mit der 
Katastrophe von Marignano ihren Abschluss fanden, 
wandten die Bewohner unserer Städte und Landschaften 
von einer auadauernden und friedlichen Arheit ah und 
übten auf die Sitten, wie auf die allgemeine Wohlfahrt 
einen verderblichen Einflusa aus. 

Die auf die Befreiung der Geister vom dogmatischen 
Joche zielende Bewegung der Reformation ging Seite an 
Seite mit dein unter dem Namen der Renaissance be- 
kannten Wiederaufleben von Kunst und Wissenschaft. 
Die Humanisten teilten sich aber in zwei Lager. Die 
einen, denen die moralische Mit das Hauptziel ihrer 
Tätigkeit war. unterstützten die Reformation, während 
sich die andern, denen das klassische Altertum als Ideal 
vorschwebte, zwar Iwie Erasmus) zunächst der Deforma- 
tion näherten, sie dann aber wieder verwarfen. Im krie- 
erisch gesinnten Volk der Eidgenossen, das lange Zeit 
ie Pflege von Kunst und Wissenschaften vernachlässigt 
und verachtet hatte, hat die Renaissance den Geschmack 
an diesen geistigen Beschäftigungen des Friedens erweckt. 

Den Balladen der deutschschweizerischeu Minnesänger 
und Ottos von Grandson, den Volksliedern von Halb- 
suter u. a.. den Annalen der Mönche von St. Hallen und 
den Chroniken des Johannes von Winterthur und ande- 
rer seiner Zeitgenossen reihten sieh im 15. Jahrhundert 
einige poetische Erzeugnisse neuer Art an, deren Ver- 
fasser vielfach gewöhnliche Handwerker waren. Während 
bei den Deutschschweizern, einem zugleich energischen 
und sentimentalen Volk, Kriegslieder und lyrische Er- 
gösse auf der Tagesordnung standen, brachte das ro- 
manische Land, wo das Volk /u philosophieren liebt 
und zu gutmütigem Spott neigt, dramatische Versuche 



SCHW 379 

hervor. Die Stätten der eisten theatralischen Aufführun- 
gen waren die Kirchen, in denen die Geistlichkeit im 
Verein mit den Chorknaben und einigen Gläubigen des 
Laienstandes Mysterien und Moralstürke agierten. Der 
Lausanner Beamte Jean Bugnion schrieb den Roman t'iei- 
a brmt le (ieaut, und der Pfarrer Jacques de Bugnin ver- 
öffentlichte ein Poem unter dem Titel Conge pri$ du ;jrc- 
*mt »iecte. Neben diesen noch sehr naiven Erzeugnissen 
blühte die Chronikliteratur auf, die in Konrad Justinger, 
Johannes Fründ, Melchior Russ, Petermann Etterlin, Die- 
hold Schilling von Luzern und Diebold Schilling von Rern. 
Albert.von Bonstetten, Gerold Edlibach, Thüring Fricker. 
Felix Hemmerlin, Valerius Anshelm und dem streitbaren 

I Francois Bonivard ihre berufensten Vertreter fand. 

Ein Ereignis von weittragenden Folgen war dann für 

i die Schweiz die im Jahr 1460 erfolgte Gründung der 
l'niversitäl Basel durch Papst Pius II. Ihr erster Rektor 
wa"r der Jurist Audlau. An ihr wirkten als berühmte 
Lehrer der Jurist und Humanist Sebastian Brandt, die Hu- 
manisten Geiler von Kaisersberg, Johann Reuchlin, l'tcn- 
heim, Amerhach u.a., der Philologe und Theologe Thomas 
Witlenharh, der vielseitige Glamer Heinrich I.oriti tider 
(ilarean, u. a. In Hasel lebte seit 1513 auch der Holländer 
Erasmus, der König der Humanisten, der zwar nicht an 
der Universität lehrte, aber «Mittelpunkt des wissen- 
«chaftlichen und humanistischen Lebens und von grossem 
und bestimmendem Einfluss auf die Universität • wurde. 
Einer der hervorragendsten Männer jener Zeit ist ferner 
noch der Arzt und Naturforscher Theophrastus Paracelstis 
1 1493-1541), Stadtarzt und Professor in Basel. Er wandte 
zuerst die Chemie auf die Medizin an und war ein Freund 
des Buchdruckers Frohen, der die Werke des Erasmus 
verlegte. Von weiteren Humanisten der damaligen Zeit 

, seien noch Benannt Johannes Heinlin von Stein (genannt 
a Lapide), Heinrich Wolllin (Lupulus), Oswald Mykuuius 
und Thomas Plater. 
Die Malerei war damals in der Schweiz vertreten durch 




Schweizer Kahndrich tut dem 10 Jahrhundert. (Zeichnung von 
Hans liolbein. — borgnrbtbliolbck Luzern). 

Johannes Friess aus Freiburg, Hans Holbein den jüngern, 
der, aus Augsburg gebürtig, mehrere Jahre in Basel lebte, 
und den Berner Nikiaus Manuel. Im 15. und 16.*Jahr- 



r, 



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380 



SCHW 



SCHW 



hundert blühten auch <ii<- Glasmalerei und HolnchnitK« 

rei. deren Erzeugnisse «las Innere von Kirchen. Klöstern. 
Schlössern. Halhausc rn und Wohnungen reicher Bürger 
schmückten. Die prachtvollen Chorstühle der Kirchen 
von llauterive, Lausanne und Wettingen, sowie die Glas- 
malereien von Königsfcldcu, Welliugeu und des Rat- 
hauses von Luzern sind heule noch das Entzücken der 
Kenner. 

V. Z.wingh und die Reformation in der deutschen 
Schweiz. — /eilen der h'aftt>eUtrkrie;je. Der Reformator 
der deutschen Schweiz ist l'lrich Zwingli, der am 1. Ja- 
nuar Ii84 zu Wildliaus im Toggenhnrg gehören wurde. 
Kr. dem Zürich ein l)eukmal errichtet hat, war ein ge- 
lehrler un<l beredter Humanist, der in Basel, Bern und 
Wien gründliche Studien gemacht halte. Krst 22 Jahn- 
alt, Würde er zum Leulpriester von Glarus gewählt. 
1513 und 1515 herleitete er als Feldpmliger das Banner 
von Glarus auf den Feld/.ügen von Novara und Marignano, 
hei welcher Gelegenheit ihm die unseligen Folgen des 
Krieges aus nächster Nähe bekannt wurden. Da« Schau- 
spiel, das sich ihm da hol, gab ihm die l'eberzeugung, 




flncb Zwingh U4SIIMI). 
(Modadlon von J. Stampfer. — l.aadetniuseum ZOncb . 



daas sein Land mit der durch nichts gerechtfertigten 
Beteiligung an diesen italienischen Feld/.ügen auf falschem 
Wege sei. Er predigte 1515 tu Mouza und wusste so 
warme Tone /u finden, dasa einer seiner Zuhörer seihst . 
bezeugt : « Halle man ihm gefolgt, so wäre viel Blut 
weniger geflossen, und die Eidgenossen hätten sich seihst 
vor grossem Schaden bewahrt ». 1516 kam Zwingli als 
Leulpriester nach Einsiedelu und 1518 als l.eutpriesler 
oder Pfarrer am Grossmünsler nach Zürich, der Stätte 
seiner fernem Wirksamkeit. In dieser tatkräftigen und 
lebhaften Stadt sollte er, der selbst ein feuriger Patriot 
war, einen günstigen Boden für die Entfaltung seines 
Genius linden. Zunächst beschränkte er sich darauf, 
die ihm am Herzen liegenden moralischen und re- I 
ligiösen Deformen durchzuführen, ohne noch an den 
iKigmeu der römischen Kirche zu rütteln. Erst die An- 
kunft und die eintriebe des italienischen Prcdigcrmön- 
rhes und Ablasskrämers Bernhardin Samson, sowie die 
(•leichgiltigkeit der Kirchenhäupter gegen die Sittenver- 
derbnis des Klerus und das Elend des Volkes veranlagte 
ihn, mit Koni und dem Papste zu brechen, t'nterdes.eu 
war die Reformbeweizuiig in Deutschland in Gang ge- 
kommen, doch stand die religiöse Wiedergeburt, wie sie 
sich in Zürich vorhereitele. in keinem Zusammenhang 
mit der von Martin Luther gepredigten. Der erste Kon- 
llikl Zwinglis mit dem Papst war nicht dogmalischer, son- 
dern politischer Natur und brach bei Anlass des Krieges 



zwischen Karl V. und Franz I. au*. 1'nlcr dem Einfluss 
von Zwingli halle sich Zürichs Bat geweigert, sieh dem 
Bande anzuschlieBsen. den die übrigen Orte eben (5 Mai 
1521) mit Frankreich geschlossen. Als nun der Papst, 
der auf Karls V. Seite stand, die Zürcher zu sich her- 
überziehen wollte, erhob Zwingli seine Stimme ener- 
gisch auch gegen die vom Papste verlangte Stellung von 
Zürcher Hilfstruppen, die hei den Eidgenossen Hader er- 
regte und Schweizer gegen Schweizer ins Feld gestellt 
halle. Nachdem der päpstliche Nuntius aber versprochen 
halte, dass die Zürcher ausschliesslich zum Schutze 
des päpstlichen Stuhles verwendet werden sollten, war 
des Papstes Sache gewonnen. Kaum hatten aber die 
Zürcher die Alpen uberschritten, so wurden sie, wie 
Zwingli richtig geahnt, vom Papst gegen Frankreich 
Bestellt, Daraufhin rief Zürich am II. Januar 1522 seine 
Söldner zurück. 

• Nach und nach nahm Zwingli eine immer schär- 
fere Mi .hing gegen die Kircheuhräuche ein. » Er wurde 
• eifriger, erklärte sich gegen die Fastengebote, gegen 
die Bilder- und Hciligenverchmng. gegen Kloster und 
Orden u. dergl. ». Im Frühjahr 1522 übertraten einige 
Zürcher da» Fastengehot und protestierten gegen den 
Beichtzwang und die von den Klöstern erhobenen Zehn- 
leu und Steuern. Der Bischof von Konstanz suchte die 
Zürcher durch ein Mandat zum Gehorsam zurückzu- 
rufen. Nun nahm auch Zwingli in seiner am 16 April 
erschienenen Hruekschrifl Vimi Erkieten und Fnjheit 
der Spysen öffentlich Stellung. « Es war ein gewagter 
Schritt: der erste öffentliche Widerspruch gegen die 
Kircheiilelne, die erste Herausforderung zum Kampfe ». 
Wenige Tage nachher kam die Nachrieht von der Nieder- 
lage hei Ricocca (27. April -1522). wo 3000 im Solde 
Franz' I. stehende Schweizer das Leben verloren. Dies 
gab dem Widerstand Zwingh- gegen die verderblichen 
Militärkapitulalioncn neue Kraft. Am 16. Mai schrieb er 
an die zu Schw vz versammelte Landgemeinde eine« gött- 
liche Ermahnung, dass sie sich vor fremden Herren 
hüten und entladen ». Nun legte sich aber die eidge- 
uossischf Tagsat/ung ins Mittel, indem sie die Priester 
vor Predigten warnte, welche Verwiriung und l'neinig- 
keil ins Volk tragen konnten. Zwingli lies« sieh durch 
diese in erster Linie gegen ihn gerichtete Drohung nicht 
einschüchtern, sondern setzte sein Reformwerk mutig 
fort. In einem an den Bischof von Konstanz gerichteten 
Brief vom 2. Juli forderle er die Freiheil, nach dem 
Wortlaut der Evangelien predigen zu dürfen, und ver- 
langte er die Abschaffung des Zölibates der Priester. 
Zwingli's Worte und Schriften riefen unter der Geist- 
lichkeil eine mächtige Erregung hervor. Offen traten 
auf Zwinglis Seite herüber Kourad Schmid. der Komthur 
des Johannilerhauses Küsnacht, sodann Leo Judä, der 
Pfarrer zu Sl. Peter in Zürich, der Ahl Wolfgang Joner 
in Kappel und der Propst Felix Brennwald in Emhrach. 
Bürgermeister und Rat von Zürich beschlossen, das- die 
Predigten auf die Evangelien, sowie die Bücher der 
Apostel und der Propheten ausgedehnt werden und die 
von den Kirchengelehrten Üuns Scotus, Thomas von 
A<|tiino etc. aufgestellten Dogmen beiseite gelassen wer- 
den sollten. Fünf Tage nach dieser Verordnung' trat ein 
grosser Teil der Zürcher Geistlichkeit zur Reformation 
ül»er, worauf das Kapitel beschloss, das» sich die Predig- 
len nach dem Inhalt der heiligen Schrift zu richten 
hätten. Der 1521 auf den päpstlichen Stuhl gelangte neue 
Papst Hadrian VI. aus rtrecht. ein nüchterner, gerader 
und gewissenhafter Theologe, hätte vielleicht die Kirchcn- 
iremiu ng zu verhindern t'crmocht, wenn er nur früher 
zur Macht gelangt wäre. So aber war es für eine Ver- 
söhnung bereits zu spat, und des Papstes r ute Anord- 
nungen konnten die einmal in Fluss geratene Bewegung 
nicht mehr aufhallen. 

Zwingli, von den Einen unterstützt und den An- 
dern getadelt, -ah die Notwendigkeit einer öffentlichen 
Aussprache ein. So verlangte er denn die Abhaltung 
eines Beligionsgesprärhes, das auf Veranstaltung des 
Rates von Zürich am 29. Januar 1523 auf dem Raihause 
zu Zürich unter dem Vorsitz des Burgermeisters Röusl 
stattfand. Als Anhänger Zwinglis waren Lisi Judä, Vadian 
aus St. Gallen. Hoffmeister aus Schaffhatisen und Sebas- 
lian Meyer aus Basel anwesend während der Bischof 



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381 



von Konstant durch seinen Gencralvikar Johannes Faher 
und drei andere AI>gi»ordnclc sich vertreten lieg». I Als 
Grundlage für die Verhandlungen halle Zwingli sichcuund- 
sechzig Thesen oder Streitsat/c (■ Schlusssätze » i drucken 
lassen, iu welchen er die rein evangelische Lehre allen 
Kirchentraditionen und Kirchciibra uchen gegenüberstellte 
und als Grundlage einer Kirchenreform bezeichnete, und 
in denen er die weltliche Gewalt der Geistlichen, die 
Deichte, Russwerke und besonders das Ablasswcsen, als 
widcrhiblisch darstellte. » Die Disputation endigte /u 
seinen Gunsten, worauf der Rai verfugte, das» der Re- 
formator, da seine Thesen nicht widerlegt worden seien, 
fortfahren »olle, im gleichen Sinne wie früher /.u pre- 
digen. 

Von diesem Augenblick an machte die Sache der De- 
formation rasche Fortschritte, Auf Pfingsten 1524 wurden 
die Dilder aus den Kirchen Zurichs entfernt. Mit der 
Aufhebung der Kloster, als deren erstes dasjenige am 
Odenbach geräumt wurde, begann mau im Dezember 
1524. Am 13. April 1525 schallte mau auf Begehren von 
drei Prieslern in Zürich aueh die Messe ab. Alle diese 
Schlag auf Schlag erfolgenden Ereignisse schlössen Zürich 
von den übrigen Eidgenossen mehr und mehr ab. Da die 
Tagsal/ung es nicht wagte, gegen Zürich einzuschreiten 
und den Herd der Deformation zu ersticken, 
rächte sie sich dadurch, das« sie ulle Neuerer, 
deren sie habhaft werden konnte, streng Be- 
strafte. Trotz dieser strengen Massnahmen 
gewann aber die Deformation immer Wei- 
tere Anhänger. Freunde Zwingli s. w ie Oe- 
kolampad in Dasei. Iloü'nieisler in Schap- 
hausen, Vadian in St. Gallen II. A. predigten 
mit Erfolg die neue Lehn*. Tin dieser Pro- 
paganda ein Ende zu machen, schlugen die 
Katholischen im Jahr 1526 ein neues Deli- 
uiousgesprach vor und wählten zu ihren 
Vorkämpfern an demselben den Dr. Johan- 
nes Kck. den berühmten liegner Luthers, 
und den elsässischen Fianziekanermonch 
Thomas Murner in Luzern. Als Ort der Zu- 
sammenkunft wurde Kaden bestimmt. Da 
aber schon während der Tagsalzung von 
1523 Zwingli in efligie verbrannt und seine 
Uefaugennahme angeordnet worden war, 
fürchtete Zürich für die persönliche Sicher- 
heit seines Reformators und lies« ihn nicht 
nach Lad. -n gehen. Vertreten waren die He- 
formierten an dieser Disputation (Mai 1526) 
durch Dertliold Daher und Ockolampad, von 
denen namentlich dieser letztere seine Sache 
trefllirh verfocht und auf die sei. wankenden 
Gemüter einen tiefen Kindruck machte. Von 
den Teilnehmern au diesem Religiousgc- 
spräch erklärten sich .iI.it- dennoch bloss 10 
für die Reformation, während 82 au der allen Lehre fest- 
hielten. Die fünf alten Orte, sowie ferner Glarus, Freiburg, 
Solnlhurn und Appenzell erklärten die von Zürich vorge- 
schlagenen Reformen als ketzerisch ; sie verholen sämt- 
liche reformierte Schriften innerhalb der Grenzen ihres 
Gebietes und beschlossen, jeden Versuch zur Abänderung 
des bestehenden Kultus strenge zu bestrafen und die 
1 »eidlichen auf ihren orthodoxen Glauben hin zu prüfen. 
Ala 1527 die jährliche Neubestellung des Rates der Zwei- 
hundert in Rem den Anhängern der neuen Lehre die Mehr- 
heit gebracht, veranstaltete man auch in dieser Stadt ein 
Religionsgespräch (0.-25. Januar 1528). Trotzdem die Ka- 
ilii.li-chen, die zur Teilnahme eingeladen waren, keinen 
ihrer redegewandten Vertreter gesandt hatten, erregte 
.Ins.- Disputation dennoch grosses Aufsehen. Ks sprachen 
Maller, Kolh. Zwingli, Vadian. Pellican. Ockolampad, 
Rucer, Capito und rarel. Die Mässigung Maliers gewann 
der reformierten Sache die Guus) der Herner Geistlich- 
keit, und der Rat der Zweihundert entschied sich end- 
gillig für die Reformation. ■ Die Dilder und Kruzifixe, 
die Altäre und Leuchter wurden beseitigt, die Klöster 
aufgehoben ; auch Pensionen und Reislaufeu verboten. 
Rern schied aus dem liistum Lausanne aus, und der Rat 
ubernahm die kirchliche Roheit und Gerichtsbarkeit und 
crlicss ein neues Rcronnationsinandal. Auch war Dem 
schon am ersten Tage der Disputation dem christlichen 



Durgrecht. das Zürich mit Konstanz geschlossen, beige- 
treten ; es trat jetzt ganzlich in den Kreis der Zürcher Po- 
litik ein .1. Die Entscheidung Rems wirkte unmittelbar 
auf Hasel ein. wo nach einigem Widerstand die Messe 
abgeschalU wurde. Haid folgten aueh die Städte St. Gallen, 
Schallhausen und Mülhausen dem Heispiele Herns. Als 
in Glarus eine Landsgemeinde den Reformierten die 
Mehrheit gab. kam durch die Remühungen des Land- 
ammannes Dans Aebli 1529 ein lleligionsverlrag zustande, 
wonach es jeder Gemeinde frei stehen sollte, sich für den 
einen oder den andern Glauben zu entscheiden. Die 
halbe Schweiz halte mit Rom gebrochen ! 

Eine solche Fmwälzung konnte sich naturgemäss nicht 
vollziehen, ohne die Gemüter gewaltig in Aufwallung zu 
bringen. Die religiöse und moralische Krisis hat denn 
auch in der Schweiz wie in Deutschland eine wirtschaft- 
liche Krisis ausgelost. Die Wiederläufer und andere 
Sekten, die Luthers Werk für einen Augenblick in Gefahr 
gebracht, hätten beinahe auch der Reformbewegung in 
der Schweiz einen fühlbaren Schlag zu versetzen ver- 
mocht. Doch wurden ihre Uebertrcibungen und ihre kom- 
munistischen Torheiten von der Zürcher Regierung mit 
starker Hand unterdrückt. 

Zwischen den eidgenossischen Orten hatte sich eine 




ßeliglonsgopracti iu Bern >',. l~> .lanusr TiSS. iHftr^rbibholhek l.uieru». 



tiefe Kluft aufgetan, die die Weiterentwicklung unseres 
Landes für mehr als 3 Jahrhunderte hemmen sollte. Die 
sieben Orte Luzern. Uri. Schwyz. l'nterwalden. Zug, 
Freiburg und Solothum, d. h die* Mehiheit, standen auf 
Seiten des alten Glaubens. Von den übrigen hatten sich 
die vier Städte Zürich. Dem, Hasel und SchalThausen für 
die Reformation entschieden, während in Appenzell und 
Glarus die Mehrheit des Volkes sich der evangelischen 
Konfession, welchen Ausdruck die Anhänger Zwingiis 
nun offiziell aufbrachten, anschloss, daneben aber noch 
eine gewisse Zahl katholischer Kirchgemeinden bestehen 
blieben. Von nun an war die politische Einheit zer- 
rissen. Die gemeinen Herrschaften wurden zu einem 
Zankapfel der Parteien. Als es Zürich nicht gelungen 
war, jeder Pfarrei die Erlaubnis zu erwirken, sich in freier 
Abstimmung für den alten oder den neuen Glauben zu 
entscheiden, versprach es denjenigen, die sich der Re- 
formation an»chliessen wollten, seinen Deistand. Sogleich 
lösten sich darauf der Thurgau, das Rheinlhal. das Land 
Gasler und die Stadt Hremgarten von der katholischen 
Kirche ab. 

Diese Glaubensstreiligkeiten führten zu Sonderbund- 
nissen und, was noch schlimmer war. zu Anrufungen des 
Auslandes. Einen solchen Sonderbund, das sog. evan- 
gelische Durgrecht, schloss z. H. Zürich mit Konstanz 
28. Dezember 1527), Rern. St. Gallen. Hiel. Mülhausen. 



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Basel und Schallhausen (1538-152»). Wahrend die Evan- 
gelischen an der eidgenössischen Tagsatzung in der Min- 




am 



TagaaUong von Baden — (Am der Chronik de* Andren hilf. — 

Lande«mu*eum Zürich. 



derhcil waren, zählten sie der Zalil nach mehr Anhänger 
aladie Katholiken. Der Umstand, dass sie trotz ihrer Ueber- 
zahl von den katholischen Orlen majorisiert wurden, 
schuf ein ungesundes Verhältnis, dessen schwerwiegende 
Folgen sich bald fühlbar machen sollten. Als weitere 
Quelle beständiger Streitigkeiten kam hinzu, dass die 
Gebiete der evangelischen Orte topographisch durch die 
gemeinsamen Untertanenländer voneinander getrennt 
waren. 

Im liefuhle ihrer Schwäch« verbündeten sich auch die 
katholischen Orte, und zwar im Jahr 1539 mit dem König 
Ferdinand von Oesterreich, welcher Schritt einem Knien 
des eidgenössischen Ilundesvertrages gleichkam. Als die 
evangelischen Orte gegen dieses Bündnis protestieren 
wollten, wurden ihre Abgeordneten beschimpft. Ferner 
llngen die Schwyzer einen zürcherischen Pfarrer, Jakob 
Kaiser, der sich ins Gaster begeben hatte, ab, führten ihn 
nach Schwyz und überlieferten ihn hier auf Beachluss der 
Landgemeinde dem Feuertod. Um diesen Schimpf zu 
rächen, sandte Zürich seine Truppen an die schwyzertsche 
Grenze, in den Thurgau und ins Rheinthal, während zu- 
gleich am ». Juni 152» 
ein Heer von iOOOMann 
bis nach Kappel vor- 
rückte. Die Berner 
marschierten ihrer- 
seits in der Stärke von 
.MWOMatin gegen Brem- 
garten, erklarten aber, 
dass sie sich in der De- 
fensive halten und nur 
dann eingreifen woll- 
ten, wenn Zürich an- 
gegriffen würde. Be- 
vor nun alier die Zür- 
cher mit den Urach Wei- 
zern zasammensties- 
sen, beschwor Land- 
ammann Aebli von 
(■larus die Zürcher 
llauptleute, einen Bru- 
derkrieg vermeiden zu 
wollen. Mit Hilfe Berns 
und der neutral geblie- 
benen eidgenossischen 
Orte kam nun ein Waf- 
fenstillstand zu stände 

und wurde eine Verständigung in Aussicht gestellt. Die 
Urkantone traten von ihrem Bündnis mit Oesterreich, 
der? sog. christlichen Vereinigung, zurück und erklärten 



sich durch Vertrag vom 26. Juni 1539 (erster Kappeler 
Friede) bereit, die Kriegskosten auf sich zu nehmen. Zu- 
gleich wurde vereinbart, dass es den Pfar- 
reien der gemeinsamen Vogteien gestattet 
sein solle, sich nach freiem Ermessen für 
eine der beiden Konfessionen zu ent- 
scheiden. 

Damit hatten die Zürcher gesiegt. Unter 
dein Kindruck diese« Erfolges machte die 
Reformation neue Fortschritte und erlangte 
in Schalfhausen und Glarus endgiltig die 
Oberhand. 

• In der Zeit nach dem ersten Kappeler- 
kriege warf sich Zwingli mit ausserordent- 
lichem Nachdruck auf die auswärtige Po- 
litik. Ks i-l .lir /.'il. .I.i er »eine w '»vii rt ie 
angelegten Plane zur Herstellung einer 
umfassenden und mächtigen Verbindung 
reformierter Staaten und Gemeinwesen and 
zur Ausbreitung seiner Kirchenrcforni auch 
ausserhalb der Grenzen der schweizeri- 
schen Eidgenossenschaft zu verwirklichen 
sucht. Vor allem drängte das Verhältnis zu 
Luther und /u den deutschen Protestanten 
zu einem Eutscheid >. Beide Reformatoren 
w aren bisher jeder seinen eigenen Weg ge- 
gangen. Trotz seiner grossen Bewunderung 
für den sachsischen Reformator hatte 
Zwingli stets darauf geachtet, seine Unab- 
hängigkeit zu wahren. Einer wirklichen 
Verständigung stand auch das grundverschiedene Wesen 
beider Männer hindernd im Wege hei in der Klosterein- 
samkeit herangereifte Luther war von mystischer, enthu- 
siastischer und poetischer Gesinnung, »owie voller Re- 
spekt vor der einmal bestehenden Staats- und Gesell- 
schaftsordnung, sodass ihm ein Eingreifen in die Politik 
durchaus widerstrebte. Zwingli dagegen war als Sohn 
der Renaissance und ehemaliger Weltpriester, als wel- 
cher er mit dem Volk in beständigen engen Bezie- 
hungen gestanden hatte, von philosophischem und po- 
sitivem Geist erfüllt und voller Eifer für sein Ideal 
eines einheitlichen christlichen Staatswesens, das er in 
seinem Vaterlande zu verwirklichen gedachte. Als nach 
dem Friedenssehl uss zwischen Karl V. und Franz I. 
und nach dem Abzug der Türken vor Wien sich die 
deutschen Protestanten bedroht fühlten, auchte der da- 
malige landgraf von Hessen eine Annäherung der bei- 
den Häupter der evangelischen Bewegung zu stände zu 
bringen. Während sich Luther nur ungern zu einer per- 
sönlichen Zusammenkunft und Aussprache verstand, 
nahm Zwingli den Vorschlag mit Eifer an. Die Disputation 




Schlacht bei Kappel It. Oktober 1531. (Aus Stampft Chronik von 1580). 

von Marburg, an der sich auch Melanchthon, Oeknlampad 
und Bucer beteiligten, nahm am 2. Oktober 1529 ihren 
Anfang. Es entspann sich ein lebhafter Meinungsaus- 



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tausch, iler aber zu keiner Verständigung führte. • Durch 
die rücksichtsvolle Nachgibigkeit der Schweizer und die 




Zwingli» Warf« ii <l.ind«amu«eum Zürich). 

iMilde von Luther« Freunden kam man zwar in vierzehn 
Artikeln der christlichen Lehre zur Einigung. Aber in 
der Kardinalfrage, der Ahendmahlslehre. 
scheiterte jede Lebereinkunft am Starrsinn 
Luthers ii. Von diesem Augenblick an suchte 
Zwingli in seiner Sorge um die Erhaltung 
des evangelischen Glaubens, den Triumph 
der lleforniation durch Anbahnung und Ab- 
schluss von Bündnissen zu sichern. Aufsei- 
nen Antrieb schlössen mehrere deutsche 
Städte, vor allem Strasburg, mit Zürich, 
Kasel und dem Landgrafen von Hessen eine 
Liga (den sog. « hessischen Verstand ■ 1530'. 
'/wingli dachte sogar daran. Frankreich und 
Venedig, als politische Gegner des deutschen 
Kaisers, in den Hund mileinzuschliessen 
und sagte sich somit von dem Standpunkte 
los. den er 1521 seinen Mitbürgern selbst 
angeraten hatte. 

Auf eine Einladung von Seiten ihres 
Landvogles, eine« Zureiters, hin bcschloss 
die Mehrzahl der thnrgauischen Kirchge- 
meindeu die fltmihlffttD| der Messe, wel- 
chem Beispiel das Toggenburg und die 
Landschaft Sl. Gallen sich anschlössen. Zü- 
rich und Glarus machten die Sache der ab- 
tischen Untertanen, die zur Reformation 
übergetreten waren, zu der ihrigen. Die 
beiden Orte gaben den st. gallischen Stifts- 
landen eine neue weltliche Verfassung, ver- 
kauften das von Abt und Mönchen verlas- 
sene Kloster St. Gallen an die Stadl und 
hoben den katholischen Gottesdienst auf. 
Gegen dieses Verfahren, das auch von Hern 
missbilligt wurde, erhoben die fünf Or'.e, 
vor allem Luzern und Schwyz. Kinsprache. 
Die Spannung der Gemüter drängte zum Krieg. Zur glei- 
chenZeit wandten sich die r.itischen Hunde, deren ennel- 
birgische Herrschaften iChiavenna. Veltlin. Ilormio i 



durch einen auf der Burg Musso ober dem Comersee 
sitzenden Abenteurer. Juhanu Jakob Medici (in der Mai- 
länder Mundart « Medeghino » geheissen). verwüstet wur- 
den, um Hilfe an die ihnen verbündeten Kidgenossen, die, 
mit Ausnahme der fünf Orte, diesem Gesuche entsprachen 
und im Jahre 1532 das Schloss Musso zerstörten (Müsser- 
krieg), 

Dass die Waldstätte ihren Zuzug zu diesem Unterneh- 
men verweigert hatten, Hess die Zürcher auf den Ge- 
danken kommen, der ganze Kriegsfall sei vom Kaiser und 
Oesterreich angezettelt worden, •• um die Aufmerksamkeit 
der protestantischen Städte vom Norden abzulenken. » 
In der l'eberzeugiing. dass der reformierten Schweiz von 
dieser Seile Gefahr drohe, drängte Zwingli zum Ergreifen 
der Wallen. Kine im Mai 1531 in Aarau stattfindende Kon- 
ferenz der Städte beschloss die Proviantsperre gegen die 
fünf Orte. Die vom franzosischen Gesandten und den neu- 
tralen Orlen gemachten Versuche zur Vermittlung blieben 
ohne Erfolg. Da besetzten am 9. Oktober 1531 die Leute 
aus den Waldstätten. 20(10 Mann stark, die freien Aernter. 
um die Vereinigung der Berner mit den Zürchern zu ver- 
hindern, während sie zugleich in Zug ein 8(1 X) Mann 
starkes Heer sammelten. Die zürcherische Vorhut rückte 
gegen Kappel vor. wo bald auch das Hatiptkorps zu 
ihr sliesa. Am 11. Oktober 1531 kam es zur Schlacht, in 
welcher die Zürcher, zwischen zwei Feuer genommen, 
der Uebermacht ihrer Gegner unterlagen. Sie verloren 
mehr als 5(10 Mann, darunter 26 Ratsherren und verschie- 
dene Geistliche. •< Ganz besonders schwer wog et n Ver- 
lust : Zürich betrauerte den Tod seines Reformators. >■ 
Zwingli. der mit in die Schlacht gezogen war. erhielt in 
dem Augenblick die Todeswunde, als er eben einem Ster- 
benden beistand. Obwohl die Niedergeschlagenheit in 
Zürich gross war. liesa sich die kühne Stadt doch nicht 
entmutigen. Mitte Oktober vereinigten sich die Berner 
mit den durch Zuzug ebenfalls verstärkten Zürchern, 
worauf daB nun etwa 301X10 Mann zählende Heer der 
Evange lischendie Katholiken zurücktrieb. Schon am £1. 
Oktober erlitt aber ein evangelischer Heerhaufe von 1000 
Mann am Gubel eine neue Niederlage. • Diese zweite Nie- 
derlage war fnr die Evangelischen weit schmachvoller als 
die erste. Sechshundert junge Männer hatten nicht weni- 
ger als viertausend geworfen, dank der Unachtsamkeit 




Schullbaisi Niklau» von Wange in Sulutburn IjKI. i l-amUibibliolbuk Bern). 

und Zuchtlosigkeit der Reformierten ! Ein glücklicher 
Ausgang des Krieges war nun nicht mehr zu erwarten. • 
Du- Folgen dieses unglückseligen Krieg.-« w.iren für «Ii- 



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Sache der Reformation sehr schwerwiegende. Der Abt von 
St. Gallen trat wieder in den Besitz seines Klosters, und 
die gemeinsamen Untertanenlande Toggenburg, Gasler 
und Sargans mussten sich vom neuen Glauben lossagen. 

Wie an andern Orten, führten die Hcligionszwistigkcitcn 
auch in Solothurn zu Kämpfen. Als in dieser Stadl am 
» 30. Oktober 1533 Kanonen aufgeführt wurden, stellte sich 
der neugewählte katholische Schultheis» Nikiaug von 
Wenge vor die Mündung einer geladenen Kanone und 
mahnte vom Blulvcrgicsscn ah, das denn durch »einen 
Heldenmut auch wirklich verhindert wurde. 

Tief war der Bis» zwischen den Eidgenossen, von denen 
jeder Teil sich auf »ich selbst zurückzog und sein eigenes 
Leben lebte. Doch hatte die Heformation bereits zu starke 
Wurzeln gelriehen, um zugleich mit der Person ihres 
ersten Vorkämpfers wieder zu Grunde zu gehen. Nach- 
folger Zwingiis wurde der hervorragende Anlistes Hein- 
rich Bullinger, der das Werk seines Vorgängers mit Tat- 
kraft und Milde forderte und fortsetzte. Seinen Bemü- 
hungen verdankt man das Zustandekommen der • helve- 
tischen Konfession», d. h. des Glaubensbekenntnisses 
der reformierten Orte der Schweiz, die in Basel 15315 
aufgestellt und unter der Mitwirkung von Petrus Martyr 
im Jahr 1562 revidiert wurde. 

l)if lit'[ort)iatitm in der W'fxinrhtrriz. Die Hefor- 
mation der Lander französischer Zunge ist ein Ereignis 
für sich, dessen Eintritt nicht in Einflüssen von Seiten 
der Anhänger Luthers oder Zwingiis gesucht werden darf. 
Die Bewegung, aus der sich die französische Refor- 
mation entwickelt hat. bereitete sich im wissenschaft- 
lichen Brennpunkt Krankreichs, der Sorbonne, vor. Den 
ersten Schritt dazu tat l.efcvre d'Etaples schon im Jahr 
1508. worauf er zwölf Jahre später die Evangelien und 
bald nachher auch das ganze Neue Testament übersetzte. 
Aber weder er noch sein Schüler Briconnet halten des- 
wegen mit Horn gebrochen. Eine Scheidung zwischen 
Humanisten und Reformatoren bahnte »ich dann mit dm 
Verfolgungen an. als deren erstes Opfer 1529 Berquin fiel. 
Von Krankreich aus ist die Reformation durch den au» 
dem Dauphine stammenden Prediger Wilhelm Karel dem 
Welschland gebracht worden. 

Im Jahr 1525 beschäftigte sich die in Moudon versam- 
melte waadtländische Ständeversamiiilung mit den «herc- 
tiques allegations et opinion» de ce maudit et deleal here- 
lique et eniiemi de la foi chrelienne. Martin Luther.» 
Sie drohte allen denjenigen, die sich mit Luthers Schriften 
befassen und in ihrem Unglauben beharren sollten, mit 
schweren Strafen. 15*23 war Karel mit Oekolainpad in 
Basel und kurz nachher auch mit Zwingli in Beziehungen 
getreten. 1526 hatte ihn der Bat von Bern als Schulmeister 
nach Aigle gesandt. Zum Priester gewählt, durchzog er 
«las Land und vermochte im Verein mit seinem Schüler 
Pierre Viret in Orbe, Grandson, Avenches, Payerne u. a. <). 
Anhänger zu gewinnen. 

In Genf erscheint die religiöse Krage mit solchen poli- 
tischer Natur verquikt. Die Genfer standen schon seit 
langer Zeit mit ihrem Bischof und dem Herzog von Sa- 
voyen im Kampf. Unter dem Namen des «Lolfelbunde»« hat- 
ten sich die Adeligen des umliegenden Gebietes zu einem 
Bunde zusammengetan, der die Unterstützung von Herzog 
und Bischof zum Ziele nahm. Um Genfs Kreiheiten und 
Rechte zu schützen, griffen ihre Verbündeten von Bern. 
Freiburg und Solothurn 1530 zu den Waffen, überfluteten, 
UOtiü Mann stark, da» Waadlland und notigten den Her- 
zog Karl III. zu dem Vertrag von Saint Julien 119. Oktober 
1530), in welchem Bich dieser Herrscher verpflichtete, 
die Rechte Genfs anzuerkennen und eine Kriegsentschä- 
digung, für welche er das Waadlland zum Pfand gab. zu 
bezahlen. 

Im Jahr 1532 kam Karel nach Genf, um die Reformation 
auch hier zu predigen. Er fand aber so schlechte Auf- 
nahme, dass er ohne das Einschreiten der Behörden vom 
aufgeregten Volk getötet worden wäre. Daraufhin sandte 
er seinen Landsmann Anleine Kroment dorthin, der sich 
in GenTals Lehrer niederliess und am 1. Januar 1533 ,-iuf 
■lern Molardplatz öffentlich die neue Lehre verkündete. 
Als die Behörden dieses Treiben untersagen wollten, griff 
Bern ein und knüpfte die Aufrechterhaltung seiner freund- 
schaftlichen Beziehungen zu Genf an die Bedingung, dass 
das Evangelium öffentlich und frei verkündet werden 



dürfe. Es folgten heftige Kämpfe, während deren Verlauf 
sich der erschrockene Bischof am 15. Juli 1533 aus Genf 
flüchtete. Eine von Karel und Pierre Viret veranstaltete 
öffentliche Disputation im Mai 1535 gab den Evangelischen 
den Sieg. Am 10. August 1535 erklärte der Hat die Messe 
für provisorisch aufgehoben, worauf dann die Räte am 
29. November 1535 sich endgiltig zu gunsten der evan- 
gelischen l.ehre aussprachen. Damit war Genf eine pro- 
testantische Stadt geworden. Kreiburg wandle sich von ihr 
ab, während zugleich der Bischof und Savoyen gegen sie 
rüsteten und auch Kranz I. mit Ansprüchen auf Savoyen 
und Genf hervortrat. In richtiger Würdigung der dro- 
henden Gefahr, beschloss Bern, den Feinden zuvorzu- 
kommen. Es sandte am HS. Januar 1536* einen II- rold 
nach Turin, der dem Hofe von Savoyen eine förmliche 
Kriegserklärung uberbrachte. Am 22. Januar brach eine 
6000 Mann starke bernische Armee unter dem Befehl des 
Hauptmannes Hans Kranz Nageli gegen die Waadt auf. 
• Um aber überall das Volk sich geneigt zu stimmen, wurde 
den Kriegern der Sold zum voraus bezahlt ; Plünderung 
und Brandstiftung wurden bei hoher Strafe unter-agt, 
strenge Disziplin und ein mildes Verfahren anempfohlen.» 
Der l.öfl'elbund, der sich vom Herzog von Savoyen nicht 
unterstützt sah, Hess den Bernern das Feld tast völlig 
frei, indem seine Mitglieder auf ihren Burgen und Schlos- 
sern sitzen bliehen. Einzig das Haupt de» Bundes, der 
Ilaron Michel Mangerot von La Sarraz, eilte im Verein 
mit dem Bitter Kranz von Saint Saphorin und 3*10 Mann 
dem Befehlshaber von Yverdon. Henri de Trey lorrens. zu 
Hilfe. Der Bischof von Lausanne fluchtete sich in» Schloss 
Gierolles. So fanden die Rerner auf ihrem Vormarsch 
sozusagen keinen Widerstand und vermochten auch den 
Kastellan von Mus*o, den der Herzog von Savoyen mit 
der Verteidigung des Landes beauftragt halte, mit leich- 
ter Mühe in die Flucht zu schlagen. Am 2. Februar Zog 
Nägeli in Genf ein, « von den Bürgern daselbst mit Jubel 
begrüsst. Wenig hätte gefehlt, so würden die Kranzosen 
Genf annexierl haben ; die Berner kamen zuvor. Vielleicht 
hätte Bern (ienf unterworfen ; allein dies durfte es um 
Genfs, Krankreichs, des Kaisers und nicht minder auch 
der andern Eidgenossen willen nicht wagen. Es begnügte 
sich mit der Erneuerung des Burgrechtes, worin die 
Genfer versprachen, auf ewige Zeiten der Berner offene 
Stadt zu sein und keine auswärtigen Verbindungen ein- 
zugehen, ohne Wissen und Willen Berns. Dagegen wur- 
den die Waadt und Nordsavoyen (Pays de Gex und Cha- 
blais) von Bern behalten und damit die Grenzen des alt- 
burgundischen Reiche« wieder hergestellt. » Wallis und 
Kreiburg, die sich den Bernern angeschlossen hallen, 
machten ebenfalls Eroberungen, indem ienes den Ijind 
strich von Saint Maurice bis Thonon und dieses Bomont. 
Bue. Esiavayer. Ghätel Saint Denis etc. nahm. Auf dem 
Heimweg eroberten die Berner am 28. Februar auch noch 
Yverdon und La Sarraz. Es bliehen nun noch das Schlots 
ChiUon, da» im Namen des Herzogs von Anlon von Beau- 
fort besetzt war, sowie die linder des Bischofes von Lau- 
sanne übrig. Drei Wochen nach ihrer Heimkehr erschie- 
nen die Berner unter Nageli neuerdings am Genfersee. wo 
sich ihnen am 2!*. März f.hillon ergab. Am 1. April hiel- 
ten die Herner ihren Einzug auch in die Reichsstadt Lau- 
sanne, von deren Bürgern sie sich, freilich unter Vorbe- 
halt von deren allhergebrachten Vorrechten, huldigen 
Hessen. 

Den Abschluss und die Krönung der Eroberung der 
Waadl durch Bern bildete die Durchführung der Refor- 
mation in diesem Lande. Um dem neuen Ghtibcn leichter 
Eingang zu verschaffen, wurde in der Kathedrale zu Ijmi- 
sanne im Oktober 1536 ein Religionsgespräch veranstaltet, 
an welchem auf katholischer Seite ausschliesslich unter- 
geordnete und wenig gewandte Priester teilnahmen, wäh- 
rend die Reformierten Farel. Viret. Caroli und Calvin als 
Verfechter ihrer Ansichten gestellt halten. Am 24. De- 
zember 153t) erliess sodann Itcrn das Reformalionsedikt 
für die Wetschen 1 jinde. • Der grossle Teil der kirchlichen 
Hinkünfte und Kleinodien kam in die Hände Berns, an- 
deres teilte letzteres mit den Unterworfenen. Der bischof- 
liche Schatz wurde zum gro-«ern Teil nach Bern geführt ; 
ein Teil fiel der St. oll Lausanne zu. Die Einkünfte der 
Klöster Bomainmotier, Paverne und Honmonl kamen an 
Bern. Die Gemeinden erhielten zum I nlcrhalt ihrer Ar- 



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885 



men die Güter der geistlichen Brüderschaften und Chor- 
herreukollcgien. Die leibeigenen liauern wurden frei, 
was ein grosser sozialer Fortschritt war ; denn ein erheb- 
licher Teil der (.andbevolkerung schmachtete unter dem 
Joche der Leibeigenschaft ; Wohlhabenheit verbreitete 
sich im Land. » In l.au«amie stifteten die Berner 1537 
eine Akademie und 1540 eine höhere evangelische Schule 
(Kollegium), welche beiden Anstalten dem Waadtland und 
den Prolestaiilen Frankreichs in der Folge grosse Dienste 



Wahrend derart die Reformation im Waadtland Testen 
Boden fasste, kam im selben Jahr 1536 Johann Calvin, 
der 1535 sein « Lehrbuch der chrintltchen Religion (7n- 
stilulio chritlianae religionis) veröffentlicht hatte, aufdas 
Drängen von Farel hin als Pfarrer nach Genf, wo er 
seinen ersten französischen Katechismus herausgab und 
von den Räten der Stadt erlangte, dass alle Bürger die 
von ihm aufgestellte Glaubensformel der Genfer Kirche 
beschworen sollten. Diese und andere kirchlichen Ver- 
fügungen riefen im Verein mit den strengen Strafen, die 
auf Uehertretungen gesetzt waren, bald einem lebhaften 
Widersland. Es bildete sich eine unter dem Namen der 
Libertiner bekannte Oppositionspartei, die gegen die Ein- 
mischung der Geistlichkeil in das private Leben der Bür- 
ger und gegen den Zwang der Glaubensformel prote- 
stierte. Im Februar 1538 kam eine Regimentsänderung, 
und am '23. April 1538 wurden- Calvin und Farel von ihren 
zur Macht gelangten Gegnern aus der Stadt verbannt. 
Während Farel einem Ruf nach Neuenburg folgte, wo er 
sich dann dauernd niederliess, wandte sich Calvin nach 
Strassburg. von wo er 1541, nachdem in Genf neuerdings 
seine Freunde Meister geworden, zurückberufen wurde. 
Er enlschloss sich aber nur «zögernd zur Rückkehr; 
er liess sich erst wiederholt inständig und dringend bit- 
ten und sich die schönsten Versprechungen und Ver- 
sicherungen geben. Im Triumph zieht er nach Genf; am 
13. September 1541 hält er seinen Einzug. Das Volk ju- 
belte, die Behörden brachten ihre Huldigung dar. . Calvin 
schuf nun im Verein mit dem Rat eine neue Kirchen- 
geselzgebung (ordonnance« ecclesiastiques). Ks wurde ein 
zu gleichen Teilen aus geistlichen und Laienmitgliedern 
bestehendes Konsistorium geschaffen, das als oberste Kir- 
chenbehörde das Sittengcrieht bildete und als solches 
über die guten Sitten der Bürger zu wachen hatte. »Nicht 
nur die Lebensweise, besonders der Kirchenbesuch der 
Bürger sollten kontrolliert, sondern deren private Reden 
und Meinungsausserungen durch das Konsistorium genau 
überwacht werden. Die Mitglieder des Konsistoriums soll- 
ten allezeit das Recht und die Ptlicht von Hausvisitationen 
haben. » Zahlreiche fremde Protestanten, die unter Ver- 
folgungen zu leiden hatten, wurden vom Rufe Calvins , 
nach Genf gezogen, wo sie sich dauernd niederliessen. 
Dieser fremde Einschlag wandelte in der Folge den leb- 
haften und unruhigen Geist der ursprünglichen Genfer 
Bevölkerung in nicht unerheblichem Masse um. Stets 
aber glimmte die Opposition unter der Asche weiter, be- 
reit, hei gegebenem Anlass in Flammen aufzuschlagen. 
Dieser Anlass kam bei den Wahlen von 1553: den Pfarrern j 
wurde der Eintritt in die Räte untersagt und den zuge- 
wanderten Fremden das Bürgerrecht wieder entzogen. 

Die Starrheit Calvins und sein engherziger Standpunkt 
zeigten sich bei verschiedenen Anlässen. Lr liess den 
Humanisten Castellion und einige Jahre später auch den 
Arzt Bolsee, die einige Glaubenssatze anzuzweifeln gewagt 
hatten, aus der Stadt verbannen und den Spanier Michael 
Servel, der, ohne ein Ungläubiger zu sein, Calvins An- 
sichten über die Dreieinigkeit nicht teilte, sogar auf dem 
Scheiterhaufen verbrennen. Diese Verbrennung ServeU 
bildet « ein Brandmal am l-eben und Werk des sonst so 
grossen Reformators. » Um aber Calvins Handlungsweise 
einigermassen verstehen zu können, muss man sich 
den Geist der damaligen Zeit vergegenwärtigen und 
beachten, dass Servet von den weltliehen Behörden 
Genfs verurteilt worden ist und dass die übrigen schwei- 
zerischen reformierten Kirchen Calvins Auffassung und 
Vorgehen billigten und somit mit ihm sich in die 
Verantwortlichkeit zu teilen haben, Freisinnigere und 
mildere Anschauungen haben sich in Europa erst in spä- 
tem Zeiten Bahn zu brechen vermocht. Bei den Wahlen 
von 1555 siegten wiederum Calvins Anhänger ob, worauf 



die Libertiner teils hart bestraft, teils verbannt und die 
niedergelassenen Franzosen neuerdings ins Bürgerrecht 
aufgenommen wurden. Seitdem stand Calvins Autorität 
«unerschütterlich fest.« 1559 krönte er sein Werk mit 
der Gründling der Akademie. Nachdem er sich im fol- 
genden Jahre noch selbst ins Bürgerrecht der Stadt hatte 
aufnehmen lassen, starb er 1564 im Alter von 55 Jahren. 
Als sein Nachfolger wurde Theodor Beza berufen, der 
nun die Seele der Genfer Kirche wurde, welche er wäh- 
rend 40Jahren in bemerkenswert massvoller Weise leitete. 
Er hatte mehrere Jahre an der Akademie zu Lausanne 
gelehrt, diese Stadt dann aber zugleich mit Viret und 
etwa 40 andern Professoren und Pfarrern infolge eines 
zwischen der wnadtländischen Geistlichkeit und der Berner 
Regierung wegen Fragen der kirchlichen Disziplin ausge- 
brochenen Zwistes 1559 verlassen müssen. 

4. lieslauralwn der katholischen Kirche. Der h. Stuhl 
sah endlich ein, dass er auch seinerseits Schritte zu einer 
Kirchenreform tun müsse. So legte er. ohne an die Dog- 
men und die Formalitäten des Kultus zu rühren, den 
Geistlichen eine strengere Disziplin auf und stiftete zu- 
gleich nach strengen Grundsätzen organisierte Erziehungs- 
und Unterrichtsanslalten. die er der Leitung von ge- 
schickten und ihm ergebenen Prieslern unterstellte. Die 
Ausführung der vom Papst getroffenen Massnahmen wurde 
von dem lo40 durch Ignaz von Loyola gestifteten Jesuiten- 
orden und vom Konzil von Trient, das von 15-45 bis 1563 
dauerte, übernommen. Die beiden feindlichen theolo- 
gischen Prinzipien, das katholische und das reformierte, 
stellten sich damit auf einen neuen, fester fundamen- 
lierten Boden : der Katholizismus forderte von seinen 
Anhängern die vollständige und bedingungslose Unter- 
werfung unter die Verfügungen des päpstlichen Stuhles, 
während die Reformierten die Gewissensfreiheit jedes 
einzelnen Individuums an die erste Stelle ihrer Lehre 
rückten. Auf die Politik übertragen, entsprachen diese 
beiden Prinzipien dem monarchischen Absolutismus einer- 
seits und der stufenweise Kmanzipation des Bürgers, sowie 
seiner allmähligen Zulassung zu der Teilnahme an der 
Staatsverwaltung andrerseits. Die Beschlüsse des Konziles 
von Trient zeitigten gute Er folge, wie namentlich einegrosse 
Umwälzung in der hohen und niedern Geistlichkeit. Beide 
belleissigten sich von da an einer strengern Disziplin und 
entwickelten in der Ausübung ihrer amtlichen Verpach- 
tungen einen grossem Eifer. Die Bischöfe begannen, ihre 
Untergebenen genauer zu kontrollieren. Dank dieser Re- 
formen und dem namentlich von den Jesuiten entwickel- 
ten Eifer kehrten sich Oesterreich, Baiern und Italien, 
die zu einer gegebenen Zeit dem neuen Glauben hinzu- 
neigen schienen, wieder ganz der katholischen Kirche zu 
und veranlassten nach dem Grundsatz « wie der Herr, so 
der Glauben • alle diejenigen Familien, die am refor- 
mierten Bekenntnis festhielten, zur Auswanderung. In 
Appenzell hallen die Reformierten und die Katholiken, 
wie diejenigen des Landes Glarus lange Zeit in gutem 
Einvernehmen miteinander gelebt. Da begannen sich zu 
Ende des 16. Jahrhunderls, hauptsächlich unter dem Ein- 
lluss der Kapuziner, ihre bisherigen guten Beziehungen 
zu trüben. Nachdem wiederholt Unruhen ausgebrochen, 
schritten die eidgenossischen Orte ein. unter deren Ein- 
flusa sich eine Teilung vollzog : die Katholiken zogen sich 
in die innern Roden zurück und schlössen sich dem Bünd- 
nis mit Spanien an, während die Reformierten die äussern 
Roden zu ihrem Wohnsitz erkoren (1584-1597). 

Von nun an gingen in der Schweiz Reformierte und 
Katholiken ihre eigenen Wege. Franz [. starb 1547, und 
Karl V. zog sich 1556 von der Regierung zurück. Im fol- 
genden Jahre errangen die von Phihbert von Savoyen 
befehligten Spanier über die Franzosen den Sieg von 
Saint Quentin, dessen Folge war, dass der Herzog von 
Savoyen wieder in den Besitz derjenigen Ländereien trat, 
die ihm F'ranz I. zwanzig Jahre früher weggenommen 
hatle. Derart gestärkt, verlangte der Herzog von Savoyen 
von den Reraern, Freiburgern und Wallisern die Rück- 
erstattung ihrer Eroberungen. Auf Grund von Unterhand- 
lungen wurden ihm denn auch im Vertrag von Lausanne 
1564 das Chahlais und im Vertrag von Thonon 1569 das 
Pays de Gex zurückgegeben. Bern und F'reiburg behielten 
ihre Eroberungen im Waadtland, Wallis den Bezirk Mon- 
they. Jesuitenkollegien entstanden 1574 in Luzern, 1581 in 

213 - «tonn. lex. V - 25 



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Freiburg. 1591 in Pruntrut. 1620 in Brig, 1646 in Solothura ■ 
und Bellinzona. 1734 in Sitten. Der Erzbischof von Mailand. ! 



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--Sri 

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liir«hreifahrt <lar ZQrcher nach Slzaatburfr BÄ 

Kardinal Karl liorromau». stiftete für Schweizer Juiighnge 
1579 in Mailand eine theologische Schule, das sog. Colle- 
^ium helvelieum. « Vierzig bin fünfzig Zöglinge konnten 
dort unentgeltlich Pflege und Unterricht erhalten und wur- 
den mit dem nötigen Rüstzeug zur Bekämpfung der re- 
formierten • Ketzerei * versehen. > In Luzern wurde eine 
ständige päpstliche Nuntiatur errichtet, auf deren Veran- 
lassung die / katholischen Octe Uri.Schwyz, Unterwaldcn, 
Luzern. Zu-, Freiburg und Solothurn im Jahr 1586 den 

• goldenen Bund • oder « borromäischen Bund • sehlossen, 

• ein Sonderbündnis zu Schutz und Trutz, zur Verteidi- 
gung und Aufrechterhaltung der katholischen Religion », 
dem 1587 ein Bündnis mit Spanien folgte. Bas Ansuchen 
Strasshiirgs, wohin bei Anlass eines Schützenfestes im 
Jahr 1576 die Zürcher in einem Schill 

an e i n e m Tage einen Hirsbreitopf mit- 
gebracht hatten, um Aufnahme in den 
Bund der Eidgenossen wurde 1585 von 
den Katholiken abgewiesen. Damit war 
die Spaltung zwischen den Eidgenossen 
/.um liefreichenden Bruch gediehen und 
schien das Band der alten Bunde voll - 
ständig zerrissen zu sein. Zu bemerken 
bleibt hier auch noch, das» die refor- 
mierten Orte den Ueberlebenden der 
Bartholomausnacht Schutz und Asyl ge- 
währten und das Begehren der tie- 
sandten Karls IX. um Ausweisung der 
Hugenotten rundweg abwiesen. Die ita- 
lienischen und franzosischen Proteslan 
ten, unter denen sich Männer von hoher 
Bildung und Talkraft befanden, ström- 
ten im 16. Jahrhundert zahlreich nach 
der Schweiz. Wenn sich diese rühmt, 
eine beträchtliche Anzahl von Gelehrten 
und Schriftstellern von europäischem 
Ruf hervorgebracht zu haben, so ver- 
dankt sie diesen Ruhm zu einem Teil 
dem Zuzug von Aussen und dem hervor- 
ragenden Einfluss auf die Hebung der 
Bildung, den die Fremden ausgeübt 
haben. Aus dieser Zeit stammt die Nie- 
derlassung der Calandrini, Paravicini. 
Diodati, Marti. Pestalozzi, Orelli. Mu- 
ralt, SausHiire, Polin. Bernuiilli und vie- 
ler andcrerGeschlcchter in der Schweiz, 
die durch ihr Wissen und ihre Schaffenskraft vieles zum 
Aufblühen der reformierten Orte beigetragen haben. Das 
würdigen Verfolgten fremder Nationen in weitesleehen- 



dem Maas gewahrte Asylrecht ist eines der grundlegen- 
den Prinzipien des schweizerischen Staatsrechtes. 

."». Zicisligketlen zwischen tlent Herzog ivti 
Unvoyen einerseits und den heptibliken Bei'ti 
und Genf andrerseits. Während dieser un- 
ruhigen Zeit der religiösen Kämpfe und 
Kriege war Genf als kriegerische und fromme 
^^^^B Stadt stets bereit, wie Henry Faxy sagt, «de 
tenir les armes pretes et hanter les sermons. » 
Nachdem der Herzog von Savoyen die Herr- 
schaft über das linke Ufer des Genfersee* 
\\ leder erlangt hatte, war es sein begreiflicher 
Wunsch, auch wieder in den Besitz de> 
W aadllandes zu gelangen. Femer dachte er 
i.m. sich auch Genf neuerdings zu eigen 
zu machen. Er kümmerte sich wenig um di»» 
Verpachtungen, die er im Vertrag von Lau 
UM |1564i auf sich genommen, und zwanu 
die Bewohner seines Reiches, sich dem ka- 
tholischen Glauben zu unterwerfen. Dieser 
/weck, sowie die Gründung von Jesuitenkol 
legien in Annecy, Evian und Thonon wurde 
i imentlich durch die unermüdliche Tätig- 
keit lies h. Franz von Sales erreicht, der 
-ich von den weltlichen Behörden in seinem 
W irken kräftig unterstützt sali. Der Hof von 
Savoyen steuerte sein Schifilein geschickt 
bald auf Seite Spaniens und bald auf diejenige 
I t ankreichs. Doch Hessen sich die Franzosen 
rot) diesem Spiel nicht täuschen. Ihnen lag 
es vor allem daran, zu verhindern, dass der 
Herzog in den Besitz, eines strategisch so wichtigen Punk- 
tes, wie es Genf ial, gelange. Ferner war den franzosi- 
schen Königen der Zuzug von Schweizer Söldnern, die 
bei Drenx 1 156*2) und Meaux (1567) den Tron gerettet, not- 
wendig. Durch Gründe dieser Art sah Bich der König 
Heinrich III. veranlasst, Freiburg, Bern und Solothurn 
zur Erneuerung ihres Burgrechles mit Genf zu ermutigen. 
Die Folge war, dass diese drei Orte in dem 157'.) mit 
Frankreich abgeschlossenen Vertrag von Solothurn die 
Unabhängigkeit Genf* garantierten. Drei Jahre später 
(1582! erneuerte Frankreich sein Bündnis mit den eid- 

?enossischen Orten, dem 1581 auch Zürich beitrat. Der 
lerzog Karl Immanuel von Savoyen lies* sich aber nicht 
entmutigen. Seinen Sendboten gelang es. mit einigen 




I^RSSSSL ^SSftSSSm r.^cS?Bt IsSsr^Ä I * 



Vertuen «mar l eberru-ii)K-luug Geuts dureli J.o Trupj/oo >io* Herzogs vun Savu^oa 
iKacalad« vum St. Dezember \<*it\. — (Nach einem leilgenossltchei» Stiebe in der 
l,ande»bibliothek. Bern*. 

Waadlländer Geschlechtern, die die Herrschaft Savoyens 
zurücksehnten, sich in Verbindung zu setzen. Es bildete 
sich in Lausanne eine Verschworung. an deren Spitze 



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der Hürgenneisler Isbrand d'Aux «Und. mit dem /.weck, 
die Stadt den Savoyarden in die Hände xu spielen. Dieses 
Komplott wurde aber verraten. Es zeigte sich, das* die 
Verschwörer zugleich einen Angriff auf Genf geplant hat- 
ten, was die Hemer Aber die Gefahr aufklärte, die ihnen 
drohte. Sogleich überzogen Bern und Genf gemeinsam 
daa Pays de Gex und das Chahlais mit Krieg, woriuf Bern 
1589 mit dem Herzog den Frieden von Nyon schlosa, 
durch den es Genf preisgab, welche Stadt den Kampf 
gegen Savoyen mit wechselnden Erfolgen tapfer fortsetzte. 

I vr Tod Heinrichs III. und der ('ebertritt Heinrichs IV. 
zum Katholizismus il.">!<l) machten den Hurperkriegen in 
Frankreich ein Ende. Der neue französische Konig legte 
sich zu gunsten von Genf ins Mittel, erklärte Savoyen den 
Krieg und schlosa dann mit dieser Macht den Frieden von 
Lyon (17. Jannar 1602). durch welchen Genf das Pays de 
Gex, das es 11 Jahre lang besetzt gehalten, auf Betreiben 
des päpstlichen Legalen, der das Land nicht unter der 
Herrschaft einer reformierten Republik vsiHsen Wellie, an 
Krankreich verlor. Einige Monate später sollte Genf, das 
sich in Sicherheit glaubte, einer grossen Gefahr glück- 
lich entgehen. In der Nacht des 21. Dezember HK)2 »er- 
suchten einige tausend Mann des Herzogs, die Stadt durch 
einen Ueberfall zu überrumpeln und in ihre Gewalt zu 
bringen. « Dreihundert Mann, meist Angesehene, stiegen 
ab und erklommen auf geschwärzten Leitern, angefeuert 
durch einen schottischen Jesuiten, den äussern Wall. Sie 
kamen ans Hollwerk, in der Absicht, daa «neue Tor* zu 
•prangen, und glaubten schon, die Stadt zu besitzen. Da 
wurden sie von einer Schild wache entdeckt. Diese liest 
schnell den Fallgatter nieder und machte IJirm. Die Bür- 
ger eilten zu den Waffen, die Kanonen wurden aufge- 
führt und in kürzester Zeit die Savoyarden zurückge- 
worfen und verjagt. Karls Emmanuels Hoffnungen waren 
vernichtet. Alljährlich feiert Genf andächtig die • Esea- 
ladc». den Tag dieser glücklichen Befreiung.» In dem 
nun folgenden Frieden von Saint Julien (21. Juli 1603) 
verpflichtete sich der Herzog. Genfs Unabhängigkeit an- 
zuerkennen und in einem Umkreis von 4 Stunden von der 
genferischen Grenze weder Truppen unterhalten noch 
eine Befestigungsanlage errichten zu wollen. Aber noch 
wahrend etwa eines vollen Jahrhunderts musste Genf stets 
attf der Hut bleiben, da der Herzog fortfuhr, den Besitz 
der Stadt mit allen Mitteln zu erstreben. 

ü. Kulturelle Zustände de* /'>. Jahrhundert*. Mit dem 
16. Jahrhundert machte sich in der Schweiz eine ganz 
neue kulturelle Richtung Bahn. Die Volkskraft und na- 
tionale Energie, die bisher einzig auf den Schlachtfeldern 
zum Durchbruch gekommen waren, wandten sich nun 
erhabeneren Zielen zu. Es gelangten jetzt auch die Künste 
des Friedens zu Ehren. Sowohl die Reformatoren als auch 
die katholische Geistlichkeit richteten ihr Augenmerk auf 
die Gründung ton Schulen, die eine allgemeinere Bil- 
dung in die breiten Massen des Volkes zu tragen bestimmt , 
waren. Zwischen der Schweiz und ihren Nachbarlänaern 
entwickelte sich ein Ideen- und Meinungsaustausch, der 
äusserst befruchtend wirkte. Die schweizerischen Reforma- 
toren unterhielten einen ausgebreiteten Firiefwcchsel mit 
den Herrschern von Frankreich. England, Deutschland, 
Dänemark und Polen. Neben den Theologen, wie Zwingli, I 
Calvin und Bullinger, glänzten hervorragende Huma- 
nisten : Glarean und Vadian machten sich durch ihre Ar- 
beiten über die lateinischen Klassiker einen Namen. Ce- 
norin. einer der Lehrer an der philologisch-theologischen 
Lehranstalt in Zürich, erklärte die griechischen Klassiker. 
Konrad Gesaner, Professor in Lausanu und Zürich, zeich- 
nete sich als Naturphilosoph aus. Von den Chronisten 
der damaligen Zeit sind die berühmtesten : Valerius Ant- 
helm. Arzt und Schulmeister in Bern, der dieChronik dieser 
Stadt fortführte, und Heinrich Bullinger, der zweite Refor- 
mator Zürich«. Ihnen reihen sich an Thomas und Felix Pla- 
tcr, Konrad Pellican. Francois Ronivard, Jeannede Jussie, 
Froment und Pierrefleur. dann Aegidius Tschudi, Johan- 
nes Stumpf, Josia* Simmler, Franz Guillimann, Renward 
Cysat u. A. Die Medizin ist vertreten durch Theophrastus 
Paracelsus i IVJCM541 ), der als erster die Chemie der me- 
dizinischen Wissenschaft dienstbar machte. Vadian, Vesal. 
der als erster an der Universität Basel einen menschli- 
chen Korper sezierte, Prevost aus Delsberg u. A. Die Geo- 
graphie erscheint durch Sebastian Münster vertreten. 



Satirische und dramatische Dichter unterstützten die 
Prediger in dem Bestreben, die Sitten des Volkes zu re- 




Basler Kratienlracht aus ntm Hoginn <lo» 16. Ja&rhuntierl». 
(Zeichnung von Hans Holbeia. — B&rgerbibliutbek LWtfZn). 

formieren. Anonyme Werke der Dichtkunst wurden ver- 
öffentlicht von Beamten, Pädagogen, Aerzten. Malern und 
Gewerbetreibenden. Von Poeten jener Zeit nennen wir 
den Maler Nikiaus Manuel aus Bern, den Zürcher Pfarrer 
Utz Eckstein, die Luzerner Murner und Salat, die Dra- 
matiker Cysat. Campell. Ulrich von Travers, Gengenbach 
und J. Ruf, den Kngadiner Lcmnius. Valentin Bolz, Wag- 
ner. Ritz, Malingre, Pierre Viret. Thomas Beza. 

Die Veröffentlichung der Werke aller dieser hervor- 
ragenden Geister brachte das ßuehdruckergewerbe zum 
Aufblühen. Berühmte Buchdrucker jener Zeit sind Amer- 
bach, I -'rohen. Oporin und Plater in Basel, in welcher 
Stadt damals 2t Drucker und 60 Buchhändler lebten. 
Froschauer in Zürich, Stephani (Estiennc) in Genf. Auch 
in der Baukunst ging eine Umwandlung vor sich. Der 
gotische Stil wird durch den italienischen Renaissance- 
stil verdrängt. Die ersten Anfange dieser neuen Kunst- 
richtung offenbarten sich in den l'reskomalereien, von 
denen besonders diejenigen im Kloster zu Stein a. Rh., 
im Rathaus zu Basel und im Herlensteinschen Hause zu 
Luzern zu erwähnen sind. Um die Mitte des Jahrhunderts 
entstanden im ganzen Land Bauwerke im Renaissancestil, 
so z. R. in Hern, Zürich. Stein, in Graubünden, Avenches. 
Freiburg, Rrig, sowie noch in manchen andern Städten. 
Mit dem wachsenden Wohlstand hielten Luxus und Ele- 
ganz Einzug in die Patrizierhäuser. Wände und Zimmer- 
decken bedeckten sich mit künstlerischen Holzschnitze- 
reien, die zusammen mit stilvollen Möbeln diesen Woh- 
nungen einen knmforlabeln und feierlich-ernsten Anstrich 
gaben, wie er mit der Gesinnungsweise der damaligen Zeit 
wohl übereinstimmte. KinegrosseHolIespiellenauchdeko- 
rative Oefen und die Glasmalerei. Von <■ lasmalern haben 
sich namentlich llolbein. II. Funk, Grebel, Asper, Graf. 
Maurer und Stimmer einen Namen gemacht. 

Das Ende des 16. Jahrhunderts wird durch einen poli- 
tischen und sozialen Umschwung gekennzeichnet. Die 
Schweiz, die im 15. Jahrhundert die Rolle als einlluss- 



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reiche Grossmacht gespielt hat, nimmt nun an den euro- 
päischen Kriegen keinen direkten Anteil mehr. Die Eid- 




Zürcber Stande»- und Wappentc-heibe au« dam 16. 'Jahrbandart. 

gf nossensrhafi erscheint gleichsam als aufgelöst So trat 
denn in der Tat im ganzen Zeitraum vom zweiten Kap- 
pelerfrieden 1Ö3I bis zu dem den zweiten Villmergerkrieg 
abschliessenden Frieden keine gemeinsame eidgenössi- 
sche Tagaatzung mehr zusammen. Die Katholiken tagten 
in Itaden und die Reformierten in Aarau. Beide Parteien 
schlössen von sich aus Kündnisse etc. ab. ohne sich um 
ihre auf der andern Seite stehenden Miteidgenossen zu 
k Ummern. Die Militarkapitulalionen hatten die Ausbil- 
dung von Oligarchien zur Folge. Die aus fremden Diensten 
heimkehrenden Offiziere brachten aristokratische Gesin- 
nung und Neigungen mit nach Hause, was zur Verschär- 
fung der Klassenunterschiede führte. In jeder einzelnen 
Staut kam die öffentliche Gewalt in die Hände einer 
kleinen Anzahl von regimentsfähigen Geschlechtern, wie 
Mich dies übrigens auch in Holland, Italien und andern 
Ländern beobachten lässt. Wo. wie in Hasel, der alte 
Adel verschwunden war, trat ein bürgerliches Patriziat 
an dessen Stelle. Das Volk verlor jeden Anteil an der Be- 
stellung der Behörden. Dieser antidemokratische Zeitgeist 
machte sich bis ins Wallis fühlbar, wo das Volksgericht 
der sog. • Mazze » abgeschafft wurde. An gewissen Orten 
war der Zugang zum Bürgerrecht eifersüchtig verschlos- 
sen. Die Behörden hatten sich in steigendem Masse mit 
einem erschrecklichen Anwachsen des mittellosen Prole- 
tariates zu beschäftigen, das durch die Soldnerdienste, 
die Hungersnöte und die fremden Landstreicher heran- 
gezüchtet worden war. Um diesem Elend zu steuern, 
verbot man den Armen die Heirat, welche Massregel zahl- 
reiche Heimallose, eine Art von aus der menschlichen 
Gesellschaft Ausgestos-eneii. schuf, die beständig IM 
einem Ort zum andern abgeschoben wurden und eine erst 
im 19. Jahrhundert vollständig beseitigte wahre Landes- 
plage bildeten. Gedankenfreiheit war weder auf der refor- 
mierten noch auf der katholischen Seite gewährt. Die 
Rechtssprechung bediente sich gegen Verbrecher und 
Hexen der Tortur. Immerhin zeichneten sich eine Reihe 
von Magistralen durch ihre menschenfreundliche Gesin- 
nung und ihre hochherzigen Charaktereigenschaften aus. 
so namentlich der Zürcher Jakob Werdmüller, Ijmdvogt 
von l.ocarno. der Berner Nikiaus Zurkinden. Landvogl 
\un Nyon. die Zürcher Bürgermeister Bernhard von Cham 
und Georg Müller, ferner Joseph Amberg von Schwyz, 
l.andvogt im Thurgau. Diese Männer bildeten aber nur 
seltene Ausnahmen von der allgemein giltigen Regel. 

IV. Die Zkitln uns 17. i vu 18. Jamhhi nokhts. /. Die 
rntischen Bünde zur Zeit tiet .Wjähriyeti Krieget. — 
H'etlfälitcher Frieien IdAH. Seitdem sich die Eidge- 



nossen 1546 bei Anlass des Schmalkaldischen Kriege« 
neutral erklärt hatten, nahmen sie als Nation an den 
immer wieder ausbrechenden Kriegen zwischen dem deut- 
schen Beich und Frankreich keinen Anteil mehr. Ihre 
ursprünglich bloss zufällige Neutralität ward dauernd und 
halle ihren Grund in der tiefgreifenden Uneinigkeit, die 
in der Schweiz seihst Platz gegriffen hatte. Die Gesandten 
Spaniens und Frankreichs fädelten beiden eidgenossischen 
Orlen unaufhörliche Intriguen ein und hielten sich damit 
seihst gegenseitig in Schach. Endlich siegte aber der fran- 
zosische Einfluss ob, indem Heinrich IV. im Jahr 1602 das 
1582 mit den eidgenössischen Orten eingegangene Bündnis 
erneuerte. 

Von grosser politischer Tragweite war die geographi- 
sche Lage der Schweiz zwischen den Ländern der altem 
Linie der Habsburger (der Freigrafschaft Burgund und 
dem Herzogtum Mailand, die beide zu Spanien gehörten) 
einerseits und den Besitzungen der jungem Linie des- 
selben Geschlechtes (Tirol. Oesterreich elc). Die durch 
das llundnis mit Frankreich in ihrem Bestand gestärkte 
Neutralität der Schweiz hinderte Oesterreich an einem 
einheitlichen Zusammengehen mit Spanien. Für Frank- 
reich war es von der grossten Bedeutung, dasa Genf, das 
an einer der durch das Wallis führenden Strassen von 
der Freigrafschaft nach Mailand lag, nicht in die Hände 
des damals mit Spanien verbündeten Herzoges von Sa- 
voyen falle. Ebenso hatte die gleiche Macht auch ein In- 
teresse daran, dass das ein Untertanenland Graubundens 
bildende Veltlin, das den direktesten Weg von Mailand 
nach Tirol darstellte, nicht in spanischen Besitz komme. 

Wie die Eidgenossen waren auch die Bundner in zwei 
L.igei getrennt an der Spitze der von Krankreich miler- 
stutzten protestantischen Partei stand das Geschlecht 
derer von Salis. wählend die von Spanien und Oesterreich 

begünstigten 
Katholiken vom 
Geschlecht de- 
rer von Planta 
angeführt wur- 
den. Daneben 
bestand als 
dritte Partei 
noch diejenige 
der Herren von 
Travers, die zu 
Venedig hin- 
neigten. Aus 
diesen Grün- 
den sah sich 
tira li bunden in 
den 30jährigen 
Krieg mithin- 

eingerissen. 
der anlässlich 
der böhmi- 
schen Tron- 
folge im Jahr 
1618 zwischen 
dem deutschen 
Kaiser und dem 
Kurfürsten von 
der Pfalz aus- 
brach, sich in 

seinem Ver- 
laufe auch auf 
Dänemark, 
Schweden. 
Sachsen, Bran- 
denburg, Hes- 
sen und Frank- 
reich aus- 
dehnte und im 
Westfälischen 
Frieden von 

1648 seinen Ab- Schweiler Krieger au* dem Beginn da« 16 Jabr- 
schluss fand. hundert». (Brunnenllgur in SchalfbauKnI. 
Wahrend der 

Jahre HiUO-lftfi» hatten die raiischen Bünde unter dem 
Durchzug von spanischen Truppen schrecklich zu leiden. 
Die des bundnerischen Joches minien Bewohner des Veltlin 




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381» 



zeigten «ich »ehr dazu geneigt, den Herrn zu wechseln, 
so das» die Verschworer hier einen günstigen Boden für 
ihre l'mtriebe fanden. Ilie fortwährend unter sich un- 
einigen Eidgenoasen vermochten nichts anderes zu tun, 
ala dem Niedergang bündens untätig zuzusehen. 

Nach mehreren innren der Demütigung, wahrend wel- 
cher sich die Kaiserlichen als Herren des von ihren Trup- 
pen nach allen Richtungen hin durchzogenen Graubün- 
dens fühlten, legte sich Frankreich von neuem ins Mittel. 
Im Jahr 1635 zog Herzog Heinrich von Rohan an der 
SpiUe von einigen tau senil Franzosen rasch nach Bünden, 
drang ins Veit lin vor und schlug dort mit Hilfe der von 
Salis'schen Partei und des hundnerischcn Oberiten Georg 
Jenatsch die Kaiserlichen und >panier. Nachdem sie so 
das Veltlin zunickgewonnen, erkannten die Bündner, 
dasssie bloss ihren Uberherrn gewechselt hatten. Jenatsch, 
« der bisanhin Bohans rechte Hand gewesen war «. ging 
ins kaiserliche l-ager über. Von Richelieu und der fran- 
zösischen Diplomatie im Stiche gelassen und von Jenatsch 
verraten, sah sieh der «gute Herzog», wie man Heinrich 
von Rohan allgemein nannte, veranlasst. Bunden zu räu- 
men. Dieses ging nun mit Spanien einen Vertrag ein. 
laut welchem es im Besitz des \ elllins verblieb, in welcher 
Thalschalt zwar die Ausübung des reformierten Kultus 
untersagt aber ebenso die Wirksamkeit der Jesuiten und 
Kapuziner verboten wurde (1630). Oesterreich zeigte sieh 
infolge der Niederlagen., die es in Deutschland erlitten, 
zum Entgegenkommen bereit und verzichtete auf seine 
Rechte über das Praligau und das Kngadin. behielt lieh 
aber den Besitz der kleinen Herrschaften Kaziius und 
Tarasp vor. Mit der Ermordung des Georg Jenaisch 
(24. Januar Hvßii • endet die so bemühende Tragödie der 
liündner Republik. Allmählig kehrte die Ruhe wieder. 
Beide Parteien waren erschöpft und ersehnten den Frie- 
den. » (iraubundeii gestaltete aich von nun an zu einem 
der ruhigsten und friedlichsten Länder der Schweiz. 

Während Bätien gleichsam das ostliche Bollwerk der 
Schweiz darstellte, vertrat die Freigrafschaft Burgund 
die Stelle von deren westlichem Rollwerk. Die Neutralität 
dieses Landes war von den mit Spanien verbündeten 
katholischen Orten der Schweiz garantiert worden, und 
diese Orte hatten sich verpflichtet, sie zu verteidigen. 
Doch kümmerten sich Ludwig XIII. und Richelieu wenig 
um diese Neutralität und bemächtigten sich trotz der 
Einsprache der Tagsatzung des Landes, wurden aber von 
den Kaiserlichen bald wieder zurückgedrängt. Mit Frank- 
reich endgillig vereinigt ward die Freigrafschaft erst im 
Frieden von Nymwegen 1678. Wäh- 
rend der letzten Jahre des 30)ührigen 
Krieges erlitt Oesterreich eine Reihe 
von Niederlagen und verlor 1630 das 
Elsas* an Frankreich. Die vom Krieg 
verschonte Schweiz sah von allen 
Seiten her Flüchtlinge um Aufnahme 
ersuchen und musate sich stets zu 
einem Waffengang bereit halten. Die- 
ser Fall trat namentlich ein. als die 
Schweden 1647 Bregenz und Lindau 
belagerten und Konstanz bedrohten. 
Da einigten aich die reformierten und 
katholischen Orte zu einem gemein- 
samen Vorgehen gegen den äussern 
Feind und rüsteten ein Heer von 4OU00 
Mann, um die Grenzen des Landes 
zu di'cken. Die Tagsatzung forderte 
und erlangte die Aufhebung der Be- 
lagerung von Lindau, und der franzo- 
sische Feldherr Turenne verpflichtete 
sich, die Neutralität der Schweiz 
nicht zu verletzen. 

IliWi hegauneu in Munster uml Os- 
nabrück nie Friedensverhandlungen. 
Die Schweiz war an diesem westfäli- 
schen Friedenskongress durch den 
Bürgermeister Rudolf Weltstein von 
Hasel vertreten, der zunächst einzig 
von den evangelischen Orten abge- 
ordnet war. dann aber auch im Namen der katholischen 
Orte, d. h. also der gesamten Eidgenossenschaft auftreten 



Westfälischen Frieden vom 24. Oktober 1618 ein beson- 
derer Artikel beigefügt wurde, der erklärte, « dass die 
Stadt Hasel und die übrigen Kantone der Helvetier im 
Reaitz so gut wie voller Freiheit und Exemtion vom Reiche 
seien und in keiner Weise den Sprüchen und Gerichten 
dieses Reiches unterworfen seien. Durch diese wenigen 
Worte wurde . . . die ganze Schweiz nun endlich form- 
lich und rückhaltlos als freier und selbständiger Staat 
gegenüber Deutschland erklärt . . . Der 30jährige Krieg, 
der sonst so manche Schädigungen unterm nationalen 
Leben beigebracht hatte, warf damit unverhofft der Eid- 
genossenschaft eine schone Frucht in den Schoss. Aber 
darum genoss diese doch keineswegs eines hohem Glük- 
kes im Innern. Neue und weit schlimmere Krisen kamen 
bald nachher zum Ausbruch, gefördert durch die Nach- 
wehen dieses Krieges selbst». 

9. Bauernkrieg. — Vergebliche Vertuehr zur Annähe- 
rung zwiichen Reformierten und Katholiken. — Enter 
Vülmerger krieg. Die Hauern waren in der Schweiz meist 
selbst Eigentümer des Grundes und Bodens. Sie erfreuten 
sich eines gewissen Wohlstandes und waren im Besitz 
von Freiheiten, die von Gemeinde zu Gemeinde verschie- 
den waren. Die Regierungen der eidgenössischen Orte 
suchten aber, diese Freiheiten einzuschränken und in 
den Besitz der Titel zu kommen, auf welche die Unter- 
tanen ihre Bechte stützten. Solche Versuche, die schon 
zu Waldmanns Zeiten unternommen worden waren, 
hatten 1849 und 1531 in der zürcherischen Landachaft. 
1570 in der Luzerner Landschaft und 1501 in Hasellaud 
n Aufruhr gefuhrt. Der 30jährige Krieg mit seinen Fol- 
gen trug nicht dazu bei. die Unzufriedenheit im Landvolk 
zu beschwichtigen. Die Einwanderung zahlreicher frem- 
der Flüchtlinge hatte die Preise für den Grund und 
Boden, die Häuser und alles zum Leben Notwendige in 
die Höhe gelrieben. Als nach dem Friedenssrhluss der 
Preis der Lebensmittel rasch wieder sank, bemächtigte 
sich der Bevölkerung eine allgemeine Misxslimmung. 
Die wirtschaftliche Krisis zog auch eine Geldkrisis nach 
sich. 

Da erhob zuerst das Entlebuch das Banner des Auf- 
standes. Im Januar 1653 kamen Entlebucher Abgeordnete 
nach Lu/ern und suchten um die Erlaubnis nach, die 
Abgaben in Naturalien entrichten zu dürfen. Als sie ab- 
gewiesen wurden, v ••ran -talt.-tc das \..!k am Jfi. Januar 
eine allgemeine Prozession zur Kapelle von Heiligkreuz 
und protestierte gegen die Haltung der Begierung. Die 
Bauern marschierten gegen die Stadt Luzern, die sie am 




'"iL* f-^'V-*' "W. 




konnte. Er führte seine Sache so geschickt, dass dem 



Hiuernkriag 11^53. < Rorgerblbliotbek I.uzern). 

16. Marz einschlössen. Nun legten sich die Eidgenossen 
ins Mittel und versprachen den Aufständigen eine Ernie- 
drigung des Ohmgeldes und die Einschränkung der land- 



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vögllichen Machtbefugnis. Der Sturm war fur einmal be- I 
schworen. Dafür brachen nun in den Kantonen Bern. 
Solothurn und Basel, sowie in den aargauischen Aemtern i 
Unruhen au». Um diesen zu steuern, nob Bern Truppen 1 
aus. Nach dem Zugeständnis einiger Erleichterungen 
unterwarfen sich nun auch die Bewohner des Emmcn- 
thales. des Oberaargaurs, der Solothurner Landschaft und 
von Baseiland. Das Feuer war aber deswegen nicht er- 
loschen, sondern glomm unter der Asche stetig weiter. 
Am 23. April 1653 trat in Sutniswald im F.mmenthal eine i 
grosse Masse Volkes aus Bern. Luzern, Basel und Solo- 
thurn zu einer Landsgemt-inde zusammen, die den Bauern 
Nikiaus Leuenberger zum Vorsitzenden und Wortführer 
wählte und einen eigenen Bundesbrlef aufstellte, nach ' 
welchem alles Volk versprach, ■ mit Leib und Leben, Gut 
und Blut » für einander einzustehen. Cm die ganze Be- 
wegung endgillig zu unterdrucken, bot die Tagsatzung 
•25000 Mann eidgenössischer Truppen auf, denen die > 



Einklang standen. Am besten vermochten sich noch die 
Waldstatte, dank ihrer geschlossenen geographischen 
Lage und der Einfachheit ihrer Sitten mit dieser embryo- 
nalen Organisation abzulinden. Da dies aber bei | den 
reformierten Orten nicht im gleichen Masse der Fall 
war, wünschten diese, die alten Bünde durch einen neuen, 
einheitlichen Bundesvertrag zu ersetzen. Sie Hessen da- 
her durch General Sigmund von Erlach und den Zürcher 
Bürgermeister Heinrich Waser auf der Tagsatzung einen 
darauf bezüglichen Antrag stellen. Die katholischen Orte 
schienen, mit Ausnahme von Schwyz, einen Augenblick 
geneigt, sich diesem Wunache willfährig zu zeigen, er- 
neuerten aber deswegen doch ohne Skrupeln ihre Sonder- 
bündnisse. Derart war die Lage, als ein unglücklicher 
Zufall den Bürgerkrieg entfesselte. In Arth halten sich 
einige Familien schon seit langer Zeit zum reformierten 
(ilauben bekannt und im verborgenen dem ton einem 
Zürcher Geistlichen geleiteten Gottesdienst beigewohnt. 




Bauern auf den Ruf Leuenbergers 3O00O Mann entgegen- 
stellten. Bei Mellingen sliessen die Gegner aufeinander. 
Der hartnäckige Kampf endigte mit einem von den Bauern 
verlangten Waffenstillstand {Meilinger Frieden). «Nun 
eilten die Bauern meistens heim. Die Basier unterwarfen 
sich ; die Solothurner erlangten die Verzeihung ihrer Be- 
gierung. Leuenberger mit den Seinen ging ins Hernische, 
und Schibi schlug, wütend über den Ausgang, mit den 
Lu/crnern und Freiämtlern den Weg nach Luzern ein, 
welches durch die Knllebucher und viel Volk vom flachen 
Lande belagert wurde i, Nachdem sie hier noch gegen 
die eidgenössischen Truppen tapfer gekämpft, fügten sich 
die Bauern einem Schiedsspruch, der ihren Bund aufhob. 
1 lali I darauf erlitt auch Leuenberger mit den Hemer ltauern 
zu Heizogenbuchsee eine blutige Niederlage. • Bäsch 
folgte eine harte Vergeltung >. Die in die Gewalt der 
Obrigkeiten geratenen Bauernführer Leuenberger, Chri- 
stian Schibi. Emmenegger, Adam /.eltner u. a. wurden 
unbarmherzig hingerichtet. 

Bis dahin hatten die eidgenossischen Orte die Texte 
ihrer Hundesbriefe unverändert gelassen, obwohl sie mit 
der politischen Lage des 17. Jahrhunderts nicht mehr im 



| Als nun diese sog. Nikodemiten gefänglich eingezogen 
werden sollten, flüchtete sich deren Mehrzahl am 33. Sep- 
tember 1655 nach Zürich. Der Flecken Arth wurde von 
den Schwyzern militärisch besetzt, die die Zurückgeblie- 
benen gefangen nahmen, fesselten, auf die Folter spannten 
und schliesslich hinrichteten, worauf ihr und d-r F!nt- 
Hohenen Vermögen eingezogen wurde. Diese Gewalttat er- 
regte in Zürich grosse Erbitterung. Nachdem sich die Tag- 
satzung Vergehens um Vermittlung bemüht, zogen die 
Zürcher, ohne auf Berns Zuzug zu warten, ins Feld und 
besetzten denThurgau und Bapperswil. Unterdessen waren 

| auch die Berner in den Aargau eingerückt, wo sie bei 

' Villmergen am 23. Januar 1656 von der katholischen 
Armee überrascht und geschlagen wurden. Nun legten 
sich die neutralen Orte, sowie Frankreich. Savoyen. die 
Niederlande und England ins Mittel, worauf am 7. März 
Hi56 der Friede von Baden geschlossen wurde, der den 

1 »tatuM ■/im ante l>ellunt wieder herstellte. 

.1. Allianz mit Frankreich UljtiSt. — Die Schweiz alt 

j Atyl der politischen Flüchtlinge. — Xeutralität Sa~ 
voyent. Das Jahr 1663 wird durch ein Ereignis von hoher 
Bedeutung gekennzeichnet. Die in Solothurn tagenden 



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391 



Abgeordnete 

nungen der Bürgermeister Wettslein von Basel und Waser 
von Zürich, sowie des Generale» Sigmund von Erlach aus 
Bern von den verlockenden Anträgen des französischen 
Gesandten dazu verleiten, am -j\ September eine Allianz 
mit Ludwig XIV. abzusehlieasen. Nach der Unterzeich- 
nung des Bündnisses in Solothurn begaben sich die 36 
Mitglieder der eidgenössischen Tagsatzung nach Paris, 
wo der Bund feierlich beschworen wurde (18. November). 
Diese sog. Defensivallianz war mit einer Mililärkapitulation 
verbunden, und Ludwig XIV. machte sich kein Gewissen 
daraus, die Schweizer Begimenter bei der Eroberung 
Flanderns und der FrcigrafHchaft zu verwenden, was die 
Tagsatzung 1668 zu einem Protest veranlasste. Im selben 
Jahre arbeitete diese letztere, die das Bedürfnis eines 
engern Zusammenschlusses der Schweiz zu einer eigent- 
lichen Nation erkannt hatte, den Entwurf zu einer unter 
dem Namen des .. Defensionale • bekannten Wehrverfas- 
suog aus. Diese sah die Bildung eines Bundesheeres vor- 
aus, das aus drei Armeekorps von je 134(10 Mann bestehen 
und bei der ersten auftauchenden Gefahr die Grenzen 
decken sollte. Die Kührer dieser Korps sollten abwech- 
selnd von Zürich, Bern, Luzern und I M gestellt werden. 
Doch fand dieser von den Abgeordneten der Tagsalzung 
angenommene Beschluss keine allgemeine Zustimmung, 
indem Schwyz und die übrigen katholischen Orte auf 
Anstiften des Nuntius hin ihren Beitritt versagten. Die 
Haltung Ludwigs XIV. hatte diesem Fürst einen Teil der 
Eidgenossen entfremdet. Während die Katholiken immer 
noch Frankreich bevorzugten, traten die protestantischen 
Reisläufer mit Vorliebe in englische und holländische 
Kriegsdienste. 

Immer mehr entwickelten sich die reformierten Orte 
auch zu einem Atyl für alle wegen ihrer politischen oder 
religiösen Ansichten Verfolgte. Als die vom Herzog von 
Savoyen verfolgten Waldenser des Piemonl sich in die 
Schweiz il ii. nieten, traten die Orte Zürich, Bern. Basel 
und Schaphausen im Einverständnis mit Holland und 
Kngland am Hofe von Turin für sie ein. wohin 1655 eine 
aus dem Obersten G. von Weiss und K. von Bonstelten 
aus Bern. Salomon Hirzel aus Zürich. Benedikt Socin aus 
Basel und Johann Stocka r aus SchalThausen bestehende 
Gesandtschaft abgeordnet wurde, der i&'Ct noch eine 
zweite folgte. Nachdem in Kngland die Stuarts wieder 
auf den Tron gelangt, flüchteten sich die Konigsraörder 
Ludlow, Lisle, Cowley, Broughton etc. nach („uisanne 
und Vevey, wo sie gute Aufnahme fanden. Die grausamen 
Verfahren, denen in Krankreich die Protestanten seit tier 
Widerrufung des Ediktes von Nantes im Jahr in.».", ausge- 
setzt waren, bewirkten eine massenweise Auswanderung. 
Man schätzte die Zahl der protestantischen Franzosen, 
die sich zu jenen Zeiten in der Schweiz niederließen, 
auf 60U00. Es waren meist energische und arbeitsame 
Leute, die reichlich zum industriellen Aufschwung ihres 
neuen Vaterlandes beigetragen haben. Die .Erhebung von 
Wilhelm UI.>on Oranien auf den Tron Englands wandte 
diesem Beich die Sympathien der Schweizer Protestanten 
zu. Ohne Bich um Ludwigs XIV. Zorn zu kümmern, be- 
schlossen die reformierten Orte, die Werbungen für hol- 
ländische und piemontesische Dienste zu unterstützen. 

Bei Anlass des spanischen Erbfolgekrieges erklärten die. 
Eidgenossen am 2. September 17U0 ihre Neutralität. Der 
sich bedroht sehende Herzog vonSavoyen suchte Anschluss 
an die Schweiz und ersuchte sie. die Neutralität der Land- 
schaft Chablais anerkennen und diese Provinz, durch eine 
militärische Okkupation schützen zu wollen (Januar 1704). 
Als die Tagsatzung sich unentschieden zeigte, suchten 
die Gesandten von Savoyen und von Frankreich einen 
Druck auf sie auszuüben. Zürich und Bern zeigten sich 
dem Begehren des Hofes von Turin günstig gesinnt, doch 
führten die Niederlagen, die Ludwigs XIV. Heere erlitten, 
dazu, dass die ganze Frage der Neutralität Savoyen« wie- 
der fallen gelassen wurde. 

4. Die Seuenburgerf rage. Nach dem Erloschen des 
Geschlechtes der alten (trafen von Neuenbürg war dieses 
Fürstentum zunächst an die Herren von Chälons und 
dann durch Erbschaft an die Hochberg übergegangen. 

das auf die Hochberg folgende Haus Orli-ans- 
»orauf das Land der Herzogin Marie 
I. Als auch diese 1707 starb, wollte der 



von ihr als Nachfolger 
die Erbschaft antreten. Allein die Neuenburger Hessen 
es nicht zu. dass man über sie verfüge wie über ein zivil- 
rechtliches Erbstück. Indem sie am 8. März 1694 Marie 
von Nemours als Herrscherin anerkannte, hatte die 
Ständeversammlung ihr Land als unveräusserlich erklart 
und sich zugleich das Hecht vorbehalten, nach dem Tod 
des letzten F.rben der Orleans- Longueville über das Ge- 
schick des Landes selbst zu verfugen. So traten nun 
nach dem Tod der Marie von Nemours eine Beihe von 
Erbsanspreohern auf. Zunächst ist da Franz von Bourbon, 
Fürst von Conti, ein Neffe des grossen Comic, zu nennen, 
dessen Tante Genovefa von Bourbon sich mit Heinrich IL 
von Longueville verheiratet hatte und der sich der heim- 
lichen Unterstützung Ludwigs XIV. erfreute. Ihm gegen- 
über stand der König Friedrich I. von Preussen, dessen 
| Mutter Lucie Henriette von Nassau die Knkelin jenes 
Wilhelm des Schweigsamen war, auf den nach dem Tod 
seines Vetters Benatus von Nassau. Prinzen von Uranien, 
die Hechtsansprüche der Chä|i>n*-Oranien übergegangen 
waren. Dazu kamen als weitere Bewerber noch die Her- 
zogin von Letliguicres (Tochter des Bastardes Ludwig von 
Longueville), der Graf von Matignun. Jacqueline von Bour- 
bon, der Herzog von Savoyen -Carignan. die Edeldame 
von Sergy (deren Mutter eine Urenkelin Wilhelms des 
Schweigsamen gewesen*, der Markgraf von Baden, das 



Haus Wiirttemberg-Mompelgatd. die Nassauer, die von 
Pratt, Maillv. de Nesle etc. Die Hauptrollen in den nun 
folgenden Unterhandlungen Helen dem französischen Ge- 
sandten de Puimcux. dem preussisehen Bevollmächtigten 
Grälen von Metternich, dem Schultheisseu Christoph von 
Steiger aus Bern, sowie den Geschäftsträgern Englands 
und Hollands zu. Die protestantischen Mächte und die 
reformierten Orte der Schweiz legten einen grossen Werl 
darauf, das« die Herrschaft über Neuenbürg nicht einem 
der französischen Prälendenten zufalle. Nach dreimonat- 
lichen Beratungen entschieden die unter dem Vorsitz von 
Tribulet tagenden Stände von Neuenburg, zu einem guten 
Teil durch das Gold des Königs von Preussen, der Neuen- 
bürg als Operationsbasis gegen die Freigrafschaft zu be- 
sitzen wünschte, bestochen, zu gu listen des preussisehen 
Bewerbers. Ludwig XIV. zeigte sich über diesen Ent- 
scheid, dereinen Buckgang der französischen Suprematie 
in der Schweiz anbahnte, äusserst ungehalten. 

.*>. Zweiter Vtllmeryerkrwg. Nach dem Erloschen des 
Geschlechtes der Grafen von Toggenburg war die Thal- 
schaft Toggenburg 14458 unter die Herrschaft der Furst- 
abtei St. Gallen gekommen. Diese Prälaten waren aber 
bei ihren Untertanen nicht besonders beliebt, die der von 
Zürich und Bern begünstigten evangelischen 1-elire in 
ihrem i-ande eine gunstige Aufnahme bereitet hatten. Um 
die Abtrünnigen wieder zum Gehorsam zu bringen, hatten 
sich dann die Ftirstahte an die katholischen Orte und den 
Kaiser um Hilfe gewandt. Als Abt l.eodegar Hruggisser zu 
Beginn des 17. Jahrhunderts den Bau einer Strasse durch 
das Toggenburg beschloss. durch die die Sliftslande und 
St. (lallen mit der katholischen Urach weiz in direkte Ver- 
bindung gebracht werden sollten, widersetzten sich die 
Leute von Waltwil diesem l'lan und erhoben sich die 
Toggenburger Heformierten. Der Konflikt beschäftigte 
nun zunächst die Tagsatzung, die aber nicht zu einem 
Entschluss gelangen konnte. Der Nuntius, der natürlich 
für den Abt Partei genommen hatte, suchte den Kaiser 
für seine Sache zu gewinnen. Da kam ihm Berns Diplo- 
matie zuvor. Der nach Wien gesandte General von Saint 
Saphorin setzte dem Kaiser auseinander, dass er durch 
seine Zustimmung zu den katholischen Orten einzig Frank- 

I reichs Sache fortlern würde, indem bloss die reformierten 
Orte stark genug seien, um dem franzosischen Einfluss 
zu widerstehen. Die neutral gebliebenen Orte Freiburg 
und Solothurn suchten vergeblich, die Parteien zu ver- 
söhnen. Luzern und die Urkantone wurden durch den 
päpstlichen Nuntius Carracioli gegen die Beformierten 

i aufgewiegelt, während Bern und Zürich darauf brannten, 
die Kappelerkriege und den ersten Villmergerkrieg, die 
für sie unglücklich verlaufen waren, wettzumachen. Als 
die Stimmung hüben und druben zur höchsten Erbitte- 
rung gestiegen war, griffen Bern und Zurich zu den Waf- 
fen und besetzten am 19. April 1712 die aargauischen 
freien Aemter. Am 25. Juli kam es bei Villmergen zur 



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m schw 

Schlacht, in deren Folge die Katholischen nach hart- 
näckiger Gegenwehr unterlagen. In dieser « blutigsten 
Schlacht» der schweizerischen Bürgerkriege hatten sich 
besonders auch die Waadtländer unter dem General Sac- 
conay und dem Major Havel ausgezeichnet. Her am 11. 
August 1712 in Aarau geschlossene Friede machte dem 
Streit ein Ende. « Darnach sollte die Grafschaft Baden 
(Bremgarten inbegriffen) in Zukunft allein Zürich und 
Bern zustehen ; ebenso wurde von den freien Aemtern 
ein Teil abgetrennt und ebenfalls Zürich und Bern zuge- 
stellt . . . Sodann gingen ebenfalls an Bern und Zürich 
über: Rapperswil und Hürden, jedoch mit Wahrung der 
katholischen Religion. Ferner wurde Bern in die Mit- 
regierung über alle Landvogteien, an denen es noch nicht 
beteiligt war, aufgenommen : denThurgau, das Rheinthal, 
Sargans und den oberen Teil der freien Aemter. » Die 
Gegensätze zwischen den Angehörigen der verschiedenen 
Konfessionen blieben aber bestehen, und das Schicksal 
des Toggenburgs war damit nicht entschieden, bis 1718 
der Friede zwischen dem Abt von St. Gallen und dem 
Land Toggenburg bestimmte, dass sich die Toggenburger 
ihrem Fürsten zwar wieder unterwerfen müaaten, ihnen da- 
für aber die Religionsfreiheit und .erheblicher Anteil an 
der Verwaltung » gesichert würden. 

S. Der Consensus, W ie wir bereits erwähnt, hatten sich 
die evangelischen Orte der Schweiz, um den verschie- 
denen an den Tag tretenden theologischen Divergenzen 
einen Riegel zu Blossen, auf ein gemeinsames helvetisches 
Glaubensbekenntnis geeinigt, das vom Zürcher Antistes 
Bullinger verfasst worden war. Die Autorität dieser For- 
mel war aber seither durch die französischen Theologen 
der Schule von Saumur erschüttert und die Mehrzahl der 
reformierten Geistlichen der WesUchweiz fur die frei- 
sinnigeren Glaubenssätze, zu denen sich die französischen 
Refugianten bekannten, gewonnen worden. Im dieser 
Bewegung Kinhatl zu gebieten, beschlossen die starren 
Anhänger der helvetischen Konfession, von den Gläubigen 
den Anschluss an diese Formel zu verlangen und zugleich 
Bullingers Werk in einigen Punkten zu ergänzen. Diese 
neue « Formula Consensus (l'ebereinstimmungsformel) • 
wurde 16711 von den vier evangelischen Orten der deut- 
schen Schweiz angenommen, worauf ihr 1682 auch Genf 
beitrat, während sich Neuenbürg ablehnend verhielt. Der 
■ starre Regelzwang», den die Anwendung der neuen 
Formel mit sich brachte, stiess namentlich in der West- 
schweiz auf lebhaften Widerstand. Der erste Anstoss dazu 
ging von der jungen Geistlichkeit der W'aadt aus. Das 
Joch, das Hern dem Gewissen jedes Einzelnen auferlegen 
wollte, trieb zahlreiche gläubige Gemüter dem Sektierer- 
tum in die Arme. Viele Anhänger machten in den Städten 
der Waadt namentlich die Pietisten der Schule Speners. 
die Mystiker der Schule von Ijibadie und die Quietisten 
der >chule der Frau Guvon. während auf der Berner Land- 
schaft besonders die W'iedertäufer Fortschritte machten. 
Um diesen Sondcrbestrebungen Einhalt zu gebieten, be- 
drohte die Berner Regierung alle diejenigen, welche den 
Eid auf die ofhzielle Formel nicht leisten sollten, mit der 
Verbannung und dem Ein/ug ihrer Güter. Jeder wieder 
ins Land kommende Verbannte setzte sich der Strafe der 
Geisselung und dem Aufdrücken de« Brandmales, im Wie- 
derholungsfall sogar den Galeeren und dem Tod aus. End 
in der Tat wurden diese Strafen auch unerbittlich voll- 
zogen, indem die Regierung zu Bern z. B. Wiedertäufer 
und Pietisten auf die Galeeren der genuesischen Republik 
schicken liess. Diese Verfolgungen dauerten Jahre lang 
an und fanden ihr Ende erst 17211, als mit Havels Ver- 
such der Befreiung des Waadtlandes der Zwang der For- 
mula Consensus aufgehoben wurde. 

7. Politische Vnruhen. Gegen Ende des 17. Jahrhun- 
derts war in den meisten Kantonen die Regierungsgewalt 
in die Hände einer beschränkten Anzahl von «regiments- 
fähigen » Geschlechtern gekommen, sodass der Zutritt zu 
den öffentlichen Aemtern einem überwiegenden Teil der 
Bürger verschlossen blieb. Ein Verzeichnis der regimeuts- 
fähigen Geschlechter stellte man 1680 in Bern, 1681 in 
Solothurn. 1684 in Freiburg und 1707 in Lu/ern auf. 
F'olgen der immer mehr überhandnehmenden Oligarchie 
waren zahlreiche Missbrauche der Gewalt und eine all- 
gemeine Unzufriedenheit, die sich an verschiedenen Orten 
Luft zu machen suchte. 



SCHW 

In Basel brachte die Rivalität zwischen den mächtigen 
Geschlechtern der Rurckhardt und der Socin den Senat 
mit dem Rat der Sechszig in Konflikt. Als l'nruhen aus- 
brachen, wurden die Fuhrer der Volksparteien, Falio, 
Müller und Petri, zum Tode verurteilt und der erstge- 
nannte auch wirklich hingerichtet (169t ). Eine in Genf 
ausgebrochene ähnliche Rewegung führte ebenfalls zu 
einem Todesurteil, dem der Advokat Pierre Fatio, der 
wie sein Vetter in Basel von Geburt aus der Aristokratie 
angehörte und sich zum Wortführer des Volkswillens ge- 
macht hatte, verfiel. Kurz nach dem Villmergerkrieg wur- 
den 1713 in Zürich ebenfalls politische Reformen verlangt, 
die Bewegung aber durch einige vom Bürgermeister 
Escher bewilligte Konzessionen im Keime erstickt. Auch 
hier machte sich wie anderswo die Tendenz zur Aus- 
bildung einer reinen Oligarchie geltend : der Rat der 
Zweihundert ergänzte sich im Falle von Vakanzen selb- 
ständig von sich aus, und 1669 beschloss man. dass keine 
neuen Bürger mehr aufgenommen werden sollten. Am 
stärksten und starrsten war das aristokratische Regiment 
jedoch in Bern ausgebildet. Obwohl die Regierung hier 
zu Zeiten der Gefahr, besonders 1653 anlässlich des 
Bauernkrieges, dem Waadtland die Wiederberufung der 
seit 1622 tatsächlich aufgehobenen Ständeversammlung 
in Aussicht gestellt hatte, um des Beistandes ihrer wel- 
schen Untertanen sicher zu sein, fuhr sie doch fort, im 
französischen wie im deutschen Kantonsteil unum- 
schränkt zu gebieten. Has Regiment zu Bern beküm- 
merte sich wenig um das Wohl und Wehe »einer l'nter- 
tanen, die Strassen wurden schlecht unterhalten und 
waren unsicher. Landwirtschaft. Handel und Verkehr 
stockten, und das jedes Unterrichtes entbehrende Volk 
versank in Dumpfheit. So war die Sachlage, als Major 
Davel im Namen seines Volkes eine Freiheit verlangte, 
deren Preis dasselbe noch nicht zu verstehen vermochte. 
Als Davel den Augenblick für gekommen hielt, berief er 
am 31. März 1723 in Cully sein Bataillon zusammen und 
führte es nach Lausanne, wo er eine Sitzung des Stadt- 
rates verlangte. Diesem übergab er dann einen Aufruf an 
die Stadt, in dem er sie einlud, das auf ihr lastende 
Joch abzuschütteln, sowie eine Denkschrift in der er alle 
die sehr gerechtfertigten Klagen, zu welchen die Ver- 
waltung der bernischen Landvogte Anlass gab, zusatnmen- 
gefasst hatte. Ha der Bürgermeister von Lausanne eben 
abwesend war, hielten dessen Sohn und andere Rats- 
mitglieder Davel hin. um unterdessen Massregeln er- 
greifen zu können. Davel wurde scheinbar aufmerksam 
angehört und zum Nachtessen eingeladen. Seine Truppen 
legte man in Ouarlier. indem man darauf bedacht war. 
die Leute möglichst zu verzetteln. Am folgenden Morgen 
erfolgte dann Havels Verhaftung. In den Kerker geworfen, 
wurde der unglückliche Major zuerst gefoltert, dann zum 
Tode verurteilt und am 28. April 1723 auTder Ebene von 
Vidy hingerichtet. Dieser Märtyrer der Waadtländer Un- 
abhängigkeit halte sein Werk aus den reinsten und un- 
eigennützigsten Beweggründen unternommen. So er- 
kannte 7. B. der Berner Schultheiss von Steiger es selbst 
an, dass seine Denkschrift eine sehr genaue und durchaus 
begründete Kritik der Berner Herrschaft darstelle, die 
dann vom Hemer Rat teilweise auch wirklich berück- 
sichtigt worden ist. 

Aufstände und Zwistigkeiten brachen im Laufe des 18. 
Jahrhunderts in nahezu s.imllichen schweizerischen Kan- 
tonen aus. So linden wir in Appenzell A. R. im Jahr 1732 
den Streit zwischen den ■ Harten • und den « Linden », 
sowie in Zug den nicht enden wollenden Zwist zwischen 
den Anhängern Oesterreichs und denjenigen Frank- 
reichs, d. h. mit andern Worten zwischen den beiden 
führenden Geschlechtern der Schumacher und der /.Ur- 
lauben, der zu blutigen Aufständen führte und erst 1736 
aufhörte. 

Nach Zürich und Hern war das mächtigste Glied der 
helvetischen Korperschaft der Abi von St. Callen. der in 
beständigem Streit mit seinem Nachbarn, der aufblühen- 
den Stallt St. Gallen, lag, und dessen Untertanen sich in 
fortwährendem Aufruhr Defanden. Dieser brach nach dem 
Frieden von Raden von 1718 neuerdings 1733 und in den 
folgenden Jahren aus und verschlimmerte sich derart, 
dass die Ordnung erst durch Eingreifen der Kidgenossen 
wieder hergestellt werden konnte. Aehnliches ereignete 



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SCHW 



SCIIW 



393 



sich auch im Jura, wo der Hasler ftischof Johann Kon- 
rad von Heinach-Hirzbach (1705-1737) die Erbitterung 
seiner Untertanen durch die Vornahme von Neuerungen, 
die deren Freiheiten zuwider waren und bedrohten, auf 
die Spitze trieb. Die Ordnung vermochte erat nach dem 
Tode des llischofes und mit Hilfe von französischen Trup- 
pen wieder hergestellt zu werden, wobei mehrere der Volks- 
führer, wie Pequinat, Lion und Hiat den Tod auf dem 
SchalTot fanden (1740). 

Zur gleichen Zeit machte sich die Unzufriedenheit da- 
rüber, dass alle Aemter und Wurden in den Händen einer 
geringen Zahl von Geschlechtern lag, auch unter der Her- 
ner Rürgerschaft Luft. Im Jahr 1744 richteten 27 Hürger 
eine Denkschrift an die Obrigkeit ein. • in welcher sie 
hinwiesen auf die frühern Hechte der Rürgerschaft und 
in würdigen und bescheidenen Ausdrücken die Häufung 
der Aemter in den Händen einer kleinen Anzahl von Fa- 
milien, die steigende Verarmung der Hürgerschaft und 
andere Schäden der Verwaltung rügten.» I)ie Obrigkeit 
verstand aber keinen Spass und verurteilte den Verfasser 
der Denkschrift samt feinem tätigsten Gehilfen zu zehn- 
jähriger und andere Mitunterzeicnner 

zu fünfjähriger Verbannung, sowie — - , -_- _ 

wieder andere zu geringeren Strafen. 
Dieses schroffe Vorgehen trug aber 
bloss dazu bei, die Gährung zu stei- 
gern. Kiner der hervorragendsten 
unter den Unzufriedenen war Samuel 
llenzi, der Sohn eines Pfarrers, ein 
talentvoller Mann von umfassender 
Hildung und freisinnigen Ansichten. 
Mit den übrigen Unterzeichnern der 
eben genannten Denkschrift auf fünf 
Jahre verbannt, kehrte er nach Ablauf 
seiner Strafe 1749 nach Hern zurück. 
Hier lies« er sich mit dem Stadtleut- 
nant Kueter, einem Mann von « un- 
gebundener, rauflustiger Lebensart », 
sowie dem durch Spiel und aus- 
sehweifendes Leben an den Rand des 
Bankrottes geführten Kaufmann Wer- 
nier und Andern ein. Er verfasste eine 
Abhandlung, in der er auf die frühem 
Hechte der Bürgerschaft hinwies, eine 
Wahlreform und die Einführung ei- 
ner Zunftverfassung forderte. «Wäh- 
rend Henzi nichts schlimmeres beab- 
sichtigte und, wie es wenigstens 
scheint, auch nichts Roses ahnte, 
mieten die anderen wie Unsinnige : 
sie sprachen von Anzünden der 
Stadt, von Ermorden der Ratsherren 
und von Hesitznahme des Staatsschat- 
zes. Etwas Hestimmtes scheinen aber 
die Anstifter der Verschwörung selber 
nicht abgemacht zu haben. » Da wur- 
den die Verschwornen bei einem Ratsherrn verzeigt, 
worauf man Henzi. Fueter und Wernier verhaftete, /.um 
Tode verurteilte und am 17. Juli 174U hinrichtete, wäh- 
rend die Uebrigen mit gelinderen Strafen (Verbannung 
auf Lebenszeit oder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren. 
Hausarrest. Verweisen) davonkamen. Aber «die Regierung 
schwebte von da an beständig in Furcht und Angst: die 
leiseste Kundgebung freierer Gesinnungen machte sie 
zittern. » 

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts brachen auch in 
der Leventina Unruhen aus. die aber von den Truppen 
der Urkantone alsbald unterdrückt wurden. Die Führer 
der Hewegung. Forao. Orso und Sartori, endigten 1755 
auf dem Blutgerüst, und das Land verliel einer harten 
Untertanenschaft. 1764 erhob sich anlässlich der auf die 
Militarkapitulationen gestützten Forderungen Frankreichs 
ein Zwist in Schwyz zwischen den » Harten » (den Partei- 
gängern Spaniens) und den « Linden » (den Anhängern 
Frankreichs). Die vom Gastwirt und Landeshauptmann 
Karl Dominik Pfyl geführte Volkspartei der Harten siegte 
und benutzte diesen Sieg, um den Landammann Franz 
Anton von Reding zu verbannen und seine Anhänger mit 
schweren Geldbussen zu belegen (1765) 



tholischen Orten der Schweiz grosse Güter und Rechte. 
So gingen z. B. in Luzern zwei Drittel aller Einkünfte in 
die Kassen der Geistlichkeit. Als der Luzerner Rat dem 
übermässigen Anwachsen des Reichttimes der Kongrega- 
tionen eine Schranke setzen wollte, kam er mit dem Nun- 
tius in Konflikt, der sich, als die Regierung auf ihrer 
festen Haltung beharrte, unter dem Vorwand einer Kom- 
petenzenstreitigkeit in Sachen geistlicher Gerichtsbarkeit 
nach Schwyz zurückzog und Luzern mit dem Rann be- 
drohte. Luzern 's Kinwohner nahmen aber für ihre Re- 
gierung und gegen Nuntius und Papst Partei. Als auch 
die übrigen katholischen Orte sich auf Seite von Luzern 
stellten, legte sich Frankreich ins Mittel, dem es gelang, 
den Streit zu schlichten (1725-1790). Weitere Streitigkei- 
ten zwischen dem Stand Luzern und dem h. Stuhl, die 
sich um die Anwendung der Gesetze auf straffällig gewor- 
dene Priester, um die Besteuerung der geistlichen Güter 
und um die die Rechte der helvetischen Kirche behan- 
delnde Veröffentlichung des Säckelmeisters Felix Raltha- 
sar drehten, brachen in den Jahren 1756, 1765 und 1768 
aus. Im Jahr 1574 hatten sich die Jesuiten in Luzern 




Die Geistlichkeit hesass im 18. Jahrhundert in den ka- 



Belagerung tu Beginn <lo« 18. Jahrhunderts. (Rtld aus der Sammlung der Feuer- 
werkerge»«ll«ehait in ZOrieb. — Laodesmuaeum Zürich). 

niedergelassen, denen das Unterrichtswesen seither grosse 
Förderung verdankte. Als aber ihre Herrschergelüste zu 
vielfachen Klagen Veranlassung gegeben, hoben Luzern 
und Freiburg die Schulen der Jesuiten auf, worauf sich 
diese, freilich ohne Krfolg. in Schwyz niederzulassen 
versuchten (1758). 1768 wurde dann der Jesuitenorden 
vom Papste selbst aufgehoben, aber 1814 wieder her- 
gestellt. 

H. Ründni* mit Frankreich. Das zuerst von Ludwig XI. 
angebahnte Ründnis Frankreichs mit der F'.idgenossen- 
schaft bildete stets eine der Grundlagen der Politik seiner 
Nachfolger, wie auch ein ständiges Traktandtim der eid- 
genössischen Tagsatzungen und Räte. Ks wurde 1521 von 
Franz L. 1602 von Heinrich IV. und 1663 von Ludwig XIV. 
erneuert. Seit der Aufhebung des F'diktes von Nantes 
hatte sich aber in den reformierten Orten der Schwei/, 
die öffentliche Meinung allmählig von Frankreich abge- 
wandt. So zählten namentlich Fngland und Holland viele 
Freunde in Hern, welcher Sund 1712 einen Vertrag 
mit Holland schloss. Hei den katholischen Orten gewann 
der Fünfluss Spaniens an Roden. Als daher der Vertrag 
mit Frankreich mit dem Jahre 1723 ablief, fand dessen 
FIrneuerung nicht die Zustimmung aller eidgenössischen 
Orte. Nach ihrer Nietlerlage bei Villmergen waren die 



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394 SCHW 

katholischen Stande mit Frankreich ein Sonderbündnis 
mit einer geheimen Klausel eingegangen, die die Rück- 
gabe der ihnen von Dem und Zürich abgenommenen 
l'ntertanenländer versprach (1715). Als nun die Verhand- 
lungen zwischen den eidgenössischen Orten und Frank- 
reich begannen, wollten die Katholiken dieses Versprechen 
beim Hofe von Versailles geltend machen, welchem An- 
sinnen sich aber die Reformierten widersetzten. Frank- 
reich suchte wiederholt, die Krneuerung des Bündnisses 
zu erwirken, doch waren weder das hochmütige Gebahren 
seiner Diplomaten, noch deren Schmeicheleien, Ver- 
sprechungen und häutiges Kinmischen in die eidgenössi- 
schen Angelegenheiten dazu geeignet, ein Einverständnis 
zwischen den Schweizern und arm Hole von Versailles 
herbeizuführen. In den Kriegen Ludwig« XV. gegen 
Oesterreich, Preussen und England kämpften 60000 bis 
70000 Schweizer Soldner mit Auszeichnung unter den 
Fahnen Frankreichs, 1'ngarn*, Spaniens, von Piemont, 
Holland und Neapel. Unter Ludwig XV. halten alle 
Versuche, das Bündnis zu erneuern, keinen Erfolg. 
Ha trat mit der Tronbesteigung von Ludwig XVI. 
im Jahr 1774 ein Umschwung ein. Der neue Minister 
des Aeussern, Graf von Vergennea, sandte seinen Bru- 
der als französischen Gesandten nach Solothurn. Den 
ihm erteilten Weisungen gemäss und im Gegensatz zu 
seinen Vorgängern, die die innere Rivalität der Schwei- 
zer ihren Zwecken nutzbar zu machen versucht halten, 
rief dieser Diplomat den Kidgenossen ihre Prinzipien der 
Einigkeit, des gegenseitigen Vertrauens und Brudersinnes, 
sowie die gegenseitige Achtung der einzelnen Stände für- 
einander ins Gedächtnis zurück. Dieses Vorgehen führte 
nalurgemäss zu einer Annäherung, die im Jahr 1777 den 
Abschluss eines den Sonderbund von 1715 aufhebenden 
Vertrages der 13 alten Orte mit Frankreich zur Folge 
hatte. Dieses Bündnis war aber bloss ein auf die Dauer 
von fünfzig Jahren abgeschlossener gegenseitiger Defen- 
sivvertrag, der den Schweizern verschiedene Handels- 
begünstigungen und das bald eingelöste Versprechen 
einbrachte, den in Frankreich niedergelassenen Staats- 
angehörigen der Schweiz gewisse Erleichterungen zu ge- 
wahren. Dieses Bündnis, das in der Geschichte Jener 
Zeil von hervorragender Bedeutung ist. wurde am *i>. Au- 
gust 1777 in Solothurn beschworen und mit rauschenden 
Festlichkeiten gefeiert. 

'J. Geistig? Kultur im 11. und IN. Jahrhundert. Die 
kirchliche Reform des 1(5. Jahrhunderls führte schwer- 
wiegende politische und soziale Folgen nach sich. Die 
geistige Wiedergeburt erschreckte selbst solche, die der 
Trennung von Rom eifrig das Wort geredet hatten und 
begünstigte einen gewissen Rückgang, der durch die 
fremden Dienste und das in deren Folge sich breit 
machende Günstling*- und Hofschranzenwesen noch 
verschärft wurde. Aus diesen Einständen erklärt es sich 
leicht, dass die Schweiz im 17. Jahrhunderl an der allge- 
meinen wissenschaftlichen und literarischen Bewegung 
nur einen geringen Anteil genommen hat. Die auserlese- 
nen Geister fanden eben in ihrer Heimat den für ihre 
volle Entfaltung geeigneten Boden nicht vor und suchten 
daher im Ausland zu Ansehen oder Reichtum /u gelangen. 
Im 18. Jahrhundert erweiterte sich dann der geistige 
Horizont der Schweiz. Ueberall brachen sich talentvolle 
Männer Bahn und entstanden Veröffentlichungen von 
bleibendem Wert. Diese Bewegung ging von Frankreich 
aus und war eine Folge der Aufhebung des Ediktes von 
Nantes. Im Wolschland besann das Wiedererwachen mit 
Louis Bourget, Abrain Rucnat, Loys de Bochat. Abauzit, 
Tribolet u. A. In Zürich pflegten J. J. Scheuchzer und 
.loh. Gessner die Naturwissenschaften, J. J. Bodmer, J. J. 
Itreitinger. Salomon Gessner. Joh. Kasp. Lavater, Heinrich 
Meister und Joh. Kasp. Hirzel die schöngeistige Literatur, 
sowie Kaspar und Heinrich Füssli die Künste. Von den 
hervorragenden Bernern nennen wir den Schriftsteller 
Beat Ludwig von Muralt. den l'niversalgelehrten Albrecht 
von Haller, den Naturforscher Samuel Wittenbach, ferner 
Sinner. Bonsletten, May etc. In Basel glänzte die Mathe- 
matiker- und Physikerdynastie der Bernoulli und Euler. Zu 
erwähnen ist hierauch der Basler Sladlschreiber Isaak Ise- 
lin, der zusammen mit den Aerztcn .1. C. Hirzel aus Zurich 
und Zimmermann aus Brugg im Jahr 1760 die Helvetische 
Gesellschaft gründete, die bald die hervorragendsten 



SCHW 

Männer aller Kantone zu Mitgliedern zählte und aus deren 
Schosse eine Reihe von Tochtergesellschaften mit wissen- 
schaftlichen oder gemeinnützigen Tendenzen entsprang. 
Die katholische Schweiz lieferte den Abt Marianus Möller 
von Einsiedeln und seinen Nachfolger Beat Kültel, den 
Abi Nicolas de Luc* von Bellelay, den Franziskaner Jost 
und den Chorherrn Schumacher in Luzern. den Dom- 
propst Spory und den Professor Ignai Zimmermann in 
Solothurn. den Theologen Brentano in Rapperswil, die Ge- 
schichtschreiber F. V. Schmid aus Uri. Zel ger und Joseph 
Businger aus Unterwalden. Joseph Xaver Schnyder aus 
dem Enttebuch. den General Zurlauben in Zug und den Ri- 
schof B. H. von I.enzburg in Freiburg; dem Wallis gehört 
I P. J. da Rivaz an. der sich als Mathematiker einen Ruf 

I machte. Auch aus der französischen Schweiz sind eine 
Menge von Namen zu erwähnen, so aus Neuenburg der 
Rechtsgelehrte Vattel, die Philanthropen David de Pury, 
Auguste de Meuron und J. L. de Pourtales (der sog. u König 
der Kaulleute »I. dann du Pevrou, Cäsar d'lvernoia, Ma- 
dame de Charriere geb. van Tuyl, der Kanzler Boyve, der 
Pfarrer Chaillet ; aus Yverdon der Verleger und Lexiko- 
graph de Feiice ; aus Lausanne der Philosoph J. B. de 
Crousaz, die Rechtsgelehrten Barbeyrac, Clavel de Brenltw 
und Porta, die Geschichtschreiber Ruchal nnd Loys de 
Bochat. der Astronom Loys de Cheseaux, der Arzt Tissot, 
der Dekan de Polier, der General de Bavois, ConsUnt 
d'Hermenches. der Professor C. A. Chavannes. der He- 
braist Polier de Bottens. Die Marquis« de Langalerie. Ma- 
dame Charedieu und Madame de Brenles, später auch 
Madame de Montolieu, Madame Charriere de Ravie. Made- 
moiselle Su^inne Curehod (die nachherige Frau Necken 
und Benjamin Constant bildeten den Kern einer auser- 
lesenen Gesellschaft hervorragender Geister, die im Verein 
mit dem weit greifenden Ruhm des Arztes Tissot und 
der landschaftlichen Lage die alte Bischofsstadt zu ei- 
nem bevorzugten Sammelpunkt der Fremden gestaltete. 
I'nter diesen ragen ganz besonders hervor der Geschicht- 
schreiber Gibbon. Rousseau, Voltaire, der Ritter de Bouff- 
iers und, später, der Abbe Raynal, der Fürst Galitzin, die 
Baronin von llolca, Joseph und Xavier de Maisire u. v. A. 
Während in Lausanne namentlich die schöngeistige Li- 
teratur in Blüte stand, fanden sich die Genler mit Vor- 
liebe von den Naturwissenschaften angezogen. Mehrere 
ihrer Gelehrten und Denker erwarben sich europäischen 
Ruf. so Burlamaqui, Rousseau, Tronchin. Charles Bonnet, 
H. B. de Saussiire. de Luc, Senebier. M. A. Pictet. P. H. 
Maltet, später Etienne Dumont. d'Yvernois, Mallel du Pan 
u. A. Grosses Aufsehen erregten die Niederlassung von 
Voltaire im Landgut Les Delices und später in Ferney, 
sowie seine Auseinandersetzungen mit Rousseau und der 
Genfer Geistlichkeit. 

Die Künste, die zu ihrer vollen Entwicklung einer an 
materiellen Gütern reichen Gesellschaft bedürfen, standen 
damals in der Schweiz noch im Jugendalter. Immerhin 
dürfen auch aur diesem Gebiete einige Namen nicht mit 
Stillschweigen übergangen werden : Petilot, J. A. Arlaud. 
Jean Dacier. Jactjues Dacier, J. E. Liotard. P. de la Bive 
und Huber in Genf. Heinrich Füsali in Zürich, Angelika 
Kaufmann aus Chur. Isaac Jacob Lacroix aus Payerne. 
A. L. R. Ducros und Kaesermann aus Yverdon, J. S. L. 
Piot aus Lausanne, der Ingenieur Perronnet aus Vevey. 
Ihnen schliesscn sich zahlreiche Architekten und Maler 
an. so im Tessin die Pisoni aus Ascona, Alber toi Ii aus 
Bedano. Mercoli aus Mugena etc. 

V. REViu.t TioNsztiT. /. Vorspielt' der hulrelitchen Re- 
volution. Die Erschütterung, die der Zusammenbruch 
der bisherigen Staatsordnung in Frankreich auf ganz 
Europa übertrug, brachte sämtliche 'frone ins Wanken. 
Die im ßewusstsein ihrer Neutralität sich geborgen glau- 
benden eidgenössischen Orte beschränkten sich auf die 
Rolle eines Blossen Zuschauers und darauf, mit einer oft 
schlecht belohnten Zuvorkommenheit den Emigranten Zu- 
flucht und Schutz zu gewähren. Doch brachen sich die 
weitherzigen Ideen der Vorkämpfer der französischen 
Revolution auch in der Schweiz Bahn, indem namentlich 
die l'ntertanenlander der Eidgenossen davon ergriffen 
wurden und die Rechtsgleichheit zu fordern begannen. 
Man pllegt gewöhnlich anzunehmen, dass der Anstois zur 
helvetischen Revolution von der französischen Revolution 
her ihren Ausgang genommen habe. Während diese 



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895 



letztere in der Tat den Ausschlag gegeben hat, ist aber 
doch zu bedenken, das» in der Schweiz schon seit langer 
Zeit eine geheime Unzufriedenheit unter der Asche 
glimmte, die nur den geeigneten Augenblick ersehnte, 
um in Flammen aufzuschlagen. Die Schweiz war in mo- 
ralischer, politischer und sozialer Hinsicht gesunken. 

Zuerst brach in Genf eine revolutionäre Bewegung aus, 
die im Jahr 1738 das Eingreifen von Bern, Zürich und 
Frankreich nach sich zog. Die nämlichen Stände sahen 
«ich dann bei Anlass des Zwistes zwischen den sog. «Repre- 
senlanls* (die gegen die Verdammung der Ansichten Rous- 
seau's durch den Senat protestiert hatten) und den «NY- 
gatifst {die jenen das Recht bestritten, ihre Klagen vor 
den «Conscil generali, zu bringen) 1768 neuerdings zur 
Vermittlung und Friedensstiftung veranlasst. Im Jahr 

1781 brach eine neue Revolution au«, die gegen Ende 

1782 ebenfalls einer Vermittlung von Seiten Berns, Prank- 
reichs und Sardiniens rief. Diesmal brachen alle bisher!- 

demokratischen Errungenschaften zusammen, indem 
aristokratische Regiment in der Sladt wiederherge- 
stellt wurde unter gleichzeitiger Verkündigung einer 
Amnestie, von der aber die glühendsten Patrioten sich 
ausgeschlossen sahen. Diese wandten sich nach Paris, 
wo sie mit ßrissot und Mirabeau in Verbindung traten. 
1789 beschloss dann der Genfer Rat. die Verbannten 
wieder heimzurufen. Als die Revolution in Frankreich 
zum siegreichen Durchbruch gekommen war und die 
Armeen der französischen Republik in Savoyen eindran- 
gen, besetzten Zürcher und Berner Truppen die Stadt 
Genf, zogen aber wieder ab. nachdem sich Frankreich zur 
Wahrung von deren Unabhängigkeit verpflichtet hatte. 
Nun fiel die Stadt aber in die Gewalt von revolutionären 
Klubs, wie der GrilU; der San* Culoltes, der itartcillait, 
des Grand Club und der iitmlagnard», die vom französi- 
schen Residenten Soulavie unterstützt wurden. 1704 liess 
sich im Rathaus das Revolution*gericht nieder, das meh- 
rere Todesurteile fällte. Der Sturz Robespierre's ("27. Juli 
1794) gebot dann dem Treiben der Terroristen Einhalt, 
ihr Gericht wurde aufgelöst und die Ruhe in der Sladt 
wiederhergestellt. 

Während der Jahre 1781 und 1782 war Freiburg der 
Schauplatz einer politischen Bewegung, die nach ihrem 
Führer, dem Major Nikiaus Chenaux. die Chenaux'sche 
Revolution genannt wird und von Berner Truppen unter- 
drückt wurde. Infolge einer Vermittlung der Regierungen 
von Bern, Solothurn und Luzern gewährte das Ireiburger 
Patriziat dem Volk einige Zugeständnisse, wies aber die 
Mehrzahl der Volksbegehren ab und sandte mehrere Auf- 
ständige auf die Galeeren oder in die Verbannung. Die 
Genfer und Freiburger Verbannten, wie du Roveray. 
Clavierea, Reybaz und Dumont einerseits und Rey. Ca- 
stella undGuisolan andrerseits wurden in Paris mit offenen 
Armen empfangen. Sie gründeten hier zusammen mit 
einigen unzufriedenen Waadlländern wie Perdonnel, 
Reynier und lloinod den sog. Club helvrtique oder Schwei- 
zerklub, der bald nahe an die 300 Mitglieder zählte. Meh- 
rere dieser Männer erwarben sich um die Forderung der 
freiheitlichen Bewegung in der Schweiz wirkliche Ver- 
dienste, indem sie durch ihre Agitation und Publikationen 
auf das Volk einwirkten und den Umschwung der staat- 
lichen Verhältnisse in der Heimat vorbereiteten. Sie 
suchten namentlich auch, die revolutionäre Gesinnung 
unter den in Frankreichs Sold stehenden Schweizer Trup- 
pen zu verbreiten, die sich aber in ihrer Gesamtheit nicht 
verführen liessen. sondern ganz im Gegenteil zu ihrem 
Eide und ihrer Fahne standen und sich am 10. August 
1792 durch ihre heldenmütige Haltung auszeichneten. 
Einzig das Regiment Chäteauvieux trat zum Volke über 
und nahm an einer ganzen Reihe von Ausschreitungen 
teil. 

im Waadtland hielten die Bauern treu zu ihrer Herner 
Obrigkeit, wenn sie auch die Nachricht von der Abschaf- 
fung der Zehnten in Frankreich nicht mit Gleichgiltigkeit 
aufnahmen. Das Patriziat und die Adeligen hatten den 
Ehrgeiz, eine besondere Rolle zu spielen, wollten aber 
an der bestehenden gesellschaftlichen Urdnung und an 
ihren Vorrechten nicht rütteln lassen. Diese Verschieden- 
heit in den politischen Ansichten stellte sich zusammen 
mit der Rivalität, die zwischen den Bürgern und den 
Adeligen bestand, einem gemeinsamen Vorgehen hem- 



mend in den Weg. Der Einfiuaa der vom Schweizerklub 
entwickelten Tätigkeit machte sich aber doch geltend, 
trotzdem die Berner Obrigkeit strenge Massregeln ergriff, 
um die Verbreitung der revolutionären Schriften zu unter- 
drücken. Da richtete Frederic Cesar de Laharpe, der da- 
mals als Erzieher des Kronprinzen Alexander in Ruaaland 
weilte, am 1. August 1790 an de Polier, A. de Laharpe und 
H. Moood einen offenen Brief, in welchem er diese 
Männer aufforderte, folgende Hegehren zu stellen : 1 ) Ein- 
setzung einer besondern Kommission, die die politischen 
Freiheiten und Hechte des Waadtlandes zusammenstellen 
sollte; i) Wiedereinberufuug der Waadtländer Stände- 
versammlung; 3) vollständige politische Gleichstellung 
aller Bürger, inbegriffen die Zulassung Aller zur Staats- 
verwaltung. 

Zur selben Zeit war /.wischen den Waadlländern und 
dem Senat von Bern inbetreff des Slrassenunterhalles. des 
Wasserbauwesens, der Forst- und Salinenverwaltung, so- 
wie ganz besonders der Stellung der Waadtländer Offi- 
ziere in den fremden Diensten Streit ausgebrochen, zu 
dessen Verfechtern sich namentlich die Rate der Städte 
Morges. Moudon. Vverdon, Nyon, Aubonne, Cossonay und 
Holle aufwarfen. 

Aehnliche Symptome von Unzufriedenheit machten sich 
auch im Wallis gellend, wo im August und September 
1790 in Marligny, im Val d'llliez und in Saint Maurice 
Unruhen ausbrachen. Die Landgemeinden der Waadt 
protestierten gegen die Vorrechte der Grundherren und 
wurden dabei durch die Advokaten Monod und Cart 
unterstützt, die ihnen ein gemeinsames Vorgehen zum 
Zweck der Wiedereinberufuog der Ständeversammlung 
anrieten. Daraufhin verfügte der Senat von Bern die 
Vornahme einiger Reformen, indem er zugleich den 
Berner Bürgern anempfahl, sich den Waadlländern 
gegenüber weniger stolz und hochmütig zu verhalten. 
Ein Zufall rief neue Unruhen hervor. Als zwischen dem 
Herrn von Caroiige. von Diesbach. und den Hauern der 
liegend anlässlich des Bezuges des Zehnten» von der 
Kartoffelernte ein Streit ausgebrochen war, wurde der 
Pfarrer Martin in Meziercs der Parteinahme für die Bauern 
beschuldigt, am 29. September I790 verhaftet, dann aber 
freigesprochen und wieder in alle seine Rechte eingesetzt 
i!7. April 1791). Die Aurregung, die dieses Ereignis im 
Waadtland hervorrief, legte sich aber nicht wieder. Am 
14. Juli 1791 veranstalteten die Waadtländer Patrioten im 
Landhaus Lea Jordils ob Ouchy ein Bankett, dem ein 
Schulzenfest zum Vorwande diente, das aber in Wirk- 
lichkeit eine Gedenkfeier des Haslillesturmcs sein sollte. 
Männer aller Bevölkerungsklassen — Grundbesitzer, Mili- 
tärs, Advokaten, Aerzte, Geistliche, Finanzleute. Kaufleute 
und Handwerker — nahmen daran teil und feierten, 
durch feurige Heden begeistert, den Sieg der Freiheit in 
Frankreich. Am folgenden Tage vereinigten sich die 
Schützen und Patrioten von Morges, Lausanne, Aubonne 
! und Nyon in Holle, um den neuen Ideen ihre Huldigung 
darzubringen. Ea taten sich bei diesen Anlässen beson- 
ders hervor Amedce de La harne. Herr von Lea Utting, 
der Landesleutnant Rosset, der Huchhändlcr Durand. 
Muller de la Mothe, der Advokat Mieville u. A. Rasch und 
grausam war Berns Rache. Die Regierung lies* ein tWK* 
Mann starkes Armeekorps mit 60 Kanonen in die Waadt 
einrücken und bestellte eine besondere Kriminalkom- 
miaaton, welche die hervorragendsten Veranstalter der 
Kundgebungen vom 14. und lo. Juli gefangen nehmen 
lies» und dann entweder zu Stubenarrest oder zu Ge- 
fängnisstrafen von 4, 5. 6 und bis auf 25 Jahre verur- 
teilte. Am&lee de Laharpe wurde sogar zum Tode verur- 
teilt, entkam aber glücklich nach Frankreich, wo er sich 
im Militärdienst bis zum Divisionsgeneral emporschwang, 
als welcher er 1798 in der Schlacht bei Lodi einen glor- 
reichen Tod fand. 

Der Revolutionswind wehte auch im Fürstbistum Basel, 
wo die Untertanen des Bisehofes schon seit 1785 vergeb- 
lich die Zusammenberufung einer Ständeversammlung 
verlangt hatten, die dann endlich im Jahr 17UI wirklich 
erfolgte. Ein Jahr später besetzte der General Custine 
das Land, worauf die jurassischen Patrioten, seines Bei- 
standes sicher, die Hauracische Republik auariefen, wel- 
cher neue Staat sich aber nicht lange halten sollte, da 
er schon am 23. März 1793 unter dem Namen des Depar- 



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tement du Mont Terrible an Frankreich angegliedert und 
endlich im Jahr 1800 dem Departement du Haut Ithin 
einverleibt wurde. 

Die freiheitlichen Ideen, die sich in Frankreich Bahn 
gebrochen hatten, fanden ihren Widerhall auch an den 
Ufern des Zürichsees. Hier machte sich der Hafner Hein- 
rich Neeracher tum Wortführer des Volkes. Kr wurde 
zusammen mit «lern Chirurgen Pfenninger und demSeckel- 
meister Stapfer zur Seele der Bewegung. Die Forderungen 
des Volke« gründeten sich hier auf den Walümannischen 
Spruchbrier von 1525, von dem die Führer eine Kopie 
entdeckt hallen, sowie aur eine 1532 in Kappel geschlos- 
sene Uebereinkunlt. Die Regierung wies aber diese For- 
derungen ab und verlangte von Hern militärische Hilfe, 
worauf sie am 5. Juli 1795 das Dorf Stäfa mit Truppen 
besetzen lies«. Seckelmeister Bodmer von Stäfa und Seckel- 
meister Fierz von Küsnacht, die als die eigentlichen Füh- 
rer der Opposition galten, wurden zum Tode verurteilt, 
dann aber zu langjähriger Zuchthausstrafe begnadigt, 
während 251 ihrer Oesinnungsgenossen mehr als 'V\0 000 
Franken Busse bezahlen und dazu noch die Kosten des 
Militäraufgebotes tragen mussten. 

Gegen hnde des 18. Jahrhunderts stand an der Spitze 
der Fürstabtei St. Gallen der milde Abt Beda, ein aufge- 
klärter und freisinniger Prälat, dessen Mässigung und 
klugem Auftreten es gelang, den auch hier zum Ausbruch 
reifen Aufstand zu verhindern. Dagegen musstesein Nach- 
folger, der im Jahr 1796 gewählte Abt Pankraz, der durch 
sein hochmütiges Wesen den Bürgerkrieg entfachte, nach 
Deutschland fliehen. 

Es war unvermeidlich, dass alle republikanischen 
Staatswesen der Eidgenossenschaft den Fehler büssen 
mussten, den sie damit begangen hatten, dass sie eine 
Untertanenklasse geschaffen, anstatt alle ihre Land- 
schaften der Vorteile der Freiheit teilhaftig werden zu 
lassen. Auf das Verlangen der Thalschaft Veltlin hin ent- 
sc bloss sich die Bündner Tagsatzung im Jahr 17113 Zur 
Gewährung von bestimmten Freiheiten. Die grossen Siege, 
die Bonapurle eben in Oberitalien erfochten halte, mach- 
ten die Leute des Veltlin kühner. Sie riefen die Vermitt- 
lung des ersten Konsul an. der von den rätischen Bünden 
forderte, ihren Untertanen im Veltlin die vollige politische 
Gleichberechtigung zu gewähren. Als diese Forderung 
abgewiesen wurde, vereinigte Bonaparte das Veltlin und 
die Grafschaften ßormio und Chiavenna mit der eben von 
ihm gegründeten Zisalpinischen Bepublik 1 1797 1. Beinahe 
hätten auch die ennetbirgischen Vogtcien des Tessin die- 
ses Schicksal geteilt, doch gelang es einer eidgenös- 
sischen Gesandtschaft, Bonaparte zur Nachgibigkeil zu 
stimmen und damit diejenigen Landschaften, welche heute 
den Kanton Tessin bilden, der Schweiz zu erhalten. 

Während dieser ganzen aufgeregten Epoche war es der 
Schweiz immer gelungen, ihre Neutralität zu wahren. 
Von 1 7'. 12 bis 1797 war in Basel eine ständige Garnison 
unterhalten worden, und als 1796 ein Teil der Armee des 
Generale* Moreau vom Erzherzog Karl aufSrhweizerboden 
herübergedrängt wurde, konnten diese Truppen entwaff- 
net, die Verwundeten verpflegt und die Leute wieder in 
ihre Heimat entlassen werden. Da die Neutralität der 
Schweiz einen grossen Abschnitt der franzosischen Gren- 
zen deckte, fand Frankreich natürlich »einen Vorteil 
darin, dieselbe zu respektieren. Der französische Gesandte 
Barthelemy verstand es durch sein Wohlwollen und sein 
vorsichtiges Auftreten, alle Grenzkonflikte zu vermeiden. 
Als er 1797. zum Mitglied des Direktoriums gewählt, die 
Schweiz verliess. hielt mit seinen Nachfolgern zugleich 
auch ein anderer Geist Einzug. Bonaparte's Tronbestei- 
gung gab nämlich der ganzen Sachlage eine andere Wen- 
dung. Der neue Herrscher war schon seitdem Herbst 
1797 im Prinzip entschlossen, unser Land militärisch zu 
besetzen, weshalb er denn auch sorgfältig darauf sah. 
dass die Schweiz in den Frieden von Campo Formio 
nicht miteingeschlossen wurde. Er sandte den durch 
seine Teilnahme an der Devolution Hollands bereits be- 
kannt gewordenen Mengaud als Geschäftsträger in die 
Schweiz und gab ihm den Auftrag, die Wege für einen 
Bruch zu ebnen, für welchen ein Vorwand sich ja leicht 
linden lassen sollte. 

Die helvetische Revolution. Die Waadtländer. die 
mit der 1536 erfolgten Eroberung ihres Landes zu L'nter- 



SCIIW 

I tanen Berns geworden, verband kein rechtliches Band 
mit der Eidgenossenschaft, weshalb sie bei Anlaaa von 
Verletzungen ihrer althergebrachten Freiheiten nicht an 
die eidgenössische Tagsatzung um Hilfe und Schutz Be- 
langen konnten. Nach den 1791 zu Tage getretenen Uo- 
abhängigkeitsbestrebungen hätte einiges Nachgeben den 
Patrioten gegenüber genügt, um den sich vorbereitenden 
Sturm zu beschwören. Da dies nicht geschehen, sahen 
sich die Gemässigten bald in den Hintergrund gedrängt 
und von den heftigsten und glühendsten Freiheilsfreunden 
überflügelt. Zu dieser Zeit war es, da Fredlric Cesar de 
Laharpe, der ehemalige Erzieher des Kaisers Alexander 
von Hussland, bei Bonaparte vorstellig wurde und ihn 
darum ersuchte, von Bern zu verlangen, dass es 1) die 
seinem Vetter, dem eben aur dem Schlachtfelde von Lodi 
gefallenen General Amedee de Laharpe, dessen Witwe 
und Kinder mittellos waren, konliszierten Güter wieder 
zurückstelle und 2) den verbannten Waadtlandern die 
Hückkehr in ihre Heimat gestalte. Bern ging auf eine 
hierauf bezügliche Anfrage der franzosischen Begierung 
insoweit ein, als es eine teilweise Amnestie, von der aber 
F. C. de Laharpe ausgeschlossen blieb, gewährte. Der 
derart von der Hückkehr in seine Heimat ausgeschlossene 
Waadtländer Patriot setzte nun alles daran, um die hel- 
vetische Bevolulion vorzubereiten und zu schüren. Zu- 
nächst unterbreitete er dem französischen Direktorium 
einen Plan zur Befreiung seines Vaterlandes. Am 9. De- 
zember 1797 übergaben (7 Waadtländer und Kreiburger 
Patrioten dem Direktorium eine von Laharpe verfasste 
Petition, in welcher sie sich zunächst auf die Erklärung 
der allgemeinen Menschenrechte beriefen, um sodann der 
Garantie zu gedenken, die Frankreich dem die Abtretung 

I des Waadtlandes betreffenden Vertrag von 1564 gewährt 
hatte. Nach Laharpe's Darstellung hätte dieser Vertrag 
bestimmt, dass die von den Bepubliken Bern und Frei - 
bürg eroberten Gemeinden von innen derart übernommen 
werden sollten, wie sie unter dem Herzog von Savoyen 
gewesen seien, d. h. mit Beibehaltung ihrer damals' zu 
Recht bestehenden « us, coutumes et droits » (Freiheiten 
und Vorrechte), was also auch die Aufrechterhaltung der 
Waadtländer Ständeversammlung bedinge. In Wirklich- 
keit hatte sich aber Frankreich zu keiner Zeit darum be- 
kümmert, ob der Herzog von Savoyen die den Bewohnern 
der Vogteien Chablais und Pays de Gex zugestandenen 
Vorrechte und Freiheiten tatsächlich respektiere oder 
nicht. Es war daher keineswegs berechtigt, sich auf die 
Bestimmungen eines Vertrages zu berufen, denen es 
selbst niemals nachgelebt hatte. Das Direktorium ergriff 
aber dennoch eifrigst den ihm von Laharpe an die Hand 
gegebenen Vorwand und nahm mit Dekret vom 28. De- 
zember 1797 die Waadtländer und Freiburger Patrioten 
unter seinen Schutz. Bis dahin war laharpe mit seinen 
Gesinnungsgenossen noch nichl vom Wege des Bechtes 

I abgewichen. Die gemässigte Richtung der Waadtländer 

j Patrioten verlangte noch keineswegs die Lnstrennung 
ihres Landes von Bern, sondern bloss die hinberufung 
der Ständeversammlung und die Abstellung gewisser 
Uebelstände. Der Geschichlschreiber Hottinger bemerkt. 

{ dass dem Direktorium jeder Vorwand zu einem militäri- 
schen Einschreiten gegen die Schweiz vorweggenommen 
worden wäre, wenn sich Bern grossmütlg genug gezeigt 
hätte, dem Waadtland die verlangten Freiheiten einzu- 
räumen, wenn Zürich sich dazu verstanden hätte, eine 
freisinnigere Verfassung zu gewähren, und wenn endlich 
die eidgenössischen Orte in ihrer Gesamtheit es übersieh 
gebracht hätten, die gerechtfertigten Wünsche der ge- 
meinsamen Untertanenländer zu erfüllen. 

Die helvetische Tagsatzung trat am 27. Dezember 1797 
zusammen. Schon war aber da« drohende Gewitter in der 
Schweiz selbst ausgebrochen, indem Basel am 18. Dezem- 
ber das Zeichen zur Umwälzung gegeben hatte. An 
diesem Tage wurde dem Grossen Rate auf Antreiben des 
Volkstribunen Ochs, eines Freundes von Laharpe, ein 
Vorschlag eingereicht, der auf die Verkündigung der 
Gleichberechtigung aller Bürger hinzielte. Die Basler 
Regierung war sich der Wichtigkeit des gebotenen An- 
lasses bewusst und berief am 5. Februar 1798 einen Ver- 
fassungsrat ein, der am 7. Februar den Leuten der 
Landschaft die nämlichen Rechte einräumte, wie sie die 
Stadtbürger bereits besassen. Damit war für Basel die 



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U't. ::». 



GEOGRAPHISCHES LEXIKON OER SCHWEIZ \ ,\. f *oa ..i.niAr AiH.ip-r. ünrnlaif. 




HELVETISCHE REPUBLIK 1798-1802 




EIDGENOSSENSCHAFT DER XIX KANTONE 1803-1815 



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THE NEW YORK 

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397 



ganze Frage durch eine friedliche Umwälzung und ohne 
Fremde Einmischung erledigt. Das weniger zur Nach- 
gibigkeit gestimmte Hemer Patriziat zeigte allen Hegehren 
gegenüber einen Starrsinn, dpr zu «einem Sturze führen 

sollte. 

iis man in Lausanne am 2. Januar 1798 den eben 
erwähnten Beschlusa des französischen Direktoriums ver- 
nahm, bildete sich unter dem Namen des «Comite' de Re- 
union» sofort ein revolutionärer Klub, der nach allen 
Seiten hin Koten aussandle und sich mit den Patrioten 
der übrigen Ortschaften der Waadt in Verbindung setzte, 
um auf dem Wege der Petition die Einberufung der 
Waadllander Ständeversammlung zu erwirken. Am 8. 
Kebruar beschloß der Hat der Zweihundert in Lausanne 
auf den von Maurice Glayre gestellten Antrag hin. diese 
Petition dem Herner Haie zu unterbreiten, worauf auch 
die übrigen Städte der Waadt diesem Heispiel folgten und 
•wmil die Hewegung vom ganzen Waadlland anerkannt 
und unterstützt war. I'ni die Petitionäre einzuschüch- 
tern, beachloss Hern, die Milizen und die Häte der Städte 
auf den 10. Januar zur Huldigung einzuberufen. Wäh 
rend Yevey, Gully. Muudon, Nyon. Au 
Orte sich zu huldigen weigerten, hielten 
sich in Lausanne selbst zahlreiche Hur 
ger vom Huldigungsakte fern. Am fol- 
genden Tag bemächtigten sich die Pa- 
trioten von Yevey des Schlosses t'.hillon. 
Ha die Autorität des Hute- von Hern 
nicht mehr anerkannt wurde, sorgten 
die Gemeindebehörden für Aufrechter- 
lialtung der öffentlichen Ordnung und 
Sicherheit. Hern wandte sich an die 
Tagsatzung, welche J. C Wyss und von 
Heding - von Hiberegg als eidgenossische 
Kommissäre nach Lausanne abordnete. 
Diese drangen in den Hat von Hern dass 
er die Ständeversammliing einberufen 
■olle, wovon Hern aber nichts hören 
wollte, sondern Truppen aufbot und das 
Waadtland unter dieMiliterdiktalur des 
Obersten von Weiss, Landvogtes von 
Moudon. stellte. Am 22. Januar verwei- 
gerte der Hat der Zweihundert zu Hern 
mit einer Mehrheit von zehn Stimmen 
die Einberufung der Stande, indem er 
zugleich die 1 nippen des deutschen 
Kantonsteiles einberief. Am nämlichen 
Tage hatte sich eine Abordnung der 
Waadtlander Städte nach dem Pays de 
Gex begeben, um sich der eventuellen 
Unterstützung von Seiten des Generale* 
Medard zu versichern. Am folgenden 
Abend, 23. Januar, kam eine aus Fernex 
datierte Proklamation diese* Generale* 
in Lausanne an, die den Waadtländern 
ankundete. dass ihm da* Direktorium 
den Auftrag erteilt habe, ihnen mit allen Mitteln zur Frei- 
heit zu verhelfen. Am nämlichen Tage war ferner noch 
eine aus Paris kommende Hroschüre angelangt, die den 
Titel Instruction pow l'A l t tn tbUe repräsentative lernani- 
</ue trug und vou F. C. de Laharpe und Vincent Per- 
donnet unterzeichnet war. 

Am 24. Januar erklarten sodann die Abgeordneten der 
Gemeinden die Unabhängigkeit des WaadUandes und be- 
stellten eine provisorische Regierung. Hie Mehrzahl der 
Herner Landvögte verlieasen hieraur das Land. Damit 
hatte sich die Devolution vollzogen, ohne daas ein Trop- 
fen Hlutes vergossen worden war. Einige Landesteile 
wie Aigle. die Ormonts, das Pays d'Enhaut. Grandson. 
Sainte Croix, Orbe und ein Teil des Gros de Vaud waren 
indessen Hern treu geblieben, das auf seinem Stand- 
punkt verharrte und sich anschickte, die Waadtlander 
mit Waffengewalt zur Unterwerfung zu zwingen. Unter- 
dessen ereignete sich der Zwischenfall von Thierrens, 
der den Franzosen den gesuchten Vorwand zum Ein- 
marsch lieferte. Am 25. Januar hatte nämlich General 
.Menard seinen Adjutanten Auticr als Unterhändler nach 
Yverdon gesandt. Wahrend dieser in der Nacht in einem 
Wagen unterwegs war. wurde seine Eskorte von der 
Sirherheitewache. die die Hewohner von Thierrens zu 



ihrem persönlichen Schutze aufgestellt hatten, an 
Anstatt aber auf das an sie gerichtete .. wer da'.' i zu ant- 
worten, zogen die französischen Husaren die Säbel, wo 
rauf sich ein Kampf entspann, in dem sie den Tod fanden. 
Obwohl die sofort eingeleitete Untersuchung dartat, dass 
die Hewohner von Thierrens in rechtmässiger Notwehr 
gehandelt halten, beharrte General Menard darauf, seine 
Husaren seien ermordet worden. Er hatte den Vorwand, 
den er schon lange gesucht, gefunden. So gab er denn 
am 27. Januar seinen Truppen ( 10 500 Mann l den Refehl 
zum Einmarsch ins Waadtland. Aber auch ohne den 
Zwischenfall von Thierrens stand dieser Einmarsch un 
mittelbar vor der Türe, da er. wie au* einem Rrief 
Menard s an den General Müller hervorgeht, bereite be- 
schlossene Sache gewesen war. Während sich die Affäre 
von Thierrens am 25. Januar, abends 10 Uhr ereignete, 
datiert der Rrief, der den Einmarsch der französischen 
Truppen auf den 28. Januar ankündigte, vom 26. Januar, 
zn welcher Zeit dem General Menard von jenem Ereignis 
noch keine Kunde zugekommen sein konnte. Da Me" 
nard* Truppen seil drei Monaten keinen Sold erhallen 
hatten, beeilte sich der General, von den Waadtländern 




Kampf im Grauholz zwischen Baruuru und hr»ui«»mj, j. Man IT!». 
iLaDdeibibliothek Bernl 



700UA) Fr. auf dem Wege eines Zwangsanleihen» zu ver- 
langen, fur welches er als Garantie die < französische 
Loyalität • gab. Ferner schrieb er die Lieferung von Brot. 
F'leisch, Wein, Rranntwein. Heu, Hafer etc.. sowie das 
Aufgebot von 5000 Mann Truppen vor. 

Die eigentliche Absicht des Direktoriums war, wie dies 
auch der franzosische Geschichtschreiber Martin zugibt, der 
Umsturz des aristokratischen Regimentes in den Schweizer 
Kantonen, um dadurch in den Besitz des Staateschatzes 
und der öffentlichen Kassen der einzelnen Orte zu kom- 
men. Marmont sagt in seinen Memoiren : Man gab vor. 
sich über die Schweizer zu beklagen zu haben. Nachdem 
die eidgenössischen Truppen im Kampf geworfen und zer- 
streut worden waren, erreichte man Bern, wo man sich 
des durch Sparsamkeit und in Voraussicht kommender 
Ereignisse angesammelten beträchtlichen Staatsschatzes 
bemächtigte. 

Trotz ihrem anspruchsvollen Auftreten, das einen ärger- 
lichen Eindruck machte, wurden die französischen Trup 
pen in Lausanne gut aufgenommen, weniger gut dagegen 
in Yverdon und Sainte Croix. Bei der Nachricht vom Ein- 
marsch der Franzosen in Lausanne zogen sich die Berner 
Milizen nach Gümmenen zurück und zeigte das Berner 
Patriziat ein verspätete* Entgegenkommen, indem es sei- 



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nen Lntertanenländern 52 Vertreter im Bäte der Zwei- 
hundert einräumte und zugleich am 3. Februar eine Ver- 




Ktuzug dar Kraotosen in Barn, Mira I7W. 
(Landcablbliolhek Bern). 



fassungsrevision beschloss. Andrerseits organisierte die 
proviaoriache SUndeversammlung der l.emaniachen Re- 
publik die Verwaltung dea l-andes, welche von den Ge- 
mässigten ru «Lande gebrachte Arbeit aber erfolglos war, 
indem dem Waadlland schon am IL Februar eine von Ocha 
ausgearbeitete, von Laharpe empfohlene und vom Direk- 
torium genehmigle Verfassung gegeben wurde, deren An- 
nahme durch die provisorische Standet crsammlung und 
deren (Genehmigung durch die Gemeinden nun sofort 
erfolgte. Die nämliche Verfasaung wurde auch von den 
I lasier ii adoptiert. 

Nun brachen sich die revolutionären Prinzipien rasch 
Bahn. Am 31. Januar beschloss der Grosse Hat von lauern 
die Abschaffung des aristokratischen Regimentes und die 
Zuziehung von Abgeordneten der Landschaft zur Aus- 
arbeitung einer auf dem Prinzip der Gleichheit beruhen- 
den Verfassung. Aehnliche Zugeständnisse machten auch 
ScIialDiaiisen und Zürich, während in den aargauischen 
und thurgauisehen Vogteien. dem Rheinthal, dem l'nler 
Wallis, tlen I ntertanenländcrn des Abtes von St. (lallen 
und den italienischen Vogteien der Aufruhr ausbrach. 
Rern bereitete sich \or, dem fremden Froherer tapfer zu 
widerstehen. Am I. Februar wurde Menard durch den Ge- 
neral Rrune ersetzt, der durch Anknüpfung von l'nterhand- 
lungen Zeit zu gewinnen suchte, weil er vorläufig noch 
keine Artillerie und Kavallerie hatte und auch nicht über 
eine genugende Zahl von Fusttruppen verfügte. So täuschte 
er Hern, indem er der Stadt glauben machte, er wolle 
ernsthaft mit ihr unterhandeln. Fr schloss einen Waf- 
fenstillstand ab und brachte zugleich Uneinigkeit unter 
die Berner Truppen, indem er innen vorgab, sie würden 
von ihren Führern verraten. Als dann Verstärkungen an- 
gelangt waren und das den Jura besetzt haltende Armee- 
korps des Generals Schauenburg sich mit seinen Truppen 
vereinigt hatte, änderte Brune die Taktik, indem er be- 
schloss. die Berner. die ihm bloss 18000 Mann entgegen- 
stellen konnten, anzugreifen. Trotzdem erden Befehl zum 
Angriff bereits erteilt hatte, war er pertid genug, die 
Unterhandlungen mit der Stadt fortzusetzen und in die 
Länge zu ziehen. Jetzt wurden die Berner zwischen zwei 
Feuer genommen. Am 1. März überschritt Schauenburg 
die Solothurner Grenze und am i. März besetzte er die 
Stadt Solothurn, während sich der General Pigeon zu- 
gleich der Stadt Freiburg bemächtigte. Am i. Mar/, dank- 
ten der Schultheiss Steiger und das aristokratische Begi- 
menl in Bern ab. das durch eine provisorische Begierung 



ersetzt wurde. Während der Tage des 4. und 5. Marz 1768 
leisteten die Berner Milizen unter der Führung von Karl 
Ludwig von Frlach. F. von Waltenwil 
und Ferd. von Roverea bei Neueneck. 
Launen. Frauhrunnen. im Grauholz und 
auf dem Breitfeld den anruckenden Fran- 
zosen heldenmütigen Widerstand, wur- 
den aber von der Leberzahl der Feinde 
erdrückt. Ihrer Niederlage folgte auf dem 
Kusse die Hinnahme von Bern. Nicht zu- 
frieden damit, dass aie den Staatsschatz 
erbeuteten, legten die Sieger noch den 
regimentsfähigen Geschlechtern über- 
triebene Kriegssteuern auf, verlangten 
die Stellung von Geissein und verwüs- 
teten und plünderten auch die Land- 
schaft. I'eber diese schweren Tage 
schreibt Bonstetten : « Ach, in Bern ' da 
wimmelt alles von Husaren, Soldaten 
und r'reiheitshäumen. Auf allen Strassen 
abscheulicher Kot. Ganze Detachement* 
Husaren sprengen durch die Arkaden. 
Pferde in den Haiisgangen ; Verzweiflung 
von allen Seiten. Der Schatz ist geplün- 
dert, eine Kirche wird als Stall und 
Kaserne gebraucht, viele Wohnhäuser 
vor der Stadt sind halb zerstört. Wein» 
fässer in Stücken. Betten zerhauen. Ich 
hatte neunundzwanzig Soldaten im 
Hause. Niedergeschlagenheit, Tränen 
neben dem GeplifT und Gesang der Hu- 
faren ; verlassene Kanonen auf den 
Strassen und Wiesen, auch Tote. Die 
Strassen unsicher, so dass man ohne 
Bewilligung sich nicht regen kann. • Man schätzt die 
Summen, die sich Brune und seine Helfershelfer ohne 
Wissen ihrer Regierung persönlich aneigneten, auf I' 1 , 
Millionen Franken, den dem Direktorium zugefallenen 
Teil des Staatsschatzes auf 13% Mill. Fr., sowie die den 
übrigen öffentlichen Kassen entnommenen Summen und 
die von den Patriziergeschlechtern erpresaten Steuern auf 
4'/« Mill. Fr. Dazu gesellten sich noch Nahrungsmittel 
und Kriegsmaterial im Werte von 10 Mill. Fr. Als Tro- 




Wegschatruiig- des iQrcherifcb.au Staatsm-halMt durch die 
Kramoseu, I Mai 1TJK. (Landesbibhulhak Bern). 

phtien führte Brune die Berner Bären und 16 aus dem 
Zeughaus entwendete Fahnen — keine einzige war von 
den Franzosen auf dem Schlachtfeld erbeutet worden — 



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S99 



mit sich nach Paris Diese Ausschreitungen und Ueber- 
grille riefen einer allgemeinen Misshilligung und sind 
auch selbst von einigen französischen 

Schriftstellern an den Pranger gestellt 
worden. 

Drr helvetisch»' Einheitttlnat. • In 
seinen Kall riss Kern, das Bollwerk der 
schweizerischen Aristokratie, auch die ganze 
übrige Schweiz. » Hrune ward zum Diktator 
der Schweiz und schuf l)eine rhodanische 
Kepublik mit den Kantonen l.cm.in. Sanne 
und Broye, Oberland. Wallis und Tessin . 

2) ein«' helvetische ltepuhlik mit dem gros- 
sem Teil der alten Eidgenossenschaft und 

3) die Bepublik des Tellgaues mit den Ur- 
kantonen. < Dieser Plan stand jedoch nur 
auf ilem Papier . von allen Seiten erhoben 
sich Proteste; leicht war ja der Hinterge- 
danke herauszulesen, dass durch die Tei- 
lung eine Einverleibung in Frankreich vor- 
bereitet werden konnte. • Am 28. März 
verlies» lirune, der mit seiner Division 
nach Italien versetzt worden war, Hern in 
einer dem alt-Schultheissen von Mahnen 
gehörenden Kalesche, worauf der Oberbe- 
fehl der franzosischen Truppen in der 
Schweiz an den General Schauenburg Ober- 
ging. Als Zivilkommissär stand neben ihm 
Lecarlier. dessen Sekretär Bapinat sich 
durch seine L'ebergritTe und Habgier einen 
hosen Namen gemacht hat. Die ersten Ver- 
fügungen des französischen Diktators schlös- 
sen alle Mitglieder der ehemaligen Hegierungen von den 
öffentlichen Aemlern aus. überhanden den Unterhalt der 
franzosischen Truppen dem Volk und untersagten jeg- 
liche Diskussionen über die projektierte helvetische Ver- 
fassung, die ohne alle Abänderung genehmigt werden 
sollte. Dieses unverschämte und alle früher gemachten 
Versprechungen einfach zu Schanden machende Vorgehen 
verletzte die Gefühle der Eidgenossen aufs tiefste und 
flo«ste ihnen einen grossen Widerwillen gegen das neue 
Kegimenl ein. 

So lagen die Verhältnisse, als die Abgeordneten am 12. 
April («US in Aarau zur Nationalversammlung zusammen- 
traten und die neue einheitliche Verfassung annahmen. 
An dieser Versammlung nahmen bloss die Abgeordneten 
der Kantone Bern, l.uzern, Basel, Schaphausen, Ober- 
land, Solothurn. Saane und Drove. Leman und Aargau 
teil. Der Name « Schweiz • wurde durch • Helvetien » und 
dar Ausdruck i Eidgenossenschaft» durch • Bepublik • er- 
setzt, indem man die «eine und unteilbare helvetische 
Hepublik iBcpuhlique helvetique une et indivisible)« schuf. 

Das Gebiet der alten Eidgenossenschaft wurde zer- 
stückelt und in Kantone oder Verwaltung«- und Wahl- 
bezirke eingeteilt. • Die Verfassung bestimmte ursprüng- 
lich deren zweiundzwanzig : die Kantone Wallis, Leman 
i Waadtl, Freiburg. Bern, Solothurn, Basel, Aargau, Lu- 
zern, Unterwalden, Uri, Bellinzona. Lugano, Bäticn (das 
/war vorderhand nur eingeladen wurde, der helvetischen 
Hepublik beizutreten), Sargana (mit Rheinthal, Sax. Garns. 
Werdenberg, Gaster. I /nach, Happerswil und March), 
Glarus, Appenzell, Thurgau, St. Gallen, Schaphausen. 
Zürich, Zug (mit Stadt und Grafschaft Baden und den 
freien Aemlern). Schwjz (mit Gersau. Einsiedeln und den 
Hofen). Durch die Abtrennung dea Oberlandes von Bern 
erhöhte sich die Zahl auf dreiundzwanzig Kantone. (Be- 
reits von der Schweiz abgetrennt und daher nicht zu der 
helvetischen Bepublik gehörig waren : die Bündner Unter- 
tanenlande, das Bistum Basel, Biel, Mulhausen, Genf; 
Neuenbürg stand in keiner Verbindung mehr mit Hel- 
vetien). Später fand i'nach l'nterwerfung der L'rkantone) 
eine Beduktion auf neunzehn Kantone atatt. Man sieht 
schon aus einer Anzahl llenennungen. wie sehr die ge- 
schichtliche Entwicklung mit Absicht verwischt wurde. 
Alle diese neuen Kantone behielten auch nicht einen 
Emilien der alten Souveränetal ; sie bildeten innerhalb 
des Ganzen nur das. was heute ein Bezirk innerhalb eines 
Kantons. Sie selbst teilten sich wieder in Distrikte. » An 
der Spitze des ganzen Landes standen ein Senat und eine 
Deputiertenkammer (Grosser Bat), deren Mitglieder von 



den Kantonen ernannt wurden, sowie ein aus fünf Mit- 
gliedern bestehendes Direktorium, dem vier Minister bei- 



IL V. * iil-A *, 



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Allgemeine Kulejleutuii? auf ilem 1. Indenhof In ZOrlrb. Hl. August 17W. 
(I.sndetbibliutbek Bern) 



gegeben waren, und endlich ein oberster Gerichtshof für 
ganz Helvetien. Jeder Kanton erhielt einen Statthalter 
oder Präfekten, eine VerwaltiinK*kammer von f> Mitglie- 
dern und ein Kantonsgericht von 13 Mitgliedern. Den 
einzelnen Distrikten war ein Unlerpräfekt vorgesetzt und 
ein Bezirksgericht beigegeben. Diese schematische und 
schablonenhafte Organisation unterlag noch während der 
kurzen Dauer der helvetischen Verfassung mehrfachen 
Abänderungen. Im Uebrigen enthielt die Verfassung meh- 
rere für die damalige Zeit noch verfrühte, aber nicht 
verdiensllose Grundbestimmuugen, die in anderer Form 
auch in die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 wie- 
der Eingang gefunden haben. Die ersten Wahlen brach- 
ten Männer an die Spitze des Staatswesens, die sich durch 
ihren massvollen Charakter empfahlen : die Direktoren 
Lukas Legrand. Maurice Glayre. Viktor Oberlin. Alfons 
Pfyffer und Ludwig Bay, die sich als Minister die Bürger 
Ludwig Üegos, Albrecht fiengger, Philipp Albrecht Stap- 
fer, Franz Bernhard Meyer von Schauensee. Hans Konrad 
Finsler und Bepond zugesellten. < Fast durchweg haben 
sich diese Minister*, die übrigens wie die Direktoren 
nicht lange im Amte blieben, «durch ihr wohltätiges 
Wirken ein bleibendes Verdienst erworben, weit mehr 
als die Direktoren. • 

Am 15. April 17(18 drang zwischen Mittag und ein Uhr 
unversehens eine 1600 Mann starke Truppenabteilung 
durch drei verschiedene Tore in Genf ein, welche Stadt 
nun wahrend 15 Jahren, d. h. bis zum Sturze Napoleons, 
französisch bleiben sollte. Da die l'rkantone L'ri, Schwyz 
und Unterwalden, sowie Glarus und Zug sieh an der Na- 
tionalversammlung in Aarau nicht beteiligt halten, ergriff 
General Schauenburg unverzüglich Massregeln, um sie 
zur Anerkennung der vom franzosischen Direktorium im 
Namen der Freiheit aufgedrungenen Verfassung zu zwin- 
gen. Am 21. April verlegte er sein Hauptquartier nach 
Luzern und am 28. April nach Zürich. Am 30. April er- 
litten die Glarner bei Wollerau und I. Mai bei Lachen 

eine Niederlage. Am 2. Mai erfochten die Schwyzer unter 
der Führung von Alois von Beding bei Botenturm und 
Sattel glänzende Erfolge über die Franzosen. Damit war 
die alteidgenössische Ehre gerettet, doch vermochten 
die Waldstalte den allzu ungleichen Kampf nicht mehr 
länger fortzusetzen. Um dem grausamen Totleskampf und 
den schrecklichen Ausschreitungen der französischen Sol- 
dateska ein Ende zu machen, schloss Beding einen Waf- 
fenstillstand ab. Am 4. Mai erklärte sodann die Lands- 
gemeinde zu Schwyz die Anerkennung und den Beitritt 
zur helvetischen Hepublik « Der Kapitulation von Schwyz 



400 



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Rchlussen sich Uri, Glarus, Zug und Unterwaiden an , 
Nidwaiden jedoch nur mit unwilliger Zögerung. Auch 




Schlacht von ZOru-h i25. September 1799' zwischen Runen, OeMorreicarrn 
und ]-'ramo»en. (I,ande»bibliulhek Bern). 

St. Gallen, Appenzell und Sargans wurden besetzt und 
ergaben sich. » Nun war noch das Wallis zu unterwerfen. 
Am 7. Mai zogen die Uber Walliser in Masse da* Hhone- 
thal hinab und verjagten die provisorische Regierung, die 
»ich in Sitten gebildet hatte, erlagen aber am 17. Mai bei 
I Tin den gegen sie aiisgesandten Truppen, worauf ihr 
Land entwalTnet. verwüstet und zur Erlegung einer Kriegs- 
steuer gezwungen wurde. 

4. Erhebung <ler W'altisliitte. Die helvetische Ver- 
fassung wurde in den meisten Kantonen ohne Schwierig- 
keiten beschworen. Wo diese Huldigung auf Opposition 
sliess, sandte Schauenburg Truppen hin. In den Wald- 
stetten, wo die Priester dem Volke vorstellten, die Reli- 
gion sei in Gefahr, waren zahlreiche Durger auf Wider- 
stand bedacht. Diese Partei der Unzufriedenen wurde 
stets mächtiger, da sich das helvetische Direktorium 
ausser stände sah. die Schweizerbürger gegen 'die Aus- 
schreilungen der französischen Soldateska wirksam zu 
schützen. Das von dem aufrührerischen Geiste benach- 
richtigte Direktorium traf militärische .Massregeln. In 
Nidwalden (raten am 18., 20., 22. und 24. August nach- 
einander vier Landsgemeinden zusammen, von deren 
nach Aarau gesandten Abgeordneten da» Direktorium die 
bedingungslose Unterwerfung Nidwalden» verlangte. Da 
weigerte sich dessen eine letzte Landsgemeinde. Um der 
Situation endlich Herr zu werden, sandte General 
Schauenburg zwölf Infanteriebataillone, zwei Schwadro- 
nen Husaren und eine Batterie gegen Nidwalden aus, 
mit welchen Truppen er auf zahlreichen Nachen über die 
Stanser Ducht des Vicrwaldstättersecs setzte. Aber die 
Nidwaldner liesson sich durch dieses gewaltige Truppen- 
aufgebot in ihrem Widersland nicht abschrecken. Am 
9. April eruflnele Schauenburg den allgemeinen AngrilT, 
der ihm nach hartnackiger Gegenwehr und blutigem 
Kampf den Sieg brachte. «Von allen Seiten wälzten sich 
die fremden Sieger wie ein Strom gegen Stans, das 
stundenlang beschossen und endlich genommen wurde . . . 
Die tapfern Kinwohner kämpften bis zum letzten Itluis- 
tropfen. Mit Knütteln. Aexteu und Sensen bewaffnet, 
stritten Weiber und Mädchen an des Gallen, au des Va- 
ters Hand. Die Wul der Franzosen kannte keine Grenzen. 
Sie erwürgten Frauen. Greise, Kinder in der Wiege ; 
scheusslich war die Schlächterei. Stans und die umlie- 
genden Dörfer wurden angezündet . Hauch und Flammen 
stiegen aus den Wohnungen empor. Als am Abend das 
Fechten ein Fnde nahm, glich Nidwalden einem Unge- 
heuern Grabe, aus welchem schwarzer Hauch emporstieg . . • 



Selbst Schauenburg bewunderte den Mut und die Wider- 
slandskraft der Gegner. « Ks war der heisseste Tag, den 
ich je gesehen ». schrieb er ans Direktorium ». 
Fr gab sofort Defehl, dass das Hauben und 
Plündern eingestellt und den Leuten das ge- 
raubte Vieh wieder herausgegeben werde. Um 
der ersten Not zu steuern, lies* er unter das 
Volk auch Lebensmittel verleilen. 

5. Die Schweit unter der helvetischen 
Verfassung. Nun hatten die Anhänger der 
Kinheit ihr Ziel erreicht. Das Direktorium war 
aber zu schwach, um durchgreifende Deformen 
an M.in. I zu nehmen, da die Ueberflutung mit 
fremden Truppen das Land hatte verarmen 
lassen Immerhin verdankt man den helveti- 
schen Behörden doch eine Heihe von nutzlichen 
Massregeln : es wurden die Gewerbefreiheil 
gewährt, die Folter. Zehnten und Grundzinse 
abgeschafft, gemischte Khen gestaltet etc. Mit 
dem Fintritt von Ochs und Laharpe in das Di- 
rektorium, die am IS. Juni 171W Hay und Pfyffer 
ersetzten, gewann die oberste hclvetlsclie Be- 
hörde allmahlig einen tyrannischen und an- 
spruchsvollen Charakter. Gegen Fnde I7S*K 
forderte Frankreich von der Schweiz das Auf- 
gebot einer Truppenmacht von 1HUU0 Mann. 

Im Jahr 171)0 brach der Krieg zwischen 
Frankreich und den alliierten Machten von 
neuem aus und wurde die Schweiz zum 
Tummelplatz der grossen fremden Armeen. Am 
4. .V Juni schlug der Frzherzog Karl vor den 
Mauern Zürichs die unter dem Oberbefehl von 
Massen« stehenden Franzosen. Doch sah sich 
der österreichische General infolge der Fifersucht seines 
Druders, des Kaisers Franz IL, und des russischen Hofe», 
sowie durch Intriguen aller Art gehemmt, ausser stände. 




Kampf iwiacbcn Ru-sen und Franzosen an(der ToufeUbrQcke, 

August 17W. (ZeicbuuugjVuo Evert van Muyden. — Landes- 

blbliolbek tteru). 

seinen Sieg auszunutzen, sodass er mit Mass^na einen 
zweimonatlichen Waffenstillstand abschliessen und die 
weitere Fuhrung des Feldzuges den russischen Oeneralen 



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SCIIVV 



401 



überlassen musste. Am 13. August begannen die Feind- 
seligkeiten von neuem, worauf Maasen» dem General Kor- 
sakolT am 25. September vor Zürich eine entscheidende 
Niederlage beibrachte. Seinen Sieg benutzte er dazu, den 
Städten Basel. Zürich und St. Gallen ungeheure Kriegs- 
steuern aufzuerlegen. 

Das Wallis versuchte noch einmal einen Aufstand, der 
aber von General Xaintrailles grausam unterdrückt wurde. 
Die Schweiz war erschöpft, so dass das französische 
Direktorium seine Truppen, die unser l^ind nicht 
mehr zu unterhalten vermochte, nach Italien sandte. 
Der Abzug der fremden Truppen und der Sturz de* Di- 
rektoriums in Frankreich am 18. Brumaire (9. Novem- 
ber 1799| brachte unser m Land das F.nde der Dik- 
tatur Lahnrpes. Am 7. Januar 1800 siegte die von Bona- 
parte unterstützte Partei der Gemässigten mit Holder. 
Savary, Glayre etc. über die Draufgänger, die sich selbst 
als die Patrioten bezeichneten, ob. Alle Ausnahmegesetze 
und -massrcgeln wurden widerrufen und der Geistlich- 
keit, die bisher der Armut preisgegeben war, wieder der 
Schutz und der Beistand der Behörden zu teil. Die Not- 
wendigkeit, neue Finanzquelleu zu eröffnen, führte zur 
Wiedereinführung der Abgaben und Gefälle, welche .Mass- 
regel den Patrioten einen willkommenen Vorwand zur 
Agitation gab und im Waadlland zum Aufstand der sog. 
Burla-papey (Papierverbrenner) führte. Die eidgenössi- 
schen Wahlen brachten der Iteihe nach die LlniUirier 
ilienggor, Slapfer. Kuhn) und die Föderalisten (Beding) 
ans Staatsruder. Als diese letztern am 19. April 180*2 durch 
einen Staatsstreich gestürzt wurden, erhoben sich die Ge- 
mässigten und verjagten unter der Anführung von Rudolf 
von Krlach die unitarische Begierung aus Bern, die sich 
nun nach Lausanne flüchtete und dann eiligst nach 
Savoven hinüber retten wollte. Da legte sich Bona- 
parte* ins Mittel, indem er plötzlich als Vermittler (Me- 
diateur) zwischen den hadernden Parteien auftrat. « Der 
Schritt des ersten Konsuls wirkte wie ein Blitz aus hei- 
terem Himmel: die Truppen zerstreuten sich, und die 
helvetische Begierung jubelte, ohne zu bedenken, dass 
diese ihre « Bettung » dem Raub der schweizerischen Selb- 
ständigkeit gleichkomme. • 

Ü. Die Sclnceit unter der Mediatiomakte. Auf den 
Ruf de« ersten Konsuls trat am 10. Dezember 1802 in 
Paris die sog. Helvetische Konsulla, eine Abordnung von 
einigen sechzig NoUbililäten, die vom Senat und den 
Kantonen delegiert worden und in der Mehrzahl Unilarier, 
d. h. Anhänger der Einheilsverfassung waren, zusammen. 
Nach zahlreichen Beratungen redigierte Bonaparte selbst 
den Text der unter dem Namen der Mediationsakte (oder 
Vermittlungsakte) bekannten neuen Verfassung, den er 
am 19. Februar 1803 den Delegierten der Konsulta über- 
gab, indem er zugleich Louis d Affry zum ersten Landam- 
mann der Schweiz ernannte und ihn beauftragte, diese 
neue Verfassung in der Schweiz in Kraft zu setzen. 

Trotz ihres fremden Ursprunges fand die Mediations- 
akte in der Schweiz eine gute Aufnahme. Sie erwies «ich 
als eine glückliche Vermittlung zwischen den Ideen des 
alten Regimentes und denen der Revolution und entschied 
sich für Keine der bestehenden politischen Parteien. Die 
Eidgenossenschaft erhielt wiederum den Namen tSchweiz» 
und bestand nun aus 19 Staaten, indem sich den 13 alten 
• Orlen» als neue Kantone Graubünden, St. Gallen, Aar- 
gau. Thurgau, Waadt und Tessin anschlössen. Eine aus 
19 Abgeordneten bestehende Tagsatzung, an der die sechs 
Kantone mit mehr als 100000 Einwohnern (Bern, Zürich, 
Waadt, St. Gallen, Aargau und Graubünden) doppelte 
Stimme hatten, vertrat die Nation. Der oberste Beamte 
des Landes, der den Titel des Landammannes der Schweiz 
rührte, die Tagsatzung präsidierte und die Eidgenossen- 
schaft in ihren Beziehungen nach Aussen vertrat, wurde 
der Reihe nach von sechs Kantonen gestellt, nämlich 
Freiburg, Bern, Solothum. Basel. Zürich und Luzern. 
Als Landammänner amtelen während dieser Zeit Ludwig 
von Aflry, Budolf von Wattenwil, Peter Glutz-Buchti. An- 
dreas Merian. Hans von Reinhard, Vinzenz Rüttitnann. 
Heinrich Grimm von Wartenfels und Peter Burckhardt 
(Affry, Wattenwil und Reinhard zweimal nach je sechs- 
jähriger Unterbrechung). Dem Landammann stand ein 
auf zwei Jahre gewählter und stets wieder wählbarer 
Kanzler zur Seite, welches Amt während langer Jahre. 



1808-1830, vom Juristen Mousson aus Morges, der gleich- 
sam die eidgenössischen Geschäfte in sich verkörperte, 
bekleidet wurde. 

Unter der Herrschaft der Mediationsakte erholte sich die 
Schweiz wieder allmahl ig von den heftigen Stössen, die 
sie so lange Zeit erschüttert hatten. Es war eine Zeit der 
Ruhe und des Fortschrittes, während welcher sich die Kan- 
tone im Innern zu festigen vermochten. Politisch war frei- 
lich die Schweiz zum Vasallenstaat Frankreichs geworden. 
Ihre Neutralität stand bloss auf dem Papier und hing vom 
guten Willen Frankreichs ab. Zehn Jahre lang entging 
sie einem Einmarsch fremder Truppen, musste dafür aber 
drückende Lasten tragen. Eine von Frankreich aufge- 
zwungene MiliUrkapitulation verpflichtete sie, vier stets 
vollzählige und freiwillig angeworbene Regimenter von 
je 4000 Mann zu stellen, welches Kontingent angesichts 
der damaligen kleinen Bevölkerungsziffer unseres Landes 
mit dessen Kraft in keinem Verhältnis stand. Um den 
Anforderungen der Rekrutierung genügen zu können, 
leerte man die Gefängnisse und wurden alle schlechten 
Elemente zwangsweise zum Militärdienst genresst. Das 
Jahr 1N04 zeichnet sich durch einen Aufstand der Zürcher 
Landschaft aus, der wegen des zu hohen Ansatzes der 
Loskaufssummen der Zehnten und Grundzinse ausbrach 
(Bockenkriegt. 1806 zwang der Krieg zwischen Frank- 
reich und den verbündeten Mächten die Schweiz, ihre 
Rheingrenze militärisch zu besetzen. Einer geplanten Re- 
organisation des Wehrwesens der Schweiz, widersetzte 
sich Na|K>leon, der sich 1806 von Preussen das strategisch 
wichtige Fürstentum Neuenburg, das er dem Marschall 
Berthier verlieh, abtreten liess. Das Wallis war gegen 
seinen eigenen Willen von der Schweiz abgetrennt und 
im Jahr 180*2 als besonderes Staatswesen konstituiert 
worden. Am 1*2. November 1810 kam eine vom Marschall 
Berthier befehligte Armee aus Italien über den Grossen 
St. Bernhard und hielt sich dann im Rhonethal auf. wo- 
rauf der Moniteur am 26, Dezember 1810 verkündete, dass 
das Wallis unter dem Namen des Departement du Sim- 
plon mit Frankreich vereinigt worden sei. Das folgende 
Jahr besetzte Napoleon trotz dem Widerspruch des Land- 
ammannes von Wattenwil auch den Kanton Tessin mit 
französischen Truppen. Im Jahr 181*2 willigte dann der 
Kaiser ein. die Zahl der Bataillone der Schweizerregi- 
menter auf drei herabzusetzen, was ungefähr der Stellung 
von insgesamt 1*2600 Mann gleichkam. 

Während der ganzen Begierungszeit Napoleons halten 
Handel, Industrie und Gewerbe der Schweiz unter den 
von Napoleon zum Schutze der franzosischen Interessen 
getroffenen Zollmassregeln viel zu leiden. Die Erzeugnisse 
der schweizerischen Handarbeit wurden bei der Ausfuhr 
nach Frankreich und Italien mit hohen Schutzzöllen be- 
legt. Da unser Land die für seine Industrie notwendigen 
Rohmaterialien aus dem Ausland nicht zu beziehen ver- 
mochte, sahen sich tausende von Arbeitern ohne Be- 
schäftigung. Frankreich zwang die Schweiz ferner zur 
Teilnahme an der Kontinentalsperre, so dass auch dem 
Handel unseres Landes seine Betätigung nach Aussen 
grosse Schwierigkeiten sich in den Weg stellten. Ganze 
Landstriche gingen ihres bisherigen Broterwerbes ver- 
lustig. Alle diese misslichen Umstände hätten unrettbar 
den finanziellen und wirtschaftlichen Ruin der Schweiz 
nach sich gezogen, wenn nicht Napoleons Sturz dem 
Gang der Ereignisse eine andere Wendung gegeben hätte. 

7. Kinmawh der Alliierten in die Srhieviz. — Auf- 
hebung der Medialionsakte. Nach dem in der Schlacht 
bei Leipzig (18. 19. Oktober 1813) erfochtenen Sieg, der 
der Vorherrschaft Frankreichs ein Ende machte, schickten 
sich die preussischen. russischen und österreichischen 
Armeen tum Rheinubergang an. Am 18. November er- 
klärte die Tagsatzung die Neutralität der Schweiz, bot 
1*2000 Mann auf, um die Rheingrenzc zu besetzen, und 
zog ihre Beteiligung an der Kontinentalsperre zurück. 
Napoleon anerkannte die Neutralität der Schwei/., die für 
ihn von grossem Wert war. Da schmiedete eine Anzahl 
Patrizier (das sog. Waldshuter Komite), an denen « der 
ganze Umschwung zur Neuzeit spurlos vorübergegangen 
zu sein» schien, ein Komplot. um mit Hilfe der Verbün- 
deten die alte Zeil wieder aufleben zu lassen. Sie wandten 
sich zu diesem Zwecke an Metternich. Die Höre von 
Oesterreich und Hussland waren aber nicht einig, indem 

214 - OEOGR. lex. v - 26 



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402 SC11W 

jener die Existenz der neugeschaffenen Kantone in Frage 
stellen lies«. Kaiser Alexander dagegen, auf Bitten von 
Laharpc hin. dieselbe verteidigte. Am I". Dezember stellte 
sich vor Itasei ein österreichischer Parlamentär ein, um 
den Platzkommandanlen von Herrenschwand zu einer 
Unterredung nach Lörrach einzuladen. Hier eröffnete 
dann am IU. Dezember der österreichische General Lan- 
genau dem schweizerischen Offizier, dass der Einmarsch 
in die Schweiz beschlossen sei und mit einein Heer von 
13t> 1100 Mann erfolgen werde, worauf dann Feldmarschall 
Bubna in der Nacht vom 20. ,21. tatsächlich in Hasel ein- 
zoj{. Her Durchzug des österreichischen Heere« » dauerte 
bis nach Mille Januar. Die einen nickten über Hasel und 
durchs Pruntrut, die andern über Solothurn und Neuen- 
bürg, wieder andere über St-haffhausen, Zürich. Hern und 
Neuenburg. Im ganzen hielten sie gute Mannszucht, wie- 
wohl einzelne Unordnungen nicht zu vermeiden waren. 
Schwer wurden namentlich die Kantone Hasel und Schaff- 
hauxen mitgenommen. Hasel wusste sich in seiner Not 
fast nicht zu helfen ; Mitte Januar waren beinahe alle 
Vorräte aufgezehrt, und die Regierung erliess einen drin- 
genden Hilferuf an die Tagsalzuiiir. Auf der (ranzen Rhein- 
linie von Schaffhausen bis Hasel herrschte grosser Man- 
gel. Die Einijuarlierungslasten wollten kein Ende nehmen, 
und Pferde und Zugvieh wurden beständig von den Frem- 
den gebraucht. Drei Monate lang dauerte die Verlegenheit 
und Not; dann kamen erst noch schlimme Nachwelten 
durch das sich verbreitende Lazaretlieber, welches in 
solchem Grade überhandnahm, dass in kurzem kein Arzt 
mehr dienstfähig war. » 

Die Kolgen dieses Durchzuges fnr das Verfassungsleben 
waren schwerwiegender Natur : Neuenbürg. Wallis und 
Genf wurden frei ; der Tessin kam wieder an die Eid- 
genossenschaft ; Hern. Solothurn, Freiburg und Luzern 
richteten das Patrizierivgiment wieder auf. Unter dem 
Einlluss des Waldshutcr Kumile und durch den von Met- 
ternich gesandten Freiherrn von SenlTt- Pilsach im ge- 
heimen ermuntert, arbeiteten die Herner Heaktionäre so- 
gar darauf hin. die Kantone Aargau und Waadt wieder 
unter Herns Oberhoheit zu bringen, vermochten diesen 
Plan aber nicht durchzusetzen. Da berief der Vorort Zü- 
rich unter dem Landammann von Reinhard eine ausser- 
ordentliche Tagsatzung ein. die am 27. Iiezember zu- 
sammentrat und am*2fl. Dezember 1813 die durch Napoleon 
gegebene Vermittlungsaktc für erloschen erklärte. Am 
gleichen Tag wurde ferner noch beschlossen, dass die 
Ausarbeilung einer neuen Verfassung so rasch als möglich 
an Hand genommen und auch die neugeschaffenen Kan- 
tone zur Mitwirkung zugelassen werden sollten. Ferner 
solle Ziirich vorläufig die Leitung der eidgenössischen 
Angelegenheilen beibehalten. Diesen Beschlüssen stimm- 
ten IT Kanlone bei, wahrend sich Hern und Grau- 
bünden ablehnend verhielten. Unteid essen hatte der 
Grosse Rat des Kantons Hern schon am 23. Dezember 
die Medialionsakte als nicht mehr zu Hecht bestehend 
erklart und seine Befugnisse in die Hand des Grossen 
und Kleinen Rates der Stadt als der rechtmässigen Be- 
hörden gelegt. Am 24. Dezember nahmen die Ileberleben- 
den des allen Patriziates von der Macht Besitz und Uten 
den Regierungen der Waadt und des Aargaues sofort zu 
wissen, dass sie Kassen. Zeughäuser. Hechnungen etc. den 
neuen Machthabern zur Verfügung zu stellen hatten. 
Zugleich luden sie ihre einstigen Untertanen ein. den 
Truppen der verbündeten Mächte gute Aufnahme zu ge- 
währen. 

Die aargauische und Waadtländer Regierung trafen 
daraufhin energische Massnahmen und überreichten der 
Tagsalzung einen in würdigem Tone gehaltenen Prolest 
gegen dieses Ansinnen. Der General Hubna. der im Auf- 
trage Metternichs am 26. Dezember nach I^ausannc ge- 
kommen war, überzeugte sich rasch von der Unmöglich- 
keit, die Herrschaft Berns wieder hcrzuslellen. Von hier 
wandte er sich dann mit seinen Truppen nach Genf, 
welche Stadt der Präfekt des Departementes Leman schon 
am 25. verlassen hatte, da er sich hier nicht mehr sicher 
fühlte. Es bildete sich mit Des Arts. Lullin. Saladin, 
Piclet und Micheli eine provisorische Regierung, die vom 
französischen General Jordy den Rückzug seiner Garnison 
von iäOO Mann forderte, was denn auch ohne Widerstand 
bewerkstelligt wurde. Als Bubna am 31. Dezember mit 



SCHW 

120110 Oesterreichein in Genf einzog, fand er die Tore 
der Stadt von den Genfer Milizen beseUt. 

Am 4. Januar 1814 wurde in Graubünden durch einen 
Staatsslreich die alle bündnerische Verfassung von 1792 
wieder hergestellt. Am 8. Februar fand in Solothurn, am 
14. Januar in Freiburg und am 23. Februar in Luzern 
unter dem Schutz der fremden Bajonette die Wiederauf- 
richtung des Palrizierregimentes statt. Die mit allen Mit- 
teln auf die Erreichung ihres Zweckes hinarbeitenden 
Berner Patrizier bemühten sich um den Beistand der 
Urkantone. welche ihrerseits mit dem Ansuchen um Ver- 
grösaerung ihres Gebietes an die Tagsatzung gelangten, 
was die Existenz des Kantons St. Gallen in trage stellte. 
Den neuen Kantonen standen aber als entschiedene und 
treue Verbündete Ziirich, Schaffhaus«n, Basel und Appen- 

I zell zur Seite. 

ft. Der Rundesverlrag von 1H1~). — Anerkennung der 
Seutralilät iler Srhtrei; durch den Wiener Kitngress. 
Die Tagsalzung beauftragte eine aus Reinhard, Beding 
und Heer bestehende Kommission mit der Ausarbeitung 
des neuen Rundesvertrages, der ihr am 4. Februar 1814 
vorgelegt wurde. Diese 26 Artikel umfassende Vorlage 
zielte eher auf ein blosses Bündnis der Kantone unter- 
einander als auf eine einheitliche Verfassung ab und über- 
ging alle die individuellen Hechte de« Bürgers, die die 
unitarische Verfassung festgehalten halte und auch die 
Mediationsakte noch zum Teil durchblicken Hess, voll- 
ständig mit Stillschweigen, [»er Widersland der aristo- 
kratischen Kantone Hess sie scheitern. Die Schweiz sah 
sich in zwei nahezu gleich starke l.ager geschieden, deren 
jedes seine besondere Tagsatzung hatte, von denen die 
eine unter Bürgermeister Hans von Reinhard in Zürich, 
die andere unter dem Schultheißen Ruttimann in Luzern 
ihre Sitzungen hielt. Gegen Ende März kam dann eine 
Annäherung zu stände und wurde dank den Remühungen 
der fremden Diplomaten in der Schweiz, des russischen 
Gesandlen Capodistria und des österreichischen Gesandten 
von Lehzellern. der Sonderbund der Urkantone nebst 
Solothurn, Freiburg und Luzern aufgelöst. Am 31. März 
verstand sich dann auch Rem. durch die Erklärung der 
Alliierten, odasssie nur der neunzehnurligen Eidgenossen- 
schaft ihre Anerkennung gewahren würden. » bewogen, 
dazu, die allgemeine eidgenössische Tagsatzung zu be- 
schicken. Am 6. April 1814 trat dann diese vereinigte 
neunzehnurtige Tagsalzung in Zürich zusammen. Am 16. 
April IKI4 verlangte Neuenburg seine Aufnahme in die 
Eidgenossenschaft, worauf am z. und 10. Mai auch Genf 
und Wallis das nämliche Gesuch stellten. Die Aufnahme 
dieser neuen Kantone wurde bis nach Annahme der aus- 
zuarbeitenden neuen Verfassung aufgeschoben . doch 
sandte man unterdessen ein Freiburger Bataillon nach 
Genf, das hier eine begeisterte Aufnahme fand. Am 10. 
Mai legte die Tagsalzungskommission einen neuen Ver- 
fassungsentwurf vor. der aber das nämliche Schicksal fand 
wie sein Vorgänger. Der Widerstand der reaktionären Kan- 
lone rief einer scharfen Note von Seiten der Ministerien 
Englands, Russland» und Oesterreichs (13. August). Die 
Mächte «bedauerten die Trennung und führten aus. 
dass dieser Zwiespalt die Eidgenossenschaft zu einer Null 
herabdrückc. Ob sie keinen besseren Gebrauch von ihrem 
Selbstbcstimmungsrechl machen könne.' Nein! So tief 
könne die Eidgenossenschaft nicht gesunken sein ' » Diese 
Mahnung tat ihre Wirkung, und «schon am 8. September 
stimmten alle Kantone, mit Ausnahme von Schwyz und 
Nidwaiden, dem veränderten Rundesverfassungsentwurf 
zu. Es folgte noch der BescMuss, Wallis, Neuenburg nnd 
Genf nach deren eigenem Begehren als Kantone in den 
Rund aufnehmen zu wollen, und dann zeigte man mit 
Befriedigung den fremden Mächten an, dass die Konsti- 
tuierung der Schweiz zur Vollendung gelangt sei. > Die 
neue Verfassung enthielt 15 Artikel und schränkte die 
Kompetenzen der Tagsatzung, sowie die Befugnisse der 
zentralen Gewalt erheblich ein. An Stelle eines einzigen 
« Vorortes* traten drei Kantonsregierungen (Zürich, Bern 
und Luzern). denen abwechselnd die Leitung der eid- 
genössischen Angelegenheiten überbunden werden sollten. 
Am 3. Oktober trat in Wien ein Kongress der Groas- 

] mächte zusammen, an den die Tagsatzung den Bürger- 
meister Beinhard von Zürich, den Staalsrat von Montenach 

I von Freiburg und den Burgermeister Wieland von Hasel 



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SCHVV 



SC1IW 



403 



abordnete, die den neuen Bundesvertrag vorlegen, dessen 
Genehmigung verlangen, die förmliche Anerkennung der 
Neutralität der Schweiz und die Bewilligung einer strate- 
gischen Grenze erbitten sollten. Neben den Bundesabge- 
ordneten schickten aber auch noch einzelne Kantone 
besondere Bevollmächtigte nach Wien, tum für ihre be- 
sonderen Interessen bei Fürsten und Diplomaten guten 
Willen zu machen.» So Hessen sich die Waadt, der Aar- 
gau, Tessin. St. Gallen und Thurgau durch F. C. de La- 
Fiarpe und Bengger, Bern, Uri und Zug durch den Bats- 
herrn Zeerleder, Genf durch Rietet de Rochemont und 
d'lvernois, sowie auch Graubünden, Biel, das Bistum Basel 
und die Thalschart Veit) in vertreten. Der Abt von St. 
Gallen begab sich zur Geltendmachung seiner Ansprüche 
ebenfalls pertonlich nach Wien, wahrend der h. Stuhl 
die Verteidigung seiner Interessen in der Schweiz einem 
besondern Nuntius übertrug. 

Dieser Mangel an Einigkeit musste der schweizerischen 
Sache mit Notwendigkeit zum Schaden gereichen. Die 
Besorgnis Genfs und Graubündens vor einer katholischen 
Majorität in ihrem Lande Hess die Versuche, das Velilin, 
Chablais und Faucigny der Schweiz anzugliedern, schei- 
tern. Auch die Grenzbereinigungen beschrankten sich 
nur auf untergeordnete Punkte. Andrerseits gewährleiste- 
ten die Machte die immerwährende Neutralität der 
Schweiz, in welche später auch noch die Landschaften 
Chablais und Faucigny mit einbezogen wurden. Ferner 
anerkannten die Machte den unverletzlichen Bestand 
der Eidgenossenschaft der 19 Kanlone. wie er durch 
die Uebereinkunft vom 29. Dezember 1813 festgestellt 
worden war. Wallis, Neuenburg und Genf bildeten dazu 
drei neue Kantone. Das Dappenthal wurde der Waadt 
zugesprochen. An Bern kamen die Sladt Biel und das 
Bistum Basel, dieses aber mit Ausnahme de« Bezirkes 
Arlesheim, den Basel erhielt. Die Gemeinde Le Ccrneux- 
Pequignot wurde dem Kauion Neuenburg (der zugleich 
preussisches Fürstentum blieb) zugeschlagen. « In betreff 
der Abrundung Genfs versprachen die Machte, sich dafür 
verwenden zu wollen, dass eine Gebietserweiterung gegen 
Savoyen hin möglich werde. • Die von Bern und Zürich 
in England angelegten Gelder wurden diesen beiden Kan- 
tonen wieder zur Verfügung gestellt. Dagegen sollten die 
neuen Kanlone Waadt, Aargau und St. Gallen den Kan- 
tonen Schwvz. l'nlerwalden. Glarus, Uri, Zug und Appen- 
zell 1. B. eine Summe von 500000 Fr. entrichten, Tessin 
dem Kanton Uri alljährlich die Hälfte des Zolles der Le- 
ventina vergüten, die Waadt den ehemaligen Berner 
Grundeigentumern im Kanton 31)0 00(1 Fr. bezahlen, sowie 
der Fürslabt von St. Gallen und der Fürstbischof von 
Basel eine jährliche Rente auf Lebenszeit von je 12000 Fr. 
erhalten. (20. März 1815). Am 27. Mai erklärte sodann 
die eidgenössische Tagsalzung die Annahme dieser Be- 
schlüsse de« Wiener Kongreeses. Die Savoyer Angelegen- 
heit war von diesem in einem vom 29. März datierten 
Nachtrag zu seinen Beschlüssen dadurch geregelt wor- 
den, dass man die nordsavoyischen Provinzen Faucigny 
und Chablais in die schweizerische Neutralität mitein- 
»chloss. « Alles Land nordlich der Linie von Ugine nach 
dem Süden des Sees von Annecy, dem See von Itourgct 
bis zur Rhone, sollte in der schweizerischen Neutralität 
derart inbegriffen sein, dass im Kriegsfall keine Macht be- 
waffnete Truppen dort halten oder durchziehen lassen 
sollte und die Eidgenossenschaft dasselbe nach Gutfinden 
besetzen dürfte. * 

Unterdessen war Napoleon von der Insel Elba unver- 
mutet wieder nach Paris zurückgekehrt. Am 15. März 
weigerte sich die Tagsatzung, dessen Gesandten zu emp- 
fangen, indem sie zugleich den in französischen Diensten 
stehenden Schweizer Regimentern den Befehl zur Heim- 
kehr zukommen lies«. Während des nun folgenden Feld- 
zuges gestaltete sich die Sachlage für die Schweiz sehr 
gefährlich. Um die Grenze zu decken, bot das Land eine 
Armee von 30000 Mann auf. die unter den Befehl des 
Generale« Bachmann gestellt wurde und den Jura besetzte. 
Ala nun der die Festung Hüningen kommandierende Ge- 
neral Barbanegre im Namen Napoleons, der indessen be- 
reits abgedankt hatte, noch die Stadt Basel brandschatzen 
wollte und sie zu beschiessen begann, wurde der Platz 
von einem aus Oesterrcichern und Schweizern besiehen- 
den Armeekorps belagert und am 25. August 1815 genom- 



men und geschleift. Am 7. August fand, nachdem Schwyz 
seinen Widerstand aufgegeben halle, in Zürich die feier- 
liche Beschwörung des neuen Bundes slatt. 

Die Fragen, die vom Wiener Kongress nicht erledigt 
worden waren, kamen dann auf dem in Pari» tagenden 
neuen Kongress zur Diskussion. Hier schlössen die Ver- 
bündeten mit Frankreich am 20. November 1815 den zwei- 
ten Parinerfrieden. Von den 700 Millionen Fr. Kriegs- 
entschädigung, die Frankreich an die Verbündeten be- 
zahlen muHSte, wurden drei Millionen der Schweiz zuge- 
sprochen. «Frankreich versprach ferner, Hüningen nie 
herzustellen und wenigstens auf eine Entfernung von drei 
Meilen von Basel keine anderen Befesligungswerke zu 
errichten ; es anerkannte den Einschluss Nordsavoyens in 
die schweizerische Neutralität und versprach, bei Sar- 
dinien sich zu gunsten von Abtretungen an Genf zu ver- 
wenden ». Im Vertrag von Turin tralen dann endlich Sar- 
dinien sechszehn links der Rhone und Frankreich sechs 
rechts der Rhone gelegene Gemeinden, die dem Kanton 
Genf angegliedert wurden, an die Eidgenossenschaft ab 
<U>. März 18Hi|. 

VI. KliWECKl Nl. IM) ZI XKIIMKNDK STAHKI N.. HKS N'A- 

i tionau.kH'iii .Ks. /. Dir Schweiz unter <leni liumlesvcr- 
j trag von ISfr, Der am 7. August 1815 in Kraft getre- 
tene liundesverlrag war weniger eine eigentliche Verfas- 
sung als vielmehr ein lockerer Rund, den die souveränen 
j Kantone der Eidgenossenschaft zum Schutz ihrer gemein - 
, samen Sicherheit unter sich geschlossen halten. Die Ge- 
J währleistung individueller Freiheilen, die die helvetische 
Eiuheilsverfassung ausgesprochen und die Mediationsakte 
zum Teil noch aufrecht erhallen halte, war vollständig 
mit Stillschweigen übergangen. Während heute auf 
Grund internationaler Vertrage jeder Franzose, Eng- 
länder, Italiener, Deutsche etc. sich in der Schweiz nie- 
derlassen darf und dasselbe Hecht auch jedem Schweizer 
in jedem der betreffenden fremden Staaten zusteht, war 
damals die Niederlassung eines Kantonsbürgers in einem 
der übrigen Kantone bloss geduldet. Auch die Schweiz 
musste sich dem reaktionären Winde, der zu jener Zeit 
durch ganz Europa blies und der politischen wie wirt- 
schaftlichen Kntfaltung unseres lindes wenig günstig 
war. beugen. Die bedauerlichen Lücken, die der Rundes- 
vertrag aufwies, wurden durch besondere Konkordate 
über tragen des Verwaltung«-, öffentlichen und Privat- 
rechtes, die einige der vorgeschrittensten Kantone unter 
sich abschlössen, einigermassen ausgefüllt. Wahrend 
dieser Epoche fanden verschiedene grosse Unternehmun- 
gen allgemeinerer Natur ihre Durchführung, wie der 
Bau der Strassen Lausanne - Echallens-Yverdon. Neuen- 
burg-Relsherg-tlasel. Olten-Haucnstein-Basel, Brunnen- 
Schwy/Z' Arth-Wohlenswil, Toggenbnrg- Rheinthal und die- 
jenige längs dem Südufer des Walensees. Diesen Ver- 
kehrswegen, die die Existenzbedingungen der Bewohner 
dts Mitteilendes besser gestalteten, schlössen sich die drei 
grossen Alpenstrassen über den Splügen (1818-1824), 
Bernhardin (1819-1823) und Gotthanl (1820-1830) an. Da 
die eidgenössischen Behörden sich nicht in der Lage 
sahen. Arbeiten von solchem Umfange selbst an Hand zu 
nehmen oder finanziell zu unterstützen, deckte man die 
Kosten mit Hilfe von Anleihen, die durch die kantonalen 
Zolle garantiert wurden. 

Der noch unter der Mediationsakte im Jahr 1807 be- 
gonnene Linthkanal war 1822 vollendet. Im Jahr 1816 
begann man mit den Vorarbeiten zur Trockenlegung des 
Seelandes und zur Korrektion von Rhein, Landquart. Aare 
und Sihl. 1823 und 1821 tauchten auf dem Genfer- und 
dem Bodensee die ersten Dampfschiffe auf, denen sich die 
Dampfschiffahrt auf dem Langen-, Zürich-, Neuenburger- 
und Vierwaldstältersee anschloss. 

Es standen damals zwei auf dem Wege des Konkor- 
dates geregelte Münzsvsteme in Kraft : dasjenige der nörd- 
lichen und östlichen "Kantone Sehaffhausen, St. Gallen, 
Appenzell und Thurgau. dessen Grundlage der in Süd- 
deutschland übliche Gulden bildete, und dasjenige der 
Kantone Aargau, Bern, Freiburg, Solothurn, Basel und 
Waadt mit dem (alten) Schweizerfranken zu zehn Batzen. 
Die zehn übrigen Kantone hatten jeder ihren besondern 
Münzfuss. Endgiltig geregelt wurde die Münzfrage erst im 
Jahre 1850. Auch das Postwesen. sowie Massund Gewicht 
waren zum Teil durch Konkordate vereinheitlicht, doch 



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404 



SCHW 



SCIIW 



nur in ganz ungenügender Weise. Kine traurige Be- 
rühmtheit haben die Jahre 1816 und 1817 durrh die 



Stellung eines Jagerbataillone» an den Konu- 
und Bei 





Vakuoit in Knrschacb das srstan Lastschiffes mit Lebeonmittela nach di r 
Huofrerxeil von 1*16-17. (Lsndasbibliothek Bcrm 



Hungersnot erlangt, die damals ganz /.entraleuropa heim- 
suchte, i m dem Elend zu steuern, mussten besondere 
Massnahmen getroffen werden. So kauften die Beverun- 
gen der Kantone Waadt, Freiburg, Basel, Gratibünden 
etc. mit HüTe von öffentlichen Subskriptionen beträcht- 
liche Mengen von Korn im Ausland au. welche Opera- 
tionen durch die Beihilfe einiger Grosskapitalislen er- 
leichtert wurde, indem z. B. Theodor Bivier dem Kanton 
Waadt die Summe von 300000 alten Franken (- 4Ö0000 
Kranken heutiger WiihrungJ lieh. Die schwierige Lage, 
in der sich die Schweiz befand, veranlassten lausende von 
Personen zur Auswanderung nach Amerika. In den Nach- 
barstaaten machten sich schutzzöllnerischc Anwandlungen 
geltend. Während das lombardisch-venetische Königreich, 
Piemont und Oesterreich ihre Zollansätze erhohlen, be- 
hielt auch das monarchische Begiment in Krankreich das 
von Napoleon eingeführte Prohibitivsystem bei. Ein Glück 
war es daher, dass sich das Grosaherzogtum Baden ent- 
gegenkommender zeigte und durch Aufhebung der Durch- 
i?angsgebühren den Erzeugnissen der schweizerischen 
industriellen und gewerblichen Tätigkeit eine Absatz- 
pforte öffnete. Da Frankreich auf seinem starren Pro- 
hibitivsystem behaiTte, schlössen sich Baiern. Württem- 
berg, Baden, Hessen und die Schweiz zum gemein- 
samen Vorgehen gegen den französischen Zolltarif zu- 
sammen. Am 22. August 1822 beschloss die Tagsalzung 
mit 13','j gegen H 1 ., Stimmen einen Kampftanf, der aber 
nur in den annehmenden Kantonen in Wirksamkeit 
trat, sodass sein Erfolg kein durchgreifender war. Aus 
dieser Sackgasse kam die Schweiz nur dank dem guten 
Willen Württembergs und Badens heraus, welche Staaten 
durch Vertrag von 18215 ihren Durchgangsverkehr nach 
NorddeuUchland, Holland. Bussland und Amerika er- 
leichterten, wofür sie ihrerseits Massnahmen zur Erleich- 
terung des Durchgangsverkehrs von Deutschland nach Ita- 
lien traf. Nach der Vollendung der Strasse über den 
Splügen begann Oesterreich, sich entgegenkommender 
tu zeigen, und auch Frankreich änderte nach dem Sturz 
der Bourbonen seine ablehnende Haltung 

Die kantonalen Zölle legten dem Binnenhandel der 
Schweiz selbst erhebliche Schwierigkeiten in den Weg. 
denen ein von 14 Kantonen im Jahr 1830 abgeschlossenes 
Konkordat teilweise abzuhelfen versuchte. 

Xlter Ueberlieferung getreu, beeilten sich die meisten 
Kantone, mit den fremden Staaten Militarkapitulationen 
einzugehen. So verpflichtete sich Neuenburg um 14. Juli 



1814 zur 

von Preusseti und Bern am ->'.\. September 1814 zur Stel- 
lung eines Regimentes von 200(1 Mann an 
ilie Niederlande. Auch Zürich. Graubunden, 
Schwyz. Appen/eil, Tessin, Unterwaiden. 
Solnthum und l.uzern unterzeichneten 1H16 
mit den Niederlanden Kapitulationen für 
drei Regimenter. Im selben Jahre schlössen 
17 Kantone mit Krankreich eine Kapitula- 
tion für die Rekrutierung von sechs Regi- 
mentern. Einzig Basel und Glarus beteilig- 
ten sich nicht an solchen Militärvertragen 
1825 und 1829 schlössen 10 Kantone Kapi- 
tulationen mit dem Königreich beider Si- 
zilien, und 1832 schuf der h. Stuhl zwei 
Kremdenregimenter. die zum grossem Teil 
aus Schweizern bestanden. Mit Berucksich 
tigung der altern, aber immer noch gil 
tigen Kapitulationen mit Spanien und Pie- 
mont, sowie der im Solde Englands ste- 
llenden Schweizer Soldaten, kann gesagt 
werden, dass zu einer gegebenen Zeit mehr 
als 30000 Schweizer unter fremden Kalmen 
«landen, wahrend die Bevölkerung de 
Schweiz sich damals auf bloss 1 7(10000 
Seelen, d. h. also diellalfte der heutigen 
Volkszahl belief. Diese Vertrage mit den 
fremden Mächten fanden sowohl in der 
Schweiz als im Auslände bald Widerspruch, 
sodass die Kapitulationen mit den Nieder- 
landen 1828, mit Frankreich 1830 und mit 
Neapel 18Ti9 nicht mehr erneuert wurden, 
bezw. erloschen. 

Laut dem Dundcsverlrag war nicht, wie 
heute, jeder Schweizerhürger zugleich auch wehrpflichtig, 
indem sich die Kantone blo« verpflichtet sahen, /um ge- 
meinsamen Bundesheer ein Kontingent im Verhältnis von 
2% ihrer Einwohnerzahl zustellen, was eine Gesamtstärke 
iles eidgenössischen Heeres von 3375K Mann ausmachte. 
Diesem ersten Aufgebot hatte die Tagsatzung von 1816 noch 
eine gleich starke Reserve angegliedert, so dass das eid- 
genossische Heer 67516 Mann mit 104 Kanonen und 3127 
Pferden zählte. Im Jahr IHIN schuf man einen eidgenös- 
sischen Generalstab, an dessen Spitze ein Generalmajor, 
ein Artillerieinspektor und ein Kriegskommissar standen, 
während ihm ausserdem noch 29 Obersten und Oberst- 
leutnants, sowie 24 Offiziere von geringerem Grad ange- 
horten. Die militärische Ausbildung lag in den Händen 
der Kantone. Die Bewaffnung der Infanterie und Kaval- 
lerie, sowie die Ausrüstung sämtlicher Milizen liel jedem 
einzelnen Mann zur Last, der hierin im Falle des Unver- 
mögens von seiner Gemeinde unterstützt wurde. In mehr 
als einem Kanton war aber allen denjenigen die Heirat 
verboten, die die ihnen gemachten Vorschüsse noch 
nicht zurückbezahlt hatten. Die Notwendigkeit, die Aus- 
bildung der Offiziere zu vereinheitlichen, führte die Tag- 
satzung 1819 zur Schaffung einer Zenlralmililarschule. 
die unter die Leitung des Obersten Goldlin von Tiefenau 
gestellt wurde, welchem G. H. Dufour und Sal. Hirtel 
als Instruktoren für die Genietruppen, bezw. die Artil- 
lerie zur Seite standen. In diese Zentralschule wurdeu 
300 i iniziere und 150 l'nlerofliziere einberufen. 1820 fand 
in Wohlen im Aargau ein eidgenössisches «l'ebungs- 
lager » statt, an dem sich iMNl Mann aus verschiedenen 
Kantonen beteiligten und das vom Obersten Giuguer de 
Prangins befehligt war. Seither folgten sich diese Trup- 
penzusammenzüge, die als Vorläufer unserer heuligen Ma- 
növer gelten können, alle zwei Jahre (Biere. Schwarzen- 
bach, Thun etc.). Da/u arbeitete man auch einheitliche 
Exerzierreglemente aus. 

Im Jahr 1821 legte Oberst llillour ileil Plan tu einei 

Befestigung der strategisch wichtigen Stellung von Saint 
Maurice vor. mit der aber erst 10 Jahre später Ernst ge- 
macht wurde. 1822 begann man mit den ersten Triangu 
lationsarbeiten. die der später nach General Dufour be- 
nannten eidgenössischen Karle als Grundlage dienten. 

Das Jahr 1831 bot der Schweiz Gelegenheit, die Fort- 
schritte, die sie in ihrer Mililärorganisalion gemacht, zu 
verwerten. Als sich nämlich damals im Mailändischen, 
in Piemont und in Frankreich Truppenbewegungen voll- 



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SCHW 

zogen, beschloss die Tagsatzung am 29. Dezember, alle 
kantonalen Kontingente auf Piket zu «teilen und in fünf 
Divisionen zu je vier Brigaden zu vereinigen. 

Ausserordentlich beschränkt waren die finanziellen Mit- 
tel der Eidgenossenschaft. Sie bestanden in Geldbeiträgen 
der Kantone, die sich im Jahr 1821 auf 61950 Fr. alter 
Währung beliefen und zur Deckung der Kosten für die 
Bnndeskanzlci und die eidgenössischen Gesandten an 
fremden Hofen bestimmt waren. Die eidgenössischen Mili- 
torauslagen bestritt eine besondere Kasse, der aus den 
von den Grenzkantonen bezogenen Einfuhrzöllen jahrlich 
900(10 alte Kranken zuflössen. Daneben bestanden noch 
eine Kriegskasse, eine Sparkasse und eine Inspektions- 
kasse, die mit der von Frankreich 1815 bezahlten Kriegs- 
entschädigung von 3 Millionen Franken geäufnet worden 
waren. 

Die oberste Staatsgewalt lag in den Händen der Tag- 
satzung, die eher einer Versammlung von mit Instruk- 
tionen ausgerüsteten Gesandten als einem Nationalpar- 
lament im modernen Sinne glich. Den Vorsitz führte der 
amtierende Bürgermeister oder Schultheis« des jewei- 
ligen Vorortes. Dieser Tagsatzung standen mehrere Be- 
fugnisse zu, die heute der obersten Exekutive zugewie- 
sen sind, wie z. B. die Ernennung der drei diplomati- 
schen Vertreter (in Paris, Wien und Mailand) und die 
Wahl der Offiziere des allgemeinen Armeestabes. Wenn 
die Tagsatzung nicht versammelt war. führte der Be- 
gierungsrat des jeweiligen Vorortkantone* die eidgenös- 
sischen Geschäfte, zu deren Erledigung ein Bundeskanz- 
ler, ein Staatssekretär, ein Staatsarchivar und ein eidge- 
nössischer Kriegssekretär bestellt waren. Es bestanden 
auch eine eidgenössische Militarkommission, der ein Teil 
der heute vom eidg. Mililärdepartcment besorgten (Je- 
schäfte zufiel, sowie verschiedene andere Kommissionen 
(wie z. B. eine Zollkommission). In Anl>etracht der ge- 
ringen Befugnisse der eidgenössischen Behörden sahen 
sich die Kantone veranlasst, eine Reihe von Fragen betr. 
Niederlassungsrecht. Glaubensänderungen, Heimatlose, 
Erbschaft«- und Vormundschaflsgebühren, zivil- und straf- 
rechtliche Untersuchungen und Urteile. Bankrott, Aus- 
weisungen, polizeiliche Beziehungen etc. auf dem Wege 
des Konkordates zu regeln. 

Die eidgenössische Zenlralgewalt, die alle zwei Jahre 
wechselte und von Zürich nach Bern, sowie von da nach 
Luzern »übersiedelte, ermangelt«* der strengen Konse- 
quenz und der wünschenswerten Stabilität und war leicht 
geneigt, fremden Einflüssen Gehör zu schenken. So wurde 
die Schweiz im Jahr 1817 dahin geführt, den Grundsätzen 
der zwischen dem Kaiser von Rnssland, dem Kaiser von 
Oeslerreich und dem König von Preussen geschlossenen 
«Heiligen Allianz», der in der Folge alle europäischen 
Staaten mit Ausnahme Englands, des Papstes und des 
Sultans sich anschlössen. beizustimmen. 

Es machte sich in Kuropa eine immer stärker anschwel- 
lende rückgängige Strömung bemerkbar, die einen stets 
wieder unterdrückten Kampf zwischen den Monarchen 
und ihren Untertanen heraufbeschwor. Als sich freisin- 
nige Elemente aus Deutschland und Italien in die Schweiz 
fluchteten, verlangten die auswärtigen Regierungen deren 
Ausweisung, sowie die Unterdrückung der freiheitlichen 
Auslassungen der schweizerischen Presse. Durch das 
* Conclusum » vom 14. Juli 18*23. dem alle Stände betge- 
stimmt hatten, lud die Tagsnt/nni; die kantonalen Re- 
gierungen ein. geeignete Massreyeln zu treffen, um die 
Schweiz vor den unangenehmen Folgen zu bewahren, die 
sich aus der den Fremden gewährten Gastfreundschaft 
und den I 'ehergriffen der Presse ergehen konnten. Die 
zur Erreichung dieses Zweckes dem jeweiligen Vorort 
eingeräumten Machtbefugnisse wurden bis 1827 alljährlich 
erneuert, in welchem Jahre sich eine .Majorila I von 12 
Kantonen für deren Abschaffung erklärte. 

Mit der Wiedererweckung des politischen Lebens voll- 
zog sich in der Schweiz, wie übrigens in ganz Europa, 
auch eine solche der religiösen Ideen. Die von Deutsch- 
land und England ausgegangene protestantische religiöse 
Bewegung pflanzte sich nach Krankreich und der Schweiz 
fort und wurde hauptsächlich gerordert durch die Pie- 
tisten und mährischen Brüder einerseits, sowie die Metho- 
disten und Baptisten andrerseits. Unter dem Kinfluaa 
dieser Sekten sahen sich die Landeskirchen veranlasst, 



SCHW 405 

ihre Organisation und selbst ihre Dogmen allmählig ab- 
zuändern. Die reformierte Geistlichkeit, die sich lange 
Zeit sozusagen als den Inhaber eines Monopole» betrachtet 
hatte, musste die Aufnahme von Laien in die kirchlichen 
Behörden zugeben. Von den die religiöse Erweckung be- 
sonders fordernden Männern seien genannt Ami Bost, 
Felix Naeff. Olivier. Merle d'Aubigne' und besonders Cesar 
Malan in Genf, sowie Ühavannes, Auguste Bochat und, 
später, Vinet im Kanton Waadt. Diese Männer, deren 
Eifer vor keinem Opfer zurückschreckte, gaben ihre amt- 
lichen Stellungen auf und begründeten dissidente Ge- 
meinschaften, aus denen sich später die freien (evan- 
gelischen) Kirchen entwickelten. Die Waadlländer und 
Genfer Begierung bemühte sich, die Bewegung durch Ver- 
ordnungen und Gesetze zu unterdrücken. Besonders be- 
kannt geworden ist in dieser Hinsicht das Waadtländer 
Gesetz vom Jahr 1834. das die Versammlungen der neu- 
gebildeten Sekte, der sog. * mömiers * (Frömmler), verbot. 
Aehn liehe Bewegungen machten sich auch in Bern und 
Neuenbürg geltend, während in der Ostschweiz (Zürich, 
Schallhausen. Thurgau, St. Gallen und Appenzell) eine 
ausserordentliche religiöse l'eherreizung um sich griff, 
die stellenweise zu wirklichem Irrsinn führte (Greuel- 
s/enen in Wildisbuch 1823i. 

Lebhafter Opposition begegnete die Wiederzulassung 
der Redemploristen in Freiburg 1818, der diejenige der 
Jesuiten auf dem Kusse folgte. Später wurden die Jesui- 
ten auch nach Solothurn, ins Wallis, nach Luzern und 
Sehwvz berufen. Gewisse Regierungen versuchten, die 
katholische Kirche ihres Kantones nach eigenem Gut- 
finden zu organisieren, was an verschiedenen Orten zu 
lebhaftem Kampf führte. Grosses Aufsehen erregten fer- 
ner namentlich auffallende Bekehrungen zum Katholizis- 
mus (Professor Karl L. von Haller in Bern und Pfarrer 
Hurter in Schaffhausen), die Frage der gemischten Ehen 
und die Umwandlung der Bistümer. 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts teilten sich acht Bis- 
tümer in die Leitung der katholischen Geistlichkeit der 
Schweiz, nämlich diejenigen von Konstanz, Chur, Basel, 
Ijuisanne. Annecv-Genf. Sitten. C.omo und Mailand. Am 
umfangreichsten war das Bistum Konstanz, dessen Sitz 
ausserhalb der Grenzen der Schweiz lag. Der Umstand, 
dass fremde Bischöfe über Schweizerbürger die geistliche 
Gerichtsbarkeit ausüben konnten, erwies sich als anor- 
mal, sodass die kantonalen Regierungen eine Umwand- 
lung der schweizerischen Ristnmsverfassung wünschten. 
Während sich der h. Stuhl zu einer Abänderung der 
Grenzen der Bistümer geneigt zeigte, ersehnten dieschwei- 
zerischen Katholiken den Abschluss eines Konkordates. 
Eine Einigung kam nicht zu stände. Bern verlangte die 
Beibehaltung des Bistums Basel (18171, Luzern dagegen 
den Vorzug. Sitz eines eigenen Bistums zu werden ; 1818 
wünschten auch Solothurn, Aargau und Thurgau die 
Kreierung eines neuen Bistums, während Sehwvz im sel- 
ben Jahre die Absicht äusserte, ein Bistum hinsiedeln 
zu schaffen, welchem Plan die übrigen Urkantone jedoch 
nicht beistimmten. Diese und ähnliche unerquicklichen 
Verhältnisse dauerten bis 1828. Der h. Stuhl sah sich 
ausser stände, die Regierungen zu befriedigen, die alle 
auch in kirchlichen Sachen die Oberhand haben wollten. 
Die langwierigen Unterhandlungen in dieser Angelegen- 
heit führten endlich dazu, dass Genf dem Bistum 
tausanne mit Sitz in Freiburg angegliedert (1819) 
und dann ein Doppelbislum St. Gallen-Chur (Kantone 
St. Gallen und Graubünden) geschaffen wurde, welches 
man aber schon liC<2 wieder auflöste, um als eigenes 
Gebilde das Bistum St. Gallen zu schaffen. Dieses tim- 
I fasst heute die Kantone St. Gallen und Appenzell. Das 
: reorganisierte Bistum Basel erhielt seinen Sitz in Solo- 
thurn und als Diozesangebiet die Kantone Basel und 
Solothurn, den Berner Jura, sowie die vom Bistum 
Konstanz abgelösten Kantone (Luzern. Zug. Aargau, 
Thurgau und Schaffhausen) zugesprochen (Konkordat 
von 1828). Der Ober Klsass war schon 1802 vom Bistum 
Basel abgetrennt worden. 

Die in den Jahren 1814 und 1815 an der staatlichen 
Organisation von Bund und Kanlonen vorgenommenen 
Abänderungen sollten im Verein mit der wirtschaftlichen 
Entwicklung, dem Beitritt zur ■ heiligen Allianz«, den 
Angriffen auf die personliche Kreiheit und den religiösen 



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-406 



SC1IW 



SOHW 



Zwisiigkeilen zum politischen Umschwung den Jahre« 
1830 fuhren. 

Verschiedene Gesellschaften vereinigten die fortschritt- 
lich gesinnten Manner «Her Parteien und Konfessionen in 
ihrem Schoss und trugen nicht wenig zur Entfallung der 
neuen Anschauungen bei, denen die moderne Schweiz 
ihre Entstehung verdankt. Solche Vereinigungen waren 
(und sind teilweise heute noch) die 1760 gegründete Hel- 
vetische Gesellschaft, die schweizerische (Gemeinnützige 
Gesellschaft, die schweizerische Gesellschaft für die ge- 
samten Naturwissenschaften (1815). sowie die eidgenössi- 
schen Verbände der Aerzte, Sänger, Turner. Künstler, 
Schützen etc. und die zahlreichen Tochtergesellschaften, 
die sich in der Folge daran anschlössen. 

Zur gleichen Zeit stärkte sich auch das schweizerische 
Nalionalgefühl durch die Errichtung von Denkmälern zur 
Verherrlichung von grossen Talen der Vorfahren. Der 
Freiheitskampf der Griechen fand in der Schweiz einen 
lebhaften Widerhall : überall bildeten sich Komitcs, die 
während Jahren freiwillige (Gaben im Betrag von hundert- 
Uuxenden von Franken sammelten. An erster Stelle dieser 
Bewegung standen J. G. Eynani in Genf und W. Haldi- 
mand in Lausanne. 

*.'. Hi'iolutitm rim /W, — .Sieg der ilrmokrntischen 
Staats form tn ri>rscltieilenen Kanlotien. aAllmählig er- 
wachten die Geister. Aus allen Teilen des Schweizer- 
landes kamen zu Ende der zwanziger Jahre Berichte, 
welche uns das Fortschreiten des Volksgeistes, das Drän- 
gen und Sehnen nach Umgestaltung der politischen Zu- 
stände schildern. Die Zeit wurde reif für eine Deform 
und bald für eine radikale Umwälzung. » Es entstand 
eine neue, liberale oder demokratische Partei, welche 
allmählig die Stelle der 1814 ans Ruder gekommenen 
Konservativen einnehmen sollte. Die neuen Bestrebungen 
erwirkten die weitere Ausgestaltung der persönlichen 
Freiheit, die Trennung der Gewalten in gesetzgebende, 
vollziehende und richterliche Behörden, sowie die aus 
dem Volkswillen sich ergebende StaaUsouveränelät. Ge- 
wissensrücksichten verhinderten die Liberalen, ihre An- 
sichten und Wünsche mit Waffengewalt durchzusetzen, 
so dass sie zwar in mehreren Kantonen die Oberhand ge- 
wannen, dagegen auf dem Felde der eidgenössischen Po- 
litik unterlagen. 

Die freisinnige Bewegung brach am 18. Juni 1827 zuerst 
in Appenzell I. B, aus. wo sich die Begierung nach lan- 
gem Zogern entschloss. die auf mehr als 300 Jahre zu- 
rückgehenden und niemals gedruckten Landesstatu- 
ten und -gesetze zu veröffentlichen. Am 29. April 1829 
kam eine Verfassung zu stände, die den Volksrechten aus- 
gedehnlere Rechnung trug. Da auch in Appen/eil A. B. 
noch Geselze in Kraft waren, die dem Geiste der Zeit 
längst nicht mehr entsprachen, wurde auf der Lands- 
Kemeinde von 1825» eine Verfassungsrevision verlangt, die 
1832 zum Ziele führte, ohne aber die Glaubensfreiheit 
und die Trennung der Gewalten mit sich zu bringen. 

Im Kanton Waadt brachte der General de Laharpe die 
Frage der Verfassungsrevision in Fluss. Es handelte sich 
hier in erster Linie darum, gegen den Nepotismus anzu- 
kämpfen, dessen sich die 1815 zur Macht gelangte Be- 
gierung befliess. Pidou war gestorben und der Eintluss 
von Monod durch Mürel untergraben. Dieser letztere 
hatte sich zu einem sehr hochmütigen, anmahnenden 
und gewalltätigen Politiker ausgewachsen, der seine 
Freunde aus dein Bürgerstand. mit denen er dreissig 
Jahre früher den l'mschwung vorbereitet und durchge- 
führt, zur Seile schob und sich aus dem Bauernstand 
eine aus den nämlichen Elementen bestehende, fügsame 
und geschlossene Majorität rekrutiert hatte, auf welche 
sich dann im Jahr 1845 auch Drucy und Ih-Iaragcaz wie- 
der stützten. Der Grosse Bai bestund zur Mehrzahl aus 
Beamten oder Angehörigen des Richlerstandes und zählte 
bloss 30 Mitglieder, d. Ii. ein Sechstel des gesamten Be- 
standes, die kein staatliches Amt innehalten. Die Op- 
position setzte sich zusammen aus dem systematisch von 
den Staatsangelegenheiten und -stellen ausgeschlossenen 
allen Adel und Patriziat, den Vertretern der Schule und 
Kirche, sowie endlich den Advokaten und dem aufgeklär- 
ten Burgerstand. Nacheinander wurden drei Revisions- 
begehren verworfen. Als aber die Opposition fortdauernd 
an Boden gewann, konnte diese Obstruktion nicht mehr 



wohl aufrecht erhalten werden, sodass der Grosse Bat am 
26. Mai 1830 einige Abänderungen am Wahlverfahren be- 
willigte, die dann von derTagsaUung am 12. Juli IX» ge- 
währleistet wurden. 

Auch im Tessin brach eine ähnliche Bcvisionsbcwegung 
aus. In diesem Kanton lag die Staatsgewall bei einer 
oligarch iischen Sippschaft, an deren Spitze sich der Land- 
ammann Quadri gestellt hatte. Am 20. Juni 1829 forderte 
der Altlandammann und Bauherr Maggi eine Revision 
der Wahlkreise. Das namentlich auch durch Stefano 
Franscini, den Obersten Luvini, den Advokaten Peri, den 
Arzt Lurati und den ehemaligen Landammann Lotli unter- 
stützte Bevisionsbegehren führte am 4. Juli 1830 zur An- 
nahme einer neuen Verfassung durch das Tessiner Volk. 
« Die Volksabstimmung über uie neue Verfassung — die 
erste rein kantonale in der Schweiz — ergab d*s glän- 
zende Besullat. dass von achtunddreissig Kreisversamm- 
lungen bloss eine verwarf. Festlichkeiten leiteten die 
neue Aera ein. So erlebte man das Ausserordentliche, 
dass von Süden her ein frischerer Luftzug kam. » 

Auf Begehren von Jakob Kopp und der Gebrüder Pfyffer 
wurde am 21'. Dezember 1829 auch in I.uzern eine teil- 
weise Verfassungsrevision durchgeführt, die die Trennung 
der Gewalten brachte, die Mitgliederzahl des Kleinen 
Rates einschränkte und ein Appellationsgericht schuf. 
Die Zustimmung der Tagsatzung zu diesen Abänderungen 
erfolgte am 22. Juli 1830. 

Zu dieser Zeit brach in Frankreich die Julirevolution 
aus, die ganz Europa erschütterte und auch in der 
Schweiz zur Aufrüttelung der Gemüter vieles beitrug, 
indem sie zugleich die Abschaffung der reaktionären Ein- 
richtungen von 1815 erleichterte. Sofort machte sich die 
revisionistische Bewegung im Aargau geltend, wo in Woh- 
lensw il am 7. November 1830 eine Versammlung von 3000 
bis 4000 Bürgern stattfand, die eine von Dr. Tauner redi- 
giert«! Petition für Revision der Verfassung kräftig unter- 
stützten. Die Bewohner des Freiamtes griffen zu den 
Wallen und marschierten gegen Aarau, worauf die Re- 
gierung sich zur Einberufung eines Verfassungsrates be- 
quemte, dessen Arbeit am 16. April 1831 vom Volk ge- 
nehmigt wurde. Die neue Verfassung proklamierte u. a. 
das System der konfessionellen Parität. 

Im Thurgau lag das Regiment in den Binden einer 
Koterie. Deren Häuptern, den Landammännern Anderwert 
und Morell, warr man namentlich die ungleiche Berück- 
sichtigung der verschiedenen Volksklassen bei der Be- 
setzung der öffentlichen Aemter, die herrschende Zensur 
und den Mangel an Volksrechten vor. Es bildete sich eine 
fortschrittlich gesinnte Oppositionspartei mit dem Dichter 
Thomas Kornhauser und dem Arzt Dr. Wilhelm Merk als 
Führern, die am 26. April 1831 die Einführung einer 
neuen Verfassung durchsetzte. 

Im Kanlon Zürich bemühten sich hervorragende Män- 
ner, wie Paul Usteri, Mever von Knonau. Melchior Hirzel. 
Ludwig Keller, David Ulrich, J. J. Hess u. A., die Ver- 
fassung ihres oltgarchischen Charakters zu entkleiden. 

1829 setzten sie die Anerkennung der Pressfreiheit und 

1830 die Erteilung des Rechtes der Initiative an den Gros- 
Ben Bat durch. Die Liberalen der Landschaft stellten ein 
weiter gehendes Revisionsprogramm auf und luden das 
Volk ein, die politische Gleichstellung zu fordern. Am 
13. Oktober 1830 wurde in Uster eine « massvolle Reform 
von oben herab« gewünscht. Um den drohenden Sturm 
zu beschwören, machte der Kleine Rat am 24. Oktober 
dem Grossen Rat einen Revisions Vorschlag, der jedoch 
als ungenügend befunden wurde. Die Liberalen vom 
Lande arbeiteten unter der Mitwirkung von Ludwig Snell, 
eines staatsmännisch gebildeten deutschen Flüchtlings, 
da» unter dem Namen des • Memoriales von Küsnacht » 
bekannte Revisionsprogramm aus, das folgende Forde- 
rungen stellte : Voltssouveränetit. Rechtsgleichheit, di- 
rekte Volkswahlen, Abschaffung des Zensus, Trennung der 
(lewalten, Oellenllichkeit der Verwaltung und Petitions- 
recht. Eine von etwa 12000 Manu besuchte allgemeine 
Volksversammlung in l'ster stimmte am 22. November 
nach mehreren würdigen Ansprachen den im Memorial 
von Küsnacht aufgestellten (Gesichtspunkten bei. Als 
sich dann noch die Liberalen aus der Stadt denen der 
Landschaft anschlössen, nahmen am 10. März 1831 der 
Grosse Rat und am 20. April auch das zürcherische Volk 



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407 



eine neue Verfassung an. die die eben erwähnten Prin- 
zipien zur vollendeten Tatsache erhob. « Der zürcherische 
Volkatag von l'ster hat mächtig auf die 
übrigen Gaue unsere« Vaterlandes ein- 
gewirkt. Ein Zeitgenosse (der St. Galler 
Baumgartner) sagt: Der Eindruck »ar 
unermesslich durch die Schweiz, einer 
gewonnenen Schlacht gleich, doch ohne 
Verderben und Trümmer zu hinter- 
lassen. • 

In St. Gallen stritten die Kadikaien 
für das Repräsentativsystem, wahrend 
die Katholiken, hinter denen die Masse 
des Volkes «Und, eine reine Demokratie 
vorzogen. Der Anstoss zur ReviBionsbe- 
wegunv ging hier vom Begierungsse- 
kretär Baumgartner aus. der am 44. Ok- 
tober 1830 unter dem Titel Wüntche und 
Anträgt etneM St. Gallischen liitrger* 
für Verteuerung der Staatteinrichtung 
itietet Kantorn in tiebenundvirrzig 
Punkten eine besondere Schrift ins Volk 
warf. Der alte Müller - Friedberg, der 
Gründer des Kantons, der seit mehr als 
HO Jahren an der Spitze der Regierung 
stand, sah sich von der mächtig einset- 
zenden Volksbewegung überflutet und 
zog sich ins Privatleben zurück, worauf 
das Volk am 7. April 1831 eine neue 
Verfassung annahm, die das Prinzip der 
Volkssouveränetät sanktionierte und das 
fakultative Beferendum einführte. 

Nach einer atn 22. Dezember 1S30 in Baisthal abge- 
haltenen Volksversammlung verlangten die Solothorner 
die Einberufung eines Verfassungsrates. Der Grosse Bat 
widersetzte sich aber seiner Auflosung und revidierte von 
sich aus die Verfassung in demokratischem Sinne, indem 
er den Zensus abschaffte, die Zünfte als politische Körper- 
schaften auflöste, die Üeffentl ich keil der Verwaltung be- 
willigte elc. Das Volk nahm darauf die neue Verfassung 
am 13. Januar 1x31 an. 

Die eben geschilderten Ereignisse in verschiedenen 
Kantonen halten zur Folge, dass auch in Snrsee am 21. 
November eine Volksversammlung tagte, worauf der Kan- 
ton Luzern seine Verfassung in demokratischem Sinne 
neu revidierte. In der nun am '22. März 1831 ans Buder 
gekommenen Regierung hatten die Liberalen | Schultheiss 
Amryhn, Ed. Pfyffer etc.) die Majorität. 

In Freiburg hielt sich das jeder Neuerung feindlich 
gesinnte Patriziat für stark genug, seine Vorrechte auf- 
recht erhalten zu können. Nachdem sich aber in Murlen, 
Chätel Saint Denis, Bulle. Bue, Greierz und Romont 
Herde der Opposition gebildet, marschierte dns Volk am 
2. Dezember 1830 gegen die Hauptstadt. « Das Rathaus 
war aussen besetzt, und heimlich auch im Innern ; das 
Volk jedoch war unbewehrt. Nach zwei bis drei Stunden 
ging das Gerücht, dass die Mehrheit im Rat der Revision 
nicht günstig sei und dass man das Volk mit Gewalt weg- 
zutreiben beabsichtige. Es entstand eine dumpfe Gährung, 
dann lautes Murren und stärkerer Andrang gegen das 
Bathaus. Plötzlich soll der Kommandoruf zum Feuern er- 
gangen sein. Grenzenlos war das Entsetzen und Toben 
im Volke, und ein einziger Schuss hätte schreckliche 
Szenen veranlasst. Da stürzte der zweite Schultheiss, von 
Diesbar!), schnell die Treppe hinunter, verbot den Ge- 
brauch der Waffen, warf sich vor den Haufen und mahnte 
zur Buhe, Dies wirkte wie ein Wunder ; der Sturm legte 
sich ». Am 7. Dezember entschloss sich dann der Grosse 
Bat zum Entgegenkommen und genehmigte die Einbe- 
rufung eines Verfassungsrates, der am 27. Januar 1831 
seine Arbeit abschloss. Die neue Verfassung gab dem 
Volke die Rechtsgleichheit, Pressfreiheit und Oelfentlich- 
keit der Verwaltung. 

Durch seine Verfassung vom 20. Juni 1831 vervoll- 
ständigte der Kanton Waadt das von ihm im Jahr 1830 
begonnene Werk. Es wurden darin das allgemeine Slimm- 
und Wahlrecht, die Pressfreiheit, die Trennung der Ge- 
walten und gewisse Inkompatibilitäten durchgeführt. 

Im Dezember 1830 brach die Bewegung auch auf der 
Schaflhauser Landschaft aus. Grosser und Kleiner Bat 



legten am 27. Januar 1831 ihre Mandate nieder, worauf 
sich ein Verfassungsrat bildete, dessen Arbeit jedoch durch 




Allgemeine Volksversammlung in t'slar, ü. November 1830. 
(L*o<ie*bibliMthek Bern|. 

Aufstände, welche eidgenössische Intervention nötig mach- 
ten, beeinträchtigt wurden. Mit Mühe stellten der Bürger- 
meister von Muralt aus Zürich und der Zuger Landatn- 
msnn Sidler den Frieden wieder her, worauf das Volk 
endlich am 2. Juni 1831 die ihm vorgelegte neue Ver- 
fassung genehmigte. 

Wie in Freiburg suchte auch in Bern, wo der Schult- 
heiss Fischerden Kampf energisch verfocht, das Patriziat, 
dem drohenden Sturm die Spitze zu bieten. < Mittelpunkt 
der Reformbewegungen wurde das Städtchen Burgdorf, 
besonders durch die Bestrebungen der drei Gebrüder 
Schnell ■ Am 6. Dezember 1830 traf der Grosse Bat einige 
Massnahmen zur wirtschaftlichen Hebung der l-andschall, 
während er zu gleicher Zeit unter dem Befehl des Ober- 
sten von Effingcr Truppen zum Schutz der Hauptstadt auf- 
bot und die Bürgergarde durch Bekrutierung von aus 
Frankreich heimgekehrten Soldnern verstärkte. Doch 
machte die Anwesenheit dieser «roten Soldaten«, wie 
man die Söldner nannte, auf das Volk einen sehr schlech- 
ten Eindruck. Volksversammlungen in Interlaken, in 
(ilütsch bei Thun, in Biel und in Pruntrut beschlossen 
den Erlass von Adressen an die Regierung. Diese dankte 
nach der grossen Volksversammlung zu Münsingen (10. 
Januar 1831 1 ab, indem ihre Mitglieder zwar erklärten, 
dem neuen Verfassungsrat nicht angehören zu wollen, 
das Volk aber vom Treueid entbanden und die Bürger 
gleichzeitig einluden, sich im Interesse der Aufrecht- 
erhaltung von Ruhe und Ordnung dem neuen Regiment 
zu filmen. Sn endete «las Berner Patriziat, das de* RefmbUh 
Bern während mehreren Jahrhunderten einen grossen 
Glanz verliehen hatte, nicht unrühmlich und mit einer 
gewissen antiken Grösse. 

Die am 31. Juli 1831 in Kraft getretene neue Verfassung 
des Kantons Bern behielt den Zensus bei und prokla- 
mierte das Prinzip der Trennung der Gewalten, die 
Rechtsgleichheit, die Gewissens- und Glaubensfreiheit, 
die Gewerbefreiheit und das Petitionsrecht. Drei Mit- 
glieder der alten Begierung (von Tscharner, von Lerber 
und Bürki) wurden am 14. November in die neue Exe- 
kutive gewählt, der ausser ihnen noch Karl Neuhaus, von 
Tillier, von Jenner u. A. angehörten. Die neue Begierung 
forderte von den Staatsangeslellten. der Geistlichkeit und 
den Offizieren einen Lid. Während sich die Geistlichkeit 
nach einigem Sträuben dazu verstand, diesen Eid zu 
leisten, nahmen die Offiziere zum grössten Teil den Ab- 
schied und weigerten sich auch mehrere Patrizier, das 
ihnen zugefallene Mandat als Grossrat anzunehmen, was 
als ein grosser Fehler bezeichnet werden muss. 
Die Berner l'mwälzung führte im Jahr 1832 noch zu 



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408 



SCIIW 



SC UVV 



einem Aufsehen erregenden Prozess. indem der Schult- 
heis« Fischer und einige andere Angehörige de» Patri- 
ziates einer Verschwörung gegen da* neue Regiment an- 
geklagt wurden. Nachdem die Angeklagten, die ihre Un- 
schuld nachzuweisen vermochten, freigelassen worden 
waren, der Grosse Hat aber einen Antrag auf Amnestie 
verworfen hatte, endigte der Prozess 1839 damit, dass 
Schultheis» Fischer und sein Schwiegervater < Iberst von 
Tscharner zu je zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurden, 
welche Strafe sie im Schlots Thorherg erstanden. Fischer 
verlor aber dadurch die Achtung seiner Mitbürger nicht, 
indem ihn diese im Jahr 1850 neuerdings zum Mitgliede 
des Grossen Rates wählten. 

Im Zeilraum von IW&lf Monaten waren zwoir Kantone, 
d.h. die Mehrzahl dercidgenöasischen Stände mit zwei Krit- 
teln der Bevölkerungsziffer der Schweiz zur Revision ihrer 
Verfassungen geschritten. Die in allen diesen Kantonen 
einander mehr oder weniger ähnlichen neuen Staats- 
einrichtungen hatten folgende Prinzipien zur Grundlage : 
Trennung der Gewalten. Verminderung oder vollständige 
Aufhebung der Vorrechte der Kanlonshauplorle, Oeffent- 
lichkeit der Verwaltung. Pressfreiheit. Petitionsrecht, 
allgemeines Stimm- und Wahlrecht. I'ebertragung des 
Rechtes der Initiative an die (Brossen Räte, Gewähr- 
leistung gewisser individueller Rechte. Diese Kntwiek- 
lung des schweizerischen Staalsgedankens bedeutete den 
Zusammenbruch des Werkes \on Metternich und eine 
teilweise Rückkehr zu den Anschauungen \on IM« KJ und 
von 17'». Wahrend der ganzen Zeit der Verfassungskrisen 
halte der Vorort keinerlei Rolle zu spielen vermocht, 
indem er sich darauf beschränkt balle, eidgenössische 
Kommissäre in den zeitweise in Aufruhr stehenden Kan- 
ton Schaffhausen zu entsenden. 

Die Kantone, die ihre Verfassung geändert, gelangten 
mit dem Ansuchen an die TagsaLzung, sie mochte die 
neuen Verfassungen gewährleisten. Als aber die Irkan- 
tone, sowie Basel und .Neuenburg sich weigerten, den 
neuen Zustand anzuerkennen, bildete sich am 17. März 
1832 in l.uzern unter dem Vorsitz von Eduard Pfyffei ein 
Siebnerkonkordat iZürich. Luzern, Bern. Sololhurn, St. 
Gallen, Aargau undThurgaui zur gegenseitigen Wahrung 
der gemeinsamen Interessen und zu einer Revision lies 
eidgenössischen Rundesverlrages. Dem setzten die Ur- 
kantone samt Basel und Neuenbürg am 14. November 
1832 unter dem Vorsitz des Landammannes Spichig den 
sog. Sarnerbund entgegen, der «ich einer Revision des 
liundesvertrages widersetzen sollte. «So war die Trennung 
in zwei Eidgenossenschaften vollzogen ». 

3. Vnruhim in Seuenhurg, Hast'l um! Sehtet/:. Auch 
im Kanton und Fürstentum Neuenburg machte sich das 
Bedürfnis zu politischen Reformen geltend. Die Frei- 
sinnigen, die sich damals noch in der Minderheit sahen, 
strebten nach der Umformung des lindes zu einer Repu- 
blik, während die royalistischc Majorität, die die Not- 
wendigkeit gewisser Beformen nicht unbedingt ablehnte, 
dem monarchischen System treu bleiben wollte. Im Ja- 
nuar 1831 kam die Bevisionsbewegung zum Ausbruch, die 
zunächst zur Aufhebung der 1814 wieder eingeführten 
Ständeversammlung (Audiences gcndralesi und zu ihrer 
Ersetzung durch einen gesetzgebenden Körper (Corps 
IcgislaliO führte. Dieses Resultat brachte den Republi- 
kanern eine grosse Enttäuschung, so dass sie sich ent- 
schlossen, zu den Waffen zu greifen. Am 13, September 
1831 drangen 4(1) Bewaffnete aus dem Val de Travers. 
Hevaix, La Chaux de Fonds und Cortaillod unter der Füh- 
rung des Leutnants Alphonse ßoiirquin in Neuenbürg ein. 
wo sie ohne Schwertstreich das Schloss besetzten und die 
Tore des Zeughauses öffneten. Der Staatsrat, der Blul- 
vergiessen zu verhindern trachtete, zog sich nach Valangin 
zurück, wo sieh die Anhänger des bisherigen Begierungs- 

r emes sammellen. Der gesetzgebende Körper trat in 
Wohnung seines Präsidenten Sandoz- Rollin zusam- 
men, erklärte sich in Permanenz, rief den Schutz des 
eidgenössischen Vorortes an und schloss einen Waffen- 
stillstand ab. Am 17. und 19. September kamen die eid- 
genossischen Kommissäre < Sprecher und Tillier) in 
Neuenburg an. wo am 23 und 24. September auch drei 
eidgenossische Bataillone ..ms der Wandt. Freiburg und 
Bern). Bowie eine Halten« Artillerie unter dem Ober- 
befehl des Obersten Forrer einrückten und die Aufruhrer 



j am 27. September kapitulierten. Das Versprechen, alles 
I Vorgegangene vergessen zu wollen, wurde von der Re- 
| gierung, sobald aie wieder genügend sichern Boden unter 
den Füssen zu haben glaubte, nicht innegehalten, indem 
| man nun eine Reihe von Massregeln gegen die Republi- 
I kaner zu treffen begann. Da brach am 17. Dezember ein 
neuer Aufruhr aus. der Keinen Grund darin hatte, dass die 
Regierung nicht, wie sie versprochen, eine Abstimmung 
über die Trennungsfrage von Preussen angeordnet hatte. 
Von Yverdon herkommende Freischaren überschritten 
die Kantonsgrenze, wurden aber bei Boudry von den an- 
geworbenen Söldnern und der Burgergarde der Stadt 
Neuenbürg geschlagen und über die Waadtländer Grenze 
zurückgeworfen, während zu gleicher Zeit auch eine von 
Sainte Croix anmarschierende Kolonne zerstreut ward. 
Der Gouverneur von Neuenburg. General von Pfuel. berief 
einen Kriegsrat ein. der die hauptsächlichsten Führer 
des Auslandes i Roessinger. Rourquin. Benaud. Consta nt 
Meuron, Petitpierre und Dubois) zum Tode verurteilte, 
die Strafe aber für diejenigen, die sich nicht durch schleu- 
nige Flucht halten retten können, in Zwangsarbeit um- 
wandelte. L'eber eine grosse Anzahl von Bürgern, die 
man. wie z. B. den Advokaten Hille, der indirekten Be- 
günstigung des Auslandes beschuldigte, wurden Gefäng- 
nisstrafen verhängt. 

Die siegreiche royalisti*che Partei richtete nun an den 
König von Preussen eine Adresse, in welcher sie ihn bat. 
I nach dem Wege zu suchen, auf welchem man die Neueu- 
I bürg an die Eidgenossenschaft knüpfenden Bande lösen 
könnte. Obwohl Friedrich Wilhelm III. dieser Trennung 
personlich giinstig gesinnt war, erklärte er doch, dass 
dies eine Frage tun europäischer Bedeutung sei. die nur 
mit Beistimmung aller Signatarmächte der Verträge von 
1815 entschieden werden dürfe (9. September 183z). Ein 
im Jahr 1834 unternommener neuer Versuch, Neuenburg 
in die Stellung eines einfachen Verbündeten der Schweiz 
zurück zu versetzen, wurde von der Tafrsalzung am 13. Au- 
gust 1835 abgewiesen und auch vom König von Preussen 
nicht gebilligt. 

Wahrend die Bewohner der Landschaft Basel im Zeil- 
raum 1798-1814 sich dergleichen Rechte erfreut hatten, 
wie sie die Stadtburger besassen, waren sie durch die 
Restauration wieder in ihren alten Zustand der Abhängig- 
keit versetzt worden. Die 16000 Einwohner der Haupt- 
stadt wählten in den Grossen Hat 90 Vertreter, die 40000 
Bewohner der Landschaft dagegen deren bloss 64. Ferner 
durften die Handwerker der Landschaft die Erzeugnis«« 
ihrer Tätigkeit in der Stadt nicht frei verkaufen, erhielten 
aber von 1830 an die Erlaubnis zum Verkauf von solchen 
Gegenständen, die sie auf Bestellung eines Stadtbürgers 
hin angefertigt hatten und die mit einem l'rsprungs- 
schein versehen waren. Auch standen Stadt und Land- 
schaft in zivilrechtlicher Beziehung nicht gleich. 

Die Bevisionsbewegung setzte mit Versammlungen des 
I-andvolkes in I.ieslal (19. September 18301 und in Buben- 
I dorf (18. November und 2. Dezember 18301 ein. Am 5. De- 
zember beschloss der Grosse Rat. dass er in der Folge 
I aus 75 Stadtburgern und 79 Vertretern der Landschaft 
bestehen werde. Dieses Entgegenkommen erschien jedoch 
I nicht (•einigend, so dass eine am 4. Januar 1831 in Liestal 
! tagende Volksversammlung völlige Hechtsgleichheit und 
j eine Proportionalvertretiing verlangte, welch letztere der 
Landschaft der Sitze im Grossen Hat überwiesen hätte. 
Nachdem die Verhandlungen mit der Stadt zu keinem 
befriedigenden Ergebnis geführt und sich in Liestal 
eine provisorische Regierung gebildet, marschierten die 
l.andschäftler in Masse gegen Basel, wurden aber von den 
Truppen der Stadt wiederholt ( 13. und 15. Januar 1831 < 
zurückgeworfen, Auf die Kunde von diesen Ereignissen 
sandte die Tagsatzung zwei eidgenossische Kommissare. 
Sidler und Schaller. nach Basel, auf deren Begehren die 
Regierung eine Amnestie verkündete und die Truppen 
! entliess. Der Umstand, dass sich die gewährte Amnestie 
nicht auch auf die Führer des Aufstandes erstreckte, ge- 
wann diesem die Sympathie der Aargauer und Zürcher 
Demokraten. Am 28. Februar 1831 kam dann eine neue 
Verfassung zustande, deren Artikel 45 vorsah, dass für 
jede künftige Abänderung sowohl die Majorität der Stadt 
als auch diejenige der Landschaft xonnoten sei. Dies»' 
Klausel führte im Verein mit der eben erwähnten, nur teil- 



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Siegreicher Kampf der Ba*el I.» 

3. Augutl 1> 



SCHW 

•» 

weisen Amnestie zu einem erbitterten Kampf, der erat nach 
zweijähriger Dauer mit der Trennung von Basel in zwei 
llalbkanlone sein Ende finden sollte. 
Trotzdem am 18. April und 4. Juni das 
Kriminalgericht eine Heihe von Verur- 
teilungen zu Hausarrest und zum Knt- 
z.ug der bürgerlichen Hechte erlicss und 
am 15 Juni der Grosse Hat das Ge- 
such um Gewährung einer vollständi- 
gen Amnestie abwies, gewährleistete 
doch am 19. Juli 1831 die Tagsatzuug 
die Hasler Verfassung vom 28. Februar 
1831. Die Gerichte von Neuenbürg und 
Hern waren in der Verurteilung der 
Häupter der Opposition viel strenger 
verfahren als dasjenige von Hasel. Es 
ist aber zu bedenken, dass der Neuen- 
burger Regierung die Autorität des 
Königs von Preussen zur Seite stand 
und diejenige von Hern der Unterstüt- 
zung der regenerierten Kantone sicher 
war, wahrend die Stadt Hasel die ge- 
samte radikale Partei der Schweiz ge- 
gen sich hatte. 

Ihr Iti'Wohner il'i L.i tu] 1 i;i fl Hasel 
gaben sich nicht zufrieden und ver- 
öffentlichten eine Petition, die die Ein- 
berufung eines Verfassiingsrates und 
dieLostrennung von der Stadt forderte. 
Die Tagsatzung beschloss am 1 1 . Au- 
gust 1831 mit 15 Stimmen, diese Pe- 
tition entgegenzunehmen, und stiess 
damit ihren frühem Deschings der 
Gewährleistung der Hasler Verfassung 
vom "28. Februar um. Tri. Schwyz. I nlerwalden, Wallis, 
Neuenburg und Hern enthielten sich dabei der Stimmab- 
gabe, indem sie nicht mit Unrecht geltend machten, dass 
es der Schweiz als einem Staatenbund nicht zustehe, von 
einzelnen Kurzem ausgehende Klagen in Berücksichtigung 
zn ziehen. 

Von nun an schwoll die Agitation von Woche zu Woche 
an und wurden die Feindseligkeiten von neuem aufge- 
nommen. Eine zweite eidgenössische Intervention') zei- 
tigte kein Hesultat. indem zwar die Stadt sich zur Ein- 
stellung der Feindseligkeiten bereit erklärte, die Land- 
schaft dagegen den Vorschlag zunickwies. Die Landschaft- 
er zerrissen die Proklamationen der eidgenössischen 
Kommissäre und ernannten eine eigene Verwaltungs- 
kommission, indem sie zugleich den He/irk Gellerkinden 
und das Heigoldswilcrlhal, die auf Seiten der Stadt stan- 
den, vielfach belästigten. Nun entschloas sich die Tag- 
satzung zu einer militärischen Besetzung des Landes und 
bot eidgenössische Truppen auf. die am 18. September 
1831 in den Kanton einrückten und die Mitglieder der in 
Liestal sitzenden provisorischen Regierung verhafteten 
und nach Aarau abführten. Die eidgenössischen Kommis- 
säre uberzeugten sich, dass eine Trennung notwendig 
sei, worauf am '23. November 1831 eine stadtische Ab- 
stimmung angeordnet wurde, an der sich 3865 Bürger für 
die Beibehaltung des Status quo und bloss 802 für die 
Trennung aussprachen. Eine kurz nachher veranstaltete 
Unlcr*chriftcn-<aininlung. an der sich aber die Stadt 
nicht beteiligte, ergab 4iÄ»8 Unterschriften für und '20l."> 
gegen die Trennung. Von den 78 Landgemeinden hatten 
sich 46 zu gunsten der Trennung ausgesprochen, während 
3*2 der Stadl treu geblieben waren. Als die Mehrzahl der 
Kantone sich weigerte, die Gewährleistung der Verfas- 
sung vom 38. Februar 1831 anzuerkennen, beschloss der 
«■rns-e Hat v.n Hasel am -11. Februar |83'2 die Abtrennung 
der 46 Gemeinden vom Kanton. Jetzt setzten die Führer 
der I .and schaft alle Hebel in Bewegung, um die der Regie- 
rung treu gebliebenen Gemeinden einzuschüchtern. Am 
9. Mai trat die Tagsatzung in ausserordentlicher Sitzung 
zusammen, um über eine Versöhnung zu beraten. Nach- 

') Diese rldgenömtacheu Kommissare wechselten häufig und 
warst! don Beamten» reisen der Mehrzahl der Kantone entnom- 
men. So finden wir ala solche : tob Scballor, Sidler, von Mu- 
ralt, von Meyenburg, Heer, von Tacharner, Gluti, Nagel, de 
I.ah.irpo. Zrajzgen. Buol, Morikofer, Uder, Druev. Dorer, von 
Stelger, Snell o. A. 



SCHW 



409 



I dem sich die in Zollngen angeknüpften Unterhandlungen 
I zerschlagen hatten, beschloss die Tagsatzung nach langen 




ler gegen rt 

dcabibliotli. 



n der Stadt Basel. 



Diskussionen am 2t. August 1832 die Trennung von Hasel 
in zwei Halbkantone, welche Entscheidung von der Mehr- 
heit der Stände (16 Stimmen) am 14. September ratifi- 
ziert wurde. 

Doch war damit die Ruhe immer noch nicht völlig her- 
gestellt. Im Frühjahr 1833 brachen In den konservativen 
Gemeinden von den Landschäftlern geschürte Wirren aus. 
worauf die Stadt zur Aufrechterhaltung der Ordnung 16011 
Mann Truppen aussandte, die am 3. August bei Pratteln und 
Mtitlenz blutige Scharmützel milden landschäftlern zu be- 
stehen hatten. Die Tagsatzung ordnete eine neue mililäri- 
Nche Besetzung an und Is-schlos« mit CtStimiuen. der Stadt 
Hasel bloss die Gemeinden rechts vom Hhein zu Massen. 
Im gleichen Sinne der Parteinahme für die Landschaft 
wurde auch die Frage der Entschädigungen und der Kosten 
geregell. Der Schatz des Münsters und das Vermögen der 
Universität wurden in die Teilung miteinbezogen und zu 
zwei Dritteln den Landschäftlern zugesprochen, ebenso 
die öffentlichen Bauten, für welche die Stadt Geldent- 
schädigungen auszurichten halte. Ihren Anteil am Mün- 
sterschalz, welcher zur Zeil der Reformation in einem 
unterirdischen Gewölbe des Münsters vergraben worden 
war und nun nach drei Jahrhunderten wieder an« 
Tageslicht kam, verzettelten und verkauften die Ijind- 
schäftler ins Ausland (so u. a. ein prachtvolles, gol- 
dene« Attarblati, das sich heute im Musee de Cluny in 
Paris befindet). 

Das dies«- Teilung vollziehende Schiedsgericht war von 
Dr. Ludwig Keller aus Zürich präsidiert, der einige Jahn* 
später als Professor an die Universität Berlin Derufen 
wurde und sich in der Folge von den radikalen Ideen, die 
er in der Schweiz verfochten, vollständig abwandle. 

Die Bewohner des alten Landes Schwyz waren seil 1814 
stärker im Rate vertreten als diejenigen der äussern 
Kantonsteile i March etc.). Es war innen auch gelungen, 
die neuen Kantonsbürger, die doch von seit mehreren 
Generationen im Lande niedergelassenen Familien ab- 
stammten und sowohl unter der helvetischen Republik 
als der Mediationsakte sich der Rechtsgleichheit erfreut 
hatten, um allen Staatsheamtungen und selbst um der 
Landsgemeinde auszuschliessen. Als sich der Grosse 
Rat weigerte, die Verfassung durch den Druck zu ver- 
öffentlichen, traten am 17. November 1830 4000 Männer 
aus den äussern Bezirken in Lachen zusammen, um von 
dem innern. herrschenden Bezirk Schwyz die Anerken- 
nung ihrer Rechte zu fordern. Daraufhin beauftragte die 



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410 



SCHYV 



scnw 



Landsgemeinde den Grossen Rat mit der Aufarbeitung 
einer Verfassung auf Grundlage der Vereinbarungen 
von 1814. Als aber nichts geschah . taten die Bewohner 
der äussern Iteiirke einen grossen Schlag und be- 
schlossen auf einer eigenen Landgemeinde vom 2f>. Fe- 
bruar 1831 ihre Trennung vom alten Landesteil und die 
Einsetzung einer provisorischen Regierung. Die Tag- 
satzung legte sich zweimal ohne Erfolg ins Mittel, um den 
Starrsinn der Häupter des allen Kantonsteiles zu brechen, 
worauf sie am 27. Märt 1833 beiden Parteien hir so lange 
das Recht lur gleichmässigen Vertretung zusprach, als 
der Konflikt noch nicht endgiltig gelost sei. Als in den 
a ungern Bezirken um die Mitte des Sommers Wirren aus- 
brachen, lies* die Schwyzer Regierung Küssnacht mili- 
tärisch besetzen. Der Vorort berief die Tagsat/ung ein, 
die zwei eidgenössische Kommissare (Nagel und Schalter) 
ernannte und zwei Divisionen (11 Bataillone, zwei Batte- 
rien, eine Schül/enkompagnic und eine Schwadron Ka- 
vallerie) aufbot, um den Kanton Schwyz /u besetzen. Die- 
ses kräftige Eingreifen tat seine Wirkung. Ks wurde eine 
dem Volkswillen Rechnung tragende Verfassung ausge- 
arbeitet und vom Schwyzer Volk angenommen, worauf 
am 13. Oktober 1833 die Landsgemeinde in Rotenturm 
das Ergebnis der Abstimmung genehmigte und zugleich 
eine aus liberalen und gemässigt konservativen Elementen 
bestehende neue Regierung bestellte. Im folgenden Jahre 
vermochten aber die Konservativen wieder ans Ruder zu 
gelangen. « Die Liberalen wurden aus ihren Stellen be- 
seitigt, die freisinnige Verfassung zwar nicht gestürzt, 
aber auch nicht ausgeführt. Die Klagen der Liberalen 
häuften sieh. Sehvvy/. stellte sich in der Folge an die Spitze 
der kirchlichen Partei in der innern Schweiz : 1836 wur- 
den . . . die Jesuiten berufen, und von IK£> bis 1842 war 
Schwyz Sitz des von l.u/ern weggezogenen Nuntius. Gegen 
Ende der dreissiger Jahre kam die innere Cährung zum 
Ausbruch. In der Benutzung eines Teiles der Allmende 
im Bezirk Schwyz genossen bisher die Reichen, welche 
Hornvieh hielten, einen Vorzug vor den Aermeren. welche 
nur Klauenv ieh (Ziegen, Schate i auf die W eiden schickten. 
Letztere, die . Klauenmänner wünschten Aufhebung 
dieses Vorrechts und vollige Gleichstellung . . . Das ganze 
Land parteite sich in « llornmänner* (Konservative und 
Klerikale) und « Klauenmänner » (Liberale). Auf der 
Maien- Landsgemeinde 1838 in Bolen Uirm kam es- zu einer 
tollen Schlägerei : mit Knütteln und Prügeln fielen die 
» llornmänner » über die • Klauen » her, und diese muss- 
ten das Feld räumen. Inner- und Ausser-Schwyz hielten 
besondere Landgemeinden und rüsteten zum Kampfe ». 
Da schritt die Tagsatzung von Neuem ein. < In einer 
neuen, unter Aufsicht eidgenossischer Repräsentanten 
abgehaltenen Landgemeinde wurde am 22. Juli 1838 mit 
44'<8 geuen 4000 Stimmen die bisherige Regierung bestä- 
tigt ». Ks war dies aber ein Pyrrhussieg der Regierung, 
der notwendigerweise zu neuem Bnrgerzwist führen 
musslc. 

4. Anlaufe zur Huntle$revition. Die uro die Zukunft 
besorgten Geister beschäftigten sich zu jener Zeit vielfach 
mit dem Gedanken, die Befugnisse der Bundesgewalt zu 
erweitern. Am 19. August 1831 brachten die von Zürich 
unterstützten Vertreter des Thurgaues diese Frage zum 
erstenmal vor die Tagsatzun^. vereinigten aber auf ihren 
Antrag bloss 9 Stimmen. Im folgenden Jahre (17. Juli 
1832j sprachen sich dann 13'/, Stimmen für eine Revision 
des Bundesvertrages aus, worauf eine Kommission von 
l*i Mitgliedern (Ed. Pfylfer. Melchior llirzel. von Tavel, 
Zgi-a^gen. Heer. Sidler,' Schalter. Mun/inger, Baumgart- 
ner, \on Planta, von Meyenburg, Tanner. Rossi. de Cham- 
hrier und Monnard) mit der Ausarbeitung eines Entwurfes 
beauftragt wurde. Als Berichterstatter wählte man den 
Professor Rossi. einen in Genf niedergelassenen und 1819 
ins Burgerrecht aufgenommenen ehemaligen italienischen 
Flüchtling. Das aus den Beratungen dieser Kommission 
hervorgegangene Projekt stellte da« Prinzip der Trennung 
der Gewallen auf. sah die SchallünK eines aus fünf Mil- 

? Uedem bestehenden und in Luzern sitzenden ständigen 
lundesrates vor. dessen Funktionen mit der Bekleidung 
einer kantonalen Beamtung für unvereinbar erklärt wur- 
den, schuf ein 9gliedriges Bundesgericht und behielt die 
aus 44 Abgeordneten (je 2 auf einen Kanton ) bestehende 
Tagsatzung bei. Eine Klausel regelle die Formen, inner- 



halb welcher in der Zukunft eine Revision dieser « Bundes- 
urkunde «zu erfolgen hätte. «Den Kantonen wurden Sonder- 
verbindungen untersagt. Freier Verkehr wurde verspro- 
chen (doch sollten die Kantone noch Slrassengehühren 
beziehen dürfen) : die Zölle sollten der Hauptsache nach 
an die Grenzen verlegt werden. Ebenso wurde Zentrali- 
sierung des Postwesens (mit Entschädigung an die Kan- 
tone;, des Münzwesens nach französischem System, des 
Pulverregals und Einheit von Maas und Gewicht nach 
dem Dezimalsystem beschlossen. Im Mililärweaen sollte 
der Bund mehr Kompetenzen erhalten als bisher, und 
der höhere Militärunterricht Tür alle Waffengattungen 
wurde dem Bunde übertragen, ebenso die erste In- 
struktion der Rekruten. Freie Niederlassung, Petilions- 
rerht und Gleichstellung aller Schweizerburger waren 
dem Volke versprochen. Die dringendsten Forderun- 
gen der entschiedenen Liberalen: Volksvertretung im 
Bunde, unbedingte Zentralisierung aller materiellen An- 
gelegenheiten, Zentralpewalt mit weitgehenden Befug- 
nissen. Verbot der Militarkapitulationen etc. blieben un- 
berücksichtigt. » 

Die Tagsalzung widmete der Beratung dieses Entwurfes 
35 Sitzungen und lud dann Ende Mai 1833 die Kantone 
zur Vernehmlassung ein. worauf sich 12 Grosse Rate oder 
•Vi der Eidgenossenschaft zu gunslen des Entwurfes aus- 
sprachen. In einigen Kantonen, wie i. B. Luzern. ver- 
sagte das Volk, das über diese Angelegenheil angefragt 
werden rousste, die Zustimmung zu dem Beschluß» 
seines Grossen Bates. Auf der Seite der Verwerfenden 
standen auch die Waadt und der Aargau. «Die Trennung 
in der Eidgenossenschaft wurde durch diese Vorgänge 
verstärkt ». 

Im Mai 1835 bildete sich • zur Kräftigung der Einheit, 
namentlich gegenüber dem Auslände und zur Vornahme 
einer radikalen Bundesreform » ein schweizerischer Na- 
tionalerem, der sich später zur schweizerischen radi- 
kalen Partei auswuchs und im Jahr 1848 seine Bestrebun- 
gen endlich mit Erfolg Bekrönt sehen sollte. In jene 
Zeiten geht auch die Gründung der sog. «Jungen 
Schweiz», zurück, einer Partei, welche durch ihre An- 
griffslust, den Mangel an Massigung bei gewissen ihrer 
Mitglieder und die alles Mass überschreitende günstige 
Aufnahme, die sie den fremden Flüchtlingen ohne Unter- 
schied der Person bereitete. Konflikte zwischen der Eid- 
genossenschaft und einzelnen fremden Machten heraufbe- 
schwüren sollte. 

.V Kimfrstumelle Zwtttigkeiten. — It ad euer Artikel. 
Als die Regierung von Bern im Jahr 1832 von der katho- 
lischen Geistlichkeit des Berner Jura einen neuen Eid 
forderte, wandte sich diene um Rat an den h. Stuhl, der 
den Eid « unbeschadet der Bechto der Kirche » gestaltete, 
welche Einschränkung Bern annahm. Der von der Lu- 
zerner Geistlichkeit betr. ihre Stellung zur Frage der 
Bundesurkundo konsultierte Bischof Salzmann von Basel 
antwortete, dass er in einer rein politischen Angelegen- 
heit nicht Stellung zu nehmen habe. Andrerseits halten 
sich bei einem Teil der katholischen Geistlichkeit unter 
hauptsächlicher Führung des Konstanzer Generatvikara 
Heinrich von Wessenberg. des Luzerner Stadlplärrers 
Thaddäus Müller und, spater, des l'rofesaors Christoph 
Fuchs und des Chorherrn Alov s Fuchs, iosephistische Ten- 
denzen geltend zu machen gewusst. Diese liberalen An- 
schauungen wurden aber von dem den Jesuiten afOliierten 
katholischen Volksverein, dessen Organe die Kirchen- 
Teilung und der Walditatterbote waren, heflig bekämpft. 
Die Einmischung der katholischen Geistlichkeit in die poli- 
tischen Streitigkeiten und die Teilnahme der Mönche von 
Muri am Aargauer Aufstand einerseits 1 ), sowie andrer- 
seits die ( nzufriedenheit der Katholiken mit der Organi- 
sation, der einzelne Regierungen ihre Kirche unterziehen 
wollten, brachten in den katholischen und konfessionell 

■i Da die Aasichlea mit Bcsug auf gewisse Fragen konfessio- 
neller Natur weil auneluandergcbrn und nur schwierig noter 
»ich in Einklang in bringen sind, machte es uns eine unpa<tai- 
i.cne Darstellung sur PtliVhl. deu SU»<l|iunkl der katholischen 
Oeschichtafortcher oior in Ku**iiaIod beUuftlgen. [Rkuaktio».] 

Daa Kloster Muri tadelt* diesen durch die ty 
nahmen verursachten Aufstand, von denen 
Kreiainles «eil mehreren Jahren betroffen w 

[Abbe Dauooukt.1 



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gemischten Kantonen eine immer stärker «ich fühlbar 
machend)! Spannung hervor 1 ). 

Üa berief die Luzerner Regierung auf Anraten des 
Schul theissen Eduard Pfyfler auf den 20. Januar \>>.\ eine 
Konferenz nach Baden, an der sich Abgeordnete der 
Kantone Uern. Luzern, Basel Land, Solothurn, St. Gallen, 
Aargau und Thurgau beteiligten und auf der man « eine I 
Reine von Artikeln über die Rechte des Staates in Kirchen- 
sachen und über die Vornahme einzelner kirchlicher 
Umgestaltungen (wie Verminderung der Fast- und Feier- 
tage, strengere Kontrolle über Kloster, Errichtung eines 
schweizerischen Krzbistums etc.)» verabredete, sowie 
über folgende Punkte sich einigte : Einführung von Syno- 
den ; Umschreibung der bischollichen Rechte ; Verpach- 
tung der Bischöfe, ihre Hirtenbriefe. Ordonnanzen. Man- 
damente, Rreven und geistlichen Kntschlieasungen der 
weltlichen Behörde zum Plazet vorzulegen : Einschrän- 
kung der geistlichen Gerichtsbarkeit auf Sakraments- 
angelegenheiten : Garantien betr. gemischte Ehen ; Revi- 
sion der Ehegebühren und der Dispense von solchen 
Taxen ; Aufsicht über die Priesterseminare unil Einfüh- 
rung von Fahigkeitsprüfungen für Geistliche ; Unterord- 
nung der Klöster unter die Bistümer ; Beiträge der Kloster 
an Schulauslagen und Tür wohltätige Zwecke : Uebertra- 
gung .des Kollaturrcrhtes an die weltliche Behörde und 
Auferlegung eines Priestereides. 

Biese sog. Badener Artikel erregten einen heftigen 
Widersland. Während Bie von den Grossen Räten der 
Kantone St. Gallen, Luzern, Aargau, Thurgau. Basel 
l.rui'i und Zürich angenommen wurden, hielt Freiburg 
zurück, lehnte sie Solothurn ab und verschob Bern die 
Sache. Graubünden hielt sich bei Seile und vereinbarte 
direkt mit dem h. Stuhle, dass das Bistum Chur auf das 
Gebiet des Kantons eingeschränkt werde I83ß|, worauf 
dann der Kanton St. Gallen bis 1KV5, in welchem Jahr 
nach langwierigen Verhandlungen ein eigenes Bistum 
St. Gallen geschaffen ward, unter der Verwaltung eines 
besondern Vikars stand. Durch Bulle vom 18. Mai 1835 
verdammte der Papst die Badener Artikel. Unterdessen 
halte der Grosse Hat von St. Gallen die Aufhebung des 
Fraucnkloslers von St. Georgen angeordnet, wie auch die 
Aargauer Regierung nach vorgenommener Untersuchung, 
die die Misswirtschafl in den Klöstern Muri, Wettingen, 
Fahr, llermetswil, Gnadenthal und Baden dartat, deren 
Vermögen unter Staatsaufsicht stellte'). Die radikale Re- 
gierung von Luzern trug sich mit dem Gedanken, den 
päpstlichen Nuntius auszuweisen, als ihr dieser zuvor- 
kam und seinen Wohnsitz in Schwyz aufschlug (1835). 
Kurze Zeit nach seinem Wegzug erfolgte denn auch wirk- 
lich der Ausweisungsbeschluss. 

6. Diplomatische Konflikte mit Deutschland und 
Italien. - Der Fall (Umteil. - .Xaptdeonhandel. Von 
1880 an strandeten auf dem Schweizer Boden die zahl- 
reichen Schiffbrüchigen der Revolutionen, die zu jener 
Zeit Kuropa erschütterten. Zunächst kamen die franzoM- 
schen Legitimisten, sowie die von Deutschland ausge- 
wiesenen und in Frankreieh überwachten Polen, die über 
Basel und Solothurn den Weg zu uns fanden und beson- 
ders in den Kantonen Waadt. Genf, Bern, Zürich und 
St. Gallen grossherzige Aufnahme und Unterstützung 
feaden. Bald nahm ihre Zahl lieträchtlich zu und liess 

') Von einer Afliliation mit den Jesuiten kann keine Hede 
■ein. Es handelte sich vielmehr um einen geineinsamen Kampf 
tur die Wahrung der katholischen Interessen. Zudem war die 
Schreibweise der beiden genannten katholischen Organe sicher- 
lich nicht heftiger als diejenige der Zeitungen der Gegenpartei. 
Die in den katholischen und konfessionell gemischten Kantonen 
herrschende 8pannung erklärt sich daraas, das« die Katholiken 
mit der Organisation, die man ihrer Kirche aufdrangen wollte, 
mit Hecht umufrieden waren und sie deswegen nicht xugeben 
konnten, weil sie mit don Prinzipien dieser Kirche in Wider- 
spruch stand. Dazu kamen Vereinselte Falle von KirchenpIQn- 
derung, die nicht iur Beruhigung der tiemuter beitrugen, so- 
dass beim ersten Zwischenfall Streit ausbroeb en mimte. 

(Abb«* Dai&icrt.] 

»I Diese Behauptung kann nicht -«gegeben werden. Die He 
gierung des AargaUes legte den Klöstern immer druckender 
werdende Steuern auf, die von einigen unter ihnen, die keine 
genügenden Hinkunft« aufwleaen, nicht mehr entrichtet wer- 
den konnten. Der Staat, der die Klöster als seinen unmittel- 
baren HesiU betrachtete, glaubte da» Recht zu haben, sie nach 
»einem Gultinden besteuern iu dürfen. [Abbe DaUCOVBT.] 



sieh die Wahrnehmung machen, dass sie sich gegen 
die preus&ische und die Bardische Regierung zu ver- 
schwören begannen. Der deutsche Bund regte sich über 
dieses Treiben auf und richtete am 21. Mai 1833 eine 
scharfe Note an die Tagsatzung. Nach langen Unterhand- 
lungen wirkte diese vom französischen habinet die Er- 
laubnis aus, die auf ihre Kosten lebenden Polen, die 
unter dem Namen des « Jungen Polen » mit dem •• Jungen 
Deutschland •> und dem « Jungen Italien » in geheimer 
Verbindung standen, nach England, Algerien, Aegypten 
und Portugal ausschalten zu dürfen. Eine vom General 
Ramorino gegen Sardinien vorbereitete militärische Un- 
ternehmung misslang kläglich. Dieser eigentümliche Held 
halle sich des Nachts aus dem Staube gemacht und Beine 
I.eute im Stich gelassen, die nun durch die Regierungen 
von Genf und der Waadt verhaftet und interniert wur- 
den. Dieses verwerfliche Unternehmen beraubte die Polen 
aller der Sympathien, die ihnen bei ihrer Ankunft in der 
Schweiz entgegengebracht worden waren. 

Die Beiner Regierung zeigte sich den Flüchtlingen 
gegenüber von ausserordentlicher Nachsicht. Am 27. Juli 
1834 veranstalteten deutsche Arbeiter in der Wirtschaft 
Steinholzli bei Bern eine Versammlung, in der sie die 
deutsche Einheit feierten. «Sie hielten Freiheitsreden, 
zertraten aus Haas gegen Kleinstaaterei die einzelnen 
Landesfähnchen und entfalteten die Farben Schwarz- 
Bot-Gold, die bei den Regierungen seit den Tagen der 
Burschenschaft so verhasst waren. Uebertreibende Be- 
richte Hessen den harmlosen Handel als eine verbreche- 
rische revolutionäre Kundgebung erscheinen, und ein 
neuer Notensttirm erfolgte. • Das österreichische Mini- 
sterium forderte von der Berner Regierung Aufklärung, 
und der Vorort richtete ein Rundschreiben an die Kan- 
tone, in welchem er ihre Aufmerksamkeit auf die Um- 
triebe der Flüchtlinge und besonders auch auf die vom 
italienischen Agitator und Republikaner Mazzini gespielte 
geheime Rolle lenkte. Kurz nachher erging an die öster- 
reichischen, bairischen. preussischen und badischen Ar- 
beiter von ihren Regierungen aus das Verbot des Aufent- 
haltes im Kanton Bern. Der Konflikt mit den deutschen 
Bundesfürsten spitzle sich derart zu, dass die badische, 
württembergische, bairische und österreichische Regie- 
rung längs der Rheingrenze sogar einen Mililärkordon 
ziehen Hessen. Da loste der Tod des Kaisers Franz IL die 
Spannung ; es folgte ein freundschaftlicher Briefwechsel 
zwischen Ferdinand I. und den eidgenössischen Kan- 
tonen, der den Zwischenfall endlich erledigte. 

Kaum waren aber diese diplomatischen Schwierigkeiten 
gehoben, als sich mit dem franzosischen Kabinel ein 
neuer Zwischenfall erhob. Die zuerst liberale Regierung 
von Ludwig Philipp machte zu jener Zeit eine Umwand- 
lung durch und Hess sich von der Politik Metternichs ins 
Schlepptau nehmen. Diese reaktionären Tendenzen ver- 
schärften sich nach dem am 28. Juli 1835 in Paris vor- 
gefallenen Attentat des Fieschi immer mehr. Der fran- 
zösische Gesandte in der Schweiz, Herr von Humigny, 
wurde durch den Botschafter Montebello, einen Sohn des 
Marschalls Lannes. ersetzt, welcher hochmütige, jäh- 
zornige und ungeschickte Diplomat Konflikte herauf- 
beschwor, die ihm von Seiten der freisinnigen französi- 
schen Presse scharfen Tadel einbrachten. 

Im Juni 1836 kam die Zürcher Polizei einer vom «Jungen 
Deutschland» und zahlreichen geheimen Gesellschaften, 
deren Mittelpunkt sich in Frankreich befand und die sich 
auch auf die Schweiz verzweigten, angezettelten Ver- 
schworung auf die Spur. Der am 5. Mai 1835 gestiftete 
schweizerische Nationalverein, der sich in seinen Be- 
strebungen von der ausländischen Diplomatie gehemmt 
sah, sympathisierte mit der freisinnigen Bewegung in 
Italien und Deutschland, ging aber freilich nicht soweit, 
das heftige Vorgehen dea jungen Italien, jungen Polen, 
jungen Deutschland und jungen Europa zu billigen, wenn- 
gleich einige seiner Mitglieder, die auf dem äussersten 
linken Flügel der radikalen Partei standen, seine Sache 
durch unvorsichtige Reden kompromittierten. 

Die eidgenössischen Behörden hatten eine Anzahl von 
Revolutionären verhalten lassen, durften diese aber schick- 
licherweise nicht über die deutsche oder die italienische 
Grenze ausschaffen. Daher wandten sie sich an Frankreich, 
um ihnen freien Durchzug durch französisches Gebiet 



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auszuwirken. Die Regierune von Ludwig Philipp ging 
zwar darauf ein, diesen Flüchtlingen ein momentanes 
Asyl zu bieten, fasste aber ihre betreffende Antwort vom 
18. Juli 1836 in beleidigenden Ausdrücken ab. Monte- 
bello erlaubte sich in diesem Schriftstück, injuriöse Zwei- 
fel darüber zur Sprache zu bringen, ob die Schweiz im 
stände sei, ihren internationalen Pflichten von sich aus 
nachkommen zu können. Acht Tage nach dieser unver- 
schämten Note machte ein gewisser Alibaud einen neuen 
.Mordversuch auf die Person Ludwig Philipps, worauf es 
sich ergab, dass der Zenfralsilz des Jungen Kuropa nicht 
in der Schwei/,, sondern in Paris sei und diese Stadt so- 
mit den eigentlichen Herd der revolutionären Bewegung 
darstelle. 

Während die Tagsatzung noch über die gegen die 
Flüchtlinge zu treffenden Massregcln und die auf die fran- 
zösische Note zu erteilende Antwort beriet, übermittelte 
Montebello am 6. August dem Vororts- und Tagsatzungs- 
Präsidenten von Tscharner einen Brief von Thiers, der 
ihm auftrug, der Schweiz gegenüber einen « aufrichtigen, 
wenn auch scharfen Ton» anzuschlagen und worin ihr 
zugleich ein hermetischer Illokus angedroht wurde, wenn 
sie sich den Ratschlägen Frankreichs nicht fügen wolle. 
Diese Note machte aber einen so ungünstigen Eindruck, 
dass sich Thiers einige Tage nachher selbst dazu veranlasst 
sah, die gebrauchten Ausdrücke als nicht von ihm her- 
rührend zu erklären, welche Machenschaften dann von der 
französischen Presse scharf getadelt wurden. Nachdem 
Thiers am '£>. August gestürzt worden war und sich später 
vor der französischen Kammer über den Zwischenfall aus- 
sprechen sollte, erklärte er zunächst, dass der Text seines 
Briefes abgeändert worden sei. schwieg aber dann, als 
der Abgeordnete Drlesserl den authentischen Text kennen 
zu lernen verlangte. 

Der eben beschriebene Zwischenfall sollte noch einen 
weitern Konflikt zur Folge haben. Am 19. Juli hatte 
Montebello die Verhaftung und Ausweisung eines ge- 
wissen August Cnnseil gefordert, der ein gefahrlicher 
Flüchtling sein sollte. Die sofort angehobene fntersuchuug 
ergab aber als überraschendes Kcsultat, dass dieser Con- 
seil ein von der französischen Polizei in die Schweiz ge- 
sandter Spitzel sei. der drei falsche Pässe auf sich trug. 
Deren einer war aus Ancona datiert, während den andern 
der Prafekt deB Douhsdepartcmentcs unterzeichnet und 
den drillen Montebello selbst drei Tage vor der Verhaf- 
tung ausgestellt und vordatiert hatte, um Conseil den 
vom franzosischen Kabinet angeordneten Nachforschun- 
gen zu entziehen. Später vernahm mau noch, dass Conseil 
ohne Wissen Thiers' durch dessen Kollegen Montalivet, 
den Minister des Innern, nach der Schweiz geschickt 
worden war. Dieser eigentümliche /.wischenfall brachte 
.Montebello in ein sehr schiefes Licht. Die I,age ver- 
schlimmerte sich. Mole, der Nachfolger Thiers', ricfMunle- 
bello zurück. Es kam soweit, dass die angedrohte Grenz- 
sperre Frankreichs gegen die Schweiz wirklich angeord- 
net wurde. Da regte sich zu gunsten der Schweiz, eine 
mächtige Bewegung. Die französische und englische Presse 
kritisierte das Vorgehen der französischen Regierung in 
scharfen Ausdrücken, und einer der französischen Op- 
positionsführer, Odilon Darret, tadelte in einer Rede an 
seine Wähler öffentlich das Kabinel Mole. « Die Tapsat- 
zung beschloss. sich Frankreich gegenüber zu entschul- 
digen. Letzteres erklärte sich befriedigt und hob die 
Itlokade auf. Ein Stachel aber blieb auf beiden Seiten 
zurück. » 

Die kaum wieder notdürftig hergestellten guten Be- 
ziehungen zu Frankreich sahen sich infolge des Aufent- 
haltes des Prinzen Louis Napoleon in der Schweiz von 
neuem getrübt. Dessen Mutter, die gewesene Königin 
Hortensia von Holland, hatte das kleine Schloss Arenen- 
herg am Bodensee angekauft, worauf sich der junge Prinz 
1832 ins Ihurgauische Bürgerrecht aufnehmen liess und 
als Bürger eines schweizerischen Kantons an der Artil- 
lerieschule in Thun teilnahm. Sein Bestreben war aber 
dennoch ohne l'nterlass darauf gerichtet, einst den Tron 
seines Onkels für sich wieder zurückzugewinnen. Als er 
am 30. Oktober IX« einen Versuch zur Aufwiegelung der 
Garnison von Slrassburg gemacht, wurde er gefangen 
gesetzt und nach Amerika deportiert. Im folgenden Jahr 
kehrte er an das Krankenlager seiner Mutter, der Ko- 



nigin Hortensia, die am 5. Oktober 1837 in Arenen berg 
starb, nach der Schweiz zurück. Sein Aufenthalt nahe 
den Grenzen Frankreichs beunruhigte das französische 
Kabinet, sodass Montebello beim Vorort offiziell um die 
Ausweisung des gefährlichen Prinzen nachkam. Der von 
der Tagsalzung um Auskunft ersuchte Kanton Thurgan 
erklärte aber, das« der Prinz sein Bürger sei und deshalb 
nicht ausgewiesen werden könne. Als Frankreich aber 
auf seinem Begehren verharrte und der Tagsatzung am 
1. April 1838 eine darauf bezügliche, in scharfem und 
befehlendem Ton gehaltene Note zustellte, brach in der 
Schweiz eine allgemeine Entrüstung über dieses Vor- 
gehen aus. Die Tagsatznng tadelte zwar die geheimen 
Umtriebe des Prinzen auf das ernsteste, erkannte aber, 
dass Frankreichs Forderung mit der Souveränetät und 
der Würde der Kidgenossenschaft unvereinbar sei. Auch 
einige französische Zeitungen unterstützten die gute Sache 
der Schweiz, die an der Tagsatznng selbst von den Ab- 
geordneten Monnard und Rigaud {Waadt und Genf) ener- 
gisch verfochten wurde. Da Frankreich mit Krieg drohte 
und auch wirklich zu rüsten begann, ergriffen die Re- 
' gierungen von Aargau, Bern, Genf und Waadt Mass- 
. regeln zur Verteidigung ihrer Grenzen. Während die 
, Franzosen 27000 Mann « Beobachtungstruppen » unter 
dem Befehl dea Generales Aymard an die Grenze stellten, 
bot licnf sein Kontingent von 6664 Mann auf und mobili- 
I sierte die Waadt 16 Bataillone. 8 Schützenkompagnien. 
: 4 Schwadronen, 8 Batterien und 16 Landwehrfüsilier- 
! kompagnien, welche Trup|>enmacht von zusammen etwa 
'20000 Mann mit 48 Kanonen unter den Befehl des Ge- 
| neralcs Guigucr gestellt wurde. Auch Freiburg und Bern 
i stellten ihre Kontingente auf Piket. Die Tagsatzung bil- 
j ligte diese Massnahmen und sprach den Regierungen von 
I Waadt und Genf ihren Dank für das energische Vorgehen 
aus. Unterdessen hatte der Prinz Louis Napoleon, mit 
| einem Pasa nach England versehen, die Schweiz ver- 
I lassen, was den ganzen Zwischenfall erledigte. Da aber 
die Haltung Frankreichs immer noch drohend blieb, he- 
' schloss die Tagsatzung, nachdem sie auf die französische 
Note geantwortet hatte, die eidgenössischen Truppen, die 
1 unter General Guiguer und Oberst Zimmerli standen, vor- 
läufig noch längs der Juralinie in Bereitschaft zu halten. 
« Erst einige Tage später erklärte sich Frankreich, da es 
im eigenen Lande Kundgebungen zu gunsten der Schweiz 
vernahm, befriedigt ; die Tagsatzung konnte ihre Mass- 
regeln zurücknehmen, und es hatte sich wieder gezeigt, 
wie es nur einer energischen Haltung bedurfte, um sich 
: beim Auslände Achtung zu verschaffen. Man konnte sich 
in der Schweiz wieder einmal einer schonen nationalen 
I Kundgebung erfreuen. » 

| 7. Volksau fttände in Zürich und Gtanu, im Trssitt, 
in Solothum und im Walti*. Die Anwesenheil der zahl- 

; reichen politischen Flüchtlinge in der Schweiz übte auf 
die öffentliche Meinung einen nicht unbeträchtlichen 
Einlluss aus. Mehrere dieser Flüchtlinge bekleideten nun 

• bei uns Stellen im höhern Unterrichtswresen, wie z. B. 

, Hossi in Genf, der Pole Mickiewicz und der Ilaliener 
Melegari in l-au&anne. Resor in Neuenburg, de Wette 
und Wackernagel in Basel, Oken, Sa tippe. Hitzig und 
Schönlein in Zürich, die beiden Snell in Bern etc. Ks 
trat in der bisherigen liberalen Partei eine Spaltung auf, 
indem die einen, mehr nur abstrakten Idealen nach- 

1 strebenden Elemente als Itoktrinäre verschrieen wurden, 
während sich die sog. Radikalen in engere Verbindung 
mit den breitesten Schichten des Volkes zu setzen ver- 

i suchten. 

Auf religiösem Gebiet betonten die Anhänger der t Er- 
weckung >, nach dem Beispiel von Vinet besonders die 
individuelle Seite des Christentums, während gewisse 
Staatsmänner, die in der Kirche in erster Linie eine mo- 
ralische Schule sahen, die Religion nur als ein hervor- 
ragendes soziales Bindemittel betrachteten und sie jedes 
übernalürlichen Elementes zu entkleiden suchten. Ver- 
fechter dieser Tendenz waren namentlich Henri Druev in 
Lausanne und Melrhior llirzel in Zürich. Im Jahr 1K36 
schlugen einige Mitglieder des zürcherischen Erziehungs- 
rates die Berufung des Dr. David Friedrich Strauss, eines 
der Häupter der deutschen rationalistischen Schule, auf 
den Zürcher Lehrstuhl der christlichen Itogmatik vor. 
Obwohl Bürgermeister Melchior Hirtel den Ansichten 



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413 



dieses Theologen sympathisch gegenüberstand, veran- 
lasste er dessen delinilive Berufung doeh erst im Jahr 
1839. Bald entstand unter der Geistlichkeit und im 
Volk über diese Wahl eine heftige Bewegung, sodass ein 
ad hoc gebildetes sog. Glaubenskomite binnen kurzer Zeit 
nahe an die 40000 Unterschriften gegen die Berufung von 
Strauss zusammenbrachte. Von dieser imposanten Kund- 
gebung der öffentlichen Meinung erschreckt, kapitulierte 
die Regierung, indem sie den Professor Strauss unter 
Anselzung einer lebenslänglichen Pension sofort in den 
Huhestand versetzte. Das Glaubenskomite erklärte sich 
aber von diesem Schritt nicht befriedigt und verlangte die 
Abdankung der Regierung. Als auf seinen Ruf 15000 
Landleute gegen die Stadl Zürich marschierten, bot man 
hier Truppen auf. Am 6. September 1839 kam es auf 
dem Münsterhof zu einem blutigen Kamj>r. der 13 Land- 
stürmern und dem Regierungsrat Hegetschweiler, der 
gegen die Berufung Min Strauss gewesen war, »las Leben 
kostete. Sogleich bildete sieh ein.- neue, provisorische 
Regierung unter dem Vorsitz de- loirgermeistcrs .I. J. 
Hess, her um 9. Se|iteml»r zusammentretende Grosse 
Hat « bestätigte die neue Regierung, ordnete neue Wah- 
len an und loste Meli .ml. Alle Hebenden wurden er- 
neuert, wobei die konser\;itne I h-siiinu ng und die reli- 
giöse Geistesrichlung den Ausschlag gaben. •• Ine Wah- 
len vom 17. September bestätigten die Niederlage der 
Radikalen, die aber schon sechs Jahre spater wieder ans 
Ruder gelangen sollten. 

1836 und 1837 fiihrte der durchs Land fegende Revi- 
sionsstunn auch im Kanton Glarus zu Wirren, wo die 
Reformierten in der von ihnen durchgesetzten neuen 
Verfassung das System der Parität durch dasjenige der 
Proportionalvertretung ersetzten. I»er Fletken Näfel«, der 
»ich dieser Bestimmung nicht fugen wollte, wurde mili- 
tärisch besetzt. 

Im Tessin hatte sich zwischen den Bewohnern des Sotto 
Genere und denen des Sopra Cencre schon längst eine 
Rivalität bemerkbar gemacht, die durch die Spaltung des 
Volkes in Konservative und Liberale noch verschärft 
wurde. Die konservative Regierung, durch die eben in 
Zürich stalLgcfundenen Ereignisse ermutigt, hob die li- 
beralen Schützengesellschafteii auf und schränkte die 
Pressfreiheit ein. Da besetzte am 6. Dezember 1839 ein 
unter der Führung von Oberst Luvini stehendes Korps 
von 600 Mann aus Lugano, Chiasso. Mendriaio etc. die 
Stadt Belliuzona und rückte gegen l.ocarno vor, wo die 
Regierung 1 ) vertrieben ward. Ks bildete sich unter dem 
Vorsitz des Advokaten Franscini eine neue, radikale Re- 
gierung. Die bei den Wahlen vom 15. November 1840 ge- 
schlagenen Konservativen bereiteten eine Gegenrevolution 
vor. Als Advokat Nessi einen Aufstand in Szene zu setzen 
wagte, wurde er von seinen eigenen Leuten verraten, 
worauf man ihn zum Tode verurteilte und am 4. Juli 1841 
erschoss. Es ist dies die einzige Hinrichtung, die wahrend 
des ganzen 19. Jahrhunderts aus politischen Gründen in 
der Schweiz vollzogen wurde. 

Im Kanton Solotnurn hatte sich die Hauptstadt gewisse 
Vorrechte zu bewahren gcwussl. Während nun im Jahr 
1840 die Liberalen deren Abschaffung forderten, suchten 
die Konservativen ihrerseits die Garantie der Kirchen- 
güter, die Wiedereinsetzung der kirchlichen Gerichtsbar- 
keit, das Aufsichtsrecht der Kirche über die Schule etc. 
durchzusetzen und spannten bald über den ganzen Kan- 
ton ein Netz von Komites, die in dem angegebenen Sinne 
auf den Volkswillen einwirken sollten. Der Grosse Rat 
beschränkte sich auf die Abschaffung der Vorrechte der 
Hauptstadt, die Vermehrung der in direkter Wahl be- 
stellten Grossräte und die Herabsetzung der Zahl der Mit- 
glieder des Regierungsrates von 17 auf 9. Da aber diese 
Verfassungsrevision dem Volke zur Genehmigung unter- 
breitet werden musste, veranstaltete die konservative Ge- 
genpartei in Mümliswil und Mariastein Volksversamm- 
lungen (2. und 3. Januar 1841 ), um das Projekt des Grossen 
Rates zu bekämpfen. Angesichts dieser feindseligen Kund- 
gebungen bot die von Joseph Munzinger präsidierte Regie- 
rung Truppen auf, versicherte sich des Beistandes von 
Bern, Aargau und Basel Land und verhaftete die Führer 
der Mariasteiner und Mümliswiler Versammlung. Dank 

i) Die Te.alner Regierung hatte bis 1S7H ihren 8iU abwech- 
selnd TQr je ß Jahre in Uetliuiona, Locarno und Lugano. 



I der Anwesenheit von drei Berner Bataillonen längs der 
Sololhurner Grenze ging die Abstimmung, die die vom 
Grossen Rat vorgeschlagene Verfassungsrevision geneh- 
migte, am 10. Januar 1841 ohne Zwischenfall vor sich. 
Die darauf folgenden Wahlen bestellten den Grossen Rat 
aus Konservativen und Liberalen in ungefähr gleich star- 
ker Vertretung. Dieser Sieg der liberalen Partei in Solo- 
tnurn trug wesentlich dazu bei, dass der Kanton sich in 
der Folge nicht auf Seile des Sonderhundes stellte. 

Im WalliB stiess die Frage des Rundes vertrage* auf 
verschiedenartige Beurteilung. Während die zur Mehr- 
zahl liberalen untern Zehnten sich einer Revision günstig 
gestimmt zeigten, waren ihr die obern Zehnten feind- 
selig gesinnt. Als die Liberalen auf den II. April 1833 
nach Martigny eine Versammlung einberufen hatten, 
drangen die von der Geistlichkeit aufgereizten und durch 
das Läuten der Sturmglocken aufgeschreckten Gebirgs- 
leute der Umgebung in das Lokal, wo die Liberalen 
tagten, worauf sich eine Prügelei entspann, die die In- 
tervention der Regierung hervorrief. Am 14. September 
1833 wurde den Zehnten Martigny. Knlremonl. Saint 
Maurice und Monthey neuerdings ilie Vertretung nach 
der Kopfzahl versagt, die sie zwei Jahre vorher gefordert 
hatten. 1838 vereinigte auf der Walliser Tagsat/.uug die 
Forderung der proportionalen Vertretung 29 Stimmen 
I auf sich, während deren 27 dagegen waren. Da aber zu 
1 einer Verfassungsänderung dir Majorität von zwei Drit- 
teln aller Stimmen notwendig war, kam die gewünschte 
Reform auch diesmal noch nicht zu stände. Um dem Ha- 
der ein Ende zu machen, liess der versöhnlich gesinnte 
! Regieruugsrat eine weitere Abstimmung vornehmen, 
] an welcher der Vertreter des Zehntens Sitten, Eugen 
i von Riedmalten, auf Seite der Unter Walliser trat, wo- 
I durch der Hesehluss zustande kam, dass die Walliser 
Tagsatzung in Zukunft einen Abgeordneten aul je 1000 
Einwohner zählen sollte (3. Januar 1839). Die Abgeord- 
neten der Zehnten Goms. Rrig, Visp, Raron und Siders 
weigerten sich, diese Abstimmung anzuerkennen, und 
verliessen den Sitzungssaal, worauf diejenigen des Zehn- 
ten Sitten und der Zehnten des Unter Wallis sich unter 
dem Vorsitz des Advokaten Barmann als Verfassungsrat 
konstituierten. Der Regierungsrat suchte um Einschrei- 
ten des eidgenossi*chrn Vorortes nach, der aber die 
ihm zugedachte Holle de- Vermittlers ablehnte. Der Ver- 
fassungsrat setzte seine Arbeit fort und unterbreitete sie 
den Gemeinden zur Abstimmung, an der sich am 17. Ja- 
nuar 1839 acht Zehnten beteiligten, die die VerfassungB- 
revision mit starker Mehrheit guthiessen. Als sich 
darauf die Gefahr zeigte, dass sich das Wallis in zwei 
Kantone spalten konnte, sandle der Vorort zwei eidge- 
nossische Kommissäre, Schaller und Baumgartner, die 
eine Annäherung zwischen den beiden Gegnern anbahnen 
sollten (12. Februar 1839), mit ihren Bestrebungen aber 
vollkommen scheiterten, worauf Baumgartner durch Em- 
manuel de I-aharpe ersetzt wurde. Der Regierungsrat zog 
sich nach Siders zurück, während die westlichen Zehnten 
in Sitten eine neue Regierung einsetzten. Als die eidge- 
nossische Tagsatzung im Juli in Zürich zusammentrat, 
stellten sich zwei Walliser Vertretungen, die eine im 
| Namen der obern und die andere in demjenigen der 
untern Zehnten, ein, die beide von der Teilnahme an den 
Beratungen ausgeschlossen wurden. Auch das von den 
obern Zehnten gestellte Begehren der Trennung des 
Wallis in zwei eidgenossische Stände ward verworfen. 
Dagegen beschloss die Tagsatzung (II. Juli 1839) die Ein- 
berufung eines Walliser Verfassungsrates, an dem sich 
jeder Zehnten mit einer seiner Volksziffer proportiona- 
len Zahl von Abgeordneten vertreten lassen und dessen 
Arbeit unter Aufsicht der eidgenössischen Kommissäre 
der Volksabstimmung unterbreitet werden sollte. 

Während die obern Zehnten am '25. Juli auf einer bloss 
von 400 Teilnehmern (worunter zahlreichen Geistlichen) 
besuchten I-andsgemcinde gegen diesen Beschluss prote- 
stierten, fügten sicli ihm die untern Zehnten. Diese er- 
nannten einen Verfassungsrat, der, um eine Verständi- 
gung nicht von vornherein unmöglich zu machen, die 
Pressfreiheit und die vom Bischof als eine Gefahr für die 
Religion bezeichnete Schaffung eines Lehrerseminars 
und einer Sekundärschule von »einem Programm strich. 
Das von ihm ausgearbeitete Verfassungsprojekt ward 



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414 



SCHW 



SGHW 



«lann am 2f>. August von einer sehr starken Mehrheit der 
Wühler der untern Zehnten genehmigt, während sich 




Niederlag« der Freischärler bei Bultitbolz am I. 

(Laadesbibliotbck Horm. 



diejenigen der oberen Zehnten für die lleibchaltung der 
Verfassung von 1815 aussprachen. 

Angesichts dieser unveränderten Sachlage schickte sich 
die eidgenössische Tagsatzung eben an, Massregeln ge- 
gen die ohern Zehnten zu ergreifen, als der Zürcher 
Putsch ihre Anordnungen durchkreuzte und wieder alles 
in Frage stellte. Ea wurden neue Kommissäre (Frey, von 
Meyenburg und de Maillardo/) bestellt. AU auch sie ihre 
Versuche zu einer Versöhnung der Parteien vollständig 
im Sande verlaufen sahen, verlangten sie ihre Rückhe- 
rufung. 

Am 14. Februar 1840 lehnten die Walliser einen ihnen 
angetragenen Schiedsspruch ab Iii«* Lage war so ge- 
spannt, dass der kleinste Zwischenfall zum Rlulvergiessen 
fuhren konnte. Her Anlasa sollte sich bald bieten. Nach- 
dem sich der Zehnten Ih-rens zuerst auf Seite der Ver- 
fassung vom 3. August 1839 gestellt hatte, machte er, mit 
Ausnahme der Gemeinde Evolena, nachträglich eine 
Schwenkung zu gunsten der Ober Walliser. llie Regie- 
rung von Siders lie*» nun Evolena militärisch besetzen, 
um es zur Nachgibigkeit zu zwingen. Auf die Kunde von 
dieser Gewaltmassregel hin berief aber die Regierung 
von Sitten sofort alle waffenfähigen Männer unter die 
Fahnen. 7000-81100 Mann marchierten gegen die Ober 
Walliser, die sich in llramois und Saint Leonard fest- 
»et/ten, alier nach kurzem Kampf wieder zurückzogen. Am 
i. März 1840 rückte Moritz Rarmann an der Spitze der 
l'nter Walliser in Snlers ein und sprengte die Regierung 
der obern Zehnten. 

Die Sieger zeigten sich gemässigt, während die Ober 
Walliser, die endlieh einsahen, das» ein fortgesetzter 
Widerstand fruchtlos sei. ihrerseits nun ebenfalls der 
Verfassung vom 3. August zustimmten. Am 18. Mai 1840 
trat in Sitten ein aus Abgeordneten aller Landesteile be- 
stellter Gros»er Rat zusammen, der eine neue, einheit- 
liche Regierung mit Zen Ruftinen als Vertreter der obern 
Zehnten ernannte. Diese Versöhnung, die sich anschei- 
nend so glücklich vollzog, sollte aber nicht von langem 
Restand sein. 

8. Wirren im Aargau ; Aufhebung der aargauitchen 
K toller. Im Aargau teilte das System der konfessionellen 
Rarität den Katholiken Wieden Reformierten die selbe An- 
zahl von Abgeordneten in den Grossen Rat zu. Da diese 
letztem aber 75000 Seelen gegen 67000 Katholiken zähl- 
ten, arbeiteten • sie daraufhin, eine der grössern Zahl 
ihrer Wähler entsprechende stärkere Vertretung zu er- 



A|>ril tsiö. 



langen. l>ie Katholiken wunschten dagegen die Aufrerht- 
erhaltung der Parität und verlangten u. a. die «Teilung 
der Verwaltung nach Konfessio- 
nen id. h. Herstellung eines ka- 
tholischen Kantons Raden) ». Doch 
waren sie unter sich nicht einig, 
indem die Rewobner des Freiamtes 
sehr anspruchsvoll auftraten, wäh- 
rend diejenigen des lange Zeit 
österreichischen Fricklhales be- 
deutend gemässigteren Anschau- 
ungen huldigten. Der mit einer 
Revision der Verfassung beauf- 
tragte Grosse Rat konnte »ich 
bloss in nebensächlichen Fragen 
zu einem Kntgegenkommen enl- 
schliessen und verwarf sowohl die 
Wunsche der Katholiken als auch 
diejenigen der Liberalen, weshalb 
denn auch am 5. Oktober 1840 
ein erster Verfa«sun«sentwurf vom 
Volke mit grossem Mehr abgelehnt 
wurde. Dieses Resultat betrach- 
teten die Leute des Freiamtes als 
einen Erfolg ihrer Sache. Ihre 
I- n Li i i ■•! -.liiim- lleti mcIi -'in 
November in Raden, wo sie ihr 
Programm entwickelten, das je- 
doch von den Katholiken des Frick- 
lhales bekämpft ward. Daraufhin 
entschleiern sich der Grosso Rat 
zur Reseitigting der Parität und 
zur Rückweisung des Regehrens 
nach konfe-sioiieller Trennung 
Diesen neuen Entwurf nahm nun das Volk am 5. Januar 
1841 mit 16050 gegen 11884 Stimmen an. wobei die mit 
den Reformierten zusammengehenden Katholiken des 
Fricklhales den Ausschlag gaben. 

Doch fügte sich die katholische Minorität diesem Volks- 
entscheide noch nicht. In Muri und Rremgarten kam es 
zum Aufruhr. Der zur Reruhiguug der Gemüter aus- 
-and Ii- Itegierungsral Wal Ii i wurde zusammen mit ii>-m 
Rezirksamtmann Weibel und andern Reamten gefangen 
gesetzt. Da kamen Truppen aus Zürich. Rasel Land und 
Bern der Aargauer Regierung zu Hilfe, die nun den Auf- 
stand rasch unterdruckte. « Das ganze Freiami wurde 
besetzt ; Zürich und Luzern aber mahnten die Regierung 
zur Milde und Mässigung ». 

Da sich die Klöster des Freiamtes mehr oder weniger 
offen am Aufstande beteiligt und ihn vielleicht sogar di- 
rekt hervorgerufen hatten, heschloss der aargauische 
Grosse Rat am 90. Januar 1841 auf Antrag des Seminar- 
direktors Augustin Keller die Aufhebung samtlicher 
Kloster auf Roden des Kantons, d. h. der vier Männer- 
klöster Muri, Wettingen. Rremgarten und Raden, sowie 
der vier Franc nktoster llennetswil, (inadcnthal. Fahr 
und Maria Krönung in Raden. Diese Massregel wurde 
• sogleich mit aller Härte vollzogen Rinnen zweimal 
\ lei-undz.« an/ig Stunden mussten die Mönche in rauher 
Jahreszeil ihre Zellen verlassen ; das Klostervermu 
wurde als Staatsgut erklärt, sollte aber ausschlic 
für Kirche. Schule. Armcnwesen des katholischen Landes- 
teiles, sowie für Dotationen und Pensionen der Kloater- 
leule verwende! werden. Nicht finanzielle Spekulation, 
auch nicht das angebliche Sturmläuten der Kloster ist die 
l'rsache der Klosteraufhebung gewesen ; der tiefer lie- 
gende Grund war die Uoherzeugung der Regierungspartei 
und aller Freisinnigen, dass die Kloster (von denen Muri 
eine Menge den modernen Ideen feindlicher katholischer 
Bestrebungen unterstützt hatte), die Stützpunkte der 
ultramontanen Agitation gegen die neue Kantonsver- 
fassung sein wurden ». Wahrend dieses radikale Vorgehen 
von der freisinnigen Partei in der Schwei/ mit Freude 
begrünst wurde, machte sich in andern Kantonen und 
im Ausland eine lebhafte Unzufriedenheit darüber gel- 
tend. Am 21. Januar protestierte der Nuntius gegen die 
Massregel, und am 8. Februar überreichte auch der Graf 
von Bombelles, Gesandter Oesterreichs, der Tagsatzung 
eine Protestnote des Kaisers Ferdinand. 

Als in Rem eine ausserordentliche Tagsatzung zusam- 



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SCHVV 



415 



•neutral, verteil! igten mehrere Abgeordnete den katholi- 
schen Standpunkt, während andere den Kantonen das 




BrAtTnung der let/len el<l|jenO«»i».hen TJirutzunir in dar Jtaai- 
tenkircbe iu I.uiern, I. Juli IM! iLsndetbibliuthak Bern). 

Recht zugesprochen wissen wollten, die Klöster aufzu- 
hi-ben. sobald diese der öffentlichen Muhe und Sicherheit 
gefährlich werden sohlen. Man wies darauf hin. w ie auch 
schon früherdie Republik Venedig, die österreichische Ite- 
rierung unter Maria Theresia und Joseph 
Tl., sowie die Kantoiisrrgiorungen \on 
Thurgau, St. (»allen und Sololhurn 
zum selben Mittel gegrilfen hätten. 
Trotz dieser Argumente neigte aber 
die Mehrheit der Kantone zu der An 
sieht, dass der Artikel 12 der Bundes- 
verfassung, « welcher alle von den Kan- 
lonsregic ruugeu abhängigen Klnsler in 
ihrem Fortbestande garantierte •. ver- 
letzt worden sei. Die Tagsatzung erklärte 
am 3. April mit Hty, Stimmen (Zürich, 
Uri, Schwyz. Oliwalden. Nidwaiden. 
Glarus, Zug. Freiburg, SchalThausen. 
St. Gallen, Wallis, Neuenburg und Hasel 
Stadt) ■ die Klosteraufhehung für un- 
vereinbar mit der Bundesverfassung. 
Als Aargau wenig Nachgihigkeit zeigte, 
erklärten sich am 0. Juli 13* , Stim- 
men in der Tagsatzung für Festhalten 
am Deschlus*. Iiadurrh eingeschüchtert, 
gab Aargau etwas nach, indem es am 
10. Juli die Herstellung der drei Frauen- 
kloster Fahr, (inadenthal und Uaden 
anerbot , aber das sollte — so wurde 
beigefügt — das Aeusserste sein, zu dem 
IMD sich herbeilasse ». 

Als sich die Tagsatzung im Herbst 
1841 wieder versammelte, hatten die 
Verteidiger der Kloster schon an Hoden verloren, da die 
radikale Gesinnnngsweise in der Schweiz inzwischen 
grosse Fortschritte gemacht hatte. Als der Kanton Aargau 



sich zur Wiederherstellung auch des vierten Frauen- 
klosters. Hermetswil, herbeiliess. c erklärte am 3t. Au- 
gust 1813 die Tagsatzung mit 12*/, Stimmen, dass man 
befriedigt sei und der Gegenstand aus Abschied und Trak- 
tanden fallen müsse >. 

Diese Losung brachte die Aufregung der Gemuter in 
den katholischen und konfessionell gemischten Kantonen 
zum Ueberwallen. Im Kanton Luxem waren bei den 
Wahlen vom I. Mai 1841 die Konservativen wieder ans 
Ruder gelangt, zu deren Führern sieh nun neben Joseph 
Leu von Ehersol noch die beiden ehemals freisinnigen 
Politiker Siegwart-Müller und Dernhnrd Meyer, die in- 
zwischen zu Parteigängern der Jesuiten geworden waren, 
aufwarfen. Die Ladener Artikel wurden für null und nich- 
tig erklärt und der Nuntius wieder nach Luzem zurück- 
berufen. Eine Anzahl einflussreicher Mitglieder der kon- 
servativen Partei legten an einer Versammlung im Bade 
Dothen bei Luzern am 12. September und dann am 13. 
und Lt. September in Luzern selbst die Grundlage zu 
einer Verständigung der Katholiken, die als der erste 
Keim des Sonde rbundes aufzufassen ist. 

'.). Xt'ut' Wiiffi'nijunijf im Wall in. Hentftuig Wer 
Jenuitr» tiarh Luzern. — h'reiacltarenziige. Nach den 
Wirren von 1830 und 18-10 war das Wallis unter der 
Leitung von Moritz und Joseph itarmann. Delacoste u. A. 
in eine Zeit ruhigerer Entwicklung eingetreten. Die li- 
beralen Fuhrer hatten sich das Vertrauen des Volkes in 
solchem Grade zu erwerben und erhallen gewussl. dass 
sie bei den Neuwahlen mit starker Mehrheit in* ihrem 
Amte wieder bestätigt wurden. Die Verwaltung war in 
fortschrittlichem Sinne umgestaltet und bedeutende öffent- 
liche Arbeilen (Strasse über den Grossen St. Bernhard, 
Strasse von Lenk nach Leukerbad und über die Gemmi. 
Korrektion der Rhone etc.) geplant worden. Im Ober 
Wallis war aber die Opposition keineswegs erloschen. 
Sie zeigte sieh besonders, als sowohl ein neuea Wahl- 
gesetz, wie ein Gesetz über die Militaristen und über 
das Erzichungswcsen beim Volke keine Gnade fanden. 
Der Zwist führte in .Vaters, Lenk. Aernen und im Zehnten 
Baron zu L'nruhen. 

Wahrend die konservative Partei infolge der aargaui- 
schen Klosieraufhebung wieder au Boden gewann, zeich- 
nete sich der liberale Verein des Unter Wallis, der sich 
die «Junge Schwei/ » benannte, seinerseits durch unge- 
zügelte Auslassungen und seine Sympathiekundgebungen 
für die Aargauer Regierung aus. Die Presse beider Par- 
teien schürte nach Kräften und wurde nicht müde in 
ihren Angriffen auf die gemässigten Männer, die damals 




Kampf am Trient. 21. Mai 1814. (Landesbibholhek Berne 



in der llegieruug des Wallis sassen. So kam es denn, 
dass die Wahlen von 1842 eine konservative Mehrheit 
/eiligten. Obwohl ebenfalls wieder gewählt, legten doch 



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416 



SCHW 



SCHW 



Moritz Barmann und de Bivaz ihr Mandat nieder und 
wurden durch Konservative ersetzt, die nun die der 




lag der Freisinn 
von I.uzcrn bc- 



aa <l«r Kmm<*obrack<'. I. April t?* 15. 
I l,aaile«bibliotbek DWD|. 



gemässigten Dichtung angehörenden Beamten bcscilig- 
ten. llie Agitation war auf beiden Seiten gross. | m (iegeti- 
8a tz zur < Jungen Schweiz « bildele sieh die » Alle Schweiz», 
eine konservativ Verbindung, die auch im l'nter Wallis 
Anhänger fand. Als ein liberaler Bürger in Vcrossaz er- 
mordet ward, gestaltete sich die Lage unhaltbar. Jeder- 
mann griff zu den Wallen. Am kantonalen Schützenfest 
zu Monthey erklärten sich die Liberalen offen für die 
4 Junge Schweiz ». worauf die -Alte Schweiz» des Val 
d'llliet und von Salvan mit Aufnahme der Feindselig- 
keiten antwortete. Das Ober Wallis stand in hellem Auf- 
ruhr. Die l'nter Walliser marschierten gegen Sitten, 
konnten aber dank «lern Dazwischentreten von Maurice 
Darmann aufgehalten werden. Die Ermordung von C.o- 
donuet und des Notars Saillau durch Anhänger der 
« Alten Schweiz • verschlimmerten die Zustände noch 
mehr und gaben Anlas« zur Bildung des Komites von 
Martigny (9. April 1844 t. Die von allen Seiten her be- 
drängte Begierung rief nun die Hilfe des damaligen Vor- 
ortes I.uzcrn an. der eidgenössische Kommissäre nach 
dem Wallis sandte und eine Okkupationstruppe aufbot. 

Der auf den 14. Mai einberufene Grosse Bat verfügte 
die Aullosung des Komites von Maitigny. Am zweitfolgen- 
den Tag beschlossen die in der Wohnung des Chorherrn 
Machoud versammelten konservativen Mitglieder des Gros- 
sen Bates ohne Vorwissen ih r Hegierung. die Über VVal- 
liscr Freiwilligen zu den Waffen zu rufen. Auf die Knude 
von dieser Verschworung hin liessen die freisinnigen 
Gross rate auch die l nter Wallis. -i zu den Waffen greifen. 
Wähl end die Truppen des l'nter Wallis unter der Fuhrung 
von Barmann vor Sitten lagen und mit der Begierung 
unterhandelten, besetzten die Über Walliser unter Oberst 
Kalbermatten die Stadt und bemächtigten sich der öffent- 
lichen Gewalt. Dem so zum Diktator des Wallis gewor- 
denen Kalbermatten standen 801)0 wohl bewaffnete und 
gut geführte Bauern zur Verfügung, denen die liberalen 
Häupter Barmaiiii. Dufour. Joris etc. ein in der File auf- 
gebotenes und ungenügend organisiertes Korps 
von bloss 1500 Mann entgegen stellen konnten. 
Vor der t'ebermaeht zogen sie sich in guter 
Ordnung auf Biddes und nachher auf Martigny 
zurück und waren eben im Begriff, wieder 
nach Hause zu gehen, als ihnen an der Trient- 
brücke der Buckziig abgeschnitten wurde. 
Während nun eine unter dem Befehl von 
Moritz Barmann stehende Kolonne dem rech- 
ten l'fer des Trient folgte, um den Wildbach 
tiefer unten zu passieren und dem Feinde 
in den Bücken zu fallen, rückte Joris mit 
nur (MIO Mann und 4 Kanonen unkluger Weise 
vor, wurde aber von den benachbarten Hohen 
her unter Feuer genommen, bevor er noch 
»eine Truppen hatte entfallen können. Es 
entspann sich ein hartnäckiger Kampf, in dem 
mehrere (iniziere der l'nter Walliser den l ud 
fanden und der mit einer vollständigen Nie- 
derlage der Jiingschweizer endigte (21. Mai 1844). 
Damit war der Triumph der Altschweizer zur vollendeten 
Talsache geworden. Als angesichts der Weigerun 
Waadt und Bern, ihre Truppen aufzubieten, die 



nossenschaft auch jetzt nicht eingriff, wurde in Sitten 
der Belagerungszustand verkündet. Der Grosse Bat ver- 
fügte die Aullosung der «Jungen Schweiz» 
— 1 und setzte einen ausserordentlichen Gerichts- 
hof ein, der gegen Barmann. Joris, Du- 
four. Abbet, Torrente und andere freisinnige 
Häupter die Verbannung aussprach. Line 
babi darauf ausgearbeitete neue Verfassung 
schränkte die bisherigen Freiheiten beträchtlich 
ein. Nach vollendeter Gegenrevolution trat 
dann der Kanton Wallis im Juni 1844 auf 
Seite der Sonderbundskantonc. 

Im Wallis und in Latent 
am Boden. Der Grosse Hat 
schloss am 24. Oktober 1844 unter dem Einflus» 
von Leu von Kbersol und Siegwart-Muller mit 
70 gegen 24 Stimmen die Berufung der Jesui- 
ten nach Luzern, trotzdem sich diesem Un- 
ternehmen mehrere konservative Magistraten, 
der Geschichtsforscher Kopp, Bernhard Meyer, 
der Propst Widmer, der Pfarrer Signst, der bischöfliche 
Kommissär Walder und mehr als hundert Angehörige 
der Geistlichkeit widersetzt hallen. Diese Masstegel 
fand in der Schweiz eine sehr ungunstige Beurteilung, 
und es Hess sich voraussehen, dass nun auch in Lu- 
zern selbst ilie Liberalen wieder an Boden gewin- 
nen würden. Da kamen einige der eifrigsten Anhän- 
ger der freisinnigen Ideen auf den unglücklichen Ge- 
danken, ihrer Sache mit Gewalt zum Siege zu verhelfen. 
Es organisierte sich ein Freischarenzug. Sechshundert 
Freischärler aus Basel Land. Solothurn und Aargau bra- 
chen auf, um sich mit den Luzerner Gesinnungsgenossen 
zu vereinigen, doch scheiterte das ruteriiehmen. indem 
die Auflandigen nach einigen Scharmützeln mit den Be- 
gierungstruppeii sich zerstreuten. Die Begierung zeigte 
sich nach diesem leichten Sieg ausserordentlich streng 
und lies« zahlreiche Verurteilungen auf Verbannung und 
Einzug der Güter ergehen. 

Ende 1844 und anfangs 184ö fanden in den freisinnigen 
Kantonen zahlreiche Volksversammlungen statt, die ener- 
gisch die Ausweisung der Jesuiten forderlen. Di«- im Fe- 
bruar 18-iTi einberufene ausserordentliche Tagsatzung ver- 
warf einen hierauf abzielenden Antrag bloss mit geringer 
Mehrheit und wurde von den Kabinetten von Wien, Paris 
und London auf den Ernst der Lage hingewiesen. Die 
Waadtlander Staatsumwälzung vom 14. Februar I845 gab 
den Hadikalen neue Hoffnung, und wahrend die in Zürich 
beratende Tagsatzung zu keinen Entschlüssen kommen 
konnte, bildeten sich von neuem Freiseharen. Die von 
den Begierungeti Berns und des Aargaues gegen sie ge- 
troffenen Massregeln kamen zu spät, indem ein Freikorps 
von etwa ,'*i00 Mann unter der Führung von Stabshaupt- 
mann I Irich Ochsenbein iaus Nidau) und Dr. Hobert 
Steiger (aus Luzern) die l.uzerner Grenze uberschritt, 
nach den Scharmützeln am Gutsch. bei Malters und bei 
Bett iah oll jedoch vor den unter dem General von Sonnen- 
berg und dem Obersten von Elgger stehenden Begierungs. 




Kampf Im OGLobwald, t. April 184S. 
(I.aa.le»bibliuthek Bern). 

truppen wieder zurückweichen musste. « Am Morgen des 
I. April 1845 war die Niederlage und die Auflösung der 
Freischaren vollendet. Unter Oberst Elgger ' 
dann eine Treibjagd auf die Flüchtlinge. Im | 



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SCIIW 

den 104 Freischärler getötet und gegen 1800 gefangen 
genommen, darunter hervorragende Führer wie Dr. Stei- 
ger. Oberst Rothpietz etc. So kläglich endete ein Unter- 
nehmen, das mit grosser Zuversicht ins Werk gesetzt 
worden war. Man wird nicht irregehen, wenn man neben 
der Planlosigkeit des Ganzen und der Unfähigkeit ein- 
zelner Führer das peinlich beschleichende Gefühl eines 
gesetzlosen Heginnens als Hauptursache des Scheiterns 
annimmt. » Die konservativen Führer in Luzern waren 
«von grenzenloser Wut erfüllt» und beschlossen strenge 
Bestrafung der Schuldigen. Nachdem sie die Gefangenen 
au» andern Kantonen gegen eine Loskaufssumme von 
35000t) Kranken freigegeben halten, gingen sie. das Ge- 
such der Tagsalzung um Krlass einer Amnestie unberück- 
sichtigt lassend, unbarmherzig gegen ihre eigenen Kan- 
lonsangchörigcn vor und Hessen den Dr. Steiger alt« 
Hochverräter zum Tode verurteilen. Schon wollte man 
diese Strafe in lebenslängliche Internierung umwandeln, 
als es den Freunden des Verurteilten gelang, ihn zu be- 
freien und auf zürcherischem Boden in Sicherheit zu 
bringen (19. ,20. Juni 1815). 

Die nächste Folge dieser Ereignisse war, dass die Kon- 
servativen alle gemässigten Elemente von der Teilnahme 
an der Staatsverwaltung ausschlössen. Im Dezember 184.1 
kam dann ein formliches Sonderbündnis der sieben Kan- 
tone I.uzern, t ri. Schwyz, Inlerwalden. Zug, Freiburg 
und Wallis zu stände. 

10. Sieg der Uadikalvn in ileit Kantonen Womit. 
Zürich, Hern, Genf und St. Gallen. Die im Jahr 1830 in 
der Waadt ans Ruder gelangten Männer waren von einem 
liberalen Geiste getragen gewesen, hatten alle Zweige 
der Verwaltung verbessert, dem Lande den religiösen, 
Frieden wiedergegeben und sich den ausländischen Flücht- 
lingen gegenüber sehr entgegenkommend gezeigt, da- 
gegen jede Fühlung mit der breiten Masse des Volkes 
verloren, da sie nur mit den Gebildelen verkehrten und 
ihnen jeder Kontakt mit der Landbevölkerung fehlte. AI« 
Doktrinäre verschrien, waren sie daher unter dieser letz- 
tern nicht beliebt. 

Diese an sich vollkommen ehrenhafte Regierung ent- 
behrte der Autorität und eines kraftvollen Vorgehens. 
Sie war, wie man einmal gesagt hat. ausgezeichnet 
für Zeiten von gutem Wetter, taugte aber bei Regen- 
wetter keinen Deut. Während ihre Mitglieder dem Pa- 
triziat angehörten, das die Revolution von 1798 ange- 
bahnt und die Unabhängigkeit der Waadt begründet halte, 
strebte nun eine neue Itürgerklassc nach dem Besitz der 
Macht. Um eher /um ersehnten Ziel zu kommen, stützte 
sich diese neue Klasse hauptsächlich auf die (.andbevot- 
kerung, die man glauben machte, dass sie von den Patri- 
ziern verachtet werde. 

Regierungsrat und Grosser Rat der Kantone Waadl und 
Genf hatten in strenger Befolgung der im Bundesvertrag 
von 1815 niedergelegten Bestimmungen und als eifer- 
süchtige Hüter der kantonalen Souveränetät in den Fra- 
gen der Ausweisung der Jesuiten und der Revision des 
Bundesvertrages eine neutrale Haltung beobachtet, die 
von derjenigen der Regierungen von Bern und Zürich 
stark abstach. Diese Lage ward nun von den Radikalen 
geschickt ausgebeutet Im Kanton Waadt wurden Bogen 
verbreitet, die die Ausweisung der Jesuiten forderten und 
sich bald mit 32000 Unterschriften (darunter auch von 
Frauen und Kindern) bedeckten. An einer auf Sonnlag 
den 2. Februar 1845 nach Villeneuve einberufenen und 
von 3000 Mann besuchten Volksversammlung erhitzten 
leidenschaftliche Reden die Gemüter, welche Stimmung 
sich anlasslich der am U. Februar in Cossonay, Lucens 
und Lutry tagenden Versammlungen noch mehr erhitzte, 
sodass überall die Rufe * Nieder mit den Aristokraten ! 
Nieder mit den Mömiers» ertönten. An der Versammlung 
von Lutry, wohin sich die in Lausanne ansässigen deut- 
schen Kommunisten in grosser Zahl begeben hatten, wäre 
ein junger Mann, Aime" Steinlen. der dem Sturm die 
Stirne zu bieten gewagt, beinahe in den See geworfen 
worden. 

Dieser Volksbewegung zum Trotz lehnte der Grosse Rat 
nach Anhören der Voten der Regierungsräte Hüchel und 
Demieville, des Ingenieurs Fraisse u. A. den Antrag auf 
Ausweisung der Jesuiten am 11. Februar mit 97 gegen 81 
Stimmen ab. Zu gleicher Zeit mit dem Grossen Rat tagte 



SCHW 417 

im Kasino eine revolutionäre Versammlung, in der Druey, 
Blänchenay, Renevier-Dapples, Delarageaz und F.ytel das 
Wort ergriffen und die nach Bekanntgabe des eben er- 
wähnten Grossratsbeschlusses in starke Aufregung kam. 
Nachts gegen 10 Uhr rief ein aur der Höhe von Sauva- 
belin angezündetes und weithin ins Land leuchtendes 
Feuer die Anhänger der Revolution von allen Seiten zur 
Unterstützung herbei. Als der Regierungsrat vernahm, 
dass das Landvolk gegen Lausanne anrücke, Hess er in 
der Stadt Generalmarsch schlagen und sofort sechs Ba- 
taillone auf Piket stellen. Am 14. Februar fanden sich 
auf seinen Ruf 40-50 bewaffnete Milizen, meistens Offiziere, 
auf dem Rathause ein, während zugleich einige Hunderte 
Radikale mit wehenden Fahnen und Musik die Stadt 
durchzogen. An ihrer Spitze marschierten Kytel und Dela- 
rageaz, und in ihren Reihen sah man auch die deutschen 
Kommunisten. Das eben anrückende Halbbataillon von 
Lavatix nahm auf dem Riponneplatz Stellung, sah aber 
eine ganze Anzahl seiner Soldaten zu den Aufrührern 
übergehen. Als die revolutionäre Kolonne aufdem Schloss- 
platz anlangte, machten ihr Druey und Blänchenay die 
Mitteilung, dass der Grosse Hat eben* seine und des Staats- 
rates Auflösung beschlossen habe. Nun versammelten sich 
die Aufständigeu auf dem Montbenon zur «Assembler po- 
pulaire generale du canton de Vaud « und ernannten eine 
neue Regierung, die auf Druey 's Vorschlag aus ihm selbst, 
Blänchenay. Muret, Fischer, Veillon, Schöpfer, Mercier, 
Veret und Bourgeois bestellt wurde. An Stelle der ab- 
lehnenden Schopfer und Muret traten Vulliel und Briatte. 
Am folgenden Tag beschloss eine neue, unterhalb der 
Grenetle tagende Volksversammlung die Entlassung aller 
Beamten und Angestellten, die sich der neuen Ordnung 
nicht binnen fünf Tagen fügen sollten, sowie eine all- 
gemeine Ausdehnung des Stimmrechtes. Der neu ge- 
wählte Grosse Rat bestätigte in seiner ersten Sitzung den 
eben ernannten Hegierungsrat, in welchem nun aber 
Delarageaz an die Stelle von Mercier trat. Sowie sich die 
radikalen Führer im Besitz der Macht sahen und der Un- 
terstützung von Seiten des Landvolkes versichert hatten, 
sagten sie sich von der kompromittierenden Gesellschaft 
der Kommunisten, wie Becker und W. Marr. los. Die im 
Volk aufgekeimten Antipathien machten sich besonders 
auf religiösem Gebiet Luft, indem der Grosse Bat einen 
auf Gewährleistung der religiösen Glaubensfreiheit ab- 
zielenden Antrag verwarf und die Bethäuser der Dissi- 
denten schliessen Hess. Am 19. Juli war der Test einer 
neuen Verfassung bereinigt, die das Prinzip der Volks- 
souveränetät (Recht zur Initiative) aufstellte, die Frei- 
heit des Unterrichtes garantierte, den Schweizern anderer 
Kantone gewisse Rechte einräumte und das Stimmrecht 
auf solche Falliten ausdehnte, deren Vergehen entschuld- 
bar erschien. Dagegen konnte sich der Grosse Rat nicht 
dazu verstehen, auf die von Druey, Eytel und Delarageaz 
verfochtenen sozialistischen Theorien einzugehen. Dieser 
Verfassung von 1845 sind der Mangel von Bestimmungen 
betr. das Vereinsrecht und die religiöse Freiheit, sowie 
die Umstünde, unter denen sie selbst zustande gekommen, 
vorgeworfen. 

Die angeordnete Volksabstimmung sollte in erster Li- 
nie ein Vertrauensvotum sein, indem die durch diese 
Bevolulion ans Ruder gelangte Regierung den voll- 
zogenen Staatsstreich auch vom Volk billigen lassen 
wollte. Man arbeitete eine Proklamation an dieses ans, 
die die Pfarrer am 3. August von den Kanzeln aus ver- 
lesen sollten. Da die Mehrzahl der Pfarrer diesen Befehl, 
der dem Gesetze von 1832 zuwiderlief, erst kurz vor dem 
für die Verkündigung bestimmten Sonntag erhielten, 
weigerten sich deren etwa vierzig, das Schriftstück zu 
verlesen. Man begreift, dass unter diesen Umstanden die 
neue Verfassung in der Abstimmung vom 10. August mit 
bloss 17672 gegen 10035 Stimmen genehmigt wurde. 
Der Staatsrat lud die 43 renitenten Pfarrer vor die 
Kirchenkommission, die sie aber keines Fehlers schul- 
dig befand, wie auch die grosse Mehrzahl der Waadt- 
länder Advokaten erklärte, dass die Pfarrer mit ihrer 
Weigerung innerhalb der Grenzen ihrer Befugnisse 
gehandelt hätten. Obwohl nun auch die am 22. Oktober 
getrennt sitzenden Kreiskirchenräte die Angeklagten von 
jeder Schuld freisprachen, enthob sie doch der Staatsrat 
mit Beschiii» vom 3. November auf kürzere oder längere 

215 - tiüonn. V - 25 



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418 



SCHW 



SCUW 



Dauer ihres Amtes. Durch diese außerordentliche Mass- 
rcgel fühlte sich aber die gesamte Geistlichkeit betroffen. 




RevuluUon von Genf, 7. Oktober 1-t-.. Angriff and Verteidigung das Quartiers 
Saint Gervai*. i Landesbibliotbek Bern). 



Nachdem am II. November -ii*» ITarrer im Rathau» zu 
Lausanne beratschlagt halten, sandten am folgenden Tag 
deren 153 dem Staatsrat ihre Kullektivciemisaion ein. Daa 
Volk stellte sich auf Seite der Regierung, indem 15000 
Unterschriften deren Vorgehen billigten. 11 000 dagegen 
die Rücknahme des Beschlusses wünschten. Mit 125 gegen 
33 Stimmen übertrug der Grosse Rat dem Staatsrat vollige 
Handlungsfreiheit in dieser Angelegenheit. Ea folgte eine 
Reihe von vexatorischen Massregcln, indem namentlich 
diejenigen Personen, die den Gottesdienst der « freien » 
(evangelischen) Kirche begünstigen sollten, mit Strafe 
bedroht wurden. Es spielten sich denn auch nicht we- 
niger als 27 Prozesse dieser Art ab, von denen derjenige, 
der die Witwe Vinel'a auf die Anklagebank führte, am 
meisten Staub aufgewirbelt hat. 

Nachdem der Staatsrat die Geistlichkeit des Kantons 
seine Macht hatte fühlen lassen, ging er auch gegen die 
Lehrerschaft an den Volks- und hohem Schulen vor. 
Die Akademie galt bei den Radikalen als ein Hort doktri- 
närer Gesinnung und war auch beim Landvolk schlecht 
angeschrieben, ohwohl sie sich seit dem Gesetz von 1838 
erfreulich entwickelt hatte. Nun schränkte man durch 
Gesetz von 1846 die Anzahl der Lehrstühle ein und gab 
mehreren Professoren den Abschied. 
Im Frühjahr 1847 enlliess man ferner 
den Direktor und mehrere Lehrer der 
Kantonsschulc. Das brutale Vorgehen 
der Machthaber von 1845 erregte eine 
Mißstimmung, unter der der Kanton 
Waadt und besonders die Stadt Lau- 
sanne noch auf lange Zeit zu leiden 
haben sollten, trug aber andrerseits 
zu einer Annäherung der franzö- 
sischen au die deutsche Schweiz bei, 
die dann ein gemeinsames Vorgehen 
gegen den Sonderbund ermöglichen 
sollte. 

Eine weitere Stärkung erfuhr das 
radikale Element in Zürich, wo bei 
den Wahlen von 1845 die Radikalen 
Furrer, Ruttimaiin und Alfred Escher 
über die Konservativen Kluntschli 
und Mousson obsiegten. Das selbe 
wiederholte sich 1846 in Bern, wo 
die Wahlen neue Männer, ilie zu 
einem energischen Vorgehen gegen 
den Sonderbund entschlossen waren, 
zur Macht brachten. Hier sahen .»ich 
die Radikalen der illera Schule, wie 
Neubau» und Tavel, von dm Jung- 
radikalen OchaeDbein, Stämplli und 
Stockmar verdrangt. Am 31. Juli 1K46 
genehmigte das Hemer Volk mit 35 063 gesell 1*280 Stim- 
men eine neue Verfassung, « welche bedeutende F.rwcite- 
rungen des demokratischen Prinzips brachte (/. II. direkte 



Wahlen , Abherufungsrecht gegen den Grossen Rat . 
UetTentlichkeit und Mündlichkeil de» Gerichtsverfahren« 
und die Möglichkeit, durch Gesetz dem Volke 
Gegenstände zur Entscheidung vorzulegen)!. 

Die staatlichen Einrichtungen des Kantons 
Genf waren freisinniger als diejenigen der 
Mehrzahl der übrigen Kantone. Auf Relreiben 
von J. J. Rigaud-Sarasin. der im Zeitraum 
18*25-1843 einmal das Amt des Syndikus be- 
kleidete, hatte die Regierung die politischen 
Rechte der Rürger stufenweise erweitert, so 
dass die Republik Genf der revolutionären 
Krise, die 1830 fast alle übrigen Kantone 
erschütterte, vollkommen entging. Obwohl 
der Genfer Staatsrat sich geweigert hatte, 
den Badener Artikeln beizutreten . ver- 
stand er ea doch, die katholische Geistlich- 
keit der staatlichen Autorität fügsam zu 
machen. Auch in der aargauischen Kloster- 
frage von 1844 beobachtete er eine vorsichtige 
und versöhnliche Haltung. Die Mehrheit 
des Grossen Rates, die sich konservativer 
zeigte als der Staatsrat, versagte trotz der 
Fürsprache der Bürgermeister Rigaud und 
Rieu. sowie des Professors Auguste de la Rive. 
mehr als einmal das zu gunsten der Stadt Genf geforderte 
Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden, so dass die 
Stadt direkt vom Staatsrat aus verwallet blieb. 

Der eigentliche Grund zu einem sich vorbereitenden 
Umschwung lag aber darin, dass eine junge Generation 
von tatkräftigen Männern, wie z. B. James Fazv, heran- 
gewachsen war, die darnach trachtete, die Leitung des 
Staatswesens in ihre Hände zu nehmen. Der Tod von 
Etienne Dumont und Rellot. der Wegzug von Rossi und 
der Verzicht von Sismondi und de Candolle auf weitere 
Wirksamkeit hatten die Regierungspartei geschwächt 
und zugleich entmutigt. Nachdem am 3. März 1841 die 
Iteform der Gemeindeverwaltung neuerdings abgelehnt 
worden war. bildete sich die sog. •■ Association du 3 mars». 
um auf die Einberufung eines Verfassungsrates hinzuar- 
beiten. Die zunächst sich ebenfalls daran beteiligenden 
gemässigten Elemente mussten bald den Radikalen der 
schärfern Tonart weichen und zogen sich zurück. Am 
22. November beschloas der Grosse Rat unter dem Druck 
der Ereignisse die Einberufung eines Vcrfagsungsrates. 
Die Wahlen fanden am 14. Dezember statt und waren die 
ersten im Kanton Genf, bei denen das allgemeine Stimm- 
recht zur Anwendung kam. Sie gaben den Konservativen 




Revolution von Genf, 7. (Iktobur Wtti Rückzug der Reglerungulruppen. 
I.sndexbibliolhek Bern). 



den Sieg. Wahrend sich die Parteien in der Stadldie Wage 
hielten, halten die Landgemeinden für die konservativen 
Kandidaten entschieden. Die nun zur Ausarbeitung kom- 



I 



SCHVV 



SCHW 



419 



Kampf bei 
1 



mende neue Verfassung schränkte die Mitgliederzahl 
des Grossen Rates und des Hegierungsralcs ein und be- 
schenkte die Stadt mit einem besonder!) Stadtrat. Am 
7. Juni 1842 wurde diese Vorlage vom Volke 
mit grosser Mehrheit gulgeheissen. Obwohl 
sie einen starken Fortachritt bekundete, 
bereitete sie doch den Kadikaien, denen 
die Gelegenheit, ans Huder zu kommen, 
entgangen war, eine tiefe Enttäuschung, 
weshalb sich die nächstfolgenden Jahre für 
Genf sehr unruhig gestalteten. 

Am 13. Februar 1843 kam es in den 
Strassen Genfs zu blutigen Keilereien, in 
deren Folge sich Itarrikaden erhoben. Der 
Aufstand wurde durch die aufgebotenen Mi- 
lizen unterdrückt. Wenig nachher reichte 
Itigaud seine Entlassung ein ; doch sollte 
die konservative Partei trotz der vielen 
Angriffe von Seiten von Fazy, llilliet de 
Constanl und ihrer Freunde sich noch drei 
Jahre lialten können. Die Frage des Son- 
derbundes gab dann im Jahr 1846 den 
Itadikalen endlich die erwünschte Gele- 
genheit zu einer politischen Umwälzung. 
Während sich bis zum 31. August 10*/ t 
Stände für die Auflösung des Sonder- 
bundes erklärt hatten, hielten die Ab- 
geordneten von Genf. Neuenburg und Basel 
Stadt mit der Stimmabgabe noch zurück 
und konnte St. Gallen zu keiner Knischei- 
dung gelangen. • Durch Umwälzungen in 
zwei Kantonen bis zum Sommer 1847 
ergab sich eine bundesmässige Mehrheit 
zum Vorgehen gegen den Sonderbund. Die zwei in 
dieser Sache entscheidenden Kantone waren : Genf und 
St. Gallen ». Am 3. Oktober 1816 beschloss der Genfer 
Grosse Hat folgendes: lies seien dem Vorort zwecks 
Unterdrückung von allfälligen neuen Freischarenzü- 

fen ausserordentliche Vollmachten zu erleilen, und 
) es sei sowohl der Bund der freisinnigen Kantone von 
1832 als derjenige der katholischen Kantone von 1846 
aufzulösen. Obwohl dieser Hülscheid auf eine Verständi- 
gung hinarbeitete, kam er doch den Itadikalen sehr un- 
gelegen, so das» sie den Sitzungssaal verliessen. Die 
nächstfolgenden Tage wurden Volksversammlungen ver- 
anstaltet, in denen James Fazy die Hegierung heftig an- 
griff, die nun mit einem Truppenaufgebot und der An- 
drohung von Verhaftungen antwortete. Da erscholl in 
den Gassen der Huf: « zu den Waffen ! es wurden an 
verschiedenen Stellen Barrikaden errichtet und heftig ge- 
kämpft, wobei der Oberst de Chäteauvieux und zehn Sol- 
daten der Itegierungstruppen den Tod fanden (7. Oktober). 
Um weiterm BluUergiessen vorzubeugen, gab dann der 
Staatsrat auf das Ersuchen seiner Freunde hin am 8. Ok- 
tober 1846 seine Entlassung. 

Am folgenden Tag beschloss eine auf dem Molardplatz 
unter dem Vorsitz von James Fazy zusammengetretene 
Volksversammlung die Auflösung des Grossen Katea und 
die Verfassungsrevision, indem sie zugleich eine neue 
provisorische Hegierung bestellte, zu deren Mitgliedern 
James Fazy. Killiet de (.(instant, Decrue. Fontane!, I'ons, 
Gentin, Bordier, Janin, Castoldi und Moulinier gewählt 
wurden. Der am 25. Januar 1K47 erwählte Grosse Hat ge- 
nehmigte das ihm von den Urhebern der Umwälzung vor- 

?elegte Projekt einer neuen Verfassung, der dann am 21. Mai 
847 auch das Volk seine Zustimmung gab. Ihre hervor- 
stechendsten Züge waren : Wahl des aus 7 Mitgliedern be- 
stehenden Staatsrates durch das Volk, Ausdehnung des all- 
gemeinen Stimmrechtes auf die niedergelassenen Schwei- 
zerbürger anderer Kantone und die Alniosengenüssigen, 
Unentgeltlichkeit der Volksschule. Wahl der Pfarrer durch 
das Volk und Kinführung von drei Wahlbezirken (Colleges 
electoraux). Der neue Grosse Rat gab sodann seine Stan- 
desstimmc im Sinne der Auflosung des Sonderbundes ab. 

Mit diesen Vorgängen halle sich Genf in der Person von 
James Fazy einen Diktator gegeben, der bald keiueselbstän- 
dige Mitarbeiter mit eigenem Willen und eigenen Ansichten 
mehr neben sich duldete, so dassdenu auch in der Tat der 
Bruch mit Killiet di* Constanl nicht lange auf sich warten 
liess. 



Wie in Genf, vollzog sich zur gleichen Zeit auch in 
St. Galleu eine allgemeine Schwenkung nach links. Das 
Temperament Baumgartners, der 1831 au der Spitze der 




Luanern, 1-'. November 18*7. | t.mdesbibliotbek Barn). 

Liberalen gestanden, halle sich mit zunehmendem Alter 
abgekühlt. Der Grosse Bat schwankte in der Sache der 
Sonderbundsfrage. »Seit 1845 stimmten stets 75 gegen 75». 
Da gaben die Wahlen im Mai 1847 der liberalen Partei 
den Sieg. « Bei der Kegieriingswahl wurde der inzwischen 
konservativ gewordene Baumgartner übergangen, und zur 
Freude der Freisinnigen in den andern Kantonen gab 
St. Gallen die dreizehnte Standesatimme für Auflösung 
des Sonderbundes. » 

11 . Sonderbuudikrirg. — Hundewerfatsung von 1X4X. 
Während so in andern Kantonen der Freisinn den Sieg 
davontrug, waren in Freiburg die Schullheissen Monte- 
nach. Schaller und Diesbach, die eine von der Mehrheit 
unabhängige Gesinnung zeigten, nacheinander aus dem 
Amte entfernt worden. Am Ö. J un i IKMJ erklärte sich der 
Grosse Bat trotz der warnenden Stimme seines Mitgliedes 
Landersei, der eine Katastrophe prophezeite, mit 51 gegen 
24 Stimmen für den Sonderbund. Ein Versuch der Li- 
beralen von Bulle. Murten und Estavaycr. die konservative 
Regierung mit WatTcnge wall zu sprengen (6. Januar 1847), 
blieb ohne Erfolg. 

Die weilern Ereignisse folgten sich nun Schlag auf 
Schlag. Die Tagsalzuug beschloss am 20. Juli 184/ mit 
14*;, Stimmen die Auflösung des Sonderbundes und am 
16. August mit 13 Stimmen die Buiidesrevision, «wel- 
che seit 1839 fortwährend auf den Traktanden gestanden 
hatte. » Am 2. September beschäftigte sie sich mit der 
Jesuitenfrage. «und jetzl zuerst ergab sich eine Mehr- 
heit gegen den Orden ; doch wählte man die milde Form 
einer Einladung an l.uzern. Schwyz. Freiburg und Wallis, 
die Jesuiten zu entfernen, während allerdings jede künf- 
tige Aufnahme des Ordens von Bundes wegen unter- 
sagt ward. » Dann vertagte sich die TagsaUung auf den 
18. Oktober, «damit in Anbetracht der äusserst schwie- 
rigen l-age und der verhängnisvollen Folgen die Instruk- 
tionen vervollständigt werden könnten. Unter Hinweis 
darauf, das» Europa am Vorabend grosser Ereignisse 
stehe und deshalb im Interesse der Einheit die Beschlüsse 
der Tagsatzung vollzogen werden müssten, entliess Ochsen- 
bei ii », der damals als Regierungspräsident von Bern zu- 
gleich auch an der Spitze der eidgenössischen Geschäfte 
stand, «die Versammlung*. 

Die auswärtigen Kabinelle blieben den in der Schweiz 
sich abspielenden Ereignissen gegenüber nicht untätig. 
Nachdem schon im Frühjahr 1845 anlässlich des zweiten 
Freischarenzugcs die tiesandten Englands und Oester- 
reichs in Paris mit Guizot sich Iwraten halten, nahmen 



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49U 



SCHW 



SCHW 



nun dieser und Metternich, die freilich l>eidc bald gewalt- 
sam gestürzt werden sollten, die konservative Partei der 
Schweix unter ihren Schulz. Im Juli 1846* waren aber in 




Kampf bei (iitlikoo, £1. Novaraber 1817. (Uandeibibliuthek Barn 



England die Whigs mit Palmcrston an dir Spitze der 
(ieschäfte gelangt, was der Guizot'srhcn I'ulilik einen 
bösen Strich durch die Rechnung machte. 

Während der auf die Vertagung der Tagsat/ung fol- 
genden Wochen suchte Metternich den französischen .Mi- 
nister dazu zu bewegen, die Initiative zur Absondung 
einer Kollektivnote der fünf Grossmächte an die Tag- 
satzung zu ergreifen. Der franzosische Gesandte in Lon- 
don. Herzog von Hroglie, hielt darüber dem l.ord I'al- 
merston Vortrag, der seine beiden Kollegen in Paris und 
Wien aber nur zum besten hielt. Kr schien den Gedanken 
einer gemeinsamen diplomatischen Aktion im Prinzip zu 
billigen, machte aber jedesmal, wenn ihm ein Text zur 
Cntei-schrift vorgelegt wurde, eine Reihe vpn Einwen- 
dungen, so dass sich die ganze Sache in die Laase zog. 
Zu gleicher Zeit Hess der Ministerpräsident der Kunigin 
Viktoria dem Vorortspräsidenten mitteilen, er solle die 
Losung des Konfliktes in der Schweiz so viel als möglich 
beschleunigen, damit sich die Mächte vollendeten Tat- 
sachen gegenüber gestellt sähen. 

Da beschlow die am 18. Oktober wieder zusammen- 
getretene Tagsat/ung, « noch einmal den Weg der fried- 
lichen Belehrung und der gütigen Beschwichtigung zu 
betreten, um nicht den Vorwurf übereilter Härte und 
Gewalttätigkeit auf sich zu laden». Während nun die 
zu diesem Zweck abgeordneten eidgenössischen Kommis- 
säre in den hieben Sonderbundskanloneu eine Versöh- 
nung zu stände zu bringen suchten, traf auch die libe- 
rale Mehrheit ihre Masaregeln für den Fall eines kom- 
menden Krieges. Sie übertrug am 81. Oktober das Ober- 
kommando über die eidgenössische Armee dem Ober- 
sten Guillaume Henri Dufour. der den Titel und Bang 
des c Generales * erhielt, und bot die eidgenössische 
Truppenmacht (1U0Ü00 Mann mit 878 Kanonen) auf. Der 
Sonderbund hatte dieser Macht bloss etwa 37000 Mann 
Milizen in it. ST Kanonen, zu denen noch der Landsturm 
mit rund 47500 Mann kam. gegenüber zu stellen. Nach- 
dem der österreichische Fürst von Schwarzenberg den 
ihm angetragenen Oberbefehl Über diese Truppen abge- 
lehnt halte, wählten die Sondernundskaiilone den Ober- 
sten von Salis-Soglio zu ihrem General. Die Würfel Helen 
in der Sitzung der Tagsatzung vom 89. Oktober. An diesem 
Tage « kamen die sieben Orte selbst mit einem fruher von 
Zug geäusserten Vermittlungsvorschlage, dahin gehend, 
dass mau ihnen feierlich fur die Zukunft die l'nantast- 



harkeit ihrer Souvcränetät und ihrer kirchlichen Hechte 
garantiere, dass dann die Jesuitenfrage aus Abschied und 
Traktanden falle und der Sonderbund sich auflöse. Da- 
rauf konnte die liberale Mehrheit, 
welcher eine Beform des, Bundes 
mit Einschränkung der Kanlonal- 
souveränelät allernächst am Herzen 
lag, um so weniger eingehen, als 
auch jetzt wieder das Verlangen ge- 
stellt wurde, dass die Mehrheit ihre 
Hustungen einstelle. Man fand, dass 
letzteres der Minderheit, welche das 
Schwert (;etngen habe, in erster 
Linie anstehe und dass Luzern von 
sich aus die Jesuiten zu entfernen 
habe. Die /wnlfstimmen-Mchrheit 
verwarfile Ii Vorschlag, ha erhob sieli 
Bernhard Meyer und verlas einen 
Protest, den er vorher mit den 
übrigen sonderbündischen Gesand- 
ten verabredet hatte und in wel- 
chem er erklärte, dass für die Ge- 
sandtsehaften der sieben Stände der 
Augenblick gekommen sei, die 
Tagsalzimg zu verlassen Nach been- 
digter Verlesung rief er mit em- 
porgehobenen Händen Gott und 
alle Heiligen zu Zeugen an, dass 
nicht die sieben Stände die Schuld 
am Kriege trügen, und schloss mit 
den Worten : Gott der Allmächtige 
ents< lieide zwischen uns und Euch. 
Der Solothurner Gesandte (Munzin- 
ger) soll dabei gerufen haben : Lasst 
Gott aus dem Spiel! es ist unange- 
messen, seinen Namen anzurufen in einer Sache, die 
nicht göttlicher, sondern teuflischer Art ist. Hoch erregt 
erhob sich Meyer und verlies« nebst den Gesandten der 
andern Sondcrhuiidsstände den Saal. Ks war gegen '- 
Uhr nachmittags. Der Augenblick wirkte erschütternd : 
etliche der Abziehenden waren bis zu Tränen erregt, 
und auch die bisher vermittelnden Gesandten von Basel 
Stadt und Neuenbürg sollen geweint haben. Eine feier- 
liche Pause entstand, die nur durch den I .arm der draus- 
sen grüsseiiden Wachen gestört wurde. » 

Die Wahl Dufour's zum General war eine sehr glück- 
liche. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Militär, son- 
dern auch ein Patriot von reinster Gesinnung, dem poli- 
tische Passionen fern lagen. Sein erstes war. dass er 
eine l'iiiklainalion au die Truppen erliess. in welcher 
er ihnen Mässigung anempfahl und zu bedenken ans 
Herz legte, dass sie gegen Miteidgenoesen zu Felde ziehen 
würden. Er beschloee, zunächst gegen Freiburg vorzu- 
gehen, welche Stadt von 5000 Mann regulärer Truppen 
und 7000 Mann Landsturm unter dem Belehl des Obersten ' 
de Maillardoz besetzt war. Am 13. November Kickten 
30000 Mann eidgenössischer Truppen mit 60 Kationen 
gegen die Stadt, die einsah, dass Widerstand unnütz sei. 
Nachdem der Freiburger Regierung noch am seihen Tag 
ein Waffenstillstand gewährt worden war. kapitulierte 
sie am Morgen des 14. November. Die Verluste betrugen 
7 Tote und 50 Verwundete. • Die Kapitulation von Frei- 
burg war ein Donnerschlag fur den Sonderband ■ sagt 
Dufour. 

Während Dufour an der Saane operierte, war der Ge 
neral von Salis-Soglio ins Freiamt eingerückt. Am 
Morgen des 18. November hatte er Sins erreicht, wo 
sich seine Truppen unter dem Schutze eines dichten 
Nebels der Beussbrücke zu bemächtigen suchten. So- 
bald den Eidgenossen dieser Plan olTenbar geworden, 
erhielt Major Bruppacher aus Zürich den Befehl, sich mit 
drei Kompagnien Infanterie zur Schiffsbrücke bei Lün- 
ne rn zu hegeben, den Oberbefehl über die schon dort be- 
findlichen Truppen zu übernehmen und die Brücke zu 
verteidigen. Der am Nachmittag sich entspinnende Kampf 
dauerte funl Stunden und endigte mit der Niederlage 
der sonderbündischen Truppen. Damit hatten die Eid- 
genossen ein beträchtliches Kriegsmaterial gesichert und 
eine grosse Anzahl von im Thal der Beuss gelegenen 
zürcherischen Ortschaften vor Schaden bewahrt. 



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SCI1W 



scnw 



Du Tour konzentrierte nun seine Divisionen in weitem 
Bogen um Luzern. Am "23. November unternahm er den 
Angriff auf Gislikon. wo sich General von Salis festgesetzt 
hatte. Die 7. Division (Ochsenbein ) rückte durch das 
Entlebut-h vor, wahrend die 4., 5. und 6. Division mit der 
Heservearlilleric dem Heusslauf nach aufwärts vorge- 
drungen waren. Zu gleicher Zeit näherten sich die 2. und 
3. Division ([turckhanit und Donat) /wischen den »rucken 
von Wolhusen und Gislikon der Kleinen Emme und der 
Heus«. Der Hauptangriff war der 4. und 3. Division (Ziegler 
und Gmür) übertragen worden, die gegen das befestigte 
Lager der Sonderbundstruppen anstürmten. Oberst Ziegler 
bemächtigte sich der Drücke von Gislikon und der Stal- 
lungen uro Hönau, während Oberst Gmür die Hohen von 
Meierskappel erstieg. Durch einen wuchtigen Gegen- 
sloss gelang es General von Salis. seine Gegner für einen 
Augenblick /.um Stehen zu bringen, als ihn eine von 
Oberst Denzler geschickt aurgestellte Hemer Datlerie zum 
Weichen zwang. • Hei anbrechender .Nacht räumte Salis, 
der trotz schweift- Verwundung durch einen Granat- 
splitter noch ausgehalten hatte, das Feld ». Während die 
gegen Immense« zurückgeworfenen Schwyzer sich auf 
Arth und Goldau zurückzogen, nahmen die Luzerner ihren 
Rückzug gegen die Stadl Luzern, wo ihre Ankunft eine 
wahre Panik hervorrief. Der um 10 L'hr Morgens begon- 
nene Kampf bei Gislikon war um 4 l'hr Abends ent- 
schieden. « Auf eidgenössischer Seile zahlte man vierzehn 
Tote und vierund.iclit/ig Verwundet»' : auf Seiten der Geg- 
ner zwölf Tote und M\einnd\ierzLg Verwundete. In Luzern 
herrschten Angst und Verwirrung. Die Fuhrer sahen den 
Boden unter den Küssen wanken und gaben alles ver- 
loren. Siegwart-Müller, Keniiiard Meyer, diu Priester'* 
nartei und wer überhaupt konnte. Hohen alle auf einem 
Dampfboot nach Flüelen ; auch Salis lolgte, nicht ohne 
bittere Verwünschungen. I'eber diese Flucht der Führer 
waren die Truppen sehr erbittert ; sie sahen sich gänzlich 
verraten und f.rvisgcg.-bcu. Mir Studl kapitulierte, und 
am 44. November hielt da-, Uro.« «loa eidgenössischen Ar- 
mee sein- ii Einzug ... Der einzige Erfolg, den dcrSonder- 
bund errungen, war einige läge früher die l'eberrum- 
pelung der Tessiner Trup|ien des Obersten Luvini durch 
die I mcr bei Airolo gewesen, die den Gotthardpass in 
deren Hunde brachte. Am 23.. 26. und 27. November 
kapitulierten nacheinander Inlerwalden. Sehwyz und t ri, 
denen am 29. auch das Wallis folgte, wo Oberst Hilliet 
mit seinen Tni|>|>en ;uu :!o. in Sitten einnickte. 

Damit war der lYldzug, der bloss zwanzig Tage gedauert 
hatte, bcon.li^i . Die Kosten beliefen sieh auf eine be- 
trächtliche Summe, die man zu 2o Millionen Fr. geschätzt 
hat. Die über 6 Millionen Fr. betragenden Kosten der 
eidgenossischen Armee legte man den Desiegten auf, 
denen aber der eidgenössische Gemeinsinn in der Weise 
zu Hilfe kam, dass in der ganzen Schweiz ohne Unter- 
schied der Parteiangehorigkeit freiwillige Beiträge ge- 
zeichnet wurden. Nach einigen Teilzahlungen erliess dann 
auch die Bundesversammlung im Jahr 1832 den beteiligten 
Kantonen den liest ihrer finanziellen Verpflichtungen aus 
dem Sonderbundskrieg. « Die beiden Kantone, welche 
ihrer Bundespflicht nicht nachgekommen waren. Neuen - 
bürg und Appenzell 1. It.. hatten noch eine Strafe zu ge- 
wärtigen -.jener musslelllfOOOO. dieser 15000 Fr. bezahlen». 
Eidgenössische Kommissare wurden in die Sonderbunds- 
kantone geschickt, um deren politische Neugestaltung 
zu überwachen. Im Januar 1848 nahmen die Abgeordneten 
von Uri. Sehwyz. L'nlerwalden. Zug, Luzern, Freiburg 
und Wallis ihre Sitze an der Tagsatzung wieder ein und 
konnten die eidgenössischen Truppen entlassen werden. 

Unter dem Schutt der eidgenössischen Kommissäre 
und Besetzungstruppen trat in den Sonderhundskantonen 
ein allgemeiner Umschwung in der Hegierungsform ein. 
Es wurden lauter liberale Regierungen gewählt, zum Teil 
auch neue Verfassungen geschaffen und die Jesuiten end- 
gillig aus dem Luid ausgewiesen. 

Sobald das Werk der Pazilikation der Eidgenossen- 
schaft durchgeführt war, machte sich die Tagsalzung 
von Neuem an die Arbeit der itevision des Bundcs- 
vertniges. Am 17. Februar 1848 beauftragte sie eine 
aus 23 Mitgliedern (Kern, Furrer. Druey etc.) bestehende 
Kommission mit der Ausarbeitung einer neuen Ver- 
fassung. Diese Kommission erledigte ihre Aufgabe mit 



. wirklich hervorragendem Geschick und hütete sich 
sorgfältig vor den Irrtümern, denen die Verfassungs- 
rate der helvetischen Periode verfallen waren. Der 
aus ihren Händen hervorgegangene Entwurf darf als 
ein Meisterstück in der Kunst, die moralische und politi- 
sche Einheit der Schweiz mit der Verschiedenartigkeit 
der kantonalen Einrichtungen in Einklang zu setzen, be- 
zeichnet werden und sicherte einen ungeahnten Auf- 
schwung der nationalen Wohlfahrt. >> Am 13. Mai kam die 
Tagsalzung zusammen . . . Nach zwei Sessionen schlössen 
am 27. Juni die Beratungen mit dem Ergebnis, dass 13'y, 
Stande für den Entwurf stimmten (jedoch mit Vorbehalt 
der Genehmigung durch dje betreuenden Ortsregierun- 
gen i. 7'/g Stände sich aufs « Heimberichlen » beschränkten 
und bloss einer — nämlich Sehwyz — verwarf » — Die 
hierauf in den Kantonen veranstalteten Volksabstimmun- 
gen ergaben im ganzen 1611743 Ja gegen 7181)9 Nein, 
u Wenn man erwagt, wie wenig das Schweizervolk da- 
mals noch in allgemein - vaterländischen Fragen zu 
entscheiden sich gewohnt war, und bedenkt, wie tief die 
neue Verfassung in die Kantonalsouveranelat einschnitt, 
so ist .l.i- Ergebnis immerhin ein recht schönes zu nen- 
nen. Verworfen li.it Leu Tri, Sehwyz, l'nlerwalden, Zug, 
Appenzell I. lt., Wallis und Tfessin i letzterer Kanton nur. 
weil er sich in seinen materiellen Interessen geschadigt 
glaubte;. Gestützt auf dieses llesullat erklärte die Tag- 
salzung am 12. September die Bundesverfassung als ange- 
nommen. . . I iitieweint sanken die allen Einrichtungen 
ins Grab, und die Schweiz trat in eine neue — wir 
dürfen wohl sagen glückliche - .Vera ». 

Eine der hauplsichlich-ien Neuerungen war die der 
Verfassung der Vereinigten Staaten von Nordamerika ent- 
lehnte Teilung der liun.le>k'ersanimlung in zwei getrennte 
Hüte: den aus je zwei Abgeordneten per Kanton bestehen- 
den Ständerat und den Nationalr.it, der alle drei Jahre 
vom Volk in direkter Wahl neu bestellt wird und in dem 
..uf je 20 (MIO Seelen ein Mitglied kam. Die vollziehende 
Gewalt wurde einem Bundesrat von 7 Mitgliedern über- 
tragen, der alle drei Jahre von der aus den beiden Kam- 
mern bestehenden Hundert i^mmlung zu wählen war. 
Dabei sollten nun gewis*e Kompetenzen (wie Wahl der 
Ofll ziere, der diplomatischen Vertreter der Schweiz im 
Auslände, der eidgenossischen Kommissäre etc.). die 
früher der Tagsatzung zugestanden hatten, dem neuen 
Bundesrat ubertragen sein. Ein aus 11 Mitgliedern, deren 
Funktionen aber nicht ständige waren, bestelltes Bundes- 
gericht sollte in allen den Killen entscheiden, wo Kan- 
tone miteinander in Konflikt geraten würden Als Silz 
der Hundcshehörden wählte man später (28. November 
1848) die Stadt Bern. 

Der Eidgenossenschaft wurden der Ertrag der Zölle, 
sowie das Post-, Münz- und Pulverregal zugesprochen, 
wobei man zugleich Mass und Gewicht vereinheitlichte 

i (das Pfund zu ijOO gr und der Fuss zu .'10 Zentimeter als 
Grundlage genommen). Der Bund erhielt den Auftrag, 
öffentliche Werke gemeinnütziger Art auszuführen oder 
zu unterstützen. Fei ner enthielt die neue Verfassung eine 
Reihe von Bestimmungen betr. die Glaubensfreiheit, die 
Rechtsgleichheit, die freie Niederlassung, die Pressfrei- 
heit, das Vereinsrecht, das Pclitionsiechl, die Freiheit in 
Gerichtssachen, sowie die Handels- und Gewerbefrei- 
heit. 

Im Militärwesen bestand die wichtigste Neuerung darin, 
dass der Bund mit der Instruktion der Genietruppen, der 
Artillerie und der Kavallerie beauftragt wurde. « Es 
wurde gesetzlich der altgermanische und echt schweize- 
rische Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht ausge- 
sprochen... Der höhere Unterricht sollte durch Errichtung 
einer eidgenössischen polytechnischen Schule und einer 
eidgenössischen Universität gefordert werden. 

« Am 6 November 1848 trat die erste Bundesversamm- 
lung der neuen Eidgenossenschaft h, die nun aus einem 
Staatenbund zu einem Bundesstaat geworden. *in dem da- 
maligen Vororte Bein zusammen und wählte nach Vor- 
, schrift der Verfassung den ersten schweizerischen Bundes- 
, rat ». der aus dem Zürcher Furrer, dem Berner Ochsen- 
1 bein, dem Waadlländer Druey, dem Suluthurncr Munzin- 
i ger, dem Tessiner Franscini. dem Aargauer Frei-Herose 
i und dem St. Galler Naell bestellt ward. Erster Dundes- 
1 prasident wurde Jonas Furrer. erster Kanzler der Eidge- 



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nosaenschaft der Appenzeller Schien und Vorsitzender 
des Bundesgerichte» Dr. Kern. 

fV. Di« Schu-riz unter der liundeswrfantunij eoti 
/#4#. Die Verfassung von 1848 darf als ein wahres Mei- 
sterwerk bezeichnet werden, das die nebeneinander be- 
stehenden fünfundzwanzig Republiken, die ihre Interes- 
sen aufgetrenntem Wege zu verfolgen pflegten und einzig 
zum Zweck der gemeinsamen Verteidigung nach Aussen 
einig waren, zu einem harmonischen Ganzen zusammen- 
fügte. 

Her Bund entwickelte sogleich eine auf den verschie- 
densten Gebieten »ich betätigende, lebhafte gesetzgebe- 
rische Tätigkeit : Organisation, des Postwesetis. Einbürge- 
rung der Heimatlosen. Regelung der gemischten Ehen, 
eidgenössische» Strafrecht. Expropriation im Interesse 
öffentlicher Werke (ein für die Ausgestaltung des Eisen- 
bahnwesens unerlässliches Gesetz). Vereinheitlichung von 
Mass und Gewicht, von Telegraphen-, Zoll- und Mililär- 
wesen, Anhandnahme öffentlicher Werke etc. Der ersten 
ttahnlinie von St. Ludwig i Elsas») nach Basel im Jahr 
1844 fuljjie schon 1847 die Linie von Zürich nach Baden. 
1845» stellte Alfred Escher im Schosse der Bundesver- 
sammlung den Antrag, o Vorbereitungen zum Bau eines 
Eisenbahnnetzes zu treffen ... Im Sommer 1852 ent- 
schied der Nationalrai ohne alle und jede Diskussion mit 
68 gegen 22 Stimmen für den Privatbau. und der Stände- 
rat schloss sich hierin an.» 

Die Ereignisse in Italien sollten die neue Eidgenossen- 
schaft auf eine erste Probe ihrer Lebens- und Leislungs- 
fihigkeit Millen. Im Frühjahr 1848 hatte König Karl Albert 
von Sardinien an die Tagsatzung das Ansuchen gestellt, 
durch Aussendung von 30000 Mann an der Befreiung 
Italiens sich zu beteiligen. Dieses Bündnis mit Sardinien 
kam am 16. und 18. April auf der Tagsatzung zur Beratung. 
Von Stämplli. James Fazy und Druey befürwortet, von 
Ochsenbein dagegen energisch bekämpft, wurde es mit 
15 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Als dann der Krieg aus- 
brach, eilten trotz ergangenem Verbot zahlreiche Freiwil- 
lige unter die Fahnen Karl Alberts. während die Behörden 
sich strenge innerhalb der Grenzen hielten, die ihnen 
die Pflicht der Neutralitat vorschrieb. So wurden die 
italienischen Flüchtlinge aus dem Teasin ausgewiesen, als 
Mazzini dort eine militärische Expedition gegen die Lom- 
bardei vorbereiten wollte. Von den in den Jahren 1848 
und 1849 in grosser Zahl in der Schweiz Schutz suchen- 
den politischen Flüchtlingen (WOO-IOOrjOi wie* der Bun- 
desrat alle diejenigen aus. die unsere Gastfreundschaft 
misshrauchten. Einige Jahre später hätten die Umtriebe 
von Mazzini auf ein Haar zu einem Konflikt mit (»ester- 
reich geführt. 

Die Aufregung, die im Zeilraum 1830-1848 die Mehrzahl 
der Kantone erschüttert hatte, legte sich nach und nach. 
Während sich das radikale Regiment in St. Gallen. Thur- 
gau. Solothurn und Aargau verschärfte, wandten sich 
andere Kantone wieder dem konservativen oder liberalen 
Regiment zu. Dies war der Fall in Tessin, Bern, Freiburg. 
Waadt. Genf und Zürich. Doch dauerte der Rückschlag, 
mit Ausnahme von Freiburg, nicht lange an. In Bern 
hatte die Masslosigkeit der radikalen Führer einer lebhaf- 
ten Missstimmung gerufen, so das» im Jahr 18.T0 die 
Konservativen und Liberalen von 1830 wieder ans Stials- 
ruder gelangten. In Freiburg fiel 1857 das radikale Regi- 
ment nach einigen aufgeregten Jahren, und /war haupt- 
sächlich wegen der Massnahmen, die es gegen die Geist- 
lichkeit ergriffen, und wegen der Ausweisung des Bischefes 
Marilley. Auch die Tessiner Radikalen, die aggressiv gegen 
die Geistlichkeit vorgingen und mit den fomhardischen 
Flüchtlingen Beziehungen unterhielten, wussten sich 
bald die Volksgunst /u verscherzen. 

Im Kanton Waadt fiel das radikale Regiment von 1845 
infolge »einer feindseligen Stimmung gegen den Kantons- 
hauptort und seiner Su-Ilung in der Frage der religiösen 
Freiheit. Es kam zu einer Trennung unter den Radikalen 
seihst, von denen sich ein Teil, worunter Kytel. mit den 
1861 ans Ruder gelangenden Liberalen verbündete. Zur 
gleichen Zeit verlor die radikale Partei auch in Genf an 
Boden, indem ihr der Despotismus von James Fazv und 
die finanzielle Misswirtschaft die Wähler entfremdeten, 
die nun Camperio und Cheneviere mit der Leitung der 
Staatsgeschäfte betrauten. Die Wahl dieses letztem an 



Stelle von Fazy (22. August 1864) machte sogar eine eid- 
genössische Intervention nötig. 

Dank dem Gang der Ereignisse in der Schweiz, in Frank- 

1 reich (Februarrevolution von 1848) und Deutschland ver- 
mochten nun auch die Neuenburger Republikaner sich 
zur staatlichen Selbständigkeit durchzunngen. Die eid- 
genössischen Farben wurden am 29. Februar 1848 ioLocJe, 
sowie am 1. März 1848 in Chaux de Foods, im Val de 
Travers und in I<es Brenets gehisst. Am selben Tag be- 
setzte Fritz Courvoisier, der an der Spitze einer republi- 
kanischen Kolonne von 1400 Mann in die Hauptstadt her- 
untergestiegen war. das Schloss zu Neuenburg, wo nun 
eine provisorische Begierung unter dem Vorsitz von Marie 
Alexis Piaget eingesetzt wurde. Am 30. April genehmigte 
das Neuenburger Volk die ihm vorgelegte republikanische 
Verfassung mit 5813 gegen 4395 Stimmen, worauf sie auch 
die Tagsatzung unverzüglich gewährleistete. Der Konig von 
Preussen, der durch die zur selben Zeit in Berlin sich 
abspielenden Ereignisse in Anspruch genommen war, 
entband seine Neuenburger Untertanen ihres Treueides. 
Die monarchische Opposition lag aber noch nicht völlig 
am Boden. 1852 fand in Valangin eine grosse roya listi- 
sche Kundgebung statt. Vier Jahre später organisierten 
die eifrigsten Royal islen anlässlich der Spaltung, die die 
Frage der Eisenbahnen ins Volk gelragen hatte, einen 
bewaffneten Aufstand. Am 2. September 1856 bemäch- 
tigte sich der Oberst de Meuron mit einigen hundert 
Mann des Schlosses Neuenburg, während zugleich 400 

| Mann unter dem Obersten von Pourtales Locle besetzten 
und dann gegen Chaux de Fonds vorrückten, wo sie aber 
durch die Republikaner unter Major Girard zum Ruckzug 
gezwungen wurden. Eine andere Kolonne unter Oberst 
Denzlcr brachte auch das Schloss Neuenburg wieder in 
die Gewalt der Republikaner, die dessen 530 Mann starke 
Besatzung gefangen nahmen, nachdem l'nterhandlungeo, 
die die am 3. September angekommenen eidgenössischen 
Kommissäre Frei-Ilerose und Fornerod mit den royali- 
stischen Führern angeknüpft, erfolglos geblieben waren. 
Obwohl die preussische Regierung dem von ihren An- 
hängern ins Werk gesetzten • Neuenburger Putsch » voll- 
kommen fern gestanden hatte, hielt sich doch König 
Friedrich Wilhelm IV. für moralisch verpflichtet, die Frei- 
lassung der Gefangenen zu fordern. Darauf konnten aber 
die eidgenössischen Behörden so lange nicht eingehen, 
als sich der Konig nicht vorher zu der formellen Ver- 
pflichtung verstehen sollte, den im Jahr 1848 vollzogenen 
Tatbestand anzuerkennen. Die Lage gestaltete sich nun 
äusserst schwierig. Während der König sich vertraulich 
um die Vermittlung Napoleons III. bemühte, suchte der 
Bundesrat seinerseits diejenige Englands nach. Als sich 
Napoleon über diese Einmischung Englands erboste, ver- 
schlimmerten sich die internationalen Beziehungen der 
Schweiz. Am 29. November erklärte der Preussenkönig. 
die Ehre der Krone mit allen Mitteln wahren zu wollen, 
worauf er von den süddeutschen Fürsten die Bewilligung' 
für einen Trui>nendurrhmarsch erwirkte. Diese Drohung 
löste in der Schweiz eine wahre Begeisterung für die 
Verteidigung der guten Sache Neuenbürgs aus. « Zuerst 
wieder seit den Burgunderkriegen offenharte sich die 
kriegsmutige und kriegsfrendige Neigung der ganzen Na- 
tion. Alle Stände und Parteien der Bevölkerung waren 
einig in dem Grundsatz : Alle für Einen und Einer für 
Alle. Alle standen für die Freiheit des einen Kantons 
Neuenbürg ein, als ob es ihre eigene anginge. Alle waren 
begeistert für die Wahrung der Ehre des Vaterlandes, 
und wenn es auch zu einem Kampfe mit einer Grossmacht 
führen müsste . . . Auch diejenige Partei, welche zehn 
Jahre vorher im Bürgerkrieg erlegen war. trat mit dem- 
selben Eifer für festes Zusammenhalten und energisches 

i Beharren ein, wie ihre frühem Gegner . . . Getragen von 
solch entschlossener Gesinnung des Volkes trafen aie Räte 
die entscheidenden Anordnungen für den Krieg. Am 
20. Dezember zeigte der Bundesrat den Ständen den Ab- 
bruch der Beziehungen zu Preussen an, berief eine ausser- 
ordentliche Bundesversammlung und ersuchte die Stände, 
Bumlesuuszug. Reserve und Landwehr so in Stand zu 
setzen, das» im Interesse des Vaterlandes darüber verfügt 
werden könne. Mit freudiger Begeisterung nahm man 
diese Besch lüase auL Der Grosse Bat von Bern war der 
erste, welcher einmutig unbeschrankten Kredit zurTrup- 



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penaufstellung bewilligte, und nicht anders handelten in 
rascher Folge auch alle übrigen Kantone. » Anfang» Ja- 
nuar deckten nahe an 30000 Mann die Rheingrenze von 
Kasel bis Romanshorn. nachdem General Dufotir von 
neuem mit dem Oberbefehl über die eidgenössischen 
Truppen beauftragt worden war. 

Da regte sich in ganz Europa die öffentliche Meinung 
tu gunsten der Schweiz. Napoleon trat neuerdings als 
Vermittler auf und brachte nach langwierigen l nter- 
handlungen eine Versöhnung der beiden Maaten zu stände. 
Im Vertrag von Paris vom 26. Mai 1857 » vernichtete der 
König auf ewige Zeiten für sich und seine Krben auf die 
Souveränelätsrechte über Neuenbürg, und der Staat 
.Neuenburg wurde als Glied der schweizerischen Eid- 
genossenschaft, mit den gleichen Hechten wie alle andern 
Kantone erklart ». 

Obwohl die Bundesverfassung von 1848 den Abschluss 
von Militärkapitulationen untersagt hatte, wirkten doch 
diejenigen, die schon vorher mit dem Konige von Neapel 
i'ingegangen worden waren, immer noch fort. Mehr als 
einmal lud man den Bundesrat ein. der geheimen Re- 
krutierung ein Ende zu machen. Als dann am 7. und 
8. Juli 1859 in Neapel Wirren ausbrachen, entschloss sich 
der Konig just in dem Augenblick zur Entlassung seiner 
getreuen Regimenter, da er deren Beistand zur Verteidi- 
gung seines Reiches gegen Piemonl nötig gehabt hatte. 
Ins folgende Jahr f:illt die Annexion Savoyens durch 
Frankreich. Bei Beginn des italienischen Feldzuges von 
1850 hatte der Bundesrat von den Signatarmächten des 
Wiener Vertrages, sowie von Sardinien die Zusicherung 
des der Schweiz zustehenden Rechtes auf die Besetzung 
Savoyens im Kriegsfalle erbeten. Eine von ihm gewünschte 
Konferenz kam aber wegen der zu rasch sich vollziehen- 
den Ereignisse nicht zu stände. Anlässlich des Friedens- 
schlusses beharrte die Schweiz darauf, dass ihrem Recht 
Rechnung getragen werde. Obwohl nun Napoleon in 
einem gegebenen Augenblick sich zur Abtretung der Land- 
schaften Chablais und Faucigny an die Schweiz geneigt 
/u zeigen schien, ging er später nicht mehr auf diesen 
Gedanken ein. sodass sich die Annexion Savoyens trotz 
aller Versuche des Bundesrates, die Hofe von London 
und St. Petersburg für seine Sache zu interessieren, aus- 
schliesslich zu gunsten von Frankreich vollzog. 

Im Jahr 1865 wurde ein Anlauf zu einer Teilrevision 
der Bundesverfassung gemacht, die sich auf folgende 
Punkte erstrecken sollte : Einführung des Metersystems 
in Mass und Gewicht ; freie Niederlassung ; Gleichstellung 
des niedergelassenen Schweizerhurgers mit dem nieder- 
gelassenen Kantonsbürger in Gemeindeangelegenheiten ; 
Regulierung der Besteuerung und der zivilrechtlichen 
Verhältnisse der Niedergelassenen ; Erteilung des Stimm- 
rechtes im Kanton an die Niedergelassenen vom Tag der 
Niederlassung an ; völlige Glaubensfreiheil und freie Aus- 
übung des Gottesdienstes auch ausserhalb des christlichen 
Bekenntnisses; die Möglichkeit, gewisse Strafarten iz. B. 
Prügelstrafe) durch Butidesgesetz zu verbieten ; Schutz 
des Titerarischen und künstlerischen Eigentums ; Erteilung 
des Rechtes an den Bund, Gesetze gegen Loterie- und 
Hazardspiele zn erlassen. In der Abstimmung vom 14. 
Januar 186« nahm dann aber das Volk bloss den Artikel 
der Niederlassungsfreiheit an. während es alle übrigen 
verwarf. 

Um die nämliche Zeit machte der demokratische Slaats- 
gedanke in verschiedenen Kantonen erfreuliche Fort- 
schritte, die durch die Aufnahme des Rechtes der Initia- 
tive, des fakultativen Referendums und der direkten 
Wahl der vollziehenden Behörde durrh das Volk in die 
resp. Verfassungen sich charakterisieren. Diese Weiter- 
entwicklung vollzog sich 1863 in Basel Land, sowie 1865 
und 1868 60 in Zürich. Iiier regnete es von Pamphleten 
gegen den überwiegenden Einfluss von Alfred Escher und 
aas sog. • System ». Die von Locher. Bleuler. Vogclin. 
Ziegler u. A. energisch geführte Kampagne führte zu der 
neuen Verfassung vom 18. April 1869. Der Thurgau revi- 
dierte »eine Verfassung am 28. Februar 18611, Luzern 
führte am 14. Marz 1869 das fakultative Referendum. Bern 
am 4. Juli 1869 das obligatorische Referendum. Sololhurn 
und Aargau das obligatorische Referendum und die Initia- 
tive am 10. Oktober 1869. bezw. im Jahr 1870 ein. 

Fragen betreffend das Bank- und das Eisenbahnwesen 



SCHW 423 

standen damals beständig auf der Tagesordnung der Räte. 
Zur Erleichterung des Kreditwesens entstanden in verschie- 
denen Kantonen Staatsbanken. Auch die von Stämplli 
1863 verfochtene Idee des Rückkaufes der Eisenbahnen 
machte aich schon damals geltend. Die Frage des Alpen- 
durchstiches gab 1867 Anlas« zu einem internationalen 
Uebereinkommen, das von den eidgenossischen Räten 
nach stürmischen Debatten am 22. Juli 1870 genehmigt 
wurde. 1869 brachte der Waadtländcr Nalionalrat Louis 
Kuchonnet eine Motion über Beseitigung der Ehehinder- 
nisse und die biindesgcsetzlicljie Regulierung des Ehe- 
rechtes vor die Häle, die sich zu einem 1872 abgelehnten 
Versuch der Revision der Verfassung auswuchs. Inzwi- 
schen war der deuUch-französischc Krieg ausgebrochen, 
der die Schweiz zur Mobilisation \on 350U0 Mann und 
zur Grenzbesetzung veranlasste und uns die Internierung^ 
der 85000 Mann starken Armee des Generals Rourhaki 
brachte. 

1873 nahm man die Frage der Verfassungsrevision von 
neuem an die Hand, diesmal mit Erfolg, indem das 
Schweizervolk am 19. April 1874 den neuen Entwurf ge- 
nehmigte. «Das Ergebnis war ein glänzendes : Ii 1 , Kan- 
tone und 340199 Volksstimmen für Ja. bloss 7V. Kantone 
und 198013 Nein. An dem herrlichen ersten Frühlings- 
tag des 20. April feierle das revisionsfreundliche Schwei- 
zervolk von Berg zu Berg, von Thal zu Thal unter Kano- 
nendonner, Freudenfeuern und patriotischen Lieder- 
klängen den Eintritt in eine neue Aera.» 

Diese von den eidgenössischen Räten am 29. Mai 1874 
in Kraft erklärte « Bundesverfassung der schweizerischen 
Eidgenossenschaft ». die seither in einigen Punkten abge- 
ändert worden ist. besteht bis zum heutigen Tage zu 
Recht. Sie war das Resultat einer Verständigung zwischen 
den Zentralisations- und den föderalistischen Tendenzen 
und erteilte den Bundesbehörden ausgedehntere Kompe- 
tenzen namentlich im Militärwesen. Der Bund übernahm 
nun den gesamten Mililarunlerricht aller Truppengattun- 
gen, die unentgeltliche Bewaffnung und die Gesetzgebung 
uber das Militärwesen. Er erweiterte seine gesetzgebe- 
rische Tätigkeit (Gesetz betr. das Zivilstandswesen, Obli- 
gationenrecht, Gesetz betr. Schuldbetreibung und Kon- 
kurs, F'abrikgeselz etc.). Während die Ausübung der 

; Hechtspflege den Kantonen überlassen blieb, wandelte 

( man das Rundesgericht als Rekursinstanz in Sachen der 
Auslegung der eidgenössischen Gesetze zu einem ständi- 
gen Gerichtshof um, als dessen Sitz 1874 Lausanne be- 

I stimmt wurde. 

Eine wichtige Neuerung bedeutete die Einführung des 
fakultativen Referendums: Kundesgesetze, sowie allge- 
mein verbindliche Biindesbeschlüsse. die nicht dring- 
licher Natur sind, sollen dem Volke zur Annahme oder 
Verwerfung vorgelegt werden, wenn es von 30000 stimm- 
berechtigten Schweizcrbürgern oder von 8 Kantonen ver- 

I langt wird. 

Die Verfassung von 1874 enthält ferner Bestimmungen 
über kirchliche und religiöse Fragen, die sich in den 
frühern Entwürfen nicht fanden und durch damals 
noch ganz frische Vorfälle veranlasst worden waren. Als 
drei Priester des Bistums Basel, die erklärt hatten, sich 
dem Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes nicht fügen 
zu wollen, vom Bischof Lachat in ihren Funktionen ein- 
gestellt wurden, setzte die Diozesankonferenz mit allen 
gegen die Stimmen von Zug und Luzern am 29. Januar 
1873 den Bischof ab. Zugleich verbot Bern der katholi- 
schen Geistlichkeit jede Gemeinschaft mit dem abgesetz- 
ten Bischof i L Februar 1873 1. « Hieraufentsetzte die Berner 
Regierung neunundsechzig Priester im Jura, welche gegen 
diese Massregel protestierten. Darob entstand grosse Auf- 
regung im Jura; Bern musste Militär schicken und ging 
im Uebereifer so weit, die widerstrebenden Geistlichen 
auszuweisen. Allein nach der Bundesverfassung war Aus- 
weisung von Schweizerbürgern nur gestattet bei wieder- 
holter Begehung schwerer Verbrechen, und der Bundes- 
rat verlangte darum Rücknahme dieser Verfügung. Nur 
ungern entschloss sich Bern dazu und hielt sich hernach 
schadlos durch Erlass eines freisinnigen Kirchengesetzes. 
| Gegen alle diese Vorgänge sprach sich der Papst in einer 
Enzyklika vom 21. November 1873 so scharf aus, dass der 
| Bundesrat seine Verbindung mit Rom abbrach' und dem 
I Nuntius Agnozzi seine Passe gab. Tatsächlich wurde da- 



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SCIIW 



SCHW 



mit die Nuntiatur aufgehoben »-. Zu eben dieser Zeit strebte 
Kaspar Mermillod, Pfarrer in Genfund Bischof von Hebron 
in partibut, darnach, das Bistum Genf wieder herzu- 
stellen. AU auf Mein Drängen hin der Papst den Kanton 
Genf vom Bistum Lausanne, dem er 1819 angegliedert 
worden war, lostrennte, erhob sich sowohl in Genf selbst 
als auch in der ganzen Eidgenossenschaft eine lebhafte 
Missstimmung. Aufgefordert, sein« neue Würde als Bischof 
von Genf niederzulegen, weigerte sich Mermillod densen. 
Nnn wies der Bundesrat im Einverständnis mit dem 
Genfer Staatsrat den renitenten Priester 1873 für so lange 
aus der Schweiz aus. als er auf seinen Titel nicht verzich- 
ten wollte. Gegen diesen Beschluss wurde an die Bundes- 
versammlung rekurriert, die aber die Ausweisung' aufrecht 
erhielt. In diesen Konflikten hatten Personenfragen eine 
grosse Rolle gespielt. In der Folge errichtete dann der 
h. Stuhl im Win ein apostolisches Vikarial, da» dem 
Namen nach dem Bistum Basel unterstellt und zu dessen 
Verweser der Erzbischof von Damielle in partihu» und 
frühere Bischor von Basel Lachat ernannt wurde. Als 
dann auch der Bischofssitz von Lausanne frei ward, 
wurde Mermillod an diese Stelle berufen, wodurch der 
Kanton Genf mit Zustimmung des Papstes wieder zum 
Bistum Lausanne kam. 

Diese Ereignisse, der sog. • Kulturkampf», fühlten dazu, 
dass in die neue Bundesverfassung ein Artikel aufgenom- 
men wurde, der die Errichtung von Bistümern auf 
schweizerischem Boden ohne Genehmigung des Bundes 
untersagt, und sich in Genf und Bern von Born unab- 
hängige sog. « altkatholische ■> hultusgemcinden bildeten, 
welche neue Kirche sich rasch über die ganze Schweiz 
ausdehnte und in der Person des Pfarrers Herzog einen 
eigenen Bischof gab. 

13. Die »Vr/iu'c»: unter der liunde-tterfamunfj von 1X14. 
Mit dem Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1874 be- 
ann für die Schweiz eine Zeit gesetzgeberischer Tätig- 
eit wie nie vorher. Als Schwierigkeit erwies sich zu- 
nächst die Verpflichtung, dem Referendum Rechnung zu 
tragen, welches Volksrecht den zentralistischen Bestre- 
bungen der eidgenössischen Rate oft einen Zügel anlegen 
sollte. Einige Aufsehen erregende Niederlagen Hessen die 
gesetzgebenden Organe des Bundes zu der Erkenntnis 
kommen, dasa sie einerseits der katholischen und andrer- 
seits der welschen konservativen (föderalistischen) Minori- 
tät Rechnung tragen müsslen. wenn sich die Institutionen 
unseres Landes gedeihlich entwickeln sollten. Nur mit 
Muhe vermochte 1875 das Bundesgesetz über Zivilstand 
und Ehe mit 213199 gegen 206009 Stimmen durchzu- 
dringen, während zur gleichen Zeit ein Gesetzesvorschlag 
helrellend das Stimmrecht der Schweizerhurger mit 
207263 gegen 202583 Stimmen unterlag. Diese Abstim- 
mungen zeugten von einer allgemeinen Unzufriedenheit, 
die sieh auch weiterhin geltend machte Das Fabrikgesetz 
von 1877. das das Prinzin des 11 stündigen NormalarbeiU- 
tages aufstellte, siegte bloss mit einer geringen Mehr- 
heit, während ein erster Gesetzeavorschlag betr. die 
Banknotenemission vom Volke mit grosser Mehrheit ver- 
worfen wurde. Das Gesetz uber die Militärorganisation 
von 1874 war dem Heferendum glücklich entgangen. Als 
dann die durch dasselbe verursachten Ausgaben alle Vor- 
aussicht überstiegen, musste man, um dem drohenden 
Defizit vorzubeugen, einige seiner Bestimmungen revi- 
dieren, in allen Zweigen der eidgenössischen Verwaltung 
ein striktes Sparsystem einfuhren und die Posl- und Tele- 
graphentaien erhoben. Die allgemeine wirtschaftliche 
Lagt- hatte sich verschlechtert, und die Eisenbahngesell- 
schaften machten eine ernste Krise durch I Zusammen- 
bruch der Nalionalbahn. Liquidation der Bern -Luzern- 
bahn, Beorganisation der JSuisse Orcidentale und der 
Nordoslhahni. Alle diese Ursachen führten 1878 dazu, 
dass sich im Nationalrat eine liberal-konser vative Majorität 
zu bilden vermochte. 

Der Bau der Gotthardbahn hatte zu einem internationa- 
len Uebercinkommen \ Oktober I8t>9i geführt; Italien 
gewahrte der von Alfred Escher geleiteten Gotthardbahn- 
gesellschaft einen Beitrag von 45. Deutschland einen sol- 
chen von 20 und die interessierten Kontone, sow ie die 
Zentral- und Nordostbahn zusammen einen solchen von 
ebenfalls '20 iTntal also 8T» Millionen Franken. Das Pro- 
jekt war aber nicht genügend scharf ausgearbeitet worden. 



I sodass sich die aufgestellten Kostenvoranschläge ala zu tiel 
gegriffen erwiesen. Man sah sich genötigt, das ganze Pro- 
gramm abzuändern, die Ausgaben einzuschränken und 
weitere Subventionen zu erlangen, an denen sich 1877 
Deutschland und Italien mit je 10, sowie, nach langen 
Diskussionen, der Bund mit 4Vj und die Zentralbann. 
Nordoslbahn und interessierten Kantone zusammen mit 
3',', (Total 28) Millionen Franken beteiligten. 

Während in politischer Hinsicht sonst überall Ruhe 
eingekehrt war, sollte zu dieser Zeit der Kanton Tessin 
das Schauspiel von immer wieder neu auflebenden Un- 
ruhen bieten, die zu drei verschiedenen Malen eine 
eidgenössische Intervention notwendig machten. Nach- 
dem seit 1875 die Konservativen (Bespini. Pedrazzini) zur 
Herrschaft gelangt waren, kam es bei Anlas« eines 
Schützenfestes in Stabio am 22. Oktober 1876 zu einem 
blutigen Handgemenge der Parteien, das den Bund zur 
Abordnung von Nationalrat Simeon Bavier als eidgenos- 
sischen Kommissär bewog. unter dessen Mitwirkung am 
21. Januar 1877 ein Koinpromis» zu stände kam. Der 
darauf folgende grosse politische Prozess endigte am 
14. Mai 1881) mit der Freisprechung sämtlicher Angeklag- 
ten. Um den Radikalen, die im südlichen Kantonsteil 
über die Mehrheit verfügten, entgegenzukommen, be- 
sc bloss die Bundesversammlung 1881 die Teilung dea 
Kantons in zwei eidgenössische Wahlkreise (Sopra Gcneri 
und Sotto Genen). 1883 gelang es dem Bundesrat, die 
Dio/esanfrage mit dem h. Stuhl in dem Sinne zu losen, 
dass der Tessin von den Diözesen Mailand und Gomo ab- 
getrennt und zu einem besondem apostolischen Vikariat 
erhoben wurde, das man dann 1888 nominell dem Bistum 
Basel angliederte. Heute sitzt in Lugano unter dem Titel 
eines apostolischen Vikares ein Bischof. 

Neue Upruhen brachen im Tessin 1889 aus. doch ver- 
mochte der eidgenössische Kommissär Eugen Borel mit 
Hilfe von zürcherischem Militär die Ruhe scheinbar auf- 
recht zu erhalten. Die Stimmung blieb aber gereizt, 
* und als die Wahlen 75 konservative und bloss 37 liberale 
Grossräte ergaben — während die Liheralen 12166 Wäh- 
ler zählten, gegen 12783 Konservative — . die Liberalen 
die Wahlen anfochten und Rekurse an den Bund richte- 
ten, der neue Grosse Rat aber gleichwohl zu amten 
begann, verlangten die Liberalen auf gesetzlichem 
Wege eine Verfassungsänderung. Obgleich die für eine 
Volksabstimmung notige Zahl von Stimmen zusammen- 
gebracht worden war, gab doch die konservative Re- 
gierung unter Bespini in hartnäckigster Verblendung 
dem keine Folge.» Da brach am 11. September 1890 
in Rellinzona und Lugano eine Revolution aus. Die 
Liberalen luder Radikalen) bemächtigten sich des Zeug- 
hauses und des Begieningsgebändes. wobei Staate- 
rat Bossi erschossen und Bespini gefangen gesetzt 
wurde. Es bildete sich eine provisorische Regierung unter 
Rinaldo Sinien, die sich der Gewalt bemächtigte. Item 
vom Bundesrat mit drei Bataillonen nach dem Tessin 
entsandten eidgenössischen Kommissär. Oberst Künzli. be- 
reiteten seine politischen Gesinnungsgenossen einen freu- 
digen Empfang. «Er nahm, mit nachträglicher Genehmi- 
gung der Bundesbehörden, die Verwaltung selber in die 
Hand ». Nach langen Unterhandlungen und nicht ohne 
Muhe einigten sich die Tessiner zur Ernennung einer 
politisch gemischten Regierung und zur Annahme des 
Systems der Proportionalvertretung. Im Sommer 1891 
sprachen die in Zürich tagenden eidgenössischen Assisen 
IGeschwornen) die Urheber dieser September - Revo- 
lution frei. Seither ist dann auch der Kanton Tessin zur 
Buhe gekommen. 

Nachdem im Jahr 1879 der deutsche Reichstag unter 
dem Drucke der GrossgrondbesiUer und der grossen In- 
dustriellen einen ziemlich hohen Schutzzolltarif geneh- 
migt hatte, betraten auch Italien. Oeslerreich und Frank- 
reich, dem Zuge der Zeit folgpnd, diesen gleichen Weg. 
in den sich die Schwei/ inithineingerissen sah. Allgemein 
schenkte man den Fragen wirtschaftlicher und sozialer 
Natur eine grössere Sorgfalt, ohne dass aber dabei ein 
gewisses Misstrauen völlig ausgerottet werden konnte. 
I Das Schweizervolk zeigt« sich den neuen Ideen weniger 
| geneigt als die Bundesversammlung. Im Jahr 1879 hob es 
den Artikel der Bundesverfassung, der die Todesstrafe 
ahgeschatTt hatte, auf und verwarf mit erdrückender Mehr- 



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heit ein Seuchengesetz (254340 Nein gegen 80 324 Ja), 
sowie 1882 den aas Amt eine« eidgenössischen Schul- 
sekretära scharren wollenden Bundesbeschluss (318 139 
Nein gegen 180995 Ja I, der zu einem Bundesgesetz über 
das Volksschulwesen hinüberleiten sollte. Auen 1884 wur- 
den vier dem Referendum unterworfene Bundesgesetze 
vom Volke abgelehnt. Die durch die Bundesverfassung 
ausgesprochene Abschaffung der u Uhmgelder », einer 
kantonalen Abgabe auf Kauf und Verkauf von Wein und 
geistigen Getränken, veranlasste den Bundesrat zu dem 
Vorschlag einer allgemeinen Abgabe auf geistige Getränke, 
deren Krtrag unter die Kantone aufgeteilt werden sollte. 
Zur Erreichung dieses Zweckes war aber eine Partial- 
revision der Verfassung notig, die denn auch am 25. Ok- 
tober 18K5 mit schöner Mehrheit bewilligt wurde (Artikel 
betr. Fabrikation und Verkauf gebrannter Wasser und 
WirtachaftswesenK Bas hieraus sich ergebende Bundes- 
geaetz betr. das Alkoholmonopol — « das erste neue eid- 
genössische Monopol seit 1848 • — erschließt den Kan- 
tonen und dem Bund neue Pinanzquellen und dient zu- 
gleich der Bekämpfung des Alkoholismus, zu welchem 
Zweck '/in des Beinertragea dieses Monopoles verwendet 
werden rnuss. 

Von 1885 an ist die innere Politik der Schweiz in ruhi- 
geres Fahrwasser eingelaufen. Kine Zeitlang sah sich 
unser Land genötigt, seine ganze Aufmerksamkeit der 
äussern Politik zuzuwenden. Die Aufnahme einer grossen 
Anzahl von französischen Kommunarden hatte nach dem 
deutsch-französischen Krieg einige Anstände mit dem 
Kabinet Thiers zur Folge, die sich aber glatt abwickelten. 
1878 musste der Bundesrat gegen die in Ghaux de 
Fondserscheinende anarchistische Zeitung L'Aianl-ganle 
einschreiten, die offen den Königsmord predigte und 
deren Redaktor verurteilt und ausgewiesen wurde. Khen- 
falls ausgewiesen musste der russische Fürst Kropotkin 
werden, der in der Zeitung La Htvoltr die Krmordung 
des Zars verherrlicht hatte. Weniger streng zeigte sich 
dagegen der Bundesrat den deutschen Sozialisten gegen- 
über, die sich nach den Attentaten von Rodel und Nobi- 
ling in die Schweiz gefluchtet hatten und in Zürich den 
SiKialiirnuikrat, eine äusserst heftig auftretende Zeitung, 
veröffentlichten. Nachdem der deutsche Gesandte in der 
Schweiz zu wiederholten Malen in vertraulicher Weise 
die Aufmerksamkeit der Bundesbehörden auf das Un- 
schickliche einer solchen Publikation gelenkt, erklärte 
die zur Vernehmlassung eingeladene Zürcher Regierung, 
dass sie den Verfasser des aus der OMzin des •< Sozial- 
demokrat » hervorgegangenen Libells Der Rolf Teufel 
nicht habe ermitteln können. Dazu kam, dnss der zür- 
cherische Polizeihauptmann Fischer sich eine « bedenk- 
liche Indiskretion » zu schulden kommen Hess : « er teilte 
einem sozialistischen Beichstagsmitgliede die Ergebnisse 
einer andern Untersuchung mit. die feststellte, dass die 
deutsche Polizei l.ockspit/el in Zürich unterhalte ». 
Diese Enthüllung wurde dem deutschen Reichstag mit- 
geteilt und erregte grosses Aufsehen, so dass ein Noten- 
wechsel zwischen Berlin und Bern folgte. « Als eine Mah- 
nung an den • Sozialdemokrat » diesen noch übermütiger 
machte, schritt der Bundesrat im April 1888 zur Aus- 
weisung der Bedaktoren ». 

Die deutsche Reichsregierung fuhr trotz dieser Vorfalle 
fort, in der Schweiz eine geheime Polizei und eine Anzahl 
Lockspitzel zu unterhalten, welches Verhalten am 22. April 
1889 Olfen an den Tag kommen sollte. F.in Polizeiinsnek- 
tor aus Mülhausen . August Wohlgemuth , unterhielt 
Beziehungen zu einem in Basel niedergelassenen sozial- 
demokratischen Schneider Lutz, den erals Spion und Lock- 
spitzel verwendete und welchem er in Bheinfelden ein Stell- 
dichein gegeben hatte. Die davon unterrichtete aargaui- 
sche Polizei liess nun Wohlgemuth verhaften und gefan- 
gen setzen. Als der deutsche Gesandte, von Bülow. die 
sofortige Freilassung des Wohlgemuth forderte, erliess 
der Bundesrat am 3. Mai 1889 gegen diesen einen Aus- 
weisungsbefehl und liess ihn an die Grenz, führen. Da- 
durch geriet Bismarck in eine heftige Erbitterung, die 
ihn dazu verleitete, der Schweiz mit einer Grenzsperre 
und andern Bepressalien zu drohen. Der Bundesrat liess 
sich jedoch nicht einschüchtern und wurde in seiner 
Stellungnahme durch die gesamte Bundesversammlung 
und das ganze Volk kräftig unterstutzt. Er I antwortete 



mit Wurde und Entschlossenheit. Ohnmächtig, rächte 
sich Bismarck durch Kündigung des Niederlassungsver- 
trages. Mit Bismarcks Sturz 1890 gestalteten sich die Be- 
ziehungen zum deutschen Reiche freundlicher ; der Nie- 
derlassungsvertrag wurde erneuert.» Dieser Vorfall liess 
die vorsichtige und zugleich energische Haltung des Bun- 
desrates, in dem damals als Männer von grosstem Wert 
Welti, Droz und Buchonnet nassen, in hellem Lichte er- 
strahlen und gewann ihm das Zutrauen des ganzen Volkes 
in hohem Masse. 

Unterdessen machten die demokratischen Einrichtungen 
I in unserm Lande weitere Fortschritte. Am 29. Juli 1891 
trat da« vom Volke genehmigte facht der Initiative oder 
Volksanregung in Kraft, nach welchem 50 («0 stimmbe- 
rechtigte Schweizerbnrger das Begehren auf Erlass, Auf- 
hebung oder Abänderung bestimmter Artikel der Bundes- 
verfassung «teilen können. Als die Sozialdemokraten von 
dieser Bestimmung Gebrauch machen und das Becht auf 
Arbeit in die Verfassung aufnehmen lassen wollten, 
wurde ihr Vorschlag am 3. Juni 1894 vom Volk mit 308289 
gegen 75 880 Stimmen abgelehnt. Auch das Prinzip der 
Verstaatlichung und Zentralisation hat sich wahrend der 
leiten Jahre des 19. Jahrhunderts weiterentwickelt. Einen 
ersten Schritt dazu bedeutete die Einfügung in die Ver- 
fassung eines neuen Artikels betr. die Einrichtung der (ob- 
ligatorischen oder fakultativem Kranken- und Unfallver- 
sicherung durch den Bund l Volksabstimmung vom 26. Ok- 
tober 1890), die aber noch nicht durchgeführt ist, weil das 
Volk einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag am 20. Mai 
1900 verwarf. Auch die Vorlage betr. Schaffung einer 
Staatsbank wurde zunächst abgelehnt und fand, nach 
mancherlei Abänderungen, erst 1905 seine Verwirklichung 
i Nationalbank). 

Die Erhöhung der Eingangszölle und der immer gros- 
sem Umfang annehmende wirtschaftliche Aufschwung 
haben beträchtlich zum Anwachsen der Einnahme- 
quellen des Bundes beigetragen, was diesem wieder- 
um die Mittel an die Hand gab. sich den Kantonen 
gegenüber freigebig zu zeigen und die kostspieligen 
Festungsbauten am Gotthard und von Saint Maurice 
durchzuführen. Gewaltige Wellen warf die 1883 von 
Sttmplli zuerst aufgerollte Frage des Rückkaufes der 
Eisenbahnen. Nachdem ein Versuch zum freihändigen 
Rückkauf der Nordostbahn im Jahr 1888 gescheitert war, 
verwarf das Volk 1891 auch den von den eidgenössischen 
Räten beschlossenen Rückkauf der Zentral bahn, welchem 
negativen Volksentscheid der Aufsehen erregende Rücktritt 
von Bundesrat Welti folgte. Dagegen genehmigte das 
Volk LSiHi ein ihm vorgelegtes neiiC9 Gesetz über das 
Rechnungswesen der Eisenbahnen. ° welches bezweckte, 
die Hahngesellschaften zur linienweisen Ausscheidung 
ihrer Hechnungen zu veranlassen, die für den konzes- 
sionsgemässen Rückkauf massgebenden Begriffe des Rein- 
ertrages und des Anlagekapitals in einer für die Bahnen 
beim Rückkauf verbindlichen Weise festzustellen und die 
Bahnunternehmiingen anzuhalten, schon vor Eintritt des 
Kündigungstermine» die Nachweise uber den jährlichen 
Beinertrag und das Anlagekapital einzureichen, und end- 
lich allfällige Streitpunkte über die Auslegung der Hück- 
katifabedingiingen sukzessive durch das Bundesgericht 
entscheiden zu lassen und damit für den konzessionsge- 
mässen Buckkatif eine liquide Situation zu schaffen » 
(Botschaft des Bundesrats 1897). Am 12. Februar 1898 
nahm dann das Volk ein vom Bundesrat entworfenes 
Bückkaufsgesetz mit 380034 Ja gegen 182718 Nein glän- 
zend an. In Ausführung dieses Gesetzes wurden dann zu- 
rückgekauft : im Jahr 1900 die Zentralbahn, 1901 die 
Nordostbahn, die Vereinigten Sehweizerbahnen, die Botz- 
bergbahn, die aargauische Südbahn und die Linie Wühlen- 
Kleingarten. 1902 die Toggcnhurgcrbahn und 1903 die 
Jura-Simplonbahn. Auch die lange Zeit ventilierte Frage 
des Simplondurchstiches ist zu einem glücklichen Ah 
schlti-s gekommen, indem die»er grosse Verkehrsweg im 
Mai !90r» mit grossem Pomp eingeweiht werden konnte. 

Nachdem das Schweizervolk am 3. November 1907 den 
Entwurf der neuen Militarorganisation mit 329 953 Ja gegen 
2071105 Nein angenommen, sollen nun in nächster Zu- 
kunft noch zwei weitere grosse Probleme ihrer Losung ent- 
gegen geführt werden, nämlich die im Prinzip vom Volk 
bereits beschlossene Vereinheitlichung sowohl des Zivil- 



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als auch des Strafrechte«. Der Entwurf des von Prof. Huber 
redigierten eidg. zivilreehtlichen GeseUbuches wurde von 
den eidgenössischen Räten im Jahr 1907 genehmigt. Er 
nimmt in bemerkenswertem Masse Rücksicht auf die Ver- 
schiedenarligkeit der Sitten und Brauche der einzelnen 
Landesteile und erscheint in einem weniger absolutisti- 
schen und zenlralistischen Geiste gehalten, als dies ohne 
Zweifel der Fall gewesen wäre, wenn er dreissig Jahre 
früher da» Licht erblickt hätte. Die Anschauungen sind | 
eben andere geworden und unsere heutigen Juristen haben i 
die Notwendigkeit besser erkannt, die zivilrechtliche Ge- 
setzgebung auf möglichst breiter Grundlage aufzubauen. 
Auch das strafrechtliche Gesetzbuch, das den Prof. Stooss 
zum Redaktor hat , wird den eidgenössischen Räten in naher 
Zukunft zur Diskussion vorgelegt werden, diese beiden 
grossen juristischen Denksteine sollen das Werk Huehon- 
neta krönen, dem es gelungen war, am 14. Juni 1881 den Ent- 
wurf eines eidgenössischen Obligationen- und Handels- 
rechtes und am 11. Mär/ 18Sy das schweizerische Gesetz 
über Schuldbetreibung und Konkursin Kraft treten zu 

Die Frage der Wahlreform, d. h. der proportionalen 
Vertretung der verschiedenen politischen Parteien, die so 
oft aufgeworfen worden ist, hat auf dem Hoden des Bun- 
des bis heute noch keine Anwendung gefunden, wird aber 
in einigen Kantonen Dessin, Neuenburg. Genf), die gute 
Erfahrungen damit zu machen scheinen, bereits praktisch 
ausgeübt. 

ii. Geülige Kultur im 1U. Jahrhundert. Zu Beginn 
des Jahrhunderts lenkten zwei grosse Schriftsteller, Ben- 
jamin Conslant und Frau von Stael, die allgemeine Auf- 
merksamkeit auf sich und ihre Werke. Jener war ein 
Waadtländer und erb'ickte das Licht der Welt in Lau- 
sanne, wo seine aus Frankreich stammenden Vorfahren 
sich im beginnenden 17. Jahrhundert niedergelassen hat- 
ten. Kr glänzte namentlich als energischer Vorkämpfer 
einer freisinnigen Lebensauffassung. Die in Paris ge- 
borene Frau von Stael war die Tochter des mit der Waädt- 
länderin Suzanne Curchod vermählten Genfer Finanz- 
mannes Necker und stellt sich mit ihren Domänen und 
kritischen Abhandlungen in den ersten Rang unter den 
europäischen Schriftstellern. 

Diesen beiden Geistern, die am Beginn des 19. Jahr- 
hunderts glänzten, reihen sich noch zahlreiche weitere 
hervorragende Männer und ausgezeichnete Frauen eben- 
bürtig an. von denen viele auch ausserhalb der Grenzen 
unseres Landes sich einen Namen gemacht haben. Wir 
müssen uns aber an dieser Stelle auf eine Auswahl be- 
schranken und bemerken ausdrücklich, dass wir die noch 
Lebenden aus unserer Zusammenstellung von vorneherein 

Hechts- und Staatswissenscharten : Ktienne Dumonl, 
Pierre üdier. A. E. Cherbuliez, Kd. Secivtan. Ludwig 
Keller, J. K. Blunlschli. James Fazy, D. Gonzenbach. 
Jakob Dubs, J. J. Illumer, Alphonse Iiivier. Nutna Droz, 
Charles Brochet, Ph. A. von Segesscr, J. B. Müller, Baum- 
gartner. 1 h. Wirz, l<ouis Buchonnet. 

Philosophen. Pädagogen und Theologen : Heinrich Pe- 
stalozzi, Pater Girard. Kellenberg, Stapfer. Madame Necker 
de Saussure, Friedr. Alb. Lange. Friedr. Vischel-, J. P. 
Romang, A. L. Kym, Alexandre Vinet, Charles Secretan, 
Naville, Amiel, Bischof Greith, Cathrein, Gisler, de Wette. 
Merle d'Aubigne. S. Chapuis, P. Chapuis. Felix Bovet, 
Frederic (rodet. Adolphe Monod. Eugene Bersier, Berniis, 
Bovon, Gaston Frommel, Alexander Schweizer, P. Lanve, 
K. B. Hagenbach. .1. C. Biedermann, Georg Finsler, Ed. 
Zeller, Heinrich Lang. 

Geschieht»- und Altertumsforscher; C. von Deschwanden. 
Lusser, Kortüm, Meinhard, Johannes von Müller, Glutz- 
Blotzheim, H. Hottinger. Zschokke. F. de Gingins. L. Vul- 
liemin, Ch. Monnard. Alex. Daguet, Goldlin von Tiefenau. 
Businger. Stadlin. Ildefons von Arx, Pupikofer. Mörikofer. 
Ildefons Fuchs. Sismondi, Tillier, Feddersen. N. F. von 
Mülinen. Meyer von Knonau, von Ürelli, J. K. Zellwegcr, 
J. E. Kopp, Ferdinand Keller, J. J. Hisely, A. Rilliet, 
F. de Chambrier, Georg von Wyss, Pierre Vauchcr, 
von Morlot. Charriere, Forel, Boissier, Roget, Troyon, 
Morel - Fatio . F. und K. Chavannes , l.e Fort. Gie- 
mautl. Jakob llurckhardt. Wurstemberger. Bischof Fiala, 
Herminjard, Pictet de Sergy. Jomiui. Ferd. Lecomte, 



R. Stähelin. Trouillat. Vautrey, Abbe" Serasse t, A. Qui- 
ll uerez etc. 

Philologen: J. J. Holtinger, J. Kaspar von Orelli. J. J. 
Bremi, Ädert, Ayer, W. Wackernagel, Adolphe Pictet, Gall 
Morell, Alex. Baumgartner, von Roten, X. Herzog. Georg 
Müller, Theodor und Arnold Hug, Heinrich Schweizer- 
Sidler. Friedrich Staub. 

Dichtkunst : Frau von Montolieu und Frau von Char- 
riere, Dekan Bridel, R. TopfTcr, Charten Didier, Jeremias 
Gotlhelf (Albert Bitziusi. Victor Cherbuliez. Marc Mon- 
nier, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Petit- 
Senn, Dubois-Me.lly, J. J Porchat, F. Monneron, H. Du- 
rand. Jusle und Urbain Olivier. Alb. Richard. Steinten, 
Eug. Bambert, Ktienne Eggis. Scioberet, L. Favre, Alice 
de Chambrier, de Rosset. Fritz Berthoud. Andre Glades 
(Nancv Vuillej, Mario (Mlle Trolltet), Sal. Tobler. J. J. 
Reithard. A. E. Fröhlich. Jakob Frey, Arthur Bitler (Sa- 
muel Haberslich), J. J. Romang. Dranmor (Ferd. Schmidt, 
Heinrich Leuthold. Jakob Stutz. August Corrodi. 

Mathematik, Naturwissenschaften und Geographie : De 
Candolle, Konrad und Arnold Escher von der Linlh, 
Bernhard Studer. Charpenlier, Venetz. Louis Agassiz, 
Kd. Desor, Eug. Renevier, Gabr. Mortillel, Auguste Jac- 
card, Pictet de la Rive, Auguste de la Rive, Plantamour, 
Alphonse Favre. Louis Dufour, Jean Murct, Oswald Heer, 
Daniel Colladon. Soret, Steiner. Peter Merian. Rud. 
Wolf. Leopold Rütimeyer. A. Mousson, J. J. Müller, 
Gotllieb Studer, Gerold Meyer von Knonau, Stefano Frana- 
cini, J. Siegfried. J. Meyer, G. A. Berlepsch. General G. H. 
Durour. Friedrich von Tschudi. Oberst Siegfried, Oater- 
vald. Oberst Burhwalder. Arnold Guyot. J. J. Egli. 

Bildende Künste : Leopold und Aurele Robert, Albert 
und Max de Metiron, Henri Franc. Brandt und Jean 
Pierre Droz (zwei Medailleure ersten Ranges). De la Rive, 
Francois Diday, Alex. Calame, Lugardon, Hornung, Char- 
les Humbert, G. Castan, B. Menn, Charles Glevre, E. van 
Muyden, Benjamin Vautier, Bocion, David. Chavannes, 
Tobler, Raphael Ritz. Ludwig Vogel, Simon, Ernst Stückel- 
berg. Rud. Koller, Rircher. Arnold Böcklin, P. und Th. 
von Deschwanden, Diogg, Müllers Stockmann, Aloys Fell- 
mann, Kunz. Vettiger, Christen, F. und H. Kaiser, V. Vela, 
Francesco Ciseri. Chaponniere, Pradier. Ferd. Schlöth, 
Herzogin Colonna, Frank Buchser, Ott» Frölicher, Adolf 
Stiibli. Sal. Corrodi, Alfr. Dumont, Aug. Weckesser, Kon- 
rad Grob, Auguste Bachelin. Rittmeyer, Karl Stauffer, 
Alfr. Lanz. Gottfried Semper. 

Musik : J. H. Tobler, Hans Georg Nägeli. J. R. Weber, 
Ignaz Heim. W. Baumgartner. Greith. Gustav Weber. 
Xaver Schnyder von Wartensee. Joachim Raff. Arnold. 
Niedermever. 

Eines der Kiemente unseres nationalen Lebens hat sei- 
nen Ausdruck in zahlreichen Gesellschaften gefunden, in 
denen sich die Männer von verwandter Geistesrichtung 
finden und gegenseitig anzuregen suchen. Zu schweizeri- 
schen Verbänden dieser Art haben sich »usammengetan 
die Naturforscher, Geographen. Aerzte, Theologen, Ju- 
risten. Ingenieure und Architekten, Geschichtsforscher, 
Industriellen und Kaufleute. Offiziere und l'nlcroftiziere, 
Sänger. Musiker, Turner. Künstler, Alpinisten, gemein- 
nützigen Manner und Frauen und viele andere. Alle diese 
Vereinigungen haben auT die Entwicklung des geistigen 
Lebens der Nation einen grossen und glücklichen Einlluss 
ausgeübt, sowie in hohem Masse zur gegenseitigen An- 
näherung von Männern beigetragen, die durch verschie- 
dene Sprache. Konfession und Interessen zu isoliertem 
Vorgehen bestimmt zu sein schienen. 

Ein Löwenanteil an der Entfaltung unserer nationalen 
Kultur fällt vor allem auch den hohem Schulen zu. Wäh- 
rend die Schweiz bis ins 19. Jahrhundert hinein nur eine 
einzige hohe Schule (die Universität Basel ; durch Papst 
Pins II. im 15. Jahrhundert gegründeil zählte, wandelten 
sich dann auch die Akademien von Zürich, Bern, Genf 
und Lausanne der Reihe nach zu Universitäten um. Eine 
weitere, katholische. Universität entstand in Freiburg und 
eine Akademie in Neuenburg. Der Bund unterhält als 
i einzige höhere Lehranstalt die 1835 gegründete eidgenöa- 
: sische polytechnische Schule in Zürich. Die Hochschulen 
I werden bis heute von den Kantonen unterhalten, deich 
I richtet der Bund diesen letztern Beiträge an das gewerb - 
I liehe und Volksschulwesen aus. 



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Das Schweizervolk setzt sich aus verschiedene n Ele- 
menten zusammen, die sich gegenseitig das Gleichgewicht 
halten. Die Reinheit der politischen Sitten, die Liebe 
zum Gemeinwesen und ein gewisser Sinn für Billigkeit 
und Rechtlichkeit haben e» bis heule vordem zähen Mass 
bewahrt, der in andern Staaten die in Sprache und Kon- 
fession verschiedenen Kinder des selben Vaterlandes zu 
unversöhnlichen Gegnern gemacht hat. 

Landahmänner der Seil wetz i ntek dkii 
Mkdiatwnsaktk. 
1808: d'Affrv. 1809: d'Affrv. 

1804: von Wattenwil. 1810: von Wattenwil. 

1805: Glulz-Ruchti. 1811: Grimm. 

1806: Merlan. 1812: Burckhardt. 

1807: von Reinhard. 1813: von Reinhard. 

1808: Ruttimann. 

Bundeskanzler 1803-1813: Mou«son. 

TAGSATZlMiSI'HASiOKNTF.N 1814-1848. 



1814: von Reinhard. 
1815: von Wyss. 
1816: von Reinhard. 
1817: von Walten wil. 
1818: von Mülinen. 
1810: Amrhyn. 
1820: Rüttimann. 
1821 : von Wyss. 
1822: von Reinhard. 
1823: von Wattenwil. 
1824: von Mülinen. 
1825: Amrhyn. 
1826: Rüttitnann. 
1827: von Wyss. 
1828: von Reinhard. 
1829: von Wattenwil. 
1830: Fischer. 
1831 : Amrhyn. 



1832: PfyfTer. 
1833: Hess. 
1834: Hirtel: 
1835: von Ta\el. 



1836: 
1837: 
1838: 



von Tscharner. 
Amrhyn. 
Kopp. 
1830: Hess. 
IHtÖ: von Muralt. 
1841 : Neuhaus. 
1842: von Tscharner. 
1843: Rüttimann. 
1844: Siegwart-Müllcr. 
1845: Furrer. 
1846: Zehnder. 
1847: Ochsenbein. 
1848: Funck. 



1849: Furrer. 
1850: Druey. 

Munzinger. 
Furrer. 

NaefT. 

Frei-llerose\ 
Furrer. 
St.tmpni. 
Fornerod. 
1858: Furrer. 
1859: Stämpfli. 
1860: Frei-Herose. 
Knüsel. 
Stiimpfli. 
Fornerod. 
Dubs. 
Schenk. 
Knüsel. 
Fornerod. 
Dubs. 
Welti. 
Dubs. 
Schenk. 
Welti. 
Ceresole. 
Schenk. 
Scherrer. 
Welti. 
Meer 



liitndcska 
1814-1830: Mousson. 
1830-1848: Amrhyn. 
Schweizerische HiNfiEswi asidenten 
1849-1908. 
1879 



1851 

1852: 
1853: 
1854: 
1855: 
IK5IS. 
1857 : 



1861: 
1862: 
IS6.-I- 
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1866: 
1867: 
1868: 
1869: 
1870: 
1871 : 
1872: 
1873: 
1874 : 
1875: 
1876: 
1877: 



Hammer. 
Welti. 
Droz. 
Kavier. 
Ruchonnet. 
Welti. 
Schenk. 
Deucher. 
Droz. 

Hertenstein. 
Hammer. 
1890. Ruchonnet. 
1891 : Welti. 
Hauser. 
Schenk. 
Frey. 
Zemp. 
Lachenal. 
Deuclier. 
RufTv. 
Müller. 
Häuser. 
Zemp. 
Rrenner. 
1903: Deucher. 
1904 : Com t esse. 
Ruchet. 
Forrer. 
Müller, 
lirenner. 



IRSÖ 
1881 

1883 
I8H4 
1885 
1886 
1887 
IS8S 
1889 



1892 
1893 
1894 
1895 

im 

1897 
189 s 
1X99 
1900 
1901 
11102 



1905 
191X5 
1907 

1878: Schenk. 19(18 

Hn tuleskanzlcr. 
1848-1K8I ; Schient. 
Seit 1881: Ringier. 
Anmhkki ng. Di« Zitate die»«« Abschnitt«* « (ie*chichte n 
»iDd, wo der«o Herkunft im T«it uicbt besonder» angegeben, 
der neuuatcu Auflage der Ortchicht« >ter Srhvcfi; von Prot. C. 
Dtlndlikor entlehnt, [II. ItiiUMMtH mach drin fr»niA»i»cben 

Manuskript v un B. va.n Muvdp.n»}. 



INHALTSVERZEICHNIS ZUM ARTIKEL «SCHWEIZ». 

/. Allgemeine Betrachtungen Rd Seite 

Name. Lage, Grösse und Gestalt, Fläche, Hohen- 
Verhältnisse. Grenzen, geschichtliche Entwick- 
lung der Grenzen, Neutralität Savoyen» und 
zollfreie Zonen, Einzelbeschreibung der Gren- 
zen IV 62« 

Trigonometrische Landesvermessung. Allgemei- 
nes. Anlage des Triangulalioiisnetz£s, Messung 
der Winkel, Messung derGrundlinien und deren 
An schlug» an das Netz, Berechnung der Fix- 
punkte. Projektion, Hohen und Hobcnmessung, 
Geschichtliches IV 639 

Geschichte dt'r schweizerischen Kartographie. 
Knrlen. Panoramen, Reliefs. Ticfenlotongen . IV 643 



IV 649 

IV 654 

IV 660 
IV 673 

IV 679 
IV 691 
IV 697 
IV 700 



//. 

SaturlicheGehiele und allgemeiner Undschafls- 
Charakter. Alpen, Mitlelland. Jura .... 

Die geologischen Formationen (Stratigrnphie). 
Allgemeines, Alpen. Mittelland, Jura .... 

Tektonik. Allgemeines, Alpen, .Mittelland. Jura 

Urographie. Alpen, Mittelland, Jura .... 

H>idr<Hiraphie. Ouellen, Flüsse. Seen. Gletscher, 
Lawinen 

PaUiogeographie {Geogenie} 

Krdlrehen ^Sristnologiel 

Geschichte der Geologie der Schweiz .... 

///. Klima tische Verhaltnisse. Meteorologische 
Beobachtungen, Luftdruck. Niederschläge.Tem- 
peratur, Luftfeuchtigkeit, Bewölkung, Wind- 
verhältnisse 

/V. Flora. Liebersicht, Waldungen, Forstgeselz- 
gehuug, klimatische Rolle des Waldes, Wald- 
bäume und ihre Verbreitung, fossile Flora, 
Pflanzenreste der Pfahlbauten und Torfmoore 

V. Fauna. Heutige Tierwelt, Jagd, Fischerei und 
Fischzucht, fossile Fauna 

VI. Bevölkerung. 

AnthmpoUigir. Schädel, Gesicht. Körpergrösse. 
beschreibende Nachweise, Rassenverhältnisse, 
prähistorischer Mensch, historische Zeit und 
Gegenwart. Herkunft der Bewohner .... 

Demographie. 

Einwohnerzahl nach altern Schätzungen und den 
eidgenössischen Volkszählungen 

Bevölkerung der Schweiz im Jahr 1900: Verglei- 
chende Zusammenstellungen 1850-1900. Ver- 
schiebung im Innern. Volksdichte, Verteilung 
nach dem Geschlecht, Attersverhällnisse. Hei- 
mat, Einbürgerung, Konfession, Mutterspra- 
che 

Bewegung der Bevölkerung durch Ehe, Geburt, 

Auswanderung and Schweizer im Ausland . . 
Volkskunde. 

Volkskunde im engern Sinne: Sitten. Bräuche, 
Feste und Spiele. Volksdichtung, Bibliographie 

Wohnung. Haustypen 

Volkstrachten 

Sprachini und Mundarten. Allgemeines . . . 

Deutsch : Sprachgrenze und deren geschichtliche 
Entwicklung, Gebrauch des Deutschen im In 
nern. Mundart und Schriftsprache. Charakter 
und Gliederung der Mundart, Bibliographie 

Französisch : Statistische Angaben. Sprachgrenze, 
Einführung des französischen als offizielle 
Sprache, Geschichte und Charakterzüge der 
Mundarten, mundartliche Literatur. Bibliogra- 
phie 

Italienisch: Einleitendes. Grundlagen der italie- 
nischen Dialekte. Dialeklgliederung und -litera- 
tur. Bibliographie 

Rätoromanisch : Statistik, Sprachgrenzen. Ge- 
schichte und Einteilung der Dialekte, Sprach- 
proben, Literatur. Bibliographie 



IV 706 

IV 711 
IV 721 

IV 763 

V 1 

V 4 

V 20 

V 32 



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V 48 

V 52 

V 58 



V 58 

V 76 

V 86 

v an 



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SCHW 



Bd Seite 

Geistige kultur. Schulwesen, Bibliotheken und 
Museen, bildende Künste, Musik, Presse und 
Buchhandel , Literatur. Theologie, Bechts- 
wissenschaft, Naturwissenschaften .... V 94 

KonftnXtMtn, Einleitung V 103 

Protestantische Kirche: Landeskirchen, Dia- 
sporagemeinden, freie Kirchen, Sekten. Sta- 
tistik, religiöse Gesellschaften. Bibliographie . V 104 
Katholische Kirche : Allgemeines, geschichtliche 
Entwicklung und heutiger Bestand . Bistum 
Basel-Lugano, Bistum ('.hur, Bistum Lausanne- 
Genf. Bistum Lugano. Bistum St. Gallen. Bis- 
tum Sitten, Abtei Saint Maurice V 108 

Russisch-orthodoxe Kirche V 120 

Christkatholische Nationalkirche V 120 

Israelitischer Kultus V 199 

Wirtschaftliche Zustand,- ; Sozialpolitik ... V 124 
Verleitung des Grundeigentum* { Allmenden 
aUs.) " V 195 

VII. Staat and Verwaltung. V 128 
Politische Organisation des Bundes. Verfassung. 

juristische Natur. Kompetenzen. Beziehungen 
zu den Kantonen, Organisation der Behörden. 
Befugnisse, Gesetzgebung, eidg. Verwaltung, 
Rechtspflege, Revision der Bundesverfassung, 
volkerrechtliche Stellung der Schweiz ... V 128 

Eidgenössische Itejtartemente. 

Politisches Departement: Geschaftskreis , di- 
plomatische Vertretung, Auswaoderungswe- 
sen V |;g 

Departement des Innern: Geschaftskreis, Staats- 
archiv, Zenlralbibliothek , Schtilsubvention, 
Mass und Gewicht, subventionierte Gesell- 
schaften und Vereine. Hebung der Kunst und 
Erhaltung vaterländischer Altertümer ( Landes- 
museumi, Polytechnikum, Gesundheitsamt, sta- 
tistisches Bureau, meteorologische Zentralan- 
stalt, tandesbihliothek, Lehrerasyl, Oberbauin- 
spektorat, Direktion der eidg. Bauten, Ober- 
forstinspektorat V 140 

Justiz.- und Polizeidepartement : Justizabteilung, 
Polizeiabteilung. Rundesanwaltschaft. Ver- 
sicherung-aml, Amt fiir geistiges Eigentum V 1 .V> 

Milit.trdepartement : Bisherige Wehrverfassun- 
gen, Militärbehörden. Rekrutierung, Ausrüs- 
tung, Bewaffnung und Unterricht, Verwaltung 
des Rundesheeres und Mililaranstalten. Terri- 
torial-. Etappen- und Eisenbahndienst, Fes- 
tungswerke. tleerc*orgaiusation V 156 

Finanz- und Zolldepartement : 
Finanzwesen (Geschichtliches, Geschaftskreis 
und Organisation. Voranschlag und Staat»rech- 
nung, Hundeslinarizen und deren Konlrollie- 

rung. Münzwesen I V 165 

Zollwesen V P.W 

Alkoholverwaltung V 195 

Handels-. Industrie- und tandwirtschaftsdepar- 
temenl : 

Allgemeines und Geschichtliches V 19» 

Handelsableilung V 203 

Abteilung für Industrie V 906 

Abteilung für Landwirtschaft V 206 

Post- und Kisenbahndepartement : Aufgaben . \ 207 
Eisenbahnabteilung (Geschichte der eidg. Eisen- 
bahnpolitik. schweizerische Eisenbahnen im 
Allgemeinen, Eul wicklung des Eisenbahnnetzes 
seit l'JUf», Spezialfragen. Organi-aliou der Ab- 
teilung rür Eisenbahnwesen, schweizerische 

Rundi sbahnen I V 208 

Postwegen V 223 

Telegraph V 931 

Telephon V 983 

Beziehungen zu den Starkstromunternehmun- 

gen V 943 

VIII. Verkehrswege. Allgemeine Betrachtun- 
gen. Strassen und Eisenbahnen , Schiffahrt. 

Post. Telegraph und Telephon V 2V4 

IX. Landwirtschaft. NaturlicheFaktoren. pflanz- 
liche Produktion, Viehhaltung. Milchproduk- 



Bd Seite 

tion. Bodenverbesserung, staatliche Fürsorge 

und Gesetzgebung V 255 

X . Industrie. Allgemeine Ueberaichl (Geschicht- 
liches, Industriegebiete. Umfang und soziale 
Bedeutung V 262 

Mineralprodukte. Steine, Erden und Erz- (Mi- 
neralien, Bergbau und Steinbruchbetrieb, Me- 
tallene, Baumaterialien und Rohstoffe des Bau- 
gewerbes. Bibliographie) ......... V 267 

Mineral- und Thermalquellen i Allgemeine Be- 
trachtungen. Mineralquellen und deren Ver- 
wendung. Gasquellen, unterirdische Wässer 
früherer Erdepochen) V 290 

Fremdenverkehr und Hotelwesen V 298 

Wasscrindiistrien (chemische Industrien, Was- 
serais motorische Triebkraft, elektrische Indu- 
strien) V 308 

XI. Handel. Allgemeine Ueberaichl, Import und 
Export V 305 

Bankwesen V 30» 

Sparkassen V 313 

Versicherungswesen V 314 

XII. Geschichte. 

l'rgeschichtliche Perioden. Einleitung, Steinzeit. 

Bronzeperiode. Eisenzeit V 316 

Frühgeschichtluhe Perioden. Aelteste geschicht- 
liche Nachrichten, römische Periode, aleman- 
nisch-burgundisch-fränkische Periode ... V 327 

Geschieht,- seit Karl dein Grossen. 

Anfänge V 331 

Heroisches Zeitalter * V 348 

Zeilalter der Ber..rination V 378 

17. und 18. Jahrhundert V 388 

Revolutionszeit V 394 

Erweckung und Stärkung des Nationalgefühles V 403 

SCHWEIZERHALLE iKt. Hasel Land. Bez. Aries- 
heim, Gem. Pratteln und Bez. Liestal. Gem. Muttenzi. 
274 m. Salinen und Fabriken, am linken Bheinufer und 
2.5 km nw. der Station Pratteln der Linie Ölten- Basel. 
Postbureau, Telegraph. Telephon. 15 Hauser, 229 reform. 
Ew. Kirchgemeinden Pralleln und Multen/. Die Saliue 
Schweizerhalle ist die Zweitälteste und die am meisten pro- 
duktive der funf schweizerischen Salinen. Das Salz wurde 
im Jahr 1836 durch Oberbergrat Karl Christian Glenck 
iI779-I815i beim « Boten Haus ». wie der damalige landes- 
übliche Name lautete, in einer Tiefe von etwa 130 m er- 
bohrt. Am 7. Juni 1837 fand die feierliche Eröffnung der 
Saline statt, wobei der Landratspräsident den ersten llolz- 
«toss unter der Siedepranne entzündete. Am L. August 
I8T(7 wurden die beiden ersten Fuder Salz, 90 Zentner, 
auf reichgeschmuckten Wagen in das Staatsmagazin nach 
Liestal verbracht. Der Salzstock von Schweizerhalle liegt 
in der Anhydritgruppe des Muschelkalkes, unterlagert 
vom Weltenkalk und überlagert vom Ilauptmuschelkalk. 
Das Steinsalz kommt nicht rein, sondern mil Ton unter- 
mischt vor. Es sind im taufe der Zeil 9 Bohrlocher hin- 
untergetrieben worden, von denen nur einige wenige 
heute noch im Betriebe stehen. Sie liefern durchschnitt- 
lich 130 bis 150 Minutenliler Soole von 27 ü : u Salzgehalt. 
Indem nämlich das (Grundwasser durch die Bohrlöcher 
zu dem Salzstocke tritt, lost es das Steinsalz auf. Die Siede- 
und Trocknungsvorrichtungen der Saline Schweizerhalle 
stehen auf der Hohe moderner Technik. Die jährliche 
Salzproduktion schwankt etwas, doch ist sie heute eher 
im Zunehmen begriffen. Nach dem Statistischen Jahr- 
buch der Schweiz PHKi hat die Saline im Jahr 10O5 pro- 
duziert : 

Kochsalz . . . 192 878 q 

Tafelsalz . . ^145 <• 

Viehsalz . . . 4191 l 

Gewerbesalz . . 22 918 » 

Dungsalz . . . 698 » 
Total 221 3:10 q. 
Die Saline Schweizerhalle ist von Anfang bis heute in 
Privath.mden geblieben i Familie von Glenck). taut Kon- 
zessionsvertrag bezieht der Staat Basel Land den Zehnten 
des Bruttoertrages an Kochsalz, teils in Natura, teils in 



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190 



Bar, was fiir den Kanton eine jährliche Einnahmequelle 
von etwa Fr. 150000 bedeutet. 



n 

ha Iii IV. 1.1, ». 


. . 1 LatW 


1. •■ 

i 







SchweiMrhalle vuo Norden. 

Ausser der Saline besitzt Schwei/erhalle noch eine 
Karltwaren- und eine chemische Fabrik, sowie ein 
Soolbad. 

schweizerhaus (Kt. Glarua. Gem. Mitlüdi). 
480 m. Gruppe von 5 Häusern, an der Strasse Glarus-Mil- 
lödi und 500 m s. der Station Knnenda der Linie (ilarus- 
Linthal. 13 reform. Kw. Kirchgemeinde Mitlödi. Che- 
mische Fabrik. 

SCHWEIZERSBILD M Bez . und Gern Schatthau- 
seni. 460 m. So heissen zwei isolierte Felsen 3.5 km n. der 
Stadt SchafThausen und an der Landstraße nach Meris- 
hauscn. Am Fusse des westlichen, 18 m hohen und etwas 
uberhängenden Felsens wurde im Jahr 1891 durch Hr. J. 
Nuesch eine sehr grosse. Cur die Urgeschichte de« Men- 
schen wichtige prähistorische Niederlassung entdeckt und 
von ihm I8SI1-181H ausgegraben. In den fünf übereinander 
liegenden Schichten der Station fanden sich mehr als 
60 ODO zoologische Objekte, mehr als 20000 Feuerstein- 
Instrumente aller Art und über 1400 schon bearbeitete 
Artefakte aus Knochen und Geweih ; darunter auch 
Zeichnungen vom Rentier. Wildpferd, Wildesel und 
Mammuth, sowie Schmuckgegenstände, durchlöcherte 
Zähne und Muscheln, Nadeln aus Knochen 
und Geweih. Pfeile, Lanzen. Pfriemen. Meissel. 
Rentierpfeifen u. a. m. Ks konnte die Aufeinan- 
derfolge einer Tundra-, Steppen-, Weide-, 
Wald- und Haustierfauna mit (13 verschiede- 
nen Tierspezies, sowie damit zusammen- 
hängende Klimaschwankungen seil der letzten 
Eiszeit nachgewiesen werden. Die Artefakte 

Sehörten der ältesten (paläolilhischen) Zeil, 
er neolithischen, der Rronze- und der Eisen- 
zeil an. Die Schichten, welche sich durch 
ihre Farbe und ihre Einschlüsse voneinander 
unterschieden, bilden eine Art von Chrono- 
meter für die Zeit, welche seit der letzten 
Vergletscherung der Alflen bis zur Gegen- 
wart verflossen ist. Die untersten Schichten 
am Schweizersbild waren nach Nüesch'a 
Rerechnungen, die sich auf die Mächtigkeit 
der Schichten stützen, etwa 20000 Jahre 
früher bewohnt als die Pfahlbauten unserer 
Seen. Die ältesten Dewohner dieser Station 
kannten schon das Feuer, konnten aber noch 
keine Töpfe machen ; sie kleideten sich nur in 
Felle, konnten die Steine noch nicht schleifen 
und trieben weder Ackerbau noch Viehzucht 
Sie ernährten sich nur von der Jagd und vom 
Fischfang. Das Schweizersbild und das nur 5 
km von demselben entfernte Kesslerloch sind 
die ältesten Siedelungen der Schweiz und 
Mitteleuropas. Reim Schweizersbild lebte der Rentier- 
iuger, im Kesslerloch sogar noch der Mammuthjäger. 
Merkwürdig ist, dass beim Schweizersbild die früh- 



neolithische Revölkerung ihre Toten sehr sorgfältig be- 
stattete ; es* wurden in '24 Grabstätten l'eberreste von 
27 menschlichen Skeletten gefunden, die 13 
Kindern und 14 erwachsenen Menschen ange- 
hörten. Unter den letzteren befanden sich 
Skelettreste von 5 ganz kleinen, ausgewachse- 
nen, im Durchschnitt nur 142 cm hohen 
Menschen, sog. Pygmäen, ähnlich den jetzt 
noch lebenden Zwergen im Inneren Alrikas. 
Die weit verbreitete Sage, dass früher in den 
Rergen Zwerge lebten, ist durch den Fund 
von Py^mäenskeletlen beim Schweizerobild 
zu einer Tatsache geworden. Die wichtigsten 
Objekte vom Schweizershild linden sich nebst 
einer Nachbildung des Kelsens und de* ProIiis 
der Schichten im Landesmuseum in Zürich. 
VergL auch die von Dr. J. Nüesch verfassten 
Werke: Das Schieeitersbilil ; eine Xiederlas- 
sung uns nalaolithiseher und nenlithiseher 
Zeil. (Denkschriften tler schteeizer. natur- 
forschenden Gesellschaft. .35). I. Aull. |H!*i ; 
2. Aull. 11)02. — Das Kesslerloch ; eine Höhte 
aus ftattmltthischer /eil. > Denkschriften der 
schweizer, naturforsch. Gesellschaft. 38). 
li«H. 

Der Name Schweizerobild gehörte ursprüng- 
lich einem Heiligenbild an . welches ein SchalThauser 
Rürger namens Schweizer unweit des heute sogenannten 
Felsens errichtet und zum Schutz mit einem Häuschen 
umgeben halte, welches jetzt noch steht. In der Refor- 
mation wurde das Rild entfernt, und später, als man die 
wahre liedeutung des Namens Schweizerobild nicht mehr 
kannte, trug man diesen auf die beiden Felsen über, 
deren ursprünglicher Name die i Immenfluh (=Hienen- 
fluht» gewesen war. 

SCHWEIZERS HOLZ (Kt. Thurgati, Rcz. Rischofs- 
zcll, Gem. Neukirch). 563 m. Ortsgemeinde und kleines 
Dorf, auf den Höhen links über der Thür und 3 km s. der Sta- 
tion Kradolf der Linie Gossau-Sulgen. Postablage. Zusam- 
men mit Entetawil. Hackborn. Kenzenau. Heuberg und zer- 
streuten EinzelsiedelunKen : 80 Häuser, 454 Ew. (wovon 346 
Reformierte) ; Dorf: 17 Hauser, 87 Ew. Kirchgemeinde Neu- 
kirch. Viehzucht und Wiesenbau. Waldungen. Käserei. 
Masrhinenstickerei. Die nahe der Kantonsgrenz.e gegen 
St. Gallen gelegene Ortschaft ist von schonen Waldungen 
umrahmt, in denen sich früher, al« die kantonalen Gren- 
zen noch grössere praktische Redeutung hatten, öftere 
Stromer und Landstreicher aufzuhalten pflegten, so dass 




Feiten de« SchweizersbiMev 

diese Gegend von der st. gallischen wie der thurgauischen 
Polizei scharf überwacht ward. 
SCHWEIZERTHOR (Kt. Graubünden, Rez. Ober 



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l.andquarl). 2151 m. Niedrigster, zugleich aber auch be- 
schwerlichster Passübergang im Grenzkamm den Rätikon 



SP 



SchweUbruon von Südosten. 

/tischen der Sce-aplana und der Gruppe des Madris- 
horos. Kr bildet eine tiefe Lücke zwischen den steil und 
majestätisch aufragenden Kalk- und Dolomilwändcn der 
Kirchlispilzen i22.V>tn) im W. und der noch gewaltigeren 
Drusenlluh {•Bült m) im O. Kr führt \<>n Schiers im Prä- 
tigau über Schuders (1254 ml durch das Aelpli und die 
AlpTamund am Aclplibach. vorbei an glatten und steilen 
Felssturen auf die Hohe und von da durchs Gaucrlhal 
nach Tschagguna und Schruns (im österreichischen Mon- 
Ufon) uder durch die wilde Bergwoste ostlich vom Lüner- 
see hinab ins Hellsthal nach Yandans und Bludenz (etwa 
11 Stunden). Man kann auch den neuen Weg von St. An- 
tonien zum Hrusenlhor benutzen (St. Antonien Platz bis 
zur Lindauerhütte im Gauerthai 12.4 km> oder von Part- 
nun her auf diesen Weg und zum Schweizerthor gelangen. 
Die Passlucke liegt in hellgrauen Nerinecnkalken und Do- 
lomit de« Tithon (oberer Jura), der südlich und nordlich 
davon über oligozänen Flvsch (im Norden mit der Trias) 
hergeschoben ist. Südlich der Kirchlispilzen ragen bis in 
die ijuellgegend des Aelplibaches aus den Flvschschicfern 
Klippen von tilhonischem Dolomit, Kadiolarie'nhornsleinen 
des Malmkalkes und alpinem Muschelkalk auf |Ouelsch- 
zone, nach Th. Lorenz entstanden durch die 
von \. her erfolgte Uehcrschiebung des Ge- 
birges durch die Trias-Juragesteine). 

SCHWELLBRUNN iKt. Appenzell A. lt.. 

ez. Hinlerland). 972 m. Gem. und Pfarrdorf, 
an der Strasse Herisau-St. Peterzell und 3 km 
sw. der Station Waldstatt der Appenieller- 
bahn < Winkeln-Herisau-A ppenzell). Postbu- 
reau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach 
Herisau. (Gemeinde, mit Heldschwendi, Bu- 
hensteig, Kinsigeli. Kttenberg. Landersberg, 
Moosegg. i Ibere Hisi, Hothswil. Hothschwendi, 
Untere Risi, Teufen und zahlreichen zer- 
streuten Kinzelsiedelungen : 358 Häuser, 1888 
Kw. I wovon 64 Katholiken ; Dorf: 78 Ilauser, 
473 Kw. Viehzucht und Viehhandel. Baumwol- 
lenindustrie. Stickerej. Weberei. Sommerfri- 
sche. Kiekirisches Licht. Druckwasserversor- 
gung. Schöne Spaziergänge. Reizende Aus- 
sichtspunkte in der Umgebung. Armenhaus 
mit Raum für 50 Insassen; Waisenhaus mit 
20-30 Zöglingen. Gehörte kirchlich zuerst zu 
Herisau und wurde 1618 zur eigenen Pfarrei. 
Auf dem benachbarten Niederfeld stand eine 
St. Annakapelle, in der sich Sektierer zu ver- 
sammeln pflegten, deren Treiben öfters (so 
z. D. 1780) zu Unruhen führte. Während der 
Zeit der llelvetik mussten die revolutionären 
Neigungen der Bewohner von Schwcllbrunn 
mit Triippenmacht unterdrückt werden. 

SCHWELLE • Kl. Zürich, Bez. Borgen. Gem. Kilch- 
berg). 490 m. Teil des Dorfes Kilchberg, 500 m s. der Sta- 



tion Rendlikon-Kilchberg der linksufrigen Zurichaeebalm 
i Zürich- Morgen- WädenswiL und der Linie Zürich-Thal- 
wil-Zug. 10 Mäuser. 67 reform. Kw. Kirch- 
i gemeinde Kilchberg. 

SCHWELLE NM ATT ELI (Kt., Amts- 
bez. und Gem. Bern). 503 m. Mäuser am 
rechten Ufer der Aare unter der Kirchcn- 
feldbrücke. Turnhalle mit grossem Turn- 
platz. Schiessstand für Revolver. Bekannte 
Gastwirtschaft. Die Aare wird an dieser 
Stelle von einem zur Ableitung eines 
i > »erbekanales dienenden Stauwehr 
(Schwelle) durchzogen. 

SCHWELLI (OBER und UNTER) 
(Kt Zug. Gem. Menzingen). 687 und 657 
in. Zwei Bauernhöfe an der Sihl, 3 km n 
Menzingen. 17 kalhol. Kw. Kirchgemeinde 
Menzingen. 

SCHWEL LI SEE i Kt. Graubunden 
üez. Plessur). 1919 m. Zweiter der von der 
l'leasur kurz nach ihrer Knlstehung durch- 
flossenen schonen Seen, oberhalb Inner 
Arosa. Liegt in einem prachtvollen Berg- 
/irkusi Schafrücken. Aelpliseehorn.Krzhorn, 
I -chirpen und Schaftucken i und bildet einen 
Anziehungspunkt ersten Ranges der Land - 
l'.iü \r-- in lang und 2i«.> Iii breit ; vcrh.iltniMiias-Mt 

ziemlich tief. Klares Wasser von intensiv blauer Farbe 
.Man hat Forellen in den Seeeinpeselzt. Sein Becken besteht 
ins linmlnerschiefer (Lias> und Serpentin, dem sich auch 
SpUil betgeaetlL Nördl. davon lindet sich Bleigani. 

SCHWELL MÜHLE i Kt. Appenzell I. R., Gern 
«ilien gg;. S20 m. Gruppe von 7 Mausern, am Fallbach und 
500 m so. Oberegg. 46 kathol. Kw. Kirchgemeinde Uberegg. 
hie ehemalige Muhle ist jetzt in eine Baumwollzwirnerei 
■\aiiiielt. W iesenbau. Stickerei und Weberei 
SCHWEMMIBACH (Kt. St. Gallen, Bez. Gaster) 
l4 - 2»M»7u m. < .im Ubach der Weissen Thür; entspringt den 
kleinen Torfmooren zwischen dem Gulmen und .Mattstock 
und Hiesstnach N. durch Waldungen bis zurGoldhachalp. 

-n'li nach 2.5 km langem Lauf mit der Weissen 
Thür vereinigt. 

SCHWENDE (Kl. Appenzell I. R.i. Gemeinde. S 
den Art. Seil w esdi. 

SCHWENDELBERO (Kt. Bern. Amlsbez. Schwar- 
zenburgi. 1297 in. Mit Wiesen und Wald bestandener Berg. 
' , Stunde nw. Rifl'enmatt. Ziemlich schöner Aussichts- 
punkt. An den Gehängen stehen zahlreiche Mutten. 




Schwelluec von Nordoiten 

8CHWCNDELI (Kt. I.u/.rn. Amt und Gero. Kntle- 
buchl. I0U7 m. Gruppe von 7 Mausern, arn rechten Ufer 
der Hullen und 6,5 km so. der Station Kntlebuch'der 



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SCHW 



SCHW 



Linie Bern -Lu lern. 37 kathol. Ew. Klltllf ellld* Knlle- 
buch. Ackerbau und Viehzucht. 

SCHWENDEN, 8CHWENDI. I eher die Etymolo- 
gie vergl. den Artikel Schwandi. 

SCHWENDEN (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder S neu- 

thal. C.i'in. Diemligen). 2200 m. So heisst der vom Filde - 
richbach und seinen Nebenadern durehflossene obere 
Abschnitt des Diemtigthales . in den man durch das 
Thor zwischen den Steilwänden der Schurlenfluh im W. 
und einem Auslaufer des Twirienhorns im (>. gelangt. 
Hinler dem Thalboden von Schwenden ragen die Kühnen 
Kelsen der Spilgerten (2479 m) und des Bothorns (2411 m) 
auf. Er zieht sich auf eine Länge von 8 km von 
X. nach S. Im untern Abschnitt stehen die 
Häuser von Thiermatten 1 1 1 66 m). während 
sich im südlichsten Teil, auf dem Moränenhügel 
der Schwendenegg, der klimatische Kurort 
Grimmialp (1260 m) mit einer schon im Mittel- 
alter bekannten eisenhaltigen Gipsquelle befin- 
det. Hier spaltet sich das Thal in zwei Anne 
das in die ('nippe der Spilgerlen hinaufziehende 
Thal des Grimmibaches im W. und dasjenige des 
Filderichbaehes im <>., das in den Felswänden 
des Gsür seinen Anfang nimmt. Wahrend die 
untern Teile beider Arrne ständig bewohnt sind, 
legt im obern Abschnitt de* Thaies des Filderich- 
baehes die nur im Sommer bezogene Kileialp. 
Schwenden bildet eine besondere Gemein - 
deableilung und zählt in 44 Häusern 26(1 
reform. Kw. Kirchgemeinde Diemtigen. Viehzucht 
und Alpwirlschaft. Die Alpen dieses Gebiete» 
I Kileialp, Gurbsalp etc. ) zählen zu den schönsten 
der Schweiz. Die Grimmialp ist durch eine 13.6 
km lange Poslstrassc mit der Station Oei- 
Dieintigen der Montreux -Überlandbahn verbun- 
tli'ii l'a-siil» i^an P : Scehergnlppass (HKS m) 
in 4*/i Stunden nach Zweisimmen. G ri mmialppass( 21)25 mj 
durch das Fermelthal nach St. Stephan und der Lenk 
iti Stunden.. OttWUglKl 12282 ml in 6 Stunden nach 
Allel I •< uleii Schwenden ist ein beliebter Auagangspunkt 
fur eine Beihe von lohnenden Bergtouren (besonders 
Männlilluhi und hat infolge seiner Abgelcgenheit von 
den WMlfl VerkBhftWMen den ursprünglichen Charakter 
iinmcnilialcr Dorfe* mit seinen eigenartigen Holz- 
häusern noch wohl bewahrt. 

8CHWENDENEN i Kt. Schwyz. Bez. March, Gem. 
Scliiihelhach). 873 in. Sieben Häuser, am S. Hang des ge- 
gen das Trebsenthai sich senkenden Stockberges zerstreut 
und in einsamer Gegend gelegen. Strasse nach dem 
3,5 km entfernten Dorf Schübelbach. 40 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Srhübelbach. Kapelle und Schulhaus. Alpwirt- 
schaft. 

8CHWENDI (Kt. Appenzell A. H , Bez. Mittelland. 

Gem. Trogen). 826 m. Gruppe von 4 linusern; 1,5 km 
ö. der Station Trogen der elektrischen Strassenbahn 
St. Gallen -Speicher- Trogen. 28 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Trogen. Wiesenbau. Weberei. 

8CH WEN DI (Kt. Appenzell A. H . Bez. Vordcrland. 
Gem. Wolfhalden). 654 m. Gruppe von 2 Häusern ; 1,5 
km nö. der Station Heiden der Bergbahn Rorschach- 
Heiden. 12 reform. Ew. Kirchgemeinde Wolfhalden. 
Seidenbeutel tuch weberei. 

SCH WENDI oder SCHWENDE < Kt. Appenzell I.B. j. 
iS.TÖni. Ausgedehnteste Gemeinde des Kantons. Erstreckt 
sich von Appenzell bis /um Säntis und Altmann hinauf und 
umfasst zahlreiche zerstreut gelegene Weiler und ll.iuser- 
gruppen: Auen, Berg, Forren. Haggen. Hinter Sehwcndi, 
Sonnenhalb. Triebern, l'nterrain. Wart und Weissbad. 
Zusammen : 221 Hauser. 1299 Ew. ( wovon 16 Beformierte) : 
Schwendi mit Hinter Schwendi allein : 53 Häuser, 316 
kathol. Ew. Kapelle. Das Gebiet nahe dem Flecken Appen- 
zell gehört kirchlieh und im Schulwesen zu diesem, 
während die Gemeindeabteilung Kerg der Pfarrei und 
Schulgemeinde llrülisau zugeteilt ist. Scluilhaus. Alp- 
wirtscliaft Die Gemeinde umfasst zahlreiche Alpweiden 
und Waldungen (Ebenalp mit dein Wildkirchli. Seealp, 
Aescher, Megglisalp etc. I. Mehrere Denkmäler /u Ehren 
berühmten oder verdienten Männern schmücken diese 
Gegend : in Auen trägt eine mächtige Felswand den Namen 
des Geologen Arnold Escher von der Linth. dem das 



Sänlisgehirge aeine erste wissenschaftliche Aufschliessung 
verdankt ; am Spitzigstein auf der Seealp ist der Name 
Friedrichs von Tschudi, des Verfassers des Tierlebens 
der Alpenwelt, eingelassen: in der Nahe des Oehrli er- 
innert eine Inschrift an den Tod durch Absturz des Schaff- 
hauser Gelehrten Prof. Jetzier und beim Wildkirchli eine 
andere an den Beisenden und Geographen Johann Gott- 
fried Ebel ; beim Aescher gedenkt eine Bronzetafel des 
deutschen Dichters Joseph Viktor von Scheffel, der hier 
oben in stiller Bergeinsamkeit seinen Ekkehard voll- 
endete. Das Gebiet von Schwende ist ein beliebtes For- 
schung«- und Pntectiuchungsfe'ld der Naturforscher und 




Schwendi (Kt Appenzell I. R.) g«gea den Alpsigel. 

zählt verschiedene Kurhäuser, von denen das Weissbad am 
bekanntesten ist. Auf Gnind eines Tnrmrestes, der in den 
Mauern des Bades Kelsenhurg eingeschlossen ist. glaubt 
man annehmen zu dürfen, dass einst an dieser Stelle die 
ehemalige Burg Bachensteiii gestanden habe, aus deren 
Mauersteinen die hier befindliche grosse Kapelle erbaut 
worden sein soll. Die im Jahr 1079 vom Abt Ulrich III. 
von St. Gallen erstellte Burg diente ihm selbst und seinen 
Nachfolgern öfters als Zufluchtsort. Hier wurden auch 
die Abgaben von den aus den hinterliegenden Alpen her- 
gebrachten Milchprodukten erhoben. Nach Büsch soll 
die Burg eine Zeit lang in den Besitz der Edlen vonThorn- 
ton ■ Dornten i. als Ministerialen des Klosters St. Gallen, 
ubergegangen sein. Die Bode von Schwendi erhob im 
Jahre 1402 zuerst das Banner der Unabhängigkeit und 
hat infolge dessen heule noch das Becht, nach der l.ands- 
gemeinde den Landsgemeindestuhl xu benutzen. Im Ge- 
biet von Schwendi war. sofern die l'eberlieferung nicht 
trugt, der Wohnort von Uli Bottach. des Helden der 
Appenzeller Freiheitskämpfe. Fremdenverkehr. Aufzucht 
von Vieh (besonders Schweinen und Ziegen). Hand- 
und Maschinenstickerei. Sägen und Holzhandel. Stein- 
brüche. 

SCHWENDI i Kt. Bern, AmUbez. Aarwangen. Gem. 
Gondiswil). 675 m. Gruppe von 6 Häusern: 1.3 km n. 
Gondiswil und 5 km nw. der Station llüswil der Linie 
Langenthal- Wolhusen. 47 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Melchnau. Landwirtschaft. 

SCHWENDI (Kt. Bern. Amtsbez. ßurgdorf. Gem. 
HeimiswiD. 632 in. Gruppe von 4 Häusern, 400 m so. 
der Kirche Heimiswil und 5 km 6. der Station Burgdorf 
der Linie (Uten-Bern. 26 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Heimiswil. I,and Wirtschaft. 

SCHWENDI (Kt. Hern. Amtsbez. Interlaken. Gem. 
Grindelwald). 987 m. Gruppe von 6 Häusern im Grindel- 
waldth.'il. am rechten Ufer der Schwarzen Lütschine und 
3 km w. Grindelwald. 33 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Grindelwahl. Unterhalb Schwendi engt sich die weite 
Mulde des Grindelwaldlhales zu dem 8 km langen Lüt- 
schenthal ein. das bei Zweisimmenauf das l.auterhrunnen- 
thal ausmündet. 

SCHWENDI i Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken. Gem. 
Ilahkern». 1140 m. Gemeindeabteilung und Weiler, am 
rechten l'fer des Lomluiches und von I labkern durch die 



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m sciivv 



Mündung des Traubaches geschieden. 27 Häuser, 132 
reform. Ew. Kirchgemeinde Habkern. Wiesenbau und 
Viehzucht. Alpwirtechaft. Diese Gegend trug Trüber den 
Namen PfalTcnachwendi und ist offenbar durch Nieder- 
legen eines dem Kloster Interlaken gehörenden Waldes 
urbar gemacht worden. 

SCHWENDI (Kt. Bern, Amtsbez. Schwarzen bürg. 
Gem.Guggisbergi. tOlM m. Gemeindeabteilung und Weiler. 
2 km n<>. Guggisberg. Zusammen mit Bühl. Einhalden 
und Riffenmatt: 62 Häuser. 43i reforin. Ew.; Weiler: 
12 Häuser, 79 Kw. Kirchgemeinde Guggislx i . Viehzucht. 

SCHWENDI (Kt. Hern. Amtsbez Thun. Gem. 
Heiligenschwendi). 1100 m. 22 Häuser auf einer Terrasse 
am SW.-Hany der Blume und über dem rechten l'fer des 
Thunersees zerstreut gelegen ; 5 km nn. der Dampfschiff- 
station Oberhofen. 163 reform. Ew. Kirchgemeindu llilter- 
lingen. Viehzucht. Klimatischer Kurort in nebelfreier 
Lage. Hier entspringt der bei Überhofen in den Thuner- 
see mundende Hiedernbach. Während Schwendi mit 
«Oberhofen nur durch einen steilen und holprig u Fuss- 
weg {Vi t .Stunden I verbunden ist. fuhrt nach Thun eine 
Poststrasse (2 Stundend In Schwendi steht das berner 
Lungensanatorium Heiligenschwendi. Schone Aussicht 
auf den Thunersee und die das Kanderthal umrahmenden 
Berge. I'rkundlich erscheint Schwendi schon im Jahr 
1355. Bildete bis 1827 eine selbständige Gemeinde und 
wurde dann der Gemeinde Heiligenschwendi angegliedert. 

SCHWENDI 1 Kt. (Harns, Gem. Elim. 1160 m. Gruppe 
von 5 Häusern, am rechten l'fer des Sernf und 1 km n. 
der Station Elm der elektrischen Sernfthalbahn (Schwan- 
den-Elmi. 21 reforin. Ew. Kirchgemeinde Elm. Wiesen- 
bau und Viehzucht. 

SCHWENDI (Kt. Luzern. Amt EnUebuch. Gem. 
Schüpflieim.! 770 m. Gemeindeableilung. 3 km ö. der 
Station Schüpflieim der Linie Bern-Luzern. 38 Häuser, 
199 kathol. Ew. Kirchgemeinde Schüprheim. Eutlerbau. 
Seidenweberei. Bosshaarllechterei . 

SCHWENDI (Kt. Obwalden. Gem. Sarnen). 800 1100 
m. Gemeindeabteilung mit zahlreichen Weilern und Hofen 
am Gehänge links über dem Sarnersee. Postablage Zu- 
sammen mit Gehren. Hintergrahen. < »herwilen. Ohstalden. 
Stalden und Wilen : 289 HäuBer, sowie 500 Speicher und 
Ställe. 1432 kathol. Ew. Kirchgemeinde Sarnen. Viehzucht. 
Fremdenverkehr. Strohhutflechterei. Sägen, Mühle. Grosse 
Kapelle am Slalden (1702 erbaut) und das sog. Wolfengels- 
käppeli am Weg nach Sarnen. Her Kaplan wohnt am 
Stalden. der am Steilhang des Schwendiberges (oder 
Sonnenherges) über dem Sarnersee stehenden bedeutend- 
sten Häusergruppe der Gemeindeabteilung. Biete wird 
vom Gerestbach. Schwandbach und Kragenbach durch- 
flössen. In der Schwendi liegt Bad und Kurhaus Schwendi- 
kaltbad <s diesen Art.). In der Nahe der Kapelle ent- 
springt im sog. Bielisacker eine schwach eisensaure 
Quelle, die früher vom Landvolk zu Kuren gegen alle 
möglichen Gebrechen viel benutzt wurde. 

SCHWENDI {Kt. St. Gallen. Bez. Gossau. Gem. Gaiser- 
wald 1. 765 m. Gruppe von 8 Häusern, am SO. -Hang des 
Tannenberges und o km n. der Station Winkeln der Linie 
Zürich - Winterthur- St. Gallen. 38 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Engelburg. Wiesenbau und Viehzucht. 
Stickerei. 

SCHWENDI ( Kt. St. Gallen. Bez. Neu Toggenburg. 
Gem. Brunnadern). 700 740 m. 7 am Schwendibach zer- 
streut gelenene Häuser. 9 km ö. der Station Lichten- 
steig der Toggenburgerbahn. 28 reform. Kw. Kirchge- 
meinde Brunnadern. Viehzucht. 

SCHWENDI (Kt. St. Gallen. Bez. Neu Toggenburg. 
Gem. Hemberg I. 800 m. 5 Häuser, rechte über dem Necker» 
tobel zerstreut gelegen und 8 km no. der Station Ebnat- 
Kappel der Toggenburgerbahn. 26 reform, und kathol. Ew. 
Kirchgemeinden Hemberg. Wiesenbau und Viehzucht. 

SCHWENDI (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Toggenburg, 
Gem. Ebnat ). 800 m. 8 zerstreut gelegene Häuser ; 1,5 km 
s. der Station Ebnat-Kappel der Toggenburgerbahn. 28 
reform Ew. Kirchgemeinde Ebnat. Viehzucht. Stickerei. 

SCHWENDI (Kt. St. Gallen. Bez. Sargans. Gem. 
Mels). 9tt9— 990 m. 31 im Weisstannenthal zerstreut Be- 
legene Häuser, am linken Ufer der Seez und an der 
Postelrasse Mels - Weisstannen ; 9 km sw. der Station 
Mels der Linie Zürich-Sargans-Chur. Posteblage, Tele- 



SCHW 

graph, Telephon. 176 kathol. Ew. Kirchgemeinde Weiss- 
tannen. Alpwirtschaft und Holzhandel. Die Häuser von 
Schwendi ziehen sich auf eine Lange von 3 km hin. 
Neuerdings beliebte Sommerfrische inmitten einer pracht- 
vollen Berglandschaft. 

SCHWENDI (Kt. St. Gallen. Bez. Werdenberg. Gero. 
Garns) 973 m. Gruppe von 4 Häusern mit Sennhütten, 
am linken Ufer des Simmibachea und 8.8 km sw. der 
Station Haag der Linie Borschach -Sargans - Chur. 20 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Garns. Wiesenbau und 
Viehzucht. 

SCHWENDI (Kt. Zürich. Bez. Pfäflikon, Gem. 
Bauina 1. 650 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km •>. der Station 
Bauma der Tossthalbahn 1 Winterthur- Wald 1. 26 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Bauma. Wiesenbau. Mechanische 
Drechslerei. 

SCHWENDI t.Kt. Zürich. Bez. Pfäflikon, Gemeinde 
I Weisslingen 1. 536 m. Gruppe von ö Häusern, 7IJ0 m w. 

der Station Bikon der Tossthalbahn ( Winterthur- Wald). 
| 36 reform. Ew. Kirchgemeinde Weisslingen. Wiesenbau. 

SCHWENDI (ALT. NIU und OBER) (Kt. Zürich, 

1 Bez. Hinwil, Gem. Fischenthal >. 720—795 m. Hufe an der 
Tobb. 1 km b. der Station Sieg der Tossthalbahn 1 Winter- 
thur-Waldi 8 Häuser, 31 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Fischend I Wiesenbau. 

SCHWENDI (AUF) (Kt. Bern, Amtsbez Ober Hasle, 
I Gem. Schaltenhalb 1. 840 m. Gruppe von V Häusern, auf 
einer Terrasse über dem rechten I fer des Beichenbachea 
und etwas über dessen oberstem Fall, am Weg auf die 
Grosse Scheidegg und 2 km s. der Station Meiringen der 
Brünigbahn 1 I.uzern-Brienz 1. 25 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Meiringen. Viehzucht. Fremdenverkehr. Pavillon. 
Weg nach den Beichenbachfalleu. Schone Aussicht ins 
Thal von Meiringen. 

SCHWENDI (AUSSER. HINTER, OBER und 
UNTER) (Kt. Schwyz, Bez. Hofe. Gem. Freienbach). 
650 850 m. Hofe am No.-Hang des Etzel ; 2,5 km sso. der 
Station Pfäflikon der Linie Zürich- Wadenswil-Glarus. 
9 Häuser. 41 kathol. Ew. Kirchgemeinde Freienbach. 
Wiesen- und Obstbau. Viehzucht. 

SCHWENDI (CONTERSK R und SER NEUSER) 
(Kt. Graubünden. Bez. Ober Landauart. Gem. C.onters 
und Klosters:. 1650 und 1665 m. Maiens. isse mit zahl- 
reichen Hütten, am linksseitigen Gehänge des Pratigaues 
nw. und n. vom Casanna. sowie s. über Gunters und Ser- 
neus. 

SCHWENDI (HINTER. OBER und VORDER) 

(Kt. und Amt Luzern. Gem. Kriens). 771-824 m. 4 Hofe, 
3 km sw. der Station Kriens der Trambahn der Stadt Lu- 
zern. 22 kathol. Ew. Kirchgemeinde Kriens. Viehzucht. 

SCHWENDI (HINTER und VORDER) Kt. Appen- 
zell A. lt.. Bez. Vorderland, Gem. Heiden 1. 676 m. Zwei 
J Gruppen von zusammen 20 Hausern. am S.-Hang des 
i Bossbuhl und vom Best der Gemeinde Heiden durch den 
I Mattenbach geschieden; 1.8 km n. Heiden. Station 
| Schwendi der Bergbahn Borschach- Heiden. 103 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Heiden. Landwirtschaft. Seiden- 
weberei und Vorhangstickerei. 

SCHWENDI (HINTER und VORDER) I Kt. Bern, 
Amtsbez. Konollingen, Gem. Walkringen ). 790-880 m. Ge- 
meindeabteilung und Weiler. 2 km o. der Station Üigen- 
thal der Linie Burgdorf-Thun. Zusammen 59 Häuser, 
357 reform. Ew.; Weiler: II Häuser. 66 Ew. Kirchge- 
meinde Walkringen. Ackerbau und Viehzucht. 

SCHWENDI (HINTERE. OBERE, UNTERE und 
VORDERE), ( Kt. St. Gallen. Bez. Ober Toggenburg, 
Gem. Wildhausund Alt St. Johann >. 1100-1284 m Zerstreut 
gelegene Hauser und Hütten am Gehänge links über der 
Thür ; 15.5 km w. der Station Haag der Linie Horschach- 
Sargans-Ghur. 56 Häuser, 231 reform, und kathol. Ew. 
Kirchgemeinden Wildhaus und Alt St. Johann. Wiesen- 
bau und Viehzucht. Hier liegen die zwei romantischen 
Schwendiseen <s. diesen Arti. 

SCHWENDI (NEU) (Kt. Appenzell A. It., Bez. Mittel- 
land. Gem. Trogen). Häuser. S. den Art. Nei schwendi. 

SCHWENDI (OBER und UNTER) (Kt. Appenzell 
A. lt.. Bez. Mittelland. Gem. Speichen. 740-818 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 14 Häusern , auch Speicher- 
schwendi eeheisaen ; an der Strasse St. Gallen-Behetobel, 

2 km n. der Station Speicher der elektrischen Strassen- 



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SCHVV 



SCHW 



483 



bahn St. Gallen-Speicher-Trogen und 4 km so. der Sta- 
tion St. Fiden der Linie St. Gallen-Itorschach. Post- 
ablage, Telephon; Postwagen nach St. (iallen und Behe- 
tobel. 84 reform. Ew. Kirchgemeinde Speicher. Vieh- 
zucht. Stickerei und Weberei. Schulhaus mit Turnhalle. 

schwendi (OBER und UNTER) ( Kl. Appenzell 
A. It., Bez. Mittelland. Gem. Teufen). 8ß0 m. Zwei (Ii Up- 
pen von zusammen 18 Ilausern : 1,5 km sö. Teufen und 
nahe der Haltestelle Hose der Strasgenbahn St. Galles* 
Gais-Appenzell. 76 reform. Kw. Kirchgemeinde Teufen. 
Milchwirtschaft. 

SCHWENDI (OBER und UNTER) (Kt Zug. Lern. 
I'nter Acgerii. 396 m. Zwei Hufe, am Weg auf den lloss- 
herg und 2.5 km s. Unter Aegeri. 15 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde t'nter Aegeri. Ackerbau und Viehzucht. 

SCHWENDI (VORDER) (Kt. I.uzern. Amt Entle- 
liuch. (lein. Hastl). 109!» m. Drei Hufe, 3 km so. Hasli 
und 7 km so. der Station Entlebuch der Linie llern- 
Luzern. £1 kathol. Kw. Kirchgemeinde Hasli. Viehzucht. 

SCHWENDI (VORDER) (Kt. St. Callen. Bez. Wer- 
denl»erg. (lein. Garns.. 800-1000 m. Zahlreiche Hutten, 
an den Hingen nw. über Gains und mitten in Waldungen 
zerstreut gelegen ; 4.»» km nw. der Station Haag der Linie 
Reischach- Sargans -Chur. Wiesenbau und Viehzucht. 
Holzhandel. 

SCHWENDIBACH {Kt. Appenzell I. It.:. M39-828m. 
Hauptsächlichster und in seiner Wasserführung glaich* 
massigster Quellarm der Sitter. Entspringt dem Seealp- 
see und vereinigt sieh bei L«>os mit dem Hrülbach. sowie 
."iOü m weiter unten nahe dem Weisshad mit dem Weiss- 
bach. Hat auf der bis Wa»-erauen reichenden obern 
Laufstrecke von 2,5 km Länge ein Gefälle von 260 m und 
in dem 3 km langen l'nterlauf ein solches von 51 m. 
Er verschwindet im Oberlauf mehrfach unter seinem 
Gerolle und dem von den Felsen abgestürzten Schulte, 
besonder* seit dem Jahr 11105. da man einen Teil seines 
Wassers durch die Itohrenleitung des Elektrizitätswerkes 
Auen abgelenkt hat. Die Nebenadern sind meist nur 
kurze Wildbache, die eine Masse von Geschieben zu Thal 
transportieren. Nahe dem Escherstein entspringt dem 
Felsen ein Dach, der sich bald mit dem Schwendibach 
vereinigt und ein unterirdischer Abtluss des in einer 
Senke der Ebenalp das ganze Jahr hindurch bestehen 
bleibenden Schneefeldes sein soll. Vor seiner Vereini- 
gung mit dem Krülbarh treibt der an ausgezeichneten 
Forellen reiche Schwcndihach eine Sage. 

SCHWENDIBACH (Kl. Kern, Amtsbez. Thun). 877m. 
Gemeinde mit zerstreut gelegenen Ilausern, an dem gegen 
■ ins Thal der Zulg sich senkenden Grüsisberg 5 km ö. 
Thun und Steflisburg. 26 Hauser. 121 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Thun. Landwirtschaft. Schone Waldungen. 
Die Hofe Almenrüli und Barmettlen werden schon im 14. 
Jahrhundert genannt. 

SCHWENDI BACH (Kt. Glan»). 1400-750 m. 6 km 
langer W'ildbach w. Nafels. Entspringt an der vom 
Schwendithal ins Waggithal hinühcrfünrenden Scheid- 
egg und fliesst in kanalisiertem Bett gegen 0. durch das 
1.5 km lanye Torfmoor zwischen Hinter und Vorder 
Schwendi. Dann durchschneidet er die von diesem Moor 
gebildete Alluvialbarre, von deren Fuss her ihm starke 
ouellen zukommen, und zieht mit schwachem Gefalle 
durch den vordem Abschnitt des schonen, wiesenreichen 
und mit Hofen übersäten Schwendithales. Oi-stl. vom 
Weiler Stutz tritt er in eine stark geneigte Schlucht ein. 
an deren unterm Ende er einen hübschen Wasserfall 
bildet, um dann in den Haslensee zu münden, der in der 
Ostspitze des Obersecthales liegt und keinen sichtbaren 
Ablluss hat. Heisst auch Schwandibach oder Hrandenbach. 

SCHWENDIBACH (Kl. St. (iallen. Bez. Neu Toggen- 
burg). 1130-665 m. Wildbach, entspringt mit mehreren 
Ouellarmen s. von Hemberg, Iiiesst auf eine Länge von 
8 km von S. nach N. und mündet bei Furt und 2 km 
sö. Brunnadern von links in den Necker. 

SCHWENDIBERO (Kt. Appenzell I. R. , Gem. 
Schwendi). 870-1070 m. Gemeindeabteilung, gewöhnlich 
kurzweg •« Berg • geheissen ; am NO. -Hang des Altisigel 
und t.okm ssü. Appenzell. 22 Häuser. 112 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Brühsaii. Vieh-, besonders Schweinezucht. 
Steinbruch. Handstickerei. Die Hauser liegen am Weg 
vom Weissbad nach Brulisau. 



SCHWENDI BÜHL [ Kt. Appenzell A. lt.. Mittelland. 
Gem. Teufen 1 940 m. Gruppe von 7 Häusern. 80t) in nw. 




Srliwciidikaltbml. 



der Station Teufen der Stiassenbahn St. Gallen-Gais- 
Appenzell. 27 reform. Ew. Kirchgemeinde Teufen. Milch- 
wirtschaft. 

8CH WENDIORAT 1 Kt. St. (iallen. Bez. Ober Toggen- 
burg 1. 1537 m. SW.-No. ziehender Kamm im Santis- 
gebirge. rechts über der Thür und nw. über Alt St. Johann. 

8CHWENDIHALDEN (Kt. Aargau. Bez. Ilrugg). 
468-561 m. Wald, am SW.-Hang des Botzhcrge* und 2 
km nw. Itemigen. Steigt gegen das Schwendithal hinunter. 

8CH WENDIKALTBAD (Kt. Ol. wählen. Gem. Sar- 
iiem. 1441m. Von Waldungen umrahmtes Heilbad, hinten 
im Thal der Grossen Schlieren und am S.-Fuss des 
Schlierengrales ; 0 km w. der Station Sarnen der iirünig- 
bahn. Strassen über den Bernerstieg ins Thal der Grossen 
Fullen und über die Seewenalp nach Fluhli im Entlebuch. 
Das nur im Sommer geöffnete Bad wird stark besucht. 
Ebenfalls nur im Sommer Postablage und Telephon. 
Kapelle. Die erdige Stahlquelle. die derjenigen von 
Tarasp ahnlich ist. wird besonders geschwächten und 
überarbeiteten Personen empfohlen und schon 1642 zum 
erstenmal erwähnt. 1730. 1762 und 178!» sind die Bade- 
einrichtungen verbessert worden. Das heutige Kurhaus 
datiert aus dem Jahr 1859. 

SCHWENDI MATT | Kt. Hern. Amtsbez. Konollingen. 
Gem. Bowili. 820 m. Gruppe von 6 Häusern, so. Itowil 
und 4 km sö. der Station Zäziwil der Linie Bern- 
Lu zern. 54 reform. Ew. Kirchgemeinde Grosshöchstelten. 
Landwirtschaft. 

8CHWENOISEEN 1 Kt. St. Gallen. Bez. Ober 
Toggenhurgi. Mix m. Zwei kleine Seen auf der Grenze 
der Gemeinden Wildhaus und Alt St. Johann, im Ober 
Toggenburg. Sie entwässern sich zur Thür und werden 
durch einen mit Fohrengruppen bestandenen Hachen Boden 
voneinander getrennt. Der grössere ist 900, der andere 
200 m lang. Beide haben sumpfige Ufer und sind 9 in 
tief. Deich an Hechten. Heissen auch Hinterseen. 

SCHWENDITHAL (KL Glan»). Thal. S. den Art. 

El MKNIII HTHAI.. 

8CHWENDITOBELBACH (Kt. Graubunden. Bez. 
I'nter l.andqiiart >. 1500-750 in. 3 km langer rechtsseitiger 
Zufluss des Valzeiner- oder Schrankenbaches. Ent- 
springt am NW. -Hang des Furnerberges und durchmesst 
ein bewaldetes Thal, in dem einige Hütten stehen. 
Denselben Namen tragt der Oberlauf des von links der 
Landquart zulliessenden Baches des Gonlerluzitol>els. 

SCHWENOIWALD (OBERER und UNTERER) 
Kt. Schwyz. Bez. Marclu. 800-1136 m. Wald in wilder 
Gegend : erstreckt sich rechts des Trebsenbaches vom 
Katzennicken bis zur Feldrederlialp. 

SCHWBNDLEN oder SCHWENDLENBAD 1 Kt. 
Bern. Amtsbez. Konollingen. Gem. Schlosswili. 836 m. 
Gruppe von 5 Häusern mit Heilbad, in romantischer Ge- 
enu am Fuss eines an Versteinerungen reichen Nagcl- 
uhfelsens gelegen. 3 km so. der Station Konollingen der 
Linie Bern-Luzern. Telephon. 30 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Schlosswil. Landwirtschaft, Waldungen. Kurort. 

8CHWENKELBERO (Kt. Zürich, Bez. Dielsdorf 1 
546 m. Hreiler und bewaldeter llügelrücken, 2 km s. der 
Station Dielsdorf der Linie Oberglall-Niederweningen. 
8CHWENNI (Kt. Freibiirg. Bezirk Sense. Gem. St. 

216 — GEor.tx lex y — 28 



s 



schw 



SCHW 



Antöni). 809 ro. Weiler am linken (Ter der Sense, 7 km 
so. St. Antöni und 13 km osö. vom Bahnhof Frcihurg. 
10 Häuser. 68 kathol. Ew. deutscher Zunge. Kirchge- 
meinde Heilenried. Acker-, Wiesen- und Obstbau, Vieh- 
zucht. Der Ausdruck Schwenni ist eine mundartliche 
Form für Schwendi. 

8CHWENZEH (Kt. Graubunden, Bez. Unter Land- 
quart). 1781 m. Bewaldeter und begraster Gipfel am N.- 
Knde des Furnerbergs, der das Thal von Valzeina einer- 
seits vom Jenazcrlobel und der Landquart andrerseits 
trennt. \ km s w. Schiers. An den Illingen stehen zahl- 
reiche Hütten. 

SCHWeRTSCHWENDl oder SCHWERT- 
SCHWANDEN (Kt. Luzern, Amt Willisau, Gem. Uff- 
husen). 735 m. 13 Häuser an der Kantonsgrenze gegen 
Bern zerstreut gelegen ; zwischen l'IThusen und Hiiltwil, 
sowie 2.5 km ö. der Station Huttwil der Linie Langenthal- 
Wolhusen. 119 kathol. Ew. Kirchgemeinde Hilmsen. 
Ackerhau und Viehzucht. 

SCHWEHZENBACH (Kt. Zürich. Bez. l'ster). 
4i0 m Gem. und Pfarrdorf, an der Glatt und 9 km <>. 
Zürich. Station der Linie Zurich-l'sier-Happerswil. Post- 
bnreau, Telegraph, Telephon. Gemeinde: 40 Häuser, 301 
reforin. Kw. ; Dorf: 31 Häuser. 170 Ew. Landwirtschaft. 
Einzelftind aus der Bronzeperiode. Ras Ghorherrenstift 
Zürich hatte hier Besitzungen. Das Kloster Einsiedeln besass 
die Gerichtsbarkeit und hatte daselbst LeiheigenelAfemora- 
hilia Tiaurina). Die Kollatur gehörte ebenfalls dem 
Kloster Kinsiedeln und kam IfU» durch Vertrag an Zürich. 
Schon 1671 hatte der Rat daselbst den Unterhalt der 
Kirche und des Pfarrhauses übernommen. Erster refor- 
mierter Pfarrer war Jakob Kaiser von Dznach. der 1529 
von der st. gallischen Gemeinde Oberkirch zum Geist- 
lichen gewählt wurde, aber noch einige Zeit in Greifensee 
wohnte. Auf dem Wege nach seiner neuen Gemeinde 
wurde er bei Eschenbach im St. Gallischen gefangen ge- 
nommen, nach Schwvz geführt und trotz der Einsprache 
von Zürich am 29. Mai 1539 verbrannt. 1230; Schwer- 
zenbach. 

SCHWEHZENBACH (NIEDER) (Kt. Zürich, Bez. 
Bulach, Gem. Wallisellen). 439 in. Kleines Dorf. 1 km 
so. der Station Wallisellen der Linie Zürich-Usler-Hap- 
pcrswil. 16 Hauser. 114 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Wallisellen. Wiesenbau. 

SCHWERZLEN (Kt. Luzcrn. Amt Hochdorf, Gem. 
Inwil). 537 m. Gruppe von 3 Hausern : 2,5 km n. Inwil 
und 4 km nw. der Station Gisikon der Linien Zürich- 
Luzern. 25 kathol. Ew. Kirchgemeinde Inwil. Ackerbau 
und Viehzucht. 

SCHW ESTERNBORN (Kt. und Amt Luzern, Gem. 
Weggis). Wenig gebräuchlich« 1 Benennung für die Quelle 
von Itigi Kaltbad fg. diesen Art). Nach der Sage sollen 
hier einst drei Schwestern gelebt haben, die sich vor 
den Nachstellungen des Landvogtes Gessler geflüchtet 



Schwesterrain (Kt. Zürich. Bez. Meilen. Gem. 
Hombrechlikon). 490 m. Gruppe von 5 Ilausern ; 1,5 km 
nö der Station Feldbach der rechtsufrigen Zürichsee- 
bahn (Zuiich-Meilen-Kapperswilj. 28 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Hombrechtikon. Weinbau. 

• CHWIEDENEQQ (Kt. Bern, Amtshez. Nieder 
Simmenlhal). 2009 in. Gipfel in der Gruppe des Ochsen 
und des Ganirisch, die sich gegen S. von der llauplkette 
des Stockhorns abzweigt. 4 Stunden n. über Bad Weis- 
senhurg. sowie zwischen dem Mordeten- und dem Bun- 
schenlhal, die sich 1 km oberhalb Bad Weissen l>urg mit- 
einander vereinigen. Leicht zu erreichender Gipfel mit 
umfassender Aussiclh. 

SiHWIEOERNEN (Kt. Wallis. Bez. Visp, Gem. 
St. Nikiaus). 1185 m. Gemeindeabteilung zwischen dem 
PfarrdorfSl. NiklauH und dem Dorf Herbriggen. Utitfasst 
zwei Hausergruppen : Sehwiederncn (im entern Sinniam 
linken l'fenler Visp und 1.5 km s. der Station St. Nikiaus 
der Linie Visp-Zermall, sowie Bilig am rechten (Ter der 
Visp. Zusammen mit einigen zerstreut gelegenen Einzel- 
sieaelungen: 15 Ilauser. 112 kathol. Ew.; Weiler: 6 Häu- 
ser, 38 Ew. Kirchgemeinde St. Nikiaus. Kapelle. 

SCHWUREN (B«-IM) iKt. l/ri und Nidwaiden). 
Etwa 1980 m. L'ebergang über den den Oberbaiienstock 
oder Bauenberg (2121 m> mit dem Zingelgrat 1 1896 und 




1963 m) verbindenden Kamm, in der das Kohlthal vom 
Isenthal trennenden Kette. Verbindet Emmeten durch 
das Kohlthal in 5 Stunden mit Isenthal und geht wenig 
unterhalb des Gipfels des Oberbauenstockes vorbei. 

SCH WlNDei_BACH (Kt. St. Gallen. Bez. Unter 
Toggenburg. Gem. Mogeisberg). 790 m. Gruppe von 6 
Häusern, am Mittellauf des Tremmelbaches tin I 8,5 km 
ö. der Station Lichtensteig der Toggenburgerhahn. 12 
reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden St. Peterzell. 
Viehzucht. Stickerei und Weberei. 

SCHWIZERBROGai.1 od. SCHWVZERBRÜCK 
(Kt. Schwyz, Bez. und Gem. Einsiedeln). 838 m. Gruppe 
von 6 Häusern. 700 m sw. der Station Biberbrücke der 
Südoslbahn > W'ädeiiswil-Goldau). 39 kathol. Ew. Filiale 
Bennau der Pfarrei Einsiedeln. Wiesenbau. Seiden- 
weberei. Eisenbahnhrucke und gedeckte hölzerne Stras- 
senbrücke über die Biber. 

SCHW OBS HOF (Kt. Zürich, Bez. Hinwil, Gem. 
Gossau). 450 m. Gruppe von 6 Häusern ; 1,5 km sw. der 
Station Gossau der elektrischen Strassen Ii« Ii n Wetxikon- 
Meilen. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Gossau. Wie- 
senbau. 

SCHWVZ. Kxsros der schweizerischen Eidgenossen- 
schaft, in der offiziellen Reihenfolge der Kan- 
tone deren fünfter. Von ihm hat die Schweiz 
Namen und Wappen angenommen. 

1. Lage, uhf.nzkn. grossk. Der Kanton 
Schwvz liegt im mittlem Teil der Schweiz 
zw. -eben 4« 53 bis 47 13' nordl. Breite und 
iVS bis 6°40' üall. Lange von Paris (oder 8*23' 
bis 9 osll. Länge \on Greenwichl. Seine 
grosste Lange von Merlischaehen an der Luzernergrenze 
im W. bis zum Grieset an der Glarnergrenze im 0. betragt 
45 km. die grossle Breite vom Glatten an d r l'rnergrenze 
im S. bis zum Dreiländerslein im Zürichsee bei Happers- 
wil im N. 38 km. Mit einem Flächeninhalt von 908,5 km 1 
nimmt er unter den 22 Kantonen den 13. Hang ein. bezüg- 
lich der Bevölkerung steht er mit 55385 Ew. im 17 Rang. 
Von der Gesamtfläche entfallen 660 km 1 auf bebautes 
1-and * Wald, Weiden, Wiesen, Aecker, Gärten und Reben) 
und 248.5 km 1 auf nicht bebautes Land (Gletscher. Seen, 
Flüsse, Bäche. Gebäude, Felsen, Schutthalden, Strassen 
etc.). 

Die Grenze zieht sich im O. von der l.inthmündung 
am obern Zürichsee (409 in), dem tiefsten Punkt des 
Kantons, der Linth entlang bis Grinau, durchquert 
dann das Tuggener Ried (ehedem Gebiet des Locus Tuc- 
voniaj bis Bultikon und wendet sich wieder an den Linth- 
kanal, um hierauf nach Bestreichung des st. gallischen 
Gaster die Glarnergrenze ö. Reichenburg zu gewinnen. 
Von hier erstreckt sie sich über den Grat der Wäggi- 
thalerberge südwärts bis zur Brüschalp. um sich von da 
ins Klönthal niederzuBenken, das sie bei Richisau durch- 
zieht, um den Silbernalpen entlang bei 2804 in den Grie- 
sel, den höchsten Punkt des Kantons, und darnach die 
Eckstocke und den Orlstock zu erreichen. Von da berührt 
sie nun in sw. Richtung bei den Jägernstocken und Mä- 
renbergen urncrischea Gebiet. Dieses greift weit ins 
schwyzerische Bisi- und Hürithal hinab und drängt die 
schwyzerische Grenze nordwärts bis Dürrenboden, zu den 
Wasserbergen. Lipplisbühl, an den Blümberg und den 
Kaiserstock . Vom Rossstock, nahe dein durch Su warows Zug 
bekannten Kin/igkulm. geht die Grenze nordwärts an den 
Riemenstaldenbach hinunter und diesem entlang gegen 
W. bis an den Urnersee. Quer über diesen bleibt l'ri der 
s. Nachbar bis zwischen Treib und Kindlismord, von wo 
dann westwärts bis zur Obern Nase, in der Nähe von 
Vitznau.Nidwaldcnanslössl. l'eberVitznauerstoek, Scheid- 
egg, Dossen, First und Rotstock grenzt bis auf den Rigi 
der Kanton Luzern an. Zwischen Greppen und Küssnacht 
setzt die Grenze über den Vierwaldslatlersee und wendet 
sich dann zwischen Meggen und Merlischaehen no. zum 
Kiemen an den Zugerst-e, den sie bis St. Adrian durch- 
quert. L'eber den Ruliberg, Rossberg, Kaiserstock, Mor- 
garten und der Biber entlang bis auf den Hohen Rhön 
bildet der Kanton Zug die W. -Grenze. Von da streicht 
die Orenze nordwärts am Hültnersee vorbei gegen Bäch 
hinunter und umzieht im Zurichsee die Halbinsel Hachau, 
sowie die Inseln L'fenau und Lülzelau. In deren Nähe 
steht im See ein grosser Obelisk, der sog. Dreiländer- 



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SCHW 



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435 



stein, der die Kantone Schwyz. Zürich und St. Gallen von- 
einander scheidet. Dann wendet sie sieh wieder nur Linth- 




Kanluo Sclmi Schwr* gsgan <lie Higi lluchduh 



imiuduiig. Natürliche (■reuten bilden demnach im lt. die 
Linth, sowie die Wäggi- und Disithalerberge, im S. die 
Muotathalerberge. im W. der Vierwaldstättersee, Higi 
und Zugersee, sowie die Kette Rossberg-Hoher Rhön, im 
N. der Zürichsee. 

II. UopfcNi;F.sTAi.Ti n<;. Der Kanton Schwyz hat vor- 
wiegend Yoralpem-harakter. Im S.. gegen Uri und (Harns, 
liegt ein aus Juragesteinen aufgebautes weites liebiet, 
dem sich vom Vierwaldstättersee bis zum Linththal ein 
grosses Kreidegebiet vorlagert, wahrend sich ein breites 
F.ozängehiet vom Higi ins Wäggithal zieht und der ganze 
n. Kantonsteil dem Miozän angehört. Diese geologisch 
verschiedenen Landschaften lassen sich am besten nach 
den Flussgebieten der Reusa, Sihl 
und Linth einteilen. 

1. Zum liebiet der Ileus« gehö- 
ren, im Süden des Kantons, zunächst 
die zwischen der Urner- und ( llarner- 
grenze und dem Hisi- und Slarzlen- 
thal eingeschlossenen Disithaler- 
berge. Deren höchste Erhebung, der 
Griesct (9801 in I. schaut mit breitem 
Kamm weit ins Flachland, in den 
Jura und in den Schwarzwald 
hinaus. Von ihm ziehen sich in 
der Dichtung nach dem Todi der 
Ortstock 2715 mi, die Jägernstocke 
und die Märenberge, welche teils 
scharfzaekig, teils turinartig aufra- 
gend mit nackten Felswänden, gewal- 
tigen Festungswerken ähnlich, zum 
l'rnerboden und am (Hatten zum 
Klausenpass abfallen. Grieset und 
Ortstock tragen wie ihre westlichen 
Nachbarn Kirchberg i2672 ml und 
Pfannenstork (2572 mi kleine Glet- 
scher. Zwischen die w .Ausläufer der 
letztgenannten Gipfel schieben -ich 
die drei llochthäler der Glattalp «mit 
See), der auf großen Strecken mit 
tief ausgewaschenen und wild zer- 
klüfteten Karrenfeldern überzogenen 
Karrenalp und des Ratschlhales, 
welches wie die nordwärts gele- 
gene Silbern (mit kleinem See) und 
Bödmern ausgedehnte Aipweiden aufweist und von gewal- 
tigen Höhlen i Höllloch) durchzogen ist. Vom Kisithal 
westwart!« erstrecken sich mit n. Ausläufern, zwischen 



denen das Hürithal sich vom Mnzlg (1 
hinabsenkt, die Muotathalerberge bis zum Axen : Wind- 
galle i27f>2 m), Wasserberge (2341 m), 
Hossstock (2463 mi und der Hophaien. 
Davon wird durch das Langsthal von 
Hiemenstalden und die Goldplangg die 
Frohnalpstockgruppe abgetrennt, die 
parallel zu der vorgenannten mit schar- 
fem Südgrat vom Dreiangel 11731 ml 
über den Hengst 1 1880 ml, Klingen- 
stock il929 m< und Ilauserstock 1 11)00 
m i nach W. zum Frohnalpstock i IU22 m l 
zieht. Dieser fällt mit mächtigen, ge- 
wölbten Fclsschichten fast senkrecht zur 
Terrasse von Morschach-Axenstein und 
von da in den I rnersee ab. von dem 
aus gesehen er einen riesigen Wall 
bildet, wahrend er sich gegen N. mit 
Fels, Wald und Weiden zu Thal senkt. 
Auf der sanften ■>. Abdachung trägt er 
eine Menge der schönsten Alpen, so- 
wie den Kurort Stooss, von dem aus 
er steil zur Schlucht der Muota ab- 
stürzt. Diese tritt hier ins fruchtbare 
Thal von Schwyz ein. an das nordwest- 
lich der Gebirgsstock des Higi anstosst. 
Deesen o. Ausläufer, der aus Seewerkalk 
aufgebaute Urmiberg. ist an seinem S.- 
Hang fruchtbar, wahrend von seinem 
Grat machtige Felsstürze drohen und 
die steile Zlnggelenfluh die X. -Seite 
bildet. Der l'rmiberg hat drei Kammein- 
mit Passen. Sein höchster tankt ist die Hoch- 
Zwischen den Gräten, welche von dieser au» 



schnitte 
fluh (1696 ml. 

südwärts uber den Fohnenberg an den Vierwaldstättersee. 
nord westwärts zur Scheidegg 1 1665 ml und von letzterer 
südwestwarts über den Vilznauerstock zur Obern Nase sich 
ziehen, liegt die vor den N. -Winden geschützte Mulde von 
Gersau. Der Kamm des Higi zieht von der Scheidegg über 
Dossen (168» ml und Schild (1551 m) gegen NW. zum 
Hotstock (1662 m), von wo er sich einerseits sw. abwärts 
nach Kaltbad- Kanzeli-Weggis und andrerseits no. über 
Staffel (1570mi aufwärts zum Kulm 1 1800 in wendet. Im 
Dergkessel zwischen Kulm, Hotstock und Schild liegt Klös- 
terh (1315 mi eingebettet. Hier entspringt die Rigi Aa. die 




Kanton Sebwyi: Brunnen. Schuvi und die Mvficn. 



bei Arth in den Zugersec mündet, ilic vom Kulm nach 
Goldau und Ober Arth sich senkenden Nagelftutachichten 
durchdurchi|ueren das Arlherthal. um dann in n<>. 



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scirw 



SCHW 



Richtung zum Huliherg ■ tütili in 1 . Rossberg il.VÖ m i und 
Kaiserstock 1 1428 m) wieder anzusteigen. 




Kanton Sehwvi: Kl<»l«r logeiibnbl b«i Brunnen. 

2. Das Si Iiigebiet hat seine höchste Erhebung im 
vielfach verzweigten Rrusherg (228M tut. der durch den 
Pragelpass von dem !Okm weiter Kgen S» >. sicli erhebenden 
Griesel getrennt wird. Von ihm zieht ein Kamm liber Forst- 
berg ('2219m). Spirstock( 1773 . Schyen i Lt7.~>mi zum Mythen 
) I9ÖC1 mi. Dieser »endet bei der Natschbodeuhohe l 1.V29 m i 
einen w. Seitenzweig zum HocIiBtuckli | 1586 im aus, wäh- 
rend der llauptkamm seine Richtung fortsetzt, bis er bei 
Riberegg (UäO m) westwärts auf den Morgarten il2V2 m) 
ubergreift. Von diesem wiederum erstreckt sich ein meist 
bewaldeter Rergzug, derdie \\. -Seite des Ulbert ha les ein- 
schliesst. zuerst in n. und dann in ö. Richtung zum Hohen 
Rhön 1 1201) mi. der steil zur Sihl abfallt. Der Hauptkamm , 
des Mythen verlauft dagegen in stelsfort n. Richtung dem 
Alplhal entlang und w. an Einsiedeln vorüber bis nach 
Hiberbrucke 

Eine andere Kette zweigt beim Rrünnelistock i I.V.M3 nn. 
iwitehei Schyen und Mythen, parallel zur erstgenannten 
nach N. ab und schliesst mit jener das Alpthal ein. Ihre 
Hohen sind: der Furggelenstock It «.">'.• in i. der Stock | 
lfi<>4mi, die Amselspitze illUi m >. der Freiherrenberg 
• 1 1 V.l m i und dess«>n Ausläufer, die sich bis zum Zusammen- 
lluss von Alp und Sihl hinziehen. Diese Kette begrenzt 
mit dem vom Stock gegen NO. auszweigenden Rergzug 
Regenegg ilöSJ m) — Spital 1 1577 m< -Hummel [1431 nn 
das Amselthal. Dero. Auslaufer desSpital, die Schrah I Wi 
m . bildet mit jenem und dem Hummel das Einzugsgebiet 
des_ künstlich verbauten Steinbaches. Vom Spirstock 
(1773 n) erstreckt sich über Lauchertl i 173"2 m) und liessis- 
bohl i!7l.'l in i bis zum Roggenstock ■ 1781 mi ein geo- 
logisch hochinteressantes \lp\vcidcn>:chict. das in der 
Guggern <I2HI in i seinen letzten Ausläufer hat. 

Vom Drusberg zieht sich eine fernere Gruppe norilw.ui- 
über Twäribern > 21 19 mu Käsernalpen i ISMO m . Schül- 
berg(11H2mi. Fidersberg > 1910 m), Biet (1968 mi und 
Karrenstock (129*2 m -. um sich ilann gegen Studen im 
Sihlthal zu senken. Den o. Ausläufer des Drusberges 
bildet die Kette der Mieseiu. die scharf nach N. und NW. 
zum Etzel umbiegt und als bedeutendste Höhen den 
Fläschberg :207i m'. Fluhberg i209f> m > und Auberg 
it698 m) trägt. 

3. I.inthgebiet. Oestl. der Elzelkette liegt das Wäg- 
githal, das im S. von der Oberalp (1578 im, einer 
Abzweigung des Fläschberges , begrenzt wird. Reim j 
Ochsenkopf ;i!8| mi. Muttriherg 229T> m und (Uderten- 
stock 1 2*21 4 mi biegt es nach V um und erreicht über 
l-achenstock i2n28 m>, Zindlen«pitz '20HS ml. Rrunneli- . 
stock (8150 mi. Hohlläsch (3080m), Schienberg (2046m), 
Thierberg 1 1992 m . Kopllen i \>SA m und Melchterlistnck 

1,'flO m die Linlhebene. Zwischen dieser und dem obern 
Zurichsee erhebt Hich noc h inselartig der Untere Buch- 
herg • 614 mi. 



Die von den genannten IHerggruppen umgrenzten 
oder eingeschlossenen Thal er sind : im'N. am Ufer.'des 
Zürichsees die fruchtbare March, mit den w. 
angrenzenden wein- und obstreichen « Höfen » ; 
zwischen Etzel, Mythen und Fluhberg die 
Hochebene von Einsiedeln, w. derselben an 
der Riber die Altmatt, um den Lowerzersee 
das Thal von Steinen, am Zugersee das Thal 
von Arth, am N\y. -Fuss des Ri^i das gesegnete 
Seelhai von Küssnacht, vom Mythen zum Vier- 
waltlslattersee das prachtvolle Thal voll Schwyz, 
in welches das hergumkränzle Muotathal mit 
seinen Seitenthälern illüri-, Risi- und Starz- 
lenthal i mundet, und endlich das aus der 
Marchehene südwärts ansteigende einsame 
Waggithal. dessen Umgebung Hochgcbirgs- 
charakter hat. 

Während die Thäler meist gutgründige 
Wiesen tragen, treffen wir in der Hergregion 
schöne Wälder und Weiden, sowie noch höher 
oben viele und grosse Alpen. Aussichtsreich, 
mit gesunder und würziger Luft umgeben und 
darum vielbesucht sind die Kurorte Rigi. Mor- 
schach. Stooss. Illgau. Iberg. sowie die Rerge 
de« Muota- und Wäggithales. der Drusberg, 
Mythen. Etzel etc. 

III. HYDttnCRAPIII. Der Kanton Schwya 
sendet, wie bereits bemerkt, seine Gewässer 
in die Reuss, Sihl und l.inth. 

1. Reussg^ebiet. Ander Ruosalp im RUithal entspringt 
die Muota. Sie nimmt von O. her den Abfluss des Glatt- 
alpsees, von der Silbern das Schleichende Wasser und 
den liöllluchbaeh und vom l'ragel den Star/Ienbach auf. 
wahrend von X. her in schäumenden Fällen der Mettel- 
uiul Retthach niederstürzen und von S. her vom Kinzig 
der Huri-, von der (ioldplangg der Rürgeli- und vom 
Klingenstock der Stoossbach sich in sie ergiessen. Nach- 
dem die Muota dann durch eine wilde Schlucht in die 
Ebene von Schwyz eingetreten ist. nimmt sie vom 
Mythen herden Tobelbarh. vom Haggen den t'etunbach und 
vom Hochstuckli her die Steiner Aa auf, die den Lowerz» r- 
see speist und nach dessen Verlassen See wem heisst. 
Die Muota mundet bei Rrunnen in den Vierwaldstättersee. 
Sie treibt zahlreiche Sägemühlen, sowie je eine Raum- 
wollen- und Zementfahrik, und wird von 12 Krücken 
überschritten. Reissende Räche des Reussgehietes sind 
ferner: der bei Sisikon mündende Riemenstaldenbach, 
der mit südlichem Sturze von der Rigi llochlluh herab- 
kommendc Fallenbach . die von der Rigi Scheidegg 
strömenden und 7 mechanische Werke treibenden I>orf- 
häche von Gersau, ferner der (Hessen, der Gesslers Burg- 
ruine zu Küssnacht umspült und zwei Mühlen treibt, so- 
wie endlich die Rigi Aa. die ihre Wasser im Gehirgs- 
becken von Rigi Kloslerli sammelt, an Goldau vorbeigeht 
und bei Arth in den Zugersee mündet. 

2. I he Sihl hat ihre ijuellen an der Miesem und nimmt 
bei ihrem Laufe durch Studen, Eulhai. Gross. Willerzeil. 
Egg und Schindellegi auf: von rechts den Weisstannen- 
bach von der Fläschlihohe. den Kubach vom Aubrig. den 
Rickenbach von der Mies- und Hirzegg. den Sulzbach 
vom Sonnberg und den Kniewegbach von der Grubhohe ; 
von links die Waag vom Drusberg (mit der Minster vom 
Schyen I. den Steinbach vom Spital, den Grossbach vom 
Stork (durchs Amselthal I und den Alpbach von den Mythen 
{durchs Alpthal I. in welch letzteren sich vom Riberstock 
und von Riberegg her über die Altmatt die Riber ergiesst. 
Diese Rache treiben 31 Sagemühlen und noch viele andere 
mechanische Werke. 30 grosse Rrücken vermitteln den 
Verkehr. 

3. Li n t hgeb i e t. An der Oberalp entspringt «die 
Wäggilhaler Aa. die von links den Schlierenbach vom 
TannstolTel und den Kratzerlibach vom Aubrig. von rechts 
den Trebsenhach vom Kopfensbwk aufnimmt und nach 
einem langen Laufe durch eine waldige Schlucht die 
March durchzieht, um beim Lachnerhorn in den 
Zürichsee zu münden. Sie treibt mehren' Sagemühlen im 
Waggithal, einige grosse Fabriken und andere mechanische 
Werke in Siebnen, Lachen, und Nuolen Vom Rinder- 
weidhorn Miesst der Spreitenbach, der eine Raumwollen- 
fabrik treibt, nach Lachen, wo er als • Kleine Aa » in den 




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'THE NtW YC*k 

|WBIICL!3fiARY 



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SCI1W 



SCHW 



437 



Obersee mündet. Von der Stockeregg stürzt der Kessi- 
bach nach Altendorf hinunter, um nach Vereinigung mit 
dem Sommerholzhach als/Mühlebach 
sich in den See zu ergiessen. Die 
Uezirksgrenzc zwischen der March und 
den Höfen bildet der vom Schonboden 
kummende l.iissibach, der tiei Lidwil. 
wo er noch eine Sägemühle treibt, in 
den Obersee mündet. An der Knzenau 
entspringt der Staldenbach, der eine 
Mühle treibt und beim Schloss Pfäfli- 
kon in den Kraueuwinkel ( Zürichsee i 
mündet. Vom Hüttnersee fliesst nach 
NO. der Krebsbach, der die Neu-, 
Theilers-, Ober- und Unter ran hie und 
zwei Fabriken treibt und beim Inselchen 
Schönen vverd i Hinlerhäch » sich in den 
Zürichsee ergiesst. 

Ganz oder teilweise eingedämmt und 
verhaut sind die Muota. Sihl. Alp. 
Waggithaler. Steiner und Rigi Aa, sowie 
der Tobel-, Helen-. Eu-. Stein-, Gross-, 
Schlieren-. Spreiten- und Kessibach. 

Zum Kanton Schwyz gehören : vom 
Zfirichsee A'l Im', vom Zugersee 9,7 
km 1 , vom Vierwajdstättcrsee 17,5 km a 
und der ganze Lowerzersee. sowie 
über ein Dutzend kleine Alpenseen, 
von denen das Glattalp-. Silbern- und 
Sihlseeli die bekanntesten sind. I>ie drei 
grossen Seen werden mit Dampf- und, 
Hudei-schilfen befahren. Während der 'Vlerwaldslältei - 
und Zugersee auf Schwyzergebiet die ^q*»s»t«ii Tiefen 
aufweisen, ist der Lowerzersee nur r7 m tief und friert 
darum alljährlich zu. Er besitzt das schöne Felseneiland 
Schwanau mit Schlossruine und die buschige Lützflau. 
Auch die Inseln Ufenau und l.ützelau im'Zürichsee «md 
•chwyiertsch. 

Ausser den bereits genannten mechanischen Wasser- 
werken linden sich noch Kaggermnschinen an der Hachau 
und am Lachnerhorn. Die grossem Ortschaften, wie 
z H. Kinsiedeln. Lachen. Wollerau. Küssnncht. Gersau, 
llrunnen etc.. haben bedeutende Wasserversorgungs- 
anlagen. In Siebnen. Lachen, Kinsiedeln etc. sind viele 
kleinere private Elektrizitätswerke für Beleuchtungszwecke 
eingerichtet worden. Das grosse Elektrizitätswerk Schwyz 
an der Munta gibt an Schwyz. Hrunnen. Axenstein. Gersau. 
Vitznau, Weggis. den Rigi. Goldnu, Seewen etc. Kraft ab. 
Es lieferte im Jahr 1!)01 an Kraft im ganzen Kelrich 
I6IOIKK) KW. -Stunden und gab ab: für Motoren ausser 
der Hcleuchlungszeit 234 PS und während derselben M~> 
PS. an Lampen 1071X1 Watt und an andere Wäriiieapparate 
i'J KW. für im ganzen YJXi Abonnenten. Elektrisch wird 
auch betrieben die Hahn Hrunnc u-.Morsehacli. Ferner hat 
mau den Hau des Etzelwerkes mit einem im Sihllhal bei 
Willerzell gelegenen Stausee von 77 Mill. m :l Wasser und ei- 
ner elektrischen Kraftanlage bei Pfäflikon geplant, welch 

letzere aill den Tag ÖIKIINHI Unslante PS liatte liefern kön- 
nen, ha aber mit Hezug auf diese Anlage zwischen den 
Kantonen Zürich und Schwyz eine Verständigung nicht 
erzielt zu werden vermochte, ist dieses Projekt, dessen 
Konzession bis HHO läuft, bis auf weiteres ad arta gelegt 
worden. [Meinrad K n in ] 

IV. Gern mgie. Der Kauton Schwyz zerfällt geologisch 
in drei Hauplgebiete : a > Molasselaud. b Fhschgebiet. 
ei Kreidegebiel. Nur in den südöstlichsten Zipfel des 
Kantons reichen noch helvetische Jurabilduugeii in 
grösserer Ausdehnung hinein. 

a) Aloliisttettimi. Das jüngste Gebilde, die tertiäre 
Mol asse, nimmt den ganzen N. des Kantons ein bis 
etwa zur Linie Vilznaii-Lowerz-Sleinen-Willerzell-Vorder 
Waggithul. Sie besteht aus einer mannigfaltigen W echsel- 
lagerung von Sandstein-. Mergel- und Nagellluhbaiiken. 
von denen letztere besonders im W.. um Higi und Ron- 
herg, stark vertreten sind. Diese .Molasses« hicliten. die 
bei Zürich horizontal liegen, sind hier, gegen den Alpeu- 
rand hin, stets aufgerichtet. Ganz im N. des Kantons 
zeigen sie noch Nordfalleii. längs der Linie Schinerikon- 
Pfäflikon- Fensisberg- Schindelleg i stehen sie senkrecht 



und südl. dieser Linie, der sog. « nördlichen Molasse- 
Antiklinale» (des nördlichsten subalpinen Molassege- 




Kanlnn Sohwvi: Unionen und VierwaMsiattome«. 

wölbes. an das sich noch weitere sü Hiche anzuschliessen 
scheinem herrscht Südfallen vor. Dieser Südfall der 
Schichten ist in wunderbarer Regehnassigkeit au den 
Nageltluhbäiiken des Rigi und des Hnssberges zu be- 
obachten, wahrend der steile, treppenformige ouerah- 
bruch dieser Berge nach N. gewendet ist. 

Hei Hach linde« sich ein allbekanntes Lager mit 
marinen Petrcfakteu : marine Molasse, hie gesamte 
übrige i südliche) Molasse des Kantons wird zur sog. 
unleren Susswassermolasse gerechnet. An verschiedenen 
Stellen sind dieser dünne hohleiisehichten eingelagert : 
besonders bekannt sind die eine Zeitlang abgebauten 
Kohlen vom N. -Abhang des Hohen Hhonen (allerdings 
grossen teils schon auf Zugergebiett, die in den begleiten- 
den .Mergeln eine Menge von Pllanzenahdrürken geliefert 
haben ivcrgl. Heer, Osw. Die I nvrli ih>r .N/n/vi:. 
I. Aull. S. 446). Grosse Steinbrüche in Moiassesand- 
sleinen linden sich am I Intern Huchberg, bei Altendorf 
und Pfäflikon (granitische Molasse) . dann bei Häch 
i marine Molasse). Die letztern haben eine Masse Hau- 
malerial für Zürich geliefert. 

bj Das HjfteftgtBitl ist nördl. des Rigi kaum ent- 
wickelt, verbreilerl sieh aber slark östl. des Lowerzersee» : 
das obere Alpthal, die Gegend von Sleinbach und Euthal, 
der grösste Teil des obern Waggithale* sind darin ein- 
gebettete Oiieri haier. Graue und schwarze Schiefer und 
Mergel, wcissglimmerige Sandsteine, hie und da auch 
Konglomerate und Hreccien setzen die ebenfalls ge- 
falteten Schichten dieser Formation zusammen. Da die 
lpjeht verwitternden Mergel stark vorherrschen, ist der 
Flysch der Vegetation günstig und bedingt schöne Alp- 
weiden und dichte Waldbestande, ebenso sanfte, wellige 
Hergformen Ferner ist bei der Wasscr-l/ndurchlässigkeil 
dieser Mergel « Flyschnässe » sprichwortlich geworden. 
Auch sind RutMh traget) häullg. An manchen Orten sind 
den fossilarmen, nur etwa Fukoiden führenden Flysch- 
mergeln Hänke von resistenten, fossilreichen Nummu- 
hteiikalken uml Nummulilcngrünsanden eingelagert: 
altberuhmt sind die an Seeigeln reichen Nummuliten- 
kalke von Plangg bei Iberg und die Phosphoritbank von 
Steinbach, die eine Menge von Parisian- Versteinerungen 
geliefert hat. 

Merkwürdigerweise erheben sich mitten indiesem sanft- 
welligen Fhschgebiet einige ihm schon orographisch ganz 
fremde Hergformen: Mythen. Schyen. Laucheren-Sloekh- 
Mordergrube uud Roggenstock bei Iberg. Auch die Ge- 
steine, die diese Gipfel zusammensetzen, sind ganz fremd- 
artige, meist triadische, jurassische und kretazische Se- 



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SCilW 



ilimente, w\e sie in ähnlicher Ausbildung nicht in den 
hinterliegenden Kreide- und Juraketten sich linden. 




Kanton Schwei: Morachacb. 

sondern erst an der S. -Flanke der Alpen auftreten. Man 
glaubte früher, diese Herge ragen wie i Klippen » aus dem 
Flysch hervor; heute weiss man. dass die « Klippen » die 
letzten von der Erosion verschont gebliebenen Reste 
einer einst zusammenhangenden grossen, von S. herüber 
die Zentralalpen geschobenen l eberfaltungsdecke sind. 
Die alten Gesteine der • Klippen » stechen nicht von unten 
durch den Flysch, sondern liegen überall, wo der Kontakt 
entblussl ist, mit einer Rutschlläche ohne Wurzel auf 
dem jüngeren Flysch. 

Wirklich aus dem Flysch hervor treten dagegen im 
Grossen und Kleinen Aubrig, im (iugelberg, Kalvarien- 
berg und Kopfenstock die helvetischen Kreideschichten 
in Form eines nordl. überliegenden Gewölbes. 

c) Kreitlegehwt. Die Kreide dieser Gegend zerfallt 
von oben nach unten in den dünnschichtigen, gelb wein 
anwitternden Seewerkalk. den wenig mächtigen, grun- 
sandigen, leicht verwitternden und dunkle Rasenbander 
erzeugenden Gault. den massigen, 
«teile Felswände bildenden, weiss 
anwitternden Schraltenkalk und 
die in der Landschaft meist dunkel 
gefärbte, mergel reiche, zum Teil gut 
bewaldete, mächtige Serie Neokom- 
Valangien-Rerrias. bei der beson- 
ders im mittleren Teil (Valangien) 
mächtige, äusserst regelmassig ge- 
schichtete, dunkle Kieselkalke auf- 
treten. Üer Kreide gehören, abge- 
sehen von den bereits erwähnten 
nördl. « Vorläufern » (Aubrig etc.), 
an : Vilznauerstock. Rigi llochtluh, 
Prohnalpstock, Drusberg, Fluhbrig, 
Rädertenstock, Zindlenspitz. Was- 
serberg. Silbern, l'eberall ist die 
Kreide sehr kompliziert gefallet. Der 
jüngere Flysch sollte normalerweise 
von N. her auf die Altere Kreide 
ansteigen. Das tut er auch zum Teil, 
und prachtvoll sieht man z. It. am 
Roggenstock, wie der helvetischen 
Kreide zuerst der Flysch und dann 
diesem die fremden Klippengesteine 
des Roggenslockgipfels aufruhen. 
Der Flysch greift alter auch tief 
unter Jic Kreide ein. Auch diese 
isl eben, w ie die Klippen, von S. her 
nach N. geschoben und zeigt daher 
an ihrem N.-Rand an vielen Stellen. 
ho am Fluhbrig, am Tierberg, an 
den Silbern, prachtvolle l'mhiegung aller Schichten 
mit Knie nach N : das ist die liegende Gewolbeslirn der 
l'eberfaltung. Die beiden Aubrige selbst sind, wie sich 



in ihrer streichenden Fortsetzung im Glarnerlande zeigt, 
bloss die wieder aufgestellte Stirn einer tiefern Ceber- 
schiebungsdecke, aufderen Jüngstem, dem 
Flysch, ilie ganze Kreide von Frohnalpstock, 
Drusberg. Rädertenstock und oberem Wfig- 
gis schwimmt. Dieser Flysch lässt sich ast 
lückenlos um die ganze Region, die er 
unterlagert, verfolgen : er streicht y von 
Krunnen über Schwyz und über die Fl'sch- 
zone des Kantons gegen Näfels, von,} hier 
am Abhang des Wiggis entlang, urch 
das Klonthal, über den Rragelpass und 
durch das Riemenstalderthal wieder an 
den Urnersee. Resonders deutlich trennt 
dieser Flysch auf der Pragelpasslinie das 
nördl. überlagernde Kreidegebiet von dem 
midi., das nun nach N. darunter sich ein- 
senkt. Nach S. steigt dieses letzte re, viel- 
fach gefaltet | Rosstock. Sillterni. an. bis 
unter ihm, im südöstlichsten Teil des 
Kantons (ostl.des Bisithales i. noch Jura zu 
Tage tritt {Karrenalp. Faulen. Pfannen- 
stock. Ortstock ; über Ausbildung und 
Ciliederung des Jura, vergl. den Art. 
G LsJIUS, Rand II des Lexikons. Seile 324». 
Aber auch dieser Jura mitsamt der ihn 
bedeckenden Kreide ist wurzellos: er lieft 
auf dem Flysch des Schächenthales und gehört zur 
grossen Glarner-I'ebcrfallungsdecke. von der die Kreide- 
fallungeu nördl. der l'ragellinie nur obere Zweigdecken 
darstellen. 

So ist nur die nördlichste Zone des Kantons, das Mo 
lassegebiet, autochthones Land. das. schwach gefaltet, an 
der nämlichen Stelle liegt, wo es ursprünglich abgelagert 
wurde. Fin grosser Teil des Flysch aber, ferner das 
gesamte Kreide- und Junigebiet, sowie die i Klippen- 
berge • sind Teile von weit von S. her vorgestos- 
«enen und selbst wieder fast lauter nach N. überlie- 
gende Einzelfällen zeigenden, grossen Ueberschiebungs- 
d ecken. 

Die / i'-r-t hat in jeder der drei von uns unterschiedenen 
Zonen in Gestalt von Rundhockern, erratischen lllok- 
ken und Moränen ihre Spuren hinterlassen. In der Ge- 
gend von Schindellegi und des Etzel bilden die links- 
seitigen Moränenwälle des alten Linthgletschers eine 




Kantoa Schwyx Die Mythen, von dar Sdh wandiflub her gesehen . 

typische Moränenlandschafl. Sie haben zugleich auch im 
Verein mit einer Sihl-Kndmoräne nördl. Willerzell das 
obere Sihllhal abgedämmt, das hier infolgedessen als ein 



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stark aufgeschüttetes Thal erscheint. Die letzte Folge 
der Stauung iat ilas grosse Torfmoor von Einsiedeln. 
Aehnlicher Entstehung ist das zweite grosse Torfmoor 
des Kantons, dasjenige von Rotenturm. Vielleicht eben- 
fallsglazialen l'rsprungs sind alte Dellallächen bei Hinter 
Ibach, die am Ausgang des Muotathales etwa 50 m über 
dem heutigen Spiegel des Vierwaldstättersees liegen. 
Noch zu erwähnen ist die machtige Anhäufung erra- 
tischer kristalliner Blocke aus dem obern Reussgebiete, 
welche unterhalb Steinerberg die Nagellluhgehänge be- 
deckt. 

Als Resultate der heule tätigen und ununterbrochen 
fortdauernden Gebirgsveriritlerung sind besonders zwei 
Erscheinungen hervorzuheben: 1) Silbernalp (Schralten- 
kalk) und Karrenalp (jurassischer Hochgebirgskalk) als 
schönste und grosste harren f eider der Schweiz und 
wunderbare Heispiele der langsamen, aber stetigen che- 
mischen Auslaugung durch Wasser im reinen Kalkstein. 
•Ii Der Bergsturz von Gohlau, der mehr cinBeispiel der physi- 
kalischen Verwitterung darstellt, wo infolge Uurchuässung 
einer weichen Mergelschicht die gesainte uberliegend«' 
Nagellluhmasse des Rossberges zum plötzlichen Ab- 
rutschen Schicht auf Schicht gebracht wurce. Dieser 
Bergsturz ist ein typischer Fe 1 hbcIi I i p f <g. den Art. 

Goldatj), 

Die tjuellen sind im Molasse- und Flyschgehiet zahl- 
reich, aber klein. Im Kreide- und Juragehiet gibt es 
weniger, aber grosse Quellen , besonders solche aus 
Schratlenkalk und aus Hochgebirgskalk (Malm, Oberjura). 
Eine Folge der grossen Durchlässigkeit der Kreide- und 
Jurakalke ist auch die Armut an Wildbächen im ganzen 
Muutalhalgebiet. 

Bibliographie. Geologische Karte der Schweiz in 
I : 100000 (Blatt IX und XIV). - Gutzwillef, A. Geolog. 
Beschreibung der ilolasse und der jüngeren Bildungen 
auf Blatt l\. {Beiträge zur ge*dog. Karte der Schweix. 
XIV, II 1877. - Kaufmann, F. J. Geoloa. Beschreibung 
der Kalk- untl Schiefergebirge der Kantone Schwyz, 
Zug..., mit einein palüontologischen Anhang über die 
Pariserstufe con Einsiedein, von Karl Maver.' | Bei trage 
zurgeolog. Karte der Schweiz. XIV, 2), 1877. - Heim. Alb. 
Geologie der Hochalpen zwischen Beuss und Bhein. 
{Beitrüge zur geolog. Karte der Schweiz. XXV). 1891. 

— Quereau, E. Hie Klippenregion ivn Iberg. (Beiträge 
zur geolog. Karte der Schweiz. Neue Folge III). 1893. 

— Burckhardt, C. Itie Kreideketten zwischen Klönthal, 
Sihl und Linth. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweix. 
Neue Folge V). 1896.— Arbenz. P. Frohnalpstock. [Bei- 
trage zuraeolog. Karteder Schweix. Neue Folge XVIII). 
1906. — Heim, Arn. Zur Kenntnis der Glarner f'el>er- 
faltungsdecken. (Zeitschrift der deutschen geolog. Ge- 
sellsch. 1905). |D' Km.i Bliukh.) 

V. Klima. Das Gebiet des voralpinen Kantons Schwyz 
zeigt bei seinem reichen Wechsel von Berg und Thal natür- 
lich grossere klimatische Differenzen. Es reicht im S. und 
W. an die milden Gestade des Vierwaldstätter- und 
Zugersees. im N. an die Niederung am obern Zü- 
riensee, in dem dazwischenliegenden Berglande sind 
eingebettet die von der Sihl und ihren Zuflüssen entwas- 
serten Hochthäler, 
thal. 

Die jährlichen 
für 



Wäggithal und das Muola- 
(186V-1903) betragen 



mm 
I390 
1597 
1665 
1773 



mm 

Küssnacht (410 m> 1297 
Gersau (442 m) 1585 
Schwyz )560 m) IHK) 
Bisiihal)etwa900m)2l00 
Sattel (832 m) 1650 



Lachen i4I0 m) 
Finsiedeln (910 m) 
Euthal (895 m) 
Ober Iberg (1126m) 
Vorder Wäggithal (740 m) 1825 
Rigikulm (1787 m) 1730 

Der Kanton gehört infolge seiner Lage an der NW.- 
Abdachung der Alpenkette zu den niederschlagreichsten 
Gebieten der Schweiz. Besonders erwähnenswert ist die 
für die geringe Meereshohe enorme Nicderschlagssumme 
im Thalk esael des Hauptortes Schwyz und diejenige im 
obern Muotathal. 

Langjährige Temperaturbeobachtungen besitzen wir 
von den meteorologischen Stationen Schwyz, Gersau und 
Einsiedeln. Auch unsere älteste Gipfelstation, der Rigi, 
liegt auf Schwvzerboden. 



Mittlere Monalstemperaturen 1 1864-1900). 

Schwyz Gersau Kinsiedeln Higikulm 
'560 mi (442 mi (910 ml il/«7 mi 
Januar -i,2C U,2'C. -4.0*C. -4,5°C. 
Februar 0.9 1,9 -1.9 -4,0 

März 3.5 1,4 0.6 -3.4 

April 8,2 9.1 5,2 0.2 

Mai 12,0 13.0 9.3 3,9 

Juni 15.4 Ri,5 13.0 7.5 

Juli 17.4 18.3 14,9 9.9 

August 16,5 17.6 14.0 9.4 

September 13,8 14.8 11,2 7,5 

Oktober 8.4 9.5 5.9 2,7 

November 3.8 4.9 1.3 -0,8 

Dezember - 0,4 \A -3. 2 —3 .9 

Jahr 8,2 ° C. 973^1^ l^S^TT 2.0° f!. 

Schwyz hat - sowohl wegen guter Luftdrainage über- 
haupt, als auch infolge Föhneinilusaes — ziernlicli milde 
Winter ; die Sommermonate sind kühler als an Orten 
gleicher Meereshohe im schweizerischen Miltelland. Ganz 
besonder* mild ist das Gestade des Vierwaldstättersees 
bei Gersau < und auch noch weiter westwärts gegen Vitznau 
und Weggis'. Südexposilion, absoluter Schulz vor N.- 
und NO. -Winden und Seenähe sind die Faktoren, denen 
Gersau ein sehr gleichnnissiges und extrem mildes Klima 
verdankt. Namentlich die Temperaturen im Herbst und 
Winter, wo der Finlluss des bei Gersau intensiv wehen- 
den Föhns noch hinzukommt, sind für den N.-Fuss der 
Alpen sehr hoch; mittlere Januartemperalur -+- 0,2°, 
mittleres jährliches Minimum — 8.9'-. Die mittlere An- 
zahl der Tage mit Frost beträgt für Gersau nur 57 im 
Jahre (Zürich 102). Das im rauhen Hochlhale der Alp 
gelegene Einsiedeln hat wegen Luftstagnation kalte 
Winter: mittlere Januartemperatur — 4,0°, mittleres 
jährliches Minimum — 19,1 °. Noch kälter sind die grossen 
Hochmoorflächen des eigentlichen Sihlthales. Der Rigi 
dagegen zeigt als Gipfelstation relativ warme Winter und 
eine Kleine Jahresscnwankungder Temperatur ; mittleres 
jährliches Minimum — 18,8°, Maximum 20,5 4 . 

Die folgende Tabelle enthält noch einige Mittelwerte 
für unsere Stationen : 

Schwyi Genau Kinaia- Rigi- 
deln kulm 

Jährliche Bewölkung 6,3 5,8 5,8 5,8 

Anzahld.Tagem. Niederschi. 155 140 152 144 
> . » . Nebel 18 0.6 66 127 

Während die drei Thalstationen vom Juli bis September 



die geringste, im Winter die grosste Bewölkung haben, 
zeigt der Rigi neben einem Minimum im September auch 
ein solches im Januar. Gersau ist als nebelfrei zu be- 
zeichnen ; auch Schwyz hat sehr wenig Nebel und zwar nur 
vom Oktober bis Februar. Einsiedeln dagegen liegt schon 
in der Höhenzone mit Nebeln zu allen Jahreszeiten, wenn 
auch noch ein entschiedenes Novembermaximum zu kon- 
statieren ist. Der Rigi hat das ganze Jahr viel Nebel, am 
meisten im Mai. J0'. Robert Bu i.« ili.br jcw.J 

VI. Flora. Trotz seiner geringen Flächenausdehnung 
weist der Kanton Schwyz. dank seinem abwechslungs- 
reichen Bodenbau doch eine reiche Flora auf. Diese zählt 
nach Rhiner mehr als 1200 Arten, die sowohl den Hoch- 
alpen und den nördl. Voralpen, als auch den Torfmooren 
des Hochlhale« von Finsiedeln und den Uferzonen der 
Seen angehören. Im Ganzen genommen zeigt die Flora 
des Gcbirgsgebietes Aehnlichkeit mit derjenigen des 
Berner Oberlandes. Verschieden ist sie von dieser nach 
Ii. Christ nur uadurch, dass die Anzahl der hochalpinen 
Arten sich unmerklich vermindert, um der Flora der Vor- 
alpen Platz zu machen. Am N.-Heng des Rigi steigt die 
alpine Flora sogar bis zum Lowerzersee herab. Von 
charakteristischen Arten nennen wir u. a. : Viola lutea, 
Kryngium alpinum, Osytropis Hallert, Pediculari* 
versicolor, Arabis pumila. Delphinium elatum. Unter 
den huchalpinen Pllanzen sind hervorzuheben die im 
Wäggithal die W. -Grenze ihrer Verbreitung erreichende 
Valeriana saratilis, ferner Saxifraga slenopetala, Gen- 
tiana purpurea und endlich Linnaea borealis am Hacken- 
pass (C. Schröter). Die so charakteristische Fohnflora. 
die im ganzen obern Thal der Reusa und an den Ufern 
des Vierwaldställersees erscheint (vergl die Art. St. 
Gotthard und ViERWALDsT.tnTER.sKL), ist bis zum S.-Hang 



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des Kleinen Mythen u. a. durch Hi/i>ericum Coris. eine 
interessante mediterrane Art, vertreten. Da» Gebiet des 




Kanton Sehwvz: (t»r»»u Hegen den Oberbauenstuck 

Bergsturzes von Gohlau zeichnet sich nach Schroter 
durch »eine grosse Bcichhalligkeit an Orchideen aus. 

Auch die Wa»ser- oder Sumpfllora weist einige be- 
merkenswerte T\pen auf, so z. Ii. die an der Allen Linth 
bei Grinau »ehr hsulige (Schröter* Sagyitarüt satjitiar- 
fölkt vor, ralUtnttiifmia, die hei Tupfen im alten Linth- 
delta entdeckte: (teste \on / '/ < ' u/mis Wassernussi, 
die sonst seltenen, nl.ei auf der Insel I feiiau in UODft 
wachsenden Aii>rus cnlamti* und Xaian »lojnr, denen sich 
hier noch Stuifraga trtdaviytiU'i und rfrqwictt tculeU 
luln beigesellen. 

Das in Hinsicht auf die Klora interessanteste Gebiet des 
Kantons bilden aber die Torfmoore des llochthales von 
Kinsiedeln is. diesen Art.! und der obere Absehn itl des 
Sihlthales. die kürzlich 'von Dr. Düggcliu (PflamsengeO' 
gra/>hisrhe tmd trirtxrhaf'tl. Monografthir tlet Sitilttialet 
tiei Kiiuifdfln in der Vitrlrijahrtwhrift dtt Salur- 
fortch. liexetttrho/'l in Zürich. 4X. liMCii erschöpfend 
untersucht und bearbeitet worden sind. Vcrgl. ferner 
(iander. Martin. A7»»i-a t'.ttitidlennt, Kinsiedeln lhK8. 
— Ithiner. J. Prodrom der Wtddtlt'Hter GV/"(iM/>/7'iin:*'n 
Bchwyi ls70: mit Nachtragen. — Ithiner, J. Ge/.iK»- 
pftanzfii ilrr I rkantone. St. Gallen Iffllt. 

|Prof, Ii' Paul Jai CUM.] 

VII. Kai sa. Hie Tierwelt war ehedem reicher als jetzt. In 
der Hohle an der < ».-Seite des Biet n». Uber Iberg' wurden 
allerlei Beste nunmehr verschwundener Tiere gefunden, 
z. B. solche des Höhlenbären. Braunbaren. Wolfes, 
Luchses, der Wildkatze, des Steinbocks etc. Offenbar 
war bei der Altmutt auch der Biber heimiseh. was die 
Ortsnamen Biber, Biberegg. Biberstock andeuten. Jetzt 
noch kommen im Kanton Schwyz wie in den so. an- 
grenzenden Kanlonen vor: die Gemse 1 71» km ■ umfassender 
Bannbezirk in den Disithalerhergen bis «äderten*, das 
Beb iim Hohen Bhon und an der Ktzelkette: Fuchs, Hase, 
Dachs. Kdel- und Steinmarder. Fischotter. r<iles und 
braunes Eichhörnchen, Iltis. Murmeltier. Igel. Wiesel, 
viele Arien Hasel-, Spitz- und Fledermäuse. Von Vögeln 
sind fast alle vertreten, die überhaupt in der Schwell 
brüten oder sie besuchen : Taucher. Knien. Mosen. Meer- 
schwalhcn. Beiher. Strandl.'iufer. Schnepfen, Wildgänse, 
Wachteln. Schnee-, Beb-, Hasel-. Birkhuhner etc.. Adler. 
Habichte. Sperber. Kulen. Spechte. Kissogel. Bot- und 
«laukehlehen. Kukuk. Baben. Krähen. Elster, Häher. 
Amsel, Kreuzschnabel. Gimpel, Finken. Meisen. Ammern. 
Drosseln, Stare. Lerchen. Schwallen und viele Sanger 
etr. Die im Jahr IUI.'} erteilten 250 Jagdpalente auf Feder-. 
Braun- und Hochwild brachten dem Kanlon :i74ti Fr. und 



Jahrhunderts 



die Iii Fischereipatente 2400 Fr. ein. Von den drei 
kantonalen FischbruUnsUlten wurden 1902/03 an aus- 
gebrüteten Fischchen geliefert : Ii -Jim 
Seeforellen, 43 100 Bachforellen. 7000 Rotel 
und 40000 Baichen. Bis in die Alpen 
hinauf Iritn man Kidechsen. Molche. Sa- 
lamander. Blindschleichen, Kröten und 
Frosche, in den untern Regionen auch 
Nattern, seltener dagegen die giftigen 
Vipern, /.u Berg und Thal sind sehr 
häufig: Flusskreose. Grillen. Ameisen. 
Bienen, Käfer, Schmetterlinge und andere 
Insekten. 

VII L MivKftAi i'RODi kTK. Line ergibige 
Ausbeute liefern die Torflager im Gebiete 
der Sihl, Alp und Biber. Auch die Lehm- 
lager werden in vielen Ziegeleien und 
Topfereien, die Kalksteine in den Kalk- 
brennereien ausgebeutet. Bei Wangen in 
der March steht ferner eine Braunkoh- 
lengruhe in Betrieb. Bausteine gewinnt 
man au» den Nummulitenbanken bei 
Steinbach, aus der Molasse am Kitzel. 
Babennest, Hohen Rhön, bei Bäch. 
Altendorf und am Intern Buchberg, 
aus dem Seewerkalk und den erratischen 
Blocken hei Morschach etc. Arm ist der 
Kanton Schwyz an Metallen. In einer 
Hohle am Diethelm linden sich noch 
Spuren eines Bergwerkes, in dem man 
einst — durchaus erfolglos — nach Gobi 
gesucht hat. Im 2. Jahrzehnt des 18. 
trieben Italiener im Flyschschiefer von 
Obergross lim O.-tlang des Tritt» einen tiefen Stollen 
ein und zeigten Gold vor. das sie hier gefunden haben 
wollten. Schliesslich Hessen aber auch sie alles im 
Stich. Weil das gute Eisenerz von Low er/ nicht in 
zusammenhängendem I-ager. sondern bloss in isolierten 
Nestern gefunden wurde, zerliel auch der dortige 
Schmelzofen. Von Mineralquellen sind bekannt und 
werden benutzt : die Eisenquellen von Seewen. die alaun- 
haltige Quelle von Nuolen. die Schwefelquellen von Iberg 
und Sulzthal, die Flaschenlochquelle von Inner Wäggi- 
thal. 

IX. LaSOWIRTüCHAFT, Der Kanton Schwyz gehört zu 
den waldreichsten Kantonen. Seine U'ii/dnri</e/i bedecken 
eine Flache von 170.3K km- oder 25,8% der gesamten 
produktiven Flache. Auf einen Kinwohner entfallen 31 
Aren Waldlläche. 114. X8 km 3 Wald sind fitentum der 
Gemeinden und Korporationen, während 25.50 km 1 in 
Privatbesitz sich befinden. Kantonale Slaatswaldungen 
gibt es keine. Die Walder enthalten mannigfaltige Laub- 
holzarten. bestehen aber meist aus Nadelholz und reichen 
von den tiefsten Stellen bis IUMI in Hohe. Bei 1200 m ver- 
schwindet die Buche und bei 1400 in der Ahorn. 

Seit dem Jahr 1815 verblieben die Waldungen und Alpen 
Eigentum der allen Landschaften, wurden aber nach und 
Dach als Korporationsgüter erklärt. Das dem Volk vor- 
gelegte Forslgesetz von I8.77 wurde mit erdrückender 
Mehrheit verworfen, worauf während dreier Dezennien 
massenhaft Abholzung und l'rbarisiening. d. h. l'm- 
wandlung von Waldboden in Weideland stattfanden. Mit 
der Anlage von Waldbaumschulen und Aufforstungen be- 
gannen einzelne Korporationen zu Anfang der IHtiOer 
Jahre. Nach Inkrafttreten des eidgenossischen Forst - 
gcseUes (1K7t>i wurde dann am 20. März 1877 eine bezüg- 
liche kantonale Vollziehiingsverordnung in Anwendung 
gebracht. I iem.iss der Altcrsklassciitabclle von I87S nah- 
men die K.ihlll.ichen 10" ,,. bei einzelnen Korporationen so- 
gar .TO" ,, der gesamten Waldlläche ein. Die 241 Aren Wald- 
haumscliulen von 1877 wurden schon in 5 Jahren um die 
3' , fache Flache vermehrt und reichen für den ordentlichen 
Bedarf ziemlich aus. 1X78-1002 gelangten durchschnitt- 
lich jährlich 30706 in 3 , d. h. auf je eine Hektare Waldung 
2.12 m 1 zum Schlag und wurden 156000110 Stuck Bilanzen 
auf 322.9 ha Flache aufgeforstet. Sumpfentwässerung«- 
gräben von 444.9 km Länge angelegt und Holzabfuhrwege 
von 90.7 km Lange erstellt und dafür ausgegeben 192 760 
Frauken. Die Waldungen sind nunmehr neu vermessen. 
Da die Privat Waldungen heule weit starker von Holz ent- 



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THE NEW YORr 

IC LI3ÄARY 



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SCIIW 



SCHW 



441 



blösst sind als zur Zeit vor der Forst Verordnung, wacht 
das Kantonsforslamt strenge darüber, das« auch in ihnen 
alle Schlagflächen innert der vorgesehe- 
nen Frist wieder aufgeforstet werden. 

Die sehr ausgedehnten .4/;»vi im Kanton 
Schwyz sind Allmeinde. Man ist stets um 
deren Verbesserung besorgt. Mit Ausnahme 
der Höfe besitzt jeder Bezirk Alpen, her 
Bezirk Schwyz verteilt sie auf die Ober- 
uud Unterallmeind, von denen jene um 
das Fünffache grösser als diese ist und 
ihre grosatcn Alpen in den Gemeinden 
Muotathal, Ober Iberg. Illgau und Mor- 
schach hat. Der Unterallmeind gehören 
der Frohnalpstock.der Rigi etc. an. Im Ok- 
tober 1883 wurde der Teifungsentwurf an- 
genommen, wonach für etwa 1500000 Fr. 
(der Wert aller Güter wird im Minimum 
aufOMill. Fr. geschätzt i vorwiegend ßoden- 
und niedrig gelegene Heimkuliallmeinden 
den Genossen in den Gemeinden des 
Bezirkes Schwyz als gemeinsames Eigen- 
tum abgetreten ward (Gemeinde-Genossa- 
men zum Unterschied von der noch un- 
terteilten ( »berallmeind- Korporation). Al- 
lein trotz dieser Amputation zu gunsten 
der Gemeinde-! ö-nossamen ist die (»berall- 
meind immer noch die weitaus grossle Grundbesitzern 
im Lande Schwvz und verfügt bei einem kantonalen 
Alpge biet von 29770 ha allein über 13214 ha desselben, 
wovon freilich nur 6478 ha auf ausgesprochen guten 
Weideboden fallen. Die Korporationsgenossen sowohl 
der (Iber- als der l'nterallmeind rekrutieren sich 
meist aus den Geschlechtern i Familien) der seit Jahr- 
hunderten im Lande ansässigen Bewohner. Und zwar 
zählt die ( iberallmeind bei 90 Geschlechtern wohl 
5000. die Unterallmeind bei 20 Geschlechtern 600- 
700 Genossen. Geringer an Zahl sind die übrigen Kor- 
porationen oder lienossamen des Kantons Schwyz. so 
diejenigen von Kussnacht i Berg und Seeboden). I'.in- 
siedeln (Bennau. Dorf-Hinzen . Egg, Euthal, Gross, 
Trachslau, Willerzell i und der March (Lachen. Wangen. 
Siebnen, Tuggem. Linen Genosaeiischaftshesitz von nur 
einem einzigen (iegehlecht bildet in der Gemeinde Bei- 
chenburg die nach diesem Geschlecht benannte Kistler- 
Alp. Leberhaupt gibt es in der March Genossenschaften, 
die meist aus nur wenigen Geschlechtern oder Familien 
bestehen. So gehört die Genassame Brunnen und Pfilfegg 
den llegner und Dfiggelin in i.algenen. Sattelegg den 
Zuger. Krieg und Fleischmann in Altendorf, die Genos- 
samen delhberg und Bossweid nur gewissen Geschlechtern 
in Schnbelbach. Ilohleneicli nur solchen in Tuggen etc. 
Die Allmeinden Linsiedelns verleilen sich seit 1840 auf? 
Genossamen : die March besitzt im Waggithal 7 grosse 
Land- und 10 Privatalpen ; die Alpen von Genau Iii Ben 
gegen Bigi Scheidegg und jene von Kussnacht am See- 
lioden, einer Terrasse am NW. -Hang des Rigi. Die vielen 
und grossen Viehweiden sind meist Privatbesitz und som- 
mern auch sehr viel Jungvieh aus den Nachbarkantonen 
St. Gallen, Zürich, Zug und Aargati. Viele Viehweiden im 
tiefer gelegenen Land sind vor kurzer Zeit in Malten um- 
gewandelt worden, wie denn infolge der ertragreichem 
Stallfutterung des Nutzviehes überhaupt allgemein eine 
rationellere Bewirtschaftung des Bodens Platz gegriffen 
hat. Der Kanton Schwyz besitzt 592.26 km-'land- und alp- 
wirtschaftlich benutzten Boden. Bund und Kanton lei- 
steten an Bodenverliesserungen im Jahr 1003 je 5025 Fr. 

Wenn auch im Thale von Schwyz, in Steinen, Arth. 
Kus.-nacht, den Hofen und der March noch FrUHxitt be- 
trieben wird, so ist er doch sehr zurückgegangen. In den 
tiefem Lagen werden Getreide und Mais gcpllan/t, in 
höben Lügen jedoch nur noch wenig Gerste. Hanf und 
Flachs, dagegen viel Kartoll'eln. auch Buben. Bohnen etc. 
angebaut. Feldgemte sind Hau.-. Hacke. Karst und Schau- 
fel; den Pflug kennt man nicht, trotzdem ehemals Aecker 
bis auf 1000 m über Meer zu finden waren, was die allen 
Urbarien I Grundbücher) beweisen. 

Soweit der Dhslbaum noch gedeihen kann, nimmt die 
Zahl der Baume von Jahr zu Jahr zu. In den tiefern Ge- 
genden und an der untern ll.ilfte der Berghänge erfreuen 



den Wanderer ganze Wilder von Obstbäumen. Kirschen, 
Zwetschgen, Aepfel, Birnen und sogar noch Nüsse ge- 



^a»»n— i _ 


l i 




i 



Kanton Schwyz i KQisnacht. 

deihen an sonnigen Halden bis zur Höhenlage von 1000 m 
über Meer. In obstreichen Gegenden wird viel Übst nach 
auswärts verkauft, anderes dagcgen*teils gekellert, teils 
gedorrt, teils gemostet und der Trester zur Herstellung 
von Branntwein benutzt. Derechte Most erfreut sich eines 
guten Hufes, wie auch die gebrannten Wasser (aus Kir- 
schen, Nüssen. Zwetschgen. Träsch und Enzianen). Kern- 
und Steinobst halten sich so ziemlich das Gleichgewicht. 

Der Weinbau ist in den Hofen bedeutend. Von aus- 
gezeichneter Oualität sind die Weine von Leuischen und 
Wilen, doch wächst ein guter Wein auch noch bei Wol- 
lerau, Stahlen. Weingarten. Lugaten, Thal und Hürden. 
Der Wangener stammt von Klevnerlrauben. Etwas Wein 
produzieren ferner noch Tuggen. Galgenen und Alten- 
dorf. Küssnacht hat seine Weinreben meist ausgerodet, 
desgleichen Schwyz, wo der Föhn und der Nordwind den 
Itelien schaden. Im ganzen zählt der Kanton 43 ha Beblaud. 

X. VlIHKl'CHI BND MlLCHWltmoUlT. Für Zucht der 
zahmen Tiere hat der Kanton Schwyz von alters her sehr 
viel getan. So erwähnt eine Klage an das kaiserliche Hof- 
gericut. dass die Schwyzer zwischen den Jahren 1308 und 
LH I auf einmal eine ganze Herde von i<N) Pferden auf ein 
Gut des Stiftes Linsieileln trieben. 146V reiste der ein- 
siedlische Abt Gerold von ilohensax mit einem Gefolge 
von "22 Pferden zum Papste. 

Das Schwyzer Bindvieh gehört zu den besten Schlagen 
der Braunviehrassen. Im Jahr 1819 zählte man 23000 
Stück Bindvieh. Die Schweinezucht der March hatte schon 
|8X> einen vorzuglichen Buf. und ein streng gehandhabtes 
Gesetz zum Schulze der Rasse verbot die Ausfuhr unver- 
schniltener Spanferkel. Im Alpengebiet, namentlich im 
Bezirk Schwyz, war auch die Schaf- und Ziegenzucht von 
jeher sehr bedeutend, ja da und dort wegen des vorkom- 
menden Wa Iiischadens nur zu stark. 

Im Jahr 1901 verteilte sich der Viehstand nach Bezirken 
wie folgt : 



Beairk 


Kiml- 
viah 


Pferde 


Schweine 


1 

Si:hafe| biegen 


1 Hirnen 
| docke 


Einsiedeln 


1237 


261 


1(1311 


MI 


1101 


358 


pro km'-' 


40 


2.42 


10 


4 


10 


3 


Gersau 


699 


13 


212 


5 


7-2 


89 


pro km* 


100 


1.86 


30 


i 


10 


13 


Hofe 


2619 


91 


483 


57 


123 


661 


pro km- 


71 


2.46 


28 


Ii 


3 


18 


Küssnacht 


IM7 


72 


1(130 


16 


60 


439 


pro km- 


77 


2.48 


17 


(Mi 


2 


15 


March 


7540 


:tti6 


3018 


805 


27 V.» 


1500 


pro km 4 


43 


1.76 


16 


5 


16 


9 


Schwyz 


15244 


558 


3709 


3522 


:r777 


1913 


pro km* 


31 


LI I 


8 


7 


8 


4 



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443 



SCHVY 



SCHW 



Die Viehstatistik ergibt folgende Ziffern : 

ISST, tH9»» 1901 

Rindvieh 30 («51 32*277 32586 

Pferde 1 026 1 079 1 304 

Schweine 6401 . 10623 0519 

Schare 7*« 6171 4 840 

Ziegen »484 10068 7*85 

Bienenstöcke .... 3320 ."»282 490). 
► Die Pferde Einsiedeins, die schon im 16. Jahrhundert 

für die fürstlichen Marställe Deutschlands und Italiens 




Kanton Schwei: Arth gegen den Zuger»oo 

gesucht waren, haben heule noch einen guten Huf 
fvergl. das Landwirtschaftliche Jahrbttch der Schweiz 
für 1902). Das Stift Einsiedein verkaufte 1878 zusammen 
25 und 1892 zusammen 21 Pferde und besitzt eine wohl- 
beselzte Stuterei. Einsiedeln und Galgenen sind eidge- 
nossische Beschälstationen. An den eiilg. Fnhlenschauen 
zu Schwyz und Einsiedeln wurden 1903 von 82 aufge- 
führten Tieren 53 Stück prämiert. Im selben Jahr lei- 
stete der Bund an Prämierung für Fohlenweiden 5333 Fr. 
Ein vom 15. März 1902 datiertes Si-hreiben der Direktion 
der eidg. Pferde-Begieanslall sagt : • Mit Ausnahme viel- 
leicht von Trakehnen und den Hauptgeslüten Europas 
habe ich nirgends so viele sch«ne und gleichmässig ge- 
formte Fohlen gesehen wie in Einsiedeln. Jeder Pferde- 
kenner muss diesen edlen Produkten seine volle Bewun- 
derung zollen, und die erzielten Resultate -im! für unsere 
Landespferdezucht wirklich überraschend zu nennen. ■■ 
Dies Urteil bestätigen auch die Pferde- Prämierungen an 
den Ausstellungen 1875 (Zürich). 1881 iLuzern). 1883 
(Zürich). 1887 (Neuenbürg). 1895 (Bern) und 1896 iGenf). 

Viel wird im Kanton Schwyz getan für Hebung der 
Braunviehras.se. Nicht nur hat man an den vielen Vieh- 
märkten, z. B. in Einsiedeln, je bis zu 1500 und mehr 
Stück aufgeführt, sondern auch die jährlichen Vieh- 



mien im Betrage von 10423 Fr. ausgerichtet wurden. Die 
19 Viehzuchtgenossenschaften wurden mit 334U Fr. sub- 
ventioniert und mit noch fernem 800 Fr. unterstützt. 
Zudem tun hierin auch einzelne Bezirke noch ein Be- 
deutendes. So findet denn da« Schwyzer Braunvieh Ab- 
satz nach Italien. Spanien und Frankreich, nach Deutsch- 
land. Oesterreich und Russland, ja bis nach Amerika und 
Japan. Im Kanton Schwyz werden auch jährlich einige 
lausend Stück Jungvieh aus den Kantonen St. Gallen. 
Zürich, Zug und Aargau gesommert. An den Viehschauen 
wurden vom Bund und Kanton, sowie in 
der March ausserdem noch vom Bauern- 
verein, auch Prämien fur Schweine ver- 
abfolgt. Die Schaf- und Ziegenzucht geht 
laut Statistik rückwärts, die Bienenzucht 
dagegen vorwärts. 

An die 150 Sennereien betreiben 
Milchwirtschaft und produzieren den 
beliebten Schwyzerkäse. sowie schmack- 
hafte Butter und Zieger. Die Alpen- 
sennereien sind eher zurückgegangen, 
und infolge von intensiver Aufzucht von 
Jungvieh muss sogar Milch aus gros- 
sem Ortschaften in ehedem milchreiche 
Orte geführt werden. Die Thalsenne- 
reien werden rationeller und produk- 
ver betrieben. 

XI. Bkvoi.keiu n<;. Statistik. Die Ge- 
schichte erzähl t uns, wie das Volk ( Kelten 
Helvetier, Römer. Alemannen I sich 
zuerst in den Niederungen an den mil- 
den Gestaden des Zürich-, Zuger- und 
Vierwaldstattersees ansiedelte, um dann 
nur sehr langsam und oft viele hundert 
Jahre später, wie dies speziell im Gebiet 
von Einsiedeln der Fall war auch die 
Gehänge der Berge und die höhern Ge- 
genden zu bebauen und zu bewohnen. 
Infolge des Vordringens von N. und S. her entspann sich 
der Marchenslreit zwischen Einsiedeln und ScViwyz. der 
250 Jahre lang erbittert geführt wurde. Doch sind aucli 
heule noch weite Gebiete sehr unwirtlich und deshalb gar 
nicht oder nur zur Sommerszeit schwach bevölkert. 
Schwyz zählte im Jahr 1743 auf 900 km* Hiersau gehörte 
noch nicht zum Kanton) 26695 Ew. Dann linden wir 
1790: 30200. 1833: 38351 und 1900: 55385 Ew.. also 
nunmehr 65 Ew. per km 1 , während die Schweiz durch- 
schnittlich deren 82 zählt. Nur 5 Kantone sind verhält- 
nismässig schwächer bevölkert. Verteilung der Bevöl- 
kerung nach den Bezirken : 



8«sirk 


1713 


1833 


1900 


auf den km« 


Einsiedeln 


5156 


5583 


8496 


78 


Gersau 




1348 


1887 


157 


Höre 


2320 


3968 


5005 


135 


Knssnacht 


1505 


258i i 


3562 


122 


March 


5104 


9170 


11473 


66 


Schwyz 


12310 


16317 


24976 


50 



Einzelverteilung 1900 : 



Bezirk 



Haus- 
haltungen 



Geschlecht 



männlich 



Einsiedeln' 

Gersau 

Höfe 

Küssnacht 
March 

Schwyz 



Kanton 

'0 



1894 
398 

1134 
721 

2758 
5232 



4132 
H7I 
2482 
I96H 
5593 
12368 



12137 



27412 
49,5 



weiblich 



4;«>t 

1016 

3596 
1306 
5880 
J2594 
27973 
50,5 



Heimat 

c„.. I andere I Au»- 

Schwer KaDlooe | und) , r 



6978 
1521 
3965 
2014 
10015 
19483 



13976 
79,0 



1029 
291 
825 
1 339 
1106 
3973 



8416 

15.5 



489 

75 
215 
326 
352 
1506 
2963 
5,5 



Sprache 
Deutsch | Praeiö» Italien. j Romin. 



8385 
1843 
4942 
;w\ 
1 1369 
MOOI 




53831 
97 



296 
0.5 



Konfession 
Prut. I Kithol. 



42 
39 
47 

138 
81 

761 



1108 
2 



18 
1 
9 
11 
18 
31 



52 
330 

92 
481 



88 
0,1 



8419 
1835 
4675 
3469 
10992 
8061 241 47 

53537 
96.5 



1836 

3,5 



schauen von Schwyz, Lachen, Einsiedeln und Arth waren 
im Jahr 1903 mit 2139 Stück befahren, für welche Prä- 



in jedem Bezirk, ausser Küssnacht. ist das weibliche Ge- 
schlecht dem minnlichen an Zahl ün Summa !".'„■ etwas 



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SCHW 



SCHW 



44.3 



überlegen, welche Erscheinung in der Auswanderung be- 
gründet liegt. Schwyz ist auch nicht M abgeschlossen, wie 
man gewöhnlich annimmt, sondern hat sogar -I 1 , soge- 
nannte «Fremde». Fremdsprachige gibt es nur .'(",,. Refor- 
mierte Wlflg. Wenn sich auch die Bevölkerung innert der 
letzten 150 Jahre verdoppelt hat, so ist diese Vermehrung 
doch weniger schnell vorsieh gegangen als in andern Kan- 
tonen und beteiligen sich daran bloss die Verkehrs- und 
induslriereichen Orte. Wohl hat sich die auf die lioden- 
erzeugnisse angewiesene Bevölkerung am stärksten ver- 
mehrt ; da aber diese Erzeugnisse nicht ausreichten, 
wanderten Hunderte, ja Tausende nach den Industrie- 
zentren und ins Ausland aus, wo sie durch Solidität und 
Knergie ihrer allen Heimat meist Khre machen. 

Die Kürpergetialt der Schwyzer des «alten Landes», d. h. 
des Beziries Schwvz zeichnet sich durch einen starken, 
kräftigen Bau aus, ist mehr untersetzt als schlank ; das ge- 
wöhnlich blaue oder ins Graue spielende Auge ist heiter, 
die Stirne schön gewölbt und offen, das Haar stark und 
dunkelblond, die Brust breit, die Schenkel muskulö*. 
Vieles von dem Gesagten durfte auch für das Frauen- 
geschlecht zutreffend sein. Es zeichnet die Frauen aus 
ein lebensfroher Blick, ein gesundes und glühendes Bot, 
eine stets freundliche Miene und eine ausdauernde, wenn 
auch nicht prangende Schönheit. Zarte, bleiche und 
schmächtige Wesen, wie wir sie in den Industriezentren 
so oft antreffen, sind im Bezirk Schwyz selten. Auch das 
Volk der übrigen Bezirke ist von gesundem, kräftigem 
Schlag ; selbst bei den Armen, die meist KartofTeln und 
Milchkaffee gemessen, ist das Aussehen immer noch gut, 
die Haltung rüstig und lebhaft. 

Zar Zeit der allen Eidgenossenschaft ofTcnbarte sich in 
den Volksvcrhällnissen eine grosse polilis> he und bür- 
gerliche Verschiedenheit . Der herrschende Teil, d. h. 
die Bürger des «altgefrvten Landes Schwyz«, war als 
einer der auf seine Freiheit eifersüchtigsten Volks- 
sUtmme bekannt. Die Bewohner der March, von Ein- 
siedeln. Küsauacht und der Hofe wurden damals « An- 
gehörige - genannt. Wohl besassen sie eigene Gerichte 
und Hechte, doch mussten sie jährlich Boten an die 
Landsgemeinde zu Schwyz senden, die die Bestätigung 
ihrer Freiheiten nachzusuchen hatten. Zwei Abgeordnete 
von Schwyz, sog. Gesandte, prüften die Verwaltung dieser 
Landschaften, um das Volk vor deren Willkür zu schützen, 
« gar oft aber nahmen sie, weil keine Wolle mehr vor- 
handen war. noch das geschorene Fell ». « Beisatsen ■ 
nannte man diejenigen Einwohner, die teils «-hon seit 
vielen Jahrhunderten, teils erst in spätem Zeiten aus an- 
dern schweizerischen Gegenden sich hier niedergelassen 
hatten. Zu gewissen Kriegszeiten oder heim Mangel an 
Berufaleuten waren solche I Fremde » willkommen, 
während sie sonst gar oft geplagt und einer strengen und 
weillauligen Beisassen- Verordnung unterstellt wurden. 
Obwohl gesagt werden muss, dass diese Verordnung von 
den Behörden meistens nicht streng gehandhabt ward, 
schwebte sie doch als scharfes Damoklesschwert stets 
über den Beisassen. Die französische Devolution brachte 
endlich den angehorigen Landschaften und 648 Beisassen 
von 73 Geschlechtern das volle Landrechl. Immerhin 
wird letzleren heute noch die Gleichberechtigung in Be- 
nutzung der Allmeinden nicht zugestanden. 

Die verschiedene Abstammung lässl sich auch in der 
Mumiarl der einzelnen Landschaften erkennen. So ist 
eine scharfe Dialektgrenze zwischen Schwyz und Einsie- 
deln zu konstatieren und Huden sich etwelche Differenzen 
in den einzelnen Thalschaften von Schwyz. Auch Arth, 
Küssnacht und Gersau weichen oft, wenn auch nicht sehr 
auffallend, ah. Die Einsiedler sprechen eine rasche, aber 
aussergewohnlich rauhe Mundart, die sich vielfach als 
ein Konglomerat der schweizerischen, elsässischen und 
süddeutschen Dialekte darstellt, entsprechend der Her- 
kunft der dortigen Einwohner. Der Dialekt der Bewohner 
der Hiife ähnelt dem der Zürcher, derjenige der Märchler 
dem der Leute im Gasler und Kanton Glarus. 

Nahrung. Während in den grösseren Ortschaften mehr 
oder weniger moderner Luxus in der Ernährungsweise 
sich zeigt, ist man auf dem Lande meist beim allen Her- 
kommen geblieben. Zur Winterzeit werden da täglich 
drei Mahlzeiten als genügend erachtet, während es zur 
Sommerzeit deren fnnf bedarf. Zudem hat überall eine 




Alte Schwyior Tracht. 



kräftigere Ernährung Platz gegriffen. Vor 4 Jahrzehnten 
waren noch Karlolleln. Milch und Mehlhruhe die Haupt- 
nahrungsmittel des 
ärmeren Volke* und 
war das Brot selten. 
Heutzutage ist über- 
all genügend Brot 
vorhanden. Fleisch 
kommt freilich sel- 
ten auf den Tisch, 
wobei hohe Festtage 
und ausserordent- 
lich strenge Arbeit 
in Feld und Wald 
Ausnahmen bilden. 
Das selbstgezüchtete 
Schwein wird ge- 
schlachtet . dessen 
Fleisch gedörrt und 
sukzessive verspeist. 
Ein Hauptübel ist 
leider, besonders in 
etlichen Alpen- 
thalern, der mit 
Schnaps vermischte 
schwarze Kaffee. In 
Obstgegenden bildet 
ein vorzüglicher 
Apfelwein oder auch 
Birnenmost das 
Hauptgetränk. Zu- 
dem werden noch 
allerlei Getränke, hauptsächlich Bier, produziert und 
fremde Weine importiert. 

Die alten Schwyzer waren einfach in ihrer Kleidung 
und bedienten sich gewöhnlich selhstverfertigter Zeuge aus 
Wolle, Flachs und Hanf. Doch erliess der Landrat wieder- 
holt scharfe Verordnungen gegen Kleiderluxus. Kurze 
Beinkleider waren so allgemein, dass der Gebrauch der 
langen vom Volk verabscheut und von der I.andsgemeinde 
verboten wurde. Selbst den Frauen erkannte man die 

• Tuppe» und hohen Hute weg. (»er Stotl der kurzen Dosen 
war gegerbtes schwarzes Kalbfell ; dazu kamen eine zier- 
liche Weste (Lender) von Scharlach, darüber eine lange 
hraune oder blaue Jacke, ferner rote Strümpfe und 
Schnallenschuhe. Diese Tracht erhielt sich da und dort 
bis 1848. Die Kantons- und Bezirksläufer, sowie die Weibel 
tragen heule noch eine höchst originelle Kleidung nach 
Art der Liktoren im alten Born. Bei kirchlichen Feier- 
lichkeiten tragen die Herren vom Bat und Gericht immer 
noch den langen schwarzen Kirchenmantel und hohen 
Zylinderhut ; dagegen gehen die Leute des alten Landes 
vielfach heute noch hemdärmelig zur Kirche. Das be- 
liebteste, weil bequemste Kleidungsstück der Bauern ist 
die dem Oberleibe angepasste, selbstverfertigte wollene 
Jacke. Eigenartig war nie ehedem niedere, dann hohe 
Kopfbedeckung der Frauen, die weder Kappe noch Haube 
darstellte. Zwei Flügel von Spitzen liefen vom Nacken 
aus in mässiger Entfernung parallel mitten über den Kopf 
bis zur Stirne, wo sie in einer Spitze zusammentrafen. 
Bei den Mädchen waren die Ilaare zwischen beiden 
Haubenflügeln in Zöpfe gellochten, aufgewunden und mit 
einer silbervergoldeten Haarnadel von Hosenknospen- 
form befestigt. Bei den Frauen hingegen zeigte sich das 
aufgewundene Haar mit einer Gupfe von Seidenstickerei 
uiiiT Blumen bedeckt. Dieser Schmetterlingshut ist nun 
auch verschwunden, wie die sogenannten « Hofner- ■ und 

• Schwaben-» Hauben. Auch den selbstgewobenen wol- 
lenen Frauenrock sieht man immer seltener, indem jetzt 
selbst die Bauernmädchen eifrigst der neuen Mode 
huldigen. 

Wohnung. Gesslers strenge Worte an Stau flacher : eich 
will nicht, dass die Bauern so schone Häuser bauen», 
würden sich heuteauf dieGasthofederKurorteund Flecken, 
sowie auf einzelne Herrensitze beziehen lassen, weit weniger 
dagegen auf die höchst primitiven Häuser des Bauern- 
standes. Diese haben ausser dem gemauerten Erdgeschoss 
meist nur ein, da und dort auch zwei Stockwerke mit 
Holzwänden, welche mit Bundschindeln eingeschuppt 
sind. Das Ziegeldach, das nun fast überall die Schindel- 



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444 SCIIW 



dächer verdrängt hat, ragt stark vor und bildet. Ix-/« . 
decktauf beiden Seiten luftige Vorlauben, die mit Brettern 




Kantoo Sohwyi: Bauernhof in Gros« l<oi Kumiadcln. 

eingefettet sind. Unter einer der Vorlauben bi'lindct sich 
da« « Brüggii *, auf welches vom Freien aus Treppen 
fuhren und das den vor Wind und Wetter geschützten 
Eingang ins Haus darstellt. In neuerer Zeit haben auch 
die gar zu viel Brennmaterial konsumierenden gewaltigen 
Kachelofen und Hauchfange modernen lleizeinrichtungen 
weichen müssen. Mehr und mehr verschwinden ferner 
die als Silzbankc dienenden Wandkasten. Das alte Hüllet. 
. aliofet» genannt, ein als Kommode, Glas- und Kleider- 
kasten dienender rieltoiliger Schrank, weiss sich als 
zierliches und praktisches Möbel seinen l'lalz in einer 
Stubenecke und an zwei Winden hin bis zu Türe und 
Fenster zu behaupten. 

her Kanton Schwyz zahll735ü Wohnhäuser. Die gross- 
ti n Ortschaften sind : Kinsiedeln 1027 Hausen. Schwyz 
K54i, Arth iöl4i. Kussnacht <456i. Lachen (2T>0 (iersau 
313), Steinen -l-l\>. Unter Iben [888), Wollerau 1 183). 
Brunnen 1 157), Siebnen il34l. Der Gesamteindruck der 
Ortschaften ist ein sehr verschiedener, Ks imponiert das 
melancholisch in öden llochthal gelegene Kinsiedeln mit 
seinem grossen Kloster, sowie den vielen Gasthöfen und 
Verkaufsladen als Wallfahrtsort und Silz der grossten 
schweizerischen Buchdruckereien. Kantonshauptort ist 
der in einem der schönsten Thäler der Schweiz gelegene 
Flecken Schwv/. mit seinen vielen Kirchen, Klöstern. 
Ilerrschaftssitzen und Villen. Brunnen. Gersau, Goldau 
sind Fremdenkurorte, Kussnacht. Lachen und Siebnen 
dagegen geschaflsreiche Industrieorte. Wolleraii, Arth 
und Steinen liegen als wohlhabende Fh-cken in frucht- 
barer hegend, sowie Unter Iberg als aufblühendes Dorf 
am Fuss der llochalpen etc. 

Religion. Die statistischen Tabellen zeigen, dass H6,5','„ 
der Bevölkerung der romisch-katholischen und 3,5% der 
rotestantischen Konfession angehören. Der Kanton 
. chwyz bildete früher einen Teil des Bistums Konstanz, 
ist nun aber seil de« letztere Aufhebung dem Mahim 
Ghur zugeteilt, in dessen Domkapitel je zwei Sch vv v zer 

Sewulilt werden. Die kirchliche Verwaltung teilt sich ins 
:ipitel Schwv/ mit den Bezirken Schwyz, Gersau und 
Kussnacht und ins Kapitel March mit den Bezirken 
March, Kinsiedeln und Hofe (sowie dem Kanton Glanisi. 
Jedem Kapitel stehen neben dem bischöflichen Kommissar 
vor : 1 Dekan. 1 Kammerer, einige Seziere und l Sekretär. 
Die Hl Kirchgemeinden des Kantons werden pastorisierl 
von 78 Geistlichen, nämlich 31 I'farrherren. 2.1 Kaplaticu, 
i) Pfarrhelfern. 8 Pfarrkuratoren und 7 Katecheten, von 
denen Ii."» der Weltgeistlichkeit angehören. Von Orden 
sind im Kanton niedergelassen : ! 1 die Benediktiner /u 
Kinsiedeln i 101 Kapitularen. von denen 20 als Professoren 
an der Stiftsschule, IM auf kantonalen und viele auf ausser- 
kantonalen und ausländischen Pfarreien, mehrere auch 
als Gutsvcrwalter wirken ; das Stift zahlt luden 1* Kleriker 
und 34 l.aienbrüder: . *2< die Kapu/incrklostcr in Schwyz, 
Arth und auf dem lligi (zusaummen 1 1 Patres, 7 Kleriker 



SCHW 

und 8 Laienbrüder): 3) das Dominikancrinncnkloster 
St. Peter in Schwyz i27 Chorfrauen und 10 Laienschwes- 
tern i; 4) Frauens'tift St. Joseph in Muolathal (23 Franzis- 
kanerinnen und 5 Novizinnen); 5) Frauenkloster Au bei 
Kinsiedeln (44 Benediktinerinnen): 6i die • Schwestern 
vom h. Kreuz» zu Ingenbohl widmen sich der Kranken- 
und Waisenpflegc, sowie der Volksschule; sie zählen zu 
Tausenden und haben Niederlassungen in aller Welt. 
Die katholischen Gotteshäuser sind zum Teil uralt, so der 
« Kerchel » in Schwyz. die Kapelle auf dem Etzel, die 
Wolfgangkapellc in Kinsiedeln und viele andere. Viele 
der Kirchen sind auch in Stil und Architektur wahre 
Kunst- und Prachtbauten. An manchen Orten, vorab in 
Kinsiedeln. wird in religiöser Musik und Gesang Hervor- 
ragendes geleistet. Die Protestanten haben eigene Kirchen 
und Pfarrer zu Arth, Brunnen und Siebnen ; auch in Kin- 
siedeln wird zeitweise reformierter Heligionsunlerricht 
erteilt und Gottesdienst gehalten. 

Kin llauptzug im Charakter der Schwyzer ist der tiefe 
Freiheilssinn und die grosse Vaterlandsliebe; Offenheit, 
Gutmütigkeit, Biederkeit, Munterkeit sind vorherrschend. 
Der Schwyzer besitzt auch viele natürliche Fähigkeilen. 
In den einzelnen abgeschiedenen Teilen dieser kleinen 
alten Landschaften zeigen sich bei besonderen Verhält- 
nissen auch auirallende Eigentümlichkeiten, dort ein 
trotziger Mut, hier Neigung zur Bequemlichkeit, da 
schlaue Verschlossenheit, drüben Munterkeit und Gast- 
lichkeit, vielfach das stolze Gefuhl der Selbstherrlich- 
keit, gar oft ein ausgeprägter Kunstsinn und Geschäfts- 
trieb. 

XII. iKOt stisIK. Was das Kinst gegenüber dem Jetzl 
charakterisiert, ist der Partikularismus. Damals wurde 
gar oft auf die Kinengung der Institutionen und Zustande 
mehr Scharfsinn verwendet als auf deren Kntwicklung. 
Man lebte behaglich. Bei wenig Bedurfnissen war mit 
wenig Arbeit auazukommen. Ja mau dachte ehedem 
kaum daran, dem Boden etwas abzugewinnen, was er 
nicht freiwillig geben wollte. So musste die Landsge- 
meinde 1514 gebieten, dass jedermann seine Güter des 
Jahres wenigstens einmal heuen solle. Auch die Hand- 
werke blieben in unserer Gegend auf einer Stufe stehen, 
auf der sie buchstäblich nur vom täglichen Brote lebten. 
Ihre Erzeugnisse dienten bloss lokalen Bedurfnissen. 
Immerhin herrschte Handels- und Gewerbefreiheit, in- 
dem von Bi7t) an die Protokolle den Grundsatz bestätigen, 
dass jedermann frei kaufen und verkaufen dürfe. Weil 
es in Kinsiedeln nach einem bekannten Volkswitz • sechs 
Monate Winter und drei Monate kalt > ist. entwickelte 
sich dort die llafnerei. 1724 befasste sich die Begierung 
mit der Einführung einer Wollluchfabrik im Kloster Ein- 
siedeln, dessen zu diesem Zweck eingerichtete Abteilung 
heute noch das i Wolleiihaus» heisst. Im Bi. Jahrhundert 
wird eine Glashütte in Botenturm, IfttiU eine solche in 




Kanton Scbsyi; Sl Karhkapelle und Uau«rnhan« in Sch« vi 

Iberg und 1757 eine dritte in Alpthal erwähnt. Schon 
15()1 wurden die Steinbruche in Bach bei Wollerau und 
1522 der Wetzsteinbruch im Wäggithal ausgebeutet. 1724 



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445 



linden wir den Eisenschmelzofen zu Lowerz im Betrieb 
und 1766 wurde mirdl. Steinerberg nach Kohlen gegraben. 




Kanton Schwy«: Hau» de» I'al Hedaojr in Schwj* 
iTypu« «ine« Harrrnhauicai. 

I 'in 1750 fand die Seidenspinnerei und -karderei im 
Lande Hingang. Verordnungen von 1694 nennen uns auch 
die Bereitung von Salpeter und Schiesspulver als Indu- 
striezweig. Hucken wir der heutigen Zeit Iiis auf ein 
halbes Jahrhundert nahe, so sehen wir in Freienbach 
und Wollerau 250 Mann, in der March 100 Mann mit 
Brechen von Bausteinen und Saqdsteinplatlen beschäftigt : 
der Kalkstein von Seewen wurde von Bildhauern, der 
Marmor von Sehwyz. Brunnen und Kinsiedeln fnr Bauten 
benutzt Kines industriellen Betriebes und zunehmender 
Ausbeute erfreuten sich die reichen Torllager von Kin- 
siedeln und Altmatt. Kerner waren 22 Ziegelhrcnnercien 
und 8 Hafnerwerkstätten in Betrieb. Kalk und Zement 
wurden genügend produziert. Auch die Ohstverwertung 

Sestaltete sich induslriemässig, indem man I. B. aus dem 
Bezirk Kussnacht jährlich etwa 3t 10 hl Kirschwasser und 
670hlUbstbranntwein ausführte, sowie im Bezirk Schwvz 
870 hl Kirschwasser und verhältnismässig ebensoviel in 
den Hilfen und der March destillierte. Bierbrauereien 
zählte der Kanton fünf. Die Glasindustrie zu Kussnacht 
umfasste acht Werkstätten. Wahrend ehfdem das Baum- 
wollen- und Seidenspinnen Hausindustrien waren, 
kamen nun die mechanischen Spinnereien in Betrieb, so- 
dass jene stockten und mau die gute alte Zeit rühmte. 
Nun begann aberdas Seidenweben : auf 1458 Bandstühlen 
wurden jährlich 17 41)6 Stuck Seidenzeug geliefert, die 
einen Jahresverdienst von 313928 Kr. eintrugen. Wie 
damals, so gelten noch heute die Frauen des Sihlthales 
als die besten Weberinnen. Von Glarus her bürgerte sich 
ferner die Strohweberei ein, die in der March und zu 
Kinsiedeln bei 900 Personen beschäftigte Auch das 
Pfc rdehaarflcchten gab etwa 400 Personen der Bezirke 
Sehwyz, March und Kinsiedeln Verdienst. Mechanische 
Fabrikation in Seide und Baumwolle treffen wir zu 
Gersau, Brunnen, Ibach, Arth, Kinsiedeln, Wollerau. 
Bäch, Siebnen, Wangen und Nuolen (zusammen 15 
Fabriken). Eine Zündholzchenfabrik eiislierte in Brunnen 
and drei Hammerschmieden in Steinen. Die Buch- 
druckereien Kinsiedelns finden wir schon vor SO Jahren 
mit Dampfkraft betriehen. Nebst lithographischen Pro- 
dukten erzeugte Kinsiedeln mancherlei Wallfahrtsartikel, 
wie z. B. farbige Bilder, Busenkränze, Tafeln, Gips- und 
Wachswaren etc. Der Kanton zählte auch 11 Gerbereien, 
4 Färbereien, 3 Hutuiachereien, einige Schirmfabriken 
zu EinBiedeln und Tuggen, sowie eine Seifen- und Kerzen- 
fabrik zu Kussnacht. 

Heule nun hat sich die industrielle Tätigkeit etwas ver- 
schoben und sehr erweitert. Wie arm waren die Be- 
wohner unserer Berglhäler ohne die Seidenindustrie! In 
jedem Bauernhause stehen nicht nur einer, sondern oft 
drei und mehr Webstühle in Betrieb, und die bedroh- 
liche Krisis in der Handweberei scheint sich wieder zu 



heben. Daneben bestehen noch 4 Etablissemente mit .je 
200 bis 300 Webstühlen bei mechanischem Betrieb, sowie 
eine Seidenwinderei und -Spinnerei i Kloret). Die Baum- 
wollenindustrie ist vertreten durch 5 Spinnereien, eine 
Zwirnerei. 4 Webereien, eine Färberei und Appretur. 
He in eidgenössischen Fabrikgesetz sind ferner unterstellt : 
eine Fabrik für Webereiutensilien, eine Maschinen- und 
Schifflistickerei, eine grosse Mühle (neben welcher noch 
viele kleinere im Betriebe sind', eine Konservenfabrik, 
eine Seifensiederei, eine Kerzenfabrik, ein Elektrizitäts- 
werk meben welchem Küssnacht. Kinsiedeln und Lachen 
je über 10000 Kerzen elektrischer Beleuchtung verfügen i, 
eine Kartonfabrik, 8 Buchdruckereien, Lithographien. 
Buchbindereien und verwandle Betriebe ( Kinsiedeln allein 
beschäftigt hierin über 750 Arbeiten. Von den vielen 
Sagereien stehen 6, von den mechanischen Schreinereien 
10 unter dem Kahrikgcsetz, ferner eine Kürstenhol/fahrik. 
ein Eisenhammerwerk, eine Messerfabrik (neben 4 klei- 
neren Betrieben;, drei mechanische Schlossereien, eine 
Zement- und eine Steinfabrik, 4 Ziegeleien .neben vie- 
len kleineren», eine Glashütte, ein Petroldcpol, eine 
Schiflswerfte und Kicsrusterei. Ende 1903 waren dem 
eidg. Fabrikgeselz insgesamt 62 Etablissemente unter- 
stellt, von denen auf die Bezirke Schwyi 23. Gersau 2. 
March I.Y Einsiedeln 10, Kussnacht 4 und Hofe 8 ent- 
fielen. Seit Jahren ist auch der Fremdenverkehr im Zu- 
nehmen begriffen, so am Wallfahrtsort Kinsiedeln und in 
den Kurorten um den Vierwaldstatler- und Zürichsee. 
Die Wirtschaflspatente ergaben in den letzten 6 Jahren 
( 1898-1 9(l3i, nach Bezirken geordnet, im Jahresdurch- 



schnitt : 
Schwyi 
Gersau 
March 177 
Einsiedeln 141 
Kussnacht 67 
Hofe 1 15 



3113 Pal. 
28 .. 



ti :m Kr. oder 260 Fr. aufje 1000 Ew. 



1065 
10592 
10310 

i usr. 

6ISII 



338 
146 

333 
277 
206 



Kanton 921 Pat. "0572 Fr. oder 21 1 Fr. aufje 1000 Kw . 

KUI. HamiKi i Mi Gi i.iiiNsrm ti:. Gegenstände des Han- 
dels sind die Produkte der Viehzucht, des Bodens, der 
gewerblichen Arbeit und der Kunst. Wold werden, wie 
bereits bemerkt, jährlich einige tausend Stück Vieh aus 
den Nachbarkan tonen eingeführt, jedoch nur zur Som- 
merung und nicht gekauft. Verkauft aber werden jähr- 
lich über 5001» Stück. Im Jahr 1826 wurden 1589 Kuhe 
und Stiere über den Gotthard getrieben und im Italieni- 
schen i « Welschland») verhandelt. Beute suchen die Händ- 
ler die Viehstalle ab oder kaufen an den Markten, was 
dem Lande viel erspriesslicher ist. Sehwyz führt auch 
Pferde, Schafe und Ziegen. Kinsiedeln namentlich Pferde, 
die March Schweine aus. Bedeutend ist der Handel in 
Käse und Butter. Während Kinsiedeln jährlich bei 300 




Kanten Schwvz: Haas das Alova Beding in Scbwys 
(1006 erbaut). 

Meterzentner Käse und 200 Meterzentner Bulter einführt, 
ist die Ausfuhr in den andern Bezirken doch weit bedeu- 
tender. Indes Küssnacht die Hälfte seines Holzbedarfes 



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SCIIW 



scuw 



einführt, können die übrigen ite/irke eine bedeutende 
Menge ausführen und zwar nach Zürich, Zug und Luxem. 



m^r&kS, - -a-:t_ 



Kanlon Schwyi: Goldau. 

Holzkohlen werden jetzt mehr ein- als ausgeführt. Dafür 
ums* sozusagen sämtliches Getreide und Mehl eingeführt 
werden (Lagerhäuser der Gotthardhahn in Brunnen): 
KartolTeln werden in die Nachbarkanlonc aus-, hingegen 
ebensoviel aus Süddeutschland eingeführt , desgleichen 
Gemüse. An Obst gehen, namentlich aus der March, viele 
hunderte von Zentnern nach Zürich. Glanis und in* Aus- 
land. Apfelwein, Birnenmost und Hranntwein werden 
nach Kinsiedeln und in die Bergthäler versandt und an- 
drerseits auch nach dem Kanlon T'ri abgesetzt. Pas Kirsch- 
wasser findet seinen Weg sogar ins Ausland. Wein ist ein 
allgemeiner Importartikel, ebenso Bier, das aus Luzern, 
Wädenswil una Wald bezogen und in unbedeutender 
Menge auch ausgeführt wird. Allerlei Heeren linden in 
Zürich guten Absatz. Heu bildet da einen Ausfuhr-, dort 
■■inen Kinfuhrartikel. Kinsiedeln. die Hofe und die March 
Betzen viel Schwarzstroh nach dem Kanton Zürich ab, 
wohin von Einsiedeln auch noch Eis und Torf, Fowie 
von den Höfen und der March Hausteine ausgeführt 
werden. Importartikel sind ferner Petrol (Lagerhaus in 
doldau), Salz (82*21 Säcke Koch- und 260 anderes Salz), 
Metalle und Kunstdünger, sowie viele Gewerbsprodukte 
und Manufakturen. Einsiedeln liefert in die katholischen 
Kantone und ins Ausland für bedeutende Summen Devo- 
tionsartikel. Im Jahr 1903 gab der Kanton 275 Hausier- 
patente und 164 Gewerbspatente, sowie MI Taxkarten und 
247 taxfreie Karten an Handelsreisende ab, wofür er ins- 
gesamt 19600 Fr. einnahm. 

Die älteste bekannte Münzverordnung für den Kanton 
Schwyz datiert aus 1426. Von den geprägten Münzsorten 
sind bekannt : in Gold die Slttneta nova Suitenti* (15 
Enzen schwer) au« dem 14. Jahrhundert und der Ducattu 
reipuhlicat' suilrnsi» aus 1790; in Silber die Turris 
fortisiinia nutnen Domini aus 1655 (29 l'nzen schwer), 
sowie ganze, halbe, vierteis und achtels Gulden; in 
Kupfer • Happen • und » Angster I, Auch das fürstliche 
Stirt Kinsiedeln hatte das Münzrecht und schlug von 1376 
an eckige Hrakteaten, wie wir sie im 61-hweizerischen 
üindestiiuseum sehen. Ferner sind auch noch Einsiedler 
Golddukaten von 1783 erhalten. Die Einsiedler Schützen- 
feslmcdaillen von 1889 (in Gold, Silber und Bronze) 
sind von Münzkennern gesucht. In Einsiedeln kursieren 
fast alle europäischen Münzsorten, die angesichts ihres 
schwankendun und oft niedern Kurswertes den Gewerbe- 
treibenden vielfach in Schaden bringen. 

('•rldutstxtuh' sind : Die Kantonallmnk Schwyz (gegr. 
1890 1 mit Einnehmereien in Muotathal, Gersau. Arth, 
Kussnacht. Einsiedeln. Lachen und Wollerau. welche pro 
1903 bei einem Grundkapital von l'/j Mill. Fr. 161 000 Fr. 
Heingewinn erzielte; die Gemeinde-Sparkasse Schww. 



(gegr. 1812), die schon 1891 einen Beservefonds von 300000 
Franken aufwies ; ferner die Hank in Schwyz (250000 Fr. i 
die Bank Gebrüder Schuler in Schwyz, 
die Spar- und Leihkasse Kinsiedeln igegr 
1854) mit 340000 Fr., die Sparkasse Arth 
(18621 mit etwa 600000 Fr. jährlichen Kin 
lagen, die Sparkasse Küssnacht (1873; 
mit einem einbezahlten Kapital von 
60000 Fr., die Firma Diethelm & Co. 
Leihkasse in Lachen, das Wechselge- 
«chäft Brunnen und BailTeisensche Dane- 
henskassavereine in Kinsiedeln. Iberg 
und Küssnacht 

XIV. Vkiiiik Kults \\ k>kn . I>.«s» aucii 
in frühern Jahrhunderten Anstrengungen 
für Entwicklung des Verkehrswesens 
gemacht wurden, beweisen die t'eber- 
tileibsel der mit breiten Steinen geplläs- 
terten Passe und Saumwege. r. Ii. von 
Schwyz durch den Stalden nach dem 
Iberg. von Muotathal über Lipplisbühl 
und Kinzig nach I n. durch den Käswald 
über Mürlen und Miesem ins Klönlhal. 
über den Pracel. den Haggen, den Katzen- 
•itrick, den Etzel etc. Die erste grosse 
Strassenanlage von lirunnen über Schwyz. 
Steinen, Sattel. Holenturm und Schin 
dellegi nach Bichterswil entstand 1804 
und wurde dann in der zweiten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts weiter ausgebaut 
Zu nennen sind ferner die Strassen von Schwyz über Burg. 
Schlag und Adelboden nach Sattel und von da der Aa 
entlang nach Biberegg, von Biberbrücke nach Schindel legi 
und \on Wollerau nach Richterswil. Der alte Heerwge von 
Richterswil durch die Höfe und March ins Glarnerland ist 
verbessert und die Strasse' \on Lachen über Wangen und 
Tuggen nach Uznach neu angelegt worden, desgleichen 
diejenige von Siebnen ins Wäggilhal. deren Fortsetzung 
ins glarnerische Klonthal geplant wird. Die alte hölzerne 
Brücke von Rapperswil nach Hürden musste dem See- 
damm weichen, Jessen Strassenforlsetzung über Lugaten 
und den Etzel (alte Pilgerstrasse) beim Waldweg zum 
Horgenberg ebenfalls verbessert worden ist. Von Lugaten 
führt über Feusisberg eine neue Strasse nach der Kan- 
tonsstrasse Pfäffikon-Schindellegi. Einsiedeln hat schon 
1820-1832 90000 Fr. für Strassen- und Brückenbau ver 
wendet, nachher die alte Strasse über den Schnabels 
berg verbessert, dem Alptluss entlang eine neue Strasse 
nach Biberbrücke gebaut und auch die Strassen über den 
Katzenstrick, ins Alpthal, nach Willerzell, nach Gross. 
Euthal und Iberg rationeller angelegt. Eine neue Strasse 
verbindet Studen. Euthal und Willerzell mit Egg. harrt 
aber mit ihrem Endstück nach Schindellegi noch der 
Vollendung. Üeber die Iberger r'gg führt eine auch stra- 
tegisch wichtige Strasse nach Schwyz und von da eine 
neue Strasse am rechten Muotaufer nach Bied und bis 
ins Bisithal. Das Projekt von deren Abzweigung über den 
Pragel ins Klönthal harrt noch der Ausführung. Auch die 
Strasse Schwyz-Hrunnen ist korrigiert. Kine Neubaule ist 
die Bergstrasse Brunnen-Morschach-Stooss. Zu den Kunst- 
strassen zählen die Axenstrasse (Brunnen-Siaikon) und 
die Strasse rings um den Bigi. Bedeutend ist auch die 
Strasse von WaTchwil über Arth, Goldau und Sleinerberg 
nach Sattel, von wo aus das Automobil über Schornen. 
M orgarten und Aegeri den Verkehr nach Zug vermittelt 
Der Kanton unterhielt im Jahr 1903 mit Fr. 60000 Kosten 
140 km Strassen 1. Klasse und leistete an die Bezirks- 
und Gemeindesiraasen Beiträge von zusammen 19000 Fr. 

Die eidgenössische Post befahrt nur noch die Strassen 
Seh wvz- Muotathal, Kinsiedeln- Iberg. Siebnen- Wäggilhal 
und Feusisberg-Schindellegi-Hütten. Anstalt der allen 
Postlinien vermitteln jetzt folgende Kisenbahnen den Ver- 
kell r 

1) Bundesbahnlinien (III. Kreis: Zürich): a) Hichters- 
wil-Bäch- Pfäflikon-Lachen-Siebnen-Wangen Heichenlmi-j. 
(im N. des Kantons), b) Zug-Goldau und c) Rotkreuz 
Immensee. — 2) Die Gotthardbahn : Luzern-Küssnachl- 
Immensee-Goldau-Steinen-Schwyz-Brunnen-Sisikon. 
3) Die Sudostbahn mit a) der Stammlinie Wädenswil- 
Schindellegi-Biberbrücke-Hinsii dein und b) der neuen 



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SCIIVV 



447 



Linie Goldau-Slcinerberg-SattPl-Boten turrn-Altmalt-Sams- 
lagern-Wollerau-FreienDacfi-Pfänikon-Rapperswil.-i) Die 



f enden Primaruntcrrichls. freie Meinungsäusserung, 
etilionsrecht, Vereinsfreiheil, L'nverlelzlichkeit des Ei- 




gentums, Expropriation, Handels- und Gewer- 
tiefreiheil (wWCPfac g e ttU K Wehrpllichl, Sleu- 
erpfticht und Steuerfreiheit, Verantwortlich- 
keit der Behörden, Amtszwang, Strafen hei 
Wahlbesteehungen, Gewährleistung der be- 
stehenden Kloster, Loskäullichkeit von Zehnten 
und Pienslbarkeilcn. 

Der Kanlun Schww zählt folgende (> Bezirke 
Schwyz mit 15 Gem. Ilauplort Schwyz. 



Gersau mit I 
March mit 9 
Einsiedeln mit I 
küssnacht mit 1 
Hofe mit 3 



Kanton Sohwyx: Wollerau. 

Digibahnen a) Arth-Goldau-Klöaterli-Staffel-Kulm. bj Vilz- 
nau-Kallbad-SlalTcl-Kulin und c) Kaltbad-Firat-Scheidegg. 
— 5) Die elektrischen Dahnen Brunncn-Morschach und 
Seewen-Schwyz. 

Der Kanton Schwvz verteilt sich auf die Postkreise VII 
(Luzern) und IX (8t. Gallen). Dorthin gehören 3 Dureaux 

2. Klasse (lirunnen, Goldati und Schwyz i, 13 Dureaux 

3. Klasse. '2 rechnungspflichtige und 4 nicht rechnungs- 
pdichtige, sowie 5 internationale Poslahlagen I zusammen 
'21 Postanstalten l. Zum!). Kreis gehören I liureau '2. Klasse 
(Einsiedeln i, \'2 Dureaux 3. Klasse, 6 rechnungspllichtige, 
5 nicht rechnungspllichtige, sowie 1 internationale Post- 
abläge (zusammen 2."> Poslanstallcn >. Total also .V2 eid- 
genössische Poslanstalten. Dazu kommen 33 Telegraphen- 
bureaux, sowie 33 Telephon-Sprechstationen im südl. 
und 33 im nordl. Kantonsteil. 

Schwyzerische Dampfschilfstationen sind lirunnen, 
Gersau und Küssnacht am Vierwaldstälterscc. Arth und 
Immerisee am Zugersee, sowie Lachen. Nuolen und 
l'fenau am Zurichsee. Ausserdem vermitteln viele Nauen. 
Darhpfschwalben. Schleppboote . Segel- 
schiffe und K.ihne den V erkehr auf dem 
Wasser. 

Ausser den eben genannten, mehr 
oder weniger offiziellen Verkehrsmitteln 
bestehen, namentlich in die einzelnen 
Seitenthäler hinaus , noch regelmäs- 
sige private Verbindungen mit ganz 
bedeutendem Transport, so z. D. nach 
Iberg, Muotathal, Wäggithal. Tuggen. 
Morschach, Alpthal etc. 

XV. Staat und Vehwaltim;. Der 
Kanton Schwyz ist ein demokratischer 
Freistaat und souveräner Stand der 
schweizerischen Eidgenossenschaft. Sein 
Grundgesetz datiert aus der Zeil vor 
der Gründung des Schweizerbundes, als 
noch die l.enzburger Gaugrafen des 
Landes waren. Die \'er(a3sung musste 
sich öftere Modifikationen gefallen las- 
sen, so xur Zeil der llelvelik und der 
Mediation, sowie in den Jahren IftM. 
IK3-2. I833. IK-iH, IS.",»;, |K7r> und 
1808/1000. Der letztem Haupthestim- 
mungen sind : Gewahrleistung der 
Glaubensfreiheit, Ausübung der Wlk-- 
souver.ineut, bürgerliche Gleichheit, 
personliche Freiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, 
Einstellung im Amte, OeUenllichkcit der Gerichtsver- 
handlungen, Ubligaturium und L'nenlgeltlichkeil genü- 



Gersau mit ■> "» Gersau. 

• Lachen. 
» Einsiedeln. 
•• Küssnacht. 
Ilauptorte: Wollcrau 
je für 4 und Pfaflikon je fur '2 Jahre. 
Die drei Nationalräte und beiden Ständeräte 
werden in den Gemeinden in geheimer Ab- 
stimmung gewählt. Der ganze Kanton bildet 
einen ein/igen eidg. Wahlkreis. Für die Kan- 
lonsratswahlen bildet jede Gemeinde einen be- 
sondern Wahlkreis. und wählt wenigstens ein 
.Mitglied auf je tiOO Einwohner, sowie auf 
einen Bruchteil \on über 300 Ew. Gemein- 
den, die zur Wahl von drei und mehr Kantons- 
räten berechtigt sind, wählen nach dem 
Proportionalstem. Alle 4 Jahre findet die 
Gi'samlerneuerung des Kantonsrates statt. Der 
Landammann und der Statthalter durfen nicht 
als K.iutousratspr.tsidenten gewählt werden. Gesetzesent- 
würfe werden nach ein- oder zweimaliger Beratung der 
Volksabstimmung unterstellt, ebenso auch Finanzdekrete, 
die eine einmalige ausserordentliche Ausgabe von mehr 
als 50000 Fr. oder eine neue w iederkehrende Ausgabe von 
mehr als 10000 Fr. zur Folge haben. Für Trennung oder 
Vereinigung von Gemeinden ist die Genehmigung des 
Volkes einzuholen. Dekrete und Verordnungen des Kan- 
tonsiates unterließen der Volksabstimmung, sofern inner- 
halb der Frist von 30 Tagen nach Veröffentlichung der- 
selben beim Hegierungsrate ein schriftliches Begehren 
dafür gestellt wird. Dasselbe gilt auch bei Erlassung, 
Abänderung oder Aufhebung eines Gesetzes. Der Kan- 
tonsrat wählt auf eine Amtsdauer von je vier Jahren die 
vollziehenden Behörden und hat das Becht, Amnestie zu 
erteilen. Er entscheidet ferner über Kompctenzkonllikle 
der administrativen und richterlichen Gewalten, übt die 
Oberaufsicht über alle Zweige der Kantonsverwaltung 
aus und wahrt die Hechte des Staates in gemischt 
staatlich-kirchlichen Angelegenheiten. Ihm sind auch alle 




Kaolin Schwvi: PfaftUoo untl luvt l'fenau. 

von ihm gewählten Beamten und Angestellten verantwort- 
lich. 

Oberste Vollziehung*- und Verwaltungsbehörde ist der 



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aus 7 Mitgliedern bestehende Begierungsrat. Ihm steht auch | 
die Prüfung und Anerkennung der Gesetzmässigkeit aller 
Wahlen in die Bezirks- und Gemeindebehörden zu ; er 
bewilligt die Enllassungsbegchrcn aus dem Staatsver- 
band und ernennt die Offiziere, Kreiskommandanten. 
Sektionschefs. Depotverwalter etc. Das 9 gliedrige Kan- 
tonsgericht wird von den Bezirk «gemeinden gewählt und 
ist die oberste zivil-, kriminal- und polizeigerichtliche 
Behoi-de. Iis hat alljährlich dem Kantonsrale Bericht zu 
erstatten über das Gerichts- und Notariatswesen, sowie 
über die Tätigkeit der untern Gerichtsbehörden, des Ver- 
höramtes , der Staatsanwaltschaft und der Bezirks- 
amtiiannämlcr. Eine Justizkommission führt die Ober- 
aufsicht übei' das Betreihungs- und Konkursweseii. Da* 
."»gliedrige Kriminalen icht ist für alle Kriminallalle die 
erste Instanz. 

In jedem Bezirk betteln eine aus den stimmfähigen 
Bürgern, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben, zu- 
sammengesetzte Gemeinde. Den Bezirken bleibt freige- 
stellt, statt den offenen Handmehrs das l'rnensvHtem ein- 
zuführen. Die Bezirksgemeinde wählt alle zwei Jahre am 
I.Sonntag im Mai je die Hälfte der Kantons- und Be- 
zirksrichter, den Ammann, Statthalter und die Rat*- | 
herren ; sie setzt die Bezirkstcuern fest, prüft die Rech- 
nungen etc. Der Bezirksrat |7-I5 Mitglieder) vollzieht 1 
die (lemeindebeschlüsse. verwaltet die Güter und besorgt | 
das Bauwesen. Der Ammann ist nicht nur der Stellver- 
treter des Begierungsrates, sondern er vollzieht auch 
die Beschlüsse des Bezirksrates und -gerichte». Dieses 
• letztere (7 Mitglieder und ebensoviele Ersatzmänner) be- 
urteilt 'Zivil- und Injuricnfalle. Prozesse in Ehesachen, I 
Vatcrschaftsklagcn. i'olizeivergeben etc. Sein Präsident j 
ist die erstinstanzliche Aufsichtsbehörde über das Be- 
treibungs- und Konkurswesen indem betreffemlen Bezirk. 

Den Gemeindeversammlungen ist freigestellt , offene 
oder geheime Abstimmungen vorzunehmen oder für die 
Wahlen iletzter Sonntag im April) das Urnensysleru ein- 
zuführen. Dem Getncinderate (7-13 Mitgliederfsleht eine , 
grosse Kompetenz zu : er bestellt zur Führung seiner 
vielen Geschäfte die nötigen Kommissionen und ist für 
seine Verwaltung der Gemeindeversammlung und den 
übergeordneten Behörden verantwortlich. Der « Ver- ' 
mittler» beurteilt Rechtsstreitigkeilen bis auf den Betrag 
von 30 Fr. 

Zu einer Revision der Verfassung bedarf es entweder der 
absoluten Mehrheit aller Kantonsrate oder des Verlangens 
von 2000 Stimmberechtigten und der Mehrheil des da- 
rüber angerragten Volkes. Wird durch eine Volksinitiative 
eine Totalrevision beschlossen, so ist dieselbe einem Ver- 
fassungsrate (dessen Verhandlungen von 1896 und 1897 
bilden einen 300 Seiten starken Quartband) zu übertragen, 
während eine blosse Teilrevision durch den Kantonsrat , 
ausgearbeitet wird. Der Wahl- und Abstimmungsmodus 
in den Bezirksgemeinden der Revision von 1808 wurde 1 
von den Bundesbehorden beanstandet und dann vom | 
schwyzerischen Volk am 6. Februar 1900 umgestaltet und j 
angenommen, worauf der Zusatz am 11. Marz 1000 in 
Kraft trat. (Von Interesse ist der Schriftenwechsel in den 
darauf bezüglichen staatsrechtlichen Rekursen i. 

Teber die Verwaltung des Gemeindewesens berichteten 
Landammann und Regierungsrat 185.1. I8tö. 1879, 18W>, • 
1892 und 1901 als « Kommunaluntersuch » an den Kan- . 
tonsrat. Der letzte, 242 Oiiartseilen umfassende Bericht 
gibt von jeder Gemeinde an : Flächeninhalt und Hin- 1 
wohnerzahl ; allgemeine Verwaltung (Prolokolle und I 
Akten, Rechnungs- und Slrassenwesen , Gemeinderats- 
Sitzungen), sowie Vormundschafts-, Armen- und Schul- i 
wesen. Danach betrugen auf 31. Dezember 1900 das ! 
Kirchen- und Pfrundvermögen der Gemeinden (ohne den : 
Bezirk Einsiedeln, der hierin höchst eigentümliche Ver- 
hältnisse bat i 3 289 014 Fr., die kirchlichen Stiftungen 
278 223 Fr., das Armenvermögen 2307603 Fr., das Schulver- 
mogen 2 963029 Fr., das Vermögen der allgemeinen Ver- 
waltung 2i7 353 Fr. und das Gesamtvermögen der Ge- 
meinden 8822103 Fr. (1855: 2 853346 Fr ). Der Ver- 
mögenszuwachs in den Gemeinden betrug in den 10 
Jahren 1K9I-190I 1 426117 Kr. In den .Waisenladen« 
waren am 31. Dezember 1900 deponiert 8 379 073 Fr. 

Ccber die kantonale Administration belehrt uns der 
jährliche Rechenschaftsbericht. iL'nsern Erhebungen liegt 



dessen 50. Band vom Jahr 1903 zu tirunde, der 330 Oktav- 
seiten nebst einer grossen Zahl diverser Tabellen zählt). 

Der Regierungsrat hat in 123 Ralbtagsitzungen 2791 Ge- 
schäfte nebst 468 Präsidialverfügnngen erledigt, welche 
3368 Ausfertigungen notig machten, ausser welchen von 
der Kantonskanzlei noch 1466 Schreiben erledigt wurden. 

Das Departement des Innern setzte in Vollzug : 0 Rundes- 
gesellte, -Verordnungen und -beschlösse, sowie 23 kantonale 
Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse. 

Militärisch ist der Kanton Schwyz der VIII. Division 
zugeteilt. Die Bezirke Schwyz. Gersau und Küssnacht 
gehören zu deren 2.. die Bezirke March, Einsiedeln und 
Höfe zum 4. Rekrutierungskreis. Der Kanton zählt einen 
Kreiskommandanten und 16 Sektionschefs. Er stellt die 
Füsilierbataillone 72. 8ß und 120 izwei Kompagnien i, so- 
wie eine Kompagnie des Schutzenbataillons 8. Wehr- 
pflichtige Mannschaft in Auszug und Landwehr auf Hl. 
Dezember 1903 : Infanterie 3193. Kavallerie 53, Artillerie 
272, Genie 117, Sanität 68, Verwaltung 44. andere Truppen- 
gattungen und Verschiedene 203, Rekruten 259, Ersatz- 
pflichtige (»146. total 10359 Mann. Da/u an Landsturni- 
pflichtigen 1047 Bewaffnete und 4608 ililfstruppen, total 
574."» Mann. Gesamttotal 16104 Mann. An Militärpllichter- 
satzsteuer gingen 53241 Kr. ein. Von den 72 freiwilligen 
Schiessvereinen bezogen 2701 Mitglieder fur die obligato- 
rischen und 1183 Mitglieder für die fakultativen Gedungen 
l'nterstüt/ungen. Die Kreise steht untereiner besonderen 
kantonalen Schiesskommission. l'nler dem Kriegs- 
kommissar und kantonalen Zeugherrn stehen die Militär- 
depots von Schwyz und Lachen. Ausserdem sind in 
Scliwyz grosse eidgenössische Magazine für Munition 
und Ausrüstung vorhanden. 

FiManziec*#n. Den 6 Anleihen von nahezu 3 Mill. Fr. 
stehen an Aktiven 1689558 Fr. gegenüber, sodass der 
Kanton noch 123H436 Fr. Mehrschulden hat. Die kanto- 
nalen Fonds betragen 305081 Fr. Die bedeutendsten Ein- 
nahmequellen sind : das Salzregal, die Fischerei- und 
Jagdpatcnlc. die Steuern (2%,, vom Vermögen und Kopf«, 
amtliche Gebühren. Hausier- und Handelspatente, Kanto- 
nalbank, Banknotensleuer etc. Das Stcuerkapital beträgt, 
bezirksweise geordnet : in Schwvz 46 5011850 Fr . Gerdau 
3914 200 Fr.. March 1 7 256 H0O Fr. , Einsiedel!, (ohne Stift) 
16712200 Er.. Küssnacbt 9309200 Fr.. Hof,- 5002 900 Fr.. 
Stift Einsiedel n 2926700 Fr., total 101682050 Fr. Die 
wichtigsten Ausgabeposten sind: Allgemeine Verwaltung, 
Krziehting*we«cn. Lehrerseminar, Gerichtswesen. Polizei. 
Militär, Strafanstalt. Raulen. Strassen, Forstwesen. 
Staatsachuldciivcrzinsuiig, Industrie und Landwirtschaft 
etc. Jahresbilanz : 

Einnahmen Fr. 580090 

Ausgaben » 333 703 

Einnahmcnuherschuss ~W. 4T3877 

Potizcitvesfn. Vom kantonalen Landjägerkorps (23 
Mann) wurden 922 Bettler und Vaganten aufgegriffen. 
2254 Personen (ohne die 1288 direkten Italienertransporte) 
transportiert und 1089 Personen wegen l'ebertretung von 
Strafgesetzen und Verordnungen verzeigt. Der Kanton 
zahlt 8027 Niedergelassene und 3003 Aufenthalter. 1903 
sind ausgefertigt worden : 921 Wirtschoftspatente. 275 
Hausierpaleule.' 154 Gewerbepatente. 31 taxpllichtige und 
247 taxfreie Ausweiskarten an Handelsreisende, 122 
Fischereipatente. 254 Jagdpatenle. Ferner befastt sich 
das kantonale Polizeidepartement mit : Fabrikpolizei, 
Schiffahrt, Untersuchung von Lebensmitteln und Geträn- 
ken. Auswanderung. Feuerpolizei, l^öschwcsen, Brand- 
versicherung. 

Auch das (remndheilswxen ist dem Polizeidepartement 
zugeteilt, dessen Vorsteher das aus 4 Aerzten und 4 Er- 
satzmännern bestehende Sanitätskollegium präsidiert. Es 
praktizieren im Kanton 30Aerzte, 3 Zahnärzte. 2 Zahn- 
techniker. 7 Tierärzte. 4 Apotheker und 35 Hebammen. 
In Schwyz und Einsiedeln bestehen grosse Krankenhäuser, 
Iiier ausserdem ein Absondcrungshans. Drei Samariter- 
vereine. Einige Orte haben standige Krankenschwestern 
von Ingenbobl. 

Im tirratwsen führen die Aufsicht je ein Kantonsforster 
und Adjunkt. 8 l'nterforster und 106 Bannwarte. Die die 
Forstpolizei betreffende Vollziehungsverordnung vom 13. 
Marz 1903 zum eidg. Forstgeselz veranlasste viele Gemein- 
den, die das im Forstgesetz nicht begründete Verbot der Ab- 



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gahe stehender Loshölzer (llolzteilet zu weitgehend fanden, 
zu Protesten an den Bundesrat. Da* Waldareal nimmt 
stetig zu. Vermarchuugen und 
Vermessungen sind wesentlich ver- 
mehrt worden. Von den Waldbaum- 
schulen gehören dem Kanton 34.79 
ha. den Gemeinden und Korpora- 
tionen tili». 47 ha und den Privaten 
32.96 ha. Kür Aufforstungen und 
Bachverhauungen bringen Bund, 
hanton und Korporationen jahrlieh 
^ru-se ( Ipfer. 

Dem Heuert»- ist 1903 da» Gesetz 
über Ausübung der Haudelsgewerbe 
(.eschalTcn worden. Kontrollen über 
Mehl- und Brotverkauf, deren Hcsul- 
tate veröffentlicht werden, linden 
in jeder Gemeinde jährlich I -."> mal 
statt. Es besteht eine kantonale 
rnlersuchungsanstalt für Lebens- 
mittel und Getränke. 

Die Larulwirlschaft wird unter- 
stützt durch Beiträge an Kurse und 
Schulen, tlagclversicherun, Boden- 
verberaeru ngen, Prämierungen von 
Fohlenweiden und Vieh. Die zwei 
Preisgerichte für Viehausstellungen 
innerer und äusserer Kreis) be- 
stehen aus je 3 Richtern und 3 
Ersatzmännern. 

Dem Jualitweten stehen zwei Begierungsräte . zwei 
Staatsanwälte, eine Kommission der Zwangsarbeitsanstalt 
und ein Handelsregisterbureau vor. Die Sträflinge wer- 
den in der Anstalt St. Jakob in St. Gallen detiniert. In 
der kantonalen Zwangsarbeitsanstalt sind 32 Männer und 
tl Frauen untergebracht. Der Vollzug der korrek- 
tionellcn Strafurteile ergab an Geldstrafen und Bussen 
6383 Fr., während die Untersuchung»- und Gerichts- 
kosten 5374 Fr. eintrugen. 

Das Ucftarlermrtxt de» Innern beschäftigt sich mit der 
Bezirksverwaltung. Diese erfordert in Schwyz a /4°/ a0 , in 
Gersau 3%,, in der March 1°i in . in Einsiedeln P/» 0 /». in 
Küssnacht 3"/ w und in den Hofen iVjVai direkte Steuern. 
March und Hofe haben Kinnahmen-, die übrigen Be- 
zirke dagegen 'Ausgabenuberschusse, welch letztere aber 
verhältnismässig unbedeutend und wohlgeordnet sind. 
Der Steuerfuss der einzelnen Gemeinden schwankt 
zwischen 2 und &lfi<g)- Auster der Beaufsichtigung des 
Gemeindewesens fallt auch das Zivilstandswesen in 
dieses Ressort. 

Erziehungsuvsen. Vom 10. Jahrhunderl an haben wir 
sichere Kunde vom Bestand einer Schule im Kloster Ein- 
siedeln. Gleichwohl bleiben Ursprung und erste Gestaltung 
der Volksschule im Dunkel. Das Jahr 1545 bringt die 
erste Kunde von der « alten Dorfschule» zu Einsiedeln. 
Es bestand also hier schon zu dieser Zeit eine aweite 
Schule, wie auch Schwyz und Lachen bereits ihre Schule 
hatten. Bald errichteten dann auch die Pfarrer in den 
andern Gemeinden freie Schulen nach ihrem Ermessen. 
Von einem Lehrerstand kann zu dieser Zeit noch nicht 
gesprochen werden. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden 
von der Gemeinde besoldete Schulen ziemlich allgemein. 
Bei der Lehrerwahl wurde bald der « Studiertere ». bald 
der « Tugendlichen' » oder auch der «Schreckhaftere» 
gewählt. Der Anlauf, den die Helvetik im Bitdungswesen 
nahm, kam im Kanton Schwyz bald wieder zum Stillstand. 
Die Verfassung von 1833 betonte : • Der Staat sorgt für 
die Bildung des Volkes». 1848 wurde dann eine neue 
Schulorganisation geschalten und der obligatorische 
Schulbesuch eingeführt. Heute ist das Volksschulwesen eine 
der wichtigsten Angelegenheiten des Staates und seiner 
Gesetzgebung geworden. Die Organisation von 1877 be 
stimmte die t'nentgeltlichkeit des Unterrichtes in den 
öffentlichen Schulen, ein siebentes Schuljahr, die Wahl 
von 5 Erzichungsräten durch den Kantonsrat, sowie die 
Wahl der Lehrer und Gemeindeschulräte durch die Ge- 
meinden. Oelfentliche Schulen sind: Die 7 klassige 
Primarschule durch die Gemeinde, in jedem Bezirk wenig- 
stens eine vom Kanton unterstützte Sekundärschule, die 
kantonale Lehrerbildungsanstalt in Bickenbach und die 



fakultativen Schulen für I) kleine Kinder, 2i gewerbliche 
Fortbildung und 3) weibliche Handarbeit. Die 160 Primar- 




KaotoD Schwyz : Eioaiedeln von Nordwesten. 



schulen zerfallen in 121) sog. Ganztagschulen und 31 sog 
Halbtagschulen, bei welch letzteren • der eine Teil der 
Kinder vormittags und ein anderer Teil nachmittags die 
Schule besucht. An den Primarschulen wirken 2 geist- 
liche und 50 weltliche U'hrer, sowie 99 Lehrschwestern. 
Sämtliche Mädchen der Primär- und Sekundärschulen 
erhalten Unterricht in weiblichen Handarbeiten. Hie 11 
Sekundärschulen werden geleitet von 8 weltlichen Lehrern 
und 3 ürdenaschwestern. Es bestehen 5 Kleinkinder- 
schulen. Die 8 gewerblichen Fortbildungsschulen zählten 
im Schuljahr 190304 426 männliche und 141 weibliche, 
zusammen . r >67 Schüler und bezogen 1903 eidgenössische 
und kantonale Subventionen im Betrag von 8530 Fr. Am 
Lehrerseminar werden von 5 Professoren 33 Zö>: Ii nge unter- 
richtet. Die meist neuen, schönen Schulhäuser sind staat- 
lich subventioniert worden. Immerhin • ist es Tatsache, 
dass alles, was da ist, aus der freien Initiative des Volkes 
hervorging ; es hat die nunmehr vorhandenen Fonds 
selbst angelegt, hat grosse Opfer gebracht und bedeutende 
Bauten vollführt». Das Schul vermögen der Gemeinden ist 
seit 1842 um das 30 fache, seit 1860 um das 10 fache ge- 
wachsen. Während in frühern Zeiten die Lehrerbesol- 
duugen den Zeitverhältnissen gemäss etwas karg waren, 
sodass ein Lehrer vom Gehalt allein kaum leben konnte, 
fanden neulich fast in allen Gemeinden bedeutende Auf- 
besserungen statt. Der Kantonsrat wendet aus der eid- 
genössischen Schulsubvention den Lehrern Alterszulagen 
und einen Beitrag an ihre Unterstützungskasse , die 
66 521 Fr. beträgt, zu. Ferner ist im Entwurf zu dem 
neuen Erziehungsgesetz, das Gehaltminimum eines Pri- 
marlehrers auf 1400 Fr. festgesetzt. Im Jahr 1903 leisteten 
an das Schulwesen : die Gemeinden 153 830, der Kanton 
76865 und der Bund 16649 Fr. Gemäss bestehender Verord- 
nung werden jährlich in samtlichen Gemeinden Bekru- 
tenvorschulen gehalten. Alle die bisher genannten Schu- 
len gliedern sich in vier Schulinspektoratskreise. deren 4 
eeislliche Inspektoren die Schulen und Lehrer prüfen und 
3er letztem Patentierung begutachten. Der Fortbildung der 
Lehrer dienen die jährlich zweimal stattllndenden staat- 
lichen Konferenzen und andere Vereinigungen. 

Der Kanton Schwyz besitzt auch drei grosse private Lehr- 
anstalten, nämlich . 1) Das Kollegium « Maria Hilf» in 
Schwyz. wo im Schuljahr 1903 01445 aus 21 Kantonen und 
7 fremden lindern stammende Zöglinge in Industrieschule. 
Gymnasium und Philosophie von 32 Professoren und Ii 
Hilfslehrern unterrichtet wurden. — 2) Die Lehr- und Er- 
ziehungsanstalt des Benediklinerstiftes «Maria Einsiedeln i 
mit (I903 | 26 Professoren (sämtlich Mitglieder des Stiftes 
und acht mit dem Doktorgrad) und 3 weltlichen Lehrern, 
sowie 257 Schülern (aus 20 Kantonen und dem Ausland j 
in 6 Gymnasialkursen und 2 Lyzealklassen. Von den Abi. 

217 — GEOGR. LEX. V — 29 



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lurienten dieser beiden Anstalten stellten »ich ä8 zur Ma- 
turitätsprüfung. — 3) Das Töchterpensionat und Lehn t - 




Kantno Schwei Krauroklontar Au hei Kin»>eJelo 

innensominur ■ Theresianum » in Ingenhohl umfassl Vor- 
hercitungskurse für französische, italienische und deutsche 
Zöglinge, eine Realschule ton 3 Klassen, eine französische 
liealsehule, einen deutschen Seminarkurs und einen 
2kla*sigen Hnushaltungskiirs. Ks zählte l'.KiH : 17 Lehrerin- 
nen und 157 Schülerinnen (aus 17 Kantonen und dem 
Ausland). Der Staat subventioniert diese drei Anstalten 
nicht. 

Der intelligentere Teil des Volkes hofli vom neuen, 
im Entwurf bereits vorliegenden Erziehiingsgesetz einen 
bedeutenden Impuls für geistigen Fortschritt. Zu den 
Männern, die hervorragend für das schw yzerische Schul- 
wesen wirkten, zählen . I'. Isidor Moser, Pfarrer in Ein- 
siedeln (1775: Entwurf riir Errichtung der Schulen): 
I". Meinrad K.ilin. Physikprofessor im Stift Eiii>iedeln 
ilKSU: Si/Hlrino utttilutituni lülerarute lUuuireqatumts 
Ileh ei.-Hi nrriutinac der Dichter I*. Gull Mon i. ikjll-IK'.J 
Kapilular im Stift Einsiedeln ; I lekan Rültimann von Lachen 

IH-il-IWti) ; Oberstleutnant Jülz, Donator zu gunstender 
Volksbildung |!8il); die Seminardirektoren Buchegger 
i IfCiil-lMil . Schindler. IKÜI-IK7U.. Marl, . IsTO-ISN."» . \. »er 

l8H5-18Wi und Stossel <I8»4 bis 1903): die Inspektoren 
Tschümperlin 1806-1800 . \Vateri1874-18H3). Bischof Willi 
1 1853- IHÖ»), J. 11. Müller ( IWttbis 1876|, Rohneri 187ti-i8Ki . 
Schindler i18SV- 1887 1. Sidler <1887-18»i) und Zürcher 
1 1804-1902); die Vorsteher des Erziehungswesens von 
Beding, von Heitlingen, Benziger, Wineletc. 

l'ulerttiitzungi- uiui Verruwwesen. Der 
Staut uhcrlässt das Unleratützungswesen dem 
freien Wohltäligkeitssinn des Volke». In Schw \ z 
und Einsicdeln bestehen komfortable Krau- 
kenhäuser. Ausserdem besorgen in vielen Ge- 
meinden ständige lngcnbohlerschwestcrn die 
Krankenpllege. In den meisten Ortschaften ha- 
ben sich Kranken- und Sterbevereine gebil- 
det. Die Frauen- und Töchtervereine befassen 
sich hauptsächlich mit der Bekleidung der 
Annen, die Bürgcrgesellschaften auch mit der 
Führung von Suppenaiistalten. Im Jahr 1 IM 13 
waren in den Armenhäusern 501 Erwachsene 
und 421 Kinder untergebracht, und noch 
grösser ist ilie Zahl der ausserhalb derselben 
l'nterstützten. Jahrcsausgaheu Fr. 278 «v>6. Die 
Verpflegung der 100 Geisteskranken in Heil- 
anstalten erforderte Fr. 3t 943. Siebenzehn 
Gemeinden zahlten für Versorgung verwahr- 
loster Kinder und arbeitsscheuer Elemente 
zusammen 9243 Fr., emplingen aber dagegen 
Subventionen aus den Alkohulertragnissen. 
Die 2838 Vögllinge haben Fr. 8<iSiHitli in der 
Waisenlade. 

Die Handwerker- und FurtbilduiiKSverewe 
besorgen die gewerblichen Fortbildungs- 
schulen, leiten das Lehrlingswesen, gewähren 
Stipendien etc. Ihr Verband /.ildl in 8 
Sektionen '132 Mitglieder. Bildungsfreundlicl 
die Lehrer- und Schulmannervereine. der historische 
Verein des Kantons Schwyz, die Stenograpbenvereine. 



Den Gesang pllegcn 1 1 miteinander im Verband stehende 
VolksgesangvereTne, wahrend ausserdem noch einige 
C.acilieiivcreine für Kirchengesang bestehen. Jede Ort- 
schaft hat eine und oft mehrere Blechmusiken, die 
grossem Ortschaften auch Orchester- und Harmonie- 
Musiken. Die Turnvereine, sowie die Feuerwehrvereine 
gehören dem zentralschweizerischen Verbände an. Im 
Schiesswesen sehen wir die Jungmannschafl schon im 
15. Jahrhundert in jeder Ortschaft zu Bogen- und Arm- 
brustschülzen-Verbänden organisiert. Aus ihnen heraus 
bildeten sich die Standschützen. Jene wie diese bestehen 
heute noch. Dazu kommen 72 Militär- und Feldschulzen- 
vereine. Gemeinnützige Ziele verfolgen in den grössern 
Ortschaften der Best der alten Zünfte, die Verkehrs- und 
Verschönerungsvereine, sowie auch die ornithologischen 
Vereine. Christlich - sozialen Bestrebungen huldigen 
Jünglings-, Gesellen-. Manner- und Arbeitervereine. Drei 
• ■rutlivcreine betätigen sich auf politischem Gebiet. 
Während verschiedene Alpen-, Velo-, Beit- und andere 
Klubs, wie auch die \ ielen Jahrgänger- und Altersvereine 
dem Sport und der geselligen I nterhaltung frohnen. 
dienen andere Vereinigungen den Fortschritten in Han- 
del und Industrie. Nicht unerwähnt lassen dürfen wir 
die ausserordentlichen Leistungen der Japanesen-Gcsell- 
schaft Schwyz in ihrenOriginal- Volkaschauspiclen und aucl > 
anlässlicli des Bundesfesles von 1891. Bühmliches leisten 
im Volkslheater ferner Lachen, Arth, Kinsiedeln ; auf den 
Studentenbühnen von Schwyz und Kinsiedeln wenlen 
Opern mit Erfolg aufgeführt. Die kirchlichen Vereine 
haben ihren Ursprung in den Bruderschaften aus dem 
15. Jahrhundert, wie solche aus jener Zeit jetzt noch in 
Kinsiedeln existieren und Verschönerung des Gottes- 
dienstes, Festigung des religiösen Lebens. Aufbringung 
der Mittel für kirr rili' he Kauten etc. bezwecken. 

XVI. Geschichte. Das «alte Land» Schwyz weist eine 
nicht nur für die Schweiz, sondern auch für die europäi- 
schen Volker überhaupt charakteristische Geschichte auf. 
Wie weit sie ins Altertum hinaufreicht, iat unerwiesen. 
Zahlreiche Funde von Bronzegegenständen und römischen 
Munzeu beweisen die frühzeitige Besiedlung des Landes. 
Unzweifelhaft haben sich auch während der Einfälle der 
wilden germanischen Völker und der Hunnen Bewohner 
des Dächern Helvetiens in die Thaler an der Muota zurück- 
gezogen und da festgesetzt. Unter alemannischer und dann 
unter fränkischer Herrschaft verteilte sich der Grundbesitz 
auf die freien Bauern, die Klusler und verschiedene welt- 
liche Herren ; der gross te Teil aber war • gemeine Mark l 
oder Allmeind. Schwyz gehörte ursprünglich zum Thur- 
gau und seil 850 zum Zürichgau. Im Namen des Königs re- 




wirken 



Kantern Seliwvi Im Waggilhal. 

gierten Gaugrnfenund zwarzuerstdie Lenzburgerund dann 
seit 1172 die Habsburger. Der Graf zog die Reichssteuer 
von 13 I'fund 1 144 Fr.) jährlich ein. erhob die Zolle, 



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mussle bei einem Kriege die Mannschaft ausheben und in 
schweren Fällen, welche Leib und Leben betrafen, zu 
Gericht sitzen. Das Land war in das Alt-, Neu-, Nieder- 
wässer- und MuoUlhaler-Yierlel eingeteilt. 1*240 nahm Kai- 
ser Friedrich II. die Schwyzer für ihre Hilfe bei Faenza 
in bcsondcrn Schutz und gab ihnen den ersten Freibrief. 
I in jene Zeil »chloss Schwyz mit Uri und l'nterwalden 
den ersten Kund. Um 1389 verkaufte Graf F.bcrhard von 
Habsburg das Land «ennet der Platte» ieines vom Engel- 
slock zum Lowerzeraee sich hinunlerziehenden I ein- 
bände* i. das ist Steinen mit Steinerberg, Sattel und Roten- 
türm, an Schwyz. Dann kaufte Graf lludolf von Habsburg 
die gräflichen Hechte im Lande Schwvz an. Nachdem er 
Konig geworden, leisteten ihm die Schwyzer unter An- 
führung von Landamtnann Konrad Abibetg anlasslich der 
Belagerung wm I '■•"-.in. Dil liWl so au-gr/eichnete Iiienste, 
dass ihr neuverziertes Kreuzpanner als festliche Sturm- 
fahne an der Spitze des Heichsheeres in ßeaancon ein- 
ziehen durfte. Hudolf gab den Schwyzern keine fremden 
Beichsvogte, sondern Ammanner aus ihren freien Bürgern. 
Seither bildeten die S< bvvy/er eine eigene Gemeinde' und 
hatten ein eigenes Siesel. "17 Tage nach dem Tode Rudolfs, 
am I. August 1291, schlössen die Urkantone den zweiten 
Hund. « um die alle, eidlich bekräftigte Gestalt des Bundes 
wieder zu erneuern'. Her in lateinischer Sprache auf Per- 
gament geschriebene Rrief wird als ältestes Denkmal der 
schweizerischen Eidgenossenschaft in Schwyz aufbewahrt. 
Nach dem Tode Kaiser Albrechts (1310i besetzten die 
Schwvzer den Flecken Arth, dem sie dann 1350 die Gleich- 
berechtigung gaben, indem sie zugleich den vorgenannten 
Vierteln noch das Steiner- und Arther-Viertel beifügten. 
Aas jedem der sechs Viertel wurden 10 Männer in den 
einfachen, 20 Männer in den doppelten und 30 Männer 
in den dreifachen Landrat gewählt. Diese drei Bäte mit 
einem Landamiuann an der Spitze regierten das ganze 
Land. Die übrigen Bezirke, welche in der Folge all- 
mählig zu Schwyz kamen i nämlich Einsiedeln. March. 
Kussnacht. Höffe und Gersau), hatten an der Regierung 
keinen Anteil. 

Iiizwiseheu batien die Schwyzer anlässlich des Marchen- 
streites mit dem rcichsfürstlichen Stift Finsiedcln einen 
erbitterten Kampf zu bestehen, der 250 Jahre gedauert 
hat. Laut Urkunden des Schwahcnhcrzogs Hermann I. 
und kaiserlicher Briefe von !l)7 und 1018 waren die Ge- 
genden beider Iberg. Alpthal und Allmatt dem Stifte zu- 
gehörig. Als sie aber Schwyz als «gemeine Mark t an- 
sprach, entschied das kaiserliche Gericht litt und HL! 
zugunsten des Klosters und Hudolf I. von llabsburg 1217 
zugunsten der Schwyzer. Der Streit brach immer wieder 
von neuem aus. Am 6. Januar 131 i überfielen die Schwyzer 
das Kloster und führten die hocliadeligen StiRshcrren. 
sowie deren l/?ute und Vieh weg. Oeslerreich als Schutz- 
vogt Einsiedeins heschloss, die Schwyzer für diesen Ueber- 
fall und die Eroberung von Arth zu strafen. Heide Teile 
rüsteten zum Kriege. Schwyz befestigte seine Grenzen 
bei Brunnen. Arth. Vorgarten und Allutatt. Sein Sieg 
bei Vorgarten widerhallte als Freiheilsruf rings im 
l~ande. Kinsiedeln mussle den Frieden teuer erkaufen. 
Von seinem ±29 km : umfassenden Gebiete mussle es im 
Jahre 1350 120 km*, also mehr als die HälRe, an Schwyz 
abtreten, so dass ihm bloss noch 109 km- verblieben. 
Im ganzen Verlauf dieses endlosen Streites halle die Abtei 
weniger die Verteidigung ihres Länderbesitzes, der ihr 
rechtmässiger Weise zugefallen war. im Auge gehabt, als 
die Wahrung ihrer Rechte und Freiheit. Darum zögerte 
sie nicht, einen bedeutenden Teil ihres Kesitztumes zu 
opfern, um ihre von den unternehmungslustigen und wage- 
mutigen Nachbarn stets bedrohte Unabhängigkeit zu be- 
wahren. Ueberall wo es galt. Oesterreich und dem Adel 
in den Weg zu treten, waren die Schwyzer dabei : LCI2 
Hand mit Luzern ; 1337 Sieg der Zürcher mit Hilfe der 
Schwyzer über den Grafen von Rapperswil bei Grinau . 1339 
Sieg der Hemer mit Hilfe von 300 Schwyzern bei Laupen, 
wobei der ganze Verlust an Pferden, Harnischen etc.. den 
die Schwyzer erlitten, von dem dankbaren Bern ver- 
gütet ward. Schwvz verstand es auch, sich mit Zürich, 
Glan», Zug und Hern zu verbinden. Wie es im Streite 
mit Einsiedeln gelernt hatte, dass Beharrlichkeit und fester 
Mut machtig dem Ziele entgegenfahren, so zeigte es sich 
Nor allen Orten stets wachsam und entschieden, so 1352 



SC11VV 451 



zur Bettung von Zürich, Zug und Glarus. Die Schwvzer 
allein zogen genistet und mit dem Panner aus. wenn die 




Kaotun Schwyz : Suwarowbrftrke Im Muotsthal. 

andern Orte trotz ergangener Mahnung noch zögerten. 
Einer Verbindung der Eidgenossen mit mehreru Reichs- 
städten setzte Schwyz sich entgegen. Im Juni 1386 gewan- 
nen die Schwvzer Kinsiedeln und die untere March; im 
selben Jahr halfen sie den Zugern St. Andreas erobern und 
hielten sie sich tapfer bei Scinpach. Sie unterstützten 1388 
die Glarner und 1)02—1408 die Appenzeller. Ihre Macht 
und ihr Ansehen waren so bedeutend, dass Winterthur. 
Rapperswil und andere Angehörige Oesterreichs bei ihnen 
Schutz und sicheres Geleit suchten. Als Gegenleistung 
für ihren Zuzug schenkten die Appenzeller den Schwyzern 
I lOTidie mittlere March. Diese eroberten 1407 die Kiburg und 
Wil, nachdem sie, übereilt, den ziigerischen Landgemein- 
den im Zwiste gegen die Stadl geholfen halten. 1411 be- 
teiligte sich Schwyz an der Schleifung der Burg zu Do- 
inodossola. 141) schlössen die Waldlcutc von Einsiedeln 
mit « ihren lieben Herren » von Schwyz ein Landrecht. 
Diese nahmen immer mehr Charakter und Stellung eines 
Herrschervolkes an und erlangten von Kaiser Sigismund 
(1415) den Hlutbaiin und die Loslösung von den Reichs- 
gerichten. 1424 traten Küssuacht, Immensce, llallikon und 
Rischofswil in ein beständiges Laudrecht mit Schwvz, an 
das gleichzeitig auch von Oeslerreich die Kaslvogtel über 
Einsiedeln überging. Gleich zu Beginn des Kampfes um 
das Frbe des letzten Toggenburgers (1)37) besetzten die 
Schwyzer die obere March. Gastcr und Sargans, von wel- 
chen sie die erstere behielten. Auch die «Höfner» huldigten 
den Schwyzern. wie ferner das Amt Grüningen und die 
Juhannilerkomthurei Wädcnswil zu Schwyz schwuren. 
Nach dem ZU Finsiedcln erfolgten Schiedsspruch des 
Herner Schultheisseii Heinrich von Hubenberg bekamen 
dann die Zürcher ihr verlornes Gebiet, mit Ausnahme 
der Höfe, wieder zurück (1451). Inzwischen (1440) war 
von Schwvz auch Mer lischachen bei Küssnacht erworben 
worden, (n den grossen Kämpfen des Burgunder- und 
Schwabenkrieges, wie in den italienischen Feldzügen griff 
Schwyz oR entscheidend ein. Zur Zeit der Reformation 
und der Religionskriege stand Schwyz auf Seite der 
Katholischen. Als Abt Plazidus Reimann die Landeshoheit 



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SCIIVV 



schw 



«iber seinen (Geburtsort Einsiedeln ansprach, setzten die 
Schwyzer 1637 ehien l.andvogt über den Flecken. He- 




i 



Kanton Sehwy*: DI« bellten Mytoao. 

kannt ist die Haltung von Bc hwjJ im Arther- und 
Toggenburgerkrieg. Die Hinrichtung (1706) des Land- 
vogtes Sudler, der viele Verteidiger weltlichen und geist- 
lichen Sundes hatte, schloss ein bewegtes bürgerliches 
Drama ab. Im Aarauer Frieden von 1712 verzichtete 
Schwyz auf die Mitregierung über die Grafschaft Kaden 
und die untern Freiämter, auf die Oberherrlichkeit über 
die Stadt Rapperswil und deren Höfe, sowie auch auf 
die Halbinsel Hürden. Die ungünstigen Bestimmungen 
des Bündnisse* von 1715 mit Frankreich wurden von den 
« Harten » ausgebeutet, von den «Linden* dagegen be- 
schönigt. Als der Zorn des Volkes au dotierte (17m), ver- 
teidigte die Gemahlin des französischen Generals J. X. Be- 
ding umtonst an offener Landsgemeinde die • Linden ». 
Oer General und nein hriegsvolk wurden bei Verlust des 
l.andrechtes heimgerufen und nach der Bückkehr mit 
Geldstrafen von mehr als 30000 Gulden belegt. Das 
Schreckenssystem der demagogischen <■ Harten • verlor in- 
des bald die Volksgunst Deren Führer wurden suf 
Lebenszeit verbannt und der geachtete General Beding 
wiederholt zum Landaromann gewählt. Diese Bewegungen 
benutzten die Bewohnir Kinstedelns (1764) dazu, um die 
Vormundschaft der Schwyzer und des Klosters abzu- 
schütteln, welchen Aufstand sie indes beim Umschwung 
des schwyzerischen Volkswillens schwer büssen mussten. 
Zsrei HaupUnfuhrer enlllohen, andere wurden zu Schwyz 
gefangen gesetzt und deren drei enthauptet, mehrere mit 
schweren Strafen belegt. Noch 1767 mussten 14 Einsied- 
ler im Namen aller Aufständischen dem FürsUbte und 
den Kapitularen knieend Abbitte leisten. Dagegen zeigte 
sich Schwyz. 1798 so umsichtig, das« es am "27. Januar 
Bern zur Nachgibigkeit gegen das waadtländischc Volk 
ermahnte; immerhin zogen am II. Februar 600 Mann 
unter Alois Beding den Bernern zu Hilfe. Zu gleicher 
Zeit machte sich in den angehangen Landschaften das 
Streben nach Befreiung von der Oberherrschaft und 
nach Gleichberechtigung geltend, welche dann auch am 
18. Februar den Einsiedlern. Höfnern und Küssnachtern 
und am 10. Marz den Märchlern gewährt wurde. Schwyz 
verwarf die • Helvetische Republik », und die Landsge- 
meinde vom IG. April beschloss, die Freiheit des Landes 
zu verteidigen. Dies geschah gegen die Truppen des 
Generals Schauenburg bei Küssnacht. Arth, Morgarlen. 
St. Jost, Schindellegi und am Etzel. Tapfer kämpften die 
Einsiedler und Hofner an der Slernenschanze bei 
Wollerau, worauf sie sich unter grossen Verlusten nach 
Schindellegi tu Beding zurückziehen mussten, der dann 



am 2. Mai seine Leute bei Botenturm sammelte, um von 
den über den Etzel und St. Jost vordringenden Franzosen 
nicht abgeschnitten zu werden. Im Sturm 
wurden die Franzosen bis nach Aegeri 
zurückgeworfen. Am 4. Mai kam ein ehren- 
voller I riede zu stände. Schwyz nahm die 
helvetische Verfassung an und wurde dem 
Kanton Waldstätten angegliedert, während 
die March und Höfe zum Kanton Linlli 
kamen und die Vogteien verloren gingen. 
Weil bei den Kämpfen Nidwaldens auch 
Schwyzer sich beteiligt hatten, besetzten die 
Franzosen den Flecken Schwyz. Da rotteten 
ttj sich die Schwyzerbauern zum • Hirthemden- 
krieg » zusammen und jagten (28. April 1799) 
die Usurpatoren aus dem Land. Diese rück- 
ten nun mit grosser Macht nach Schwyz 
vor, erschossen viele Schwyzer und führten 
186 Mann in die Gefangenschaft nach Aar- 
■»r-lLjB^Ml hurgab. Vom Juni Ins Mitte August 

stützte das Volk die eingedrungenen Oester- 
reicher, bis diese nn die Linth zurück- 
geworfen wurden (15, August). Ueber den 
Kinzigpass kam von Uri her eine russische 
Armee unter Suwarow ins MuoUthal. schlug 
die Franzofen (29. Septemberi in einer 
blutigen Schlacht und zog dann über den 
Pragcl nach Glarus. Die Schwyzer trachteten 
darnach, den helvetischen Verband immer 
J loser zu machen und die kantonale Selb- 
ständigkeit wieder zu erlangen. 1801 wurde 
Alois Beding erster Landammann der 
Schweiz. Die Abstimmung vom 20. Mai 
1F02 über die helvetische Verfassung ergab 5317 Ver- 
I werfende und 150 Annehmende, während sich i bloss 28 
Stimmfähige weder fur noch gegen erklärten. Da reifte 
dei Enls> Muss. die frühern Zustände wieder herbei- 
zuführen. Andere Kantone schlössen sich an. 1600 Mann 
unter Oberst Aufdermauer rückten ins Feld, und die hel- 
vetische Regierung flüchtete sich in die Waadt. I Steck I i - 
krieg vom September 1802i. Die eidgenössische Tag- 
satzung zu Schwyz wandte sich an den französischen 
Konsul Bonaparte! der nun die Mediationsakte schuf, wo- 
durch der Kanton Schwyz wieder hergestellt und ihm 
Gersatt und Beichenburg angeschlossen wurden. Nach 
dein Fall der Mediation fühlten sich diese Orte wieder 
frei, doch wurde die Gleichstellung der alten und neuen 
l-andleute schon 1814 von den ersteren angefochten und 
1828 letztern wieder entzogen. Die von diesem Iteschlnss 
tief verletzten und erbitterten äussern Bezirke (nämlich 
March, Kinsiedeln. Küssnscht und Pfäffikoni trennten 
sich nun 2H. Juni 183h von Schwyz und bildeten einen 
eigenen halbkanton unter dem Namen « Kanton Schwyz 
-»eres Land ». Dessen Verfassung vom 6. Mai 1832 
unterschied sich durch grössere Bestimmtheit vor den 
Verfassungen anderer rein demokratischer Stände und 
l .Ute dann für später einen ganz bedeutenden Kinlluss. 
Ausserschwyz wurde am 25. April 1833 in die Tagsatzuug 
aufgenommen. Als die Schwyzer im Juli 1833 Küssnacht 
besetzten, um diese Trennung mit Waffengewalt rück- 
I singig zu machen, rückten am 4. August eidgenössische 
Truppen in den Kanton ein. Am 17. August besamtnellen 
sich die Ausschüsse sämtlicher Bezirke in Schwyz, nm 
! 1. September wurde ein Grundvertrag von allen Becirksge- 
meinden angenommen und am 13. Oktober die von einem 
\ ■ rfassungsrat der Landsgemeinde zu Bolenturm vorge- 
legte Verfassung beschworen, worauf die Tagsalzung die 
OU iruppt u zurückzog. Die «Aeussern» halten 
die Gleichberechtigung mit den «Innern» erreicht. Doch 
1 drohte 1838 wegen Benutzung der Alltneinden (« Horner • 
und ■ Klauen ■) wieder eineTrennung des Kantons, die je- 
' doch nach stürmischer I.andsgemeinde und blutigen 
I Handeln durch eidgenössische Vermittlung abgewendet 
•Ttfda konnte. In den Freiseharenzugen 1 1K44 und 
18451 und im Sonderbund i1Rl7) sehen wir Schwyz an 
di r Seite l.uzerns. 1848 gab sich der Kanton eine neue 
Vertonung, die 1876 und 1898 revidiert wurde. 

XVII HKHVOnRAGEXDE Mannw. Die Geschichte nennt 
uns als Statttmämur: im 13. Jahrhundert Konrad llunn. 
im 14. Jahrh. die Abiberg. Beding. SUuffacher und 



Cc 



SCHW 

Schorno, im 15. Jahrb. die beiden Iu) Reding. Ulrich 
Wagner und Inderlialden, im 16. Jahrh- Joseph Arnberg, 
im 17. Jahrb. Plazidus Reimann. Bürger und Abt von 
Einsiedeln, sowie Pfalzgraf desdeutschen Reiches (1600 bis 
1670) . zu Ende des 18. und im 19. Jahrh. Alois Reding 
(1760-1818), Joseph Karl Berniter (1762-1841) und Abt 
Heinrich Schmid (1801 -1874). Militär*: Ritter Marlin 
Schorno von Sattel, der sich 1278 auf dem Marchfelde 
bei Wien auszeichnete; konrad Abiberg von Schwyz, der 
1289 vor Besancon kämpfte; Konrad Kupferschmid ( + 1408) 
und Löri l<oppacher yf 140t) von Schwyz als Kämpfer in 
■Jen Appenzellerkriegen ; Inderhalden von Schwyz. bei 
Murten 1 1476) ; Ulrich Kätzi von Schwyz (+1515) bei 
Marignano. Gross ist die Zahl der Sehwyzer, die in fran- 
zosischen, spanischen, neapolitanischen, venetischen, 
o*terreichiscnen , preuBsischen , niederländischen und 
englischen Diensten zu hohem Rang aufstiegen . wir nennen 
u. A. nur Rudolf von Reding, der als Gardehauptmann 
1792 in Paris fiel; Theodor von Reding. der als sp;i uiscln-r 
Gcncralkapiläu 1809 in Tarragona starb; Landeshauptmann 
Alois von Beding, der sich auch 1798 Ihm Schindellcgi und 
Botenlurm auszeichnete; die beiden Generale Na/ar von 
Beding, deren einer in Frankreich (1745] und derenanderer 
in Spanien (1814) diente; Louis Au fdermauer. General 
in niederländischen Diensten; Oberstleutnant Abu* Jut/ 
1 1786-1848) in Spanien, Holland und Neapel. Künstler: 
Medailleur Job. Karl Hedlinger von Schwyz (1691-1771) 
war weltberühmt; Wachsbossierer Josef Anton Kuriger 
von Einsiedeln 11750-1830) arbeitete mit Geschmack und 
reinem Gefrihl ausserordentlich leicht und bossierle auch 
Bonaparte als ersten Konsul nach dem Leben ; Josef Bene- 
dikt Kuriger von Einsiedeln (1754-1819) verfertigte in 
Belief frei modellierte anatomische Abbildungen des 
menschlichen Körpers , welche allgemein bewundert 
wurden, sowie Bildnisse, Blumenstücke und Basreliefs 
aus weissem und farbigem Wachs : Ildefons Kuriger 
(geb. 1782,1. Sohn des eben Genannten und der talentvollste 
dieser Familie, bossierte Bildnisse und Basreliefs zu Paris 
und Wien. Oer letzte Wachsbossierer war Jos. Anton 
Birchler (1814-1903) von Einsiedeln. Aquarellmaler Mein- 
rad Kaiin von Einsiedeiii 1790-1834) ätzte seine schönen 
Landschaften selbst in Kupfer ; Jos. Meinrad Birchler 
(1765-1838) und sein Sohn Nikolaus Birchler (1801-1857), 
Kirchen- und Porträtmaler; in Aquarell, oft auch in 
Tuschmanier malle Michael Pöhn von Schwyz (geb. 1789) 
Schlachten- und Gruppenbilder. Ungemein geübt als topo- 
graphischer Zeichner war Franz Schmid (geb. 1797) in 
Schwyz. Beat Bodenmüller (1795-1836) von Einsiedeln, 
vorzüglicher Bildhauer, dessen Arbeiten (Büsten von 
Hans Georg Nägeli, Orelli. Pestalozzi, Uateri. Zschokke 
elc.) in Abgüssen allgemein verbreitet sind ; Peter Ochsner 
von Einsiedeln (1809-1865), origineller Holzschnitzlcr. In 
Chemie, Medizin und Philosophie wirkte epochemachend 
der 1498 in Einsiedeln (bei der Teufelsbrücke an der 
Sihl) geborne Theophraatus Parazelsus, welcher I.MI zu 
Salzburg starb. Unter den Gelehrten zeichnen sich aus 
die Gcschichtschreilter Pfarrer Th. Fassbind um Sehwv/ 
(1755-1824), Dom. Steinauer von Einsiedeln . -I864i. 
Dom. Ant. Ulrich von Schwvz ( + 1814), Dom. Karl Zay von 
Arth (1754-1816, und Ildefons Fuchs von Einsiedeln 
(1765-1823), ferner der Dichter P. Call Morel (1803 bis 
1872). der Theologe Abt Konrad Tanner (1752- 1825), die 
Physiker P. Meinrad Kälin (1789-1858) und Abt Colum- 
ban Brugger (1855-1905), die Komponisten Joachim Baff 
(geb. 182Tin Lachen). P. Konrad Stöcklin (1813-1899) und 
P.Anselm Schubiger (1815-1888); die Schulmänner A. 
Büttimann (1807-1886), J. B. Marty (1840-1901), J. A. 
Winet (1727-1905 1. Hauplförderer 6er graphischen Künste 
waren die Gebrüder Karl (+ 1841) und Nikolaus i+ 1865) 
Benziger, sowie deren Söhne, namentlich Adelrich Ben- 
ziger ( 1833-1896 1. 

XVIII. IIihlioc.haI'Iiik. Fassbind. Thomas. Geschichte 
des Kanton* Schutz. 5 Bde. Schwyz 1832-1838. - 
Zschokke, Heinrich. Geschichte vom Kampf und Unter- 
gang der schweizer. Berg- uml Waldkantone. Zürich 
und Bern 1801. — Zay, Karl. Goldau und seirw Gegend. 
Zürich 181)7. — Bigert, Caspar. Kurzgefasste Geschichte 
des Freistaates Gersau. 2. Aull. Zug 1817. — Steinegger 
und Herzog. Einsiedler Chronik (16 Ausgaben. Um- 
siedeln 1603-1788); in deutscher, französischer und 



SCHW 453 

italienischer Sprache. — Tschudi, Jos. Einsiedlische 
Chronik oiler Geschichte des Stiftes uml der Wallfahrt 
zu Maria Einsiedeln. Einsiedeln 1823. — Hart man uns. 
Christopherus. Annales Eretni Deiparae Matris Monu- 
slerii in Helvetia Ord. S. Benedicti. Frib. Brisg. 1612. — 
Documenta archivii Einsidiensis ; digesta per D. Placi- 
dum. Einsidlae 1665-1681. -Gotthard, P. Biayberg der 
Himmelsköniginn eingeweiht unter dem Titel Maria zum 
Schnee. Zug 1802. — Keller, Heinr. Beschreibung des 
Riqibergs, zur Erklärung seine* Panorama. Zürich 
1823. — Zay, Karl. Kurze geograph. -Statist. Darstellung 
des Kantons Schwyz (im Hellet. Almanach. 1807). — 
Hegierungs-Elat im löblichen Kanton Schwyz. 1815. 
I83*i. - Schwyter. Wochenblatt. 1823-1830. - lieilwasser 
in Seewen. 1724. 1830. 1832, 1854. - Büsch. Gabr. 
Humorist. -malerische. Blicke auf Nuolen. Bern 1832. — 
Organtuhe Geselle lies Hohen eidg. Standes Schwyz. 
| Schwvz IfvtY — liegner, Ulr. Berg-, Land- und Seereise. 
Zürich 1818. — Meyer v. Knonau, Gerold. Der Kanton 
Schwyz. (Gemälde der Schweiz. V). St. Gallen und Bern 
1835. — Bericht und Gutachten der Negierung betr. 
Eigentums-, Verwaltungs- und Nulzniessungsrechte der 
sog. .^zerteilten Güter in Einsiedeln. Alldorf 1829. — 
Klauser. Casj>ar. Beiträge zur Würdigung der Streit- 
sache zwischen deni Gotteshaus un d der Watdstatt Ein- 
siedeln. Zürich 1829. — Morel, Gall. Hie Ortsnamen des 
Kantons Schutz. Einsiedeln 1865. - Steinauer, Dom. 
Geschichte des Freistaates Schwyz vom I ntergang der 
mrtigen Eidgetumentehaft bis iXGO. Einsiedeln 1*U. - 
Dettling, M. Chronik des Kantons Schwyz. Schwyz 

1865. - Geschichtsfreund der V Orte. Einsiedeln und 
Stans 1842-1904. - Mitteilungen des histor. Vereines 
des Kantons Schwyz. 13 Hefte (1877-1904). — Eberle, A. 
Neferat über Stellung und Beruf der Urkantone zur In- 
dustrie. Schwyz 1858. — Durrer. Bob. Industriegeschicht- 
liche Mitteilungen betr. den Kanton Schwyz (im Volks- 
wirtschaftlichen Lexikon der Schweiz'*. — Bhyner, Jos. 
Volkttüml. Pflansennamen der Waldstätten. Schwyz 

1866. — Ringbolz. Odilo. Abt Johannes und derschwy- 
zerisch-einsiedelnschc Marchenstreit PJ0X-i3'il . Ein- 
siedeln 1888. - Ringholz, Odilo. Wallfahrtsgeschichte 
von Einsiedeln. Freiburg i. B. 1896. — Bingholz, Odilo. 
Geschichte des fürsll. Stiftes Einsietletn; mit besonderer 
Berücksichtigung der Kulturgeschichte. Einsicdeln 1903. 

— Ringholz, Odilo. Geschichte der Pferdezucht im Sti/le 
Einsiedeln (im Landwirtschaf tl. Jahrbuch, der Schweiz). 
Bern 1902. — Aufdermauer. Wasserpolizei und U'aW- 
schutt im alten Lande Schwyi. Einsiedeln 1888. — Kälin, 
J. B. Zur Geschichte des schwyzei'ischen Steuerwesens. 
Einsiedeln 1883. — Ochsner, M. Zivilgerichtliche Ent- 
scheide des schwyzer. Kantonsgerichtes. Einsietleln 1893. 

— Styger, M. Denkwürdigkeiten von iWX. Schwyz 1898. 

— Ochsner, M. Die Volks- und Lateinschule Einsiedelus 
bisiurHclvetik. Schwyz 1897. - Dettling, A. Geschichte 
lies Volksschulwescns im Kanton Schwyz itWJ-IHllü. 
Einsiedcln 1899. — Sidler. Bemerkung™ zum Schul- 
„•i-m'ii mi Kanton Schwyz. Eimtiedelu 1893. kaiin. 
Meinrad. Die obligatorischen Lehrerkonferenzen. Um- 
siedeln 1899. - Martv, M.. und M. Waser. Schwyz und 
seine Umgebung, Einsiedeln 1891. Festspiel der 
Bundesfeier in Schwyz. Schwyz 1891. - Programme 
der drei Lehranstalten : Stift Einsiedein, Kollegium und 
Seminar Schwvz etc. - Gesetzessammlung des Kantons 
Schwyz. Schwyz 1892. - Das Gemeindewesen im Kantoti 
Schwyz- Schwyz 1902. - Verhandlungen des Ver- 
fassungsmtes von 1fCJ6 und 1807. SchwVz 1898. - Der 
Schrittenwechsel in den staatsrechtl. Rekursen gegen 
die Verfassung des Kantons Schwyz 1MX. Schwyz 1899. 

— 56 Jahresberichte von Regierungsrat und Kantousge- 
richt des Kantons Schwvz. Weitere Angaln-n s. bei den 
Art. Einsiedel!!, Höfe, March etc. iMemrad Kälj.n.] 

SCHWYZ. Bl/.ih* des Kantons Schwyz. 497 km* 
Fläche und 24962 Ew. (wovon 832 Beformierte und 9 
Israeliten), also 50 Ew. auf 1 km 1 . 5232 Haushaltungen in 
3156 Häusern. Der Bezirk liegt im s. Kantonsteil und heisst 
das •< alt gefryte Land • ; er umfasst folgende 15 politische 
und auch kirchliche Gemeinden : Schwyz, Arth, Ingen- 
bohl. Muotathal, Steinen, Sattel, Botenlurm, Ober Iberg. 
Unter Iberg, Lauerz (l.owerz). Steinerberg. Morschacli. 
Alpthal. Illgau und Biemenstalden. Es gehören dem Be- 



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454 



SCHW 



SCIIVV 



zirke an die Thaler der Muota und der Steiner Aa. von 
Artli und Riemenstalden. sowie die oliern Teile des Biber-, 
Alp-, Sihl- und hlnnthales. Seine Nachbarn sind: im N. 
der Kanton Zug und die Bezirke Einsiedeln und March, 
im 0. der Kanton Glarus. im S. der Kanton Tri und im 
W. der Bezirk Genau, das Amt Luzern und der Bezirk 
Küssnacht. Die tiefste Gegend <!«•-. Bezirkes liegt <im Zuger- 
see (417 im, der höchste Punkt ist der Grieset ;2H04 mi 
in den Bisilhaleralp en an der Glarnergrenze. Infolge der 
grossen Unterschiede in der Höhenlage ist auch die 
Fruchtbarkeit sehr verschieden. Wahrend sich Arth, Lo- 
we rz, Steinen, Schwyz und Ingenhohl der schönsten (»«l • 

Sfirten erfreuen und solche auch noch die Gehänge von 
lorschach, Steinerberp und Sattel zieren, haben Riemen- 
slalden, Muotalhal. Ulgau, Alpthal und Ober lbcrg ganz 
Alpencharakter, indes Botenlurm und Unter lbcrg sich 
ins Hochmoorgebiet Kinsiedelns erstrecken, das nordi- 
schen Charakter hat. 



Nur der w. Teil des Bezirkes geniesst die Vorteile de« 
Bahnverkehres: Gotthardbahn. Arth Bigi Bahn und Süd- 
ostbahn, sowie die elektrischen Bahnen Seewen-Schwyz 
und Brunnen-Morschach. In den übrigen Gegenden er- 
freut sich das Slrassennelz eines stetigen Ausbaues. Wich- 
tige Hafenplätze sind Brunnen und Arth. 

Der Bezirk Schwyz regierte bis I7!*t als Souverän über 
alle dem Kanton angeschlossenen übrigen Landesteile. 
Bis l-.'ii!« umfasste er nur das Thal von Schwyz und das 
Muotathal, von da an auch das Steiner und von 1310 an 
ferner das Arther Viertel, sowie endlich nach Austrag de» 
Marrhenstreites mit Einsiedcln UII-IMtO) noch die Ge- 
genden von Botenturm, Alpthal und Iber):. 

Weil die Entstehung der freien Markgenossenschaft 
Schwyz zur Wiege der Schweiz wurde, treten wir hier 
näher auf ihre Entwicklung ein. Wie bei allen germani- 
schen Siedlungen hatte auch jeder Ansiedler im « alten 
Lande» Schwyz (das seinen Namen von Suito. dem ersten 




I.agc|>lan von Schwyz. 



■ 



Die Bewohner des Bezirkes beschäftigen sich mit Land- 
und Obsthau, Viehzucht, Milch- und Alpwirtschaft. Die 
Viehstatislik ergibt folgende Ziffern : 

18W» ISX 1901 

Rindvieh 147* 13M4 I9M4 

Prerde 410 V>7 DGB 

Schweine SHM 8709 

Schafe 4830 4435 S6M 

Ziegen 5839 1070 3777 

Bienenstöcke 1249 V.W 1913. 

Bezüglich Industrie steht der Fremdenverkehr obenan. 
Weitberühmte Kurorte sind Bigi Kulm. Bigi Staffel. Bigi 
First, Bigi Scheidegg und Bigi Klösterli, Brunnen, Mor- 
schach mit Axenstein und Aienfels. Stooss und Seewen, 
im Aufschwung begriffen sind Muotathal. Ober und Unter 
Ibers, Goldau, Steinen. Bickenbach, Schwvz etc. Als wei- 
tere Industrieorte nennen wir die Baumwolfenfahrik Ibach, 
die Seidenfabrik Arth, die Petrolmagaziue Goldau, die 
Hammerschmieden von Steinen, die Zementfabrik Brun- 
nen etc. Daneben bestehen noch verschiedene Ziegeleien, 
Sägen, mechanische Schreinereien und Daugeschäfle. An 
der Muota steht ein bedeutendes Elektrizitätswerk in Be- 
trieb. Der Handel mit Produkten der Viehzucht und des 
Obstbaues, namentlich in Kirschwasser, ist bedeutend. 
Handwerk und Gewerbe sind lebenskräftig und in Schwyz, 
Arth und Brunnen auch organisiert. 



oder angesehensten Ansiedler herleitet) sein eigenesHaus 
und seinen eigenen Hof. Alles übrige Land aber blieb in 
Gemeinschaft aller Ansiedler und bildete demnach die 
gemeine Mark oder Landesailmende, welche heule in die 
Ober und Unter Allmeind getrennt ist. In den kaiser- 
lichen Entscheidungen tili* und 1144' über den berühm- 
ten Marehenslreit zwischen Einsiedein und Schwyz waren 
die Leute des alten Landes als « freie Manner \on Schwvz • 
bezeichnet und ihr Gemeinwesen als freie Markgenossen- 
schaft anerkannt worden. Die*e bestand nur aus den voll- 
freien Bauern mit freiem Eigen und wurde von der Ver- 
sammlung der Vollfreien iLandsgemeindel mildem Land- 
ammann an der Spitze verwaltet Die Hörigen der we- 
nigen geistlichen und weltlichen Grundherren im l.:m<le 
erhielten zwar auch einen, jedoch nur geringen Anteil an 
dem Allmeindnutzen, wofür sie an die l.andsgemeinde 
eine Abgabe entrichten DWMten. Diese Berechtigung be- 
ruhte jedoch nicht auf Allmeindgcmeinschaft mit den 
vollfreien Landleuten, denen die Allmeinde ausschliess- 
lich freies Eigentum war, das zu keinem Teil weder 
den Grundherrschaften noch ihren Hörigen gehören 
konnte. (Vergl. Feiher. Theod. hu- Allmentlin (Os allr» 
l.anilfn Schwyz in der Ft'*lschrift der tirtigrapfi.-t'thuii- 
(iraph. Ge*i'Ünrhaft in Zürich. Zürich 1901). Mit der 
freien Markgenossenschaft hatte sich in Schwyz auch der 
Sinn für volle persönliche Freiheit erhalten, welche dann 



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SCHW 



455 



m der Folge lur politischen Freiheit geführt hat iSchol- 
lenberger). Schwvz zog später in »ein Streben auch Uri 
und Unterwaiden mit hinein und hob so auch deren Sinn 
für personliche Freiheit. Insofern l.isst sich sagen, da*» 
die schweizerische Freiheil von Schwyz ausgegangen ist 

ohne Schwvz gäbe es keine schweizerische Eidgenossen- 
schaft » (Oechsh). Das * alte Ijind ». nach dem die Schweiz 
ganz folgerichtig ihren Namen tragt, verdiente daher, in 
der Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft in 
der Weise an erster Stelle erwähnt zu werden, wie ihm 
der Geschichtschreiber von Maurer die Ehre gibt, und 
auch in der offiziellen Reihenfolge vor allen andern 
Kantonen genannt zu werden. 

Es ist hier denn auch der richtige Ort. der Verfassung 
des « altgefryten Landes» zu gedenken. Schon vor 1240. 
dem Jahr der schwyzeriBchen Mcichsunmitlelbarkeil. trat 
das Volk in der Regel in Hinter Ibach, der Grenze der 
drei ältesten l.andesviertel Schwvz, Niederwasser und 
Muolathal. zur Landgemeinde zusammen und wählte sich 
Beamte. Die höchste Gewalt stand bei der Landsgemeinde. 
Wohl wurden von ihr schon frühe '25 Fundamental-Ge- 
let/e beschlossen und dann wiederholt erneuert, doch 
bestand eine vollständige, artikulierte Staatsverfassung 
noch für lange Zeil nicht. Alle freien Landleute im Alter 
von uber lri Jahren wohnten der Landsgemeinde bei. Zu 
Region derselben wurde knieend gebetet, worauf man den 
Landeseid beschwor um) hierauf die Wahlen vornahm. 
Gewählt wurden jeweilen : der Laudammann. der Statt- 
halter und die sog. « Häupter » ( nämlieh Pannerherr. 
l-andeehauptmann . Fähnrich, Oberstwachtmeisler und 
'.eugherr). später auch Landcgtc m die .. gemeinen Herr- 
schaften ». sowie endlich die Tagsatzung-esandten. Rie 
Landgemeinde entschied über Krieg, Frieden. Bünd- 
nisse, l-ati leigcict/e. Her Landammann übte das Amt des 
Präsidenten und war in der Regel erster Gesandter an 
die Tagsatzung. Der die Angelegenheiten des Landen be- 
sorgende Landrat bestand aus dem regierenden Landam- 
mann. den gewesenen Landammännern, dem Statthalter 
und dem Landeshauptmann, den Siebnem und 9 Rats- 
herren. Iter zweifache Landrat wurde 14 Tage nach der 
Landsgemeintie gehalten /.nr Beurteilung von Friedbrü- 
chen und Freveln Rer dreifache Landrat besammelte sich 
vor und nach der Tagsil/ung. um die Gesandten zu in- 
struieren und ihre Berichterstattung anzuhören. Zu den 
Sitzungen des zwei-. ewMituelJ auch des dreifachen Land- 
rates berief jedes Batsmilglied kraft des Landeseides einen 
Ida zwei ehrbare • Atoe'.w. Manner nach »einein Relieben. 
Nohen dem Land rat bestanden noch drei Landgerichte. 
IJas Neunergericht, in welches au» einem und demselben 
'^schlechte nur ein einziges Mitglied gewählt wenlen 
konnte, war ohne Appellaitun. Ras Siebnergericht be- 
sammelte sich monatlich vom September bis in den Mai. 
Ins Gasseugcricht konnte der Landweibel als Vorsitzender 
7 verständige Landleute nach Guthnden berufen. Ein 
Kriegsrat war auch zugleich geheimer Rat. Der 1fi. Punkt 
des Futidainenial-eset/es sa^t » Ra« Siebner-, Neuner- 
und Maleliz^erieht. als die gröbsten Kleinodien des Landes, 
sollen mit Leih, Gut und Rlut geschirmt werden. * Wie 
sorgsam die Souveranet.it der Landsgemeinde gewahrt 
wurde, zeiut der _>l. Funkt: .... welcher darwider 
ralhete und darwider wäre, das» die Landgemeinde nicht 
der gross te Gewalthaber und der Landesfnrsl sei und nicht 
setzen und ent.>f>t/en möge ohne Konililion. der solle dem 
Vogel im l.ull erlaubt ,- d. h. vogelfrei -•, und 100 Ru- 
katen auf seinen Kopf geschlagen sein. • Zur Ramtnung 
der Knegslusl wurde im 'l'l Punkt bestimmt . Welcher 
inskünftig mehr einen Ratschlag zu einem Krieg thate. 
und einen Krieg ralhete, es sei dann an einer öffentlichen 
l«andsgemeinde. ein solcher als ein meineidiger traktiert 
und dem Vogel im Luit erlaubt sein soll. •■ 

Rer Rezirk Schwvz. d. h. also das « alte Land r, wurde 
in der helveti>chen Periode dem Kanton Waldstatten als 
Distrikt Schwvz zugeteilt. Ronaparte's Mediation»- Ver- 
fassung von lÄfjQ gab dann den Bürgern der vereinigten 
l-andschaflen. sowie auch den Rei- und Hintersassen 
dieselben Rechte wie sie diejenigen des alten Landes be- 
sassen. Die Verfassung von 1833, weiche den getrennten 
Teil « Kanton Schwvz äusseres Land » wieder mit dem 
" allen Lande •> vereinigte, ordnete die Bezirksbehorden 
nach Rat und Gericht unjfrfähr in der heute noch be- 



stehenden Form. Vergl. auch den Art. Scuwvz (Kaston» 

|Mcinr*d K.cun). 
SCHWYZ Gemeinde und Flecken i. ."»17 m. Hauptort 
des Kantons und Bezirkes gleichen Namens. 
mMimjmwm 47 - 02' nordl. Breite und 8° 39' ostl. Länge 
i I nW von ( J'* eenw ' cn - ^'' r Flecken liegt am S\V.- 
1 111111 Ii I r ' U!! * der Mythen und in dem gegen den Vier- 
I ' ' II Iii waldstältersce sich öffnenden Thalkessel. 
' Iii] I I der ein prachtvolles Panorama nach Goldau 
I ^WlMl^ einerseits und Brckenried andrerseits, auf 
Rossberg, Rigi. Seelisherg und Frohnalp. 
sowie ins Gletschergebiet des Urirotstockes bietet. Rie 
j beiden Mythen, das Wahrzeichen des Landes, über- 
ragen den Hauptort um 1300- M0Ü m und schützen 
ihn vor dem rauhen Nordwind (Bisei. Verwitterung und 
I Wasser, speziell der Odenbach, haben im Laufe der 
Zeilen am Fuss der Berges einen gewalligen Schullkegel 
aufgehäuft, auf und au dein sich dann Schwvz in ge- 
schütztester Lage entwickelte. Wundersam prächtig zeigt 
I sich Schwvz vom Anensleinpark oder von Seelisherg aus 
1 in der Abend*onnenbeleuchtung als schönstes Juwel des 
Landes, inmitten eines Waldes edler Obstbäume und um- 
j säumt vom beglühten Rergkranze. 

I Rie Gemeinde Schwjz mit 51.17 km- Flächeninhalt und 
7398 Ew. umfasst ausser dem Hauplort die Dorfer Seewen 
an der dem l.owerzersee entlliessenden Seewern (Station 
Schwyz-Secwen der Gotthardbahn), das industriereiche 
Ibach an der Muola und Rickenbach mit dem kantonalen 
Lehrerseminar, sowie die Weiler Kaltbach mit der kan- 
tonalen ZwancaarbeiUanslalt am Siechenbach, Ried mit 
Kapelle und Schule am Fetenbach, Auf Iberg mit Kirche 
und Schule am S.-Hang des Giebel und Ober Schonen- 
buch am linken Ufer der Muota. Am Fusse des Iajo 
stehen Obdorf mit Klösleili. St. Joseph, St. Agatha und 
die Einsiedelei Tschütschi. Was die Umgegend des Flek- 
kens so eigenartig ziert, ist der Kranz scnlossähnlicher 
Patrizierhäuser im Herrenfeld. Feldli, Sedleren, Garten- 
laube , Rrüel , Waldegg . Immenfeld . Grund , an der 
Schmid-, Bahnhof- und Herrenstrasse. 

Die ältesten Anfänge der Ortschaft entstanden nach 
acht alemannischer Art inmitten der genannten Hofe, 
deren Kern die Pfarrkirche ist. Zum Unterschied vom 
Lande Schwvz wurde diese Ansiedelung « ze Kilchgaasen <> 
genannt. Riese Gasse, die jetzt Herrengasse heisst, zieht 
sich von SO. nach NW. Nach W. zieht die Bahnhof- 
strasse, nach S. wendet sich die Schmidgasse und nach O. 
laufen aus die Schützensirasse und die * Freie Reichs- 
slrasse»; nach N. zweigt die Kollegiumsstrasse ab, welche 
von der Schulgasse und der • neuen Dorfbachstrasse • ge- 
kreuzt wird. Ras Zentrum des Verkehrs und öfTentlichen 
Lebens ist der Haiiptplatz. der sich, w-eil er etwas an- 
steigt und viereckig ist, für Volkaschauspieie, militärische 
! Inspektionen, Landsgemeinden etc. gut eignet. Er ist 
begrenzt von der Pfarrkirche, dem Rathaus und statt - 
' liehen Gasthöfen und Privathäusern. Die jetzige Pfarr- 
\ kirche zu St. Martin. 1774 vollendet, ist eine der schönsten 
Kirchen der Schweiz und besitzt auf starken Pfeilern 
ruhende ionische und korinthische Kapitale. Ihre sieben 
AlUire bestehen aus schon rotem, weissgeädertem Mar- 
mor. Sie enthält Gemälde von Paul von Reschwanden. 
An den ehemaligen Friedhof um die Kirche herum 
erinnert nur noch eine marmorne Gedenktafel mit der 
Inschrift: Moixius Hetlimj a Hihrrrrjti l'.ome». Cujus 
1 Somrn Simmut Laim. Sat.ü.Mart. I"ih>. Morl. .'. Febr. 
1KIH. Rie ergrimmten Dauern, in weisse II irtenhetnden 
gekleidet, verjagten 1799 die auf diesem Friedhof ver- 
schanzten Franzosen iHirtheindlikricg!. Zunächst ob der 
Kirche steht die hochverehrte Kapelle « Reilig Kreuz •• 
und oberliHlh dieser das Beinhaus, « Kerchel » (Kerker, 
carrrr) genannt. Dessen unterer Teil stellt eine all- 
romanische Krypta oder Gruftkirche dar, in welcher die 
Schwvzer in unterirdischem Raum ihren Gottesdienst ge- 
| feiert haben aollen, als sie laut päpstlichem Interdikt 
1 von 1246 " auf» Sehwyzerboden keinen solchen feiern 
I durften. Der obere, dem h. Michael geweihte Teil ist 1518 
! erbaut worden. Oer Pfarrkirche gegenüber, also an der 
l S. -Seile des llauptplatzes. steht das Rathaus von 1592. 
' dessen mächtige Aussenmauern dem furchtbaren Rorf- 
j hrand von 1Ö42 stand gehalten haben. Aufs Bundesfest 
i von 1891 wurde das Rathaus einer stilgerechten Reno- 



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scnw 



vation von innen und aussen unterzogen. Das Intereaann- 
loste sind die beiden Dalssalo mit reichverziertem Docken- 




Scbvryi von N.>r4o»t«n 

und Tafel werk, sowie die Porträlgallcrie von 60 Land- 
amrnännerii. d. h. von Dietrich Inderhalden il543) an bin 
auf die Gegenwart Die Autscn-etlcn der Pfeiler' tragen 
reichen Bilderschmuck von Ferdinand Wagner, nämlich 
die Gemälde: der Hat der StautTacherin. die Schlacht am 
Morgarten, die Ueberrcichung des ersten Freiheitsbriefes 
1340, der erste Bund der drei Länder P24M u. a. m. Zu- 
nächst dein Hnthnuse ist in einem alten 3 stockigen Turm 
mit sehr starken Mauern das Landesarchiv untergebracht, 
das sämtliche Urkunden und Schriften, alten Panner und 
Fahnen, Freiheit«- und Hundeshriefe des alten Landes 
enthält. An der Hrrmngaaer stehen ausser einer statt- 
lichen Doppelreihe Privat- und Gasthäuser auch der ehe- 
malige Spital, nunmehr Gemeindehaus (mit Katszimmer 
Zivilstandsamt. Gemeindearchiv und -Sparkasse), das Ka- 
puzinerkloster von 1030 (mit guten Bildern von Salteri) 
und «las grosse Schulhaus von 1880. An der fast parallel 
zur Herrengasse laufenden Bahnhofstrasse (mit Strassen- 
bahni bell ndet sich die «llufmatt», ein öffentlicher Platz, 
ferner das neue Poslgebaude, die Kautoualhank, das 
Zeughaus von 1713. der Plärrhof ond i Pfnindhauser. 
das Theater und eine grosse Zahl hübscher Villen. Sie 
mündet auf die Gotthardhahnslation Schwyz (zu Seewen) 
aus. An der Schmidgasse bemerken wir das 1620 erhaute 
Heding'sche Stammhaus und die Kapelle zur • Schmerz- 
haften Mutier» (eine Stiftung der Büeler . weiterhin das 
neue Armenhaus. Im Bruel an der Sehut/cnslraxso 
stehen das « grosse Haus» der Inderhalden, ehedem Sitz 
der Jesuiten und papstlichen Nuntiatur, und das Frauen- 
kloster • St. Peter auf dem Bach », ein in eigentümlichem 
Stile gehaltenes geräumiges Gebäude mit neu restaurierter 
Kirche, das schon 1*272 von Schwestern des h. Dominikus 
bezogen wurde, aber 1499, in der Heformation und 
wieder zur Zeit der französischen Invasion schwere Zeiten 
durchmachte. An der • Freien Hcichsstrasso » erhebt sich 
das alte Armenhaus • Bethlehem*, ein ehrwürdiger 
Zeuge des Dorflirandcs von 164*2. An ihrer Fortsetzung 
ubers Sonnenplalzli, also an der MuoLalhalerstrasse, 
liegen im Bifaug der neue Friedhof, dessen Kapelle die 
sohwyzcrischen Geschlechts wappen zieren, ferner das 
neue Krankenhaus, die Familienkapelle der Abiberg im 
Grund (1578), sowie die Schiessslätte und der einstige 
Bichtplatz i Kahlenberg!) », wo u. a. Landvngt Stadler 
verblutete. An der Neuen Dorfbachstrasse i früher Itels- 
gasse genannt i stehen das Ital Beding'sche Haus von 1(33*2, 
die lleltling'schen Ilauser, ehemals mit werlvoller Samm- 
lung von Medaillen. Münzen, Gemälden und Kupfer- 



stichen aus der Zeit des grostlen Stempelschneiders im 
18. Jahrhundert. Johann Karl Hedlinger. der eine Kin- 
ladung an den russischen Hof ausschlug, 
um Karl XII. von Schwaden treu zu 
bleiben, und 1771 als ein Greis von 80 
Jahren hier starb. (Dieser Schatz ist 
kürzlich vom Landesmuseum in Zürich 
angekauft worden und bildet eine von 
dessen bemerkenswertesten Abteilun- 
gen |. In der Nähe befindet sich die St. 
Karls Kapelle und weiterhin die 
• Gartenlaube •. deren Grundstein der h. 
Karl üorromäus persönlich eingesegnet 
hat. Die Kollegiumsslrasse fuhrt zu 
dem 1844 bezogenen Jesuitenkloster, 
das infolge der Flucht seiner Insassen 
von 1847 bis IHM leer stand, worauf 
es von P Theodosius Florentini als 
Lehranstalt eingerichtet, später unter 
das Protektorat der schweizerischen 
Bischöfe gestellt, bedeutend vergröe- 
sert und als • Kollegium Maria Hilf» 
mit zirka 400 Schulern die grössle 
katholische Lehranstalt der Schweiz 
wurde, die eine schöne Kirche, ein 
Theater, schattige Spielplätze und eine 
Turnhalle in sich scliliesat. 

Kigenarlig überwältigend stimmt da» 
Angelus- Läuten, sei es beim Zunachten 
oder am frühen Sommermorgen. Wenn 
die Hauptglucken zum Gebete mahnen, 
stimmen nach und nach von allen 
umliegenden Kirchen und Kapellen, 
d. h. von 18 Orten her die Glocken in den Klang ein. 
Es ist dies ein Unikum im weiten Schweizerlande. 
gleich wie auch die Sitte, dass hier jedes verdienstvolle 
Geschlecht seine eigene Familienkapelle hat. 

Wenn auch Schwyz sich heute stadlisch präsentiert, so 
wird der Flecken von seinen In- und Anwohnern doch nur 
das • Dorf» genannt. Der Ort war eben nie ein mit Mauern 
befestigter Platz ; solche wurden von den Schwyzern nur 
an den L-indesgrenzen. wo Berg und See nicht natürliche 
Festungen bildeten, erstellt, wie z. B. bei Brunnen, Arth, 
Schorneo und Altmatt. Auf seinem Eigen waltete der 
Schwyzer frei, wie auch seine Nachkommen, « die als 
• Herren ■ aus fremden Kriegsdiensten heimkehrend sich 
gar stattliche, adeligen Schlössern ebenbürtige Hofe er- 
bauten. Allein diese grössern und kleinern Häusergrup- 
pen behielten bei alledem stet* einen dorfähnlichen Cha- 
rakter, sofern als man heute noch sofort vom Zentrum 
iles Fleckens bald wieder im Ginnen ist. Gerade diese 
Bauart macht Schwyz zu einem idealen Sommeraufeut- 
halt. umsomehr als die Matten und Baumgärten, welche 




MatktplaU in Scbvyi gegen die bauten Mvthsn. 

in die Ortschaft hineinragen, nirgends durch Mauern ge- 
schlossen sind und darum jedermann das Erquickliche 
der Lage voll und ganz gemessen kann. • Schon Goethe 



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ist dieser Umstand auf seiner Schweizerreisc 1797 an- 
genehm aufgefallen. Ueber das Klima vergl. den Art. 
Schwyz (Kanton). 
Der Boden, der von 451 m (Seewernmündung) bis 




Raihau« in Schw\z. 

1903 m (Grosser Mythen) ansteigt, zeichnet sich grössten- 
teils durch vorzügliche Fruchtbarkeit aus. Auf den Höhen 
vom Engelstock (1175 m) im NW. bis zur Hcssisbohler- 
k.ipelle (1713 m) am Spirstock im SO. ziehen sich viele 
herrliche Alpen hin. An Mythen, Giebel. Rothenfluh und 
Schyen stehen ausgedehnte Tannenwälder. Die liefern 
Gehänge tragen gutgrundige Bergheimwesen mit reichem 
Obstwuchs, namentlich Kirschen (Kirschwasser- Destil- 
lationen). Im Thale linden sich in gutgepflegteu ßaum- 
und Gemüsegärten feinere Sorten von Obst und Gemüse. 
Dagegen wird wenig Getreide gebaut. In der Umgebung 
des Fleckens ist die Viehzucht von hoher Bedeutung. In 
liraunvieh und Pferden erfreut sich der Schwvzerschlag 
eines guten Rufes. Vorteilhaft bekannt ist auch der vor- 
zügliche Schwyzerkäse. 

Uevölkerungtverhältnisse. Die Gemeinde Schwyz hatte 
laut Statistik im Jahr 1743: 4640, 1833: 4878, 1888 : 6616 
und 1900: 7398 Ew., die sich folgendermas^en verteilten : 

llfluser Hauner K». 
1833 

Schwyz (Flecken) 

Auf Iberg, Berg, I.auenen und Obdoi 
Bickenbach 
Ober Schönenbuch 
Ibach 

Seewen und Urrttl 
Bied, ilaggen. Kaltbach. Engiberg 

Total 

Von den 7398 Gemeiudebewohnern von 19Ü0 waren 3843 
Gemeindebürger, 1996 Bürger anderer Gemeinden des 
Kantons. 1072 Schweizerbürger anderer Kantone und 4K7 
Ausländer. 7268 waren Katholiken und 129 Protestanten. 
Nach der Muttersprache waren 7072 deutsch, 62 fran- 
zösisch. 216 italienisch, 13 rätoromanisch und 5 Andere. 
Die ganze Gemeinde bildet eine einzige Pfarrei ; sie wird 
besorgt von einem Pfarrer, zwei Pfarrhelfern, einem Ka- 
techet und zwei Kaplanen, von welch letzteren der eine zu 
Seewen und der andere in Auf Iherg wohnt. Auch die 
Kapuziner helfen in der Pastoration aus. 
_ Dank der vorzüglichen Lage des Fleckens sind die hy- 
gienischen Verhältnisse seit langen Jahren ausserordent- 
lich gute. Dagegen litt Schwyz schwer durch den • Beu- 
lentod • (Pest) von 1611 und 1628. Von Frühjahr bis Herbst 
lull. d. h. also in 6 Monaten, starben in der Pfarrei 
Schwyz, zu welcher damals auch Ingenbohl. Lowerz und 
Alpthal gehörten, 230U Personen, darunter sämtliche 
Aerzte und fast alle Geistliche. Die kleinen Ortschaften in 
der Umgebung des Fleckens waren fast ganz entvölkert. 



1X33 


1900 




260 


320 


3401 


" 58 


62 


317 


62 


79 


:m 


28 


27 


194 


103 


171 


1480 


53 


86 


713 


86 


109 


701 


650 


85t 


7398. 



dieser selbst still und öde geworden. Laut einer Grab- 
schrift wurden in einem einzigen Grabe 99 Frauensper- 
sonen beerdigt. Dann und wann wirkten auch nochTyphus. 
Masern und Grippe verheerend. Dank der Bachverbau- 
ungen sind Muota, Tobel- und Uetenbarh schon lange nicht 
mehr ausgebrochen. Die Seewern überschwemmte IH0H 
infolge des Sturzes von einem Teil des Rosaberges in den 
Lowerzersee das Land. Ihre Flutwelle riss in Seewen 
Häuser und Scheunen fort. Von Alters her ist Schwyz 
mit guten Brunnen und neuesten« auch mit einer Wasser- 
versorgung versehen. Die Bäder von Seewen (s. diesen 
Art.) geniessen in weiter Runde einen wohlverdienten 
guten Ruf, während in und um Schwyz, namentlich zu 
Rickenbach, vielbesuchteLuftkuranstalten vorhanden sind. 
Bezüglich Feuergefahr ist der Föhn sehr zu befürchten : 
sobald dieser stürmische Geselle im Anzüge ist, treten 
ausserordentliche Reglemente in Kraft, die dem Fremden 
höchlichst auffallen. Zu Ostern 1642 trug der Föhn die 
Flammen von einem Wachskerzchen aus auf 47 Gebäude, 
worunter Kirche und Rathaus, die er alle einäscherte. 
Heute verfugt die Ortschaft uber gute Löschinittel uml 
eine wohlgcübte Feuerwehr. 

Industrie und Handel, a Schwyz, in prachtvoller land- 
schaftlicher Umgebung, ist ein wahres Paradies und 
kann Naturfreunden nicht warm genug empfohlen wer- 
den. Denn in seiner herrlichen Umgebung linden sich 
schöne natürliche Spaziergänge und Standpunkte nacli 
allen Seiten hin. Sie bilden einen wahren Garten, und 
mit der Lieblichkeit und Anmut paart sich die Erhaben- 
heit der Gebirgsnatur. So liegt der Flecken Schwyz in 
der Mitte eines Bergpanoramas, das zum Schönsten ge- 
hört, was man in der Schweiz sehen kann. » Indem Ber- 
lepsch, G. von Escher, Meyer-Ahrens u. A. derart oder 
in ähnlicher Weise über Schwyz urteilen, erscheint es 
leicht begreiflich, dass die ruhigen, komfortabel!) Hotels 
und heimeligen Kurhäuser in und um den Flecken, na- 
mentlich auch zu Seewen und Bickenbach, mehr und 
mehr von Fremden aufgesucht werden, zumal das Elek- 
trizitätswerk an der Muota allen Bedürfnissen in der 
ganzen Gemeinde entspricht. Schwyz ist denn auch ein 
recht behaglicher Aufenthalt. Hier stören keine indu- 
striellen Getriebe die vornehme Ruhe. Die gewerbsame 
Bevölkerung arbeitet selbstbewusst und nicht in nerven- 
tötender Hast. Die grosse Baumwollenfabrik zu Ibach an 
der Muota beschäftigt an die hundert Arbeiter. In See- 
wen befinden sich eidgenössische Militärzeughäuser 
und an der Muota eidg. Munitionsdepots. Das Handwerk 
ist in allen seinen Zweigen vertreten : man verarbeitet 
Holz, Eisen. Leder, Ton etc. und stellt Lebensmittel und 
Kunstprodukte her. 4 Buchdruckereien und eine litho- 




Pfarrsirebe za St. Marlin in Schwyz. 

graphische Anstalt. Der Forderung von Handel, Gewerbe 
una Verkehr dienen mehrere Geldinstitute, so die Kan- 
lonalbank, die Bank in Schwyz, die Gemeindesparkasse 
Schwyz. das Bankhaus der Gebrüder Schuler etc. Es 
werden jährlich acht Jahr- und Viehmarkte, sowie eine 



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SCHW 



SCIIW 



Viehausstellung veranstaltet, zu welchen «ich Käufer nicht 
nur aus den Nachbarkantonen. sondern auch vom Aus- 




llerrcogaso« ia Sotiwyn. 

lande her zahlreich einfinden. Infolge dea stets wach- 
senden Postverkehra wurden die bis ItKUi an verschie- 
denen Orten zerstreuten Post-, Telegraphen- und Tele- 
phonbureaux in dem neuen schonen Poslgehäuile an der 
flahnhofstrasse untergebracht. Durch diese Strasse führt 
in den Vorort Seewen und zurGotlhardbahnstalion Schwyz 
hinaus die 2 km lange elektrische Slrassenbahn. die 1896 
mit 201 542 Fr. Kosten erbaut wurde und im Jahr 1902 
bei 24747 Fr. Einnahmen und 19203 Fr. Ausgaben einen 
Einnahmenüherschuss von 5511 Fr. erzielte. Im Projekt 
ist eine weitere Straesenbahn zwischen Schwyz und Hrun- 
nen. Von Schwyz fuhrt nach Muotalhal eine täglich 3 
kursige. nach Brunnen eine täglich 4kursige Post. Durch 
den Bau der Südostbahnlinie Goldau-Biherbnickf |18SM| 
ist der bedeutende Poslverkehr auf der Schlags! rasse nach 
lünsiedeln eingegangen. 

Geittiife» Leben. Die Gemeinde zahlt 23 Primarschul- 
I. lassen, wovon 13 sich im Hauptortc belinden. Dazu 
kommen eine gutgeleilete gewerbliche Fort- 
bildungsschule und eine Hekrutenvorschule. 
eine HaiiHwirtschaflschule, sowie eine Sekun- 
därschule für Töchter. Das kantonale Lehrer- 
-eminar zu Rickenbach unfasst vier Jahres- 
kurse und wird von ti Professoren geleitet. 
Im Kollegium ■ Maria Hilf » besten! eine 
Abteilung für Gvmnasial- und eine andere für 
Industriefächer, welche beide zur Maturil.it 
hinreichen: es zahlt 32 Professoren. Im Kan- 
lonalbankgehäude befindet sich eine Samm- 
lung alter Waffen und alter gewerblicher 
Kunstwerke. Ausser den bedeutenden Itihlio- 
Ihcken der eben erwähnten Schulanstalten 
sind /u nennen die Borromäische Bibliothek, 
die Bibliothek der l.esegesellsehaft, die Re- 
ding'sche Hüchersaminlung an der Schmid- 
gasse etc. Schwyz verfügt auch ober ein 
gutgeschultes Orchester, zwei Blechmusiken 
i je eine im Flecken und in Seewen), eine 
llarmonieinusik , einen Zäzilienverein im 
Kollegium . einen Tochterchor und einen 
M.mnerclior. \ls Tagest, latter erscheinen die .SWmi/- 
•ei-zeitung und der Hole iler l'rschweii. Grossen Hilf 
haben die von Nationalrat A. F.berle (j 1883? ins Leben 



gerufenen Volksschauspiele, wie z. B. 1860: Der hon- 
gress und die Moden: 1863: Die Schweiz in Japan; I86Ö: 
Zürcher und Urner Fastnachtsfahrt nach Schwyz im Jahre 
i486 ; 1869: Schweizerbilder aus Heimat und Fremde: 
1874 : Historisch-romantische Bilder aus alter und neuer 
Zeit: 1883: Bunte Bilder aus Ober- und l'nterwelt. Die 
Leistungsfähigkeit der Schwvzer auf diesem Gebiete zeigte 
sich in besonders hervorragender Weise bei Anlass der 
grossartigen Bundesfeier \on 1891. des eidg. Schützen- 
festes von 1867 und des Kantonalschützenfestes von 

wo;» 

Verwaltung. An Hand des regierungsrätlichen Kom- 
mtinalunlersuches von 1901 machen wir über diesen Punkt 
die folgenden Angaben. Der Bericht über das Rechnungs- 
wesen sagt, da»« die Werttitel sämtlicher Fondationen 
wohlgeordnet in einem feuersichern Archiv aufbewahrt 
sind. Es werden jährlich durchschnittlich 2' ' s 0 / m Steuern 
vom gemeinsamen und vom privaten Vermögen der Stimm- 
fähigen bezogen. Im Jahr 1900 verzeigt die Gesamtrech- 
nung an Einnahmen 187944 Fr. und an Ausgaben I8533<> 
Fr. Das reine Vermögen betrug 1 3*4422 Fr. und halte sich 
im Verlaufe «ler zehn wirhergeheiulcn Jahre um 219654 Fr. 
vermehrt. Es betrugen ferner das Kirchen- und Pfrund- 
vrrmiigen 323X17, ilasjenige der kirchlichen Stiftungen 
I0O.M4. das Armenvermögen 585188 und das Schul- 
vermugen 397 154 Fr. Das Strassenwesen weist ausser den 
vom Kanton und Bezirk besorgten Strassen noch 12 km 
Gemeindestrassen auf. Die Vormuridschafisvcrwaltung 
zeigt Ende i\H.»t ein Vermögen von 1 869 831 Fr. Die 
Armenpflege verausgabte 1900: 36779 Fr. und nahm 
35 9.Yi Fr. ein, während das Schulwesen an Einnahmen 
28285 und an Ausgaben 98567 Fr. aufwies. Unbeweg- 
liches Gemeindeeigentum sind: die Pfarrkirche, die Ka- 
pellen zu Seewen, Ibach, Auf Iberg. Ried und Hessisbohl. 
n Pfrundhäuser, die Schulhäuser zu Schwyz, Ibach und 
Seewen, das Spitalgebäude, das neue Armenhaus, das 
Waisenhaus, das « Klosterli» mit Liegenschaft, dasTschül- 
schi mit Haus und Umgelande. die Armenhausmatte, das 
Scharfrichterheimwesen und der Kirchenwald. Die Ge- 
nossame Schwyz besteht aus Vollbürgern und leitet wie 
die übrigen Gemeinden des .1 alten Landes » ihren Besitz 
vom Markgenossenschaftgut — hier Oberallmeind ge- 
nannt — her. Diese Oberallmeind hat an Alpen, Wäldern 
etc. einen Wert von über 19 Millionen Kranken. Zu 
Schwyz haben auch die Verwaltungen der kantonalen und 
eiilg. Militarzeughäuser ihren Sitz. Das Rathaus wird 
benutzt von der Oberallmeind. sowie den Bezirks- und 
Kantonsbehörden in Amt und Gericht. 

(ienieiniiutzige Anstalten . Ausser den eben genannten 
staatlichen Einrichtungen besteht ein werktätiger Frauen- 
und Töchterverein, der das seit .'Iii Jahren in Betrieb 
stehende neue Krankenhaus und eine Kleinkinderschule 
ins Leben rief und ausserdem jährlich eine grosse Zahl 
armer Kinder kleidet: ferner existieren ein Samariler- 
und mehrere Krankenvereine. Die acht verschiedenen 




Kollegium Marli Hill' in Sehwyx. 

Bruderschaften religiösen Charakters besitzen bedeutende 
Kapitalien. Die Schiessvereine haben beim « Grund » im 
sogenannten * Viertel • eine schöne Sehiess«tätt>. Die 



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SCIIW 



SCHY 



Feuerwehr ist gut organisiert und der Turnverein im 
Aufschwung begriffen. 

Geschichtliche Veberticht. Wenn auch die Gtichtchte 
des >• allgefrvten Landes ♦. die wir in den Artikeln Kan- 
lon und Bezirk Schwyz bereits behandelt haben, in der 
Hauptsache diejenige der Gemeinde und Ortschaft Schwyz 
ist, so hat diese letztere doch auch wieder ihre besondere 
veschichtliche Entwicklung aufzuweisen. Nachdem sich 
Suilo's und seiner freien alemannischen Genossen Nach- 
kommen vermehrt und in Keldzügen nach Italien (so 
398 und 829) ausgezeichnet hatten, dehnten sie ihre Be- 
sitzungen immer mehr aus, sodass es schon 1114 zwischen 
ihnen und Einsiedeln zum Marchenstreit kam, durch den 
sie recht auffällig in die Weltgeschichte traten. 1150 
kamen sie ob ihrer Henitenz in die kirchliche Acht und 
in den Iteichsbann, welche beiden Erlasse aber schon 
1152 aufgehoben wurden. 1155 zogen 200 wohlgerüstete 
Schwyzer mit Friedrich Barbarossa zur Kaiserkronung 
nach Horn. 123*2 halfen sie mit 600 Mann dem Abt von 
St. Gallen sechs Feslungen des Grafen Diethelm von 
Toggenburg erobern. 1258 rückten die Schwyzer in die 
March und führten mehrere Adelige gefangen mit sich 
nach Schwyz. 1260 vervollkommneten und ergänzten sie 
ihre Letzinen und Landwehren. 1272 schenkte Bitter 
Hartmann zum Bach den Dominikanerschwestern sein 
Schlosschen, das heute noch den Grundstein des Frauen- 
klosters St. Peter am Bach bildet. 1273 sandten die 
Schwvzer auf ergangene Einladung hin eine Abordnung 
zur Kaiserkronung ihres Freundes und Sehirmhaupt- 
rnannes Budolf von Habsburg nach Frankfurt und Aachen. 
1289 zeichneten sie sich bei Besancon aus, wo ihr Land- 
ammann Konrad Ab lberg und andere Führer zu Bittern 
geschlagen wurden. Am 1. Januar 1308 zerstörten die 
Schwyzer die österreichische Burg Schwanau im Lo- 
werzersee und I3I0 nahmen sie den österreichischen 
Hof Arth weg — die erste Gebietserweiterung in der 
Schweiiergeschichle. 1348 wurde der hartnäckige Mar- 
chenstreit mit Tri und 1350 der 250jährige Streit mit 
Einsiedeln beigelegt. 1349 starb der dritte Teil der Be- 
wohner des Fleckens an der Pest. In den folgenden 
grossen Kriegen sehen wir die Schwyzer immer dabei. 
Im Schwaben Krieg, wo sie auf Frieden drängten, verlor 
das « alte Land * 29 und zu Marignano (1515) 174 Streiter, 
worunter den 75jährigen Landammann Ulrich Kätzi. Zu 
Schwyz wurde gefangen gesetzt und ungewöhnlich hart 
gemartert der Obristwachtmeister des Thurgaues, Kilian 
Kesselring, den man erst nach 70 Wochen gegen hohes 
Lösegeld freigab. 1585 wurden die Kapuziner herbei- 
gerufen. 1611 herrschte die Pest, i Beulentod » genannt. 
1642 brannten im Flecken 47 Firsten, darunter Kirche 
und Bathaus, nieder. 1705 trat das erste srhwyzerische 
Gymnasium ins Leben. 1708 wurde Landvogt Stadler, ein 
beliebter Mann des Volkes, ungesetzlich hingerichtet. 
1752 ein neues Spilal i jetzt Genieindehaus) und 1709-1774 
die jetzige Pfarrkirche erbaut. 1762 und 1764 über- 
schwemmte die Muota den Landsgemeindeplalz und Fel- 
derboden zu Ibach und bildete mrhrere Wochen einen 
See. Zum erstenmale seit seiner Gründung sah Schwyz 
im September I798 den Feind — die Franzosen — in 
seinen Mauern. Am 28. April 1799 rotteten sich die Bauern 
von Schwyz -zusammen und verlrieben die Franzosen aus 
dem Flecken i Hirthemdenkriegi. liei diesem Anlass wäre 
Alois Beding, der berühmte Militär, Biplomat und Volks- 
mann, fast ein Opfer der Volkswut geworden, weil er 
sich nicht an die Spitze des unüberlegten Aufwandes 
stellen wollte. Bald rückten die Franzosen mit grosser 
Macht wieder in Schw\z ein, wo sie nun furchtbare Bache 
nahmen : viele an jenem Ueberfall unbeteiligte Manner 
wurden erschossen und 186 Schwvzer gefangen nach Aar- 
burg geführt. Ein Waldbrand am Muhen August IKin) 
rötete 3 Tage und Nächte den Himmel, was sogar vom 
Schwarzwald aus beobachtet werden konnte. 1815 wurde 
das 3tagige Säkularfest der Schlacht am Morgarten mit 
Operette. Schauspiel und Feslzug gefeiert, wobei z. B. 
Marschall Beding in voller spanischer Uniform sich zeigte. 
Im Juli 1833 zo«en die Schwyzer aus und besetzten das 
selbständig gewordene Küssiiacht, was sie mit einer eid- 
genössischen Truppenbesetzung bÜBsen mussten. 1836 
kamen die Jesuiten nach Schwyz, wo sie zuerst im Loo 
und dann im Bruelhof wohnten, um 1844 das neue Klosler 



zu beziehen, aus dem sie im November 1847 nach dem 
SonderbundBkrieg sich llüchtelen. 1860-1883 hatte Schwvz 
anlässlich seiner durch die so«. «Japanesen * veranstal- 
teten Volksschauspielc von allen Seilen her zahlreichen 
Besuch, desgleichen 1891 anlässlich der sechshundert- 
jährigen Bundesfeier, die unter der Regie von Kaplan 
J.B. Marty stand. Schwyz war auch des oftern Sitz der 

I Tagsatzung und Versammlungsort eidgenossischer Vereine 

1 und Gesellschaften. »•■II 
Hervorragende Männer. Hunno (1240i. Diplomat; Wer- 
ner Stauffacher, Abt von Engelberg i1241); Landammann 
Ab lberg i1289i; Ital Bedingtgest. 1445); Landammann 
Wagner (1437); Landschreiher Fründ if 14G9i ; Schul- 

j meister und Geschichtschreiber Hupp (1460); Landam- 
mann Kälzi ff 1515); Augustin Reding (1626-1693i. Ge- 
lehrter: Jakob Dietrich Wilhelmi Beding (1634-1701), 
Geschichtschreiber; Landschreiber D. A. Ulrich if 1811 >. 

I Pfarrer Thomas I .issbind > 1755-1824). Geschichtschreiber ; 
J. C. lleillingcr 1691-1771 1. berühmter Stempelschneider 
und Medailleur. Zu nennen wären an dieser Stelle auch 

j noch zahlreiche hervorragende Männer aus vornehmen 
Schwyzergeschlechtern, die sich in fremden Diensten und 
an fremden Hofen Achtung und Reichtum erworben. Es 
sei nur an die Beding erinnert, die 1521 bloss noch einen 
einzigen Stammhalter hatten, während hundert Jahre 
später schon wieder 27 Offiziere dieser Familie in den 
Laufgräben von La Röchelte standen. Während und nach 
der franzosischen Revolution bedeckten sich die 4 Bruder 
Hildulf. Theodor. Alois und Nazar Reding mit grossem 
Ruhm. Im 19. Jahrhundert stossen wir wieder auf ein 
Itrüderquartett, und zwar diesmal der Familie Marly: 
Karl Alois. Rischof und Apostel der Sioux-lndianer ; Jo- 
hann Uaptist. Seminardirektor. Geschichtschreiber. Gnr- 
dekaplan und Geheimkämmerer des Papstes; Anton. Dr. 
nhii. und Rektor der Universität Prag ; Martin, ITarr 
helfer. Schulinspektor und SchriRsteller zu Schwsz. 

Betr. die ttihluxp aphie verweisen wir auf die Zusam- 
menstellung am Schlüsse des Artikels Sr.iiwvz (Kaxton). 

i Meinrad K.n in] 
schwyzeralp i Kt. und Rez. Schwyz;. Lokalbe- 
nennung der Leute von Uraunwald im Kanton Glarus für 
denjenigen Teil der Karrenalp, der wcstl. ihrer Kantons- 
grenze auf Gebiet des Kantons Scnwyz liegt. S. den Art. 
Karrenam>. 

SCHYBEGUTSCH i Kt. I n. Amt Knllebuch i. 

Gipfel. S. den Art. SchirkuCtsch. 

8CHYEN (HOHE) i Kt. Uri>. 2847 m. Zentraler 
Gipfel des von den Hütten der Düssialp zum Klein Düssi 
|3I33 m) aufsteigenden Grates, über den dieser selbst 
und weiterhin der Düssistock erstiegen wird. '2' t Stun- 
den über den Hütten der Düssialp. Sehr schöne Aussicht. 

8CHYN rätoromanisch Muus i Kl Graubünden. Bez. 
Heinzenberg und AI bula). 888-696 m. Der Schyn oder Schyn- 
pass verbindet als spaltenartiges. von der Albula durch 
rausehtes Schluchtenthal Tiefcnkastel mit Sils-Thusis im 
Domleschg und durch seine Strassedie Julier-, Albula- und 
l^andwasserroute i Bavos > mit der Splügen-. ßernhardin- 
und Oberalproute. BiszumSlrassenbau von 1869 bildete das 
einzige Verkehrsmittel zwischen dem Domleschg und dem 
Albuinthal ein auf der N. -Seile hoch am rechten Abhang 
der Albulaschlucht über Obervaz führender Weg. Die 
Verbindung zwischen Alvasehein und Obervaz mit den 
Dörfern der linken Thalseite iSolis. Stürvis. Mutten; ver- 
mittelte bis 18»« eine gedeckte hölzerne Drücke in der 
Schlucht von Solis. Der alle Schynweg. ein blosser 
Saumpfad, wand sich von Obervaz her mühsam durch 
Wald und die Schluchten und Klüfte des Schieferg - 
Steins. Beslauriert und mit Markierung versehen, leitet 
er heute von Obervaz her unter Felswänden hoch über 
der Albula zu dem Punkte hin. wo sich die Wege nach 
Sils im Domleschg und Scharans trennen. Nach dem 
I rleil von Kennern gehurt diese Boute zu den gross- 
artigslen in Graubünden. Der Schynpass wurde ich OD mil 
dem Ausbau der Via Mala |1473i benutzt und 1496 als ein 
in die Felsen gehauener, durch einen Ungeheuern Schlund 
führender gefährlicher Weg geschildert. Die Sehynstrasse 
zweigt bei Thusis von der Splugenstrasse ab, überschreitet 
den llinterrhein und tritt hinter Sils in die Schluchten 
der Albula ein. um bei Tiefenkastel sich mil der Julier- 
strasse zu vereinigen. Sie ist 14.5 km lang, führt durcli 



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SCHY 



SCHV 



Schynstrasse angelegt ist und wie diese in der vordem 
Partie einen prachtvollen Ueberblick über die sanften und 
romantischen Schönheiten des Domleachg und Heinzen- 
bergs bietet, während weiter hinten die Grosse und 
ernste Pracht der Alpennatur waltet. Die schönsten Aus- 
blicke von der Bahn sind Sil», die Gegend der malerischen 
Burgruine Campi, die Mutlnertobelbrücke, Solis, Solis- 
Viadukt (164 m lang und 85 m über dem Spiegel der 
Albula i. die Partien vor und unterhalb Alvaschein iStür- 
viserbachi, sowie unter und hinter Müstail mit »einer 
Kirche, hie wichtigsten Tunnels und Viadukte der Bahn 
bis Tiefenkastel sind : Campell und Campi, Hunplanas. 
Cugnieler, Versasca ((104.5 m langer Tunnel I, Pllanzen- 
garten 1 und 2, Passmal. Multnertobelbrücke, Solis 
(Tunnel von i<86 m), Solis-Viadukl. Alvaschein, Nisellas. 
Salons und Müstail (Tunnel und Bogenbrücke). Auf den 
Höhen zu beiden Seiten der Schynschlucht liegen zahl- 
reiche Höfe. Weiler und Dörfer, so auf der N. -Seite (bei 
Sils-Scharans angefangen | : Parnegl, Brün, Muldain-Lain- 
/•orlen. Nivaigl (Obervaz 1214 mi. Alvaschein ilUI5m); 
auf der S. -Seite Campi, Hunplanas. Pas» mal. Mutten 
1 1473 und 1874 m. Solis 1 1138 m>, Unter Solis. Stürvis 
1 1378 mi. Burgen sind: KhrenfeU, Schlots Baldenstein 
i restauriert und bewohnt i und Campi | Campell | bei Sils. 
sowie die Beste des Stammschlosses der Freiherren \on 
Vaz bei Nivaigl. 

Der Schyn ist in graue bis dunkle Kalk- und Kalkton - 
schiefer, Kalksandsteine und Tonschiefer des oligozänen 
Flvsch eingeschnitten. Die dickbankigen, kalkig-sandigen 
Schichten von braunröllicher Verwitterungsfarbe ober- 
halb Sils und vor Alvaschein geben sehr gute Bausteine ; 
sie wechseln vorn und hinten in der Schluchtenserie mit 
Kalkton- und reinen Tonschiefern ab. Die Tonschiefer 
von Obervaz, auf der Lenzerheide und bei Alvaschein 
enthalten Abdrücke von Fukoiden {Clurtulrite$ inlricatus 
mit der Varietät Fmchrri, (,7t Tanjioni mit der Varietät 
arbutcula, I'alarodictyuvi textum) und verschiedene 
Helminlhoiden. Namentlich die sandigen Kalkschiefer 
fuhren massenhaft kleine Kinsprenghnge von Pyrit- 
kristallen, von deren Auswitterung die rostige Farbe ihrer 
Oberflächen sich herleitel. In der Nähe der Solisbrucke 
tritt im Schiefer ein Riff von hellem Butidolomit der 
Trias mit etwas Gips auf: Gips findet sich weiter in der 
Schlucht von Müstail im Tobel Val Mala und bei Tiefen- 
kastel vor. Die Flora des Schyngebietes ist reich und 
mannigfaltig. Unter den Blutenpflanzen gibt es verschie- 
dene Seltenheiten oder interessante Standortsverhilt- 
nisie, und die Moosflora der Gegend ist. berühmt. Bei 
Tiefelkastel kommt noch der Edelhirsch vor, der sich in 




Karte der Scbv nMfalucbt. 



arbeiten und Verlegungen zur Folge hatte. 19(13 wurde [ derjneuesten Zeit stärker auszubreiten scheint, indem 
die Albulabahn (Thusis-Ober Engadin) eröffnet, die auf ein solcher z. B. 1903 bei Passmal im Schyn erlegt worden 
der Sirecke Thusis-Tiefrnkaslel bedeutend liefer als die ! ist. 



mehrere Schluchten und Galerien und bietet malerische 
und grossarlige Landschaflsbilder, so namentlich zu [ 




Solnl.rQoie dar Scbynatrai««. 



ihrem Beginn im \V. (Bückblick auf das Domleschgtund ' 
den Heinzenberg], bei der Burgruine Campi, vor Passmal I 
■ Tunnels i. im Muttnerlobel, bei Unter Solis «Tunnelaus- 
gang vor der Solisbrucke mit Blick auf Piz Michel, 
l.enzerhorn , Obervaz mit seinen verschiedenen Dorf- I 
gruppen und Hufen i und bei der 7fi,."> m hoch über dem 
Spiegel der Albula sich spannenden Solisbrücke. Dann 
führt die Strasse, in Windungen ansteigend, nach Alva- 
schein hinauf und nachher abwärts bis Tiefenkastel. In 
der ersten Hälfte ist die Schynstrasse in vielfach un- 
sicherm, rutschigem Terrain angelegt, was viele Nach- ' 



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sei 



-401 



8CHYN (Kt. Uri). 2820 m. Südöstl. Vorgipfel der 
das Voralpthal von der Göscheneralp trennenden Kleinen 
Sustenhörner. Kann von der Voralphülte her in 3 oder 
von der Göscheneralp aus in 2',' a Stunden bestiegen 
werden. 

SCHYNIQE oder SCH EINIGE PLATTE iKt.Rerri, 
Amtsbe*. Interlakeni. 2070 m. So heisst einer der drei 
Gipfelpunkte am WSW. -Ende der Kaulhorngruppe. Liegt 
unmittelbar so. über Interlaken. mit welchem Fretnden- 
zenlrum er durch eine 10.6 km lange elektrische Zahn- 
radbahn verbunden ist. Diese zweigt auf der Station 
Wilderswil - Gsteig von der Linie Interlaken - Lauter- 
brunnen-Grindelwald ab, überschreitet die Lütschine und 
steigt nach Breitlauenen i7.9 km| hinauf, um die End- 
Station Schnitt Platte in 1970 m Höhe zu erreichen. 
Hier steht ein Hotel, dessen Terasse bereits eine pracht- 
volle Aussicht auf die Bergriesen des Hemer Oberlandes 
bietet. Noch umfassender ist die Aussicht von dem in 
wenigen Minuten zu erreichenden Gipfel selbst oder auch 
von der benachbarten Daube (2004 im aus. Zwei [von 




Schwiige Plan« und Gummibora. 

Gsteig und Gsteigwiler ausgehende Fusswege führen in 
zahlreichen Windungen zu den Terrassen von Rreitlauenen 
und Schonegg hinauf, worauf sie sich an der Weissefluh 
am Fuss des Gipfels der Daube zu einem Weg vereinigen, 
der nun nahezu ebenen Fusseszur Schynigen Platte hin- 
über leitet. Von hier aus führt ein ebenfalls nur massig 
ansteigender Weg über den Kamm des Laucherhorns und 
durch das Sägiatnal auf das Faulhorn und zur Grossen 
Scheidegg. Als berühmter Aussichtspunkt wird die 
Schynige Platte von zahlreichen Fremden besucht. Sie 
best'eht aus oberm Jurakalk, der auf Oxford liegt. Beim 
Anstieg von Gsteig her quert man eine sehr verwickelte 
Aufeinanderfolge von oberm Jura itlochgebirgskalki und 
Neokom (Berriasschichten). Wie die ganze Faulhorn- 
gruppe ist auch die Schynige Platte aus einer Heihe von 
aufeinandergepressten und nach NO. überhebenden Falten 
aufgebaut. 

SCHYN8TOCK i Kt. Uri). 2122 m. Kiner der zahl- 
reichen Gipfelpunkte in dem das Meienthal vom Gorneren- 
thal trennenden Kamm, zwischen Glattenstock und Leid- 
stock. Kann von Wassen her in 5 oder vom Hörtli aus 
in 3 Stunden erstiegen werden. Interessante Aussicht. 

Sei AGA (MONTI) (Kt.Tessin, Hez. Locarno, Gem. 
Indemini). 1150 m. Maiensäss mit Hültengruppe. im Val 
Vedasca nahe der Landesgrenze gegen Italien und 6 Stun- 
den aw. der Station Magadino der Gotthardbahn (Linie 
Bellinzona-Luino*. Wird im Frühjahr und Herbst bezogen. 
Herstellung von Ruiter und Käse. 

Sc I ASS A , SCIO88A , SZIA88A oder auch 
8AS8A (BECCA DI) (Kt. Wallis. Rez. Kntremonti. 
3480 (auf der italienischen Karte 3477) m. Cipfel im 
Grenzkamni gegen Italien, nber dem Otemmnulelsclier 



und zwischen den Pässen von Ouille nnd i Hemma. Zum 
erstenmal 1897 bestiegen. Kann von Chanrion aus in 6-7 
oder von Bionnaz in der italienischen Valpelline her in 
6V« Stunden erreicht werden und heisst auch Ouille 
(oder Oulc) Cecca. Vergl. über ;das ganze Gebiet die 
Arbeit In Valpetlina; emtirsioni e »tuai von E. Canzio, 
F. Mondini und N. Vtgna (Turin 1899), die für die No- 
menklatur und Besteigungsgeschichte der Gebirge um 
die Valpelline von grosser Bedeutung ist 

8CIOIER (FIL. DA) (Kt. Gratibünden. Rez. Albuin i. 
2840 m. Nordöstl. Grat und Vorgipfel des Tinjenhorns 
(3179 m) in der Gruppe der Rergünerstöcke (Albulaalnen ', 
800 m vom llauptgipfel entfernt. Im O. liegt, als Teil der 
trockenen und scnutterfüllten Gebirgsnische des obersten 
Val "Spadlatscha , das kleine Felsplatcau Rot Rodond 
i25IO mi, im NO., unterhalb des Ursprunges des genann- 
ten Thaies, die Aelahütle (2201 mi des S. A. C. und im 
NW. die steile und enge Felsschuttmulde Gravaratschas, 
die den direkten N. -Ausläufer des Tinzenhorns, den 
2821 m hohen Piz Cuolmet, vom Fil da Scidier trennt. 

In gleicher Richtung wie der wilde, nach O. 
besonders stark zerklüftete Grat dieses letztern 
lindet sich der zum Val Spadlatscha abfallende 
Vorkopf Scidier (2599 m Seit der Krbauung 
der Aelahütte wird der mit steilen und glatten 
Grashalden bedeckte Grat des Fil da Scidier 
zur Gewinnung der tiefsten Kinsenkung zwi- 
schen ihm und dem Tinxenhorn und zur Er- 
steigung dieser kühnsten Gipfelform der Rer- 
günerstöcke benutzt. Gesteine sind Obere 
Rauhwacke (Raibierschichten), Hauptdnlomit 
und. in der Höhe, Kössenerschichten ( Rät | und 
I. iaakalk. 

SCIENQIO (VAU) Kt. Tessin. Hez. Ri- 
vierai. 1930 bis 1235 m. Linksseitiges Neben- 
thal zum Val Pontironc nö. Biasca. Die gleich- 
namige Alp liegt am NW. -Fuss des Torrento 
Basso (2504 mi, Torrento Alto (2806 m) und 
Torrone d'Orza (2948 mt, am O.-Fuss des 
Passes Fnrcarella di Lago (2265 m) über BiaBca 
und am S.-Fuss des Pizzo Mottone (2401 m . 
Sie umfasst zusammen mit den Hütten von 
Fontaio und der Alpe Buglione den obern Ab- 
schnitt des Val Sciengio. 

SCIENQIO SOPRA und SCIENGIO 
8 OTTO (ALPE Ol) K: Tessin, Bez. Riviera, 
Gem. Biasca). 2040 und 1290 m. Schöne Alp- 
weide im obern Val Pontironc, am \'\\ .- 
Hang des Pizzo di Termine und 5 Stunden 3. über 
Biasca. Wird mit 100 Stück Rindvieh und 260 Ziegen 
bezogen. Herstellung von Butter und Käse. 

SCIERNE, 8CIERNE8, SCHIERNE etc. Vergl. 
die Etymologie beim Art. Ceiwei'X. 

8CIERNES Kt Freiburg, Bez. Greierx, Gem. Albeuve). 
906 m. Dorf in gesunder Lage, 3 km aw. Albeuve und 
1,2 km nw. der Station Montbovon der elektrischen 
Montreux-Oberlandbahn i Montreux-Zweisimmen) und der 
elektrischen Linie Palexieux- Bulle -Montbovon. Halte- 
stelle der erstem. Telephon. 23 Häuser. 104 kathnl. Ew. 
franzos. Zunge. KirchgemeindeAlbeuve. Wiesen-und Obst- 
bau, Viehzucht. Strohflechterei. Eine 1649 gestiftete und 
1821 restaurierte Kapelle, die dem h. Antonius von Padua 
und der h. Barbara geweiht ist. Luft- und Molkcnkurort. 
Ein Teil des Dorfes trägt den Namen La Cr£taz. 

sciernes-picats (Kt. Waadt. Bez. Pays d Kn- 
haut). Thälchen. S. den Art. Siernbs-Picats. 

8CIGNO (Kt.Tessin. Bez. Locarno, Gem. Intragnai. 
840 m. Maiensäss mit Hütten, am letzten Ausläufer der 
Kette zwischen dem Centovalli und dem Val Onsernone ; 
13 km w. Locarno. In etwa einem Dutzend der Hütten 
wird im Mai, September und Oktober Vieh gehalten. 
Schöne Kastanienhaine. Herstellung von Butter und 
Käse. 

SCI Ml ANA i Kt. Tessin, Bez. Locarno. Gem. Gerra- 
Gambarogno). 223 m. Südl. Abschnitt des Dorfes Gerra- 
Gambarogno, am linken I'fcr des Langensees ; 900 m no. 
der Station Hanzo-Gerra der Gotthardbahn (Linie Rellin- 
zona-Luino) und 2 km nö. der Dampfschiffstation Ranzo. 
Postahlage. 39 Häuser. 123 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Gerra-Gambarogno. Acker- und Weinbau. Viehzucht. 



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■m sei 

Ein grosser Teil der Männer wandert als Flachmaler 
und Kaminkehrer periodisch nach Frankreich i Purin« am. 
Reiche Ptlanzeuwelt und schone Aussicht auf den See. 

SCIOLTI (PA88O) i.Kt. Te*sin. Bez. Valle Maggiai. 
Passübergang. S. den Art. II.m.hiiiorknpass. 

SCIORA (PIZZI DI) Kt. Craubünden, Bez. Maloja . 
3235 m. Mehrzackiger Granitgipfel in der Albigna-Dis- 
graziagruppc de» Bcrninamassivcs, zwischen Val Bondasca 
und dem Gletscherlhal Albigna. 1.8 km n. der an der 
Lundesercnze gegen Italien stehenden Oma della Bon- 
dasca i328H m) und auf dem nach X. zum Pi/zo Caccia- 
tx lla sich fortsetzenden Kamm. Im S\V. liegt der Bon- 
dastcagletscher und im X\V. die Alpe di Sciora i2<Nj8 ml 
im grossartig- wilden Bondascathal mit der etwa» südlicher 
gelegenen neuen Sciorahülle des S. A. C. von der aus 
etwa 50 verschiedene Touren in die umliegende Bergwcll 
ausgeführt werden können. Nordl. unter den PizzidiSeiora 
gehl der aussichtsreiche Cacciabellapass i2S78 m) durch, 
der das bei Mundo zur Maira ausmündende Üondascalhal 
mit dem Albignalhal verbindet, Zur Rechten der wilden 
Feisenkelte zieht «ich der Alhigna- und auf der W. -Seite 
der Bondaecagletscher hinab. Die einzelnen Gipfel der 
Pizzi di Sciora sind alle von A. von Rvdzewsky und dem 
Fuhrer Christian Klucker bestiegen worden, welche die 
stidl. Spitze Cima di Sciora 3310 m), die mittlere Ago di 
Sciora .MM m) und die nördl. I'unla Pioda di Sciora 
3283 m. nennen. Die Cima di S< iora wurde bis heule 
stets nur von der Bondascaseite aus erreicht und zwar 
von der Alpe di Sciora her uber den Bondascagletsrher 
und den Sw.-Ilang |4 Stunden) oder den S.-Grat (etwa 
.*> Stunden). Die (».-Front des Gipfels zeigt steile und 
schrolTe Felshange. die zum Firn des Albignagletsehers 
abstürzen. Der Ago di Sciora wird am besten vom Alhigna- 
gleUcher aus bestiegen und weist einen sehr schwierigen 
Gipfellurtu auf (von der Alphütte unter dem Alhigna- 
gletscher 6 Stunden, von \icosoprano aus 3 Stunden 
mehr). Die Punta Pioda di Sciora endlich, der nordlichste 
Gipfel, der die auf der Siegfriedkarte mit 3235 m kotierte 
Spitze noch überragt, wird ebenfalls am besten von der 
Albignaseile her erreicht (4','* , von Vicosoprano her 
7 Stunden). Sowohl der nord!. als der mittlere Gipfel 
können auch von der Bondascaseitc her erstiegen werden, 
indem man das lange und sehr steile Scioracouloir, bezw. 
die W. -Flanke des Ago di Sciora benutzt; aber diese Auf- 
stiege sind sehr mühsam, zeitraubend und nicht ohne 
Gefahr {gell. Mitteilungen von Chrn Klucker in Fex-Sils 
Maria an Dr. Tarnuzzer.. Von Promontogno im Bergeil 
zur Sciurahütte der Subsektion Bregaglia des S. A. C. kann 
man etwa ,°l Stunden Marsch rechnen. Die Scioragipfel be- 
stehen wie ihr ganzes Felsgestell aus Berninagranit und 
bieten geologisch nicht viel Interessantes. Auf der Alp 
Sciora tauchen unter diesem Gestein Gneis, Hornblende- 
schiefer und Hornblendegneis auf. 

SOOR AHÜTTE < Kt. (iraubünden, Bez Maloja i. 
2MW in. Klubhülte des S. A. C. von der Subsektion Ber- 
gell .Sektion Berninal im Jahr 1905 erstellt. 3 Stunden 
uber Promontogno aur der im Bondascathal gelegenen 
Alpe di Sciora. Bietet Baum lür 1ü Personen und dient 
als Ausgangspunkt für eine grosse Reihe von Touren, so 
u. a. auf die Pizzi di Sciora .'s. diesen Art. i. 

8CIP8CIU8 oder 8CIMPFÜ88 (ALPE DI) Kt. 
Tcssin. Bez. I.evenlina, Gem. Airolo'. iSSto-AMlO m. Alp- 
weide am SO. -Hang des Monte Prosa und um den Pon- 
cione I.oita Dura, 2 Stunden uber Airol». Wird mit TO 
Stück Rindvieh bezogen. Herstellung von ausgezeich- 
netem Fettkäse (formaggio dolce,. 

SCIPSCIUS oder 8CIMPFÜS8 (PA8SO) (Kt. 
Tessin, Bez. I.evenlina 2234 m. Begraste S\V. -Schulter 
des zur Alpe di Scipscius gehörenden l'oncione I.oita 
dura .2410 roi. Wird von einem guten Fussweg über- 
schritten, der das obere Val Canaria mit dem Gotthard- 
pass verbindet. Dient dem lokalen Verkehr und den- 
jenigen Touristen, die. ohne nach Airolo hinabzusteigen, 
von l'iora am 1-ago Rilom über den Passo Pianalto . 2160 ml 
zum Weiler Canaria und von da direkt zum Gotthard- 
hospiz gelangen wollen. Piora-Scipsciuspass 5 Stunden 
und Abstieg zum Hospiz eine Stunde. Nahe unter der 
1 'asshohe befindet sich der Sasso Hosso, der im Jahr 1898 
teilweise zum Dorf Airolo abgebrochen ist. 

8CIUDEDIO (VAL) iKt. Tesain. Bez. Blenioi. 2370 



SCO 

bis 1<i70 m. Linksseitiges Xebenthal zu dem mit dem Val 
Camadra sich vereinigenden Val l.uzzone. Beginnt am 
NO. -Fuss des Piz Coroi (2782 m), der sudl. der Greino 
auf der Kantonsgrenze zwischen dem Tessin und Grau- 
hunden steht. Das Thal ist im obern Teil in Bündner- 
schiefer eingebettet, die nach N. uberliegen und über- 
schoben sind. Aufstieg von Ghirone her über Cavallo und 
die Alpe l.orciolo ilHir2 mj. Der ('obergans vom Val l.uz- 
zone auf die Greina geht östl. vom Val Sciudedio über 
das Refuggio iltiHO m) und Motterascio i2200 nv. 

8CIONDRAU (LAOO)iht. Tessin. Bez. Leventina 
2353 m. Kleiner Alpensec von intensiv blauer Farbe, im 
Gneisgebiet sw. über Airolo. 500 m lang und 2ti0 m breit. 
Wenig tief, aber noch nicht ausgelotet. Fliesst unter- 
irdisch, wahrscheinlich zum Val Bavona hin ab. Liegt am 
Boden einer engen Schlucht, die in weisslichen Kalkstein 
eingeschnitten ist, und wird bis in den Spätsommer hin- 
ein von einer Eisschicht überdeckt, so dass er einem 
Kisbecken in arktischer Gegend gleicht- 20 Minuten unter- 
halb der Forcola di Crislallina (2583 in), die die Alpe Ho- 
biei im Val Bavona in 4' s Stunden mit Üssasco im Be- 
drcttothal verbindet. 

8CIVERA (CIMA) I Kt. Tessin. Be/ Lugano). 1875m. 
Gipfel auf der Landesgrenze gegen Italien; 22 km nü. 
Lugano und /wischen dem Monte Gar/irola und dem San 
Lucio. Aufstieg von Bogno her in 3 Stunden. Ziemlich 
schöne Aussicht ins Val Coli», auf Lugano mit Umgehung' 
und ins Val Cavargna. 

8CLAMISCHOT (Kt. Graubünden, Bez. Inn. Kreis 
Benins. Gem. Schieins >. 10ti7 en. Gruppe von zwei Häu- 
sern, am rechten Cfer des Inn und 1..> km sw. Martins* 
brück. Ii reform. Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde 
Schleins. Wiesenbau und Viehzuelil. IMr früher be- 
trächtlichere Weilerist 1891 zum grössten Teil abgebrannt, 
wie die heute noch stehenden Brandminen /eigen. 

SCLARETSCH . Kt. Graubunden. Bez. Glenn er . 
2472 m. Südost). Ausläufer des Piz Tgietschen (28Ti8in i 
in der vom Piz Tern nach N. über den Piz Cavcl zum 
Piz Nadeis und Piz Miezdi ziehenden Kette des Adula- 
massives. 1,4 kmonö. vom Diesrutpass 1 2424 m), der Vrin 
im obersten Lugnez mit dem Somvixerthal verbindet 
Nördl. vom Gipfel liegt die Alp Batnosa hinter Puz.»tsch 
(Vnni. südl. und südostl. von ihm die Alp Diesrut im s. 
Ouellthal von Puzatsch. Gipfel aus l.iasachiefer, der mit 
scharfen, aber wenig hohen Gräten gegen die Alpen Ba- 
inosa und Diesrut. sowie gegen Puzatsch hinabreicht. 

8CONA [Kt. Graubünden. Her. Mocsa, Kreis Mesocco. 
Gem. Soazza). 624 m. Wiesen mit einigen Ställen, am 
linksseitigen Gehänge der Mesolcina I km. *ö. Soazza. 

8CONA (Kt. Tessin. Bez. Blenio. Gem. Olivone). 927 m. 
Gemeindeabteilung und Weiler, am ehemaligen Saum- 
pfad von olivone über den Lukmanier nach Disenti» und 
I km w. olivone. 12 Häuser, öl kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Olivone. Viehzucht. Die Männer wandern als 
Schenkwirte und Schokoladearbeiler nach Mailand aus. 
Kleine Sl. Kolumbanskirche, eine der ältesten im ganzen 
Thal. 

SCOPKKt. Graubunden, Bez. Vorderrhein 3200 m. 
Stolzer Gipfel auf der Kantonsgrenze zwischen Tessin und 
Craubünden ; /wischen Val Medel im W., Val Casaccia — 
Val Crislallina im O. und Val di Campo i Itleniothal > 
im S. Liegt 2.5 km o. vom Hospiz Santa Maria .1842 mi 
unter dem Lukmanierpass. Nach N. setzt sich die Ge- 
birgskette uber den Piz Vallalscha und Piz Curvct Iiis 
l'erdatsch im Val Medel fort, wo das Val Crislallina in 
dieses letztere ausmundet. Der Scopi wird von Santa 
Maria aus auf ziemlich mühsamer, aber ungefährlicher 
Tour über jähe Grashalden und stark verwitterten Schie- 
ferschutl, zuletzt über scharfe, zerbröckelnde Felskopfe 
des Grates in 4-. r t Stunden erstiegen. Fr bietet eine voll- 
ständige l'ebersicht über die Gebirgswelt des Bündner 
Oberlandes und des Gotthardmassives, samt den im W. 
und O. sich anreihenden Massiven und Ketten bis zum 
Mont Blanc und Monte Rosa einerseits , den Fnga- 
diner- und Tirolergebirgen andrerseits. Nicht unschwie- 
riger Abstieg zur Alpe Boarina im tessinischen Val di 
Campo (3 Stunden) und von da über Campo nach Olivone 
|3 Stunden i. Der Piz Scopi besteht aus grauen und schwar- 
zen Bündnerschiefern (Lias). An der N. -Seite aber treten 
in starker Entwicklung Protogin oder Granitgneis mit 



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SCO 

grossen Orthoklaszwillingen, dann Cristallinagneis und 
granitische Abänderungen desselben auL Dieser Cristal- 
linagneis bildet einen Rücken zwischen der Schiefer- 
formation am Scopi und Lukmanier einerseiu und einer 
gegen das Vorderrheinthal hin auftretenden, mit Roti- 
dolomit. Anthrazitschiefern, gneisartigem Verrticano und 
alten Phylliten verknüpften zweiten Schiefermulde andrer- 
seits. Üie Liasschichten des Scopi liefern zahlreiche, 
wenn auch vielfach schwer kenntliche Versteinerungen, 
wie z. R. lietetttnile» Oosteri, ti. naxillosut und ti. api- 
civorvatu» des mittlem Lias. Cardinienschalen und be- 
sonders auch durch den Gebirgsdruck deformierte Re- 
leroniten. deren Streckung oft ein Mehrfaches ihrer ur- 
sprünglichen Länge betrügt. 

SCOUPLO M Wallis. Rex. Entremont). Gipfel. S. 
den Art. Tzavriz. 

SCUBli-INOENiKt.Freihurg, Bez. Glane). Deutscher 
Name für Eciih.ens (s. diesen Art.). 

8CUDELLATE Kt. Tessin. Bez. Mendrisio, (lern. 
Muggio). 923 in. I'farrdorf, am SO. -Hang des Monte Ge- 
neroso und 8.5 km nö. der Station Mendrisio der Goll- 
hardbahn i Linie Rellinzona-Chiasso). Telephon. Zoll- 
bureau. -22 Häuser. 115 kathol.«Ew. Waldwirtschaft. Vieh- 
zucht. Periodische Auswanderung der Männer als Maurer 
in die übrigen Kantone. 

SCULMS iht. Graubünden. Rez. Glenner. Kreis Ilanz, 
Gem. Versamj. 988 m. Gemeindeabteilung und Weiler, 
am rechtsseitigen Gehänge des Versamertobels und 6.4 
km sw. der Station Ronaduz der Linie Chur-Thusis. l'osl- 
ablage. 10 Häuser, 32 reform. Ew. deutscher Zunge. Kirch- 
gemeinde Versam. Wiesenbau und Viehzucht. Gehörte j 
bis 1853 zur Gemeinde Honaduz. Auf einer Alpweide hoch , 
über dem Weiler hat man ein Rronzebei! von archaisch- 
italienischer Komi gefunden. 

8CUOL (Kt. Graubünden, Rez. Inn). Gem. und Dort. 
S. den Art. Suhls. 

8CUOL BOT, deutsch Unter S.:hi i s :Kt. Graubun- 
den. Rez. Inn, Kreis Unter Tasna, Gem. Schulst). 1215 m. 
Dorf auT einer Terrasse links über dem Inn : 3,6 km sw. 
Sent und 52,1 km nö. der Station Revers der Albulabahn. 
Telephon. 101 Häuser, 445 reform. Ew. romanischer 
Zunge. Kirchgemeinde Schuls. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. An dieser Stelle überschreitet eine 40 m lange 
Eisenbrücke den Inn. über welche man zu den Wald- 
spazierwegen längs dem rechten Innufer gelangen kann. 

SCURO<LAQO)|Kt. Tessin, Rez. Leventina). 2256 m. 
Sehr kleiner Alpensee. i>. vom Lago di Naret t2240 m) 
und w. der Ijghetti (2131 und 2068 m<; in dem den ober- 
sten Abschnitt des Maggiathales bildenden und Campo la 
Torba genannten phyllilischen Gneisgebiet am N.-Fuss 
der (Corona (2650 ml. 

SCURO(LAQO)ikt. Tessin, Rez. Leventina). 2453m. 
Kleiner Alpensee im obersten Val Cadlimo (Seitcnthal I 
zum hündnerischen Val Medell. ganz nahe der Kantons- I 
grenze gegen Graubünden, s. vom Piz Alv und nö. ober I 
Airolo. Ihm entfliesst einer der Qucllarme des Mittel- I 
oder Medelserrheines (Reno di Medel). Liegt bloss 200 m i 
von der Hauptvtasscrschnide (2481 m> zwischen Rhein und ' 
Po entfernt, über welche man auf leichtem Fussweg ins 
Thälchen des Lago Tom und ins Val Piora (gelangen kann. 
Der nach der dunklen Färbung seines Wassers so -e- . 
nannte Lago Scuro (Dunkelsee ist bis in den Hochsom- 
mer hinein mit Eis bedeckt. 

SCURO (VAL) Kt. Tessin, Rez. Riviera). Kleines ! 
Thälchen im Gneismassiv der Riviera, an der W. -Flanke 
der Gima di Biasca i2572 mi. so. Riasca und gegenüber 
Iragna. Tief eingeschnitten und steinig. Zählt bloss einige I 
wenige Wohnstatten, die auf den südseitigen Erosion*- i 
lerrassen am Monte Albato zerstreut gelegen sind. 

SEBLI f Kt. Luzern, Amt Enllebueh Gem. Romoos). • 
010 m. Gemeindeabteiiung und Weiler, zwischen zwei 
Ausläufern des Napf und 2 Stunden sw. hinter Romoos. , 
Zusammen mit zerstreut gelegenen Einzelhofen : 22 Häuser. 
135 kathol. Ew.: Weiler: 2 Häuser, 15 Ew. Kirchge- 
meinde Romoos. Viehzucht. Holzhandel. Der Name ist 
herzuleiten von « Sewli » kleiner See. Sumpf. 

SECADA (Kt. Tessin. Rez. Valle Maggia . Gem. 
Campo). 1540 m. Maiensäss mit 4 Hutten und 8 Ställen, 
im Val Campo 40 km nw. Locarno. Wird im Juni und 
September von einigen Familien aus Cimalmolto und 



sei» m 

Campo mit ihrem Vieh bezogen. Herstellung von Rutlei 
und Käse. 

SECHA(CRETA) (Kt. Wallis. Dez. Entremont). So 
nennt die alte Ausgabe der Siegfried karte die in der neuen 
Ausgabe Ciiktl Skcke genannten Objekte. S. diese Art. 

SECHE (COU, CRETE, QLACIER, POINTE 
DE CRETE) (Kt. Wallis. Rez. Entremont). S. die Art. 

CtO.TK Stl HE. 

SECHERON (Kt. Waadt, Rez. Morges. Gem. Lully). 
450 m. Gruppe von 3 Häusern, 400 m. n. Lully. 16 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Lully. Acker- und Weinbau. 

SECHE RON DESSOUS »ml SECHERON DE 8- 

8U8 i K t. Genf. Rechtes (Ter, Gem. Le l'etit Saconnex). 
385 m. Gemeindeabteilung mit zwei Gruppen von Lsnd- 
und Arbeiterhäusern, 1 km n. Genf. Station der elektri- 
schen Strassenbahn Genf-Versoix. Telephon. Zusammen 
6(1 Häuser. 552 zur Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemeinde 
Le Petit Saconnex. Redeutende Werkstätte für den Rau 
elektrischer Maschinen. Graphische Kunslanstalt •> Sa- 
dagh. Pfahlbauten. Südl. von Secheron befindet sich 
das Schloss Ranquet. das von Marc Roiet um die 
Mitte des 17. Jahrhunderls erbaut worden ist und 
damals den Namen Chäleau Roset führte, liier wurden 
oft hervorragende Fremde festlich bewirtet, so z. R. der 
von Ludwig XIV. gesandte Resident Du Pre (1680. 
welche Festlichkeit vomGeschichschreiber Spon beschrie- 
ben worden ist. 1713 verkaufte ein Nachkomme von Marc 
Roset das Schloss an Etienne Ranquet, Rürger von GenT. 
Heute ist es im Besitz der Familie Folge. In La C.onsole 
wenig n. Secheron ist der neue botanische Garten 75t) 
Aren) mit botanischem Museum der Stadl Genf erstellt 
und ISX>4 eingeweiht worden. Der die Villa von Philippe 
Plantamour umgehende prachtvolle Park Monrepos ist 
von dem genannten l'hvsiker der Stadt Genf vergabt 
worden und bildet einen der beliebtesten Erholungs- 
nunkle in deren Umgebung. Ein ebenfalls von Philippe 
Plantamour 1877 erstellter und eingerichteter selbslregi- 
strierender Limnimeter verzeichnet ohne Unterbruch die 
Höhe des Seespiegels und hat besonders zum Studium 
des Seiches wertvolles Material geliefert. 

8ECHSY (LE) (Kt. Waadt. Rez. La Vallee. tiein. Le 
Lieu). 1040m. Dorf amSO.-Fussdes Mont Risoux.2km nö. 
Le Lieu und an der Strasse l-e Brassus-Le Lieu-Le Pont. 
Station der Linie Vallorbe-Le Brassus. Postbureau, Tele- 
graph. Telephon. 26 Häuser, 154 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Le Lieu. l-andwirtschaft. Ilolzschlag. I hrenindu- 
stric. 

BECKEN (Kl. Glarus, Gem. Einthal i. 665 m. Gruppe 
von 8lläiisern. am rechten Ufer der I.inthund500ino.der 
Station Einthal der Linie Glarus-Linthal. 39 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Einthal. Ackerbau und Viehzucht. Fabrik- 
arbeit. Rependanee des Bades Stachelberg. Neue katho- 
lische Kirche der Pfarrei Einthal. 

8ECKI (Kt.Thurgau. Rez. Münchwilen.Gem. Wuppcn- 
au). 702 m. Gruppe von 6 Häusern, auf den Hohen l 
km w. Wuppenau und ti km nö. der Station Wil der Linie 
Zürich-Winterthur-Sl. Gallen. 23 kalhol. Ew. Kirchge- 
meinde Wuppenau. Acker- und Wiesenbau. Waldungen. 

SEDEILLE8 (kt. Waadt. Rez. Payernei. 602 m. Gem. 
und Dorf mit zerslreuten Einzel«iedelutigen : auf einem 
Plateau rechts über der Drove, an der Grenze gegen den 
Kanton Freiburg und an der Strasse Payerne-fiomont. 
8.5 km s. Payerne und 3.5 km ... der Station liranges- 
Marnand der Linie Lausanne-Paverne-I.yss. Postwagen 
Paverne-Roniont und nach der Station Rose der Linie 
Hcrn-1.ausanne. Postbureau. Telegraph. Gemeinde: 41 
Häuser, 214 refbrni. Ew.; Dorf: 2» Häuser. 167 Ew. 
Kirchgemeinde Villarzell. Ackerbau und Viehzucht. Säge. 
Der Ort erscheint als Sidele* zum erstenmal in einer aus 
dem 13. Jahrhundert stammenden Urkunde von Haut Cret. 
Romische Ruinen auf dem Champ de la Pierre (oder 
Cimetiere) : im Weiler Les Räpes Steinkislengraher mit 
angeblich romischer Inschrift auf einer der Platten. 

SEDEL oder 8EOEL. Ortsnamen der deutschen 
Schweiz, vom althochdeutschen setlal ~ Sitz herzuleiten. 
Rezeichnet einen freien Grundbesitz oder einen Edelsitz. 
Der Name findet sich in allen deutschen Kantonen mit Aus- 
nahme von Hasel. Solothum, Schaffhausen und Freiburg. 

SEDEL (Kt. und Amt Luzern. Gem. Ebikon). 400m. 
ti nippe von 3 Ilausern, zwischen dein Rolsee und der 



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SEI» 



SEK 



Reuss und 2 km ö. der Station Emmenbrücke der Linie 
Olien-Luzern Telephon. 91 kathol. Ew. Pfarrei Luzern. 
Ackerbau und Viehzucht. Die 18P5 hier gegründete Ar- 
beiterkolonie beherbergt etwa 50 Insassen. Die Höfe Sedel. 
Milchhof und Seehof waren früher Eigentum den Klosters 
Rathausen. Zur Kolonie gehört auch noch der Seehof 
mit etwa 30 weiblichen Insassen. 

sedel (KL Thurgau, Bez. Münchwilen. (iem. Sir- 
nach). 538 m. Weiler an der Strasse Münchwilen-Tobel, 
I km n. St. Margrethen und 2.5 km n. der Station Münch- 
wilen der Strassenbahn Frauenfeld-Wil. 17 Häuser, 85 
zur Mehrzahl kathol. Ew. Kirchgemeinde Bettwiesen. 
Acker- und Wiesenbau. Stickerei. 

SEDEL (IM) oder BRUDERTÖBELI ( Kt. St. 

('•allen. Bez. Unter Toggenburg;, Gem. Ganterswil i. 670 m. 
Ehemalige Einsiedelei in einem reizenden und abge- 
legenen rechtsseitigen Nebenthälchen zur Thür, 1 km «>. 
der Station Bütswil der . . i n iurgerbahn. Wurde 
im 13 Jahrhundert von Hans von Budberg, der sieh hier- 
her zurückzog, gegründet und bald nachher auch noch von 
dreien seiner Brüder bewohnt, die nun eine Kapelle 
richteten. 1800 vergable Graf Friedrich VI. von 
bürg der Einsiedelei im Brudertöbeli das die Kapelle 
gebende Land samt dem darauf stehenden Wald. Die 
Kapelle hat bis in die letztvergangenen Jahre bestanden. 

SEDEL (OBER und UNTER) (Kt. Aargau, Bez. 
Kulm, (lern. Durrenäsch). 660 und 620 m Zwei Weiler. 
500 m h. Durrenäsch und 2 km w. der Station ßoniswil 
der Secthalbahn t Wildegg - Emmenbrücke). Zusammen 
34 Häuser, 201 reform. Ew. Kirchgemeinde Leutwil. 
Obstbau. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

SEDELBERG (OBER und UNTER) l Kt. St. (lallen. 
Bez. Alt Tnggenburg . (lern. Bütswil). 877 m. Vier 
Häuser, auf einer mit Wald und Wiesen bestandenen An- 
höhe zerstreut gelegen, 3 km w. Lichtensteig und 2,5 km 
sw. der Station Dietfurt der Toggenburgerbahn. 23 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Bütswil. Viehzucht. Stickerei. 
Schöne Aussicht auf das mittlere Toggenburg. 

SEDRUN (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein, Kreis 
Disentis, Gem. Tavetsch). 1401 m, Gemeindcabteilung und 
Dorf, Mittelpunkt der Gemeinde ; am linken Ufer des Vor- 
derrheins und am S.-Fuss des Piz Giendusas. 7 km wsw. 
Disentis ; 38.0 km sw. der Station Banz der Bündner 
Oberlandbahn iChur-Ilanzi und 25,5 km ö. Göschenen. 
Postbureau. Telegraph; Postwagen Disentis - Oberalp- 
Andermatt - Göschenen. 21 Häuser. 200 kathol. Ew. 
romanischer Zunge. Kirchgemeinde Tavetsch. Wiesenbau 
und Viehzucht. Fussweg durch Val Strim und über den 
Kreuzlipass ins Maderanerlhal. Anlässlich des Baues der 
Strasse über die Oberalp kamen hier 1862 altertümliche 
Hufeisen zum Vorschein. 

SEE, SIEB, SEEBEN, SEEBLEN, 8EEWEN, 
SEEWEREN, 8EEWI, 8EEWJI. SEEWLI. Orts- 
namen der deutschen Schweiz ; vom althochdeutschen ti-o, 
Dativ*e«i4n— See, Meer, Sumpf. Bezeichnen die Stelleeines 
ehemaligen Sees oder Sumpfes. Finden sich für sich allein 
etwa 60 mal in allen deutschen Kantonen (exkl. Basel i und 
treten auch in zahlreichen Zusammensetzungen auf. 

SEE oder SEEBEZIRK, französisch District dv 
Lac. Bezirk des Kantons Freiburg. Liegt im Mittelland 
und bildet den nordlichsten Abschnittdes Kantons. Grenzt 
im N. und O. an den Kanton Bern und im W. an den 
Kanton Waadt. Im einzelnen stösst er im N. an die ber- 
nischen Amtsbezirke Erlach und Aarberg, im O. an den 
bernischen Amtsbezirk Laupen, im SO. an den Freiburger 
Rezirk Sense, im S. an den Saanebezirk, im VV. an den 
Saanebezirk und den Waadtländer Bezirk Avenchcs. Im 
Seebezirk sind die Berner Exklaven Münchenwiler' Villars 
les Mennes ■ und Clavaleyres eingeschlossen, während 
andrerseits seine Gemeinde Wallenbuch eine Enklave im 
Bernbiet bildet. Seine Gesamtfläche von 13185,36 ha 
(ohne den Murtenseei verteilt sich auf 

h» 

Gärten 46,80 oder 0,35 

Bebberge 198.44 • 1,51 

Wiesen und Aecker »210.42 . 69,85 
Waldungen 2711.52 " 20.56 

Weiden 828.27 » 6,28 

Unproduktiven Boden 1811.82 » 1.45 
Total 13185.30 oder hJO.OO. 



Dank seiner topographischen Lage, der Natur seines 
Bodens und den klimatischen Bedingungen ist der See- 
bezirk eine sehr fruchtbare Gegend. Man baut Futter- 
kräuter. Getreide, die Weinrebe, Tabak. Obstbäume. 
Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüse mit gleich vor- 
züglichem Erfolge an. In physischer Hinsicht zerfällt der 
Kreis in drei verschiedene Teile : I ) Das reizende Hügel- 
land des Wistenlacherberges (Mont Vully < mit seinen 
säubern und schmucken Dörfern, den am Berghang 
stehenden Weinreben und den Wiesen, Aeckern und 
Waldungen auf dem Bergrücken, von dem aus man eine 
prachtvolle Rundsicht auf den Jura, die Alpen, das Thal 
der Broye, die Ebene des Seelandes und die drei Seen 
von Murten. Neuenburg und Biel genieaal. 2) Das Grosse 
Moos, das einst unter Wasser gestanden, nun aber seit 
der Juragewässerkorrektion zum grossten Teil trocken 
gelegt und dem Bodenbau (Gemüse. Kartoffeln. Zucker- 
rüben, Futterkräuter) zurückgewonnen ist. Es finden 
sich in ihm ausgedehnte Gutswirtschaftcn. wie z. B. die- 
jenige der Korrektinnsanstalt Bellechasse. 3| Das frucht- 
bare und von schönen Waldi 
zwischen der ßiberen. der Saane 

In politischer Beziehung 
sog. Murtenbiet, d. h. die ehemalige Herrschaft Murten 
mit dem Gebiet zwischen dem Chandon. der ßiberen und 
der Einmündung der Broye. sowie die Friedensgerichts- 
kreise Gurmels und Cournillens. Der höchste Punkt des 
Bezirkes liegt mit 671 m über Breille bei Barbereche, der 
tiefste mit 435 m bei La Sauge an der Mündung des Broye- 
kanals in den Neuenburgersee. Mittlere Höhe des Be- 
zirkes 547 m. 

Der Bezirk zählt 15 471 Ew. mit 3165 Haushaltungen in 
2WIH Häusern. 10815 Beformierte. 4626 Katholiken. 30 
Andere ; 10434 Ew. deutscher. 4899 französischer und 138 
anderer Sprache. Das Murtenbiet ist fast vollständig 
deutsch und reformiert, Bevolkerungsdichtigkeil : 117 
Ew. auf den km*. Der Bezirk umfasst folgende 43 poli- 
tische Gemeinden : Agriswil (Agrimoine), Altavilla (Haute- 
villei. Barbereche (Bärlischen i , Büchsien (Buchillon). 
Burg i Chä tel I , Chandossel , Cordast . Cormlrod , Corsalettes, 
Courlevon, Cournillens (Kurlin;. Courtaman, Courtepin. 
Courtion, Coussiberle, Frischeis (Frasses) . Galini / 
iCharmeyi, Gempenach (Champagnyi, Greng. Grissach 
(Creasier), Grossgurmels iCormondes le Grand), Gross- 
guschelmuth. Gurwolf (Courgevaux), Jeusa (Jentes) Ker- 
zers (Chietres), Kleinbosingen, Kleingurmels iCormondes 
le Petit), Klcinguschelmutn, Liebistorf, Lurtigen (Lour- 
tens). Merlach fMeyriez), Misery (Miserach), Monterschu, 
Muntelier iMontelier), Murten'« Morati, Ried, Salvcnach 
iSalvagnvi, Ulmix (Ormeyl, Villarepos ( Hupperts wil . 
Vully le lias iNiederwistenlachi. Vully le Haut (Oberwisten- 
lach), Wallenbuch und Wallenried lEaaerta). Bezirks- 
hauptort ist Murten. Diese Gemeinden bilden den vierten 
freiburgischen Gerich tabezirk (Murten) und teilen aich in 
die fünf Friedenden« hukreise Cournillens, Murten, 
Kerzers, Praz und Gurmels. Zweiter Schulbezirk, sämt- 
liche reformierte Schulen des Kantons umfasaend. mit 
33 Schulkreisen und 60 Schulen. Die französischen 
katholisch« -n Schulen des Bezirkes gehören zum 4. Schul- 
bezirk, Abteilung B, und die deutschen katholischen 
Schulen zum 3. Schul bezirk. Sieben Militärsektionen : 
Courtion, Murten, Haut Vully. Ried. Lurtigen. Gross- 
gurmels und Courtaman. Zehn Zivilslandskreise : Murten. 
Merlach, Mötier, Kerzers, Büchsien, Villarepos. Courtion. 
Barbereche, Grossgurmels und Grissach. Sechs refor- 
mierte Pfarreien : Murten, Merlach, Mötier. Kerzen, 
Cordast und Fercnbahn (bernische Ortschaft); 6 katho- 
lische Pfarreien (Dekanat Saint Maurice des Bistums 
Lausanne) : Courtion. Grissach. Villarepos. Barbereche. 
Gurmels und Murten. Der Bezirk hat eine Sekundär- 
schule, drei Kreisschulen , mehrere Knaben- und 
Madchenpensionnale. ein Kranken- und Waisenhaus in 
Burg, sowie ein Krankenhaus in Merlach. 

Hauptbeschäftigung der Bewohner ist die Landwirt- 
schaft. Getreide und < >bst werden im ganzen Bezirk ge- 
baut, wahrend die Weinrehe namentlich im Wistenladi 
(Vully; gedeiht und sich auch noch in Murten, Galmiz, 
Kerzers und Fräschels findet. Tabakpflanzungen ziehen 
sich von Greng bis Frischeis, während die Zuckerrübe 
namentlich in der Umgebung des Grossen Mo 



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SEE 



SEE 



465 



geführt worden ist. Auch Viehwicht und Käserei sind von 
einer gewissen Bedeutung. Die auf etwa 16 Mill. Liter 
sich belaufende Milchproduktion dient zum >i rossern Teil 
zur Herstellung von Käse, während der Rest in die Fa- 
briken kondensierter Milch wandert. Die Viehstatistik 
ergibt folgende Zahlen: 

i»sr. isw t9oi 
Rindvieh 7598 0348 10088 

Pferde 1080 1074 1192 

Schweine 4704 71(18 7505 

Schafe 3145 2191 1612 

Ziegen 1D5U 2125 1078 

Bienenstocke 1833 ISIS 1085 

Der Bezirk erfreut sich eiues sehr milden Klimas. Dies 
trifft namentlich auf die Gestade des Murtensees zu. wo 
das Heilbad Lhamp ülivier und die klimatischen Kurorte 
im Wislenlach ziemlich gut besucht sind. Ks bedienen den 
Bezirk folgende Strassen: Freiburg- Ins- Erlach. Payerne- 
Murten-Aarberg. Murten-Ciimmenen-Bern und Güi 



oder SEtBFZlRK Bezikk des Kantons St. 
Gallen. Liegt im SW. -Zipfel des Kantons am Gestade des 
Zürichs« e« und umfasst die neun Gemeinden Rapperswil, 
Jona, Goldingen, Sl. Gallenkappel, Eschenbach, Ernets- 
wil, Schmerikon. Uznach und dommiswald mit einem Ge- 
samtareal von 1 141,8!* ha ( 1 102 ha ohne den Seei und einer 
Bevölkerung von 14700 Ew., d. h. 133 Ew. auf den km 1 . 
Er grenzt im W. an den Kanton Zürich, im O. an den 
st. gallischen Bezirk Gaster. im S. an den Linthkanal und 
den Zürichsee. die ihn vom Kanton Schwyz trennen, im 
N. mit der Kette Kreuzegg-Schnebelhorn an den st. gal- 
lischen Bezirk Alt Toggenburg und im NO. mit der Kette 
Kreuzegg- Ricken-Regelstem an die st. gallischen Bezirke 
Neu Toggenburg und Ober Toggenburg. Der Bezirk hat 
einen Umfang von ttti.l km. Kr umfasst die breit aus- 
ladende und sanft gewellte S. -Flanke der gegen 1400 m 
hohen Kette Begelstein-Kreuzegg-Schnebelhom. die fünf 
Ausläufer gegen SW. aussendet und sich gegen die Linth- 
ebene und den Zürichsee hin zu sanft geformten Beihen 




St Oallivbcr Sevlwztrk. 



1000 



ncn-Kcrzers-Ins. Durchzogen wird er von den Bahn- 
linien Bern-Neuenburg. Payerne-Lyss und Freiburg-Mur- 
ten-Ins. Dampfschiflkurse verbinden Murten mit Valla- 
mand und durch den Brovekanal mit dem Neuenhurger- 
see. Die bedeutendsten Wasserläufe sind die Saane, die 
Drove, die Itiheren. der Chandon und die Sonnaz. Rege 
industrielle Tätigkeit : grosse Uhrenfabrik in Muntelier 
und Konservenfabrik in Kerzers. Auch der Handel hat 
sich im bezirk ziemlich entwickelt und findet für seine 
Produkte Absatz nach Freiburg, Hern und Neuenbürg. 

Die Geschichte des Bezirkes deckt sich mit derjenigen 
der Herrschaft Mirtkn (s. diesen Art.). Bis 1470 gehörte 
die Herrschaft den Grafen von Savoyen. worauf sie bis 
I71JK eine gemeinsame Vogtei der Republiken Bern und 
Freiburg war. Unter der Helvetik bildete Murten eine 
Unlerpräfektiir. um dann von 1803 an zu einem Bezirk 
ilea Kantons Freiburj; und als solcher durrh die Ver- 
fassungen von 1831, 1848, 1857 und die Teilreviaion von 
1874 naher umgrenzt und eingeteilt zu werden. Historisch 
bekannte Orte des Bezirkes sind namentlich Murten, Mer- 
lach (Obelisk zum Andenken an die Schlacht bei Murten I. 
Grissarh (Cressien. Kerzers. Viviers und der Wisten- 
lacherberg. 



von Molassehügeln auflöst, um schliesslich mit der 410 m 
hoch gelegenen Kbene zu verschmelzen. Der obere ge- 
birgige Abschnitt des Ih-zirkes hat Voralpencharakter und 
trägt Wald und Weiden, der mittlere Abschnitt ist mit 
Wald und Wiesen bedeckt, und der untere Abschnitt bildet 
ein reiches Obst- und Weingelände, in das saftige Malten 
und kleine Waldparzellen eingestreut sind. Die Kette 
Regelslein-Kreuzegg weist im Micken eine tiefe Depres- 
sion auf, die von der Strasse l'znach- Watlwil über- 
schritten und vom neuen Rickentunnel der Linie Roden- 
see-Zürichsee unterfahren wird. Von dieser Kette laufen 
folgende südwestl. Seitenarme aus: Im O. die das Gigen- 
bachtobel einschliessenden zwei Höhenzüge, von denen 
der westliche sich über Rerg Sion an den Zürichsee hin- 
zieht, während sich der Rotensteinarm im S. gabelt und 
das llochthälchen und Bergdorfchen W.ildi einschliesst. 
Vom Kreuzeggstock 11347 ml. der das Goldingerthal in 
zwei obere Arme teilt, zweigt ein sw. Hauptarm nach der 
Neuschwand und längs der W. -Grenze des Bezirke» nach 
dem llittenberg bei Wald ab. woraufer sich zu dein von der 
Poststrasse Uznach- Wald überschrittenen Passeinschnill 
senkt, um dann mit drei parallelen Hugelreihen in die 
Kbene Jona-Bapperswil-Kempraten am Zürichsee auszu- 

218 - uEor.H. lex. V - 30 



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im 



SEK 



SEE 



strahlen. Ein NW. -Arm der Kreuzegg-Schnebelhorn- 
kette sendet noch zwei kurze Seitenzweige nach S\V. aus, 
/.wischen denen das Quelllhal der liintern Toss liegt. 
Der weiter südwärts stehende Tössstock umwchliesst zu- 
sammen mit dem sw. Hauptausläufer der Kreuzcpg den 
Quellbezirk der Vordem Tos» und bildet mit der insel- 
arlig in» Zurchergebiet vorgeschobenen Anhohe des Kirch- 
dorlchens Oberholz den am weitesten gegen W. reichen- 
den Gebirgsstock des >t. Gallerlandes. Von der Kreuzegg 
an senkt Bich nach S. da« Doppcl hochlhal von Hinter 
Goldingen, das beim Pfarrdorf Goldingen mit der untern 
Hügellandschaft verschmilzt. 

Zwischen diese Verzweigungen der llauplkette haben 
sich eine Reihe von Hachen ihre Thäler eingeschnitten. 
Im O. fliegst der Gigenhach, der zusammen mit andern 
östlichen Üächcn durch einen dem Linlhkanal parallel 
ziehenden Seitenkanal unterhalb l'/nach in jenen ge- 
leitet wird. Weiler gegen \V. entspringen ebenfalls dem 
Hegelstein die Bäche, die w. und o. an den Dörfern Gauen 
und ErneUwil vorbeiziehen und unterhalb l'znach im 
Mühlcbachkanal dem Linthkanal zugeführt werden. Der 
mit mehreren Quellarmen vom Rickenpass und Roten- 
stein herkommende Hanzachbach vereinigt sich mit dem 
an der Kreuzegg entspringenden und das Goldingerthal 
durchmessenden Mühlebach zum Aabach, der in den 
Zürichsce mündet. Im ebenen S\V. des Bezirket durch- 
zieht die aus dem Kanton Zürich kommende Jona den 
Industrieort Jona, um dann hei Russkirch den See zu 
erreichen, der oberhalb der durch einen Damm mitein- 
ander verbundenen Landzungen Rapperswil und Hürden 
den Namen Obersee trägt. In der Niederung am Seeufer 
liegen die Ortschaften Schmerikon, Hollingen, Kloster 
Wurmsbach, Busskirch. Rapperswil und Kempraten, in 
der von Rapperswil landeinwärts gegen O. ziehenden 
breiten Thalsohle die Dorfer Jona. Wagen und Hachen- 
bach, im ansteigenden Hugelgelände der Millellandschaft 
das Städtchen Uznach und die Pfarrdorfer Gauen und 
ErneUwil, dazwischen das die ganze Gegend überschau- 
ende burgähnliche Kloster Berg Sion und weiterhin, gegen 
den den Seebezirk mit dem loggen bürg verbindenden 
Rickenpass, das Pfarrdorf St. Gallen kappel, das mildem 
noch höher gelegenen Pfarrdorfchen Wäldi und dem Wei- 
ler Riieterswil über romantischen Schluchten auf son- 
nigen Bergterrassen tronl. Die Weiler und Hofe des 
Goldingcrlriales gehören schon einer richtigen Gebirgs- 
landschaft an. Die grossten Alpen finden sich im NO. des 
Bezirkes in der gross« n Gemeinde Gommiswald an der 
S. -Flanke des Rfgelsteines, nämlich die Alpen Kloster- 
berg (1000-1200 tu; mit 104 ha. Egg (1100-1300 ml mit 
91 ha und Rittinarren (10UO-12UO m) mit 100 ha Fläche. 
Diejenigen der Rerggcmeinden Goldingen und St. Gallen- 
kappcl halten sich unter 50 ha Areal und sind heinahe 
ganz Weidetlache. während zu den grossen Alpen von 
Gommiswald noch ausgedehnte Waldkomplexe (Unter- 
oder Bannwald mit etwa 6 km* und die nahezu ebenso 
umfangreichen Kolentoni- und Klosterhergwaldungen) ge- 
hören. Bedeutend sind auch der l'/nacher Uurgerwald mit 
annähernd 3 km 1 Fläche, sowie der Asper- und Jonen- 
wald und die Bergwaldungen des Nordens (im Goldinger- 
thal und n. Wäldil. Im Vcbrigen weist der Bezirk mit 
Ausnahme der Rebberge der Niederung vorherrschend 
Wiesland auf. Grossere Flächen Streufand linden »ich 
nur noch im Linthgelände bis zum Zurichsee, speziell 
im Uznacher Ried. Ohstbaumwuchs dehnt sich über das 
amte niedere und mittlere Hügelland aus. Das bloss 
}.38 ha umfassende Hebland verteilt sich auf die Ge- 
meinden l'znach (0.18 ha). Schmerikon (1.33 ha). Rap- 
perswil .0,61 ha), Jona (34,13 ha l und Eschenbach (3,13 ha). 
Der vor den N. -Winden geschützte Bezirk erfreut sich 
im Ganzen eines gemässigten Klimas. Er bildet eine schöne 
Terrassenlandschaft mit prachtvoller Aussicht auf die 
l.inth- und Zürichseegegend, sowie die Schwy/.er-, Glar- 
ner- und Sarganserberge. Im W. des Bezirkes tront auf 
einem in den Kanton Zürich vorgeschobenen Bergsporn 
das Kirchdorfchen Oberholz mit weitem Ausblick ins 
Zürcherland. 

Der Bezirk ist nach allen Seiten von Verkehrslinien 
durchzogen. Im S. quert ihn längs des Zürichsees und 
der Linth die Bahnlinie Rapperswil • Weesen mit den 
Stationen Rapperswil. Schmerikon und Uznach, in welche 



in Bälde auch die Bodensee-Toggenburgbahn einmünden 
wird, die bei Kaltbrunn aus dem Rickenlunnel tritt. In 
Rapperswil vereinigen sich die von Zürich über Walli- 
sellen, Uster und Rüti kommende Linie, die rechtsufrige 
Zürichseebahn und die über den Seedamm führende Ver- 
bindungslinie mit der linksufrigen Zürichseebahn and 
der Südostbahn. Eine Posistrasse mit Automobilwagen 
verbindet Rapperswil mit Jona, Wagen. Eschenbach und 
St. Gallenkappel und kreuzt im Weiler Neuhaus die Post- 
route Uznacti-Wald (Goldingen). Von Uznach fährt die 
Post über Gauen und den Ricken nach Wattwil im Tog- 
genburg, sowie südwärts über die Linthbrücke beim 
Schlosa Grinau nach Tuggen und Siebnen im Kanton 
Schwyz zum Anschluss an die Bahnlinie Zürich-Wädens- 
wil- Ziegelbrücke (-Glarus). Rapperswil ist lebhafte Dampf- 
schiUstation für den Zürich- und den Obersee. An letz- 
terem ist ferner noch Schmerikon Landungsplatz für den 
Segelschiff- und Kahnverkehr aiHdem See und im Linth- 
kanal. 

Der Bezirk zählt 14700 Ew.. wovon 12594 Katholiken, 
2075 Reformierte und 23 Israeliten ; 14425 Ew. deutscher. 
34 französischer, 196 italienischer und 18 rätoromanischer 
Zunge ; '»19 Gemeindebürger, 4609 Bürger anderer Ge- 
meinden des Kantons, 3506 Bürger anderer Kantone und 
976 Ausländer. 7019 Ew. männlichen und 7681 weiblichen 
Geschlechtes. 3366 Haushaltungen in 2240 Wohnhäusern. 
Am dichtesten besiedelt sind Rapperswil und Umgebung, 
sowie der Landstrich von Uznach bis Schmerikon. Die 
Mittellandschaft weist weniger starke und hauptsächlich 
in Dörfern gruppierte Besiedelung auf, und die höhere 
Gebirgsgegend zeigt mehr nur Weiler und Einzelhöfe, so 
besonders im Goldingerthal, das von der Rossfalle in 
zwei Abschnitte geteilt wird. Der Volkscharakter int ähn- 
lich dem der Nachbarn über der Linth und dem Zürich- 
see in den Kantonen Zürich und Schwyz und zeichnet 
sich in erster Linie durch lebhaftes Temperament aus. 
Gemäss den natürlichen und geschichtlichen Verbin- 
dungen gravitierten die Interessen des Bezirkes bisher 
mehr nach den Kantonen Zürich und Schwyz, doch 
wird die Rickenbahn in Halde einen nähern und direktem 
Anschluss an St. Gallen bringen. Die Beschäftigung der 
Bewohner ist vorzüglich Landwirtschaft und Viehzucht, 
sowie Wein- und Obstbau in den tiefem Lagen, höher 
oben dagegen Viehzucht und Alpwirtschaft. Die Vieh- 
statistik ergibt folgende Zahlen : 

tSHO |Ä"H5 I9CH 

Rindvieh 5598 6528 7145 

Prerde 156 199 236 

Schweine 991 1735 196« 

Schafe 40 99 34 

Ziegen 1458 UM 1323 

Bienenstöcke 1115 1776 1273 
Industrie, vorab Scideniiulustrie in Uznach, Rappers- 
wil, Jona und Umgebung (hi.-r auch Baumwollspinnerei |, 
sowie zwischen U/nach. Schmerikon und Eschenbach. 
Die Bewohner von G.» Illingen arbeiten auch in das In- 
dustriegebiet von Wald. Zwischen Uznach und (lauen 
liefen die Braunkohlenlager. in denen dortige Bewohner 
Arbeit linden. Die Leute am Rickenpass beteiligen sich 
auch an der Industrie des Toggenhurgs (Stickerei und 
Weberei). Für den Seebezirk cr^ab die cidg. Retrieb«- 
zählung von 1905 die Zahl von li30 industriellen. 1159 
landwirtschaftlichen und 315 Hausbetrieben. Bierbrau- 
ereien gibt es in L'znach und Rapperswil. In Schmerikon, 
wo früher die Schiffahrt nicht unbedeutend war, ist die 
Ausfuhr von Sandsteinen aus dortigen Brüchen zu er- 
wähnen. An Geldinstituten finden wir die I,eih- und Spar- 
kasse vom Seehezirk in Uznach, die Filiale der Toggen- 
bnruerbank in Rapperswil, sowie die Spar- und Leihkassen 
in Schmerikon una Eschenbach. In Uznach hat der Staat 
St. Gallen ein Krankenhaus für die Hczirke See und 
Gaster eingerichtet. Höher organisierte Sekundärschulen 
mit Progymnasien haben die Städte Rapperswil und Uz- 
nach. \ leihesuchte höhere Tochterschule mit Internat 
im Frauenkloster Wurmsbach. * Gewerbliche und kauf- 
männische Fortbildungsschule in Rapperswil. Das Ver- 
einswesen ist auch im Seebezirk stark ausgebildet: es 
tinden sich in jeder Gemeinde religiöse, woliltälige und 
politische. Gesang- und Musik-, landwirtschaftliche und 
gemeinnützige, sowie Jahrgänger- und Berufsvereine; 



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SKK 



SKK 



467 



tu den beiden Madien ferner Lese-, Bildung»- und Ge- 
selligkeitsvereine mit entsprechenden Bibliotheken. Drei 
buchdruckereien mit je einer Zeitung. 

her bezirk setzt sich aus der ehemaligen Stadl und 
Grafschaft Happerswil und der Stadt und Grafschaft Uz- 
nach zusammen i.vergl. diu Art. Happerswu., Tixjgkn- 
RURii und DzKACB). Während Happerswil 1464 den Orlen 
L'ri, Schwyz, Unlerwalden und Glarus Treue schwur, 
1712 aber Zürich und Bern zu Herren erhielt und sich 
mit Kinschluss der Gemeinde Jona zu einer aristokra- 
tischen Republik gestaltete, bestand Uznach im frühern 
Mittelalter aus Besitzungen der Klöster St. Gallen, Pfäfers, 
Schänni* und Umsiedeln. Später kam es durch kauf an 
die Grafen von Happerswil und am Ende des 12. Jahr- 
hunderts an die Grafen von Toggenburg. Nachdem es 1469 
vom letzten Toggenburger Herrn, Petermann von Baron, 
an Schwyz und Glarus verkauft worden war, wurde es 
ähnlich Wiedas Gaster) Landvogtei dieser Orte mit eigener 
Landsgemeinde und einem l.andrat. Sowohl die Stadt 
Uznach als die sechs Tagwen der Landschaft (K»chen- 
bach, Schiuerikon, Huelerswil. ErneUwil. Gommiswald 
und Goldingen) bestellten ihre niedern Gerichte selbst. 
In der llelvelik erklärte Uznach seine Selbständigkeit, 
wurde aber noch 1798 zusammen mit Happerswil dem 
helvetischen Kanton Linlh zugeteilt und 1803 dem neu 
gegründeten Kanton St. Gallen einverleibt. Oer 1803-1831 
bestehende Bezirk Uznach umfasste auch Gaster und Hap- 
perswil. 1814 strebten die sieben Gemeinden der ehe- 
maligen Grafschaft Uznach eine Vereinigung mit Schwyz 
an. 1831 wurden aus dem Gebiete des Bezirkes Uznach 
die beiden Bezirke Gaster und See errichtet. Sitz des 
Bezirksammanns wurde Uznach, während das Gericht 
abwechselnd in Happerswil und Uznach tagte. Eschen- 
bach war der Versammlungsort der oft recht bewegten 
Landsgemeinde, die zusammen mit den übrigen Be/irka- 
gemeimlcn li*nl einging, von welcher Zeit an der (.rosse 
Hat von den politischen Gemeinden bestellt wurde. An 
historische Ereignisse erinnern die allen Schlosser oder 
Burgruinen \"ii Rapperswil, I /.naberg und Grinau, sowie 
die Turmriiine in I /.nach < t 

SEE (AM) [Kt Aargau, Bez. Kulm, Gem. Birrwili. 
460 m. Gruppe von 7 Hausern. am Hallwilersee und 101) m 
ö. der Station Birrwil der Seethalbahn (VVildegg- Emmen- 
brücke |. Dienl als Schifflände von Birrwil. M refonn. Ew. 
Kirchgemeinde Birrwil. Obst- und Weinbau, Viehzucht 
Hui Milchwirtschaft. Fischfang (Hallwiler hallen . 

SEK (AM) i Kl. Graubünden, Bez. Plessur Kreis Schan- 
tigg. Gem. Arosa). 1770 m. Gruppe von 4 Häusern, zwi- 
schen dem Ober und dem Unter See von 
Arosa und auf einer Terrasse links über 
der l'lessur. 20 km so. Chur. 38 reform 
Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Arosa. 
Wiesenbau und Viehzucht. 

SEK (AM) (Kt. Luzcrn.Amt WiUiMO, 
Gem. Menznaui. 601 in. Gruppe von zwei 
Häusern, am NW. -Ufer des Soppensees 
und 4 km nö. der Station Meiunau der 
Linie Langenthal- Wolhusen. 21 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Geisa. Arkerhau und 
Viehzucht. 

SEK «BEIM LÄUTERN) (Kt. Bern. 
Vmlsbez. Ober Haslei. 1740 m. Kleiner Berg- 
see am linksseitigen Gehänge des Gadmen 
ihales. Ouellsee des Griedenbaches. Etwas 
ostwärts davon liegt hei den Hütten von 
/.um See (1670 mi ein weiteres kleines 
Seebecken und höher oben, am N.-Kuss 
des Badlefahorns, der Gadenlauiseei 2138 m). 
Andere kleine Becken linden Bich in der 
•»•Iben Gegend auf dem w. der Zunge des 
Sleingletschera gelegenen sog. Seeboden 
und ferner unterhalb der Hohe desSuaten- 
passes. 

SEE (OER) i Kt. Graubünden. Bez. Ober 
Landquart i. 2060 m. Kleiner Alpensee im 
Gehirgsstock des Gross Litzner (Silvret- 
lagruppei; 1,6 km aw. vom Klein See- 
horn (3034 m). Liegt in einer engen, teilweise begrasten 
und zum Teil schuftigen Mulde des kleinen « Seethales «, 
das sich auf der Alp Sardasca (1650 m) hinter Klosters- 



Monbiel zum obern Thal der Landquarl ollnet. Dem 250 m 
langen und etwa 100 m breiten grünen Becken, dessen 
Farbe gegenüber dem 1,5 km weiter nordwärts liegenden 
hohen Scholtensee viel lebhafter und intensiver ist, ent- 
strömt der kurze Seebach. Fischleben ist nicht vorhanden 
Der Seegrund besteht aus Silvrettagneis. Die Genend 
oberhalb des Sees vor dem schutligen und trümmerigen 
Hinlergrund des Thalchens heisst « hinterm See ». 

SEE (MITTLER und OBER) (Kl. Wallis. Bez. üumi|. 
2400 und 2650 m. Zwei kleine Seen am S.-Fuss des Ul- 
richerstockes. Werden von den benachbarten Firnfeldern 
gespiesen und entsenden den das Niederthal durchmes- 
senden Wilerbach. der in seinem Unterlauf die Gemeinde- 
grenze zwischen Ulrichen und Gesehenen bildet. 

SEE (MITTLER, OBER und UNTER) (Kt. Grau 
bänden. Bez. Unter Landquarl) 1930, 2010 und 1901 in 
Drei kleine Seen im Fläscherlhal, s. der Landesgrenze 
gegen das Fürstentum Liechtenstein und 5 km nnu. Jenins. 
von wo ein Fussweg hier herauf fuhrt. Der grössle hat 
einen Durchmesser von 250 m und der kleinste einen 
solchen von 100 m. Vergl. auch den Art. Flamiheiithai. 

SEE (OB DEM) (Kt Graubünden. Bez. Ober Land- 
quarl, Kreis und Gem. Davos). 1574 m. Gruppe von 7 
Häusern, an der Strasse Davos- Klosters und 1 km sw. 
der Station Wolfgang der Linie Landquart-Davos. 38 re- 
form. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Davos Dorf. 
Wiesenbau und Viehzucht. Zwei Sanatorien. 

SEE (OBER) (Kt Glarus). Kleiner See. S. den Art. 
Obeksee. 

SEE (OBER und UNTER) (Kt Graubünden. Bez. 
Plessur). 1739 und 1694 m. So heissen die beiden ansehn- 
lichen und prächtigen Wasserbecken am ().- und NO. - 
Band de* Dorfes und Kurortes Arosa, der sich hinter 
kahlen Felsmassen in einem lieblichen grünen Alpenlhal 
ausbreitet. Der Ohersee ist etwa 400 m lang, 250 m breit 
und 15 in tief. Seine i.iuellen sind das Tomelistobel von 
W. her und ein unter dem schön gelegenen Hofe Maran 
von der N. -Seite herkommender Bach. Der Ablluss gehl 
in mehreren Windungen südwärts und speist den Unter- 
see. Um den See liegen saftige Wiesen und weiterhin 
Wald. Namentlich das O.-Ufer, die sog. Wellerweid. 
wohin die Churer in frühem Jahren bei Schneefall ihre 
Herden von der Alp in den schützenden Winkel trieben, 
ist ein bezaubernd schöner Heck Erde. Mehrere Hotels 
und Villen liegen um den See. auf dein der Kurverein von 
Arosa Kähne hält, welche von den Kurgästen benutzt 
werden können. Am Ufer wächst der Fieherklee (Mttiyan- 
Ikct triloltata), während der weiter ö. im Wald versteck! 




Obor 8«n mit dum Yalbellahorn. 

liegende winzige Schwarzsee zwischen den Moosen seiner 
Ufer als viel grossere botanische Seltenheit in Graubünden 
die insektenfressende Drosera rotundifolia aufweist. - 



m 



SEE 



SEE 



Her Untersee ist gegen 200 m lang und 150 m breit und 
hat eine Tiefe von 17 m. Da er durch den Ablluss des 
Ubersees gespieBen wird, ist sein Wasser wärmer und in 
hohem Grade durchsichtig. Auch er wird mit Kähnen be- 
fahren. Sein Ausflugs heiindet sich nur wenige Meier vom 
Einfluss entfernt und geht zur Plessur. Mit Ausnahme der 
waldigen SO. -Seite dehnt sich an seinem Ufer überall 
grünes Wiesland aus. Der Gebirgshintergrund ist bei 
beiden Becken malerisch und imposant. Auch in der Nähe 
des Untersees liegen mehrere Hotels und Villen. Sowohl 
der Ober als der Cnter See von Arosa gehören samt den 
Fitchereirechten der Sladtgemeinde Cnur. welche die 
Fischerei an den Kurverein verpachtet. Beide Seen sind 
lischreich und beherbergen Seeforellen (Salnio lacustrii), 
Silberforellen [Salnio iri<ieii*\ und die Ellritze oder das 
Hammel i {Phoxinut laevis). Her Boden des Obersees liegt 
in grauem Bündnerschiefer und Gneis, der des Untersees 
in grauem und buntem Bündnerschiefer, der wohl Lias 
darstellt. 

SEI (UNTER) (Kt. Thurgau und Schaphausen >. Oer 
Untersee bildet den untern Abschnitt des BoBKSM BS m, 
diesen Art.). 

SEEALP (Kt. Appenzell I. R. ), 980-1220 m. Grosse 
Alpweide am Seenlpsee und an den von Appenzell her 
auf den Säntis und Altmann führenden Wegen. III ha 
gross, wovon 85 ha produktiven Bodens. Mehrere Gruppen 
von Hütten: Kohlbetten, Besten, Spitzigstem und Ober- 
stofTel. Am Spit/igstein ist eine Gedenktafel zum An- 
denken an Friedrich von Tschudi, den Verfasser des 
Tierlebens der Alpenttult , eingelassen, die von der 
naturwissenschaftlichen Gesellschaft von St. (lallen am 
7. Juni 1891 eingeweiht worden ist. 

SEEALPSEE (Kt. Appenzell I. R.i. 1139 m. Idyl- 




Seflat|xee gegen den Sdoli» 

lischer und stark besuchter kleiner Alpensee. im Säntis- I 
gebirgc zwischen dem Schüller und der Marwies, 2'/| 
Mumien s. vom Flecken Appenzell. Die einst 12 ha um- 
fassende Seefläche ist durch Stauungsarheiten. die zur ' 
Gewinnung von elektrischer Kraft und Licht für den 
Flecken Appenzell ausgeführt wurden, auf Hl ha ver- 
grosser l worden. Wahrend das O.ITer bewaldet ist. liegt 
am W.-I'fer die schone Seealp. Der See liegt inmitten 
einer prachtvollen Bergnatur und wird von der Marwies 
überragt, wahrend weiterhin der Säntis und Allmann sich 
erheben. Bestaurant. 

SEEB hl Zürich. Bez. Bülach. (lern, Winkel). 4«) m. 
Weiler, an der Strasse Zürich-Bulach und 3 km ö. der | 
Station Nieder glatt der Linie Zürich- Bülarh-SchalDiatisen. 
Telephon. II Häuser. 55 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Bülach. Acker- und Wiesenbau. Die Existenz eines ehe- I 
maligen Ministerialengeschlechles der Grafen von Rappe rs- 
wil, das in Seeb residiert haben soll, lässt sich urkund- 
lich nicht nachweisen. Die Trümmer der angeblichen | 



Burg von Seeb entpuppten sich als Beate eines ausge- 
dehnten römischen Landsitzes. 

SEEBACH (Kt Bern, Amtsbcz. Aarberg). 518-464 m. 
Ablluss des Lobsigersees, fliesst auf eine Strecke von 5 km 
von SW. nach No. und mündet bei der Lehnmühle von 
links in den Lissbach. Treibt mehrere Sägen und 
Mühlen. 

SEEBACH {Kt. Bern. Amtsbez. Wangen). 470-455 m. 
Ablluss des kleinen Burgäschisees, fliesst auf eine Strecke 
von 3 km gegen NO. und mündet unterhalb Niederosch 
von links in die Oenz. 

SEEBACH (Kt. Bern, Amtsbez. Wangen. Gem. 
Nieder Oenz). 467 m. Gruppe von 9 Häusern. 1 km sw. 
Nieder Oenz und 1.5 km sw. der Station Herzogenbuehsee 
der Linie Olten-Bern. 63 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Herzogenbuehsee. l-andwirtsihafl. 

SEE RÄCH i Kt. Graubünden. Bez. Ober Landquart i. 
£280-1650 m. Wildbach des Seelhaies, de« obersten der 
rechtsseitigen Nebenzweige des I'räligaues. Entspringt 
unter dem vom hohen Seegletsrher gespiesenen Schotten- 
see, bildet den in 2060 m gelegenen • See • (s. diesen 
Art.) und mündet auf der Kloslerser Alp Sardasca in die 
junge l-andqunrt. Der Bach ist von der Vereinigung der 
Quellstränge « hinterm See» an 2.2 krn lang und hat ein 
Gefalle von etwa 20 "v Mündet in mehreren Adern in 
einem Delta aus. Durchmesst Alpweiden und oberhalb 
de« Sees auch viel Schutt. Der Boden ist Gneis, der 
mit Hornblendeschiefern wechselt. 

8EEBACH (Kt. Graubünden, Bez. Unter l^indquart). 
1800-680 m. Ablluss des Sielsersees unter dem hreuz 
1231)0 m) im Bätikongebirge. Mundet 2.2 km so. Schien 
iim Prätigau) von rechts in die Landquart. her Wildbach 
durchmesst die prächtigen, fruchtbaren Bergwiesen, die 
sich am Sielserberg überm Schrautobel und 
zwischen dem Buchenertobel im <>. ausbrei- 
ten. Der Bach des letztem geht im Ganzen mit 
dem Seeltach parallel. 3,8 km lang, etwa 235 °/ m 
Gefälle. Bildet in der obern Hälfte die Grenze 
zwischen den Gemeinden Schiers und Luzein, 
wahrend die weiter unten zu beiden Seiten 
gelegenen idyllischen und obstreichen Weiler 
Vorder und Mittel Lunden noch zu Schiers 
gehören. Bis etwa über die Mitte des Thalchens 
reicht Buchen- und Tannenwald hinauf Den 
Untergrund bilden eozäne Bündnerschiefer. 

SEE BACH (Kt. St. (.all.-n. Bez. Sarpansi. 
22110-485 m. Bach auf der Nn,- Abdachung der 
Grauen Horner. Er nimmt seinen Ursprung in 
dem kleinen Wangserseeli am W.-Fuss des 
Tagwc idlikopf, fliesst in n. Richtung zunächst 
über die Terrasse der Lauft .«den und stürzt 
sich dann ober eine Felsstufe in den zirkus- 
förmigen Hintergrund des Thals von Valeisalp. 
wo er durch viele kleine Zuflüsse verstärkt 
wird. Er durchmesst nun in no. Richtung das 
tief eingeschnittene, bewaldete Thal, das sich 
weiter unten zu einer schluchtarligen Kinne 
verengert, und betritt beim Dorfe Vilters die 
Rheiuebene. Er durchschneidet dieselbe in 
kanalisiertem Bett in n. Bichtung bis zum Ei- 
senbahndamm der Linie Sargans-Trübliach, 
folgt dann diesem Damme in nö. Richtung und vereinigt 
sich 2 km nö. der Station Sargans mit dem Kanal der Sar. 
der bei Trübbach von links in den Rhein mündet. Der 
Seebach hat von seiner Quelle bis zur Einmündung in 
die Sar eine Länge von 0 km. 

SEEBACH (Kt. Solothurn und Basel Land 1. 910-320 BS. 
Rechtsseitiger Zulluss zur Bin». Entspringt s. Rretzwil. 
fliesst gegen N., bildet oberhalb Seewen den kleinen 
Baslerweier oder Seewcnersee. biegt im Dorf Seewen 
gegen W. um und mündet nach 11 km langem Lauf o. 
Grellingen. Der Seehach bildete einst bei Seewen einen 
beträchtlichen See. den der hier wohnende Schmid 
Thomann im Jahr 1488 trocken tu legen begann, nachdem 
ihm von der Regierung die Hälfte des Fischertrages des- 
selben als Entgelt bewilligt worden war. Da aber diese 
Arbeit nicht zu Ende geführt wurde, ordnete der Staat 
Solothurn im Jahr 1569 eine neue Trockenlegung an. die 
aber ebenfalls nur teilweise gelang. Erst gegen Ende des 
18. hihi hundert- legte man einen 100 Toisen langen 



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SEK 



SEK 



469 



Tunnel Idas sog. Seeloch; an, durch den heute daa Wasser 
des Seebachea direkt der Bira zufliesst und der Umfang 
de» See* beträchtlich vermindert worden iat. 

Seebach (Kt. Thurgau, Bez. Steck born), 622-590 m. 
Bach ; entspringt bei Steinegg. durchlliessl in der Thür 
parallelem, aber von W. nach O. gerichtetem Lauf daa 
Dorf Nussbaumen, sowie den Nuasbaumer- und Höltwiler- 
aee, wendet sich bei Ochsenfurt nach S. und durchbricht 
das ihn von der Thür trennende Hügelland, um nach 
8,5 km langem Lauf unterhalb Ochaenfurt von rechts in 
die Thür zu münden. Mit der schon seit langer Zeit 
durchgeführten Korrektion des Seebachea ist der Spiegel 
des lluttwilerseea tiefer gelegt worden. Der Bach treibt 
zwei Mühlen. 

SEEBACH (Kt. Thurgau. Bez. Steckborn, Gem. Ilütt- 
wilen). 443 m. Gruppe von 7 Häusern, 150 m s. Hütt- 
wilen und 6 km. nnw. der Station Frauenfeld der Linie 
Zürich-Winterthur-Homanshorn. Postwagen Frauenfeld- 
Stammhcim. 3t reform. Ew. Kirchgemeinde Hüttwilen. 
Acker-, Wiesen- und Obstbau. 

SEEBACH (Kt. Uri). 2460-1370 m. Ablluss des 
Secwenflrns, durchzieht in s. Hichtung dasThälchen der 
Seewenalp und mündet nach 3 km langem Lauf 900 m 
bö. Färnigen von links in dir Meienreuss. 

SEEBACH (Kt. und Bez. Zürich). Kirche in 455 m. 
Station in 444 in. Gem. und Pfarrdorl. 5 km n. Zürich 




Seebach bei Zürich. 

und 2 km n. Oerlikon, mit welcher Ortschaft Seebach 
mehr und mehr verwächst. Station der Linie Oerlikon- 
Seebach - Wetlingen und Endstation der elektrischen 
StraSKenbahn Zürich - Oerlikon - Seebach. Poslbureau, 
Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit Binz, Binzmühle, 
Kggbühl. Eichrain, Koschenrüti. Neubühl und Schären- 
moos : '260 Häuser. 2850 Ew. (wovon 60 Katholiken!; 
Dorf: 108 Häuser, 804 Ew. Industrielle Ortschaft mit 
zwei mechanisrhe n Werkstätten, einer Wasche- und einer 
Spiegelglasfabrik. Ein grosser Teil der Bewohner lindet 
in den Fabriken von Oerlikon Beschäftigung. Bei Egg- 
hühl grosse Kiesgruben in den Glazialablagerungen der 
zweiten Kiszeit. Grabhügel aus der llallstaltperiode im 
Jungholz und im Bühl. Einzelfunde aus der Bornerzeit. 
In Seebach waren Frau- und Grossmünster zu Zürich be- 
gütert und besass auch das Kloster Wettingen gewisse 
Gefälle. 1428 kam das Dorf an Zürich, daa es seiner 
Obervogtei Schwamendingen und Dübendorf angliederte. 
Den Zehnten besass das Fraumünster. Ein Teil der 
Gemeinde war anfänglich nach Kloten, der andere nach 
Rümlang kirchgenössig. 1664 bewilligte das Grossmünster 
den Bau einer eigenen Kirche zu Seebach. Mit Alfoltcrn 
bei llongg war Seebach jetzt eine Filiale des Groas- 
inünsters, dem die Kollatur zustand. Seit 1683 predigte der 
Pfarrer von Seebach auch in der neuen Kirche zu AtToltern, 
daa erst 1703 von ersterm kirchlich vollständig getrennt 
wurde. 1863 ward dann die Filiale Seebach zur selb- 
-Lindigcii Pfarrei. 1798 und 1 70!* hatte der Ort unter den 
Schrecken des Krieges stark zu leiden. 

SESOACH «GROSS und KLEIN) (Kt. Luzern. Amt 
Sursee, Gem. Wolhusen). 650 und 670 m. Zwei Häuser - 



14 kathol. Ew. Kirchgemeinde Wolhusen. Ackerbau 
und Viehzucht. 

8EEBER 8EELI (Kt. Zürich, Bez. Bülach). 424 m. 
Kleiner See w. Seeb ander Strasse Zürich-Bülach. 200m 
lang und 100 m breit. 

8EEBERG ikt. Aargau, Bez. Kulm. Gem. Leimbach). 
659 m. Gruppe von 7 Häusern, am SW.-Hang des Hom- 
hergea und ."hKI in nö. der Station Leimharh der Winen- 
thalbahn. 55reforra. Ew. Kirchgemeinde Beinach. Vieh- 
zucht. Zigarrenindustrie. 

SEE BERG (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Simmenthai). 
1800 m. Alpweide, am S.-Fuas des Böthihorns oder See- 
horns auf einem schmalen und felsigen Kamm, zwischen 
dein obern Abschnitt des Muntigen- und Schwcndenthales. 
Von der Seebergalp aus können die schönen Auaaichts- 

E unkte Muntigalm und Seehorn in I hezw. 1 1 , Stunden 
equem erreicht werden. 
SEEBERG (Kt. Bern, Amtabez. Saanen, Gem. Gsteig). 
1717 m. Schöne Alpweide, am W. -Hang des Seeberghorns 
und im obern Abschnitt des Tscherzisbachlhales. 

SEEBERG (Kt. Bern. Amlshez. Schwarzenburg, Gem. 
Guggisberg). 1600 m. Alpweide mit kleinem See. in dem 
vom N.-Ilang der Scheibe (2152 m; O.-Abschnitt der 
Stockhornkette) herabsteigenden Thälchen der Hengst- 
sense, die 2 km unterhalb Schwefelberg Bad sich mit 
der Kalten Sense vereinigt. 

SEEBERG (Kt. Bern. Amtabez. Wangen). 
486 m. Gem. und Pfarrdorf, an der alten Post- 
strasse Zürich-Bern und nahe der Solothumer 
Grenze, 4 km nw. der Station Bietwil der Linie 
Ölten - Bern. Postbureau, Telephon; Postwa- 
gen Ilerzogenbiichsee-Grasswil und II erzogen - 
buchsee-Koppigen. Gemeinde, mit Juchten, 
Juchtenegg, Loch, Niedergrasswil, Begenh.il- 
den, Obergrasswil, Spiegelberg, Bietwil und 
einem Teil von Oschwand : 243 Häuser, 1722 
reform. Ew. ; Dorf: 5.'! Häuser. 384 Ew. Im Dorf 
Seeberg eine Maschinrnbauwcrkslätte und eine 
Branntweinbrennerei, in Bietwil je eine Gies- 
serei, Muhle und Säge, sowie ein galvanoplas- 
lisches Atelier. Vier Käsereien. Landwirtschaft. 
Die auf einer Anhöhe ausserhalb des Dorfes 
stehende Kirche ist 1516 restauriert worden 
und besitzt schone Glasmalereien altern und 
neuern Datums. 1 108 vergabte Agnes von Bhein- 
felden. die Gemahlin des Herzogs Berthold II. 
von Zähringen, den Kirchensatt dem Benedikli- 
nerkloster St. Peter im Schwarzwald. Am Ufer 
des nahen Burgäschisees, der jetzt zum Kanton Solothurn 
gehört, stand die heule verschwundene Burg Stein. Wiege 
der gleichnamigen Edeln. die der Beihe nach Ministerialen 
der Herzoge von Zähringen und der Grafen von Kiburg, 
sowie Bürger von Burgdorf, Solothurn, Thun und Bern 
waren und an diesen Orten (z. B. in Bern) angesehene Stel- 
lungen bekleideten. Brandolf von Stein. Kommandant der 
Besatzung von Grandson. wurde von den Bewohnern von 
Yverdon vor der Schlacht bei Grandson (1476) gefangen 
genommen. Sein Sohn Albert von Stein war Anfuhrer der 
Berner in den Feldzügen der Eidgenossen gegen Mailand. 
Die niedere Gerichtsbarkeit über Seeberg ging später an 
die Stadt Burgdorf über, die aie durch den Landvogt von 
Grasswil ausüben liess. 1406 kaufte Bern den Grafen von 
Kiburg den Blulbann und 1557 dem hlosterSt. Peterauch 
die Kollatur ab. Bezüglich der am Hurgäschisee vorge- 
nommenen Ausgrabungen vergl. den Bericht von Wiedmer 
im Archiv de* hislor. Verein* des Kant. //<>m(XVII, 1904 t. 

SEEBERGHORN (KL Bern. Amtabez. Saanen). 
2074 in. Schöner Aussichlsbers in dem das Thälchen der 
Beuschalp von demjenigen des Arnensces trennenden 
Kamm, zwischen der Palelte d'Isenau und dem Sludel- 
horn. Kann vom Col de Vore* und Chalet Vieux her in »fo 
sowie vom Col du Pillon aus in 1 :, , 4 Stunden bestiegen 
werden. 

SEEBERQSEE (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Simmen- 
thal). 1835 m. Kleiner See mit zwei Inselchen, auf der 
Seebernlp schon gelegen. Wird von den zerrissenen und 
an Edelweisa reichen Hängen der Geisslluh (2079 m) über- 
ragt. An seinen Ufern wachsen schöne Liliazeen. lmWinter 
1617 verirrte «ich der Maultiertreiber Nikiaus Ommli aus 



i I m n. d"r c !ntion Wolhusen der Linie Bern-Luzern. Stans in dieser Gegend und hielt sich während mehrerer 



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470 SEE 

Wochen, nahezu aller Nahrungsmittel entbehrend, in der 
Nähe des Sees auf. bis er eines Taftes zufällig aufgefunden 
wurde. Nach Zweisimmen gebracht, starb der vollständig 
erschöpfte Mann bald. Diese«« Kreignis wurde dann von 
Hans Wagispach aus Spicz in Verso gebracht, welcher 
Sang sich im Volksmund lange Zeit fori erhielt. Kr findet 
sich abgedruckt in der Heimatkunde det Simmenlhalet 
von D. liempeler- Schletti. 

8EEBODEN |Kt. Dbwalden, Gem. Lungern. i 659 in. 
Fünf Häuser am S.-Ende des Lungernsees und 1 km nw. 
der Station Lungern der llrünigbahn (Luzern-Brienzl. 20 
kathol. Kw. Kirchgemeinde Lungern. Viehzucht. Seiden- 
weberei. Drei Sägen. Die Häuser stehen auf dem 170 ha 
grossen Stück Land, das 181% durch die Tieferlegung des 
Lungernsees trocken gelegt worden ist. 

SEEBODEN (HINTERER und VORDERER) (Kt. 

Schwyz. Dez. und Gem. Küssnachl). 1029-1100 m. Alp- 
weide der grossen Schwyzer L'nterallmeind. auf einer 
Terrasse am NW. -Hang des Ri^i und 600-700 m über 
Küssnacht. L'mfassl «-ine Fläch«' von 200 ha und reicht 
einerseits von dem im S\V. gelegenen Kreuzboden bis 
zur Kreuzegg (Hotel mit Telephon), sowie andrerseits 
vom Bannwald bis zur Weissenfluh. Zerfällt in die Ab- 
schnitte Grodboden. Turbenmoos. Mühlimannsegg und 
Kreuzegg und liegt auf der Wasserscheide zwischen dorn 
Vierwaldstätter- und dem Zugcrsee. Fussweg von Küss- 
nacht auf Higi Staffel. 

SEEBODENhorn (Kt Wallis, Bez. Visp). 2815 m. 
Vorberg des Seethalhorns i3038 m) in der Gruppe des 
Balfrin, unmittelbar sw. über dem kleinen Hotel Huteggen 
an der Strasse Slalden-Saas Im Grund, von wo man ihn 
über die Schweibenalp in 4'/» Stunden besteigen kann. 
Stark verwitterte Felsen. 

SIEBÜHL (Kt. Hern. Amtsbez. Thun, Gem. Hofen 
661 m. Ehemaliger Weiler am S.-ITer des Uebischiseea. Der 
Hoden ist van der Eidgenossenschaft nach und nach auf- 
gekauft worden, weil ersieh in der Schusslinie des Waflen- 
platzes Thun befindet. Heute stehen hier noch 4 Häuser 
mit 27 reform. Ew. 

SE E BURG (OBER uml UNTER) (KL. Hez. und Amt 
Luzernj. 440 m. Zwei Häuser, am rechten Ufer des Vier- 
waldstälterseesund 3 kmo. Luzern. Haltestelle der Dampf- 
schiffe Luzern-Kussnacht. Postablage. Telephon. 25 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Luzern. Landwirtschaft. Pension. 
1624 wurde Seeburg von den Lu/erner Jesuiten angekauft, 
die hier ihre Ferien zu verbringen pllegten. Auf einer 
Anhohe steht die noch etwa 10 rn hone Ruine eines ehe- 
maligen runden Warlturmcs. Vergl. Schneller. Jos. Die 
Warttiirme tu Sinnsulad und Seeburg (im Ge»cliicht*- 
freund. 31, 1876.1 

UEDORF (Kt. Bern. Amtsbez. Aarberg i. .575 m. Gem. 
und Pfarrdorf, an derSlrasseAarberg-Frienisberg-Bern und 
3 km so. der Station Aarhcrg der Linie Lausanne- Payerne- 
Lyss. Postbureau, Telegraph, Telephon ; Postwagen Aar- 
berg-Meikirch. Die sehr ausgedehnte Gemeinde zählt zu- 
sammen mit Baggwil, BagKwilgraben, Ellenmoos. Frienis- 
berg, Mazwil, Frieswil, Lobsigen. Hebhalden. Hoissgarten, 
Huchwil. Dampfwil, Hollern. Aspi. Bätlli, Wiler. (Wrissen- 
berg, Hinterwiler, Bothol/ und Vorderwiler: 381 Häuser. 
2822 reform. Ew.; Dorf (in die zwei Abteilungen Ober 
und Unter Seedorf zerfallend! : .Vi Mauser. 316 Ew. Land- 
wirtschaft. Den Namen hat das Dorf nach dem kleinen 
Lobsigersee erhalten. Diese grosse < Gemeinde gehörte bis 
zur Beformation dem Kloster Frienisberg, dann bis 179K 
zur Land voglei Frienisberg, 1798-1803 zum Gericbtsbezirk 
Zollikofen und seither zum Amtsbezirk Aarberg. Wiege der 
durch ihre Wohltätigkeit bekannten Edeln von Seedorf. 
Die 1717 umgebaute Kirche besitzt einige Glasmalereien. 
An der Strasse Buchwil-Dampfwil sind Romergräber auf- 
gedeckt worden. 

SEEDORF (Kt. Freiburg. Bez. Saane. Gem. Noreaz). 
626 m. Weiler und L.mdlians in prachtvoller Lage nahe 
dem kleinen Seedorfsee. an der Strasse Noreaz-Av ry sur 
Matran. 2 km so. Noreaz. und 4 km nw. der Station Hose 
der Linie Bern-Freiburg-Lausanne. Telephon. 4 Häuser, 
2G kathol. Ew. französischer Zunge. Kirchgemeinde Prez. 
Ackerbau und Viehzucht. St. Niklauskapelle. Erziehungs- 
anstalt für abnormale Kinder. 1440 gingen die Freiburger 
dem von Mouilon herkommenden und ans Hasler Konz.il 
reisenden Papst Felix V. bis hierher entgegen. Bitter 



SEE 

Peter von Seedorf war einer der Wohltäter des Klosters 
llauterive. 1334 verkaufte Katharina von Neuenburg, die 
Wit«e des Bitters Wilhelm von Seedorf, verschiedene ihrer 
Güter zu Seedorf, Montagny, Grandsivaz etc. an Jakob 
Dives (Rieh). Bürger zu Freiburg. Bömeraiedelurig bei der 
Maison Bouge. 

SEEDORF (Kt. Thurgau, Bez. Kreuzlingen. dem. 
Landschlacht). Häusergruppen. S. die Art. Landsciilaght 
und Urrwti.. 

SEEDORF (Kt. Uri). 442 m. Gem. und Pfarrdorf am 
O. -Fuss des Gitschen. hinter dem obern Ende des L'rner- 




Kluttar Seedurf. 



sees und am linken Pferdes Beusskanales ; 2 km nw. der 
Station Altorf der Gotthardbahn. Postablage. 86 Häuser. 
596 kathol. Ew. Ackerbau, Viehzucht und Fischfang. Bruch 
auf Pflastersteine bei Butzbach. Im Sumpfland des Reuss-- 
deltas wird ein ergibiger Kang von Fröschen betrieben. 
Kirchgemeinde seit 1591. früher Filiale von Altorf. Benedik- 
tiner- Frauenablei, die unter dergeist liehen Gerichtsbarkeit 
des Abtes von Einsiedeln steht. Sehr schone Pfarrkirche 
aus dem 17. Jahrhundert. Der gefährliche Baiankenbach 
's die-en Art. i-t in neuerer Zeil verhaut und UtMChM* 
lieh gemacht worden. Das ums Jahr 1550 von Ritter und 
Oberst Peter a Pro erbaute Schlösschen A Pro ist im 

' Uebergangsstil von der Gothik zur Renaissance gehalten 
und geschmackvoll restauriert. Heute dient es als Pfarr- 

I haus. In seinem Rittersaal werden das Porträt des Stifters, 
sowie die preisgekrönten Entwürfe zum Teildenkmal in 
Allorf (von Kissling, Dorer. Pereda undSiber). im Korri- 
dor die alten Freskomalereien aus der Teilskapelle auf- 
bewahrt. Schöne Aussicht auf den l'rnersee bis Brunnen 
und zum Higi. Der Ort wird zum erstenmal 1254 erwähnt. 
Im Jahr HP.»" stiftete Arnold von Hrienz in der Nähe von 
Altorf ein Lazaritcrhaus . das zur Aufnahme von Aus- 
sätzigen, sowie kranken Pilgern und Priestern bestimmt 
war und in dessen Nachbarschaftsich bald fromme Frauen 
niederliessen um dem beschaulichen Gebet zu leben und 
die Kranken zu pllegen. Um 1287 und im Jahr 1321 ver- 
pflichteten sich die Frauen der Begel des h. Lazarus. 
Nachdem die beiden Ordenshäuser infolge von Ausschrei- 
tungen verschiedener Art zu Beginn des 16. Jahrhunderts 
aufgehoben worden waren, verwendeten sich Kaspar Inihof. 
damals Landammann von l'ri. und Magnus Benler beim 
Papst Paul VI. um die Beformierung und Wiederherstel- 
lung des Frauenklosters zu Seedorf, das nun durch päpst- 
liche Bulle vom 20. Juni 1.559 der Begel des h. Benedikt 
unterstellt und mit Benediktiner-Nonnen aus San Claro 
im Tessin besiedelt wart!. Seither ist seine Ruhe bloss im 
kmvjahr 1799 oocheininal gestört worden. Seedorf ist 
die Heimat der Ritter von Seedorf, von denen ein Johann 
um 1260 urkundlich genannt wird und die wahrscheinlich 
Dienstleutc der Vögte von Brienz waren. Beste ihrer Burg 
sind gegenüber dem Schulhaus heute noch zu sehen. 188o 
fand man im Kloster eine .Münze mit dem Wappenbild 
des Hilters Johann, die jetzt eines der seltensten Stücke 
des schweizerischen Landesmuseums bildet. Heimat der 
Landammänner Jakob und Peter a Pro, die unter dem 
Namen »de Vinasria • von Franz I. im April 1513 geadelt 
wurden. Landammanit und Bitter Peter a Pro (■{• 1585) 
war der bekannteste Urner seiner Zeil und vergabte die 
Zinsen seiner Güter, deren heutigerWerl 200000- 250000 Fr. 



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SEE 

beträgt, zur Erziehung armer Kinder 1799 fanden bei der 
Reussbrücke verschiedene Kämpfe zwischen den lirnern 
und Franzosen, sowie den Hussen und Franzosen statt, 
worunter das Frauenkloster stark zu leiden hatte. 1236 : 
Sedorr. Der Name erklärt sich daraus, dass der Urnersee 
einst his an das Dorf selbst heranreichte. Vergl. P. Galt 
Morel : Die ältesten Urkunden de* St. Lazarusspitales in 
Stedorf. {Geschxchlsfreund. 12, 1X56). — Denier, Ant. Die 
Latariterhäuierund da» Beneiitktinerinnenklaster tn See- 
dorf. (Jahrbuch für Schweizer Geschichte. 12, 1887). 

SEE DORF (MOOS) (Kt. Bern. Amtsbez. Fraubrun- 
nen). Gem. und Dorf. S. den Art. Moosskeuokk. 

SEEOORFBERG (Kt. Bern, Amtsbez. Fraubrunnen). 
767 m. Bewaldeter NO. -Ausläufer des Grauholzes, s. Schön- 
hühl. Am N -Hang steht das Denkmal des Gefechtes im 
Grauholz (1798) und befindet sich ein eidg. Schiessplatz. 
Trigonometrisches Signal in 754 m. 

SEE DORFFELD (Kt. Bern. Amtsbez. Fraubrunnen, 
Gem. Moosseedorf). 530-510 m. Gruppe von 8 Häusern in 
der Ebene sö. und nw. der Strasse Moosseedorf-Zollikofen, 
zwischen dem Seedorfsee und dem Hügelzug des Grau- 
holzes. 65 reform. Ew. Kirchgemeinde Münchenhuchsce. 
Landwirtschaft. 

SEEDORFSEE (Kt. Bern, Amtsbez. Fraubrunnen). 
526 m. Kleiner See n. vom Dorr Moosseedorf. 1 km w. der 
Station Schonbühl der Linie Oltcn-Bern. 1.2 km lang 
und im Mittel 300 m breit. Sehr lischreich. Wird seine« 
reichhaltigen Planktons wegen von Naturforsehern oft 
besucht. Der See hat infoLe der Trockenlegung seines 
sumpfigen Umgeländes und Kanalisation seine« Abflusses, 
der Urtenen. bedeutend an Fläche eingebüsst. Im Laufe 
dieser Arbeilen haben Dr. Uhlmann von Münchenbuch- 
see und Ür. Alb. Jahn von Bern einen bedeutenden Pfahl- 
bau aus der Steinzeit aufgedeckt. Im Winter dient die 
gefrorene Scellächc den in grosser Zahl herkommenden 
Bewohnern von Üern zum Schlittschuhlaufen. 

SEEDORFSEE (Kl. Freiburg, Bez. Saane). 616 m. 
Schöner kleiner See in einem einsl stark sumpfigen, jetzt 
aber durch wiederholte Trockenlegungen urbar gemach- 
ten Thal ; 1 km so. Noreaz. Hat einen Umfang von 1,8 km 
und eine Fläche von 10 ha Das unmittelbare Umgelände 
ist ein mit Binsen und Schilfrohr bewachsenes Sumpf- 
und Moorland, während die weitere Umgehung eine 
fruchtbare und gut angebaute Landschaft bildet, lien See 
speisen der von Kn C.heneau zwischen Prcz und Lovens 
(716 m) herkommende Ruisseau du Palon, der der Foret 
de Buchille bei Onnens (754 ml entspringende Huisseau 
des Taille», sowie verschiedene weitere Bäche von ge- 
ringerer Bedeutung. Der sehr fischreiche See wurde 1498 
an Nikiaus von Praroman und zwei andere Privatleute 
unter der Bedingung verpachte), dass die gefangenen Fi- 
sche auf dem Markte zu Freiburg verkauft werden müss- 
len. Am 10. April 1586 kam sodann das Fischrecht an 
Jost Fegely, den Schlossherrn von Seedorf. der dafür 300 
Gulden zu bezahlen und dem Landvogt von Montagny das 
Recht zum Fischfang einzuräumen hatte. 

SEEFELD (Kl. Bern. Amtsbez. Interlaken). 1800 m. 
Ostllanke des mit senkrechten Felsbastionen zum Thal 
der Zulg abstürzenden Sohllluhgrates. dessen S. -Gipfel, 
die Scheibe (11156 in i. hinten über dem Justislhal steht. 
Das sanft gegen das llabkernlhal sich senkende Seereld 
bildet ein zerklüftetes Karrenfeld, das einigen magern 
Gras- und Tannenwuchs zeigt. Zahlreiche Klüfte, Schächte 
und Höhlen, wie u. a. die von St. Beatenberg her in 4 
Stunden zu erreichende Tropfsteingrotte, die noch nicht 
vollständig erforscht ist. Die Legende erzählt, dass auf 
dem Seefeld einst eine volksreiche Stadl gestanden habe. 
Die Leute der Gegend glauben, dass das oft plötzliche 
Anschwellen des der Sl. Bealuwhohle enlfliessenden Baches 
mit einem merkwürdigen, einem Donnerschlag ähnlichen 
Geräusch in Zusammenhang stehe, das man hie und da 
aus der Gegend des Seefeldes her zu vernehmen pflegt 
und besonders auch in Interlaken und Umgebung deut- 
lich wahrnimmt. Es gilt als ein Anzeichen kommenden 
schlechten Wetters und wird im Volksmund die » Muste- 
rung auf Seefeld » genannt. Aehnliche akustische Erschei- 
nungen sind das im Berner Seeland bekannte « Murlen- 
schiessen » und das » Seesen iessen » am Bodensee. Die 
an das Karrenfeld auf dem Seefeld angrenzende Seefeld- 
alp gehörte im Mittelaller dem Kloster Interlaken. 



SEK 471 

SKEFELO (Kt. Zürich. Bez. Winterlhur, Gem. Zell). 
535 m. Gruppe von 5 HäuBcrn, am linken 17er der Töss 
gegenüber der Station Rämismühle-Zell der Tössthalbahn 
(Winlerthur-Waldl. 22 refonn. Ew. Kirchgemeinde Zell. 
Wiesenbau. 

SEEFELD (Kt.. Bez. und Gem. Zürich. Kreis V). 
410-420 m. Teil der Stadt Zürich im Quartier Hiesbach, 
am rechten Sceufer vom Stadttheater bis Tiefenbrunnen 
reichend. Vergl. den Art. ZCnn.H (Stadt i. 

SEEFELDALPfKt.Obwalden.Gem. Sachsein). 1849m. 
Alpweide mit zwei kleinen Seen, am W.-Ilang des nrü- 
nigshaupt und 5-6 Stunden s. über Sachsein. Wird mit 
etwa 60 Kühen bezogen und ist Eigentum der Korporation 
Sachsein. Zwei Hütten. 

SEEFLUH (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Simmenthai). 
1200 m. Anhöhe 1 km hinter der Lenk, am linksseitigen 
Thalgehänge. Schöne Aussicht auf die Lenk und Um- 
gebung. Promenadenwege mit Ruhebänken. Fundort von 
interessanten Fossilien. In dem von der Simme durch- 
tlossenen sumpfigen Gelände am Fusse der Seefluh, das 
einen alten Seenoden darstellt . entspringen mehrere 
Quellen und befindet sich eine Fischbrutanslalt zur Auf- 
zucht von Forellen. 

SEEQLETSCHER ( Kt. Graubünden, Bez. Ober Land- 
quarl). 3030-2166 m. Gletscher an der N. -Flanke des nw. 
vom Gross Seehorn und s. vom Plattenspitz stehenden 
Klein Seehorns und hinten über dem Seelhai, von wo 
er aber wegen des sich einschiebenden W. -Grales dieses 
Herges nicht gesehen werden kann. Er füllt die oberste 
Stufe des Seethales aus . die nicht mehr von S. nach 
N., sondern von W. nach O. ansteigt. Unten endet der 
Gletscher am Schottensee (24*16 m). Den N.-Rand des 
Gletschers bildet eine im Bogen herumziehende Berg- 
wand, über welche die schweizerisch-österreichische 
Grenze verläuft und in der der Plaltenspitz (2858 m i als 
Hauptgipfel gilt. Alle Spitzen dieses Kammes können vom 
Seegleischer aus bestiegen werden, am leichtesten der 
Plattenspitz über massig steile Schutthalden. Den Glet- 
scher erreicht man vom Seetha! her am Schotlensee vor- 
bei oder über die Scharte zwischen Klein und Gross See- 
horn. Ausserdem sind noch verschiedene Uebergänge vom 
Gletscher aus möglich, so vom Schollensee her westwärts 
ins Schlappinthal oder dann am Plattenspitz vorbei einer- 
seits ins Garnerathal und andrerseits ins Cromer- und 
Gross Fermuntthal, oder endlich über die Secgletscher- 
lückc ebenfalls in die letztgenannten beiden Thäler. 

8EEGLET8CHERLOCKI (Kt. Graubünden, Bez. 
Ober Landquart). Etwa 2790 m. Gletschcrpass zwischen 
dem Gross Seehorn und dem Plaltensnilz. hinten über 
dem Seethal und dem Seegletscher. Verbindet das See- 
thal über den Seegletscher und den österreichischen Lilz- 
nerferner mit dem Cromer- und Gross Fcrtnunllhal im 
Vorarlberg. 

SEEORABEN (Kt. Zürich. Bez. Hinwil). 568 m. 
Gem. und Dorf, am SW.-Ende de« Pfaflikersces und 
1 km n. der Station Aalhal der Linie Zürich-Usler-Hap- 
pcrswil. Postbureau, Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit 
Aalhal. Aretshalden. Ottenhausen und Sick : 97 Ilauser. 
780 Ew. (wovon 93 Katholiken): Dorf: 28 Häuser, 118 Ew. 
Wiesen- und Obstbau Baumwolleninduslrie in Aalhal. 
Die « Heidenbui-g » im Aalhal ist ein Rcfugium der Stein- 
und Eisenzeit mit Wällen und Gräben. Einzelfunde aus 
der Steinzeit. Grabhügel aus der Hallslattperiode ini 
Hockler. Bedeutende Hömersiedelung in Bürgten bei 
Ottenhausen. Fund eines romischen Altarsteines. Eine 
mittelalterliche Burg ist in Seegräben bis jetzt nicht 
nachgewiesen. 12l9vergabte Lütold von Regensberg seine 
Güter zu Seegräben dem Kloster Buti. behielt sich aber 
das Patronat und Schutzrecht vor. 1408 kam der Ort 
an Zürich, das ihn seiner l.andvogtei Grüningen an- 
gliederte. Bildete ursprünglich eine besondere Pfarrei, 
wurdedann aberden Kirchgemeinden Gossau und Grünin- 
gen und seit 1621 der Pfarrei Wetzikon zugeteilt, deren 
Filiale es heute noch ist. Der zunächst den Herren 
von Hreitenlandenberg zustehende Kirchensatz kam 11)26 
an Heinrich Weber von Egg und 1563 an den Rat von 
Zürich. Vergl. Bahn. J. B. WandgenmUhr in der Kirche 
zu Seegrätien (in der .-4Mfi</i«i. 1885). - Schneider. Alb. 

| Römische Altertümer "« Seegrülten (im Anzeiger für 

i schweizer. Altertumskunde. 1885i. 



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472 SEE 

SIIQRUBIN (Kt. Graubüoden, Bei. Plesaur. Kreis 
Schanflgg, Gera. Arosa). 1770 m. Gruppe von 4 Häusern 
am W.-Oier des Untersees, 1 km o. Arosa und 29 km so. 
Chur. Telephon. 65 reform. Kw. deutscher Zunge. Kirch- 
gemeinde Arosa. Wiesenbau und Viehzucht. Zwei Motels 

6tC HAUSERN (Kt. Luzern. Amt Sursee. Gem. Ober- 
kirch). 520 m. Gruppe von 5 Häusern, am VW-Ufer des 
Sempachersees und 2.5 km sö. der Station Sursee der 
Linie Olten-Luzern. 44 kathol. Ew. Kirchgemeinden Sur- 
see und Oberkirch. Viehzucht und Milchwirtschaft. Fisch- 
fang. Seehäusern ist wahrscheinlich der im Habsburger 
Urbar erwähnte ehemalige Weiler Stege. 

SIIHAU8 (Kt. Zürich, Bez. und Gem. Borgen). 414 m. 
Weiler, am linken Ufer des Zürichsees 1 km nw. der Sta- 
tion Morgen der linksufrigen Zürichseebahn (Zürich-Hor- 
gen-Wädenswili. 10 Häuser, 60 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Morgen. Wiesen- und Gartenbau. Eine Färberei 
und eine Asphaltfabrik. 

SEEHOF (Kt. Bern, Amtsbez. Münster). Gemeinde. 
S. den Art. Et-AY. 

8CEHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder und Ober 
Simmenthai). Gipfel. S. den Art. RömiHonN. 

SEEHORN ( Kt. Graubünden. Bez. Hinterrhein). 
2760m. Gipfel in der vom Sureltahorn (3025 in) nach N. 
streichenden Kette zwischen dem Splügenpasslhal und 
dem Surettathal ; 2,6 km n. vom SuretLahorn und 4 km 
so. Splügen. Nach .V. dem llinterrhcinthal zu, setzt sich 
der Grat in das Mittaghorn i244l m) fort. Am Fuss des 
VW- Hanges liegen auT hoher Hasenterrasse die drei scho- 
nen und ansehnlichen Splügenerbergseen ( 2198 und 
2270 tu), die Seeforellen (Satmo lacutlrts) und Kllritzen 
{Phojcinus laevi») beherbergen. Das Seehorn kann von 
diesen Seen aus in 2 Stunden unschwierig erstiegen wer- 
den. Gesteine sind grüner Roffnagneis (der nach Holle 
ein Aequivalent des Verrucano und somit jünger als die 
übrigen kristallinen Bildungen des Sorettamassives sein 
soll) in Gestalt von Grnnitporphvr-Gneis mit einem nach 
NO. zum Surettathal hinabreichenden eingefallen Strei- 
fen von marmorisieftem Kalkstein, sowie Dolomit und 
Zellen- oder Hotidolomit der Trias. Im S. folgt gegen den 
Stirettagletscher hin Granitporphyr mit einem einge- 
klemmten Zug der nämlichen Sedimentgesteine. 

SEEHORN (Kt. Graubünden, Bez. über l.andquart). 
2242 m. Bis hoch hinauf dicht bewaldeter, in den obern 
Partien aber doch mehr felsiger Gipfel auf der O. -Seite 
des Mavosersees. An seinem Fuss fuhrt ein hübscher 
Waldweg von Bavos Dorf an das obere Ende des Sees 
und von da einerseits nach dem Wolfgang i Obergang ins 
Prätigau) und andrerseits in die Alp Drusatscha. Auch 
die Eisenbahn Landquarl-Bavos führt hier entlang. Der 
Berg kann von der Alp Drusatscha (Maiensass) wie auch 
von der Multengruppe Bedera im vordem Teil des Flüela- 
thales aus leicht bestiegen werden. Er bietet einen 
sehr hübschen Ueberbliek über die Landschaft Bavos 
mit ihrem See und den zwei stattlichen Orten Dorf und 
Platz. Ueber das Hornli (2448 ml und den von hier nach 
OSO. ziehenden Kamm hangt das Seehorn mit dem Pi- 
schahorn (2982 m) zusammen. Am SVV.-Kuss des See- 
horns erhebt sich auf einer Terrasse über der sog. Stille 
in schöner und geschützter Lage der stolze Bau des Basler 
Sanatoriums. 

SEEHORN (Kt. Graubünden, Bez. Plessur und Ober 
Landquarl). 2283 m. Gipfel in der Totalpgruppe der 
Plessuralpen ; 2,1 km n. der Weisslluh 12848 ml. Wenig 
felsige, bis gegen die oberste Spitze hin grüne und (mit 
Ausnahme des S. -Abfalles) sanfte Hohe, zu deren Seiten 
im O. der Casanna- und im VV. der Murannapass von Lang- 
wies im Schanfigg einerseits in die Alp Casanna |iS)37 m) 
und andrerseits in die Fideriser Alp Muranna (2058 m) 
und nach Serneusund Conlers im hintern Prätigau hinab- 
führen. Im NO. erhebt sich der überall begrünte Gauder- 
grat; im N. liegen der auf einer fast ebenen Hochfläche 
ruhende See 42140 m) über der Alp Duranna irnit zwei 
weitern winzigen Becken) und ein ausgedehntes Hied- 
und Torfgebiet : im S. entspringt zwischen dem Seehorn 
und dem Schaflunn der gegen Langwies hiuahrinnende 
Kondeierbach. Die nähere Umgebung des Seehorns ist 
überhaupt von grosser Sanftheit una Lieblichkeit und 
mit blumenreichen Triften. Alpwiesen und -weiden ge- 
schmückt. Nur auf der S. -Seile zeigen sich auch Schutt- 



SEE 

striche (Reckholderalp). Hauptgesteine sind graue 
Bündnerschiefer (wohl eozäner Flysch) und kalkige 
Schiefer mit Echinodermenresten, die den Kreideflysch 
repräsentieren dürften. Weiter im VV., gegen den Kislen- 
stein hin, enthält der graue Kalkton- und Tonschiefer 
ein Gipslager. Im SO., im Quellgebiet des Fondeierbaches, 
folgen kristalline Schichten i Phyllit und Gneis) und im 
O.. überm Casannapass im Obersässthäli. bunte Bündner- 
schiefer und Serpentin. Gegen die Casanna und Schaf- 
turm- Weisslluh hin liegen auf dem Kristallinen Kalke 
' und Dolomite der Trias in höchst komplizierten Lagerungs- 
verhältnissen. 

SEEHORN (Kt. Wallis, Bez. Brigt. 2454 m. Auf 
zwei Seiten felsige und auf der dritten begraste Pyramide 
in dem Dreieck zwischen dem Thal der Diveria, der 
Simplonstrasse. Gondo, dem Zwischbergenthal , der 
Furgge und Algaby. Rechts über dem Slrassenslück Al- 
gaby-Gondo. Kann von Algaby her über die Furgge (oder 
Furggelipass) in 4 Stunden leicht erstiegen werden. Sehr 
interessante, aber beschrankte Aussicht. Der Gipfel be- 
steht bis zur Pigenenalp herab, von woher er durch ein 
ziemlich gefährliches Couloir erklettert werden kann, 
aus schieirigem Gneis ; bei Eigenen zeigt sich eine Ein- 
lagerung von weissem Marmor und dunklen Schichten 
mit Granaten, während der Ber^fus* endlich aus Auti- 
gorio^neis. in den die tiefe Schlucht von Gondo einge- 
schnitten ist. besteht. 

SEEHORN (GROSS) (Kt. Graubünden. Bez. Ober 
Landquarl). 3123 m. Höchster Gipfel der Gegend des See- 
lhaies; 12 m höher als der den Felskletterern so wohl 
bekannte Gross Litzner, \on diesem nur durch eine enge 
Scharte getrennt und früher oft mit ihm verwechselt. 
Hinten über dem Seethal und 11,5 km onö. Klosters im 
Prätigau. Gross Seehorn und Gross Litzner sind voll- 
kommen ebenbürtige Gestallen, der eine so troUig und 
herausfordernd wie der andere, eigentlich nur die zwei 
Türme eines einzigen mächtigen Felsgenistes. Von den 
Touristen wird freilich der Gross l.itzner vorgezogen, 
teils weil er der Silvretta-Klubhültc näher ist. teils auch 
wegen seines kühnen Felsobelisken, der von weither gar 
sehr in die Augen sticht und zur Erweiterung reizt. 
Doch ist auch das Gross Seehort» kein leichter Berg und 
erfordert ebenfalls Mut und Geschick. Oft wird ea mit 
dem Gross l.itzner zusammen erklettert, indem man den 
letzlern über den SO. -Grat oder die S.-Wand erreicht 
und dann in die Scharte zwischen den beiden Gipfeln 
absteigt, um von da das Seehorn auzugreifen. Das letztere 
ist jedoch auch über verschiedene Bippen und Couloirs 
der S.-Wand, sowie vom Seegletscher aus und über den 
NW. -Grat zu erreichen. 

SEE HORN (KLEIN) (Kt. Graubünden. Bez. Ober 
Landquart). 3010 und 3034 in. Doppelspitziger Fels- 
gipfel hinten über dem Seethal , vom Gros Seehorn 
13123 m) durch eine tiefe Scharte (2858 inj getrennt. An 
der N.-Flanke liegt der Seegletscher, über den der Gipfel 
erstiegen werden kann. 

SEELAND ( Kt. Bern). Landschaft des Kantons Bern ; 
besteht aus den Amtsbezirken Aarberg, Biel, Buren, Er- 
lach und Nidau. Es bildet den am weitesten gegen NW. 
vorgeschobenen Abschnitt des allen Kantonsteiles und er- 
streckt sich vom Neuenburgersee und vom Kanton Frei- 
burg bis an den Kanton Sololhurii, sowie vom Frienisberg 
bis auf deu Kamm der aü dlichsten Jurakette. Die Bodener- 
hebungen gehen nur im S., im Frienisberg. bis zu einer 
Höhe von 850 m und an der N.- Grenze bei Magglingen 
bis zu 91)0 m. Frienisberg, Jensbelg. Büttenberg und 
Jolimont, die alle dem Jura parallel laufen, sind bewaldete 
Tafelberge aus Süsswassermolasse und stehen gebliebene 
Beste des Plateaus inmitten der grössten Ebene des 
Kantons; sie gehen einerseits vom Neuenburgersee 
(Grosses Moos) und andrerseits von Bern (Grauholz) aus. uro 
sich in der liegend von Solothurn zu vereinigen. Auch 
der Btichegiiberg gehört der untern Süsswassermolasse 
an. Wo diese unter die Alluvionen der Ebene taucht, 
ist der Boden mit den Moränen des eiszeitlichen Rhone- 
gletschers bedeckt, denen er bedeutende Fruchtbarkeit 
verdankt. Der Abschnitt w. der Aare, sowie zum gruasten 
Teil auch die Ebene zwischen Frienisberg und Jensberg ge- 
hören dem ausgedehnten Gebiet des Grossen Mooses an t s. 
diesen Art.). 



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SEE 



SEE 



473 



, DU, Schüw und Liwbach entwässerte 
hat sich im Lauf« 
So ist wahrscheinlich im Altertum 

grosser gewesen, 
wovon u. a. die 
Ueherresle von Ba- 
hnanlagen hei Port 
zeugen. Da/u haben 

die periodischen 

Ueberschwenimun - 
gen von Aare und 
Zihl gross*- Strecken 
in einen Sumpf ver- 
wandelt. Anregun- 
gen und Versuche 
Mir Abhilfe von Sei- 
ten der Regierung 

(Benjamin Anton 

Tillier) gentigten 
nicht, und alle Vor- 
schlage ii ml l'ro- 
tx-arbeilen zur Ent- 
siimpfung brachten 
•lern Lande kein 
Heil, bis die im 
Jahr 1839 vom Arzte 
Hudolf Schneider in 

Nidau gegründete 

Aktiengesellschaft 
die Plane des In- 
genieurs La Nicca 
studierte und 1867, 
als der Hund 5 Mill. 
Kr. Subvention be- 
willigt hatte, da» 
ganze Projekt aus- 
zuführen beschloss. 
So wurden nun der 
Hagneckkanal ton 
Aarberg in den Bie- 
lersce, der Kanal 
von Nidau nach 
Büren, sowie die 
Korrektion der Broye und Zihl durchgeführt, spater auch 
diejenige der Schuss, .welche heute von der Gemeinde- 
gren/e von Meli weg in drei Armen den Bieleraec und die 
/.ihl erreicht (Juragewasserkorrektion). Durch diese 
Korrektionen ist dem Seeland ein gewaltiger Komplex 
Land zurückgegeben worden, das nun unter der Hand 
lleissiger Leute allmählig zur Kultur aufersteht. Nicht 
nur an den Ufern des allen Aarebettes, sondern auch im 
westl. Te<le. gegen den Neuenhiirgersee hin, wo die 
Strafanstalt Witzwil viel Land urbar gemacht hat, ent- 
stehen an Stelle einstiger Weidengebtische und Ried- 
gräserhorste schone Getreidefelder und Gemüsepll.m- 
zungen. Seitdem in Aarberg eine grosse Rübenzuckerfabrik 
gegründet worden ist, werden gewaltige Strecken des 
einitigen Moorlandes mit der Zuckerrübe angebaut. In- 
folge mangelnder einheimischer Arbeitskräfte sahen sich 
die Unternehmer genötigt, polnische Arbeiter zu en^a- 
gieren, die gleich den Zugvögeln im Frühling anrucken 
und im Herbst wieder in ihre Heimat zurückkehren. 

Die Landwirtschaft, verbunden mit Milchwirtschaft und 
Aufzucht von jungem Vieh ist im Seeland der haupt- 
sächlichste Erwerbszweig. Das ganze Areal umtasste nach 

Aecker 
Wiesen 
Weiden 
Wald 
Reben 

Unproduktives Land 
Total Areal 

zu beachten ist, dass sich seither ein wesentlicher 
Teil des unproduktiven Landes in Kulturland verwan- 
delt hat. 

Der am NW. -Ufer des Hiclcrsee» und den Abhangen 
des Jolimunt betriebene Weinbau liefert in guten Jahren 
einen recht ansehnlichen Ertrag, meist in Weisswein. 
Die besten Lagen sind bei Ligerz, Twann und Gampelen. 



Leider haben die verschied* 
rch amerika 
nach und nach vollzieht 

l 3 ^ 



die 




Der V.ehstand im Seeland ergab im Jahr 1901 



Rindvieh 
Pferde 
Schweine 
Schafe 
Ziegen 
Bienensto 
Vergleicht man die verscl 
tnns Bern untereinander, 
ding* auf 100 Einwohner 



■27 UM 
4 119 
P.ISIS 
1767 
6773 
5609. 

nen Landesteile des Kan- 
piniiuMi im Seeland aller- 
wenigsten Vieheinheiten 



(nämlich nur 49,8, während z. B. das Oberland die Zahl 
88,0 erreicht). Im alten Aarebett hat man in neuester 
Zeit die Gänsezucht eingeführt, und einen hübschen Er- 
trag 



15 284 ha 
11514 > 
244 . 
11077 . 

541 • 
8 070 . 
T6730 ha. wobei wohl 



hurgergM 
sind 46<\, 



liefern ebenfalls die Torfgewinnung und an der Frei- 
lenze der Tabakbau. In Gewerbe und Industrie 
5% aller Kinwohner tälig, wovon über 5000 sich 
mit Uhrenmacherei beschäftigen, deren Zentren Biel, 
Madretsch und Lisa sind. Grossere Konstruklionswerk- 
statten finden sich nebst Biel auch in Matt und Nidau. 

Politisch besteht das Seeland aus 5 Aemtern mit 71 
Gemeinden, die zusammen:« Kirchgemeinden bilden. Die 
Wohnbevölkerung beträgt 78 285 Seelen, die ausser 5481 
Katholiken der reformierten Konfession angehören. 
676IS Ew. sprechen deutsch und 9634 das Französische 
als Muttersprache. 16-22S Haushaltungen in 9064 Häusern. 
Die Sprachgrenze zieht sich vom Dorfe Hotmund auf 
der Jurahöhe über Pieterlen dem Rücken des Bozinger- 
berges entlang, setzt bei Frinvillier über die Schuss, 
steigt über Leubringen (Evilard). das deutsche Ma^glingen 
umgehend, nachdem Tessenherg i'Montagne de Dicssej, 
senkt sich bei Schalls an den See hinab und folgt dann 
der Zihl bis zum Neuenburger-, sowie dem Broyekanal 
bis zum Murtensce. Riel und Madretsch haben deutsche 
und französische Schulen. Der deutsche Dialekt des See - 
landes ist etwas breit und mit vielen französischen Aus- 
drücken vermischt. Einen vom übrigen Seeland etwas 
abweichenden Dialekt haben noch die altern Rewohner 



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SEK 



SEE 



am Bielersee. Leider aber verschwindet derselbe je länger 
je mehr. Die Ortschaften an der Sprachgrenze haben alle 
eine doppelte, deutsche und franzosische, Benennung. 




Blick vom Chiumont auf da» Seeland 

Das Seeland bildet einen eidgenössischen Wahlkreis 
und mit Einschluss der mittelländischen Aemter Frau- 
brunnen und Laupen einen Assisenkreis. Eisenbahnen : 
Solothum-Biel-Neuenburg, Kiel- Lisa -Bern, Solothum- 
Lisa-Murten. Bern-Neuenburg (Direkte), sowie die beiden 
Seilbahnen von Biel nach Leuhringen und nach Ma^ r 
lingen. Die Erstellung einer Seilbahn Ligerz-Prägelz 
l Prclesi soll in nächster Zeit in Angri IT genommen werden. 
Auf dem Bielersee bestehen regelmassige DampfschifTkurse 
von Erlach nach der St. Petersinsel und Neuenstadt und 
im Sommer von Biel nach der St. Petersinsel. 

Charakteristisch sind im Seeland die allen kleinen 
IjindsUidtchen Büren. Aarberg, Erlach und Nidau, die 
freilich von vielen Dorfern an Einwohnerzahl und 
Bedeutung überflügelt worden sind. Dasällercseeländische 
Bauernhaus weist nuch oft ein mächtiges Strohdach auf 
und ist aus Holz gebaut. In Verkehr und Mandel bildet 
Biel den Mittelpunkt; Aarberg hat grosse 
Pferde- und Viehmäikte. 

In historischer Beziehung bietet selten eine 
(•egend so viele l'eberreste uralter Niederlas- 
sungen wie das Seeland. Pfahlhaustationen 
sind sehr zahlreich am S.-Ufer des Bieleraees 
in Sulz, Laltrigcn, Morigen. Gerollingen. 
Tau Helen und Vinelz. aber auch gegeuul.er 
bei Ligerz, Twann und am S.-Ufer der St. Pe- 
tersinsel. Sie stammen von keltischen l'rein- 
wohnern und forderten zahlreiche Funde aus 
allen drei Perioden zu Tage, die zum grünsten 
Teil im Museum Schwab in Biel, dann auch 
im Hifitorischen Museum zu Bern und im 
l.andesmnseum zu Zürich (Sammlung Gross) 
aufbewahrt sind. Zahlreich sind auch die 
keltischen Kultstätlen il leidensteine i und 
Grabhügel. Die erstem helinden «ich meist auf 
Höhenzügen in den heiligen Hainen und be- 
stehen aus erratischen Blöcken, an deren Ober- 
fläche Schalen eingehauen sind, über deren 
Zweck man bis heute ziemlich im Lnklaren 
ist. Die Grabhügel oder Erdburgen sind auf 
den Höhenzügen ebenfalls sehr zahlreich und 
«teilen die Hiihestallen keltischer Familien 
dar. Man fand darin zahlreiche Knochen- 
gerüste, Wall. -ti . Schmucksachen in Erz und 
Gold. Neben den Grabhügeln haben wir zahl- 
reiche Anlagen von mit Pfahlreihen umgebenen Erdbur- 
gen, die dort standen, wo ein Ausläufer eines Bergrückens 
durch einen tiefen Einschnitt von dem eigentlichen Höhen- 
zuge getrennt war. Die römischen Niederlassungen im 



Seeland sind zahlreich. Am interessantesten erscheinen die 
Buinen der einstigen Stadt Petmesca bei Studen (s. diesen 
Art.). Aber auch oei Mett, Walperswil. Ligerz. Buti und 
Leuzingen. auf dem Büttenberg, 
dem Jensberg und dem Schalten- 
rain hat man Spuren romischer 
Siedelungen aufgedeckt. Bei Peti- 
nesca vereinigten sich vier römi- 
sche Heerstraasen. Die eine führte 
durch die El>ene des Grossen 
Mooses nach Aventicum. eine zweite 
über Noidowa (Nidau i nach Nu- 
gerol i Landeron Iii- Genova. eine 
dritte verband Pctinesca mit Salo- 
durum und Vindonissa, und die 
vierte führte über Mett der Tau- 
benlochschlucht entlang, wo bei 
Frinvillier auf einem hohen Felsen 
sich die Buinen eines römischen 
Wachtturms belinden, durch die 
Pierre Pertuis nach Basilea. Als 
die Alemannen im Jahr 406 sich 
in der Schweiz bleibend nieder- 
liesscn, gründeten sie im Seeland 
zahlreiche Siedelungen, worauf 
die vielen • wil > und andere Orts- 
namen hindeuten. Die Kultur des 
lindes ging aber rasch rückwärts, 
und Petinesca verödete. Nach 
dem allmähligen Niedergang der 
karolingischen Macht verschwand 
die alte Gaueinteilung. Der grösste Teil des angren- 
zenden Jura bildete das Königreich Hochburgund, 
und im Seelande (dem einstigen « Inselgau») ent- 
standen die Grafschaften Bargen, Olligen, Penis, Lau- 
pen, Sogren (oder Seedorf) und Neuenburg. Die letzte 
wurde die ausgedehnteste, und das herrschende Ge- 
schlecht teilte sich in eine gräfliche und eine herr- 
schaftliche Linie. I wird Dudolf von Neuenburg zum 
Grafen von Nidau, Lirich zum Grafen von Aarberg und 
ßerchtold zum Grafen von Strassberg. Die mittelalter- 
lichen Burgen, von wo aus diese Herren mit ihrem Ge- 
folge ihre Streifzüge unternahmen, sind teilweise noch 
erhalten, so die Schlösser von Erlach und Nidau, während 
diejenigen von Aarberg und Büren ein neues Gepräge 
tragen. Buinen findet man noch bei Vinelz i Ussenburg), 
bei Büren (Slrassherg), Ligen und Ulligen. Im 14. Jahr- 
hundert wurde die Macht der Grafen gebrochen. 1H66 




Heuernte im Seeland. 

starben die Sirassberg aus. Lt7.> liel der letzte Graf von 
Nidau im Schlosse zu Büren, von einem Guglerpfuil ge- 
trogen, und 14*20 erlosch das Geschlecht der Grafen von 
Aarberg. In den Fehden zwischen der aufstrebenden 



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SEE 



SEE 



475 



Stadt ßem und den umwohnenden Grafen, sowie mit 
Oeslerreich, gelang es Bern, 1388 die Herrschaften Büren 
und Nidau an sich zu reissen, nachdem es sich schon 
1379 vom König Wenzel mit der Herrschaft Aarherg, 
welches Städtchen es um 5200 Gulden ankaufte, hatte 
belehnen lassen. 1410 erwarb Bern die Grafschaft Oltigen 
und 1484 die Herrschaft Erlach. Damit war das Seeland 
in seinem heutigen Bestände (ausser Biel, das erst 1815 
hinzukam und den geistlichen Gebieten) bernisch gewor- 
den. Neben den Grafschaften hatten auch die Klöster 
im Seeland bedeutenden Besitz. So der Kluniazenser- 
orden in Belmont und auf der St. Petersinsel, die Bene- 
diktiner in St. Johannsen bei Erlach, die Zisterzienser 
in Frienisberg und die Prämonstratenser in Gottstadt. 
1528 wurden die Güter dieser geistlichen Stiftungen 
säkularisiert. Aus dem gesamten erworbenen Gebiet 
schuf Born die 4 Vogteien Aarberg, Bären, Erlach und 
Nidau, bis der Umschwung der Dinge nach der franzo- 
sischen Revolution in der Mediation und zuletzt 1815 dem 
Landesteil die heulige Einteilung gab. 

Bibliographie : Schneider, lind. Das Seeland tler \\ est- 
Schweiz. Bern 1881. — Mnlinen. v. Heimatkunde des 
Kantons Bern : Seeland . Bern 1803. — Hirt. />«• Kämpfe 
von {708 um den Bietersee herum. Biel 1808. — Pagan. 
Versuch einer ökonomischen Beschreibung der ljxnd- 
vogtei Midau. Bern 1760. — Sterchi. Jakob. Aarlterg bis 
zum V ebergang an Bern. Vortrag, Bern 1877. — Frieden, 
B. Das Kloster Frunisberg . Bern 1872. — Vergl. ferner 
die den ganzen Kanton Bern betreffenden Geschichts- 
werke. IC. k t . ■ i n i.nstki.n ] 

seelen (die veroammten) (Kt. Bern, AroU- 
bez. Interlaken). So nennt G. Studer in seinem Pano- 
rama von Hern (Bern 1850) zwei auf dem Scheitel des 
Schreckhorns hängende Firnflecken, die auch « Die ver- 
fluchten Nonnen » neissen. Vergl. den Art. Sciirkckiiorn. 

seelen en (bei DEN) (Kt. Glarus). 2150-2250 m. 
Nördl. Abschnitt der von der Südpartie der Seldldkqtte 
/.um W.-Fuss des Gufelstockes und des llochgralcs sich 
erstreckenden Fäsisalp. In einer längs dem lloehgrat zie- 
henden Senke liegen mehrere Seelein, deren Becken von 
dem diese Hochflächen einst überdeckenden Gletscher 
ausgehohclt worden sind. Der Boden der Seen besteht 
aus Botidolomit und Quartenschiefer. 

Seelhofen (OBER und UNTER) (Kt. Bern, 
Amts bez. Se fügen, Gem. Kehrsatz). 525 m. Zwei Gruppen 
von zusammen 9 Ilausern, an einem über der Mündung der 
Gürbe in die Aare gelegenen Moränenhang und 1.5 km 
nö. der Station Kehrsatz der Gurbotltalhalm 
(Bem-Burgistein-Wattenwil-Thun). 97 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Help. Acker- und Obsthau, 
Viehzucht. 

8ECLI Kt. Bern, Amlsbez. Interlaken, 
Gem. Hofstetten). 660 m. Gemeindeabteilung 
und S.-Abschnilt det Dorfes Hofstetten, 1 km 
nw. der Station Bricnzwiler der Hrünighahn 
I I.uzern-Brienz). 22 Häuser, 22t reform. Ew. 
Kirchgemeinde Brienz. 

SEELI (Kt. Bern. Amtsbc/.. Laupen). 538 m. 
Kleiner See mitten im Wald, am linksseitigen 
Gehänge des Saanelhales und 2,6 km w. Laupen. 
150 m lang und 100 m breit. 

SEELI r Kt. Freiburg, Bez. Sense, Gem. 
Alterswil). 743 m. Gruppe von 6 Häusern ; 
2.5 km so. Tafers und 8 km osn. vom Bahnhof 
Freiburg. 28 kathol. Ew. deutscher Zunge. 
Kirchgemeinde Tafers. Acker-, Wiesen- und 
Obstbau. Viehzucht. 

SEELI (Kt. St. Gallen. Bez. Alt Toggen- 
burg, Gem. Kirchberg). 746 m. Gruppe m 7 
Häusern am l.'fer eines kleinen Sees. ;i00 m s. 
Gähwil und 8 km w. der Station Bazenheiil 
der Tuggenburgerhahn. 41 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Gähwil. Viehzucht. Stickerei. 

8 1 ELI (Kt. Zürich, Bez. Borgen, Gem. 
Bichlerswil). 770 m. Gruppe von i Hausern. 
am N.-Ufer des Hüttensees und 1 km sw. 
der Station Samslagern der Linie Wädenswil- 
Einsiedcln. 30 reform. Ew. Kirchgemeinde Bichlerswil. 
Wiesenbau. 

SEELI (HINTER und VORDER) (Kt. Bern, Amts- 



bez. Ober Simmenthai). 1637 und 1614 m. Zwei I km von- 
einander entfernte kleine Seen, in dem von Kaiseregg. 
Widdergalm und Rotenkasten umschlossenen Alpkessel 
zwischen dem Thal der Warmen Sense und dem Sim- 
menthal. 4,5 km sö. vom Schwarzsee. Ohne sichtbaren 
Abduss. Um die Seen liegen Alpweiden mit Hütten. 

SEELIBACH (Kt. Freiburg, Bez. Sense). 819-048 m. 
4.3 km langer Bach mit einem mittleren Gefälle von 4l°/ n ,. 
Bildet sich aus drei Quellarmen, von denen der erste 1,5 
km nw. Alterswil, der zweite nö. dieses Dorfes und der 
bedeutendste dritte bei Ober Montenach (819 m) ent- 
springt. Alle drei vereinigen sich im Mittelpunkt von 
vier Waldungen nahezu an der nämlichen Stelle (703 ml. 
Von da an Iiiesst der Seelibach durch Waldungen, geht 
an Seeligmben vorbei, erhält rechts den von Bachles- 
brunnen (835 m) herkommenden Wussenbach und ver- 
einigt sich bei Im Schrick mit dem Tafersbach. Ist tisch- 
reich und treibt verschiedene industrielle Betriebe. 

SEELIFUREN (Kl. Bern, Amtsbez. Interlaken). 
2603 m. Kleiner Bergubergang am Saumweg vom Enge- 
tha) auf das Murren Schilthorn. 50 Minuten unter dein 
genannten Gipfel und wenige Minuten von der Schirm- 
hütte entfernt. 

Seelighaben (Kt. Freiburg, Bez. Sense, Gem. 
Alterswil und St. Antonii. 694 m. Weiler am Seelibach ; 
1,5 km n. Alterswil und 11 km osö. vom Bahnhof Frei- 
burg. Von Wald umrahmte schöne Gegend. 11 Häuser, 
67 kathol. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Alters- 
wil. Acker- und Wiesenbau. Viehzucht. 

SEE lisberq (Kt. L'ri). 804 m. Gem. und Pfarr- 
weiler, auf einer Terrasse am NO. -Hang des Seelishcrger 
Kulm oder Niederhauen und an der Strasse Treih-Km- 
metten- Beckenried, :, /| Stunden s. über der Dampfschiff- 
station Treib am Vierwaldstättersee. Postbureau. Tele- 
graph, Telephon ; Postwagen Treib-Sonnenberg. Die Ge- 
meinde zerfallt in Scelisberg ob dem Thor mit Fruit. 
Geissweg, Hofstatt, Kalcherh, Sonnenberg und Wissig 
|6I Häuser. 358 Kw.) und Seelisberg unter dem Thor mit 
Breiilohn, Folligen, dem Bütli. Schwanden und Treib 
(51 Häuser, 277 Ew.); Weiler: 10 Häuser. 54 Ew. Katho- 
lische Pfarrei seil 1418, in welchem Jahr sie von »Itorf 
abgetrennt wurde. Wallfahrtskapelle Maria Sonnenberg. 
Schöne Wiesen und Walder. Kantonale Forslpllanzschule. 
Ackerbau, Alpwirtschaft und Viehzucht Klimatischer Kur- 
ort. Gasthofe, Ilrossartiges Kurhaus Sonnenberg-Seeli*- 
berg (845 mi mit hydrotherapeutischen Einrichtungen 
und schonen Park- und Garlenanlagen. Prachtvolle Aus- 



Seeli»Wg-Sonneoberg. 

sieht auf den Urnersee, das Beusslhal und das Thal von 
Schwyz, sowie die umliegende Bergwelt (Urirotstock, 
Liede'rnen, Frohnalp, Oberbauen, Windgällen, Bristen- 




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SKE 



SEE 



stock, Mythen etc.). Zahlreiche freundliche Spaziergänge 
(u. a. nach dem 20 Minuten entfernten Seelisbcrgersee 
mit BadansUll). Auf Hoden der Gemeinde befinden sich 
das Itüüi (s. diesen Art. I und das Schlüsschen Beroldingen 
(867 m), die Wiege des im Kanton Uri längst ausgestor- 
benen, aber im Kanton Tessin. in Oeslerreich und Würt- 
temberg noch fortlebenden Geschlechtes der Kdeln von 
Beroldingen, die ihrem Heimatkanlon mehrere Landam- 
rnanner und Offiziere, wie z. II. Hans Konrad von Iterol- 
dingen I 1570-1636), gegeben haben. Seelisberg ist die 
Heimat des 1901 gestorbenen urnerischen alt-Regierungs- 
rales Michael Truttmann, des Gründers des Grand Hotel 
und Kuretablissementes Seelisberg-Sonnenberg und Ver- 
fassers einer Schrift ül>er den Kurort. Urkundliche Na- 
mengformen : 1285 Cingiln, 1327 Zingelen, 1319 Cingeln, 
1356 Sewelisberg. 1365 Sewelisperch. • Seelisberg » hiess 
ursprünglich bloss die nähere I tngebung des kleinen Sees 
am Kusse des Niederbauen, und die Häusergruppe um 
die Pfarrkirche trägt heute noch den Namen Zingel. 
Die Kollalur und der Zehnten auf Seelisberg standen seit 
Kaiser Ludwig (863) dem Fraumünster in Zürich zu, bis 
diese Rechte Iiis von den Hewohnern zurückgekauft wur- 
den, die nun ihren Pfarrer selbst ernannten und den 
Ertrag des Zehntens zu dessen Unterhalt verwendeten. 
Die Kelsschuller am Kusse des Niederhauen (oder Seelis- 




S.»i>li»ber,-ar Kulm von Osten her. 

berger Kulm), die Seelisberg trägt, bildet geologisch ein 
Haches Gewölbe, dessen Schenkel aus Schraltenkalk mit 
Gatilt, etwas Seewerkalk | obere Kreide! und Koz.m be- 
stehen. Den Kern bilden das miltlere und untere Neo- 
kom, das alle hier zum Urnersee abbrechenden Steil- 
wände aufbaut. 

SEELI SBERGER KULM oder NIEDERBAUEN 

Kl Nidwaiden und Uri), 1927 in Iterühmler Aussichts- 
berg sw über Seelisberg ; zwischen dem L'rnersee und 
dem mittleren Abschnitt des Vierwaldst.ittersees. der vom 
Gipfel aus nahezu vollständig uberblickt werden kann. 
Während der iterg nach N. zum Seelisberger See und nach 
O. zum Urnersee n. und s. Hauen steil abbricht, senkt 
sich sein breiter Alpweidenrücken gegen SW. langsam 
zur Niederbauenalp und von da zum Kohlthal. Kr wird 
durch den Niederbauenpass i 1599 m) vom Oherbauenstock 
oder Hauenberg i2121 m getrennt und bildet den am 
weitesten gegen NO. vorgeschobenen Ausläufer der Kette 
Kngelherg KoUtock-Kriscn - Schwalmis - ( Iberbauenstock- 
Niederbauenstock. Kann in je etwa 4 Stunden von Seelis- 
berg her über die Alp Kruders und die Tritlalp. von Scelis- 
berg-Emmelten her durch das Kuhlthal und über die Hoh- 
berg- und Niederbauenalp. sowie von Hauen am l'rnersee 
au« auf rauhem und steilern Pfad erstiegen werden. • Das 
Panorama vom Seelisberger Kulm ist von der denkbar 
grössten Pracht und Vielseitigkeit, und nur sehr wenige 
Standpunkte entfalten ein so schönes Naturgemälde . . . 



Man übersieht den vielbuchtigen Vierwaldstättersee in 
seiner ganzen I.ängenausdehnung und darüber hinaus die 
nordwestl. Schweiz mit ihren Seen und Klüssen, die Hoch- 
alpen in prachtigem flogen vom Säntis bis zum nahen 
Urirotstock, das reizende Keussthal bis Atnstäg, das Thal- 
gelände von Schwyz und den Aegerisee, die Bergwelt der 
VValdstätter Alpen, Jura, Schwarzwald und Vogesen . . . 
Der Hlick allein auf den ungemein schön und grossartig 
eingewandeten l'rnersee würde die Besteigung vielfach 
lohnen. • Das Panorama ist von X. Itnfeld gezeichnet und 
als Beilage zum Jahrbuch des S. A. C. 1902/03 veröffent- 
licht worden. (Vergl. auch: l'rt; f. and und Leute. Altorf 
1902). Der Gipfel gehört einer Neokomfalte an, die aul 
derjenigen, die die Felsterrasse von Seelisberg bildet, 
überliest. Nach oben folgen Schrattenkalk, liault und 
Seewerkalk. 

• IIU8BIRQER SEK Kl l'rii. 736 in Kleina* 
See, auf der Felsterrasse von Seelisberg und am N.-Fuss 
des steil abbrechenden Seelisberger Kulm ; 20 Minuten 
sw. vom Kurort Seelisberg-Sonnenberg. Er liest in einer 
wenig tiefen Senke mitten in der gequetschten Mulde zwi- 
schen den Neokomgewolben der Terrasse von Seelisberg 
und des Seelisberger Kulm oder Niederbauenstockes. 
Sein Boden besteht aus Gault und Seewerkalk. Grösste 
Tiefe 37 m. Fläche etwa 18 ha. Wird von mehreren 
(Jüchen gespiesen, von denen die meisten 
aus seinem eigenen Hoden aufsteigen. Fliessi 
unterirdisch nach dem Urnersee ab. Entstand 
durch Verstopfung eines an seinem Boden be- 
findlichen Abllussschachtes und ist somit gleich 
den meisten der kleinen Wasserbecken im 
Kalksleingebirge ein Dolinensee. Badanstalt. 
Wie viele Alpenseen ist auch der Seelisberger 
See Gegenstand der Volkssage, indem ein Un- 
geheuer in ihm leben soll, das in mannig- 
faltiger Gestalt zu erscheinen pflegt. 

SEELMATTEN [Kt. Zürich, Bez. Winter - 
thur. Gem. Turbenthal). 6(13 m. Dorf, am S. 
Ende des Bichelsees und 5 km no. der Station 
Turbenthal der Tössthalbahn iWinterlhur- 
Wald). Telephon. 27 Häuser, 107 reform. Ew. 
Thurgauische Kirchgemeinde Bichelsee. Wie- 
senbau. Bis zur französischen Devolution 
standen die Herrenrechte über das Dorf dem 
Geschlecht derer von Breitenlandenherg zu. 

8EELM ATTER SEE ( Kt.Thurgau. Bez. 
Münchwilen). See. S. den Art. Bichclske. 

SEEN (KL Zürich, Bez. Wiuterthur). 
Kirche in 186 und Station in 472 m. Gem. 
und Pfarrdorf. 3 km sö. Winterthur Station 
der Tossthalltahn ( Winterthur- Wald I. Postbu- 
reau. Telegraph, Telephon. Die sehr ausge- 
dehnte Gemeinde zählt zusammen mit Eidberg. 
Iberg, Götzen wil. Mulchlingen, Thaa, Weier. Olierseen, 
Matlenbach. Waldegg. Sennhof, Bolstern. Tobeli und 
Tosswies : 442 Häuser. 2908 Ew. (wovon 297 Katholiken); 
Dorf: 162 Häuser, 1131 Ew. Wiesen-, Acker-, Wein- und 
Obstbau. Viele der Bewohner arbeiten in den Fabriken 
von Winterthur und der Grüze. In Tobeli eine Üaum- 
wollweherci mit 17000 Spindeln Alemannensiedelung. 
771 : Sehain. Nach den Chronisten trennten sich die 
Kiburger Dienstleute von Seen in zwei Stämme, die von 
Seen auf Wülflingcn und die von Seen auf Hertenberg- 
Weder die Existenz der letztern. noch «las Vorhandensein 
ihrer Ilurg ist nachgewiesen, Auch von einer Burg zu 
Seen lindel sich keine Spur. Die Mauern im Werd weisen 
auf ehemalige Romerluulen hin. Der Ort kam mit der 
Grafschaft Ktbura an die Siadt Zürich und bildete einen 
Bestandteil von deren Innerem Ami. Kirchlich war die 
Gemeinde eine Filiale von Oder Winterthur. 1619 wurde 
eine neue Kirche gebaut und Seen zu C n«T selbst. nuli- 
»icn Plarrei erhoben; die völlige AuuclMMtiunc von Ober 
Winterthur erfolgte erst 1651. 

SEEN (BEI DEN) I Kt. Graubiindcn. Itez < Hier Land- 
quart). So heisat eine Partie der Alpwriilen der »txu. »cUl 
hoch über dem linken L'fer des bei Klosters Dorlli ins 
hintere Prätigau mündenden Schlappinlbalos und etwa 
1 km nw. unter dem Aelplispitz. Zwei kleine Seelein m 
2251 bezw. 2342 m. 

SEEN (OBER) Kt. Zürich. Bez. Winterthur. i.crr.. 



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SEE 



SEE 



477 



Seen), .»-im. Dorf; 1,5 km so. der Station Seen der 
Tossthalbahn (Winterthur-Wald). Telephon. 28 Häuser, 
104 reform. Ew. Kirchgemeinde Seen. Acker-, 
Wiesen- und etwas Weinbau. 

SEEN (UNTER) (Kt. Bern, Amlsbez. 
Interlaken). Gemeinde. S. den Art. Unter- 

SEEN. 

8e EN alp M Uri.Gem. Bühlen). 1715 m. 
Alpweide zwischen Bossstock. Kniserstock und 
Kinzenberg, 3-4 Stunden s. vom Dorf Muota- 
thal. Wird mit 200 Stück Hindvieh befahren. 
Inmitten der Alpweide liegt das kleine Seenalp- 
Mtlf, 

8EENALPSEELI (Kt. I rii. 1715 m. Klei- 
ner Borgsee inmitten der von Bossstock, Kai- 
serstock und Kinzenberg umrahmten Seenalp, 
3 Stunden s. vom Dorf Muolalhal, von wobei- 
er über Lipplisbühl erreicht wird. 300 m lang 
und 200 m nreit. 

SEENGEN | Kt. Aargau. Bez. Lenzburg). 
474 m. Gem. uud Pfarrdorf, am X.-Ende des 
Hallwilersees und 2.5 km no der Station Bonis- 
wil- Seengen der Seethalbahn (Wildegg-Km- 
menhrücke). Posthureau. Telegraph, Tele- 
phon : Postwagen Boniswil-Fahrwangen. Ge- 
meinde : 224 Häuser, 1353 reform. Ew. ; Dorf: 
192 Häuser, 1143 Ew. Acker-, Obst- und 
Weinbau, Viehzucht und Milchwirtschaft. 
Kischfang im See illallwiler Ballen). Eine 
/.igarrenfahrik. Mühlenbauwerkslitte. Werk- 
zcugfabrik und Strohwarenfabrik. Uhrcnsleinschleiferei. 
Ziegelei. Die ovale Kirche ist modernen Datums und hat 
ein älteres Gotteshaus ersetzt, in dem sich die Gruft derer 
von Hallwil mit dem Grab des Siegers von Murten befand. 
Wenig davon entfernt steht das Schloss Hallwil. Bres- 
tenherg und Eichberg sind prachtvolle Herrensitze. Fund 
von Steinbeilen im Ausserdorf Bomische Buinen nahe 
der Kirche und an der Strasse nach Sjrmenstorf ; Ale- 
mannengraber nahe dem Dorf. 8l>3 : Seynga ; 1184 : 
Seingen. 

SEE RÜCKEN i Kt. Thurgau, Bez. Arbon, Kreuzlingen 
und Steckborn). 723 m. Breiter Hügelzug, der längt dem 
schweizerischen t'fer des Bodensees (Uber- und l'nter- 
sees) von Dozwil bis Stein am Bbein zieht und im S. bis 
Alterswilen , Mullheim, Nussbaumen und Stammheim 
reicht. Sein höchster Punkt befindet sich über Homburg. 
Er trägt am Gehänge und in den zerrissenen Schluchten 
der N. -Flanke grosse Waldungen, wahrend die breit aus- 
ladende Bückenpartie mit zahlreichen Ortschaften belebt 
und mit fruchtbaren Wiesen und Feldern geschmückt ist. 
Sowohl die N.- als die S. -Flanke sind wie keine andere 
Gegend des Thurgaues reich an prächtigen Aussichts- 
punkten und idyllischen Winkeln. Darum erscheint er 



aufgegangene Sandegg, Glarisegg, die HuinejNeuburg ob 
Mammern und Frcudenfels ; auf dem Bücken selbst Mühl- 





Secrocken bei Htrlingen. von Nordwesten her 

auch mit Schlössern und Parkanlagen übersät. An der 
N. -Seite treffen wir Kastel bei Tägerwilen. Arenenberg, 
Salenstein, Eugensberg, Luisenberg, die 1830 in Flammen 



Bei Seor'iti «m KlonthaU'r'e«-. 

berg, Gündelhart und Liebenfels: am S.-Ilang Altenklin- 
gen. Klingenberg. Herdern. das ehemalige Klarissinnen- 
klosler Kalchram und Steinegg ; Der Schönheit des Aus- 
blickes entspricht die Fruchll>arkeit des Bndens. Dem 
See entlang sind die Gehänge von Landschlacht bis Steck- 
hörn mit Beben bepllanzt. Am S.-Ilang haben die Weine 
von Nussbaumen und Steinegg. von der Bauspfeife und 
Herdern einen guten und weit reichenden Huf. Aller 
dieser Vorzuge wegen i*t die Gegend des Seerückens schon 
frühzeitig besiedelt worden. Am Seeufer befinden sich 
verschiedene Beste von Pfahlbauten, und am N.-Fuss des 
Hügelzuges lagen zur Romerzeit die Slandlager von Tas- 
getium mit einer Bheinbrücke bei Eschenz und von Burg 
hei Stein, auf der S. -Seite dagegen dasjenige von Ad 
Eines (das heutige Pfifl), Seitdem der Thurgau im Jahr 
14*50 zum Untertanenland der Eidgenossen «geworden, 
spielten eine grosse Reihe von Orten am und auf dem 
Seerücken eine nicht geringe historische Rolle. Wir er- 
innern an Schwaderloh, Goltlieben. Ermatingen mit der 
gegenüberliegenden Reichenau, Sleckhorn und Feldbach, 
sowie an Altenklingen, Wigoltingen. Herdern und Ittingen 
(auf der Neunfbrnerhohe) an der S. -Flanke In klimato- 
logischer Hinsicht ist hervorzuheben, dass die Waldungen 
des Seerückens' die Gewitter anziehen und 
über seine Hohe ein eigentlicher Gewilterzug 
geht. Dadurch ist das am Ende des See- 
rückens und in der Fortsetzung des Lauche- 
thales, das wieder seine eigenen Gewitterzüge 
hat. gelegene Dorf Sulgcn zum regenreichsten 
Ort des Kantons geworden. Der Name • See- 
nicken ■ für den gesamten Hügelzug ist von J. A. 
Pupikofer (Der Kanton Thurgau in der Samm- 
lung : Gemälde der Schweiz. 17) im Jahr 
1837 vorgeschlagen und seitherallgemein üblich 
geworden. 

8E ERÜTI (Kt. und Gem. Glarusi. 832-870 
m. Wiesen mit zwei Ilausern und einigen 
Ställen, am O.-Ende des Klonthaies, sowie zu 
beiden Seiten des Klönthalersees und des 
Lönlsch. 6 kathol. Ew. Kirchgemeinde Glarus. 
Gastwirtschaft. Ein Staudamm ermöglicht es, 
einen Teil der Wiesen von Seeruti für die 
Zwecke des grossen Elektrizitätswerkes am 
Lontsch unter Wasser zu setzen. 

SEES oder SES (CRAP), deutsch C.ON- 
tkhser Stein (Kt. Graubünden, Bez. Albulai. 
Mächtige, von der Julia durchschnittene Felsen- 
schwelle, die den Thalkessel von Tiefenkastel an der 
Albula vom eigentlichen Oberhalbstein f Burwein-Conters) 
trennt. Der Couterser Stein scheidet das Thal der Julia 



478 



SEE 



SKK 



in zwei ungleiche Teile : Surses (Oherhalbstein im 
engem Sinne) und Sutses (Nid dem Stein), das Thal- 
stück unterhalb des « Stein ». das nach der frühern 
politischen Einteilung Tiefenkaslel, Alvaschcin , Moiih, 
Mutten und Stürvis umfasale (vergl. den Art. Oberhalb- 
slein). Die von Tiefenkastel ins Oherhalbstein hinauffüh- 
rende Julierstrasseerreieht aufder Felsenschwelle des Crap 
Ses bei 1137 m ihren Höhepunkt und zieht sich hier hoch 
oben aufder rechtenSeitedes Oberhai bsteiner Hheinsi J ul ia | 
in Galerien und einem Tunnel am schrofTen Dolomilge- 
hängedersö. von Tiefenkaslel aufragenden Motta Palousa 
i'2I4/ m; hin. Felsriegel und Schluchten des «Stein» 
tragen starke Waldbekleidung. Hinter Tiefenkaslel hat 
man einen herrlichen Rückblick auf das Thal- und Berg- 
gelände der Albula, und von der Höhe aus zeigt sich rechts 
oben das Dorf Saluz und ist das eigentliche Oherhalbstein 
dem Hlick weit geöffnet. In dem eine Stunde langen Fng- 
pass des «SteiAi verbergen zahlreiche Felszacken und 
Vorsprünge den Fluss, der an andern Stellen wieder u e iss- 
schäumend hervortritt und mit zahlreichen Fällen die 
Unstern Klüfte durchbraust. Her vor dem Strassenbau 
vorhandene alte Fussweg eröfTnele weil bessere Ausblicke 
in die malerische und grossartige Schluchlenlandscliaft. 
Der Crap Ses ist in Hauptdolomit, Obere Itauhwacke und 
Arlbergdolomit eingeschnitten, welche Gesteine von der 
aussichtsreichen Motta Palousa im O. herabreichen. Sie 
treten im Thal der Julia anscheinend als Grundlage der 
(wohl eozänen, mit Serpentin vergesellsc ha fielen» Schie- 
ferbildungen hervor, welche gegen Tiefenkastel und das 
eigentliche Oherhalbstein hin folgen und auf der linken 
Seile der Julia ihrerseits wieder die Grundlage der tria- 
dischen Kalk- und Üolomitformation des Pix Toissa bil- 
den. Nach der altern geologischen Anschauung spannt 
sich zwischen den triadischen Kalken und Dolomiten der 
Motta Palousa -Conterser Stein und des Piz Toissa die 
Mulde der « Ründnerschiefer •. während nach der neuern 
Theorie die Schieferformation nicht muldenförmig unter 
die altern Gesteine einfällt, sondern von diesen (wie im 
ganzen Gebiet der Bergünerslocke) deckenartig über- 
schoben ist. In den abgelegenen Schluchten des Con- 
terser Steins hielt sich der Bär bis in die ÖOer Jahre des 
letzten Jahrhunderts, wie in den tiefen Wäldern Ober- 
haid Tiefenkastel bis fast in jene Zeit hinein auch noch 
der Luchs hausle. 

8CE8ATZ (Kl. Luzern, Amt Sursee. Gem. Sempach). 
Tili m. Gruppe von 7 Häusern, I km s. der Station Sem- 
pach-Neuenkirch der Linie Olten-Luzern. Telephon. 36 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Sempach. Land- und Milch- 
wirtschaft. 13*25: Seweshaupt, u. h. • Seeshaupl • (ent- 
sprechend dem italienischen Ausdruck Capolagoi. 

SEESCHEIEN oder SEENADELN (Kl Graubün- 




Di« S«e*chei«o von Wollen ber, 

den. Bez. Ober Landquartj. '2700-2770 m. Seltsame und 
abenteuerliche Zackenreihe auf der W. -Seite des See- 
thales, sw. über dem Schottensee. Ausser verschiedenen, 



teils senkrecht teils schief stehenden Seilentürmcheo und 
Erkern sind fünf Hauplspitzen zu unterscheiden, von wel- 
chen die mittlere die Höchste ist. Ihre Besteigung ist 
nicht leicht, zum Teil sogar sehr schwierig und wird nur 
selten ausgeführt. Im S. werden die Seescheien durch 
den Scheienpass (etwa 2540 m abgeschnitten, der das 
Seethal mit dem Schlappinthal verbindet und ebenfalls 
nur selten begangen wird. 

SEESTAD (KL Schwvz, Bez. March. Gem. Altendorf). 
411 m. Weiler am S.-l'fer des Zürichsees, 2 km w. der 
Station I-achen der linksufrigen Zürichseebahn (Zürich- 
Wädenswil-Ziegelbrücke). Schifflände. 15 Häuser, 100 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Altendorf. Wiesen- und Obst- 
bau, Viehzucht. Fischfang. Einige der Häuser zeigen eine 
interessante Bauart und sind mit merkwürdigen Male- 
reien verziert. 

SEESTOCK (Kt. Tri). -2430 m. Felspyramide in der 
Kette der Schächenthaler Windgälle zwischen dem HAH-, 
Schachen- und Bisithal, sowie zwischen dem Bindermatl- 
und dem Aelplerstock. Fällt gegen N. steil zur Aelpleregg 
('2300 ml ab. Kann von Dürrenboden durch das Kisithal 
in 5'/t oder von Muotathal über die Bindermatt im Hüri- 
thal in (I Stunden erstiegen werden. 

SEETHAL (Kt. Aargau, Bez. Lenzburg, und Kt. Luzern. 
Bez. Huchdorf). 539-353 m. Rechtsseitiges Nebenlhal der 
Aare, das sich in gerader Richtung von SSO. nach NNW. 
durch den no. Teil des Kantons Luzern und den s. Teil 
des Kantons Aargau senkt und von der llallwiler Aa 
durchflössen wird, welche bei Wildegg in die Aare mün- 
det. 33 km lang. Es ist eines der lieblichsten Thäler des 
Millellandes und verdankt den Namen seinem schönsten 
landschaftlichen Schmucke, dem Baldegger- und Hall- 
wiler See, die etwa einen Drittel der Thaisohle bedecken 
und durch die 4 km lange Waag, den Mittellauf der 
llallwiler Aa, miteinander verbunden sind. Oft wird in 
einem engern Sinne unter Seethal nur das Gebiet der 
beiden Seen verstanden. Als Oberlauf der Hallwiler Aa 
kann die vom S.-Hang der Erlosen herabstürzende Bon, 
der Zufluss des Bald egge rsees. betrachtet werden, welche 
jedoch, wenigstens im obern Teile, nach Bichtung und 
Wassermenge eher den Charakter eines Seitenlltisses be- 
sitzt. Das Seelhal erscheint nämlich dem Geologen auf 
den ersten Blick als ein Thaltorso, d. h. ein Thal, aus 
welchem der Hauptfluss durch seitliche Erosion oder 
Dislokationsvorgänge abgelenkt wurde. Die stattliche, 
von unten nach oben fast gleichmässige Breite (etwa 
2 km), das geringe Gefälle besonders in der obern 
Hälfte und die meist sanft, aber doch zu bedeutenden 
Hohen ansteigenden Thallehnen setzen als thalbildende 
Ursache ein viel mächtigeres Gewässer voraus, als es die 
jetzige Hallwiler Aa darstellt. Vielmehr weist die breite 
Thalmulde, deren s. Ausgang ganz unscharf 
durch einen niedrigen MoTasserucken gebildet 
wird, auf einen Alpenfluss, wohl einen Vor- 
fahren der Beuss hin. der nach seinem Austritt 
aus dem Gebirge in gerader nnw. Richtung 
die Molassealxlachung durchschnitt, bis er 
durch Dislokation i Rucksinken des Alpen- 
korpers) veranlasst wurde, dem Fuss der 
Alpen entlang in no. Richtung sich ein neues 
Rett, das heutige untere Reussthal, zu graben. 
Hufeisenförmige Moranenw.ille ( Endmoränen I, 
die die Thalsohle bei Krmensee und Hallwil 
durchqueren, veranlassten wohl nach dem 
Schwinden der Gletscher die Entstehung der 
beiden Seebecken, die daher als Moranen- 
Slauseen anzusprechen sind. Eine weitere 
angenehme Abwechslung in dem Relief des 
Thaies bieten die Wälle und Terrassen der 
Seitenmoränen, welche die beidseitigen Ab- 
hänge begleiten und durch die Wirkung 
Iiiessenden Wassers in Ketten rundlicher 
Hügel aufgelöst erscheinen (Hügellandschaft 
von Gelfingen-Hitzkirch). Die das Thal ein- 
fassenden, nach oben sanft gerundeten M< - 
lasaerücken sind von ansehnlicher Höhe, so im 
O- die Kette des Tannwald (713 m) und Lin- 
denberg (893 m), im W. die Egg (791 m). der Homberg 
(792 ml und die Erlosen oder der Herrlisberg (814 m). 
Den Hingang des Thaies bei Lenzburg beherrschen zwei 



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SEE 



SEE 



479 



von beiden Seiten vorgeschobene Molassehügel, der mit 
dem Schlosse von Lenzburg gekrönte Schlossberg und 
der Staufen. 

Für den Botaniker ist das Seethal ein sehr dankbares 
Exkursionsgebiet. Das erste Lenxeswehen wirkt auf die 
noch feuchten Wiesen einen marineblauen Teppich der 
Scilla bifolia: Aecker und Wegränder leuchten auf in 
Hern Goldgelb der (iagra lutea ; bald gesellen sich unter 
Hecken und Obstbäumen hinzu die torydalis cava, in 
Rebgeländen das duftende Musrari racriiiosum , auf 
Waldwiesen die Primula of/icinali* und in Ruchenwäl- 
dern das Anttn niaculalum. Die Lüfte jedoch werden 
eigentlich parfümiert durch die auf \\ > r und Steg in 
Mengen wuchernde Viola odorala. Die anziehendsten 
Gestallen der Sommerflora sind auf Seen und Sümpfen 
die Xytupbaea alba und das Xupfiar luteum — , dann 
llrosera rolundifolia, Geranxum palustre, Oenothera 
biennis, tientiana cruciata , Symphytum o/firiuale, 
Slachys jntustris, Sculellaria galericulala, Veronica 
aquat'ica, I'eiliculan$ palustris Sparganium nMMMHH . 
Hanunculus lingua, II. dirariratus "und II. (lantniula ; 
in Wäldern, Hecken und auf Waldwiesen Aclaea spicata, 
I'olygonatum verticdlatum, Cypripedilum calrrolus. 
Hetoniva officiualis, Lathrara sguamaria, Scrufularia 
nodosa, Atropa Belladotina ; auf Feldern. Getreideackern, 
Kiesgruben u. s. w. Paftarer Hin Hanunrulu* ar- 

i<eiisis, Reseda lutea, Vieia augustifolia , Agrmumia 
eupatoria, Specularta »peculum, Euphrasia otionlites 
und K. srrotina; auf Wiesen und Wegrändern Malta 
alcea und .V. siltestris, Pastinaca sativa, Srahiosa 
rolumbaria, Teucrium bntrys ; in Gärten, auf Schutt- 
haufen und Mauern VerlMtsrutit nigruni, Hyoscyamus 
niger, Linaria cifmhalaria und L. vulgaris, Antirrhi- 
num majus. ifatricaria chamomilta, Senecio eruci- 
folius u. a. 

Der zumeist kiesige ßoden ist im allgemeinen recht 
fruchtbar und besonders geeignet für Wiesen- und Obst- 
bau. Besonders begünstigt ist die nach SW. schauende 
rechte Thalseite. In den Geländen von Kleinwangen. 
Geltingen, Hitzkirch, Krmensee, Meisterschwandi'n etc. 
breiten sich wahre Wälder von Obstbäumen aus. Die 
nach NO. gerichtete linke Seite leidet stellenweise an 
Ueberlluss nicht genügend abgeführten Wassers. Das 
obere (luzernische) Seethal liefert vorzüglich Kernobst, 
während im untern, aargauischen, Teile auch Steinobst 
(vor allem Kirschen) in grossen Mengen erzeugt wird. 
Hier ist auch der Weinhau noch von lielang, während er 
in dem ehemals weinreichen Hitzkirch unaufhaltsam 
zurückgeht. Abgesehen von dem gewerbsamen. aufstreben- 
den Hochdorf slelltdasluzernischeSeelhal einen rein land- 
wirtschaftlichen bezirk dar. Dagegen zeigt der aargau- 
ische Anteil eine glückliche Mischung von Landbau und 
Gewerbe. Letztere befassen sich vorzüglich mit Zigarren- 
fabrikation. Seidenindustrie. Maschinenstickerei, Her- 
stellung von Obstkonserven, chemischen Präparaten etc. 
Viele Hände beschäftigt auch die Hausindustrie durch 
Strohflechterei. Das Strassenwesen ist im Thal selbst sehr 
gut entwickelt, während es auf den Bergrücken vieles zu 
wünschen übrig lässt. Das Thal wird durchzogen von der 
Strassenbahn Kinmenbrucke-I.enzburg-Wildegg (Seethal- 
bahn). Auf dem Hallwilersee besteht eine Dampfbootver- 
ltindung zwischen Beinwil, Meisterschwanden und Birr- 
wil. I'ostkurse zwischen Boniswil-Seengen-Meisterschwan- 
den • Kahrwangen und Oellingen - Fahrwangen - Meister- 
schwanden. 

Vor den Sempacher Kriegen stand das ganze Seethal 
unlerder Herrschaft Oesterreichs. Währendjener Periode 
bemächtigten sich dann die I.uzernerdes zum heutigen Kan- 
ton Luzern gehörigen Gebietes, mit Ausnahme des Amtes 
Hitzkirch, welches wieder übrige Teil biszum Jahr 1415 bei 
Oeslerreich verblieb. Mit jenem Jahre wurde das heutige 
aargauische Seethal ein L'nlertanenland Berns (Vogtei 
Lenzburg). Das Amt Hitzkirch wurde ein Teil der sog. 
Freien Aemter. Die Reformation führte eine weitere 
Schranke zwischen den landschaftlich so eng zusammen- 
hängenden Gebieten auf, indem der untere, bernische, 
Anteil reformiert wurde, der obere, luzernische, sowie 
das freie Amt HiUkirch katholisch blieben. Im Jahr 1803 
tauschte Luzern auch dieses Amt gegen seine bisherige 
Besitzung Merenschwand (im Freiamt) ein, während die 



i frühere bemische Vogtei Lenzburg als Bezirk Lenzburg 
j zum heutigen Kanton Aargau geschlagen wurde. Viele 
Spuren von Niederlassungen aus der Pfahlbauzeil und der 
Romerherrschaft; Burgruinen Ober Reinach, Lieli, alter 
Turm in Richensee. Schlosser Heidegg, Hallwil und Lenz- 
| bürg. \t>' J'« Hhun l 

SEETHAL (Kt. Graubünden, Bez. < »her Landquart). 
2712-1640 m. Vom Seebach durchllossenes rechtsseitiges 
Ncbcnthal des obern Präligaues. Zieht sich von N. nach 
S. und bricht mit einer Steilstufe, über welche der Bach 
einen hübschen Wasserfall bildet, zum Sardascabach ab. 
Auch oberhalb dieser Stufe steigt das Thal ziemlich steil 
an und bildet einige kleinere Stufen, in deren einer der 
«See« (2060 m) liegt. Bis hierher sind die Thalsohle und 
die untern Abhänge izur Alp Sardasca gehörig) noch or- 
dentlich mit Gras bewachsen, geben aber doch nur ma- 
gere und spärliche Weide. Der Wald fehlt gänzlich, wäh- 
rend Alpenrosen und anderes Strauchwerk weite Flachen 
einnehmen. Hinter dem See und an den obern Gehängen 
nehmen Schutt- und Gemllhalden rasch überhand, na- 
mentlich in einer grossen Bergnische o. über dem See 
gegen den Gros» Litzner hin, wo auch einige kleine Seen 
zwischen den Trummermassen liegen : eine typische Kar- 
landschan. Der Abschluss des Seethales ist überaus gross- 
artig : der Gross Litzner. das Gross Seehorn und das 
Klein Seehorn gehören zu den gewalligsten Felskolossen 
und die steckenformigen Seescheien zu den wundei lieb- 
sten, abenteuerlichsten Felsnadeln der Silvretlagruppe. 

8CCTHAL (OBER) (Kt. Glaru*. Gem. Näfels). Thal. 
S. den Art. Obebseethal 

SEETHALHORN < Kt. Wallis. Bez. Visp). 3038 m. 
Gipfel in der Gruppe des Balfrin (Mischabel hörnen, zwi- 
schen den Gabelhornern und der Grossen Furgge; ti Stun- 
den sw Huteggen und 6 1 '., Stunden ö. St. Nikiaus. 

SEETHALKRINNE ' Kl Wallis, Bez. Westlich Ra- 
ron). Passübergang. S. den Art. Krinneni.Icke. 

Seewade lM Zürich. Bez Pfäfllkon, Gem. Bauma». 
659 m. Weiler 1.5 km o. der Station Bauma der Toss- 
thalbahn ( Winterthur-W r ald). Telephon. 18 Häuser, 64 
reform. Kw. Kirchgemeinde Bauma. Wiesen. Der Name 
Seewadel. ursprünglich Seewaten, tritt in den Kantonen 
Zürich und Thurgau 25 mal auf und bezeichnet eine mit 
Schilfrohr bewachsene Sumpfgegend. 

SEEWAO (Kt. Luzern. Amt Willisau). 608-537 m. 
Au -dl u ss d«s auf der Wasserscheide zwischen Wolhusen 
und Menznau gelegenen kleinen Tutensees: lliesst zu- 
nächst gegen NW., geht nahe Menznau vorbei, wendet 
sich dann nordwärts und vereinigt sich nach 8.5 km lan- 
gem Lauf bei der Widenmühle mit der Buchwiggern. 

SEEWAGEN (Kt. Luzern, Amt Willisau. Gem. Kolt- 
wil). 511 tu. Gemeindeabteilung und Weiler an der Ron. 
1 km n. Kottwil und 2.5 km «... der Station Wauwil 
der Linie Olten-I.uzern. 8 Häuser, 55 kathol. Kw. Kirch- 
gemeinde Ettiswil. Ackerbau und Viehzucht. Funde von 
Feuersteinaeräten zeigen an. dass sich in dieser Gegend 
einst ein Pfahlbau befand. Der Name « Wag • bezeichnet 
einen Wasserlauf mit schwachem Gefalle, wie dies in 
diesem speziellen Fall die Ron in der Tat ist. 

SEEWEIOBACH 'Kt. Freiburg, Bez. Greierz und 
Sense). 1600-1043 m. Grenzbach zwischen den Bezirken 
Sense und Greierz. Knisteht aus mehreren Armen, die 
von den Alpen La Philiponaz. La Spillemendaz. Schweins- 
berg etc. herabkommen und nach ihrer Vereinigung zwi- 
schen den Alpen Zorettaz und Tierliberg einen schönen 
Wasserfall bilden. Bis zur Mündung des Thossrainbache« 
in Thossrain llesaous (1072 m) trägt der Bach den Namen 
Fallenbach. Von hier an lliesst er als * Seeweidhach >■ 
durch die mit Hütten bestandenen Alpweiden Fischer- 
weid und Garglenbergera, um mit vier \erschiedenen 
Armen, die sich in stark sumpfigem Wiesengrund ab- 
zweigen, in den Schwarzsee zu münden. Der Lauf dieses 
wilden Bergwassers ist auf drei Viertel seiner Lange tief 
eingeschnitten. Fliesst in der Richtung nach SO., hat ein 
mittleres Gefälle von I.V.,., und ist 3,5 km lang. Im Unter- 
tauf fischreich. 

SEE W ELI ALP (Kt. Uri. Gem. Silenen). 2008 m. Alp- 
weide im obern Kvithal, 2=» 4 Stunden nö. Silenen im 
Reussthal. 

SEEWELIFURKLI (Kt. Uri). 2260m. Passübergang 
im S«*weligrat, zwischen dem Rotgrat (2482 und 24U3 m) 



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Am 



SEE 



SKI- 



und dem Hrunnithaler Schwarzstöckli (2547 m) in der 
Hoch Faulenkettc. Verbindet l'nlerachächen durch das 
Brunnithal und das Evilhal mit Erstfeld und Amstäg. Auf 
stieg von Unterschächen in 3 Stunden, Abstieg nach Ersl- 
feld oder Amstäg (über die Biedersegg) in 3 Stunden. 
Prachtvolle Aussicht auf die Grosse Wmdgälle. Interes- 
santer (Ybergang mit Fussweg, der aber streckenweise 
verwildert und schwer zu erkennen ist. 

8EEWELI8EE 'Kt. Tri). 2024 m. Reizender Berg- 
see im obersten Evithal. einem rechtsseitigen Nebenzweig 
des Reusslhales; auf einer von den beiden Windgällen 
•-'Uns un<l 3192 m), dem Rrunnithaler Schwarzstöckli 
(2547 m], Seeweligrat i2305mi. Rotgral (2482 m) und Rin- 
derslock 1 2476 mi überragten Terrasse. Ohne siclttbaren 
Ahfluss. 600 m lang und 200 m breit. Kann von Silenen 
oder der Station Amstäg der GoUhardbahn her in 2 3 / t 
Stunden erreicht werden und liest am Weg über das 
SeeweliCurkli. In der Nähe stehen die Hütte der Seeweli- 
nlp. 

SEE WEN oder SEE WEN ALP i Kt. Obwalden, Gem. 
Samen). 1637-1740 m. Sutnplige Alpweide mit 6 Hütten 
«Dl St). -Hang des Feuerslein. 6-7 Stunden w. über Sa r- 
nen. Wird mit rund 60 Stück Rindvieh bezogen, kann 
von Hu Ii Ii im Kanton Luzern aus in 2 V»-3 Stunden er- 
reicht werden. Kleiner See. 

SEE WEN Kt. St. Gallen. Dez. Sargans. Gem. Quar- 
ten). 1200-2000 m. Alpweide mit 12 Hutten und 
Ställen; s. über Ober Terzen und am N.-Hang 
des Zieger. Sexmor und Leist. 534 ha Hache, 
wovon 410 nutzbare Weide. 50 Wiesen. 21 
Wald. 8 Suruplland und 45 unproduktiver 
Hoden sind. Hrei kleine Seebecken. Am (Ter des 
westlichsten dieser Seen stand in 1624 m das 
gulhesurhte kleine Kurhaus Seewen (oder 
Seeben), das im Winter 1906,07 durch eine 
Lawine zerstört wurde und an sicherer Stelle 
wieder aufgebaut werden soll. 

SEEWEN Kt.. Bez. und Gem. Schwyz). 
458 m. Gemeindeabteilung und Dorf an der 
dein Lowerzersee enllliessenden Seewern. am 
O -Fuss des Urmiberges und 2 km wnw. 
Schwyz. Station Schwyz-Seewen der GoU- 
hardbahn. Elektrische Strassenbahn vom 
Bahnhof nach Schwyz. Strassen nach Schwyz, 
Ibach, Brunnen, Lowerz und Steinen. Post- 
bureau. Telegraph, Telephon. 86 Hauser. 713 
kaihol. Ew. Kirchgemeinde Schwyz. Eigene Ka- 
planei seit 1044. in welchem Jahr die der h. Jungfrau 
geweihte Kirche erbaut wurde. Neues Schulhaus. Kid- 
genössische Munition*- und Kriegsmaterialinagazine. Korn- 
haus und I^igerhäuser der GoUhardbahn. Zwei Kirsch- 
was»erhrennereien. Transitverkehr. Gasthofe. Wiesen- 
und Obstbau. Viehzucht. Kalksleinbrüche am t'rmiberg. 
Nach dieser Lokalität hat man den » Seewerkalk ■■ benannt, 
eine kalkig-schiefrige Srhichtenserie von grauer, (?rau- 
gelber oder granruter Farbe, die nach oben auf die Grün- 
sande des Gault (Albieni folgt. Diese Seewerschichlen 
bilden eine für unsere Kalkalpen charakteristische be- 
sondere Fazies der Obern Kreiüe und entsprechen der 
Reihe Cenoman-Turon-Senon. Seewen ist 1806 durch den 
Bergsturz von Gohlau, der die Wasser des Lowerzersees 
über seine Ufer treten Hess, schwer heimgesucht worden. 
• Augustin Schuler von Seewen, der in fremden Kriegs- 
diensten die Schrecknisse des stürmischen Meeres kennen 
gelernt hatte, stand auf einer Anhohe über dem Dorfe, 
wo er die furchtbare l'eberschwemmung heran wogen 
sah. Er schrie : Jedermann möchte schleunigst bergan 
fliehen, um nicht das Opfer des Todes zu werden, und 
trug so zur Rettung seiner Mitbürger bei » (Gerold Meyer 
von Knonau). Seewen verdankt seine Entwicklung zum 
Teil der Familie Beeler. 1659 wurde Barbara Heinrich 
von Aegeri. die ihr ganzes bedeutendes Vermögen testa- 
mentarisch der Kirche zu Seewen vermacht hatte, in 
Zug als Hexe verbrannt, worauf s;ch um ihren Nachlass 
zwischen Schwyz und Zug ein langwieriger Rechtsstreit 
entspann. Bekannt ist das Heilbad Seewen, das einige 
schon seit Jahrhunderten bekannte und seil dem Be- 

E'nn des 18. Jahrhunderts gefasste erdige Stahlquellen 
'nutzt. Empfohlen wird dieses Wasser namentlich bei 
Anämie und Bleichsucht, allgemeiner Schwäche und Er- 



schöpfung, Blutverlusten. Fehlgeburten, chronischen 
Katarrhen, chronischen Rheumatismen u. s. w. Am 3. 
Juli 1799 fand zwischen Seewen und Schwyz ein Kampf statt, 
in dem die Franzosen den österreichischen General Jella- 
chich zurückschlugen. Im 13. Jahrhundert : Seewa. d.h. 
beim See. 

SEE wc N (Kt. Sololhurn. Amt Dornegg-Thierstein). 
551 m. Gem. und Pfarrdorf, 5 km ö. der Station Grellingen 
der Linie Biel- Oelsberg- Basel. Postbureau, Telegraph. 
Telephon ; Postwagen Lieslal-Bretzwil und Grellingen- 
Brelzwil. Gemeinde : 116 Häuser, 762 Ew., wovon 40 
Reformierte ; Dorf: 92 Häuser, 617 Ew. Posamenten- 
und Seidenzwirnerei als Hausindustrie. Ausfuhr von Holz 
und Eis nach Basel. Grosser Steinbruch. Acker- und 
Obstbau. Fischbrulanstalt. Das Dorf ist an einem steilen 
Hang malerisch gelegen und wird von einer schönen, 
doppellgetürmten Kirche überragt. Der von Bretzwil 
i Basel Land) herkommende Seebach bildete einst in der 
unmittelbaren Nähe von Seewen einen durch einen Berg- 
sturz aufgestauten, ziemlich Brossen See. Schon 1488 an- 
erbot sich Thonnann der Schmid. diesen künstlich tiefer 
zu legen, wenn ihm die Regierung die Hälfte des Fisch- 
rechtes einräumen wolle. 1559 nahm man dann diesen Ge- 
danken wieder auf und bewilligten die Behörden das ein- 
gereichte Verlangen, worauf der See 1588 durch einen in 
den Berg gesprengten Tunnel von 200 m Lange zum Ab- 




Seowen im Ksot. Sololburo, von Weatoo h«r. 

Auas gebracht wurde. 1870 liess die Stadt Basel nö. vom 
Dorf einen Staudamm errichten, um für ihre Wasserver- 
sorgungeinen3hagrossen künstlichen See zu schaffen. 1307 
trat Graf Rudolf von Thierstein die Mühle zu Seewen dem 
Kloster Beinwil ab, damit die Mönche deren Ertrag zum 
Ankauf von Fischen für die Fastenzeit verwenden könnten. 
1460 brannten die mit Thomas von Falkenstein, dem In- 
haber der Herrschaft Seewen. in Fehde liegenden Solo- 
thurner daa Dorf nieder. 1462 verkaufte Ursula von 
Harnstein die hohe und niedere Gerichtsbarkeit iu 
Seewen an die Stadt Sololhurn. Im Unteracherthal sw. 
vom Dorf hat man Keltengräber und so. vom Dorf rö- 
mische Münzen, ein Kellenschwert und eine I,anzenspitze 
aus Bronze gefunden, welch' letztere aus der Schlacht 
von Dornach stammt. Alemannengräber auf den Holen, 
am Stiegenrain und im l.ulerkindenwald. 1147: Sewin; 
1 174 : Seuwen ; 1194 : Sewen. 

SEEWEN (NEU) (Kt. und Bez. Schwrz. Gem. Ober 
Iberg'. 1090 m. Geineindeableilung und kieines Dorf am 
rechten Ufer der Minster, 16 km DO. Schwyz und 16 km 
so. Kinsiedeln. Strassen nach Ober Iberg, Tsehalun, 
über die Ibergrregg nach Schwyz und über Jassenen nach 
Unter Iberg und Kinsiedeln. Postbureau ; Postwagen 
nach Einsiedeln. Zusammen : 25 Häuser, 157 kathol. Ew. ; 
Dorf: 21 Häuser. 136 Ew. Kirchgemeinde Ober Iberg. Ge- 
sund und geschützt gelegener Luftkurort mit Gasthofen und 
Parkanlagen. Meteorologische Station. Exkursionszentrum. 

SEEWENFIRN (Kt. Uri>. 2900 2600m. 1 km langer 
und 800 m breiter Gletscher, in der Gruppe der Spann- 
orter zwischen dem Seewenstock und dem Bächlistock. 
welche beiden Berge gewohnlich über ihn bestiegen 
werden. Die Zunge liegt I 1 /, Stunden no. der einen kleinen 
See '2090 mi bergenden Secwenalp. 



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SEE 



SEE 



481 



SIEWENSEELI [Kt Obwaldoni. 1639 m. Kleines 
Seebecken auf der Alp Seewen, am SU -Hang des Feuer- 
stein und 6-7 Standen w. über Sarnen. 

SEEWEN STOCK (Kt. Uli). 2966 m. 
Höchster Gipfel in dem vom liachlislcick nach 
S\V. abzweigenden Grat, in der Spannort- 
Zwächlenkette n. über der Seewenalp und 
dem Weiler Färnigen im Meienthal. Aufstieg 
vom Meienthal über die Seewenalp und den 
Seewenlirn in 5 3 /. Stunden. Erste Ersteigung 
1894. 

8EEWERN oder SEEWEREN i Kt. und 

Bei. Schwvzl. 451-448 m. Abfluss des Lower- 
zeraees ; durch II ies.st das Itorf Seewen. be- 
schreibt einen weiten Bogen um den Fuss des 
l'rmiberges. erhält links den von der Haggen- 
egg kommenden l'etenbach und mundet nach 
2.5 km langem Lauf von rechts in die Muota. 
Seinem linken Ufer folgen die Thalslrasse und 
die Gollhardbahn. Fliesst mit schwachem <le- 
faJle durch schönes und fruchtbares Wiesen- 
gelände. Um da« anliegende Land gründli- 
cher zu entwässern und intensiverem Anbau 
zugänglich zu machen, ist die Seewern mit 
finanzieller Beihilfe des Bundes in den lelttver- 
(.•angenen Jahren korrigiert worden. 

KEEWIL iKt. Bern, Amtsbez. Aarberg, Gem. Happers- 
wil). .Vü m. Gemeindeabteilung und Ilorf, 2 km DÖ. der 
Station Schupfen der Linie Bern-Biel. Telephon. 44 
Häuser, 274 reform. Ew. Kirchgemeinde Itapperswil. 
I.and Wirtschaft. Käserei. Ehemals Eigentum der Grafen 
von Neuenhurg-Buchegg. dann von 1273 bis zur Hefor- 
mation im Besitz der Johanniter- Komthurei München- 
buchsec. 

8EEWINENGLETSCHER i Kt. Wallis, Bez. Visp). 
;f2()0-'265Ü m. '2,5 km breiterund 1,5 km langer Gletscher, 
in dem Dreieck zwischen dem Schwarzenberggletscher, 
dem Monte Moro und der Seewinenalp. Am Weg über 
den Seewinen- und den Bothornpass. 

BEEWINENHORN (Kt. Wallis. Bez. Visp). 3215m. 
Vereister Gipfel im schweizerisch-italienischen Grenz- 
kamm zwischen dem Monte Moro ('2988 m) und dem See- 
winen Hothorn (3237 m|. Kann von Mattmark aus über 
den Seewinenpass in 3'/, Stunden unschwierig erstiegen 
werden. Der dem Gipfel von der Siegfried karte beigelegte 
Name Faii»riiorn (s. diesen Art.) scheint einem be- 
nachbarten andern Berg anzugehören. 

SEEWINENPASS oder FADER JOCH [Kt. Wallis. 
Bez Visp). Etwa 3100 m. Passübergang in der schwei- 



Maltmark im Saaslhal mit Macugnaga letwa 7 Stunden), 
wird aber nur selten begangen. Auf der Siegfried karte 





SrewenntiK-k von der Seewenalp her. 

zerisch-ilalienischen Krenzkette zwischen dem Seewinen 
Bothorn (3237 mi und dem Seewinenhorn (3215 m). Geht 
dem Monte Moropass parallel und verbindet wie dieser 



Neu Seeweo von Oalen her. 

im benannt, dagegen eingetragen auf der Karte zu Dr. 
Dübi's Saat Fee und Umgebung (Bern 1902). 

SEEWINEN ROTHORN (Kt. Wallis. Bez. Visp). 
(üpfel. S. den Art. Kotiiorn (Sf.kwinjn). 

SEEWIS (Kt. Graubünden. Bez. Unter l-amlquart). 
Kreis mit den drei Gemeinden Fanas, Seewis und Val- 
zeina. Der höchste Punkt ist die Spitze der Scesaplana 
(2969 m), während der tiefste mit 572 m in der Thalsohle 
am Ausgange der Klus und an der Grenze gegen den 
Kreis Maienfeld liegt. Der Kreis liegt im vordersten Teile 
des Pratigaues zu beiden Seiten der Landi|uart. Im O. 
wird er durch das Gebiet der Kreise Schiers und Jenaz, 
sowie im S. wieder durch den Kreis Jenaz begrenzt; 
im W. trennt ihn auf der linken Seite der l,andquarl ein 
nördl. Ausläufer der Hochwangkette vom Kreis Fünf 
Dorfer, wahrend er rechts der Landquart an den Kreis 
Maienfeld stosst ; im N. trennt ihn die Hätikonkette, spe- 
ziell die Scesaplanagruppe, vom Vorarlberg. Die Aus- 
dehnung des Kreises in der Bichtung des Hauptthaies 
von U. nach W. ist eine sehr geringe und beträgt, wo sie 
am grössten ist. höchstens 7 km, wogegen die Breite von 
der Hätikonkette bis auf die Höhe der Hochwangkette 
23 km misst. Die beiden Gemeinden Fanas und Seewis 
liegen am rechtsseitigen Thalgehänge des 
Pratigaues und werden durch das tief einge- 
bettete Taschinestobel voneinander getrennt . 
Valzeina befindet sich in einem durch den 
Schrankenbach gebildeten linksseitigen Ne- 
benlhal zum Pratigau. In der Dichtung des 
Hauptlhales führen sowohl die Strasse als die 
Eisenbahn (Landquart - Davos), mit welchen 
alle drei Gemeinden durch Kunststrassen 
verbunden sind. Nach Seewis fuhrt täglich 
der Postwagen, wahrend sich Fanas und 
Valzeina einstweilen noch mit Fussboten 
begnügen müssen. Seewis besitzt ein Post- 
bureau mit Telegraph und Telephon, wogegen 
die beiden andern Gemeinden nur eine Post- 
ablage haben. Der Kreis Seewis zählt 315 
Häuser und 1399 deutschsprechende Ein- 
wohner, von denen 1326 reformiert und 73 
katholisch sind. Den Haupterwerbszweig der 
Bevölkerung bildet die Landwirtschaft, und 
zwar insbesondere Wiesen- und Alpwirlschaft 
mit Viehzucht, neben welcher auch, beson- 
der» in Seewis und Fanas, Obstbau getrieben 
wird. Seewis und Valzeina sind Luftkurorte. 
Der jetzige Kreis Seewis mit Ausnahme von 
Hinter Valzeina. das bis 1851 einen Bestandteil 
des Hochgerichts Fünf Dörfer bildete, gehörte 
bis daliin zum Hochgericht Seniors und Seewis. 
Vergl. die Artikel Fanas, Seewis und Valzeina; ferner: 
Fient, G- Das l'nitigau. Davos 1897. — Ludwig. Dan. Aug. 
Der Präligauer Freiheitskampf. Schiers 1901. 

219 - GEOOR. LEX. V - 31 



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SEE 



SEE 



8EEWI8 im i ip.uii.ami, rätoromanisch Savgein (Kt. 
Graubünden, Bez. Glenner, Kreis Ilani). 865 m. (lern, und 
Pfarrdorf, auf einer Terrasse rechts über dem Glenner und 
rechts über dem Vorderrhein, 2 km sw. der Station 
Kästris der Bändner Oberlandbahn (Chur-Ilanz). Post- 
ablage. Telephon. 33 Häuser, 179 Ew. romanischer Zunge 
(wovon 131 Katholiken und 48 Beformiertei. Wiesenbau 
und Viehzucht, Obstbau. Schon gelegenes Dorf. Alte 
Graber. Ueberresle von Wällen und Gräben sind hin 
und wieder als prähistorische Festungsanlage gedeutet 
worden. 

8EEWI8 im Phäti«;ai' (Kt. Graubünden, Bez. Unter 
Landauart, Kreis Seewis). 964m. Gem. und Pfarrdorf, am 
SO. -Hang des Piz Vilan in schöner und sonnenreicher 
Lage ; 3,6 kmn. der in der Thalsohle gelegenen Station See- 
wis der Linie Landquart-Davos. Postbureau, Telegraph, 
Telephon ; Postwagen zur Station. Gemeinde, mit Pardisla 
und Schmitten: 182 Häuser, 901 reform. Ew. deutscher 
Zunge ; Dorf: 94 Häuser, 248 Ew. Wiesenbau und Viehzucht. 
Gasthofe. Beliebter Soinmeraufenthalt und Luftkurort. 
Durch eine Feuersbrunst istdaB Dorf 1864 fast vollständig 
zerstört worden. Denkmal zur Erinnerung an die Frei- 
heitskämpfe des Prätigaus (1622). Ausgangspunkt für die 
Besteigung der Scesaplana (etwa 6 Stunden |. Heimat des 
Geschlechtes derer von Salis-Seewis , von denen der 




Secwi« im Praligau von Sfi.Un h«r. 



Dichter Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834; aul 
dem hiesigen Friedhof, wo er ein schönes Grabmal hat, 
beerdigt ist und dessen Enkel Gaudenz von Salis(l825 bis 
1886) sich als Volksredner und Staatsmann einen Namen 
gemacht hat. Das Stammhaus des Geschlechtes wurde 
nach dein Brand von 18(54 von der Gemeinde angekauft 
und zum Schul- und Pfarrhaus eingerichtet. In der Kirche 
zu Sei'wis wurde der Kapuzinerpater Fidelis von Sig- 
maringen, der den Katholizismus zu predigen wagte, am 
Palmsonntag (24. April i 1622 von dem empörten Landvolk 
niedergemacht. Fund von Steinbeilen und rSmtocbw 
Kupfermünzen. I.etzi bei der Burgruine Fragstein. 129U : 
Sewens; 1350: Suwis. Vergl. Göll. Friedr. Seewis im 
Priitigau ; Luft- und Molkmkurort . 3. Aull. Zürich 1871 . — 
Fient, G. Da* Präligau. Davos 1897. — Ludwig. Dan. 
Aug. Der Pruligauer Freiheitskampf. Schiers 1901 • 

8EEWJI, BEEWLI. Sch wci/erdeulsche Dialektaus- 
drücke für einen kleinen See oder einen einfachen 
Weier. 

8EEWJIHORN (Kt. Wallis. Bez. Gomsi. 2778 m. 
NördL Vorberg des Scnienhorns von Binn (2942 m). nahe 
der Landesgrenze gegen Italien und 4' '.. Stunden ösll. 
über Binn im ßinnenthal. 

8EEWJI8TAFEL (Kt. Wallis. Bez. Brig . Gem. 
Thermen). 2211 m. Alpweide mit einigen Hutten, in 
einem Seitenzweig des Ganterthaies zwischen dem Faul- 
horn und dem Saurerrück. Wird zum Teil von der Alp- 
korporation Im Stafel bestossen. 

8 eewlEN (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmenthai, 
Gem. Erlenbach). Weiler. S. den Art. Sewelen. 

8 EEWLEN (Kt. Bern, Amtsbezirk Ober Simmenthai. 
Gem. Lenk). 1812 m. Alpweide mit Hütten, am S.-Hang 



des Seewienhorns und am rechtsseitigen Gehänge des 
Thaies der Lenk. 

8EEWLENHORN Kt. Bern, Amtsbez. OberSimmen- 
thal und Frutigen). 2530 m. Gipfel im S -kämm des 
Albristhorns. Kann von Adelboden in 4'/« und von der 
Lenk aus in 5 Stunden, sowie direkt vom Albristhorn her 
über den S -Grat erreicht werden. 

8EEZ oder 9E EZB ACH (Kt. St. Gallen, Bez. Sar- 
gans). Zulluss des Walensees und durch denselben der 
Linth. Entspringt im Hintergrund des Weisslannenthals. 
wo in der Alp Lnler Siez (bei etwa 1280 m) die Bäche 
aus den Alpen Ober Siez (von N.) und Foo (von S.) zu- 
sammenftiessen. Der Ober Siezbach sammelt die Bäche 
vom Biesetenpass bis zu den beiden WillenbuUfurkeln 
(Ucbergänge zum Spitzmeilen und ins Schilibachlhal). 
der Foobach diejenigen vom Foopasa bis zur Scheibe und 
zum Muttenthalergrat. Von der Alp Unter Siez Iiiesst die 
Seex nach NO. bis zum Austritt aus dem Weisstannen- 
thal bei Mels, dann, scharf umbiegend, nach NW. bis 
zum Walensee. Die Lange bis Mels beträgt etwa 15 km. 
das Gefalle 780 m oder 5,2" „. Davon kommen aber auf 
die untern 4 km etwa 300 m oder 7,5 °/ 0 Fall. Bis etwa 
5 km unterhalb des Dorfes Weisslannen eilt die Seez 
vorherrschend durch einen hübschen Wiesengrund, der 
allerdings nur schmal und auf beiden Seiten von steilen 
Wald- und teilweise auch Felshän- 
gen eingefasst ist, aber selber doch 
nur ein massiges Gefalle hat (im 
Mittel etwas über 4%), so dass das 
Strässchen auf dem Thalgrund dem 
plätschernden Bach entlang dahin- 
zieht. Dann folgt eine lange, enge 
Wald- und Felsschlucht, die der 
Bach in kleinen Schnellen und 
Fällen durchrauscht, um dann eine 
grosse Wasserkraft für die Tur- 
binenanlagen von Mels zu liefern. 
Von den Seitenbächen, die der 
Seez im Weisstannenthal zueilen, 
ist der beim Dorf Weisstannen 
mündende Gufelbach zu nennen, der 
einen beträchtlichen Teil derGrauen 
Horner entwässert, da er mit sei- 
nen obern Verzweigungen einerseits 
bis zum Hangsackgrat und Larilsch- 
kopf. andrerseits bis zum Piz Sol 
und Slalinellagrat reicht. Von Mels 
an fliesst die Seez noch 12,4 km 
Lauf, dem Seezkanal, ruhig zum 
sich dabei fast immer an die linke 
Thalseite. Nur bei Flums und von da abwärts entfernt 
sie sich davon, ohne jedoch au die rechte Seite hinüber 
zu treten. Das Gefalle ist auf dieser ganzen Strecke ein 
sehr geringes, nämlich von 500 m bei Niels auf Vi! m am 
Walensee. also nur 0,64 °! 0 . Dergrössle Zulluss auf dieser 
Strecke ist der 1 km unterhalb Flums, gerade unter dem 
Hügel der Huinc Gräplang von links mündende Schilz- 
baen, dessen (Juelladern bis an die Gebirge des Spitz- 
meilen und Mageren hinaufreichen. Zwei kleinere Bache 
kommen noch aus der Kohlschlager- und der Mädemser- 
alp. wovon der erstere etwa 3 km unterhalb Mels. der 
letztere 1 km oberhalb Flums mündet, beide von links. 
Eine Beibe kleiner, im Sommer meist trocken liegender 
Wildhäche von der Alvierkette sammelt sich zum 
Teil in dem langen, schmalen, der Eisenbahnlinie fol- 
genden Enlsumphingskanal des Klein Seezli und zum 
andern Teil in demjenigen des Seezli oder Sliffler, die. 
bei Walenstadt sich kreuzend lindem der letztere über den 
enteren hinwegfuhrt i. beide ebenfalls direkt in den 
Walensee münden. Vor Ausfuhrung dieser Kanalbauten 
haben die Seez und ihre Zullüsse. die zwar alle nur klein 
sind, aber bei rascher Schneeschmelze oder stärkern 
Begcngüssen doch verheerend auftreten konnten , die 
breite und flache Sohle des Seezthales oft überschwemmt 
und der Versumpfung preisgegeben. Jetzt haben sich 
die Verhältnisse wesentlich gebessert, und das l.aml ist 
der Kultur wieder zurückgegeben. Die einst ausgedehn- 
ten Sumpf- und Hielflächen schwinden mehr und mehr 
und machen besseren Wiesen und Aeckern Platz. Unter- 
halb Tscherlach zweigt von der Seez ein Gcwerbekanal 



weit in geregeltem 
Walensee und hält 



Google 



SEE 



SEF 



MS 



ab, der den Fabriken von WalensUdt dient und in der 
Nähe der Kaserne in den See mündet. 860: aqua Sedes. 

8EEZBERQ (Kt. St. Gallen. Bez. Sargansi. 2181 m. 
Ziemlich breiter Gipfel zwischen dem hintern Weiss- 
Unnenthal und dem Calfeisenthal ; im w. Teil der Grauen 
Körner, in der Kette, die vom Satmartinhorn auf der 
N. -Seite den Calfeisenthales nach W. verläuft und sich 
dort an den Muttenthalergrat anschliesst; zwischen dem 
ZinerspiU (*2510 m) und dem Heideispitz (2432 m). 5 km 
s. über dem Dorf WeissUnnen, von woher er, wie auch 
von St. Martin im Calfeisenthal. sichtbar ist. Der Gipfel 
ist ganz aus Flysch aufgebaut. Der oberste Teil des Berges 
stellt einen steilen, rauhen Feinkamm dar, unter welchem 
die sanfter geböschten, welligen Abhänge sich nordwärts 
in den Thalkessel von Yaltüsch, südwärts über die 
Malanseralp ins Calfeisenthal senken. Westl. vom Seez- 
berg wird die Kette vom Heidelpass (2387 m) über- 
schritten, der von Weisstannen durch das Thal von Lav- 
tina und Yalt usch ins Calfeisenthal hinüberführt Der 
Seezberg kann sowohl vom Heidelpass aus als auch direkt 
von der n. unter ihm gelegenen Alp Yaltüsch her be- 
stiegen werden. Schöner Ausblick auf die Bingclspitz- 
und Sardonagruppe. 

SEEZMNAL (Kt. St. (.allen. Bez. Sargans). S. den 
Art. Skkz. 

seezli und KLEIN SEEZLI (Kt, St. Gallen, Bez. 
Sargansj. Fiitsumpfungskanäle im Seezthal. S. den 
Art. See/.. 

SEEZTHAL kt. St. Gallen, Bez. Sargans). Unterer 
Thalabschnitt der Seez von Mels und Saryans bis zum 
Walensee (der obere Thalabschnitt heisst WeissUnnen- 
IhaJ). Das Seezthal ist eingeschlossen : links von den 
relativ sanften, breiten Gehängen der Ausläufer der Sar- 
donagruppc. speziell der Bergzuge /wischen WeissUnnen- 
thal und Walensee, die bis hoch hinauf von schonen 
Wäldern. Wiesen und Weiden bedeckt sind, rechts von 
den auf dieser Seite wildzerrissenen und ungemein 
schroffen Wänden der Gonzen-Alvier-Faullirstkette. Be- 
kanntlich hatdas Seezthal keinen obernThalabschluss.d. h. 
kein Hintergehänge. Mit kaum merklicher, ganz niedriger 
und flacher Wasserscheide geht es bei Sargans ins Hhein- 
thal über und bildet dort mit diesem die merkwürdigste 
Thalbifurkation der Schweiz. Leicht könnte an dieser 
Stelle der Hhein ins Seezthal und damit in den Walen- 
und Zürichsee geführt werden oder unter Umständen 
von sich aus diesen Weg einschlagen. In einer frühern 
geologischen Periode muss er oder wenigstens einer 
seiner Anne, der damalige Westrhein, dies auch geUn 
haben. iS. den Art. Kiiein), denn das jetzige tiefe und 
breite Seezthal kann nicht das Werk der kleinen und 
schwachen Seez sein. Ks hat einen vollkommen (lachen, 
meist etwa I km breiten, von Flums an noch breitern 
Roden, aus dem etwa 2.5 km unterhalb Mels ein einziger 
niedriger und bewaldeter Hügel, der sog. Tiergarten, 
herausragt. In frühern Zeiten hal>en die Seez und ihre 
Seitenbäche diesen Boden oft überschwemmt und mit 
Sand- und Gerollmassen überdeckt. Seit den neuerlichen 
Kanalisationen hat das aber aufgehört, und die ehemaligen 
Sumpf- und Bietfiächen verwandeln sich mehr und mehr 
in Streue-, Wiesen- und Ackerland. Auch die Eisenbahn- 
linie von Sargans nach WalensUdt zieht in fast schnur- 
gerader lAnie mitten durch die Kbene. Die Dörfer und 
Weiler dagegen linden sich alle auf den auch früher 
schon vor Ueherschwemmungen gesicherten Hachen 
Schuttkegeln am Fuss der beidseitigen Bergwände, die 
zwei grössten, Mels und Flums, speziell an den Ausgängen 
der zwei bedeutenderen Seitenlhäler, des WeissUnnen- 
und Schilzthals. also auf der linken Thalseite, der auch 
fast durchweg der Seezkanal folgt. GeschüUte Lage und 
starke Wasserkräfte haben gewiss wesentlich zum Auf- 
blühen dieser Orte und namentlich auch zur Einbürge- 
rung einer lebhaften Industrietätigkeit beigetragen. Da- 
gegen haben Heiligkreuz, Bagnatsch, Bärschis, T seher- 
isch und WalensUdt die mildere, sonnigere rechte Thal- 
seite vorgezogen, wo der Ackerbau günstigere Bedingun- 
gen tindet und auch der Weinbau noch eine Stätte, hat. 
Zahlreiche, mehr hofartige Ansiedelungen sind über 
höher gelegene Terrassen zerstreut, besondere an den 
sanfter ansteigenden Gehängen der linken Thalseite, wie 
namentlich am weitgedehnten Kleinberg zwischen Plöns 



bei Mels und Porteis bei Flums. Alle diese Ortschaften 
und Einzelsiedelungcn bilden zusammen die drei poli- 
tischen Gemeinden Mels, Flums und WaiensUdt mit im 
ganzen 10600 Einwohnern, wovon nur ein sehr kleiner 
Teil auf die Seitenthäler, namentlich auf WeissUnnen, 
das politisch zu Mels gehört, kommt. Es erscheint also 
die sohle des Seezlhals, besonders in ihren beiden Band- 
laudschaflen, als sehr dicht bevölkert. 

8 E Fl N EN ALP (Kt. Bern, AmUbez. Interlakenj. 
Grosse und schöne Alpweide im Seligenthal j gliedert sich 
in mehrere SUfel : Ozen (1568 m), Gsteig (1705 m), Ober- 
berg (1935 im und Boganggen (2043 m). Wird mit30O-4O0 
Stück Bindvieh bezogen und ist ihrer ausgezeichneten 
Käse wegen bekannt. Gehörte früher zu einem grossen 
Teil den Leuten von Unterseen, denen sie von der Berner 
Hegicrung als Anerkennung für ihre Anhänglichkeit zur 
Heformationszeit verliehen worden war. 

SEFINENFURGGE (Kt. Bern, Amlsbez. Frutigen 
und Interlaken). 2614 in. Passübergang, in der das Kien- 
thal vom Lautcrbmnnenthal trennenden Kette zwischen 
Büttlassen (3197 m) und Gross Hundshorn (2932 m). 
Interessanter, sehr oft begangener und leichter Pass 
mit einem im allgemeinen gut unterhaltenen, zu oberst 
auf der Seite gegen das Kienthal allerdings sehr steilen 




Srltnenthal mit Blutläusen und (iipalleohorn. 



Fussweg. Yon der Passhöhe hat man eine zwar be- 
schränkte, dafür aber sehr schöne Aussicht auf die 
lilümlisatp einerseits und die Jungfraugruppe andrerseiU. 
Aufstieg von Murren und Abstieg nach Kienthai in je 3 
Stunden. Die oft unternommene Kombination Selinen- 
furggc-Hohturli gestaltet eine sehr interessante andert- 
halbtägige Tour (Uebernachten in der Hohtürlihütte) von 
Kandersteg nach Lauterbrunnen oder Mürren. Dabei 
zählt man von Kandersteg bis zur Hohtürlihütte 5, von 
da bis zum Bundsteg im obersten Kienthal l 3 /,, dann bis 
zur Sellnenfurgge 4 und nach Mürren hinunter noch 
weitere 2 oder nach Lauterbrunnen 3'/, Stunden. Der Pass 
wird als Sevifurgen schon im 13. Jahrhundert genannt. 

SEFINENLÜTSCMINE i Kt. Bern. AmUbez. Inter- 
laken). 2400-960 m. Oberster linksseitiger Nebenfluss der 
Weissen LüUchine. EnUteht aus zwei Quellarmen, von 



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SKK 



denen der ȟill. vom N. Hann des Gspaltenhorns und der 
n<irdl. aus dem Kessel der Hoganggenalp herabkommt. 




I :u.i- oberhalb Gimmelwald erh.-ilt die Sefinenlütschine 
von link« den Schiltbach, worauf sie einen schönen Fall 
bildet und bei Stechelberg da« Haupttha erreicht. 9 km 
lang. 

SKFINENTHAL (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken). 
2(>00-9fi() m. Linksseitiges Nebenthal nun l^auterbrunnen- 
thal. Den S.-Hang bildet die vom Gspaltenhorn nach O. 
ziehende Kette de* Tschingelirralcs. die in steilen Wanden 
abbricht und eine Heihe von Hangegletschern tr igl , 
nördl. über dem Thal ragen die Ausläufer des Hüttlassen 



und Srhilthorns auf. Das von der Sellnenlütschine in 
schonen Kaskaden durchbrauste Thal hat einen wilden 

und romantischen Cha- 
rakter. Ks wird von 
einem Fussweg durch- 
zogen, der von Stechel- 
berg aus über die grosse 
Selinenalp und die Se- 
linenfurgge ins Kien- 
thal führt (Lauterbrun- 
nen - Reichenbach 12 
Stunden). Selinenalp 
und Selinenfurgge wer- 
den urkundlich schon 
1340 genannt, in wel- 
chem Jahr die erstere 
von den Kdeln von 
Wädiswil an das Kloster 
Interlaken überging. 
Die ganze Gegend ist 
seil dem Ende des 
LS. Jahrhunderts durch 
Leute aus dem Löt- 
schenthal besiedelt wor- 
den, die von Hans 
Imthurn - Gestelenbur 
hierher gerufen i 
und sich auch im I 
delwald- und Lautcr- 
brunnenthal. sowie bis 
zur Planalp über Hrienz 
niederließen. l.'Uti 
kaufte Peter V. 
Imthurn - Gestelenburg 
seine hiesigen Besitzun- 
gen an das Kloster in- 
terlaken. 

SEFT4U (lt und 
Amtsbez. Hern. Gem. 
Hremgarten). 497 m. 
Gruppe von 14 Häusern 
in einer der Aareschlin- 
1,5 km n. vom 
nhof Rern. 233 re- 
form. Ew. Kirchge- 
meinde Hremgarten. 
I4mdwirtschaft. Diese 
Siedelung wird oft auch 
mit dem Namen c Neue 
Welt » bezeichnet, weil 
sie neuern Ursprung* 
ist und aus einer Heihe 
von kleinen Arbeiter- 
Ii. iu». rn sich entwickelt 
hat, die derSchlossherr 
von Hremgarten. Al- 
brecht von Krisching 

&r- '" ,ei " n 

SEFTIQEN. VMTS- 
m/imv des Kantons 
Bern. I'mfassl das von 
Hügelzugen und Thi- 
lern durchzogene Ge- 
biet des heroischen Mit- 
tellandes zwischen Aare 
und Schwarzwasaer. Kr 
grenzt im O. an die 
Aemter Konolflngen und 
-» Thun, im S. an Thun, 
im \V. an Schwar/enburg und im N. an den Amtsbezirk 
Bern. Die Bodengestaltung ist eine sehr mannigfaltige, 
indem »ich in den aus weicherem Gestein (Molasse i 
bestehenden Bergmassen mehrere kaüonartige Ein- 
schnitte gebildet haben. Die S. -Spitze des Amtes reicht 
bis an den in der Slockhornkette liegenden Ganterist 
(2177 m), von wo aus sich nach N. über Seelihühl 
(17Ti0m)die Höhen des Gurnigel zur Gielvelegg (1132 mi 
und über die Gegend von Biieggisberg hin bis zum Bette des 
Bütschelbaches erstrecken. Diese Hohen sind oben stark 



gen ; 
Halm 



l' AlUntjar k 



SKK 



SEK 



485 



bewaldet, während sich an ihren Abhängen saftige Wei- 
den (Vorsassen) und Alpen ausdehnen. Oestl. der Giebel- 
egg beginnt ein langgestreckter Bergrücken, 
der sich in n. Richtung bis in die Nähe der 
Stadt Bern zieht und dort im Gurten (860 m) 
endigt. Ks igt dies der Langenberg, dessen 
höchster Punkt den westl. Vorsprung der 
Hülschelegg (1058 m bildet und auf dessen 
Rücken sich ein fruchtbares, mit zahlreichen 
Hauernhöfen übersäte« Gelände ausbreitet. 
Nach U. fallt der Langenberg ziemlich steil 
zum Gürbethal ab. Dieses ist ein typisches Ero- 
sioiiHthal und steigt im <). wieder hinan zu den 
Moränenhugeln um Gurzelen und Kirchdorf, 
sowie zum sleilwandigen. oben tafelförmigen 
Belpberg (895 mi, dessen höchster Punkt 
rasch zum Aarethal hinahfällt, wo die Aare 
von Thierachcrn bis nach Muri die ostl. 
Grenze des Amtes bildet. Die vom Ganterist und 
der Nünenenfluh herabkommende Gürbe 
durchfliegst das Gürbethal und musste in 
den letzten 50 Jaiiren mit grossen Kosten 
korrigiert und eingedämmt werden. Sie nimmt 
die Grosse und die Kleine Müsche auf und 
mündet unterhalb Belp bei Seihofen in die 
Aare. Auf der W. -Seite de« Langenberges 
Iiiessen der Bütschel- und der Scherlibach 
/.um Schwarzwasser hinab, das auf der w. 
Grenze des Amtes der Sense zueilt. Der Boden des ge- 
samten Amtes eignet sich vorzüglich zu Ackerbau und 
Viehzucht, so tlass diese Erwerbazweige denn auch den 
ersten Rang einnehmen. 

Flächeninhalt 19510 ha, wovon 18 IM) produktives und 
1370 unproduktives Land. Jenes verteilt sich auf 
Aecker und Gärten 8467 ha 
Wiesen und Hofstätten 4259 » 
Weiden und Alpen 796 • 

Wald 4618 . 

Total 18 140 ha. 

In den niedern Lagen, wie im Gürbethal, auf dem 
Plateau zwischen Aare und Gürbe und auch auf dem 
Längenberg, wird beträchtlicher Obstbau getrieben. Die 
letzte Obstbaumslatislik ergab auf einem Areal von 
12 406 ha : 

Apfelbäume 61 093 

Birnbäume 19474 
Kirschbäume 3077» 
Zwetschgen und Pllaumen 28579 
Nusabäume 3891 
Spaliere 1 947. 

Neben dem Ackerbau sind Viehzucht und Milchwirtschaft 
bedeutend entwickelt. Die Milch wird in 33 Käsereien 
verarbeitet, während ein kleinerer Teil, namentlich von 
Belp, nach Bern wandert. Dieeidg. Viehzahltingen haben 
folgende Ergebnisse geliefert: 

Rindvieh 
Pferde 
Schweine 
Schafe 
Ziegen 

Bienenstöcke 

Das Amt Seftigen besteht aus 8 Kirchgemeinden: Belp, 
Gerzensee, Gurzelen, Kirchdorf, Rüeggisberg. Thuroen, 
Watlenwil und Zimmerwald, sowie aus politischen 
Gemeinden : Belp, Belpberg, Burgislein, Englisberg. Gel- 
terlingen, Gerzensee. Gurzelen, Jaberg, Kaufdorf, Kehr- 
satz, Kienersrüti, Kirchdorf, Kirchthurnen. Lohnstorf. 
Mühledorf, Mühlethurnen, Nieder Muhleren, .Moden. 
Riggisberg, Rüeggisberg, Rümligen. Rüti bei Riggis- 
berg, Seftigen, Tollen, Lttigen, Wattenwil und Zimmer- 
wald. 3803 Haushaltungen in 3818 Häusern. 19503 re- 
form, und deutschsprechende Ew. (100 auf 1 km*), die 
zur überwiegenden Mehrzahl von Viehzucht und Ackerbau 
leben. Ein kleiner Teil findet Arbeit in einigen Fabriken 
(Kindermehlfabrik in Belp und Tuchfabrik in Steini- 
bach), sowie als Bauarbeiter in der Stadt Bern. Ver- 
kehr und Industrie haben sich erst seit Eröffnung der 
Gürbethalbahn entwickelt. Diese bedient die Stationen 
Kehrsatz, Belp, Tollen, Kaufdorf. Thurnen, Wattenwil- 



Burgistein und Seftigen. Postwagenkurse Kehrsatz- 
Zimmerwald - Rüeggisberg und Thurnen - Riggisberg- 




HM 




IV». 


1901 


8607 


1 1 tot 


13 154 


15 151 


l I73 


1217 


IH05 


1482 


3239 


3X14 


5877 


6092 


903I 


7166 


45ti0 


3126 


3723 


4660 


4361 


3312 




2144 


3200 


3011. 



S-gneshfitt*. 

Gurnigelbad. Mineralquellen und Kurorte : Gurnigelbad 
(400 Betten) und Gutenbrunnen bei Bündigen. Drei Se- 
kundärschulen (Belp, Thurnen und Wattenwil). Je ein 
AmUspital in Wattenwil und Riggisberg. Erziehungs- 
anstalt für Mädchen in Kehrsatz. In Riggisberg befindet 
sich das grosse mittelländische Armenhaus. 

Seftigen. das zuerst zu Burgund und dann den Grafen 
von Neuenburg und Nidau gehörte, kam 1381 durch Kauf 
an Oesterreich, wurde aber nach dem Sempacherkrieg 
1386 und im Krieg gegen Freiburg 1388 durch die Berner 
erobert, die es als Landgericht von dem Venner der Zunft 
zu Plistern verwalten Dessen. Der Venner von Seftigen 
hatte 3 Freiweibel. Nach dem Volksaufruhr von 1513 er- 
hielt das Landgericht einen Freiheitsbrief. Laut Deschluss 
des Grossen Rates vom 19. Mai 1780 hatte Seftigen ein 
Regiment Soldaten zu liefern. Vor 1798 bestanden im 
ganzen 11 Pfarreien, worauf 1803 die Gemeinden 
Blumenstein, Thierachern und Heutigen von Seftigen ab- 
getrennt wurden. 1803-1831 amtierten der Reihe nach 
4 Oberamtmänner, die nachher durch die noch letzt je- 
weilen auf eine kürzere Amtsdauer gewählten Bezirks- 
beamten ersetzt wurden. AmUhauptort ist Belp. Vergl. 
Wattenwil. Ludwig von. liexchreibunq de» Landgericht» 
Sepigen il772; Manuskr. auf der Berner Stadtbihlio- 
thek). — tlluttr. Führer durch das Gürbethal. Bern 1903. 

SEFTIGEN (Kt. Bern. Amtsbez. Seftigen). 591 m. 
Gem. und Dorf, in fruchtbarer Gegend am W.-Rand 
der Moränenlandschaft zwischen den Thälern der Aare 
und der Gürbe, Strasse nach Uctendorf und Thun. Sta- 
tion der Gürbethalbahn ( Bern-Wattenwil-Thun). Post- 
bureau, Telephon. Zusammen mit zerstreuten Einzel- 
siedelungen : 108 Häuser. 603 reform. Ew. ; Dorf : 72 
Häuser, 385 Ew. Kirchgemeinde Gurzelen Acker- und 
Obstbau. Gehörte bis 1664 zur Pfarrei Kirchdorf. 1714 
zerstörte hier eine heftige Feuersbrunst 34 Häuser. Oestl. 
vom Dorf geht die Eisenbahn durch einen tiefen Ein- 
schnitt, über den eine eiserne Slrassenbrücke führt. 
Räawrsiedelung ; Alemannengraber. Heimal der Edeln 
von Seftigen, die nachher Burger von Bern wurden und 
sich im Dienste dieser Stadt vielfach auszeichneten. Der 
Schultheiss Ludwig von Seftingen (I390i galt als der 
reichste Berner seiner Zeit. 

S E FTIQ8CH WAND (Kt Bern. Amtsbez. Seftigen. 
Gem. Rüti). 1072 m. Bauernhof mit Gastwirtschaft in 
einer Lichtung des Gurnigel waldes; 2 km no Gurnigelbad. 
Aussichtsturm. Schoner Blick aufs Aarethal, den Thuner- 
see und die Alpen. 

SEGEL. (Kt. und Bez. Schwvzi. 452-472 m. Sumpf- 
gebiel 2 km ö. Goldau, vom Goldbach und Klausenbach, 
sowie der Strasse Steinen-Lowerz durchzogen. Bildet 
den ehemaligen W. -Abschnitt des Lowenersees, der vom 
Goldauer Bergsturz 1806 zugeschüttet worden ist. 150 ha 



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•Mi 



SEG 



SE(i 



gross. In dem gegen Goldau gewendeten, bewaldeten westl. 
Teil liegen eine Masse von Bergsturzblöcken. Der Aua- 
druck Segel entspricht etymologisch der Bezeichnung 
Sedel (b. diesen Art.). 

8EQEL (Kt. Zürich, Bez. Borgen. Gem. Hütten). 
754 m. Gruppe von 7 Häusern, 1 km w. vom Hüttensee 
und 2.5 km w. der Station Samstagern der Linie Wädens- 
wil-Einsiedeln. 31 reform. Ew. Kirchgemeinde Hütten. 
Wiesenbau. 

8CQHILLINA (Kl. Tessin. Bez. Locarno, Gem. Ber- 
zonai. 717 m. Weiler im Val Onsernone, mitten in Kas- 
tanienselven und Obstbaumen; 16 km nw. vom Bahnhof 
Locarno. Postwagen Locarno-Buaso. 14 Häuser, 43kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Berzona. Landwirtschaft und Vieh- 
zucht ; Anbau von Boggen, dessen Stroh zur Herstellung 
von Hüten verwendet wird. 

8EGL (Kt. Graubünden. Bez. Malojai. Gem. und Dorf. 
S. den Art. Sil s 

SEOLUS < Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg!. Gem. 
und Dorf. S. den Art. Sils. 

SEULINGEN (OBER und UNTER) l Kl. Zürich. 
Bez. Bulach. Gem. Eglisau). 370-390 m. Dorf, am linken 
Bheinufer gegenüber Eglisau, 500 m o. der Station Eglisau 
der Linie Zürich-Bülach-SchalThauscn. 50 Häuser. 247 
reform. Ew. Kirchgemeinde Eglisau. Acker- und Wiesen- 
bau. Beste einer alten Burg. Gedeckte Brücke über den 
Bhein nach Eglisau. 

SIGNA i Ki. Tessin. Bez. Locarno. Gem. Intragna). 
1170 m. Alpweide mit einer Kapelle auf dem Bergrücken 
zwischen dem < '.entoval Ii und dem Onsernonethal. 18 km 
w. locarno. 96 Hütten und Stallt', die vom Mai bis Ende 
Oktober bezogen werden. Wird mit etwa 100 Kühen und 
einigen /.irgen bestossen. Herstellung von Bulter und 
Käse. Bildet eine der schönsten Alpweiden im Kanton 
Tessin. 

SEGNFS oder SEGNAS , rätoromanisch Skmüas 
(Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein, Gem. Bisentis). 
1336 m. Kleines Borr am rechtsseitigen Gehänge den Val 
Segnes. I km über der Strasse Disenlia-Oberalp-Ander- 
matl. 2.5 km sw. Bisentis und 32,2 km wsw. der Station 
Man/ der Kummer Oberlandbahn (Chor-Ilanz). Poslab- 
lage. 31 Häuser. 15t kathol. Ew. romanischer Zunge. 
Kirchgemeinde Bisentis. Wiesenbau und Viehzucht. 

SEGNES (PIZ) (Kt. Glarus. Graubünden und St. 
Gallen). 3102 m Grenzstock und -gipfel zwischen Glarus, 
Graubünden und St. Gallen, in der Sardonagruppe , w. vom 
Trinserhorn oder Pix Dolf (3028 m), BÖ, vom Tschingel- 
horn |28NI nn und2 km sw. vom Saurenstock (3054 mi. Her 
/wischen dem Seguesglelscher und der Felsennische unter 
dem Segnespass über den Punkt 2926 m nach 
S. reichende wilde Grat gehört wie die Zunge 
des Gletschers dem Kanton Graubünden au. 
Der Piz Segnes kann von der Segneshütte (auf 
der Kl imser Alp Platta) her in 4 1 /, Stunden er- 
stiegen werden, was als eine beschwerliche, 
aber sehr lohnende Tour gilt. Von Elm aus 
lässt sich die Besteigung des Piz Segnes auch 
mit einer Tour zum Saurengletscher und -joch 
und über den Kirn des Segnesglelschers /um 
Sardonapnss i2840 ml mit Abstieg über die 
Sardonahütte nach Vällis verbinden (Elm- 
Saiirengletscher-Piz Segnes 7 bis 8 Stunden; 
Segnespass- Piz Segnes 2 Stunden). Gesteine des 
Bergstockes sind Verrurano und eine schwa- 
che, stark zusammengedrückte, sowie durch 
enorme Fallung fast oder ganz ausgewalzte 
I. age von .Malmkalk, welche Formationen den 
jungen Eoranschiefen der tiefern Bergseiten 
derart verkehrt aufsitzen, wie dies auch am 
Trinserhorn. der Bingelspitz. am Vorab und 
llausstock etc. der Fall ist. Dabei setzt das 
dunkle, in zerklüftete Gräte und nadeiförmige 
Spitzen auslaufende Verrucanogestein fast 
nie verschärf an den jungem Sedimenten ab. 
Diese grossartigen Lagerungsverhaltniss« sind 
eine Folge der weitgespannten Glarner 
! eberschiebungen. Anden Felsschwellen unter 
Segnes Sura und in der Bergnische unter der Martins- 
wand und der Alp Platta liegen bedeutende Moränen- 
wälle. Aus der Felsennische dea Segnesthaies und zum 



Teil auch vom Fümserstein her brachen die gewal 
ligen Schuttmassen des diluvialen Felssturzes von Flims. 
des grossten in den Schweizer Alpen, nieder. 

SEGNES (VAL) (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein). 
2600-1100 m. Etwa 3.5 km langes, nach OSO. gerichtetes 
linksseitiges Nebenthälchen zum Vorderrhein, das sich 
hinter dem Dörfchen Segnes (Gemeinde Bisentis) öffnet. 
Die muldenförmige Stufe seines längsten Quellthaies mit 
der Alp Giendusas und drei winzigen Seebecken (2266 und 
2344 m) liegt in der Felsennische zwischen dem Piz Gien- 
dusas (Gebiet des Oberalpstockes) und seinen beiden nach 
SO. gewendeten Gräten, von denen der westl., höhere, in 
den Culm de Vi ausläuft. Ein kleiner Quellarm des Baches 
kommt von N. her. reber dem Wald des linkseitigen Ge- 
hänges des Val Segnes liegen die Maiensässe Gaiscnavedra 
und die Alp Magriel. Das liachgefälle beträgt von der Ver- 
einigung der Quellen bis zum Bhein etwa 20°,'«. Gegen 
die Landstrasse und den Bhein hat der Bach einen De- 
deutenden Schuttkegel vorgeschoben, auf dem das Dorf- 
chen Segnes steht. Das Thal ist in Gneis eingeschnitten, 
auf den am Ausgang Serizitiihyllit und am Bhein etwas 
Talkschiefer folgen. Im Thal liegen Wiesen, Wald, Berg- 
und Alpweiden. 

SEGNES SURA und SEGNES SUT Kt. Grau- 
bünden, Bez. Imboden, Kreis Trins, Gem. Flims). 2094 
und 2310 in. Alpweiden am S.-Hang des Piz Segnes. Seines 
Sura liegt vordem S.-Band des Segnesgletsehera und bildet 
einen Teil der Alp Platta, wahrend die weiter sw. gelegene, 
von einer Felsenschwelle durchzogene Segnes Sut zur Alp 
Caasens gehört. Beide befinden sich in nahezu flachsohligen 
Thalmulden. Segne« Sura wird von einem Zulluss des 
Segnesbaches und Segnes Sut vom Segnesbach selbst ent- 
wässert. Am S.-Band der Terrasse von Seines Sut steht in 
geschützter und aussichtsreicher Lage die Segnes-Klub- 
nütte, die als Ausgangspunkt für die Besteigung' des Trinser- 
horns (oder Piz Dolf i, Piz Segnes, Tschingelliorns, Piz 
Grisch und Vorab dient. 

SEGNESGLET8CHER Kl Graubünden, Bez. Im- 
boden |. £100 - 2350 m. Nach S. herabhängender Gletscher 
zwischen dem Piz Segnes 1 310*2 ml, dem Punkt 3013 m s. 
des Saurenstockes und dem Trinserhorn 1 3028m i in der Sar- 
donagruppe. Bechla und links erheben sich gewaltige Fels- 
wände und liegen wilde Schultreviere. Der ansehnliche 
Gletscher 1 2,5 Im lang' und etwa sim m breit i hängt in der 
Hohe im W. mit dem Sauren- und im O. mitdem Sardona- 
gletscher zusammen. Der Ablluss im ebenen Hochboden 
Segnes Sura ist derö. Quellarm des Flembaches von Flims. 
Im W. öffnet sich der Segnespass. 

SEGNESHÜTTE Kl. Graubünden. Bez. Vorder- 




Segneapaia mit «Ion Mannen. 

rheinj. 2170 m. Touristenhütte in Privateigentum, auf 
der Alp Platta im Thalchen des Segnesbaches ; 3 Stunden 
nw. über Flims und l 1 3 Stunden unter dem Segnespass 



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SEG 



487 



dessen Ueberschreitung sie erleichtert. Dient als Ausg.inp- 

Punkt für die Besteigung von Trinserhorn (oder Pix Dolfi. 
ix Segne«, Pix Grisch, Tschingelhorn und 
Vorab. Prachtvolle Fernsicht auf die Adula- 
gruppe, Tambohorn, das Berninamassiv (Pix 
Rosegt, die Averser- und Oberhalbsteiner- 
herge, das untere Oberland. Domleschg. 
Stätxer und Aroser Holhorn bis zum Kluela. 
Panorama von Prof. II. Jenny. 

SEQNCSPA88 Kt. Glarus und Grau- 
bünden). 3625 m. Piismihergang 1,3 km aw. 
vom Pix Segnes in der Sardonagruppe. Führt 
von Flims im Bündner Oberland in / Stunden 
nach Kim im Kanton Glarus hinüber. Von Klims 
gelangt man entweder auf gutem Weg über 
Muletg oder direkt über Foppa und die Alp 
Gassons Sut (1916 ml in 3 Stunden xur Segnes- 
hütte auf der Alp Platta. Beide Wege führen 
auf den alten Seeboden der i Wann*- • und in 
die Alp Segnes Sut (2094 im. über welcher 
der auf der Alp Segnes Sur« dem Segnesglet- 
scher entspringende Bach sich in prachtvollem 
Fall über den Felsen herabwirft. Durch die 
Alp Segnes Sut nordwärts ansteigend erreicht 
man über steile Geröllhalden und westlich über 
ein Schnee- und Kisfeld die Passhohe, von der 
aus der Pfad über Fels und Geröll in die 
Tschingelnalp und längs den wilden Schluch- 
ten des Tachingeinbaches (malerische Wasser- 
lilie) xum Raminbach und nach Kim hinab- 
leitet. Ueber die Tschingelhorner (« Sieben Mannen ■ 
oder « Sieben Jungfrauen ») und das Martinsloch im 
SW. der Segnespaashohe vergl. die Art. Mannen und 
MARTiNSi.or.il, wo auch die geologischen Verhältnisse 
der Gratgegend kurz erklärt sind. Der Segnespass 
gilt als einer der besuchenswertesten llochpfade der 
Schweix. 

8EQNO i Kt. Tessin, Bcx. I.eventina, Gem. Cavagnagoi. 
1090 m. Bergweide mit einigen Hutten und Ställen, am 
alten Saumpfad nach Faido und 7 km so. Lavorgo. Bil- 
dete einst einen Teil des Dorfes Cavagnago und halte eine 
sehr alte kleine Kirche. Ist heule verödet und wird nur 
noch mit Vieh bezogen. 

SEQNO (PIANO DI) (Kt. Tessin, Bez. Blenio, Gem. 
Olivonel. 1800-2400 m. Alpweide im Val Santa Maria, auf 
einem ebenen Hoden zwischen dem Brenno und dessen 
vom Pi/zo Colombe herabkommenden Zufluss; link* der 
Strasse über den Lukmanier und 2' * Stunden w. über 
Olivone. Ist eine der schönsten Alpen der Gemeinde und 
wird mit 140 Stück Bindvieh, sowie 200 Ziegen bezogen. 
Herstellung von Hutler und Kase. 

8EOOR (MONTE) (KL Tessin. He/ liellinzona und 
Lugano i. 2099 m. Gipfel auf der l.andeagrenze gegen Ita- 
lien, im Bergstock des Monte Garzirola xwischen dem Val 



dem Anbau von Maulbeerbäumen zur Seidenzucht gemacht 
wurden. Heute ist der Hang baumlos. 




Maggina (einer Verzweigung des Val Morobbiai und Val 
; des Val Vedeggio) einerseits und dem 
italienischen Val Segor (Zweig des val C.avargna) andrer- 



Sertena (Seitenzweig 



seits. Wird selten besucht. 

SEGRAY (LAC) kt Waadt, Bez. Aigle). 2068 m. 
Kleiner Bergsee, am ONO. -Fuss der Tour de Mayen in 
wilder Gegend gelegen. 2 Stunden über l.eysin und an 
der gewöhnlichen Anstiegsroute von den Chalets de Mayen 
aus auf die Tour de Mayen. 

8EICHTENBODEN [Kt Schwyz, Bez. und Gem. 
Einsiedeint. 968 m. Drei Bauernhöfe im Amselthal, am 
rechten Ufer des Grosshaches und .'<..*• km ss<*. Einsiedeln 
23 kalhol. Ew. Filiale Gross der Pfarrei Einsiedeln. 1330 : 
Seikun, Seikon; mittelhochdeutsch Seiche, Seige. Be- 
zeichnet eine wasserdurchxogene Niederung oder auch 
einen feuchten Berghang. In den napoleoniscYien Kriegen 
traten vier aus dieser Ortschaft stammende Brüder 
Kälin in französische Dienste, wo deren zwei den Tod 
fanden. 

SEIDEN BAUM (Kt. St. Gallm. !;<■/ \\ . nlenberg, 
Gem. Wartau). 475 m. Gruppe von 4 Häusern. 2 km n. 
der Station Trübbach der Linie Rorschach-Sargans. 26 
reform. Ew. Kirchgemeinde Azmoos-Gretschins. Mais-, 
Obst- und Wiesenbau, Viehzucht. Streuland. 

SEIDENBERG (Kt. Solothurn. Amtei Baisthal). 510m. 
S.-Hang der Hauensteinkette, an dem einst Versuche mit 



s«gn«*p*M mit dorn Martin loch. 

SEIEN BERGWALD ' Kt. Bern, Amtabez. Aarberg- 

Südl. Abschnitt des grossen Frienisbehovvaldes. S. die 
sen Art. 

SEIGNE. S. den Art. S&GKI 

SEIGNE AUX FEMMES (Kt. Bern. Amlsbez. Frei- 
bergen Gem. Le Noirmont). 10110 m. Zwei Höfe auf einem 
Sennberg. 2 km sw. der Sution Le Noirmont der Linie 
Saignelegicr-La Chaux de Fonds. 9 kalhol. Ew. Kirch- 
gemeinde Le Noirmont. Viehzucht. 

SEIGNEUX Kt. Waadt. Bez. Payerne). 572 m. Gem. 
und Dorf, am rechtsseitigen Gehänge des Thaies der Broye 
über der Strasse Bern- Lausanne; 11.5 km ssw. Payerne 
und 1.2 km aö. der Station Henniez der Linie Lausanne- 
Paverne-Lyss. Gemeinde, mit dem Weiler Treize Cantons ; 
57 'Häuser. 284 reform. Ew. ; Dorf : 39 Häuser. 187 Ew. 
Kirchgemeinde Dompierre. Acker- und Tabakbau. Sage 
und Mühle in Treize Gantons. Alte Siedelung. 1221 kaufte 
der damalige Bischof von Lausanne, Guillaumed'Kcublens, 
die Leute von «Sininst dem Herrn von Dompierre ab. 
worauf das Dorf unter die Schlossherrschaft Lucens ge- 
stellt ward. Das Adelsgeschlecht derer von Seigneux 
scheint nicht aus diesem Dorf, sondern aus Homont her- 
zustammen. ... _ 

SEIGNEUX (RUI88EAU DE) (Kt. Waadt. Bez. 
Moudon und Paverne). 770-480 m. Rechtsseitiger Zufluss 
der Drove. Entspringt s. Prevonloup auf der Hochfläche 
zwischen Lucens und Romont. wendet sich nach N. und 
dann nach NW., geht östl an Prevonloup und Dompierre, 
aowie s. am Dorf Seigneux vorbei, durchmesst den NVei- 
ler Treize Cantons, wo er eine Säge und eine Mühle treibt, 
und mündet 500 m w. von Treixe Cantons auf Boden der 
Freiburger Enklave Surpierre. Der 5.5 km lange Bach 
ist zwischen Dompierre und Treize Cantons in ein tiefe« 
Tobel eingeschnitten und führt für gewöhnlich nur wenig 

^SEILEGOPASS l Kt. Wallis. Bez. Westlich Raron). 
Etwa 2490 m. Gewohnlich nur von Schäfern benutzter 
kleiner Debergang s. vom Ijolli Schwarzhorn (2676 m). 
Fuhrt aus der Ijollialp ins ßietschthal hinüber 

SEILER i Kt. Aargau. Bez. Bölingen, Gem. Muhlethal). 
560 m Gruppe von 4 Häusern in einer Waldlichtung. 8 
km nö. der Station Zollngen der Linie Ollen-I.uzern. .57 
reform Ew. Kirchgemeinde Zollngen. Viehzucht und 
Milchwirtschaft. 

SEILEREN (OBER und UNTER) i Kt Hern. Amts- 
bez. Aarwangen, Gem. Gondiswilj. 715 und 670 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 6 Häusern 1.7 km so. Gondiswil ; 
2.3 kmnw. der Station Hüswil und 2.4 km nö. der Station 
Huttwil der Linie Langenthal- Wolhusen. 35 reform. Kw. 
I Kirchgemeinde Melchnau. Viehzucht. 



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488 SEI 

SEILERRICHTE (Kt. Waliii. Bez. Brig). '2589 m. 
Gipfel in dem das Zwischbergcnlhal oder Val Varia vom 
Laquinthal trennenden Kamm, zwischen der Galenlücke 
und der Eselfurgge: 5 Stunden sso. über Gstein (oder 
Algaby) an der Simplonstrasse. Aussicht ohne besondeies 
Interesse. 

8EILON ICOL DE) (Kt. Wallis, Bez. Entremont und 
Hörens 3250 m. Schon seit langer Zeit bekannter und 
benutzter Passtibergang zwischen der I. nette oder 1 .Odette 
(354t m) und dem Mont Blanc de Seiion (3871 im. Ver- 
bindet das oberste Ragnest ha I über den Gietrczgletscher 
mit dem Glacier de Seilou (oder Glacier de Durand i und 
der Vallee d'Hercmence. Aufstieg von Mauvoisin her über 
die Alpe und den Glacier de Gietroz in 3 Stunden. Ab- i 
stieg über den Glacier de Seiion und die Alpe de Seiion 
nach Prazlong in 4 Stunden. Von der Chanrionhütte her 
gelangt man uber den Col du Moni Rouge in 3 '/j Stun- 
den auf den Col de Seiion. Oft kombiniert man 
auch die Höhenwanderung Chanrion-Col du Mont 
Rouge-Col de Seiion und Pas de Chevres mit Abstieg 
nach Aroila. Der Pas» folgt dem durch Glanzschiefer 
und Serpentineinlagerungen gekennzeichneten N.-Hand 
des Gneismassives von Arolla. Der Name wird auch 
oft Cheilon geschrieben, da man im Walliser Dialekt das j 
anlautende S wie das englische th ausspricht. 

SEILON oder DURAND (GLACIER 
DE) | Kt. Wallis, Bez. Herens). 3200-2400 
m. 4,5 km langer und im Maximum 2 km 
breiter Gletscher zu oberst in der Vallee 
d'HeVeinence. Er wird von O. nach W. um- 
rahmt von der Kette der Monis Houges 
(etwa 3000 m), dem Kamm von Zinareflicn 
(3500 m). Pigne d'Arolla (3801 ml. Dome de 
ta Serpentine (etwa 3700 ml. Mont Blanc de 
Seilou i.'tSTI ii i und der I. nette oder l.oe- 
lette (3544 m . deren XO.-Grat ihn vom 
Glacier de Lendarey trennt. Steht über den 
Col de Itiedmallen (2016 m) und den Pas de 
Chevres (2851 m) mit Arolla, sowie über 
den Col de Serpentine (3546 m ) und Col de 
Seilou (3250 m) mit Chanrion und Mauvoi- 
sin in Verbindung. Fast alle diese L'eber- 
änge werden ziemlich stark benutzt, so 
ass der Glelacher vielen Besuch erhält. Er ist übrigens 
in den letztvergangenen Jahren stark zunickgeschmol- 
zen. Einen guten lleberhlick über den GleUcherzirkus 
gewährt die links über dem Eisfeld aufragende Tete 
Noire (2976 mi. die man von der Alpe de Seilou her in 
2 Stunden und von der im obern HeVemeneelhal gelege- 
nen Sommerfrische Prazlong aus in 4 Stunden erreicht. 
Wird auch Glacier de Cheilon oder Cheillon geschrieben. 
■SEILON (MONT BLANC DE) (Kt Wallis. Bez. 
Herens und Entremont). 3871 m. Bedeutender Gipfel in 
dem die Thäler von Entremont, IleYdmencc und Arolla 
mich oben abschliessenden Gebirgsstock. Erhebt sich ' 
zwischen dem Col de Seiion und dem Col de la Serpen- 
tine und fallt mit hoher, von zahlreichen Couloirs durch- 
schnittener Wand zum Firnfeld des Glacier de Seiion 
(oder (ilacierde Durand i ah. Zum erstenmal 1865 von J. J. 
Weilenmann auf dem seither allgemein üblichen Weg 1 
über den W.-Grat erstiegen. Erste Besteigung über den 
O.-Grat im Jahr 1887 und über die SO. -Front im Jahr 
1864 durch Thurv, Wannerund Martin. Aufstieg von Mau- 
voisin oder der Chanrionhütte her in 6 Stunden. Gefahr 
bietet bloss die Erkletterung des obersten Eisgrates, der 
zu seiner Bezwingung einen schwindelfreien Kopf erfor- 
dert. Grossartige Aussicht auf die prachtvollen Bergstöcke 
desCombin und Colon, der l>ent Blanche und des Matter- 
homs. Der Mont Blanc de Seiion (auch Cheilon oder 
Cheillon geschrieben) besteht wie seine Nachbarn Hui- 
nette und Pigne d'Arolla aus Amllagneis. 

SEiLOZ (LA) hi Wallis, Bez. Entremont). 1500 m. 
Maiensäss mit etwa 15 Hütten, an der Vereinigung des 
von der Tete de Vari (2873 ml herabkommenden Wild- 
baches Idro (oder Y Dro) mit der Dranse de Ferret. 5 km 
ssw. Praz de Fort und 4 km n. Ferret. an der diese beiden 
Orte verbindenden Strasse schön gelegen. Wiesen und 
Wald. Wird während eines Teiles des Frühjahres, Som- 
mers und Herbstes bezogen. 
seimaz (LA) (Kt. Genf, Linkes I fen. 440-396 m. 



SEK 

Kleiner rechtsseitiger Zulluss der Arve, dessen 11,5 km 
langer Lauf von NO. nach SW. gerichtet ist. Entspringt 
nahe der l.andesgrenze gegen Savoyen einem wenig no. 
vom Dorf Meinier gelegenen Sumpfgelände, durchlliesst 
1 km weiter unten den umfangreichen Mai als de Sionnet 
i55 ha Fläche), in den die Hache Chamln-t und Cham- 
boton münden, durchzieht Chene und mündet etwas 
unterhalb der Brücke von Sierne. Wird von 16 Brücken 
und Stegen i worunter eine Eisenbahnbrücke I uberschrit- 
ten. Der ganze Bachlauf liegt auf Boden des Kantons 
Genf. 1227: aqua Seyma. Wird auch Seime, Seyme und 
Seymaz geschrieben. 

SEIRY (Kt. Freiburg, Bez. Broyei. 616 m. Gem. und 
Pfarrdorf auf einem ziemlich hohen Hügelzug zwischen 
den Thälchen des Bainoz und der Petite (Haue, 4 km >. 
der Station Estavayer der Linie Freiburg-Yverdon. Tele- 
graph, Telephon. 32 Häuser, 209 kathol. Ew. französischer 
Zunge. Acker-, Wiesen- und Obstbau, Viehzucht. Grosse 
Bruche auf grauen und blauen Muschelsandstein, der 
in der ganzen französischen Schweiz als Baumaterial 
verwendet wird. Erratische Hlöcke. Die Pfarrkirche 
ist dem h. Georg geweiht. Seiry bildete einst eine von 
Chevres abhängige kleine Herrschaft, die 1751 verkauft 
wurde. Im 1 J Jahrhundert: Seine: 1276: Serie: 
1317 : Serye; 1532: Seyriez; 1734: Seiry. 



Seiry von Sftdeu 

SEITE (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Simmenthai, Gem. 
Lenkj I I0U-120O m. So heissl das O. -Gehänge des Sim- 
meulhales unmittelbar uber dem Dorf Lenk. Wird von dem 
über das Hahnenmoos 1 1951 m I nach Adelboden führenden 
Weg tra versiert. 

SeiTE (BÖSE) (Kt. Hern. Amtsbez. Ober Haslei 
2239 m. Dieser Name der Siegfried karte scheint sich auf 
den östlichsten Gipfel in dem vom Gross Diamanlstock 
(3151 mi nach O. auszweigenden Kamm zu beziehen, der 
von der Handegg aus bestiegen werden kann. Vielleicht 
versteht man darunter aber auch das gesamte felsige Ge- 
hänge des genannten Kammes. 

SEITE (OBERSTE, UNTERSTE. WARME) und 
ZEHN DE RS SEITE (Kt Hern. Amtsbez. Schwarzen- 
burg. Gem. Guggisberg). 900-1217 m. Alpweiden mit 
Hütten, an deu Gehängen über der Kalten Sense und 
der Vereinigung derselben mit der Warmen Sense ; 5 km 
ssw. Guggisberg. 

SEiTtN (IN DEN) (Kt. Bern, Amtsbez. OberSimmen- 
thal. Gem. St. Stephan). 1658 m. Alpweiden mit einigen 
Hütten, in dem 2 km oberhalb Matten zum Simmenthai 
sich ollnenden Thal des Dürren waldbaches. 

SEITEN (OBER, UNTER und VOROER) Kt. 
Zürich, Bez. Borgen, Gem. Hirzel). 680-711 m. Drei 
Gruppen von zusammen 7 Häusern, 500 m o. der Kirche 
Hirzel. 37 reform. Ew. Kirchgemeinde Hirzel. Wiesenbau. 

SEKLisbach | Kt. Nid walden ). 2100-530 m. 8 km lan- 
ger rechtsseitiger Zulluss der Engelberger Aa. Kntspringt 
mit 3 Quellarmen : dem vom Sleinalperbrisen herabkom- 
menden Haldibach, dem Sinsgauerbach vom Kaiserstuhl 
her und dem auf der Hannalp entstehenden und einen 
Fall bildenden Bannalperbach. Von über Bickenbach an, 
wo sich diese Quellbache vereinigen, wendet sich der 
Seklisbach gegen NW., um oberhalb Wolfenschiessen zu 
münden. \\ ird nach starken Hegengüssen zu einem ge- 
fährlichen Wildwasser, das oft Verheerungen anrichtet. 
Das 25,7 km* umfassende Einzugsgebiet besteht zu 27,8 s / 0 




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SEL 



SEL 



489 



aus Felsen and Schutt, zu 13,6 % aus Wald und zu etwa 
58,0% aus Wiesen, Weiden etc. Minimale Wassermenge 
0,10-0,15 m per Sekunde. 

6ELAMATTALP oder SILAMATTALP (Kt. St. 

(•allen, Brz. über Toggenburg, Gem. Alt St. Johann). 1400- 
2300 m. Gröasle Toggenhurger Alpweide an der N. -Flanke 
der ChurHrsten ; 3.4 km 8. Alt St. Johann. 800 ha Flache, 
wovon 526 eigentliche Weidefläche, 203 unproduktiver 
Boden und 71 \Vald. 50 Hüllen und 55 Ställe. 

SELBSANFT (HINTER, MITTLER, VORDER), 

romanisch Gkepijin (Kt. Glarus). 3029, 9194, 2750 m. 




Selb*anfl mit Tbiorfuhd und Schreienbachfall. 



Breites Gebirgsmassiv, das vom Bifertenstock nach N. 
abzweigt und den Raum zwischen den Thälcrn deM Sand- 
hachea und des Limmernbaches erfüllt. Ks fällt west- 
wärts gegen die Sandalp, ostwärts gegen den Limmern- 
boden und nach NO. gegen das Limmerntobel mit ge- 
waltigen Felswänden ab, die namentlich auf der W. -Seile 
von vielen steilen Couloirs durchschnitten sind. Der 
Scheitel des Bergstockes wird durch ein nach O. ge- 
neigtes, welliges, ganz mit Firn bedecktes Plateau gebil- 
det. Dessen s. Teil trägt den Griesgletscher und den 
Limmerngletseher und wird im W. von einem Felskamm 
begrenzt, dessen höchste Erhebungen die Vordere und 
die Hintere Scheibe i2986 und 3084 m) sind. Der 
mittlere und höchste Teil des Plateaua. das Plattalva, 
stellt einen breiten Eisrücken dar, der sich von seinem 
höchsten Punkte, detn Hintern Selbsanft, nach NO. senkt. 
Der n. Abschnitt des Plateaus trägt die flache Kirnkuppe 
des Mittlern Selbsanft und nimmt rasch an Hreite ab. 
Uebcr seinem schmalen N. -Ende erhebt sich der kegel- 
förmige Felsgipfel des Vordem Selbsanft. der von Linihai 
aus den Anblick einer gewaltigen Pyramide bietet. Die 
Felsmassen des Selbsanft umfassen alle Fortnationen von 
den kristallinen Schiefern, die im Sockel des Gebirges 
auf der (Intern Sandalp und über dem Limmernboden zu 
Tage treten, bis zum Eozän, das eine dünne Decke auf 
dum ii. Teil des Scheitelplateaua bildet, und sind zu 
einer Serie von nach N. überhebenden Falten zusammen- 
geschoben. Die Gipfel der Selhsanftkette können von der 
Muttseehülte aus auf dem Kistenpasswege und über den 
Limmerngletseher oder über den Limiuernhoden und die 
Felsslufen des Schafselbsanft. oder ferner von der Hintern 
Sandalp aua durch die Scheibenruns, ein steiles Couloir 
zwischen dem Hintern Selbsanft und der Vordem Scheibe, 



erreicht werden. Ihre Besteigung ist jedoch nur geübten 
und ausdauernden Berggängern zu empfehlen. Ihre erste 
Besteigung fällt ins Jahr 18ti3. Der Vorder Selbsanft wird 
nach seinem ersten Besteiger, C. Hauser von Glarus. auch 
etwa Hauserhora genannt. 

SELDEN (Kt. Bern, Amtshez. Frutigen, Gem. Kan- 
derstegl. 1560 m. So hiess das ehemalige Winterdorf im 
Gasterenthal, das jetzt nur noch im Sommer für einige 
Wochen bezogen wird. Vergl. den Art. Gasterrn. 

S E. LEUEN (Kt. Bern. Amtsbez. Schwarzenburg). 
1569 in. Alpweide am N.-Hang des Selibühl (1752 m). 
S. diesen Art. 

SELENTE (Kt. Hern, Amtsbez. Pruntruti. 646 m. 
Gem. und Dorf in einem fruchtbaren Thalchen über dem 
rechten l'fer des Doubs und am S.-Hang der l.ommit- 
kette, an der Strasse Montvoie - Montaney und 5,8 km 
wnw. der Station Saint Ursanne der Linie Oelsberg- Delle. 
Postablage, Telephon. Gemeinde: 23 Ilauser, 116 kathol. 
Ew.; Dorf: 19 Häuser, 86 Ew. Kirchgemeinde Saint Ur- 
sanne. Ackerbau und Viehzucht. Das von Obstbäumen um- 
rahmte Dörfchen wurde sich seines reichlichen und ausge- 
zeichneten (Juellwaasers , der vor N.- Winden geschützten 
schonen Lage und der reinen Luft wegen vorzüglich zu 
einem jurassischen Luftkurorte eignen. Der Bergrücken 
| über dem Dorf gewährt eine ausgedehnte Rundsicht auf 
' die Alpen, den Klsgau, die Vogesen und den Schwarzwald. 
I Malerische Strasse nach Saint Ursanne ; landschaftlich 
ebenfalls schone Strasse über La Croix in den Eisgau 
(Ajoie). 1180: Celule : 1200: Celeutle. Der Name be- 
deutet s. v. a. Sennhütte. Ehemals Eigentum des Stiftes 
Saint Ursanne. Heimat eines Kdelgeschlechtes. als dessen 
Angehörige 1180 ein Hugues, 1200 ein Henri und 1397 
eine Germaine de Celcute genannt werden. 

SELETZALP (Kt. IM, Gem. iturglen). 1 650-1 H00 m. 
Alpweide am S.-Hang des Hundstockes ; 4,2 km ö. über 
Flüelen. 

seleyhe oder CELAIRE (Kt. Wallis, Bez. Mon- 
they. Gem. Val d llliezi. 1800-2362 m. Alpweide auf einer 
Flyschterrasse, über dem Wald gleichen Namens und 

Segenüber der Alpweide Anthemoz, von welcher sie der 
en Firnfeldern an der Haute Cime (Denis du Midi) ent- 
springende Wildbach Tiers trennt. Zwei kleine Seen in 
2056 und 2102 in. Die wilde, steinige und magere Alp 
wird den Schafen überlassen, von denen sie 500 nähren 
I kann. Zwei Hütten und ein Stall. Der den See umrahmende 
Felsenzirkus besieht aus Nummulitenkalk, Gault. Urgon 
und Hauterivien in verkehrter Lagerung der teilweise 
fosailführenden Schichten. 

SELEYRE oder CELAIRE (LAC8I (Kt. Wallis. 
Bez. Monthey). 2056 und 2102 m. Zwei kleine Seen auf der 
Schafweide Seleyre, in einem vom Doigt der Haute Cime 
(Denis du Midi) und der Chaux d'Anthemoz überragten 
Thalkessel. Sammeln die Schmelzwasser der an diesen 
zerrissenen Gipfeln hängenden Eisfelder und lliessen durch 
den Wildbach Tiers nach rechts zur Vieze ab. Der in 
2056 in liegende grössere der beiden Seen, die auch den 
Namen der La es Veits tragen, hat einen Umfang von 
500 m. 

SEL.FR ANGA i Kt. <;rauhünden. Bez. Ober Landquart, 
Kreis und Gem. Klosters). 1238 m. Gemeindeabteilung 
und Dorf, am linken Ufer der Landquart und 1,5 km s. 
der Station Klosters der Linie Landquart - Davos. 30 
lläuaer, 171 reform. Ew. deutscher Zunge Kirchgemeinde 
Klosters. Wiesenbau und Viehzucht. Der Name ist von 
Silva franca herzuleiten. 

selqiswil (Kt. Freiburg. Bez. Sense, Gem. Heiten- 
ried). 759 m. Gruppe von 5 Häusern, 2 km nö. Heiten- 
ried und 7 km sö. der Station Schmitten der Linie Bern- 
Freiburg-Lausanne. 40 kathol. Ew. deutscher Zunge. 
Kirchgemeinde Heitenried. Ackerbau und Viehzucht. 
Käserei. 1863 erbaute St. Niklauskapellc. 

SELIBÜHL (Kt. Bern, Amtsbez. Schwarzenburg). 
1752 m. Kleiner Alpweidenrücken im Bergland zwischen 
den Thäiern der Sense und der Aare ; 2 Stunden s. über 
Gurnigelbad, von wo aus er oft besucht wird. Schöne 
Aussicht. Eigentum des Staates Bern, der hier umfassende 
Aufforstungen vorgenommen hat. 

selighaben (Kt. Bern, Amtsbez. Schwarzenburg 
und Seftigen). 1560-754 m. Eine der beträchtlichsten 
Nebenadern des Schwarzwassers ; entspringt auf der 



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490 



SKI, 



SEI, 



Selenenalp am N.-Hang des 
enges Waldtobel und mündet nach 10 km langem Lauf 
beim Weiler Bundsacker. Bildet im Oberlauf die Grenze 
zwischen den Aemtern Seftigen und Schwarzenburg. 

SELKINQIN (Kt. Wallis, Bez. Goms). 1312 m. Gem. 
nnd Dorf, an der Purkastrasse und am Wallibach, der 
300 m weiter s von rechts in die Rhone mündet : 1,5 km 
nö. Bütlingen und 500 m sw. Biel. 18 Häuser. 106 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Biel. Originelles Holzhaus mit vier 
Stockwerken. Kappelle. In der Nachbarschaft bemerkt 
man prachtvolle Lärchen, deren eine einen Stammes- 
durchmesser von vollen acht Metern hat. Das Dorf ge- 
hörte früher zur Grafschaft Grengiols und ist die Heimat 
des Priesters und Holzschnitzlers Johann Georg Ritz, der 
1743-1773 Pfarrer In Münster war. 

SELKINQERTHAL oder BIKLIQERTHAL (Kt. 
Wallis, Bez. Goms). 2800-1312 m. Kleines Bergthal, das 
bei Selkingen von rechts zum Bhonethal ausmündet. 
Vom Wallibach durchflössen, dessen linkes Ufer zur Ge- 
meinde Biel und dessen rechtes Ufer zur Gemeinde Sel- 
kingen gehört. Das Thal endigt am S.-Ilang deB Wasen- 
horns (3341 mi. an dessen Fuss verschiedene kleine 
Gletscher und Pirnfelder (wie z. II. der Hangende Firn) 
den Wallibach speisen. Das 6 km lange Thal weist ein 
sehr steiles mittleres Gefälle auf, das kaum durch (lächere 
Böden unterbrochen wird. An den beidseitigen Gehängen 
liegen einige Maiensässe und darüber die Bieler- und die 
Handspielalp. 

BELLA )aLPC Ol) (Kt. Tessin, Bez. I.eventina, Gem. 
Airolo). 2U50-2700m. Alpweide am SO. -Hang des Monte 
Prosa, I Stunde ösll vom Gotthardhospiz im Val Torta 
gelegen. Der Gotthardtunnel geht in einer Tiefe von 
1000 m unter der Alp durch. Schöne kleine Seen in einer 
von Hundhockern durchsetzten Gneislandschaft. Wird 
mit je 40 Kühen und Ziegen bezogen. Herstellung von 
Fettkäse. Der feinkörnige und mit grauen Glimmcrplätt- 
chen durchsetzte Gneis der Alpe di Sella und ihrer Um- 
gebung hat als besondere Abart den Namen Sellagneis 
erhalten. Der Ausdruck Sella entspricht dem französischen 
u seile • und bedeutet s. v. a- Sattel oder Einsattelung. 

SELLA <FUORCLA)(Kt. Graubünden. Bez. Maloja). 
3304 m. Passübergang auf der Landesgrenze gegen Italien, 
2 km ö. vom Piz Sella. Führt über den Sellagletscher auf 
den Scerscengletscher nach dem Rifugio Marinelli und 
durch Val Linterns nach Lanzada und C Iiiesa im Val 
Malenco hinüber (l 1 /} bis 2 Tage). Grossarti^er Blick auf 
die S. -Seite des Berninamassives : Monte di Scerscen. Piz 
Bernina, Crast' Agüzza. Piz Zupö, sowie auf den Monte 
Nero und den Monte della Disgrazia. Anstieg von der 
MorliMhütte im Kosegthal aus am Piz Aguagliouls vorbei 
auf den Boseg- und dann auf den Sellagletscher. Die Pass- 
lücke liegt in Talk- und Chlorilschiefer. 

SELLA (LAGO DI) (Kt. Tessin. Bez. Levenlina I. 
2231 m. Kleiner See auf der Alpweide Sella im Val Torta, 
dem obersten Abschnitt des hei Airolo auf die Leventina 
ausmündenden Val Tremola ; etwa 2,5 km ö. der Pass- 
höhe des St. Gotthard. 450 m lang und 200 m breit. In 
seinem dunkelgrün schimmernden, mit einem kleinen 
Felsinselchen geschmückten Wasser spiegeln sich die 
umstehenden Gipfel, unter ihnen einige der bekann- 
tern des Gotthardgebietes, wie Monte Prosa, Pizzo Cen- 
trale, Giubing u. a. Die beiden Alphütten am See sind 
höchst primitiv, die ganze Umgehung vorherrschend von 
tief-ernstem Charakter. Der Abtluss des Sees ist eine der 
Ouelladern des Tessin. Kr bildet noch einen zweiten 
kleinern See, eilt dann sw. durch die Alpen Sella und 
Sorescia und vereinigt sich etwa 1 km h. vom Hospiz mit 
dem von der St. Gotthard- Passhöhe und den dortigen 
Seen kommenden Bach, um zusammen mit ihm durchs 
Val Tremola zu rauschen und w. Airolo von links in die 
aus dem Val Bedrctto kommend«; Hauptquellader des 
Tessin zu münden. 

SELLA (PASSO DKLLA) (Kt. Tessin und Uru. 
2744 m. Passübergang ö. von der St. Gotthardpasshohe ; 
verbindet diese direkt mit dem Hintergrund des Unter- 
alpthales, wird aber auch oft mit andern t 'ebergangen 
kombiniert, um nach dem Val Piora, Val Cadlimo oder 
Val Maigels und weiter nach Tschamul im Tavetsch zu 
gelangen. Liegt im Firngebiet zwischen dem Giubing 
(2770 m) im SO. und dem Piz Prevot (2860 m) im N., sowie 



ganz nahe dem Pizzo Centrale (3003 m). Während der 
Pasao della Sella nw. unter dem Giubing vorbeiführt, be- 
findet sich sö. von diesem Gipfel der das Unteralpthal 
mit dem Val Canaria verbindende Unteralppass (oder 
PassoGiengion). Ein deutlicher Weg führt vom Gotlhard- 
hoepitz in etwa a / 4 Stunden zum Laga di Sella. dann 
weniger deutlich und zuletzt pfadlos ö vom See und 
durch das öde Val Torta über Basen, Geröll und Schnee 
auf die Höhe des Sellapasses (2 1 /» Stunden vom Hoapiz), 
von wo man in wenigen Minuten den aussichtsreichen 
Giubing erreicht. Von der Passhöhe geht es über die 
Rasenterrasse von Sommermatten nach der Hütte Vor- 
migel und durch das Unteralpthal nach Andermal! 
(3 Stunden). Vom Sellapass kann man aber auch über Fels 
und Schult nach dem benachbarten Unleralppass (2530 rn i 
traversieren und von da in 2'/i Stunden durch Val Cana- 
ria nach, Airolo gelangen. Oder man geht über die breite 
Terrasse der Wildmatt zur Alp Portgera (2212 m) und von 
da über den Maigelspass (etwa 2400 m) ins Val Maigels 
und weiter entweder über die Hochlläche von Siarra- 
Palidulscha oder durch das untere Val Cornera nach 
Tschamut (3'/j Stunden vom Sellapass). Andere Ueber- 
gänge führen von der Wildmatt über den Pasao la Rossa 
oder vom Maigelspass über den Passo Pian Bornengo zur 
Bocca di Cadlimo und von da am Lago Scuro vorbei ins 
Val Piora (Lago Ritom 6-7 Stunden vorn GoUhardhosptz . 

SELLA (PIZ) (Kt. Graubünden, Bez. Maloja). 3587 m. 
Eisgipfel im Berninamassiv, auf der Landesgrenze ge- 
gen Italien und 2.7 kmsw. vom Piz Boseg : von den nahen 
Grenzgipfeln Piz Glüschaint und Gümels flankiert. Der 
Steilabfall seiner Talkschieferfelaen ist der italienischen 
Seile zugewendet, während am schweizerischen N.-Hani.- 
der Sellagletscher liegt. Der Piz Sella ist Tür Geübte von 
der Mortelhütte im Hosegthale aus in 4V, Stunden un- 
schwierig zu ersteigen. 

SELLA (PIZZO) (Kt. Tessin, Bez. Leventina). 2340 tu. 
Gipfel aus grünem Gneis, Vorberg des Pizzo II Madone 
(2/55 m); zwischen den Alpen Cristallina und Ruvino sw. 
über Airolo. 

SELLA (V AD R ET DA) (Kt. Graubünden, Bez. 
Maloja). 3587-2880 m. Grosser und «paltenreicher Glet- 
scher am N.-Hang des Piz Sella und sw. vom Piz Bose^. 
Bildet zusammen mit den Firnfeldern des Piz Glüschaint. 
der Mongia und des Chaputschiu das Nährgebiet de« 
mächtigen Rosegxlelschers. Grosste Breite 2.4 km. Länge 
1 ,5-2 km. Am Weg auf den Piz Sella und über die FuorcJa 
Sella. 

SELLBaCH oder BAICRBACH (Kt. St. Gallen. 
Bez. Gaster. Gem. A indem. 1440-423 m. Kleiner Wildbach 
von 5 km Länge ; entspringt im quellenreichen Weide- 
thälchen von Seil am W.-Fuss des Gulmen (1792 m) und 
no. Amden, durchmesst das tiefeingeschnittene und be- 
waldete Stocksitentobel und stürzt sich unterhalb des von 
Amden nach Betlis hintinlerführeiiden Weges mit einem 
kleinen Wasserfall über die Felswand in uen Walensee. 
Kr hat in der obern Partie einen ordentlichen Fisch- 
bestand lltarhfu rellen). 

SELLEN. Bestandteil von Ortsnamen der deutschen 
Schweiz ; vom althochdeutschen xouVfa, mittelhochdeut- 
schen tetula, mW« — Wohnung, Wohnsitz. 

8ELLENBODIN (Kt. Luzern, Amt Sursee. Gem. 
Neuenkirchi. 533 m. Gruppe von 3 Häusern. 500 m o. 
Neuenkirch und 3 km so. der Statio 
kirch der Linie Olten-Luzern. 28 kathol 
meir.de Neuenkirch. Die hiesige Mühle wird schon IS 
erwähnt. 

SELLEN BODENBACH (Kt. Luzern, Amt Sursee i. 
700-507 m. 8 km langer Zufluss des Sempachersee«. Ent- 
springt mit zwei (.mellarmen. deren einer von Ober Neu- 
rüli herkommt und bei Fohrensteg eine Mühle treibt, 
während der andere bei Hellbühl entspringt. Nach der 
Vereinigung der heideu 0u>*Hadern zwischen Kennelmalt 
und Sellenhoden treibt der Bach bei Sellenboden eine 
Mühle, erhält den vom Bürlimnos herkommenden flsch- 
reichen Adelwilerbach und iliesal, von Adelwil an Grosse 
Aa genannt, an Neuenkirch vorbei, um bei Seesatz zu 
münden. Im Mittel- und Unterlauf werden Forellen ge- 
fangen. 

SELLENBORKN (Kt Zürich. Hez. Affoltern, Gem. 
SUllikon). 550 m. Gemeindeabteilung und Weiler, im 



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SEL 



SEL 



Reppischthal am W.-Fuss des Uetlibergs und 4 km so. 
der Station Birmensdorf der Linie Züricn-Affoltern-Zug. 
17 Häuser, IM reform. Ew. Kirchgemeinde Stallikon. 
Wiesenbau. Auf einem steilen Seitengrat des Uetlibergs 
stand eine mittelalterliche Burg. Üie Trümmer des Turmes 
liegen auf einer kleinen Anhohe der langgestreckten, nahe- 
zu ebenen Rurgstelle. Freiherr Reginbert von Sellenbürcn 
gründete um 940 das Kloster St. Blasien im Schwarzwald 
und Freiherr Konrad (1083-1126) das Kloster Kngelberg. 
Sie schenkten diesen Gotteshäusern reichen Besitz im 
Reppischthal. 

SELLENERBACH (Kt. I ri 2550-1200 m. Rechts- 
seitiger Neberibach des Elzlibaches, der selbst wieder dem 
das Maderancrthal entwässernden K.lrstelenbach zulliesst. 
Bildet sich aus den vom kleinen Oberalptirn (ONO. -Hang 
des Oberalpstockes) herkommenden Schmelzwässern, 
durchdiesal die Selleneralp und mündet nach 3,2 km 
langem Lauf bei den Hüllen von Krüzsteinrüli. 

8ELLHOLZ (Kt. Zürich. Bez. Meilen. Gem. Herrli- 
ln i i 52,"» in. liruppe von \ Häusern, I km n. der Station 
Herrliberg der rechtsufrigen Zürichseebahn (Zürich- 
Meilen - Rapperswil). 21 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Herrliberg. Weinbau. 

SELM A (Kt. (iraubünden. Bez. Moesa. Kreis Calancai. 
960 m. Gem. und Pfarrweiler im Calancalhal an der 



Selm» von Westen. 

Calancnsca und am W.-Fuss des Pizzo di Groveno, 13 km 
n. der Station Grono der elektrischen Bahn Bellinzona- 
Misox und 22,5 km nö. der Station Castione der Gott- 
hardbahn. Postablage; Postwagen Grono-Bossa. 18 Häuser, 
71 kathol. Ew. Wiesenbau und Viehzucht. Periodische 
Auswanderung der Männer als (ilaser und Maler, nament- 
lich nach Frankreich und in die deutsche Schweiz. 

8ELNA (Kt. Tessin, Bez. Locarno, Gem. Intragna). 
878 m. Sehr schone Bergweide mit einer Gruppe von 
Hütten, am Eingang in die Gentovalli und 13 km w. 
Locarno. Wird fast das ganze Jahr hindurch mit Vieh be- 
zogen. Herstellung von Butter und Käse. Es werden hier 
noch Hoggen und Kartoffeln gebaut. . 

SELNtU (Kt., Bez. und Gem. Zürich. Stadtkreis I). 
413 m. Quartier der Altstadt Zürich, 1 km s. vom llaupt- 
bahnhof zwischen dem Schanzengraben und der links- 
ufrigen Zürichseebahn. Gerichtsgebiude. Bahnhof der 
Sihlthal- und der Uetlibergbahn. S. den Art. Zrnn.ii 
(Stadt). 

SELTENSCHON (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Simmen- 
thal ). Gipfel. S. den Art. Niesenhorn. 

8ELTI8BERQ (Kt. Basel Und. Bez. LiesUli. 500 m. 
Gem. und Dorf auf dem Rücken zwischen dem Oristhal 
und dem Frenkenthal. 3 km s. der Station Liestal der 
Linie Olten-Basel. Postablage. Telegraph. Telephon. 
Gemeinde: 61 Häuser. 410 reform. Ew. ; Dorf: 56 Häuser, 
371 Ew. Kirchgemeinde Liestal. Seidenweberei. Fund von 
kannelierten römischen Backsteinen bei iloflslätteo. 

SELLIN (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Toggenburg und 
Sargans). 2207 m. Westlichster der sieben Gipfel der Chur- 
llrsteo. Bildet gegen N. einen breiten und langen, gras- 
bewachsenen Bücken aus Gatilt, der zuoberst von Seewer- 
kalk überlagert ist. Auf den drei andern Seiten linden 



sich steile Felswände, die nach S. imposant zum Walen- 
see abfallen, gegen 0. und W. dagegen sich allmählich 
in kleine Terrassen aullösen. Der Berg wird vom Toggen- 
burg aus häufig bestiegen (von Alt St. Johann oder Stein 
beauem in 3 Stunden) und bietet eine schone Aussicht 
auf das Säntisgebirge und die Glarnerberge, sowie auf das 
Gebiet des Walensees und des Toggenburg. 

SELUNALP (HINTERE und VORDERE) ( Kt. St. 
Gallen. Bez. Ober Toggenburg. Gem. Alt St. Johann). 
1600-2200 m. Eine der umfangreichsten Alpweiden den 
Togcenburg, am N.-Hang des Selun und 5 km sw. Alt 
St. Johann. 540 ha Fläche, wovon 490 produktive Weide- 
tläche, 30 Wald und 20 unproduktiver Boden. 34 Hütten 
und Sülle. Im Jahr 1844 entdeckte man auf der Selunalp 
einen etwa zwanzigjährigen verwilderten Mann von un- 
bekannter Herkunft, der 1898 starb, ohne je lesen gelernt 
und in einem Bett geschlafen zu haben. 

8 EI-VA, selvetta, 8ELVONS. Ortsnamen der 
italienischen und rätoromanischen Schweiz (dort etwa 
20 mal und hier 7 mal vorkommend I. vom lalein. silca _ 
Wald herzuleiten. Bas in (iraubünden häutigere Synonym 
Guad, Guand. God und l'aul kommt vom deutschen 
i Wald 

SELVA [KL Oraubünden. Bei Bernina, Kreis und 
Gem. Puschlavi. 1458 m. Alpweide mit einer Gruppe von 
20 Hütten und Ställen, auf einer Terrasse am rechts- 
seitigen Gehänge des Puschlav und 2.5 km s. der 
Ortschaft Puschlav. 2 Kapellen. Sehr beliebtes Aus- 
flugsziel. 

SELVA (Kt. Graubünden. Bez. Ober Landquart, 
Kreis Jenaz, Gem. Fiderisi. 1.350 m. Alpweide, am 
NO. -Hang des Glattwang und 1 km s. Fideris, von 
woher sie oB besucht wird. Eine im Sommer 
geöffnete Gastwirtschaft. 

SELVA (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein. 
Kreis Disentis, Gem. Tavelsch). 1538 m. Gemein- 
deabteilung und Weiler zwischen der Oberalpstrasse 
und dem Vorderrhein, 1 km nö. Tschamutt und 44.2 
km sw. der Station Banz der Bündner Oberlandbahn 
(Chur-Ilanzi. Postablage. Im Sommer Postwagen 
Discntis-Obcralp-Andermatt-Gosehenen. 11 Häuser, 
67 kathol. Kw. romanischer Zunge. Kirchgemeinde 
Tavelsch. Wiesenbau und Viehzucht. Schone, aber 
den Lawinen stark ausgesetzte Lage. 

SELVA8EE (Kt Graubünden. Bez. Glenncr). 
2300 m. Bergsee in einem hohen Thalkessel, am 
N.-Hang des Ampervreilerhorns (2804 ml und zwi- 
schen der Amnervreilaalp. dem Hohbuhl (2467 ml und der 
Selvaalp von Vals. Das prachtvoll blaue Gewässer ist ge- 
gen 200 m lang und etwa 120 m breit. Den Seegrund 
bildet glimmerreicher Adulaguei». 

SELVIRÜFE (Kt. (iraubünden. Bez. Unter Landquart, 
Gem. Jenins), Die rechte Thalseite der sog. Herrschaft, 
d. h. des Thalabschnitts von Malans bis Minenfeld, ist 
grösstenteils von hohen und steilen Schieferwänden ge- 
bildet, die zwar weit hinauf bewaldet, aber auch von zahl- 
reichen Wildbachschluchlen, sog. Rüfen, durchrissen 
sind. Das mürbe, faule Gestein in ihnen ist der Verwit- 
terung in hohem Grade ausgesetzt. Bei andauerndem oder 
heftigem Begen stürzen je weilen dicke schwarze Schlamin- 
strome durch diese Schluchten hinunter und verheeren 
die unten liegenden Kulturflächen. Eine ganze Beihe 
solcher Schluchten und Schuttrinnen zieht sich hinter Ma- 
lans und Jenins gegen den (iebirgsstock des Vilan hinauf, 
so das (iazienzatobel, die l'ellrüfe, die Selvirüfe und die 
Theilerrüfe. Zwischen den beiden letzlern liegt Jenins. 
Die Selvirüfe speziell mündet etwa 500 m so. dieses Dorfes 
auf die schone, sanft gegen den Rhein abgedachte Halden- 
landscliaft aus. Von da steigt sie als enge, wüste Runse 
no. in die Höhe, teils von steilen Waldhangen, teils von 
zerrissenen Schieferwänden eingeschlossen. Auf einem 
Felskopf tront dort die Ruine Aspermonl. Oft genug sind 
früher die Schlammstrome aus dieser Schlucht hervor- 
gebrochen und haben die unten liegenden Wiesen, Aecker 
und Weinberge zerstört. Jetzt sind die meisten dieser 
Rüfen, darunter auch die Selvirüfe, so weit verbaut, dass 
grössere Verheerungen ihrerseits wohl nicht mehr zu be- 
fürchten sind. 

8ELZACH (Kt. Solothurn. Amtei Lebern). 455 m. 
Gem. und Pfarrdorf am S.-Fuss der [Hasenmatt, an «1er 



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m SKM 

Strasse Sololhurn-Grenchen und 6,5 km w. Solothurn. 
Stalion der Linie Olten-Solothurn-Riel. Postbureau, Tele- 
graph, Telephon. Gemeinde, mit Altreu, Bäriswil, Haag, 
Känelmoos und Moos: 167 1 Unser. 1537 Ew., wovon 1165 
Katholiken und 372 Reformierte; Dorf: 72 Häuser, 715 Ew. 
Sekundärschule. Landwirtschaft. Industrielle Ortschaft. 
Uhrenmacherei : Fabriken von Huhbestandteilen und 
Uhrenschalen mit 200 Arbeitern. Selzach ist durch seine 
Passionsspiele wellbekannlgeworden, die im Sommerslatt- 
linden und lausende von Besuchern, worunter eine grosse 
Anzahl Engländer anziehen. Die Vorstellungen, bei denen 
etwa 500 Personen aus der Gemeinde selbst mitwirken, 
datieren seit 1893 und sind vom Fabrikanten Schlalli ins 
Leben gerufen worden. Itronzezeitliches Grab mit einem 
spiralförmigen Schmuckgegensland. Grabhügel auf dem 
Seidenbuhl. Am « Brugg] i • auf einem Sennberg hat man 
römische Ziegel und im Fluracker römische Ziegel. 
Munzen und Mauerreste aufgefunden. Weitere (teste aus 
der Homerzeit am Seuset, sowie beim Spielhof und Brühl- 
gut. Die bedeutendste römische Siegelung der Gegend 
scheint sich bei Altreu befunden zu haben, wo man (teste 
von Befestigungsanlagen und einer Aarebrücke entdeckt 
hat. 1558 fand man bei Selzach einen mit römischen 
Münzen angefüllten Topf, wie auch heute noch kleiner« 
Munzfunde nicht gerade selten sind. In Haag und am 
Leberberg Gräber aus der Zeit des ersten Alemannenein- 
falles. Selzach steht ander Stelle der römischen Siedelung 
SaUat' Atfuae oder Salis Ai/uae. die ihren Namen von 
seither durch einen Bergsturz verschütteten salinischen 
«.Hu llen erhalten haben soll. 1380 verkaufte Graf l'lrich 
von Neuenburg die Herrschaft Lebern mit Selzach an 
Solothurn. 1181 und 1245: villa Selsacho. 

8EMBRANCHER (Kl. Wallis. Bei. Entremont'. 
720 m. Gem. und Pfarrdorf, Hauptort des Bezirken Entre- 
mont. ander Vereinigung derThaler von Bagncsund Entre- 
mont, 400 m unterhalb des Zusammenflusses der beiden 
Dransc und in einer Thalenge zwischen den Ausläufern 
de« Mont Gatognc und den Felsen von Armanet, die aus 
den Kelten der Pierre ä Voir und des Mont Chemin her- 
vorspringen. 12 km sö. der Station Martigny Ville der 
Simplonbahn, 5 km w. I.e Ubalde und 6,5 km s. Orsieres. 
Gemeinde, mit Ghamoille und La Garda 138 Hinter, 710 




Sembranehor von Nordoitsn 



kathol. Ew.; Dorf: 516 Häuser. 562 Ew. Hie Bevölkerungs- 
zahl geht zuruck (1888: 780 Ew. i. Postbureau, Telegraph : 
Postwagen Martigny. < irsieres-G rosser St. Bernhard und 



SKM 

Marligny-Le Chälclard-Lourtier. Elektrisches Licht vom 
Werk Lea Toinbeys (im Bagnesthali. Gerberei. Obwohl 
Sembrancher seit aller Zeit einen starken Durchgangs- 
verkehr aufweist, hat es doch noch kein modernes Hotel, 
sondern bloss einen alten Bauerngasthof. Nahe der Nolre 
Dame Kapelle steht ein altes Krankenhaus, das auch als 
Schulhaus und Landjägerposten dient. Die grauschwarzen 
alten Häuser des Dorfes harmonieren gut mit dem stren- 
gen LandschafUcharakler, den die auf drei Seiten nahe 
herantretenden Bergwände bedingen. Einzig gegen 0. 
liegen schöne Wiesen und gut bewässerte Gärten mit 
zahlreichen Oslbäumon. Ein Teil des Grundbesitzes der 
heute ausschliesslich der Landwirtschaft sich widmenden 
Bewohner liegt jenseits der Dranse auf Boden der Ge- 
meinde Vollege, so namentlich ein 7-8 ha umfassender 
Weinberg unter den nackten Wanden des Armanet, der 
einen sehr geschätzten Tropfen erzeugt. Die Umgebungen 
von Sembrancher liefern ausgezeichnete Kalksandstein- 
platten. Südwestl. vom Dorf baut man am O.-Hang des 
Calogne an der Lea Fahys genannten Stelle eine dem 
untern Lias angehonge Schieferlage ah. deren Produkt 
zum Eindecken von Häusern verwendet wird und eines 
guten Rufes sich erfreut. Eine gefährliche Stelle ist der 
das SO. -Ende des Roc de Vence bildende Felsen von Saint 
Martin, den eine mächtige Spalte vom Bergkorper trennt 
und dessen Absturz namentlich den NO. -Abschnitt des 
Dorfes bedrohen würde. Schon vor etwa 20 Jahren hat 
man diesen Felsen auf »eine Festigkeit untersuchen lassen. 
Unter der Herrschaft der Grafen von Savoven bildete Sem- 
brancher bis zum 15. Jahrhundert einen hauptsächlichen 
Sammelpunkt des Adels. Hier besnss im Jahr 1377 die 
Familie Imthurn «La Tour) aus Saint Maurice, ein jüngerer 
Zweig der Herren von Imthurn-Gestelenburg (La Tour 
Chitilloni einen kleinen Burgliirni. Auf dem Bücken einer 
bewaldeten Anhohe s. vom Dorf und rechts vom Eingang 
in die Vallee d'Entremont steht in 809 m Höhe eine St. 
Johanncskapellc, die die Stelle des Wuhnturmes der ein- 
maligen Burg einnimmt, welche 1475 von den siegreich 
vorrückenden Leuten aus dem Ober Wallis in Asche ge- 
legt Morden ist. Hierauf verlegten die Burgherren ihren 
Wohnsitz in den Flecken selbst. Im Haus Arlettaz sieht 
man eine schön geschnitzte Decke und interessante 
Möbel, die von Deserteuren der über den Grossen St. 
Bernhard ziehenden Armee Bonaparte'* verfertigt worden 
sind. Ein bei der Brücke über die Dranse stehendes an- 
deres merkwürdiges Haus besitzt in einem Zimmer noch 
Tafelwerk aus dem Jahr I5il5. Das aus 16(12 stammende 
ehemalige Rathaus mit einem viereckigen Turm und einer 
sehr alten St. Pankrazkapelle, das um die Milte des 19. 
Jahrhunderts baufällig geworden war, hat 1892 einem 
schönen Gemeindehaus Platz machen müssen. Die heu- 
tige Pfarrkirche, deren Glockenturm aus dem Ii Jahr- 
hundert stammen soll, wurde 1676 erbaut und ist dem h. 
Stephan geweiht. Vor dieser Zeit diente die eben genannte 
Pankrazkapelle als Pfarrkirche. Der Name des Ortes, den 
einige Geschichtsforscher Saint Brancher schreiben, ist 
vom h. Pankrai herzuleiten. Urkundliche Namensformen : 
1177 Sancti Pancralii de Bronchi; 1199 de Saneln Brau- 
cherio, 1217 de Sanctn Hrancarw | Melathesis für l'an- 
oratio), Ein 1239 von Amadeus IV. von Savoven ausge- 
stellter und von den Grafen Amadeus V. und Eduard er- 
neuter Freibrief verlieh dem Ort verschiedene Vor- 
rechte, wie x. B. einen zweiten Jahrmarkt, einen Wochen- 
markt und zahlreiche Steuerfreiheiten. Die Nachbarschaft 
von Martigny hat, besonders seit dem Bau der Eisenbahn, 
dem Dorf Sembrancher jegliche Bedeutung als Handels- 

fdatz genommen, so daas es jetzt hlons noch als Hexirks- 
tauptorlund Sitz des Bezirksgerichteseinen gewissen Rang 
behauptet. Hier wurde 1712 der 1818 gestorbene Kaplan 
Murith geboren, der sich als Rergsteiger und gelehrter 
Botaniker auszeichnete und nach welchem sich die Walliser 
Naturforschende Gesellschaft il.a Murilhicnne» benennt. 
Grab aus der Rronzezeit mit Scheibennadeln auf dem Plal 
Choex ; nahe dem Dorf Grab aus der gallisch-römischen 
Eisenzeit mit einem Skelett, Glasringen und Stecknadeln 
vom sog. Walliser Typus. 

Semelenberg i Kl. Gallen. Bez. Ober Rheinthal i. 
607 m. Bewaldete Kuppe am W.-Rand der Rheinebene, 
1 km w. Oberriet. Am S.-Ilang liegt das Dorf Kobelwald. 
Sehr schöne Rundsicht auf das Rheinthal, die Appenzeller 



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493 



und St. Galler Alpen, sowie die Vorarlberger und Liechten- 
steiner Berge. Semelen, Simelen vom althochdeutschen 
sinxoel — rund. 

SEMELEVt oder 8EMCLIEV8 (POINTE DES) 

(Kt. Waa.lt. Bez. Aigle). 2327 m. Gipfel 
in der Kette des Chaussv, zwischen 
diesem und dem Sex Melly. Am SO.- 
Hang liegt die Alpweide Les Semeleys 
oder Les Semelieys, über welche man 
den Berg von Vers I rlglise im Ormonts- 
thal her ohne Schwierigkeit in 3 Stun- 
den besteigen kann. Senr schöne Aus- 
sicht, die derjenigen des von den Aus- 
fliiglern bevorzugten Chaussy gleich- 
kommt und einen besonders wir- 
kungsvollen Tiefblick auf den Lac 
Lioson bietet. Ders Audruck Sex Meli; 
für den östl. Nachbarberg (etwa 2300 
m) ist sehr wahrscheinlich nichts 
anderes als eine weitere Form des 
Namens Semelevs. 

SEMENTINA I Kt. Tessin, Bez. 
Bellinzonai. 230 m. Gem. und ITarr- 
dorf, an der Strasse Bellinzona- Lo- 
carao und 3 km sw. vom Gotthard- 
bahnhof Bellinzona. Postwagen Bei- 
linzona-Locarno. Gemeinde, mit dem 
DorrMedici: 73 Häuser. 3*5 kalliol. 
Ew. ; Dorf : 56 Häuser, 275 Ew. Acker- 
und besonders Weinbau. Viehzucht. 
Starke Auswanderung der Männer als Gastwirte. Schäfer 
etc. nach Kalifornien. Grosse Töpferwarenfabrik, die das 
Bohmaterial aus bedeutenden Kaolinlagernder Umgebung 
bezieht. An den Hängen über dem Dorf gedeiht einer der 
besten Weine des Kantons, der fast ausschliesslich nach 
Bellinzona verkauft wird. Im Val Sementina nö. vom Dorf 
sieht man Befestigungsanlagen (grosse Mauer mit einigen 
Türmen), die 1853 vom Bund erstellt wurden, um den vom 
General Badetzky 1852 aus der Lombardei und Venetien 
ausgewiesenen und aller Mittel entblossten tessinischen Ar- 
beitern Beschäftigung und Verdienst zu geben. Deshalb 
nennt der Voiksmund diese von Sementina bis zum Aus- 
gang des Val Morobbia ö. Giubiasco reichenden Werke 
heute noch • i forti della famei (die Hungerforts i. '/ 4 
Stunden n. vom Dorf im Val Sementina prachtvoller 
Wasserfall. Das Dorf litt stark unter der l'eberschwem- 
mune von 1829. Der Hintergrund des Val Sementina soll 
dem Volksglauben nach der Aufenthaltsort der verdammten 
Seelen geiziger Beichen sein. 

8EMIONE (Kt. Tessin. Bez. Blenio). 402 m. Gem. und 
schönes Pfarrdorf im untern Val Blenio, am rechten 
l'fer des Brenno und 6 km n. der Station Biasca der 



wälder. Schöne Landhäuser zeugen vom Wohlstand der 
aus der Fremde heimgekehrten Besitzer. Die Männer 
wandern besonders nach England, Brüssel und Parisaus, 
wo [aie sich als Kastanienbraler. Kellner und Gastwirte 






ftamton» 

Gotthardhahn. Postablace, Telegraph. Telephon: Post- 
wagen Biasca-Olivone. 127 Häuser. 472kathol. Ew. Acker-, 
Obst- und Weinhau. Viehzucht. Prachtvolle Kastanien- 



Scmpirh vom See her. 

ein bescheidenes Vermögen zu erwerben pllegen. 10 Mi- 
nuten über dem Dorf steht auf einer Anhöhe die Buine 
des 1221 zum erstenmal genannten Gaslello di Serravalle, 
in dem Friedrich Barbarossa auf seinem Zug über den 
Lukmanier nach Italien Quartier nahm. Im 14. Jahrhun- 
derl ging die mächtige Burg zusammen mit dem Lehen 
Blenio an die Bologneser Grafen Pepoli über, worauf sie 
1500 von den drei Urkantonen erobert wurde. Nach den 
grossen Ueberschwemmungen im Herbst 1868 erstellte 
man zum Schutz des fruchtbaren Geländes der Gemeinde 
einen langen Damm. Eine Hängebrücke führt nach Mal 
vaglia hinüber. 

SEMPach i Kt. Luzern, Amt Suraee). 520 m. Gem. 

und kleine Stadt, am SO.-EndedesSempacher- 

ii — r-j sees und - km n. (Irr Station Sempa.h-N'euen- 

kirch der Linie Oltcn-Luzern. Je ein Post- 
bureau in der Stadt und beim Bahnhof. Te- 
legraph, Telephon; Postwagen nach der Sta- 
tion und nach Neuenkirrh. Gemeinde, mit 
Kirchbuhl. Seesatz und zerstreut gelegenen 
Höfen: 155 Häuser, 1028 kathol. Ew.; Stadt: 
1 92 Häuser'. 605 Ew. Pfarrei. Die Bewohner beschäf- 
tigen sich hauptsächlich mit Landwirtschaft, Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft. Die Korporation besitzt 
ausgedehnte und schöne Waldungen. Ferner wird 
etwas Kleingewerbe betrieben. Die Auffuhr hei den 
sechs Jahrmärkten ist eher zurückgegangen. Sem- 

Rach ist Gerichtsort des Gerichtsbezirkes gleichen 
[amens. Drei Primär- und eine Sekundärschule. 
Auf dem Platz vor der Kirche steht das Denkmal 
zur Erinnerung an die Schlacht bei Sempach 
(1386), das anlässlich der Fünfjahrhundertfeier der 
Schlacht errichtet worden ist. Die Pfarrkirche von 
Sempach stand ehemals im Kirchbühl. 1 km n. 
vom Städtchen. Sie war dem h. Martin von Tours 
geweiht und mag schon im 10. Jahrhunderl be- 
standen haben. Kirche und Kirchensatz gehörten 1288 
der Benediktiner- Abtei Murbach im Klsass. Am 21. 
Februar 1420 vergabten Abt Wilhelm und der Kon- 
vent von Murbach den Pfarraalz von Sempach dem 
Kloster St. Le.nlegar zum Hof in Luzern, welches 
Stift ihn bis heute beibehalten hat. Als sich die 
Bürgerschaft im Städtchen mehrte, wurde hier 
eine Kapelle zu Ehren des h. Märtyrers Stephan 
erbaut und darin (Jottesdienst gehalten. 1477 nahm 
der Leutpriester seinen Wohnsilz im Städtchen, 
worauf der Gottesdienst immer häutiger in die Ka- 
pelle verlegt wurde. 1752 weihte man einen neuen Friedhof 
ein. Mildern Bau der neuen Kirche in Sempach 1831 war die 
ehemalige Pfarrkirche vom Kirchbnhl insStädtchen verlegt. 



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Sempach: AlUftorplaU. 



L'eher die alte Geschichte von Sempach ist sehr wenig 
dekannt. da im Jahr 1477 das ganze Stadtarchiv von den 

Flammen ver- 
zehrt wurde. 

Nach dem 
Erlöschen der 

Grafen von 
Lenzburg kam 
Sempach 117*2 
durch Erb- 
schaft an die 
Kihurger und 
dann 1273 von 
diesen an Ru- 
dolf von Habs- 
burg, den künf- 
tigen Konig. 
Uli Her älteste 
j£ Schultheiss 

der Stadt Fin- 
det sich im 
Jahr 1235 ver- 
zeichnet. Sem- 
pach siegelte 
als " oppidum ■ 
schon in der 
Mitte dea 13. 
Jahrhunderts. 
Am fi. Januar 
1386 wurde es 
vonLuzern ins 
Run-recht auf- 
genommen, welchen Rund der zwei Städte Oesterreich 
im Frieden von 1394 anerkannte. Durch l'rkunde von 
1415 sicherte Kaiser Sigismund der Stadt Luzern die 
frühern Herrschaftsrechte Oesterreichs über Sempach 
für alle Zeiten. Die politischen und bürgerlichen Rechte 
regelte das Stadtrecht. Anfänglich waltete im Namen 
des jeweiligen Landeshcrrn der Schultheiss, welcher 
alljährlich zu Weihnachten durch die Bürgerschaft 
gewählt wurde. In gemeinsamen Angelegenheiten han- 
delten Schultheiss und Gemeinde. Als die Zahl der Rürger 
wuchs, gaben sie sich einen aus 9 Mitgliedern bestehen- 
den Rat. Die Vogtgerichtsbarkeit über die Fischereirechte 
und Frevel auf dem See gehörte den herzoglichen 
Pflegern zu Rutenburg, die einen eigenen l'ntervogt für 
den See bestellten. Mit der Erwerbung Rotenburgs ging 
das Recht der Seevogtei an Luzern über. I»er Seevogt 
wurde aus den Mitgliedern des Grossen Rates bestellt und 
hatte seinen Sitz in Sempach. Diese Ordnung der Dinge 
dauerte bis 1798. Das Ilaupifest von Sempach ist die sog. 
Sempacher Schlachljahrzeit. die alljährlich am ersten 
Montag nach St. Ulrichstag zum Andenken an die ruhm- 
reiche Schlacht von 1386 abgehalten wird. In wohlgeord- 
netem Zuge ziehen die Abgeordneten der Regierung und 
Rehorden, die Geistlichkeit, die Studenten und die zahl- 
reiche Rürgerschaft, Musik an der Spitze, hinauf aufs 
Schlachtfeld. Das Volk stellt sich heim YVinkelriedntein 
auf, undderReauftragteder Regierung hälteine Ansprache. 
Nachher begibt man sich zur Schlachtkapelle, wo nach 
der Vorlesung des alten Schlachtbcnehtes für die Ge- 
fallenen ein Gottesdienst gehalten wird, der in der Fest- 
predigt, einem Hochamt und nachheriger Prozession be- 
steht. Am gleichen Tag werden für die Seelenruhe der 
Gefallenen mehrere Messen gelesen. Nach dem Gottes- 
dienst ordnet sich der Festzug von neuem, um ins Städt- 
chen zurückzukehren, wo nun in der Festhütte am See 
die bürgerliche Feier mit Rankett, Toasten und Musik- 
vorträgen stattfindet. 2 km BÖ. Sempach steht an der 
Strasse nach Hildisrieden in einer Hohe von 619 m die 
Schlachtkapelle, die von der Rürgerschaft Luzerns an der 
Stelle errichtet wurde, wo mit Herzog Leopold die meisten 
Oesterreicher fielen. Sie ward bereits am 5. Juli 1387 
unter dem Schutze des h. Jakobus des Aelteren eingeweiht 
und scheint zunächst die Restimmung einer Totenkapelle 

gehabt zu haben. Hier liegen die Korper aller derjenigen 
egraben, die bis 1429 nicht abgeholt worden sind. Die 
Kapelle wurde von Zeit zu Zeit vergrössert und im Jahr 
1886 anlässlich der Fünfjahrhundertfeier kunstgerecht 
renoviert. Es finden sich in ihr bildliche Darstellungen 



der Schlacht. Vergl. Bölsterli, Jos. L'rkundl. Geschichte 
der Pfarrei Sempach (im Ge*chicht$freund. 14 und 15, 
1858/59). — Bölsterli, Jos. Sempach. (Heimatskunde für 
den Kant. Luzern. 1). Luzern 1867. Der Name Sempach 
bezeichnet s. v. a. • mit Schilfrohr (semptj bewachsener 
Bach ". Einzelfunde aus der Steinzeit zeugen für ehemals 
hier vorhandene Pfahlbauten. Nahe der Schifilände hat 
man im See auch Gegenstände aus Bronze, sowie einen 

tut erhaltenen Bronzeschild aufgefunden. Verschiedene 
inzelfunde von romischen Münzen. Alemannengräber 
am Kirchbühl. 1260: Sembach. 

8EMPACHIR8EI iKt. Luzern, AmtSurseel. 507 m. 
Moränenstausee im Thal der Suhr, zwischen dem Eich- 
berg und dem Nottwilerberg. Erstreckt sich von SO. nach 
NW. und folgt somit ziemlich genau der Thalrichtung. 
Er grenzt an die Gemeinden Sursee, Schenkon, Eich, 
Sempach, Neuenkirch, Nottwil und Oberkirch. Seine 
grosste Länge beträgt von Mariazell bis zum Seehüsli 

7.6 km und die grösste Breite s. Eich 2.5 km. 14,37 km* 
Fläche und eine maximale Tiefe von 87 m. Durch die 
1806 07 erfolgte Tieferlegung des Abflusses um etwa 

1.7 m hat sich der Seespiegel gesenkt und die Fläche 
des Sees beträchtlich verkleinert, was namentlich ao 
den flachen Enden in Betracht fallen musste. Er wird 
durch zahlreiche kleinere Bäche gespiesen, die ihm 
von allen Seiten zutlicssen und deren bedeutendster 
die Grosse Aa ist. welche unter dem Namen Sellenboden- 
bach von Hellbühl herkommt, bei Seesalz mündet und 
ein kleines Delta vorgeschoben hat. Der Abfluss ist die 
zur Aare gehende Suhr, welche den See bei Oberkirch 
verlässt. Auf seinen Längsseiten wird der Sempachersee 
von Molassehöhen und Moränenzügen begleitet, während 
ihn im NW. eine Stirnmoräne des einstigen Reuss- 
gletschers umwallt. Nahe dem SO. -Ufer findet sich 
zwischen Sempach und dem Schloss Wartensee und ge- 
rade ausserhalb der Mündung der (inrnsen Aa eine bis 
10 m unter den Wasserspiegel heraufreichende Anhöhe 
im See. die der • Ballenberg » genannt wird, weil die 
Raichen hier mit Vorliebe zu laichen pflegen. Nahe dem 
untern Ende ragt ein mit Gebüsch und einigen Räumen 
bewachsenes kleines Inselchen aus dem Wasser auf. Den 
grossten Teil des Seegrundes deckt eine Lage feinen und 
lockeren gelblichen Schlammes , die Wohnstätte der 
Lebewelt des Grundes. Die kleinen Zuflüsse haben ein 
zu wenig um- 
fangreiches 

Sa m nielgebiet 

und daher zu 

geringe Was- 
sermengen, 

um dem See 
grobes Ge- 
schiebe zu- 
führen zu kön- 
nen. Ihr Iii ii- 

lluss auf die 
Beschaffen - 

heit des See- 
grundes 

macht sich 

nur dadurch 
bemerkbar, 

dass an ihren 
Mündungen 

der Schlamm 

reichlich mit 

Saud und grö- 
berer orga- 

nischerTrum- 
mermasse — 

Reste von 
Blättern, 

Zweigstucke , 

Wurzeln und 
dergl. — 

durchsetzt ist. 

Zwischen dem 

Einlauf der Grossen Aa und dem Rallenberg ist der 
Grundschlamm streckenweise ganz erfüllt mit den Scha- 
len abgestorbener kleiner Schnecken und Muscheln, 




Sempach: Schlacbldenkmal. 



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die, Reste von noch gegenwärtig den See bevölkernden 
Arten darstellen. Die Wassertemperatur betragt von 
etwa 80 m an abwärts 4° C. und kann gegen Ende des 
Sommers an der Oberfläche die Lufttemperatur noch 
um etwas übertreffen. Die Wasserfläche wird fast 
lückenlos von einem Kranz von Schilf und Binsen (Phraa- 
mitet communis und Scirptu lacuttrit) umrahmt. Die 
Flora der untergetauchten Wasserpflanzen zeigt eine 
ausserordentlich grosse Armut an Arten. Ausgedehnte 
Strecken sind mit dem Tausendblatt (Myriophyllum tpica- 



Sumpfhühner, die Wachtel, der Zwerg- und der graue 
Reiher, sechs Taucher, verschiedene Enten, zahlreiche 
Sumpfvögel und einige Möven. Nur kurzen Aufenthalt 
pflegen zu nehmen die Graugans, Saatgans und zwei Brach- 
vögel. Seltene Vorkommnisse sind der Sandregenpfeifer, 
die Silbermöve, die Kisente, der schwarze Storch, die 
Zwergtrappe und der dunkelfarbige Sichler. An Krustazeen 
(Krebstieren) ist der Sempachersee so reich wie andere 
Seen. Der Fischbestand rekrutiert sich aus folgenden 16 
Arten: Aal, Hecht, Rötel, Seeforelle, Ballen oder Bal- 




kum) bewachsen. An einzelnen geschützten Stellen breiten 
sich die grossen und flachen Blätter der Seerose (iVt/wi- 
yhaea alba) aus. Von den sonst überall vorkommenden 
und allgemein verbreiteten Laichkräutern {Potamogeton) 
fand dagegen Prof. Heuscher anlässlich seiner Unter- 
suchung des Sempachersees nicht ein Stück. Heber die 
auf oder am See sich aufhaltende Vogelfauna lässt sich 
bemerken, daxs nur wenige Arten (Eisvogel. Wasser- 
huhn. Wild-, Knäck- und Krickente, sowie der Kibitz 
und die Lachmöve) sich sowohl im Sommer als auch im 
Winter zeigen. Zahlreicher sind die eigentlichen Zug- 
oder Nistvogel, die nur im Sommer bei uns leben und 
dann auch brüten, so von Raubvögeln der Fischadler, 
die Sumpfweihe und die Sumpfeule ; dann verschiedene 
Hohnwnger, die Hohrdrossel, die Rohrammer und der 



eben. Alel, Hasel. Rottete, Brittele oder Blicke, Grundeli 
oder Kröscher, Barbe , Schleihe , Karpfen, Trüsche. 
Groppe, Egli oder Barsch. Der Aal wird selten gefangen, 
während sich der früher ebenfalls seltene Hecht stark 
vermehrt hat, seitdem 1SSM903 im ganzen über 800000 
Stück in den See eingesetzt worden sind. Der Rötel spielt 
seiner Seltenheit wegen keine Bolle, und auch Seeforelle 
und Alet zählen nicht zu den häutigen Seebewohnern, 

der häufigste 



während 



dagegen 

Sempachersee ist und jährlich in einer Menge von bis zu 
500 kg Gewicht gefangen wird. Ebenfalls zahlreich sind 
Rotauge (oder Hottete . Blicke und Kröscher. Keine be- 
deutende Rolle spielen Barbe und Schleihe. Der Karpfen 
wird selten gefangen, doch kommen ansehnliche Stücke 
von 2-6 kg vor. Die Trüsche soll nicht häufig sein, und 
fast bedeutungslos ist die Groppe. Dagegen erscheint der 



der Hasel 



Fisch im 



: 
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Barsch oder Egli verhältnismässig in weit grösseren 
Mengen als in einem der andern bedeutenderen Schweiler- 




s 



l'ntcr«* Kndo de» Sempachersee». 

seen. Das «Sorgenkind de« Sempacheraees » ist der 
Italien oder Üalchen (Corentmut Suititeri), der früher in 
unglaublichen Mengen gefangen wurde und dann in be- 
denklicher Weise abgenommen hat. Nach Viktor Fatio 
ist er ein dem Scmpachcrsee eigentümlicher Fisch. Die 
Ursache seiner Abnahme wird von den Fischern haupt- 
sächlich dem Verschwinden der Moose zugeschrieben, 
auf denen die Hüllen gelaicht haben sollen. Sie wird 
aber eher in der «geradezu unvernünftigen Weise • zu 
suchen sein, mit welcher die Fischer früher den See 
ausbeuleten. Dazu kommen dann noch die unverhältnis- 
mässig grosse Zahl von Harschen, die als arge Räuber be- 
kannt sind, sowie der Umstand, dass unter den Raichen 
des Sempachersees eine die Fische zu gründe richtende 
Krankheit verbreitet ist. 

Von einem Verkehr auf dem Sempachersee kann eigent- 
lich kaum gesprochen werden, da sich auf ihm weder 
Dampf- noch Motorschilfe linden. Der früher gemachte 
Versuch, einenDampferbetriebeiimi richten, musste wegen 
mangelnder Rendite bald wieder aufgegeben werden. 
Der See gefriert, aber meistens sehr spät. Das Sprichwort 
sagt, der See werde gefrieren, wenn es in der ganzen 
Woche vor Weihnachten in ihn regne. Die Gerichtsbar- 
keit über die Fischereirechte und Frevel auf dem See ge- 
hörte ursprunglich den herzoglich österreichischen Pfle- 
gern zu Rotenburg, die einen Untervogt über ihn bestellten. 
Als dann I.uzern das Pfandrecht über Rotenburg erwarb, 
gingt auch die Seevogtei an diese Stadt über. Im Frieden 
von 1389 und 1394 wurde die Wahl eines Seevogtes durch 
Luzern anerkannt. Schon 1392 wohnte ein durch Luzern 
bestellter Seevogt in Sempach, worauf der Rurgrechls- 
brief von 1426 den Sempachern den Sitzeines Seovogtes 
zusicherte, der aus den Mitgliedern des Grossen Rates 
auf die Dauer von sechs Jahren gewählt wurde. Kr hatte 
die Aufsicht über den See, die Fischereirechte und Lehen- 
zinse und bestrafte die Frevel. Ferner zog er zu Händen 
der Ohriukeit die Hussen ein und nahm die Fischer in 
Kid ond Pflicht. An der Sempacher Schlachtfeier musste 
er die Ehrengäste von Luzern und Münster bewirten, 
wofür er eine angemessene Knlschädigung bezog. Sehr 
interessant ist die Rechnungsführung der Seevogte über 
die Zahl der gefangenen Hallen, die in manchen Jahren 
600 000- 8HOOO0, im Jahr 1600 sogar 894000 Stück auf- 
weist. Von der Entrichtung der Abgabe von den ge- 
fangenen Ballen waren die Inhaber kleinerer Lehen (die je- 
weiligen Besitzer der Schlösser Tannenfels und Warten- 
see, die Kapuziner in Sursee und die Stadt Sursee i be- 
freit. Vergl. Hellseher, J. Der Seinfiachersee und seine 
Fitckpreiverhältnttse i in der Srhweizer. Fisrhereizeitung. 
III, 1895i. Diese Zustände waren bis 1798 in Kraft. Seit 
dieser Zeit ist iler Sei- Kigentum des Staates I.uzern. 



SKN 

sempione (Kt. Wallis Italienischer Name für den 
Simpi <in. S. diesen Art. 

8EMPLAIN (Kl. Bern, Atnlsbez. Mün- 
ster, Gem. Sornetant. Höfe. S. den Art. 8a«- 
PI.AIN. 

■ EMPREMONT od.-r SIMPREMONT 

(LE) (Kt. Waadt, Bez. Cossonayi. Linksseitiger 
Zufluss zur Morges. Entspringt im Wald von 
Ferman nahe dem gleichnamigen Hof (670 mi 
wsw. Pampigny und wendet atch nach O.. um 
dem N.-Rand "des Waldes von Saint Pierre zu 
folgen und s. an Pampigny und Severy vorbei- 
zufliessen. Mündet 1,3 km so. vom Dorf Morges 
(565 m) zwischen den Mühlen von Severy und 
Cottens. Der 5 km lange Bach durchzieht nahe 
seinem Ursprung verschiedene Sumpfgebiete. 

SIMSALES i Kt. Freiburg. Hez. Veveyse). 
876 m. Gem. und reizendes Pfarrdorf, an der 
Sirasse Bulle- Vevey und 5.5 km no. Chätel 
Saint Denis. Station der elektrischen Bahn 
Chätel- Rulle - Monlhovon. Postbureau, Tele- 
graph, Telephon. Auf Boden von Semsales 
entspringt die Brove. Gemeinde, mit Montalhan 
und La Villetle : 125 Hauser. 909 kathol. Kw. 
franzosischer Zunge; Dorf : 67 Häuser. 484 Ew. 
Wiesenbau und Viehzucht ; ausgedehnte Alp- 
weiden und Waldungen (400 ha). Sägen und 
Holzhandel. Pfarrkirche Saint Nicolas. Die das 
Dorf durchmessende Mortivue, die oft Verhee- 
rungen angerichtet hat. ist jetzt kanalisiert und mit über 
hundert Thalsperren verbaut, über deren jede eine kleine 
Kaskade herniederrauscht. Die sog. Verrerie (Glashütte) 
von Semsales liegt auf Roden der Gemeinde Progens und 
liefert täglich über 15000 Flaschen. Semsales war ursprüng- 
lich eine zum Kloster auf dem Grossen St. Bernhard ge- 
hörige Propstei samt Herrschaft. Der Ueberlieferung 
nach soll das ehemalige Dorf im 13. Jahrhundert durch 
einen Bergsturz verschüttet worden sein, worauf man 
das neue Dorf 1 km weiter sw. neu aufbaute. Die Stelle 
der einstigen Kirche ist durch ein Kreuz bezeichnet. 1248 
wurden von den Aebten von HaulcrtH und Haulerive die 
Grenzen zwischen Semsales und Fruence festgelegt. 1279 
wurde der Schlossherr von Rue vom Landvogl der Wandt 
dazu angehalten, dem Propst von Saint Nicolas den 
Zehnten des gesamten Gebietes von Semsales zukommen zu 
lassen und ihm den freien Holzschlag in den Wäldern von 
Albeuve bis zur Grenze von Vuadens zu gestatten. 1560 
ward dem Stift auf dem Grossen St. Bernhard der Besitz 
der Propstei bestätigt. 1579 erhielt das Kapitel von Saint 
Nicolas «las Recht, seinen Propst selbst zu ernennen. 
1581 gliederte man die bisher der Vogtei Rue zustehende 
Herrschaft Semsales der Vogtei Chätel Saint Denis an. 
1619 gab der Ritter Heinrich Lambcrger seiner Tochter 
Francoise ein Haus und Grundbesitz in Semsales. 1630 
wurde die Pfarrkirche erbaut und 1766 die Zollstätte 
zu Semsales nach Chätel Saint Denis verlegt. 1380 zer- 
störte eine heftige Feuersbrunst 42 Häuser, d. h. zwei 
Drittel des Dorfes, das nun nach einem neuen Plan 
wieder aufgebaut ward. Die hei dieser (telegenheil 
angeordnete Gabensammlung ergab das schöne Re- 
sultat von 20 214 alten Franken. 1160: Selsales ; 1170: 
Sessales ; 1177 : Seplemsalis ; 1560: Septsales. Von 
Mi'pteni — sieben und dem althochdeutschen xal . 
sala — Haus, Wohnung herzuleiten ; bedeutet also 
s. v. a. i Sicbenhäuscrn ». Vergl. auch Frihourg artuti- 
que 1901. 

SEN* (PIZZO DI) (Kt Graubünden. Bez. Bernina). 
3078 m. Grenzgipfel zwischen der Schweiz und Italien, 
in der Grosinalette der Livigno-Violagruppe und in der 
Mitte zwischen dem Sassalbo und Pizzo ilel Teo, von 
denen er je 2,3 km entfernt steht. Im N. hängt ein kurzes 
und sehr schmales Eisfeld zur Felshalde über den Seen 
im Hintergrund des Val del Teo hinab. Zwischen dem 
Pizzo di Sena und dem Sassalbo befindet sich die Forcola 
di Rosso (2688 mt. Im W.. auf der Puschlaver Seite, 
steifen die steilen Schuttrunsen des Val d'Ore/za in die 
Tief»', während im Ü. die Quell tbafor Val Malghera und 
Val di Sacco der italienischen Valle Grosina liegen. 
Gesteine des Bergstockes sind Gneis, Glimmer- und 
Phyllitschiefer, unter denen am Puschlnverhang die Trias- 



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SEN 



SEN 



•497 



di 

Pazzallo). 



und Juraschichten des Sassalbo liegen. Der Pizzo 
Sena wird nur selten bestiegen. 

SENAQO i Kt. Teasin. Bez. Lugano, Gern 
354 m. i. nippe von 5 Häusern : 3,5 km 
bw. Lugano. 26 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
San I'ietro Pambio. Acker- und Weinbau. 
Periodische Auswanderung der Männer als 
Maurer. 

SENARCLENS (Kt. W'aadt. Bez. Cos- 
sonay). 590 m. Gem. und kleines Dorf, auf 
dem dem Jura vorgelagerten Plateau und 
an der Strasse Cossonay-Auboiiiie. 2,3 km 
sw. Cossonav und 3 km w. der Station 
Cossonav der Linien Neuenburg- l-ausanne 
und Lausanne- Pontarlier. Postablage. Te- 
legraph, Telephon: Postwagen Cossonav - 
Mont la Villa. 31 Häuser. 198 reförm. Ew. 
Kirchgemeinde Cossonav. Landwirtschaft. 
Im Mittelalter war das Dorf ein Lehen der 
Herren von Cossonay. Das Geschlecht derer 
von Senarclens ist alt und reicht bisaufden 
I Ii"» genannten Aymon du Senarclens 
zurück. 137'.) kam das Lehen an Mar- 
guerile von Grandson. die Gemahlin dea 
Bastardes Aymon de Cossonay. sowie später 
an Rose de Cossonay. die es 1549 an Claude 
und Gautier Farel, die Itrüder des Refor- 
mators, verkaufte. Deren Besitz wurde 
1576. 1577 und 158-i vom Geschlecht Cliar- 
riere aus Cossonay angekauft, dessen einer Zweig bis 
1798 im Hesitz von Senarclens verblieb. Die im Dorf 
stehende alte St. Niklatiskirche. die ein bemerkenswertes 
gotisches Chor aufwies, rst zu lleginn des 19. Jahrhunderts 
zerstört worden. In der Umgebung von Senarclens hat 
man l'eberresle aus der Hömerzeit (Münzen, Gräber etc. I 
aufgedeckt. Hömische Ruinen in Condemines, Gräber 
aus der Zeit des ersten Alemanneneinfalles in Lea Grau- 
ses. 1011 : Senerclens : 1180: Sunarclens ; 1190: Sonar- 
clens ; 1*238 : Sonarcleins; 1453: Sinarclens. 

SENEDE8 l Kt. Freiburg, Rez. Saanei. 758 m. Gem. 
und Dorf, in einein fruchtbaren Waldthalchen 10 km s. 
vom Bahnhof Freiburg. 14 Häuser, 102 kathol. Ew. fran- 
zösischer Zunge. Kirchgemeinde Ependes. Wiesen- und 
Obstbau. Viehzucht. S.ige und Muhle. Strohllechterei. 
Kapelle Saint Gorgon. 1233 : Senaide ; 1251 : Senaidi ; 
1449 : Svnaydi. 

SENG (IM) (Kt. Wallis. Bez. Visp, Gem. Baien). 
1800 m . Weiler auf einer Terrasse links über der Saaser 
Visp, am Fuss des Ulrichshorns und 1 km nö. vom Dorf 
Im Grund. Gehurt politisch zur Geiueindeabteilung Bider- 
matten und kirchlich zum Rektorat Tamatlen der Pfarrei 
Saas. 

8ENQBACH (Kt. Wallis, Rez. Rrig). 2550-1550 m. 
Wildbach; entspringt mit drei parallel von W. nach O. 
fliessenden und zu oberstauf der Sengalp sich vereinigen- 
den (Juellarmen dem Rossbodengletscher und den Firn- 
fehlem hinten über einem kleinen Thälchen am O.-Fuss 
des Rnuthurns und mündet nach 3.5 km langem Laut 
I ktu no. vom Dorf Simpeln von links in den Krn Himbach. 
Der Rachlauf ist durch die im März 1901 vom Rossboden- 
gletscher abgebrochene Eislawine an verschiedenen Stellen 
abgelenkt und im Unterlauf gänzlich verschüttet worden, 
sodass das Wasser heute noch seinen Weg durch im Eis 
und Schnee ausgehöhlte Tunnels suchen muss Der Seng- 
bach entwassert die durch den Eisslurz vou 1901 eben- 
falls zum Teil verwüstete Alpweide von Sengboden. Die 
damals zerstörten Hütten sind zum Teil wieder aufgebaut 
worden. 

SENGELEN (Kt. Zürich. Rez. Hinwil. Gem. Wetzi- 
kon i. 545 m. Gruppe von 4 Häusern ; 1,5 km s. der Station 
Aallial der Linie Zürich-Uster-Rapperswil. 23 reform. Kw. 
Kirchgemeinde Wetzikon. Wiesenbau. 

SENGFLÜHE Kt Wallis. Bez. Visp). 2609 und 
2765 m. Felsgrat, nordl. Fortsetzung des vom Gemshorn 
im Balfrinstock ( Mischabelhorner i nach < >. auszweigenden 
Kammes des Mellighorns (2686 in). 2'/, Stunden nw. über 
Saas Fee. Schone Aussicht. 

SENQIAS (Kl. Grauhunden, Bez. Vorderrhein. Kreis 
und Gem. Disentis). Dorf. S. den Art. Skunk« 

SENGKUPPE (Kt. Wallis. Bez. ßrig und Visp). 



3625 m. Gipfel in der Fletschhorngruppe ; auf dem NNW.- 
Grat des Fletarhhornes (4001 in und zwischen diesem und 
dem Itauthorn. Kann von Huteggen am Weg Stahlen- 





■ 

• 





Sonnale» von Nordwe»t«n. 

Saas Im Grund in 8 Stunden ohne Schwierigkeit erstiegen 
werden. Auf der Siegfried karte unbenannt , dagegen 
verzeichnet auf der Karte zu Dr. Dübi's Saas Fee und 
l'mgebuug (Bern 1902). 

8ENGG (IN DER) Kt. Bern, Amtabez. Interlaken, 
Gem. Iseltwaldi. 670 m. Weiler; 1,5 km sw. der Dampf- 
schilfstalion Iseltwald am linken Ufer des ßrienzersees. 
14 Häuser, 95 reform. Ew. Kirchgemeinde Gsteig. Land- 
wirtschaft. 

SENGGEN (HINTER und VORDER) (Kt. Bern. 
Amtsbez. Signaii. Gem. Eggiwil). 770 m. Gemeindeab- 
teilung unil Weiler am rechten Ufer der Emme, 1 km so. 
Eggiwil und 10 km so. der Station Sigjiau der Linie 
Bern-Luzern. Zusammen 19 Häuser. 155 reform. Ew. ; 
Weiler: 5 Häuser, 46 Ew. Kirchgemeinde Eggiwil. Land- 
wirtschaft. 

8ENGGFLUH i Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken) 
7<r2 m. Fcl-iger Kamin links aber dem Brienzersee. zu wel- 
chem er steil abstürzt, während der gegenseitige Hang fla- 
cher geboseht ist und die Häusergruppe In derSengg trägt. 

8ENGI. Ortsnamen der deutschen Schweiz. S. den 
Art. San«. 

SENQLA (LA) (Kt. Wallis, ßez. Entremonti. Gipfel. 
S. den Art. La Sangla. 

BENGLIOZ oder SCINQLIOZ (Kt. Waadt. Bez. 
Aigle. Gem. ßex). 1511 m. Ziegenweide mit einer Hütte, 
an der von derCr£te des hrausinaz zum Gipfel der Pointe 
des Savoleires |2307 ml aufsteigenden Grete de Senglioz, 
w. über der Alpweide von Pont de Nant. Die Hütte kann 
von l.es Plans de Frenieres her in l'/j Stunden erreicht 
werden, Gesteine sind Hauterivien. das auf dem verkehrt 
gelagerten Urgonien liegt. Der Name entspricht den 
VValliser Formen Scinglioz oder Finglioz (für Alpen bei 
Salvan und bei Gueuroz). sowie Les Fingles in Saint 
Maurice ivergl. den Art. Finci.KS). 

sen Q pa SS (Kt. Wallis. Bez. ßrig und Visp). 3615m. 
Schwieriger und sehr selten begangener Pass zwischen 
der Sengkuppe (362.'» m) und dem Fletschhorn |400I m). 
Aufstieg vom Hotel Trift her in etwa 4 Stunden, Abstieg 
nach dem Dorf Simpeln, das der Pass mit Im Grund ver- 
bindet, in 5-6 Stunden. Auf der Siegfriedkarte unbenannt, 
dagegen auf der Karte zu Dr. Dübi's Saa* Fee und Um- 
gehung (Bern 1902) verzeichnet. 

BENIN (Kt. Wallis). Französischer Name für den 
SaJMRSCK. S. diesen Art. 

SENNENBERO (HINTER und VORDER) (Kt. 
Zürich. Bez. Hinwil, Gem. Waldi. 908 und 875 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 5 Häusern, am O.-Hang des 
Bachtel und 2.5 km sw. der Station Gibswil derTossthal- 
bahn ( Winterthur-Waldi. 48 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Wald. Wiesenbau. 

220 — GSOOK, LEX. V — 3*2 



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498 SEN 

SENNENKEHRENSTOCK (Kt. Uri). Etwa 2740 m. 1 
Gipfel der Krönten kette, in dem von der Krönte nach 
SO. auszweigenden Kamm zwischen Gorneren- und | 
Schindlachthal. Kann von Amstäg und Inschi oder von i 
Gurtnellen her über die Alp Schwandenegg, da« Schind- 
lachthal und den N.-Grat iu6Stunden erstiegen werden Die 
dem Sennenkehrenstock beigeschriebene Kote von 2772 m | 
der Siegfriedkarte ist unrichtig und bezieht «ich wahr- 
scheinlich auf da« von dieser karte weder benannte noch 
kotierte benachbarte Schindlachhorn. Erste Besteigung 
1899. 

8ENNETRITZFURKA (Kl. Graubünden. Bez. Ober 
Landquart). 2629 m. Kammlücke zwischen Wuosthorn 
und Gefrorenhorn in der Kette, die das Dischmathal 
vom Sertigthal trennt. Obwohl kein eigentlicher Pfad 
vorhanden ist, kann man diese Lücke doch als l'ebergang 
aus einem Thal ins andere benutzen. Von den Alphülten 
• Am Hhin» im Dischmathal folgt man einem l'fad hinauf 
ins Rhinerthäli bis gerade <>. unter die Sennetrilzfurka, 
die man zuletzt über Rasenh.inge erreicht. Jenseits geht 
es zunächst über ein Trümmerfeld und dann ebenfalls 
über Hasen ins Thälchen de« Fählenbaches hinunter und 
durch dieses nach Sertig Dorfli. 

SENNHAUS ( Kt. Luzern, Amt Willisau, Gem. 
Dagmersellen). 573 m. Gruppe von 2 Häusern, am N.- 
Hang des Sentenberges und 3 km so. der Station Dagmcr- 
scllen der Linie Luzern-Olten. 23 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Dagmersellen. Ackerbau und Viehzucht. 

sennmaus (Kt. Zürich. Bez. Horgen, Gem. Wädens- 
wil). 600 ni. Gruppe von 6 Häusern, 4 km w. der Station 
Wädenswi) der Linie Zürich-Thalwil-Chur. 25 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Wädenswil. Wiesenbau. 

SENNHOF (Kt. Aargau. Bez. Baden, Gem. Remeta- 
wil). 666 m. Gruppe von 8 Häusern auf den Höhen 
zwischen dem Reusa- und Limmatthal, 1 km o. Remels- I 
wil und 3,5 km s- der Station Killwangen der Linie ' 
Zürich-Baden-Brugg. 73 kathol. Ew. Kirchgemeinde Rohr- 
dorr. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

S E NNMOF (Kt. Aargau. Bez. Zolingen, Gem. Rothristi. 
414 m. Dorf, 500 m ö. der Station Rothrist der Linie 
Olten-Bero. Telephon. 20 Häuser, 122 reform. Kw. Kirch- 
gemeinde Rothrist. Ackerbau. Viehzucht und Milchwirt- 
schaft. Ehemaliges Heilbad mit Gasthaus. 

SENNHOF (Kt. St. Gallen. Bez. und Gem. Tablall. 
677 m. Neues Industriequartier s. der Station St. Fiden 
der Linie St. Gallen Rorschach. Gehörte früher zum Be- 
sitz des Schlosses Winkelbach. 

SENNHOF (Kt. Zürich. Bez. Pfäfflkon, Gem. Russi- 
kon). 642 m. Gcmeindeabteilung und Weiler, 3 km ö. der 
Station Fehraitorf der Linie KUreltkon- WeUikon-llin- 
wil. Telephon. 17 Hauser, 66 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Russikon. Wiesenbau. 

S«NNHOF(Kl. Zürich. Bez. Winterthur. Gem. Elgg). 
629 m. Gruppe von 4 Häusern, 2 km s. der Station Klgg 
der Linie Zurich-Winterthur-St. Gallen. 25 reform. Kw. 
Kirchgemeinde Klgg. Wiesenbau. 

SENNHOF (Kt. Zürich, Bez. Winterthur. Gem. Seen). I 
486 m. Gemeindeabteilung und Dorf im Tossthal. 5 km ' 
so. Winterthur. Station der Tnssthalbahn (Winterthur- 
Waldi. Poslablage. Telephon. Zusammen mit Holstern, f 
Tobeli und Tosswie«: 76 Häuser, 525 reform. Ew. ; Dorf: ; 
37 Häuser, 296 Kw. Kirchgemeinde Seen. Wiesenbau. 
Grosse Baumwollspinnerei. 

SENN HOF (Kt. und Bez. Zürich. Gem. Zollikon). 
636 m. Gruppe von 6 Häusern auf dem breiten Rücken 
des Zürichberge»*, 4 km«, der Station Zollikon der rechts- 
ufrigen Zurichseebahn (Zürich -Meilen- Rappe rswil). 33 
reform. Ew. Kirchgemeinde Zollikon. Wiesenbau. 

SENNHOF (OBER und UNTER) I Kt. Aargau, Bez. 
/Olingen. Gem. Ilrittnau und Vordemwald I. 5- 0 und 470 m. 
Zwei Gruppen von zusammen 12 Hausern. im Thal der 
PfafTnern und 5 km s. der Station Holhrist der Linie 
Olten-Bern. 500 m voneinander entfernt. 124 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Brillnati. Wiesenbau und Viehzucht. 

BENNIS (HINTER und VORDER) (Kt. St. Gallen, 
Bez. Alt Toggen bürg, Gem. Kirchberg). 800 m. 10 Hauser, 
am S.-Fuss des die Burgruine Alt Toggenburg tragenden 
Hügels zerstreut gelegen ; 2,5 km s. Gähwil und 9 km w. 
der Station Ltilisburg der Toggen burgerbahn. 53 kathol. 
Kw. Kirchgemeinde Gähwil. VViesenbau und Viehzucht. 



SEN 

SKNNISAL.R (Kt. St. Gallen. Bez. Sargans, Gem. 
Walenstadt). 1300-1900 in. Alpweide am S -Hang des 
Sichelkammes. 355 ha Fläche, wovon 150 Wiesen, 12 
Sumpfland, 40 eigentliche Alpweide, 28 Wald and 125 un- 
produktiver Boden. Sieben Hütten und Stille. 

SENN WE ID (Kt. Zug. Gem. Neuheim). 600m. Gruppe 
von 2 Häusern, an der Sihl und 1,5 km nö. Neuheim. 25 
kathol. Ew. Landwirtschaft. 

SENN WALD (Kt. St. Gallen, Bez. Werdenberg) 
470 m. Gem. und Dorl im st. gallischen Rheinthal, amSO.- 
Fuss des Hohen Kasten und an der Strasse Gams-Ober- 
riet. 3 km n. der Station Salez-Sennwald der Linie Ror- 
schach-Sargans. Postbureau, Telegraph, Telephon ; Post- 
wagen Salez-Gams. Gemeinde, mit Frümsen, Büsmig. 
Hag, Salez und Sax; 543 Häuser, 2816 Ew. (wovon 101 
Katholiken); Dorf Sennwald, mit den Häusergruppen 
Aeugslisriel, Forstegg, Läui, Lögert und Unterstein : 160 
Häuser. 480 Ew. Die Gemeinde zerfällt in die drei 
Pfarreien Sax, Salez und Sennwald. Ackerbau und Vieh- 
zucht. Eine Tuchfabrik. Maschinenstickerei. Im Turm der 
Pfarrkirche liegt die einbalsamierte Leiche des 1596 ermor- 
deten Freiherrn Hans Philipp von Hohenau. Sennwald ist 
im Schwabenkrieg niedergebrannt worden. Gehörte kirch- 
lich zuerst zu Bendern (jenseits des Rheins im Fürstentum 
Liechtenstein), ward 1ol3 eine Kaplanei und 1564 nach 
der Reformation eigene Pfarrei. 614: Sennia Silva. 

SKNOQE (t_A) (Kt. Waadt, Bez. Morgen und Coa- 
sonay). 555-408 m. Rechtsseitiger Zufluas zur Venoge. 
Entspringt in einer kleinen Sumpfebene zwischen den 
Dörfern Cottens und Vullterens, wendet sich zunächst 
nach S. und dann, im Bogen um Colombier fliessend, 
nach NO. und ()., geht zwischen Gollion und Adens durch 
und erreicht die Venoge gegenober der Mühle La Palaz 
unterhalb Vufflens la Ville. Der gewundene und etwas 
eingeschnittene Unterlauf des 9 km langen Baches bildet 
die Grenze zwischen den Bezirken Cossonay und Morges. 

sense, französisch SiSßiNE { Kt. Bern und Freiburg). 
Die Sense bildet den bedeutendsten Nebenfluaa der Saane. 
in die sie bei Laupen von rechts mündet. Sie entsteht 
aus verschiedenen Quellarmen, von denen die Kalte Sense 
oder Gantrischsense und die Warme Sense oder Schwarz- 
seesense die bedeutendsten sind. Die Gantriechsense ent- 
springt auf Boden des Kantons Bern im Gantrischkummli, 
einem nahezu kreisrunden Bergkessel, der im O. vom 
Ganirisch (2177 ml, im S. vom Morgetengrat (1962 m) und 
Im W. vom Kummiispitz (2166 m i umrahmt wird. Hier ver- 
einigen sich bei der Kummlihütte drei kleine Bäche, deren 
oberste Quelle in 1825 ni liegt, worauf der Wasserlauf zu- 
nächst längs dem Weg Rüeggisherg-Morgelen aui eine 
Länge von 1 km nach N. zieht, dann gegen NW. umbiegt 
und eine zweite Mulde erreicht,* in der er das am Fuss 
des ßirrehubel (1852 mi und des Gantrischberges liegende 
reizende Gantrischseeli (1580 mi bildet, das 200 m lang 
und 100 rn breit ist. Nach dem Austritt aus dem See 
wendet sich die Gantrischsense bis zur Ritzhütte nach N. 
und dann, durch den Bergstock des Selibühl aus ihrer 
bisherigen Richtung verdrangt, nach W. bia zur Vereini- 
gung mit dem vom Selibühl herabkommenden Sollerbach 
unterhalb Schwefelberg Bad. Hierauf biegt der Bach 
nach SW. um, indem er zugleich am Fusse von oft schroff 
abbrechenden Felsen durch immer tiefer eingeschnittene 
Waldschluchten eilt. Unterhalb Unter Zehntenvorsatz 
(1142 ml erhält er von links die Hengstsensc, die aus dem 
kleinen Seebergsee (1483 mi und vom Grenchenberg 
(1623 mf am N.-Hang der Mähre (2093 m l und der Scheibe 
(2152 m) herabkommt. Von ihrer Vereinigung mit der 
Hengstsense an erhält die Gantrischaense den Namen 
der Kalten Sense. Diese nimml auf: von rechts den aus 
dem Zusammenlluss des Gigebaches und Durrentanoen- 
baches sich bildenden Rotenbach, den Burgbach, den 
Hatbsackbach und den Warmeseitenbach, von links den 
Ebenbach. Marchbach und, als grössten Nebenarm, die 
von der Geissalp am N.-Hang der Kaiseregg und der 
Schwarzlluh (1643 m) herkommende Muscherensenae, 
die gegenüber den bernischen Hütten von Sangerenboden 
in 970 ra mündet. Von dieser Stelle an bildet die Sense 
bis nahe ihrer eigenen Mündung unterhalb I-aupen die 
Kanlonsgrenze zwischen Bern und Freiburg, mit einziger 
Ausnahme der kurzen Strecke bei Albligen (s. Ueberstorr), 
wo der Kanton Bern auch auf die linke Flussseite übergreift. 



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SEN 



SEN 



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Grosse Waldungen und zahlreiche Alpweiden durchmes- 
send vereinigt sich die Kalte Sense (Singine Froide) unter- 
halb der Hütte von Gantersli (870 m) von rechts mit der 
Warmen Sense (Singine Chaude). Diese entspringt dem 
Schwarzsee (1056 ml, dem zahlreiche vom Schweinsberg, 
Mont nremingard. der Spitxfluh, T 
ommende klein« 




(1388 m), von denen der letztgenannte auf eine Lauflänge 
von 1,5 km ein mittleres Gefälle von 36% aufweist und 
deshalb als wilder Geselle zu Thal stürzt Nach dem Aus- 
trittaus dem Schwarzsee bei derGipsera (1056m) fliesstdie 
Warme Sense bis zu ihrer Vereinigung mit der Kalten 
Sense beständig gegen NO., indem sie auf dieser Strecke 
dem O.-Fuss des Schweinsberges und dem W.-Fuss 
des Aettenberges, die beide auf Boden der Gemeinde 
Plaffeien stehen, folgt und von rechts den Hohberg- 
bach, Zuckerl Ibach und Aettetiherghach, von links 
den Rotenbach, Schweinshergbnch und Steinbach auf- 
nimmt. Die Strasse Freihurg-Schwarzsee begleitet den 
gesamten Lauf der Warmen Sense, die sie viermal über- 
schreitet. Der Bach treibt die Sägen von Gipsera. Zollhaus 
und In der Säge. Von der Stelle der Vereinigung der 
Warmen und der Kalten Sense an (870 m) heisst der 
Flusslauf einfach Sense, welcher Name auch auf einen 
der Freiburger Itezirkc übergegangen ist. Sie erhält: von 
links aus dein Kanton Freiburg den Tiefenbach bei Ru- 
fenen, den Tut.ich.bach unterhalb Zuinhotz, den Sodbach 
gegenübet Heitenried, den Winkelbach bei Albliven. den 
Blattishausbaeh bei Riederen, den Tafersbach in Flamatt, 
sowie den Ammerswilbach und Bebackerbach ; von rechts 
den Martisbach, Hohensteinbach. Laubbach, Hätelibach, 
Niederebach, das Schwarzwasser und den Scherlibach. In 
die Molasse hat sich die Sense ein sehr breites und Üefes 
Bett eingeschnitten, das fast überall von steilen und oft 
senkrechten Wänden begleitet wird. Im Flussbett liegt 
eine Menge von Kies mit zahlreichen mächtigen Fels- 
blöcken, durch welche sich der Wasserlauf gewohnlich 
in mehreren Armen hindurchwindet. Zur Zeil der Schnee- 
schmelze und nach starken Regengüssen füllt dagegen 
das stürmisch herabbrausendr Wasser die ganze Breite 
des Bettes au«. Auf der Berner Seite sind die den Fluss 
begleitenden Steilwände meist mit grosseren oder kleineren 
Waldungen gekrönt. Hin Riederen gegenüber Thörishaus 
hält sich der Flusslauf im grossen und ganzen in der N.- 
Richtung: dann biegt er schrotf gegen \V. ab, um in 
weniger tief eingeschnittenem Bett gegen Laupen sich zu 
wenden und unterhalb dieses Städtchens in 485 m sich 
mit der Saane zu vereinigen. Es erscheint wahrscheinlich, 
dass die Sense einst in einen grossen Fluss mündete, der 
durch das jetzige Trockenthal Bümpliz-Tluirishaus her- 
kam und das nun dem Tafersbach (Taferna) dienende 
Mühlethal auswusch, bis er durch den vorrückenden 
diluvialen Aaregletscher aus dieser Bichtung abgedrängt 
worden ist. Vielleicht floss aber auch die Sense selbst 
früher über Flamatt und Thörishaus direkt der Aare bei 
Bern zu. Solange die Sense nicht durch eine allgemeine 
und durchgreifende Korrektion in feste Bahnen gelenkt 
ist, kann sie ihres tief eingeschnittenen Bettes, der grossen 
Veränderlichkeit in der Wasserführung und der bei 
Niederwasser beständig wechselnden Richtung ihrer Arme 
wegen von der Industrie kaum ausgenutzt werden. Teil- 
korrektionen hat man im Oberlauf vom Schwarzsee an 
auf eine Strecke von etwa 7 km und im Unterlauf bei 
Flamatt, Neueneggund unterhalb Bösingen vorgenommen. 
Die Sense im engern Sinne ist von Gantersli bis zur 
Mündung 33,5 km lang, auf welcher Strecke sie ein 
mittleres Gefälle von 1.15 % aufweist. Flusslänge mit 
Einrechnung der Kalten Sense 43 km und mittleres Ge- 
fälle 4,5%, mit Einrechnung der Warmen Sense 39 km 
bezw. 2.2 %. Bei Laupen umfasst das gesamte Einzugsge- 
biet 428 km 1 . Im korrigierten Abschnitt von Neuenegg 
bis zur Mündung hat das Flussbett eine Breite von 25 
m. Minimale Wasserführung 1.86 m- 1 und maximale 
Wasserführung etwa 450 m s per Sekunde. Die Warme 
Sense ist 5,5 Km. die Kalte Sense 0,5 und die Hengst- 
sense 4 km lang. Die hauptsächlichsten Brücken sind, 
vom Schwarzsee an gerechnet : die Landbrücke (offene 
Holzbrücke i, Geissalpbrücke (Stein), Steinbachbrücke 



(offene Holzbrücke), Ligerlibrücke (Stein), Guggersbach- 
«rücke (gedeckte Holzbrücke l, Sodbachbrücke (1663 
erstellt und 1867 umgebaut), die steinerne Brücke von 
Thörishaus 11854-1856 erbaut). Brücke von Neuenegg 
(1460 erstellte Holzbrücke. 1543-1546 und wiederum 1596- 
lfiOH in Stein umgebaut). Von den in der Nähe der Burgen 
Schönfels und Grasburg einst bestehenden Brücken ist 
keine Spur mehr vorhanden. Bei Thörishaus werden die 
Kiesmassen im Bett der Sense ausgebeutet, um als aus- 
gezeichnetes Material für die Beschotterung von Strassen 
Verwendung zu finden. 1076: Sensuna: 1268:Sensun. 

SENSE oder SENSEBEZIRK, französisch SlNuiNK. 
Bezirk des Kantons Freiburg mit Tafers Tavel) als 
Hauptort. Er liegt im O. des Kantons und zerfällt in die 
zwei landschaftlichen Abschnitte Ober Sense (Haute 
Singine) s. Tafers und Nieder Sense (Basse Singine) n. 
Tafers. Im N. und O. trennt die Sense von Laupen bis 
Sangers boden den Bezirk vom Kanton Bern, während 
die Grenze von da bis zur Birchera von der Muscheren- 
sense gebildet wird und weiterhin gegen O. bis zum 
Ladengrat reicht, dann um die Gipfel der Vanils herum 
zieht, nach S. zum Schafarnisch abbiegt und dem Kamm 
des Schafarnisch, Widdergalm, der Schwarzfluh und des 
Rotenkasten bis zum Schafberg folgt. Im S. grenzt der 
Bezirk vom Schafberg bis zum Käsenberg (Cousimbert; 
au den Bezirk Greierz, im W. vom Käsenberg bis Villars 
ies Jones an den Bezirk Saane und von da bis Laupen 
an die Saane. die ihn vom freiburgischen Seebezirk 
scheidet. Der Norden des Bezirkes gehört zum Mittel- 
land, der S. zu den Voralpen. Jener bildet ein welliges, 
fruchtbares und gut angebautes Hügelland, während 
dieser schone Wiesen, grosse Alpweiden und pracht- 
Waldungen aufteigt. Die wichtigsten Höhen 
arnisch |2I12 m), Widdi 



lluh 12160 m). Kaiseregg (2186 m>, Schweinsberg(1742 m) 
und Muscheneck, die noral. Fe 



ergalm (2176 m), Schwarz- 
»m>, Schweinsberg( 1742 m) 
Fortsetzung des Käsenberges 

oder Cousimbert (1590 m). 

Die Gesamtfläche von 25837,99 ha verteilt sich wie folgt : 
Häuser, Plätze. Gärten etc. 149,38 ha 0,6 % 
W iesen und Aecker 15190.30 » 58.9% 

Waldungen 4083.50 » 15,9% 

Alpweiden 5796,41 « 22.4% 

Unproduktiver Boden 618.40 » 2.2 %_ 

Total "2oA3T.99 ha 100"%. 
Das im N. sehr gut gedeihende Getreide macht gegen S. 
immer mehr Wiesen und Alpweiden Platz. Zahlreich und 
gut unterhalten sind auch die Obstbäume (besonders 
Kernobst). Fruchtbarer und gut ausgenutzter Boden, 
mildes und gesundes Klima. Der Sensebezirk ist unter allen 
Bezirken des Kantons derjenige, in dem die Landwirt- 
schaft die meisten Forlschritte macht. Die Höhenlage der 
Ortschaften schwankt zwischen 562 m (Bosingen) und 
HHÜ m (Oberschrot und Rechthalten) und beträgt im 
Durchschnitt 721 m, welcher Zahl sich namentlich St. 
Ursen (704 ml stark nähert. Durch Sense und Saane ge- 
hört der Bezirk dem Einzugsgebiet der Aare an. Neben- 
adern der Sense sind hier die Muschcrensense, die 
Warme Sense, der Tütschbach und der Tafersbach (Ta- 
fernai: der Saane iliessen zu der Aergerenbach (Gerine), 
Gallernbach (Gotteroni und Düdingenhach. Neben diesen 
grossem Wasserläufen finden sich im Voralpenabschnitt 
noch zahlreiche Wildbäche, die die oberste Sense bilden 
helfen. Gesamlbevölkerung des Hezirkes 18768 Ew. 3442 
Haushaltungen in 2775 Häusern. 15 408 Katholiken und 
3358 Beformierte . 18070 Ew. deutscher, 667 französischer, 
28 italienischer und 3 anderer Zunge. Dichtigkeit der 



Bevölkerung auf 1 km 1 : 69 Ew. Der Bezirk umfasst ^Ge- 
meinden : Allerswil, Hosingen, Brünisried. Büdingen 
(Guini. Giffers (Chevrillesi. Heitenried, Neuhaus. Ober- 
schrot. Plaffeien (Planfayon). Plasselb. Bechthalten 
(Dirlarel). St. Antoni (Saint Antoine). St. Ursen (Saint 
Ours). St. Silvester i Saint Sylvestre). Tarers (Tavel l, Teg- 
lingen (Tinterin). I cberslorf, W'ünnewil und Zumholz. 
Diese bilden zusammen den 2. kantonalen Gerichlsbe- 
zirk iTafersi. drei Friedensgerichtskreise (Bechthalten, 
Tafers und Schmitten), den 3. kantonalen Schulbezirk 
mit sämtlichen deutsch-katholischen Schulen (24 Schul- 
kreise mit 73 Schulen). 15 deutsch-katholische Pfarreien, 
die dem deutschen Dekanat des Bistums Lausanne und 
Genf angehören. Eine reformierte Pfarrei in St. Antoni. 



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51 10 



SEN 



SEN 



zerstreut, so dass kein über- 
wiegend bedeutender Mittelpunkt vorhanden ist. Bezirks- 
schulen in Büdingen, Alterswil und PlalTeien. Knaben- 
institut l.a Gauglera, Mädcheninstitut in l'eberstorf, 
Fortbildungsschulen für beide Geschlechter und je ein 
Waisenhaus in St. Wolfgang und Tafers. Hauptbeschäfti- 
gungen der Bewohner des Bezirkes Hind Viehzucht, 
Käserei und Wiesenbau, neben welchen aber auch die 
übrigen Zweige der Landwirtschaft, namentlich der Obst- 
bau, Bedeutung haben. 70°/ 0 aller Bewohner sind in Land- 
wirtschaft und Viehzucht tätig. Herstellung eines vorzüg- 
lichen und in gutem Bufe stehenden Mostes, der in gewissen 
Abschnitten des Bezirkes den Wein ersetzt. Dm Milch 
wird zumeinen Teil zu Käse verarbeitet und zum andern 
Teil in die Fabriken kondensierter Milch 
Payerno und Neuenegg abgeliefert. Die 
Viehstatistik ergibt folgende Zahlen : 

1M6 t*M 1901 
Bindvieh 15169 17(^1 17838 

Pferde 157-2 1547 1 7«7 

Schweine 5896 9 743 9432 

Ziegen $789 44S4 3909 

Schare 3251 -2842 1 6il 

Bienenstocke 1396 1837 1605 
Ks entfallen somit auf 1000 Ew. : 950 Stück 
Bindvieh, 9-2 Pferde. 492 Schweine. 208 
Ziegen und 87 Schafe ; auf je 1 km' Fläche 
kommen 85 Stück Bindvieh. 9 Pferde. 44 
Schweine, 19 Ziegen und 8 Schafe, her 
Bezirk weist nur wenig industrielle Tätig- 
keit auf : eine Backsteinfabrik in Büdin- 
gen, grosse Mühlen in Fiatnatt. Sägen an 
verschiedenen Orten, eine Fabrik konden- 
sierter Milch in Büdingen. Im Voralpen- 
abschnitt beschäftigen sich die Bewohner 
auch mit Strohllechterei, welche Industrie 
im Sensebe/irk um die Mitte des 18. Jahr- 
hunderts eingeführt worden ist. Line 
Frau Anna Baemy aus Plalfeien begann 
zunächst mit der Herstellung von Stroh- 
korben und verlegte sich dann auf Stroh- 
hüte, die nach Art der • Yokos » aus einem 
einzigen Stück bestanden, während das 
eigentliche r'lechten des Strohes erst später 
in Aufschwung kam. Schon zu Beginn des 
19. Jahrhunderts gab die Strohflechterei 
zahlreichen Familien einen bescheidenen 
Verdienst. 1805 traf der Kleine Bat von 
Freiburg die erforderlichen Massregeln, 
um durch regelmässiges Messen dri Stroh- 
bündel jeder L'ebervorteilung der Arbeiter 
vorzubeugen. Handel mit geflochtenen 
Strohwaren soll als erster Joseph Per- 
Main aus PlalTeien getrieben haben, wäh- 
rend das Spalteisen zum Spalten der 
Strohhalme von Johann Jelk aus PlalTeien 
erfunden wurde. Die Strohllechterei ver- 
breitete sich rasch auch in den Bezirken 
Greierz, Saane und Veveyse und stand um 
1860 auf der Höhe ihrer Blüte. Sie 
beschäftigte damals tausende von F'rauen 
und Kindern und ergab laut Statistik ein 
jährliches Einkommen von 800000 Fr. 
im Bezirk Greierz, 600000 Fr. im Sense- 
bezirk, 400000 Fr. in den Bezirken Glane 
und Veveyse und 20000)1 Fr. im Saanebe- 
zirk, d. h. von 2 Mill. Fr. fur den gun/cn 
Kanton. Infolge der enormen Konkurrenz 
und vielleicht auch, weil sie den An- 
forderungen der Mode nicht genügend 
nachgekommen ist, geht diese Industrie 
heute zurück. Ti.rf wird in Garmiswil und 
Schmitten aus ß ebeutet. An verschiedenen 
Orten stehen Brüche aurMolassesaudsteine 
in Betrieb. Viele Beziehungen und Verbin- 
dungen hat der Sensebezirk mit dem Kanton 
Bern, namentlich den Amtsbezirken Lau- 



schönen Strassen, sowie die Eisenbahnlinien Bern-Frei- 
burg-Lausanne und Flamatt-Laupen-Gümmenen (Sense- 
thalbahn). Man darf diesen Bezirk vielleicht als diejenige 
Landschaft des Kantons Freibnrg ansprechen, wo sich 
die alten l Überlieferungen und Sitten, sowie der Familien- 
sinn am längsten und reinsten erhalten. Die reiche und 
anmutige alte Frauentracht sieht man noch in Düdingen 
und Tafers, wo sie bei Anlas» der Marienfesle von einer 
Bruderschaft getragen wird. Der ganze Bezirk war, mit 
Ausnahme des 1466 erworbenen PlalTeien, früher unter 
die 24 Landpfarreien der Bepublik Freibnrg aufgeteilt. 

SENSE (KALTE und WARME) < Kt. Bern und Frei- 
burg i. <„>uellbäche der Sense. S. diesen Art. 

SENSEBRÜCKE (Kt. Freiburg, Bez. ' 
Wünnenwil). 529 m. Gruppe von 6 " 




pen und Schwar/enburg. 1900 lebten im Sensebezirk 3000 

Mehrzahl als Pächter nie- 
durchziehen ein Netz von 



Berner. von denen die jtrosse I 



Ksntnti» Freiburg. 



L'fer der Sense und bei einer Brücke über den Kluis, 4 
km n«. Wünnenwil und gegenüber der T 
der Sensethalbahn Flarnatt-La 



SEN 



SKX 



501 



Mehrzahl reform. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde 
Wünnenwil. Acker- und Wiesenbau, Viehzucht. St. 
Bealuskapclle. Massives altes Steinhaus. 
Im Jahr 1467 kamen die Regierungen von 
Kern und Freiburg überein, dass die Milte 
des Sensebettes bis zur Grasburg als Grenze 
dienen solle und Freiburg als Entschä- 
digung Tür den Verlust des Zolles zu 
Gummenen eine Brücke über die Sense 
bauen dürfe, die den Umweg über l.aupen 
ersetzen sollte. 1517 erstellte man hier eine 
Gastwirtschaft, deren Inhaberdas alleinige 
Hecht tum liebersetzen von Personen und 
Waten über den Fluss hatte. 1667 wurden 
die Geistlichen und vornehmen weltlichen 
Herren von der Entrichtung des Brük- 
kenzolles befreit. 1673 entstand ein be- 
sonderes Reglement betr. das Brückengeld. 
.Spater erhielt der Inhaber des Zolles den 
Titel eines Landvogtes, als welcher er 
von der Brücke an bis hinter die Ka- 
pelle und bis zum Uebergang über den 
fafersbach die Gerichtshoheit innehalt«. 
Seit 1798 ist von diesem Vogt nicht mehr 
die Bede. Kampf bei Neuenegg (1798). 
Die die Sense mit mehreren Bogen über- 
spannende steinerne Brücke, die von 
der Freiburger Regierung 1344 erstellt 
worden war, wurde 1891 durch eine 68,8 m 
lange und 5 m breite Eisenkonstruktion 
ersetzt. Die Kosten von 40000 Fr. trogen 
der Kanton Bern zu */,. der Kanton Frei- 
burg zu 1 , und die Gemeinde Neuenegg zum Best. 

SENSENMATT (KL Freiburg. Bez. Sense. Gem. 
Zumholz). 847 m. Gruppe von 8 Häusern, am O.-Ilang 
einer Anhöhe über dem linken Lfer der Sense: 2,5km 
nö. l'latTeien und 14 km so. vom Bahnhof Freiburg. 40 
kathol. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Hafteten. 
Wiesenbau und Viehzucht. 

—SENSENSCHLUND (KALT und WARM) oder 
»■■SCHLUND ihr Freiburg, Bez. Sense, Gem. 
PlalTeien). II 20-885 rn. So heissen die von der Kalten, 
Warmen und Muscheren Sense durchzogenen Schluchten, 
die meist zwischen steilwandigen Felsen eingeengt sind 
und nur an wenigen Stellen sich zu einem kleinen Alp- 
weidenthälchen etwas weilen. Seit rund 50 Jahren werden 
diese dunkeln Wald&chluchlen von Fusswegen und selbst 
von Fahrstrassen durchzogen. Sie sind nur wenig dicht 
besiedelt und zählen zusammen mit der an ihrer Aus- 
mündung niedergelassenen Bevölkerung in 57 Häusern 
359 kathol. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde l'lalleien. 
Von einzelnen Häusergruppen sind zu nennen Zollhaus, 
Gutmannshaus, Hapferen, Riedli, Klostern etc. Viehzucht. 
Waldwirtschaft und Holzhandel, Stroh flechterei. 

SENSINE (Kt. Wallis, Bez. und Gem. Contheyt. 
670 m. Gemeindeableilung am rechten Ufer der Morge. 
1 km n. Plan Conthey und am Weg nach Daillon und 
über den Sanetschpass. Zusammen mit Vin: 52 Häuser, 
394 kathol. Ew. Kirchgemeinde Conthey. Fruchtbares 
Gehänge mit schönen Rebbergen. Viehzucht. Mühle in 
Vin. Kapelle. 1050: Sisinna ; 1227. Sinsina. 1238: 
Synsyna. 

sensuis (Kt. Freiburg, Bez. Drove, Gem. IY.ua- 
toud). 680 m. Gemeindeabteilung und Gruppe von 4 
Häusern ; J.."> km sw. Surpierre und 7 km sw. der Station 
Granges-Maruand der Linie Lausanne-Payerne-Lyss. 23 
kathol. und reform. Ew. franzosischer Zunge. Ackerbau 
und Viehzucht. 

8ENT (Kt. Graubünden, Bez. Inn, Kreis Unter- 
tasna). 1433 m. Gem. und Pfarrdorf auf einer Terrasse 
am linksseitigen Gehänge des Unter Engadin , 3 km 
nö. Schuls und 55,4 km nö. der Station ßevers der 
Albulabahn. Poslbureau, Telegraph, Telephon: Post- 
wagen Sent- Schuls. Gemeinde, mit Crusch und Sur 
En : 240 Häuser, 966 reform. Ew. romanischer Zunge : 
Dorf: 232 Häuser, 934 Ew. Wiesenbau und Viehzucht. 
Der Ackerbau geht zurück. Schone landschaftliche Lage. 
Zahlreiche Junger von Sent leben als Handelsleute, 
Zuckerbäcker. Gastwirte, Kolonialwarenhändler etc. im 
Ausland und \ erbringen einen Teil des Jahres in ihrem 



heimatlichen Dorf. Höheroben quillt im Val Sinestra ein 
arsenikhaltiges Mineralwasser. 930 und 1161: Sindes : 




Soul von Su<iwa»U<n. 

1178: Sinde. Der deutsche Name Sins für Gemeinde und 
Dorf Sent wird amtlich nicht verwendet, um jede Ver- 
wechslung mit Sins im Aargau auszuschliessen. 

SENTENHOF (XL Aargau, Bez. Muri. Gem. Boswil). 
540 m. Gruppe von zwei Häusern, am O.-Hang des Linden- 
berges n tili 2 km nw. der Station Muri der Linie Aarau- 
Lenzburg- Botkreuz. 27 kathol. Ew. Kirchgemeinde Bos- 
wil. Viehzucht und Milchwirtschaft, Käserei. Schone 
Wiesen. Ehemals Eigentum des Klosters Muri. 

8ENTERI (PIZ) [Kt, Graubünden. Bez. Vorderrhein). 
2952 m. Gipfel in der Medelsergruppe des Gotthard- 
massives; zwischen Val Lavaz und dem Thälchen der 
Alp Valesa, Seitenzweigen des Somvixerthales. einerseits 
und dem Thal der Alp Platlas. das sich zum Medelser- 
thal öffnet, andrerseits. Der Piz Senteri auch Piz Lava/ 
eheissen) ist im ü. und SW. vom Piz Stavelatsch und 
iz Gascheglia flankiert, während sich die vom Piz Medel 
herstrebende Bergkette nach N. über den Piz Cazirauns 
(auch Piz Valesa genannt) zum Piz Muraun fortsetzt. 
1.6 km s. vom Piz Senteri ötTnet sich die Fuorcla da 
Lavaz (2509 m). die das Val Somvix mit dem Medelserthal 
verbindet. Zwischen Piz Senteri und PizCazirauns liegtder 
Valesagletscher, nördl. von welchem sich eine lange und 
mächtige Moräne hinzieht. Nw. \om Piz Senteri di Fuorcla 
de Valesa. Der nicht häufig genannte Berg kann von ver- 
schiedenen Seiten her erstiegen werden und bietet einen 
grossartigen Blick auf den stark vergletscherten Piz Medel. 
die Berneraipen, den Dammastock etc. Gesteine sind 
llornblendeschiefer inder Höhe, darunter auf allen Seilen 
Gnciss. 

SENTIER (LE) (Kt. Waadt. Bez. La Vallee. Gem. Le 
Chenith 1U22 m. Gemeindeableilung und Pfarrdorf: 
Hauptorl des Bezirkes und der Gemeinde, deren ber 
trachtlichste Siedelungsgruppe er darstellt. Liegt I km 
bw. vom Lac de Joux am W.-Rand der den Thalboden 
bildenden Ebene und nahezu im Mittelpunkt des Be- 
zirkes. An der Strasse Lea Rousses-l.e Rrassus-I.e Lieu- 
Le Pont: zwei Verbindungswege zur Strasse Le Brassus- 
Ostufer des Lac de Joux-Le Pont. 32 km wnw. Lausanne 
und 16 km sw. Vallorbe. Stationen Le Sentier und La 
Goliase der Linie Le Pont-Le Brassus. Poslbureau, Tele- 
graph, Telephon : Postwagen nach L'Ahbave und Le Pont. 
IJampfschillstatiun. Zusammen mit den Weilern Ghez le 
Maitre. Chez les Meylan, Chez Villard, L'Orient. Le Solliat 
etc. : 312 Häuser, 2191 reform. Ew. ; Dorf allein : 58Häuser, 
494 Ew. Eigene Kirchgemeinde. Industrie- und Uhren- 
macherschule. Land- und Waldwirtschaft. Die Mehrzahl 
der Bewohner beschäftigt sich mit Uhrenmucherei. Fa- 



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50-2 



SEIN 



SEP 



briken f Cur Uhrenbeatandteile. Messerschmiede. Frem- 
denverkehr und Hotelindustrie. Station für Wintersport 




I.* Sentirr von SQdso. 

mit nebelfreiem und sonnigem Winterklima. Das Dorf 
ist noch verhältnismässig jung. Iiis 1544 standen hier 
am Hände eines Sumpfes bloss einige Hütten, worauf 
sich von I.e l.ieu herkommende Leute an dieser Stelle 
niederließen und den Kodon urbar machten. Zu Heginn 
des 17. Jahrhundert» erbaute man eine erste Kirche 
oder Kapelle. Als sich 16i6 ein grosser Teil der Gemeinde 
Le Lieu von dieser loslöste und zur selbständigen Ge- 
meinde Le Chenit konstituierte, wurde I.e Sentier deren 
Hauptort. Seither nahm der Ort einen nicht unbeträcht- 
lichen Aufschwung. H588-I7(>4 wurde I.e Sentier zur 
eigenen Pfarrei mit Pfarrhaus und Schule. I725 entstand 
an Stelle der alten Kapelle eine nene Kirche, an deren 
Bau sich die Bewohner des Dorfes mit freiwilligen Frohn- 
den beteiligten. Nach dem Brand von IHSW wurde die 
Kirche neu erstellt und bildet jetzt mit ihrem eleganten 
und schlanken Glockenturm eines der schönsten Gottes- 
häuser des Kantons. Vergl. Heymond. I.. La VaUer iU> 
Jons. Lausanne 1887. 

8ENTIER8 {LISI (Kl. Neuenburg. Bez. und Gem. 
La Chaux de Fonds). 1016-1063 m. 16 Hofe, im S. des 
Thaies von La Chaux de Fonds zerstreut gelegen und nahe 
den Stationen La Bonne Fontaine unu Le Temple des 
Eplatures der Linie La Chaux de Fonds-Le Ix>cle. 111 re- 
form. Kw. Kirchgemeinde Les Eplatures. Viehzucht. 
Uhrenindustrie. In diesem Quartier befindet sich das neue 
Schlachthaus von La Chaux de Fonds, eine Musteranstalt, 
die allen Anforderungen der modernen Hygiene Beeh- 
nung trägt und deren Bau rund 1200000 Fr. 
gekostet hat. 

SENTiS (Kt St. Gallen und Appenzell). 
Gebirge und Gipfel. S. den Art. Santis. 

8ENTI8ALP (Kt. St. Gallen. Bez. Ober 
Toggenburg, Gem. Krummenau). Alpweide. 
S. den Art. Santisam*. 

8ENTI8HORM (Kt. Graublinden. Bez. 
Ober Landquarl). 2830 m. Gipfel in der 
Schwarzhornkette, die zwischen Flüela- und 
Dischmathal nach NW. streicht und mit dem 
Bühlenberg gegen Bavos Dorf abbricht. Steht 
zwischen dem Baslerkopf und dem Braunhorn; 
2.5 km s. vom Wirtshaus am Tschuggen im 
Fluelathal. von wo er auch bestiegen werden 
kann. 

SENTISTHUR oder SANTISTHUR 

(Kt. St. Gallon Bez. Ober Toggenburg i. Kiner 
der beiden Quellllüsse der Thür ; entspringt 
in der Nahe des Holsteinpasses in etwa 2030 m, 
fliesst über die drei Terrassen Flies. Thurwies 
und Aelpli nach SW., nimmt auf der letztern 
den Laui- oder Seebach aus dem Gräppelen- 
see auf, wendet sich dann im ganzen südwärts 
und vereinigt sich bei Unterwasser in 900 m. 
mit der Wiliihnustliur. Santis- und Wildhausthur werden 
auch etwa Kalte und Warme Thür genannt. Am Mittel- 
lauf der eine Sägemühle treibenden Säntisthur ist eine 



der wenigen Stellen im Säntisgebirge. wo sich noch die 
Kreuzotter findet. , Der Weg von Unterwasser auf den 
Säntis geht in seinem untern Teil 
dem Thal des Baches entlang und 
vereinigt sich bei Flies mit dem 
von Wildhaus herkommenden 
Weg. 

8ENTUM oder SENNTUM 

(Ausser und inner» (Kt. 
Wallis. Bez. Brig, Gem. Mund . 
1600-1700 m. Zwei Alpweiden mit 
Hütten, im Gredetschihal am rech- 
ten Ufer des Mundbaches und 3.5 
bezw. 5 km n. vom Dorfe Mund. 
Die Hütten von Aeusser Senntum 
gehören zum grossen Gredelsch- 
Senntum, das Eigentum der Bür- 
gerschaft von Mund ist, während 
Inner Senntum von der Alpkorpo- 
ration Gredetschlhal bostossen 
wird. 

8EON Kt Aargau, Bez. Lenz- 
burg). 448 m. Gem. und Pfarrdorf 
im Seethal. 5 km ssw. Lenzburg. 
Station der Seethalhahn i Wildegg-Kmmenbrucke). Post- 
bureau. Telegraph, Telephon. 271 Ilauser, 1873 reforin. Ew. 
Acker- und Obstbau. Viehzucht und Milchwirtschaft. Baum- 
wollweberei. Tabak- und Zigarrenindustrie. Konservenfa- 
brik. Strickwarenfabrik, liiesserei und mechanische Werk- 
stätte. Glashütte. Papierfabrik, Säge und Mühlen. Ziegelei 
und Korbwarenfabrik. Hier lebte bei seinem Freund, dem 
aargauischen Oberrichter und Dichter Dnssekel, eine Zeit- 
lang i I860i der deutsche Dichter Josef Viktor von Scheffel. 
Im 9. Jahrhundert: Sewa, d. h. •am See*. Römische 
Mauern, Ziegel und Münzen am Lmmert und Laubsberg. 
Bei der Anlage eines Rebberges hat man Alemannengräber 
mit Tongefassen, Schmucksachen, Schwertern und durcli- 
lochlen römischen Münzen aufgedeckt. Die Gegend von 
Seon zeichnet sich durch die gut erhaltenen und schönen 
Stirnmoränen des diluvialen Beussgletschers aus. 

SEONERBERQ i Kt. Aargau. Bez. Lenzburg l. 584 DB, 
Bewaldeter Molasserucken zwischen Seon und HcMcnthal. 
1 km w. Seon 

8EPEY, SAPEY, SA.PY SiPPEX SAPAYC. 

Ortsnamen der französischen Schweiz ; vom altfranzosi- 
schen $ap — Tanne und dem Kolleklivsuffix-<'v i lateinisch 
-<»/um herzuleiten. Bedeuten also so viel als Tannenwald. 
Tannengeholz oder • Tann ». 

8EPEY «Kt. Wandt. Bez. Oion.JGem. Vulliens). 650 m. 
Gruppe von zwei Häusern mit einem Schloss, am rechts- 
seitigen Gehänge über dem Carouge loder Ihn und an 
der Strasse Vulliens-Bressonnaz ; 1.5 km n. Vulliens und 




Seon von SftdsraaleD. 

2 km s. der Station Bressonnaz der Linien Lausanne 
Payerne-Lyssund Lausanne-Mezieres-Moudon. 20 re orm 
Ew. Kirchgemeinde Svens. Landwirtschaft. Gehörte zu- 



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SIT 



SEI» 



509 



nächst zur Herrschaft Vulliens, wurde 1531 zu gunsten 
des Herzoes Karl von Savoyen davon abgetrennt, aber 
schon 1536 wieder damit vereinigt. 1611 und 
1629 geborte das neuerdings von Vulliens ge- 
trennte S^pey dem Jean de Villarzel, Herrn 
von Delley, worauf es ltit>2 durch Heirat an 
Jacques Etienne Clavel. Mitherrn von Hopraz 
und Drenles. kam und 1759 von den Brüdern 
BarlluHemy David und Paul Isaac Burnand aus 
Moudon angekauft wurde. Heute sind Schloss 
und Gut Scpey gemeinsamer Besitz der Fami- 
lien Burnand und de Cerenville. Vergl. Bache, 
M. La COHtrtt d'OtVH. Lausanne 1895. 

8EPEY (Kt. Wallis, Bez. Herens. Gem. 
Evolenat. 1700 m. Maiensass mit etwa 20 Hüt- 
ten und Ställen, im Val de Ferpecle rechts 
der Borgne und 2 km so. vom Dorf Les 
llauderes. 

SEPEY Kt. Wallis. Bez. Monthey, Gem. 
Troistorrents). 1300-ltVX) m. Grashang und 
Alpweide s. über dem Thalkessel von Morgins, 
zwischen dem linken l'fer der Tino und dem 
Wald der Montana de» 'Wies. Her unter- Ab- 
schnitt trägt Hütten, die noch zum Ilmkreis 
von Morgins gehören, während der mittlere 
und obere Teil eine der Bürgergemeinde Trois- 
torrents gehörende Alpweide bildet, die vom 15. 
Juni bis 15. September mit 135 Stück Rind* 
rieh und einigen Pferden bezogen wird. 

s£pey ibois DE) (Kt Waadt, Bez. 
Cossonayi. 590-620 m. Etwa 100 ha umfassender Wald 
auf dem* Bücken zwischen La Chaux, Dizy und Cossonay. 
Stellenweise sumpfig. Wird im S. -Abschnitt von der 
Strasse Cosaonay-L'lsle durchzogen. 

SEPEY (BOIS DU) > Kt. Waadt. Bez. Aubonne). 710- 
730 m Nonlwestl. Abschnitt de9 grossen Waldkomplexes 
zwischen den Dörfern Biere. Ballens, Apples und Yens. 
Liegt s. vom Dorfe Ballens und grenzt, im <>. an das Bois 
des Taille«, sowie im S. an das Bois d'Etoy. Wird von der 
Bahnlinie und der Strasse Morges- Apples -Biere durch- 
zogen. I' infant 60- HO ha. 

SEPEY ILE) (Kt. Waadt. Bez. Aigle, (iem. Ormont 
Dessous). 1*79 m. Gemeindeabteilung und Dorf im Mittel- 
punkt des Ormonlsthalcs. Hauptort der Gemeinde. Am 
linken l'fer des Buisseau du Sepey und 11 km no. Aigle. 
An der von Aigle herauffuhrenden Strasse, die sich hier 
nach Ormont Dessus und nach Chäteau d'Güx einerseits, 
sowie nach Leysin andrerseits verzweigt. Bildet eine der 
vier «Seytes» (s. diesen Art.j genannten Verwaltungs- 
abteilungen der Gemeinde Ormont Dessous. Postbureau, 



form. Ew.: Dorf: 54 Häuser, 282 Ew. Kirchgemeinde Or- 
mont Dessous. Viehzucht und Waldwirtschaft. Jahrmarkt. 





Schloss SaptJN 

Telegraph. Telephon ; Postwagen nach Aigle, La l.eche- 
rettaz, Les Di.iblerets und Leysin. Zusammen mit La 
Comballaz, La Com ha z und Matteion: 128 Hauser, 562 re- 



La Sepoy (im OrmonUtbal) mit dem Moni d'Or. 

Beliebte Sommerfrische mil]3 Gasthöfen. Im Sommer 
starker Durchgangsverkehr zwischen Aigle und Ormont 
Dessus il.es Diableretsi oder La Comballaz. Das Dorf ist 
im Mai IDÜO infolge Brandstiftung zum Teil eingeäschert 
worden. Am Strassenrand stehen machtige Felswände aus 
Bauhwacke an. Der das Dorf Lc S<5pey beherrschende 
Gipfel des Moni d'Or gibt diesem Abschnitt des Ormonts 
ein eigenartiges tiepräge. 1231 : Sapey; 1315: Sappey; im 
15. Jahrhundert: Seppetum. 

SEPEY (PLAN) Kt Waadt, Bez. Aigle. Gem. Gryon). 
Gipfel. S. den Art. Plan SftPEY. 

SEPEY (RUISSEAU DU) (Kt. Waadt. Bez. Aigle). 
1620-830 m. Berhtsseitiger /.ufluss der Grande Eau ; ent- 
springt am Col de la Pierre du Mouelle. durchtliesst ilas 
Thalchen von La Pierre, bespuhlt das Dorf Le Sepev und 
mündet nach 4 km langem Lauf. Das Einzugsgebiet dieses 
Wildbaches umfasst 12.8 km-, wovon 20.7 % auf Fels und 
Schutt, 27.7 0 „ auf Wald und der Best auf angebauten 
Boden entfallen. 

8EPPEY oder SEPEY IMONT) (Kt. Wallis, Bez. 
Harens i. 2376 m. Nonlwestl. Vorgipfel der Pointe de Man- 
dalon (2564 m). Kann von l'seigne am Weg von Sitten 
nach Evolena in 4 Stunden erstiegen werden, bietet aber 
kein besonderes Interesse. Gehänge im untern Abschnitt 
bewaldet, im obern Teil mit Alpweuien und Schutt be- 
deckt. 

SEPRAI8 (Kt. Bern, Amtshez. Delsberg, Gem. Boe- 
court). 610 m. Dorf, im nw. Abschnitt des Thaies der 
Sorne und am S.-llang der Kette der Bangiers; 4.2 km 
nnö. der Station Glovelier der Linie Delsberg-Delle und 
an der Strasse Boecourt-Montavon. Postablage. Telephon. 
30 Häuser. 142 kathol. Ew. Kirchgemeinde Boecourt. 
Ackerbau und Viehzucht. In der Umgebung liegen be- 
deutende Eisenerzlager, die vor der Einfuhr des billigeren 
ausländischen Eisens die Hochofen von l'ndervelier und 
Oelsberg Spiesen. Das vortreffliche Erz wurde in der heute 
noch Les 1-avoirs genannten Fabrik 1 km so. Seprais ge- 
waschen. Seprai« ist die Heimat des 1374 gestorbenen 
Abtes Johannes II. von Bellelay, welches Kloster hier 
grossen Landbesitz hatte. 1634 starb das Dorf infolge der 
furchtbar wütenden Pest nahezu aus. 1260: Cespraiz; 1264: 
Pratum; 1280: Pratis; 1329: Cesprays. Der Name be- 
deutet so viel als « ces pres ». d. h. • bei den Wiesen ». 

8EPTIMERPAS8, italienisch Passii DI SETT (Kt 
Graubünden, Bez. Albula und Maloja). 2311 m. Pass- 
ühergang in der das Ober Engadin linksseitig abschliessen- 
den Kette, zwischen dem Pizzo Maedero (2998 m) im W. 
und dem Pizzo del Sasso (2719 m) im O. ; 4 km nw. Ca- 
saccia. Verbindet Bivio (oder Stall«) im Oberhalbstein in 
4-4 '.j Stunden mit Casaccia im Bergeil. Der Weg zweigt 



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504 SEP 

in SUlla von der Julieratrasse ab und fuhrt in s. Richtung 
durch das mit schönem Wiesenboden geschmückte und 




Septimt>r(i«»a. 



zahlreiche zerstreute (lütten zeigende Val Cavreccia, so- 
wie die Kluft Kopps, in der der Bach sich über Serpen- 
tinfelsen herabstürzt, hinauf zur breiten, z. T. tortigen 
Hochfläche l'ian Canfer und zur Passhohe t2' t Stunden), 
auf der das 1120 von Bischof Wido von Chur gestiftete 
und heute zerfallene Hospiz San Pietro in Sellimo steht. 
Von hier geht es längs der Acqua del Settimo steil hinab 
zur Alf» Marozzo Fuori (im Val Marozzoi und nach Ca- 
saccia im Hergell. Von der Passhohe hat man einen 
prachtvollen Ausblick auf den Pizzo della Margna. Monte 
dell'Oro etc. Grosaartig ist die steile S.-Seite des Passes; 
der rauhe Weg führt hierdurch eine wilde Schlucht hinab, 
in welcher der reissende Bergbach einen schonen Wasser- 
fall bildet, um dann der aus dem Val Marozzo und von den 
Gletschern am Pizzo della Duana kommenden Maira ent- 
gegenzueilen. Von der Passhöhe des Septimer aus leitet 
der I.unglunopass in 2' •', Stunden ostwärts nach Maloja 
und die Forcellina in 2' s -3 Stunden westwärts nach Juf 
im Avers. Der Septimer ist ein uralter Saumweg. dessen 
Beste und Züge, sow ie mit grossen Bollsteinen und Ouadera 
gepflastertes Bett sich teilweise (so z. B. oberhalb Casuccia, 
auf der Passhohe, gegen den Julicr. bei Stalla und auf 
den Alpweiden von hex im Oberhalbstein) heute noch 
nachweisen lassen. Im heutigen verfallenen Zustand ist 
es ein Weg, der sich rauher und schlimmer zeigt als 
mancher natürliche Bergpfad. Der Septimer stellt eine 
der ältesten Alpenstrassen dar, die, trotz einer gegen- 



SEP 

teiligen Theorie, schon zur Bomerzeit bestand und im 
Mittelalter von grösster Wichtigkeit war. während z. B. 
der Weg über den Gotthardpass erst 1236 in die Geschichte 
tritt. Im 11. Jahrhundert wird eine Septimerroule er- 
wähnt, die über im/ nach Stabulum Bivium (Bivio oder 
Stalla). von da wahrscheinlich über den Julier nach Sta- 
bulum Silles i Sils im Kngadinl und dann über den Maloja 
nach Clavenna (Chiavennai führte. Kr war dies ein Sep- 
timer im weitern Sinne, während man den Namen und 
Begriff « Septimer » erst später auf den heute noch so ge- 
heissenen Pass einschränkte. Nach der Lage zum be- 
rühmten Septimer unterschied man früher zwischen Sur 
Sett ;Ob dem Seit. d. h. dem Oberhalbstein I und Sul Sett 
, Nid dem Sett. d. h. dem Bergeil >. Die Septimerroule ver- 
mittelte im Mittelalter wahrend langer Zeit den ilaupt- 
verkehr zwischen Deutschland und Italien und wurde 
' von ganzen Kriegsheeren begangen. Der aus der Bomer- 
zeit stammende alte Weg nach Claven i Chiavennai. eine 
Militär* trasse des 4. und 5. Jahrhunderts, war nach und 
nach in einen so schlechten Zustand gekommen, dass man 
! den Versuch machte, ihn durch einen der andern Pässe 
j zu ersetzen. Um der Konkurrenz mit solchen andern 
Alpenstrassen Gotthard, Lukmanier, opäter auch Splügen) 
zu begegnen, schlössen die Bischöfe von Chur besondere 
j Transitverträge, so z. B. 1278 mit Luzern und 121)1 mit 
Zürich. Im Jahr 135B erwirkte Bischof Peter von Chur, 
der Kanzler Karls IV., von diesem den Transitverkehr 
für ganz Bünden über den Septimer. Doch blieben die 
Klagen über den Passweg bestehen, den die Mailänder 
inzwischen fa*t ganz verlassen und durch den Bernhardin 
zu ersetzen versucht hatten. Da erhielt Jakob von Castel- 
| mur, Notar des Thaies Bergeil. Fidelis netster des Bischöfe« 
von Chur und 1383 Podesta des Thaies, im Jahr 1387 von 
Bischof Johannes II. den Auftrag, eine fahrbare Strasse 
von Tinzen (Biviol bis Casaccia i'oder Plurs) zu bauen. 
Dies war die erste fahrbare Strasse in den Alpen. Von 
ihr (und nicht etwa aus der römischen Zeit) stammen 
auch die bereits erwähnten alten Strassenstücke und 
Pflaster her. Der Verkehr auf dieser Septimerroute be- 
hauptete sich bis in die neuere Zeit. Porten, d. h. Ge- 
nossenschaften von Gemeinden für die Beförderung der 
, Waren über den Septimer waren 1467 Lenz, Tinzen, 
Stalla. Vicoaoprano und Chiavenna. sowie noch 1H07 Lenz, 
I Stalla, Casaccia und Chiavenna. 1838 begann dann der 
i Bau der sog. Obern Strasse, die den Septimer aufgab und 
| den Julier als Hergubergang wählte. Natürlich hatte die 
durch das Oberhalbslein führende römische Militarstrasse 
I den Septimer im weitern Sinne benutzt, weshalb auch 
I auf dem eigentlichen Septimer bis jetzt noch keine römi- 
' sehen Funde gemacht worden sind. 895 : jugutn Septi- 
inum; 1120: Septc; 1236: MuntSete; 1387: Setma ; 14(18 
, Septmar. Vergl. Schulte. Aloys. Geschichte des mittel- 
alterlichen Handel* und Verkehrs zwischen Westdeutsch- 
land und Italien. Leipzig 1900. — Berger. Ihe Sentimer- 
strasse (im Jahrbuch für Schweizer Geschichte. X\ , IHUO). 

Beinhard. B. I'iisse uml Strassen in den Schweizer 
Alpen. Luzern 1003. 
i Der Septimerpass bildet die Wasseracheide zwischen 
| Rhein, Po und Donau. An Naturschönheiten übertrifft er 
den Julier unbedingt. Gesteine der Gegend sind graue 
Bündnerschiefer (wohl Liasschieferi. Grünschiefer und 
mit beiden in starker Verbreitung auftretende Serpentin- 
stocke und -züge. Auf der N.- wie auf der S.-Seite de« 
Passes erscheinen den Kalklon- und Tonschiefern noch 
Triaskalke eingelagert. Bei den Trümmern des alten Ho- 
spizes steht mit dem Serpentin auch Gabbro an. gleich 
wie unten bei Marmel« im Oberhalbstein. Reiche Gebirga- 
flora. Vergl. auch den Art. Ol i rhai.hstkjn. 

seranastga (PIZ) (Kl. Graubünden. Bez. 
Glenner). 2876 m. Gipfel in der Kette Piz Terri-Piz Aul dea 
Adulamassives, 2 km nö. vom vergletscherten Piz Aul und 
3 km nw. über Vals Platz. Gegen N. setzt sich die Kette 
zum Piz Regina fort, während in der Bichtungdes Piz Aul- 
Walles zerrissene Gräte gegen NO. bis Brand IS»74 m i 
hinabreichen. Südl. vom Gipfel leitet die nahe Sattelte 
Lücke i2768 in) und n. von ihm in nicht wesentlich 
grosserer Entfernung ein niedrigerer zweiler Pass (2626 m) 
von Vals her nach der Alp Seranaslga und durch Val 
Seranastga nach Surrhein im Vrinthal hinüber. Der Pix 
I Seranastga wird über Brand in 4»/ f Stunden bestiegen. 



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SER 



SKH 



505 




S«renbachfalla am W«lnn«i-o 



Geber die beschwerliche Sattelte Lücke wird auch der 
Pix Aul gewonnen. Gesteine sind Grünschiefer, sowie 
Kraue, schwarze und Klimmerreiche Bündnerschiefer, die 

auch in kalki- 
gen und mar- 

morisierten 
Lagen auftre- 
ten und aufder 
Seite von Vrin 
nach NW. 
einfallen. 

SIRAN* 
ST G A (VAL) 

(Kt. Graubün- 
den. Itez. Glen- 
ner). '2770-1260 
m. 4 km lange 
rechtsseitige 
Verzweigung 
des Vrinthales: 
entspringt 
unter dem Piz 
Aul und PizSe- 
ranastga, senkt 
sich nach NW. 
und mündet 
0,6 km hinter 
Siirrlicin und 
zwischen die- 
ser Ortschaft 
und Vrin zum 
llauptthal aus. 
Üben im Val 
Seranastga 
liegt einige 
hundert Meter 
unter dem 
Gletscher des 

Piz Aul die Schafalp Seranastga (2Uf>4 m). deren land- 
schaftlich grossartiger Felsenkessel im Hintergrund einen 
winzigen Gletschersee trägt. Das Thälchen wird im SW. 
von der Kelle Piz Aul-Piz de Huinas Neras-Piz Miezdi 
und im NO. von der Kette Piz Seranastga- Piz Regina 
begleitet, von denen beiderseits wilde Kelsentobel und 
Dunsen zum Hach herabreichen. Thalgefälle im ganzen 
etwa Hl ", 0 . Das Thal trägt im Vonlergrund bis zur Mitte 
hinauf Waldbekleidung. 

SERBACHE (Kt. Preibiirg. liez. Gretas). Gem. 
La Koche). So heisst eines der Quartiere des Dorfes La 
Roche. S. diesen Art. 

serbache (la) Kt Kreiburg, Bes. Grctort). Unge- 
stümer Wildbach : entspringtamGrosC.ouaimherti 1532m), 
wendet sich gegen NW., durchfliegt den grossen Käsen- 
hergwald (Foret du Cousimbcrt) und nachher den düstern 
und malerischen llellgraben, um bei Malagotta i799m) 
das Thalchen von La Roche zu erreichen. Nachdem sie 
hier durch die Herginasse der Gombert nach SW. abge- 
lenkt worden, durchfliegt die Serbache das ganze Dorf 
I -a Roche und mundet dann 200 m oberhalb der Brücke 
von Thusy mit zwei Armen von rechts in die Saane. 7,3 
km lang ; mittleres Gefälle 12°/„. Gefälle bei Malagotta 24°/ 0 . 
Krhalt rechtsseitig vom Cousimbert ( Käsenberg I her den 
Schlatt- und Rrändlibach, Ruisseau des Roche», Ruisseau 
du Bey und Stutzbach, sowie von der Berra her den Ruz ; 
die linksseitigen Nebenadern, von denen einzig der Ruis- 
seau du Fallemhert zu erwähnen ist, sind unbedeutend 
und kommen sämtlich von der Gombert her. Die mehrere 
Mühlen treibende und an ausgezeichneten Forellen reiche 
Serbache hat früher nach heftigen Regengüssen und zur 
Zeit der Schneeschmelze oft grosse Verheerungen ange- 
richtet, ist aber in den letztvergangenen Jahren verbaut 
und kanalisiert worden. Der Ausdruck Serbache oder Sar- 
bache bezeichnet die Schwarzpappel {Populux nigra). 

8EREIN (LAI) (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein). 
Ju7n m. 100 m langer und 70 m hreiter kleiner See, im 
(Juellke&sel de» Val d'Acletta über Disentis und unter dem 
Piz d'Acletta i Uberalpstock) in Alpweiden auf Gneia ge- 
legen. 

SERIN (Kt. St. Gallen. Ite/. Gasler, Gem. Amden). 
501 m. Häusergruppe am rechten Ufer des Walensees. 



an der Mündung des in schonen Fällen über die Felswand 
herabstürzenden Serenbaches und am S.-Fuss des Kapf 
idyllisch gelegen. 8 km ö. der Station Weesen der Linien 
Zürich-Chur. Zusammen mit Betlis: 10 Hauser. 48 kathol. 
Kw. Kirchgemeinde Amden. Viehzucht. Fischerei. Bis 
Betlis führt dem Seeufer entlang ein schönes, mehrfach 
in den Fels eingesprengtes Strässchen, das im Sommer 
von den Weesener Kurgästen viel begangen wird. 

BERENBACH (Kt. St Galleo, Bez. Gaster). Unter- 
lauf des Beerenbaches mit schönen und sehenswerten 
Wasserfällen. S. den Art. B Berenbach 

8IRENILLO (VAL) i Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 
1920-620 m. Thalchen im Tessiner Gneismassiv, n w. vom 
Pizzo Pegro (2429 m), der Cima di Broglia (2458 m) und 
des Sasso Hello (2290m). Vereinigt sich bei Pianello no. 
Bi^nasco in etwa *50 m Hohe mit dem Val Lavizzara. 
dem obersten Abschnitt des Maggiathales. Trägt einige 
Alpweiden mit kleinen Hüttengruppen, von denen Sere- 
nello die bedeutendste ist. 

SERENQIA (PIZ) r Kt. Graubiinden, Bez. Vorder- 
rhein i. 2988 m. Gipfel in der das Val Cornera vom Val 
Nalps trennenden Kette Piz Blas-Piz del Uliern-Piz del 
Maler im Gotthanlmas-siv. Flankiert wird er im N. vom 
Piz Furcla und im S. vom Piz Git, die etwas niedriger 
sind, aber ebenfalls auf der (I. -Seite kleine Gletscherfclder 
tragen. Kann von der Alphülte ITiern (21101 ml im Hinter- 
grund des Val Nalps in etwa 3 Stunden erstiegen werden. 
Der Gipfel, sowip dessen dunkle und zerrissene Kämme 
bestehen aus Gneis, der hinten im Val Conen W.-o. 
streicht und Dich V einfallt. 

8ERENO (LAD |Kt. Grauhünden, Bez. Albuin). Ktw.i 
2530 m. Südlichster iler drei Alpenseen aufder prächtig 
grünen uml 

aussichtsrei- 
chen Terrasse 
Scalotta ; am 
O.-Hang d'-r 
Montagnas dil- 
Laiets. des 
langen Nt I.- 
Grates des Pjj 
Scalotta i3003 

m) in der 
Gruppe des Pil 
Platu (Ober 
halbsteim i 
kette der All>u - 
lagruppe). 

n rn SW. Iii 

Marmels. Die 

auf den Lai 
Sereno gegen 
NO- folgenden 

Lai Ner und 
Lai Rotonil 

liegen schon 

etwas tiefer. 
Der etwa 1(10 in 

lange uml 

über 50 tn 

breite Lai 
Sereno enthalt 
gleich den be- 
nachbarten Hecken keine Fische, wahrend der See am 
Grap Radond (23b™7 m) no. vom Stailerbergpaiu» die 
Ellritze ( I'hoxinu* taevtsi beherbergt. Kr liegt an der 
Grenze von Bündnerschiefern, die sich in einem weil 
vorgeschrittenen phyllitischen l'mbildungssUdium belin- 
den, Grunschiefern und Serpentin. Die Terrasse Scalotta 
mit ihren Seen kann am besten von Stalla aus erreicht 
werden. 

8EREUX (QRANDE und PETITE) (Kt. Wallis. 
Bez. Monthey). 2185 und 2218 m. Doppelgipfel im Berg- 
stock des Grämmont. nw. über dem Lac Tanay und so. 
über dem halb savoyischen. halb schweizerischen Thal 
von Novel. Die beiden Spitzen sind durch eine je 100 m 
tiefe und breite Scharte voneinander geschieden. Die 
Grande Sereux (2218 m l kann vom Lac Tanay her über 
die II utte von La Combaz in 3 Stunden ohne besondere 
Schwierigkeit erstiegen werden, wahrend die vom Lac 




Dio beulen Sort'ui vom lue Tnoev ber. 



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506 



SKR 



SER 



Tanay her über die Hütte von Les Grosses in SV) S 
erreichbare I'etite Sereux (2185 m) nur geübten kle 



, Stunden 
Kletterern 

zugänglich ist. Beide Gipfel bieten eine sehr schone Aua- 
sieht. Am W.-Ilang der Grande Sc rem be- 
findet sich nahe der Hütte von La Gombaz 
in 1915 m eine Art von Schlund oder Trich- 
ter, dessen Tiefe bis heute noch nicht 
bestimmt worden ist. In diesen Schlund 
hat man anlässlich einer um die Mitte des 
19. Jahrhunderts in dieser Gegend wüten- 
den Viehseuche zahlreiche Leichname ver- 
endeter Tiere geworfen. Die beiden Se- 
reux, die auch lies Jumelles oder Les Ha- 
ches Fendues genannt werden, sind vom 
Bhonelhal, besonders aus der Gegend von 
Aigle her sehr gut sichtbar und bilden 
zwei spitze Pyramiden au* oberm Jurakalk, 
die auf einer schiefrigen Unterlage ruhen. 

8EREY (BEC DE) (Kt. Wallis. Bez. 
Entremont). Gipfel. S. den Art. Bec de 
Serey. 

SCRQEY (Kt. Waadt. Bez. Orbe). RI5 
m. Gem. und kleines liorf auf dem sub- 
jiirassischen Plateau, nahe dem SO. -Fuss 
des Munt Suchet und dem Ursprung des 
Thaies des Mujnn. an der Strasse nach 
Montcherand und Orbe und unweit der 
Strasse L'Abergement- Valeyres sous Rances. 4.7 km nw. 
der Station Orbe der elektrischen Bahn Orbe-Chavornay 
und 2 km so. der Station Six Fontainea der Linie 
Yverdon-Sainle Groix. 27 Häuser, Il3refurm. Ew. Kirch- 
gemeinde Bances. Landwirtschaft. Ein Grabhügel in 
der Foret de Ghassagne. Komische Buinen w. und o. 
vom Dorr. In der s. vom Dorf gelegenen Moräne des Gr«H 
Belon hat man einen römischen Münzschatz aufgefunden. 
1275 : Ser^y- 

SERGNEMENT CERGNEMENT (Kt. Waadt. 

Dez. Aigle, Gem. Grvon 1291 m Auf einer gFOl — B Alp- 
weide zerstreut gelegene Hütten, am Weg Gryon-An- 
zeindaz und 3,8 km ö. Gryon. Eine der Hütten war früher 
Eigentum des Dichter* Jusle Olivier. Neokom mit 
Kephalopoden , unter einer Decke von Alluvium ver- 
borgen. 

8ERQNIAT (Kt. Waadt, Bez. Aigle, Gem. Ormont 
Dessous i. Weiler. S. den Art. CBMtNAT. 

SERGNIEL.AZ (RAVINES DE) (Kt. Waadt, Bez. 
Aigle. Gem. Gryon l. 1 160-1300 m. Tobel oder Runsen in 
einem z. T. bewaldeten Hang aus Gletscherschutt, auf 
der linken Seite des Thaies derGryonne. Werden von der 
Strasse Gryon-Villars und der ihr folgenden elektrischen 
Bahn Bex-Gryon-Villars. die hier über einen grossen 
Viadukt geht, (tekreuzt. 

■ ERQNICUX (LE) Kt. Wallis. He/, Martignv. Gem. 
Marligny - Combe). 861) m. Weiler in dem Thälchen 
zwischen dem Dorf La Groix und dem Co! de la Forclaz, 
an der Strasse Martigny-Chamonix und 2 km sw. La 
Groix. Liegt zwischen den Hausergruppen La Fontaine 
und Le Fay. 14 Häuser, 68 kalhol. Ew. Kirchgemeinde 
Martigny. Acker- und Weinbau. 

serin (Kt. Wallis. Bez. Gonthey. Gem. Ayent). 
1700-2000 m. Alpweide mit zahlreichen zerstreut gelegenen 
Hütten, am Fuss des Rawilhorns (oder Six des Eaux 
Froidesi und am Weg über den Rawilpass. 

SER INE (LA) Kt- Waadt, Bez. Aubonne. Rolle und 
Nyonj. Vom SO.-Hang des Juni herabkommender Harb, 
der einen der < iiiellarme der Promenthouse (s. diesen 
Art.l bildet. II Iii und 1259: Sorona. 

8ERIX (COLONIB DE) (Kt. Waadt, Rcz. Oron. 
Gern. Palezieux). 612 m. Gruppe von 4 Häusern; 1,2 km 
nö. der Station Palezieux der Linie Lausanne-Payerne- 
Lyss. 58 reform. Ew. Kirchgemeinde Palezieux. Hier 
befindet sich seit 1863 eine unter dem Patronat der ge- 
meinnützigen Gesellschaft der französischen Schweiz 
stehende private Krziehungs- und Korrektionsanstalt für 
verdorbene Knaben der welschen Kantone. Die etwa 50 
Insassen, welche meist Genfer und Waadtländer sind, 
werden mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt und 
zu Handwerkern ausgebildet. 

SERJ AUL.AZ (LA) (Kt. Waadt, Bez. Moudom. Bach. 
S. den Art. CniAULAS (La). 



8ERMUZ (Kt. Waa.lt, Bez. Yverdon. Gem. Gressy). 
498 m. Gruppe von 5 Häusern, in dem von der Nioccaz, 
einer Nebenader des Buron. entwässerten Thal zwischen 




Colonia de Sarix. 

den Dorfern Cressv und Pomv ; 1,2 km no. Gressy und 
3 km s. Yverdon. 25 reform. Ew. Kirchgemeinde Gressy. 
Landwirtschaft. Es befanden sich hier vor der Refor- 
mation eine St. Niklauskapelle und ein dem Kloster auf 
dem Moni Joux (Grossen St. Hernhard) gehörendes 
Hospitium. Einige Erdhaufen sollen Grabhügel sein. Fund 
einer Amphora und eines Mühlsteines aus der Homerzeit. 
1177 : Semmurs ; 1228 : Semurs ; 1317 : Sentmur : 1385 : 
Sermur; 1453: Cermuz. 

■ ERNBUS iKt. Graubünden. Bez. Ober Landquart, 
Kreis und Gem. Klosters). 993 m. Gemeindeabteilung und 
Pfarrdorf im Prätigau, auf einer Terrasse links über der 
Landquart und am N.-Fuss des Gasanna ; 1 km von der 
Station Serneus-Mezzaselva der Linie l.andquart-Davos 
entfernt. Postablage. Telephon. 47 Häuser, 183 reform. 
Ew. deutscher Zunge. Wiesenbau und Viehzucht. 

SERNEUS (BAD) (Kl. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart, Kreis und Gemeinde Klosters). 961 m. Schwefel- 
bad am linken, südl. Ufer der Landquart und am N.-Fuss 
des Gasanna; 1,3 km ö. der Station Serneus-Mezzaselva 
der Linie Ijindquart- Davos. Zwischen den dichtbewal- 
deten Abhängen von Gasanna und Landquart in reizen- 
dem Winkel versteckt und mit schonen Spazierwegen 
versehen. Im Winter geschlossen. Telephon. Die von Dr. 
Planta und Dr. Husemann ausgeführten Analysen der 
Mineralquelle von Serneus haben folgende Zusammen- 
setzung ergeben : 

Dr. Planta Dr. Hutemaoo 



trr gr 
0,430 0.411 
0,011 0.011 
0,077 0,086 

Spuren 
5.002 5.047 
0,0*4 0,013 
0,212 0,069 
0.706 0,811 
0,522 0.49« 
1.382 1.387 
0,012 0.004 
0,0» H 0.002 
0.000 0.001 
Spuren 
Spuren. 

Das sehr reichhaltig tliessende Wasser wird vornehmlich 
zu Bade-, aber auch zu Trinkkuren verwendet und 
namentlich bei Hautkrankheiten sehr geschätzt. Die schon 
seit Jahrhunderten bekannte und benutzte Quelle ist be- 
sonders in neuester Zeit stark in Ruf gekommen. Vergl. 
Planta, A. D<e Heilquelle zu Serneu*. Ghur 1873. — 
Killias, Ed, llntixchr Kurorte und Mineralquellen. Chur 
1883. - Fienl, G. Das l'rüttgau. Davos 1897. 
SER NF oder SER N FT i Kt. Glarus). 2100-516 m. 



Schwefelsäure 
Chlor 
Kieselsäure 
Phosphorsäure 
Kohlensäure 
Sc h we fei wa sse rs t o tl 
Kali 
Natron 
Magnesia 
Kalk 
Tonerde 
Eisenoxydul 
Manganoxydul 
Ammoniak. Lithium 
Strontian. Hanl 



SKR 



SKR 



507 



Hechlasei liger Nebenfiuss der Linth und deren grosster 
Zufluss im Gebiete der Glarneralpen. Kr durchzieht das 
Sernfthal zuerst in nö.. dann in n.. hierauf in nw. und 
zuletzt in w. Bichtung und beschreibt so einen grossen 
halbkreisförmigen Bogen um den O.-Fuss der Freiberg - 
kette herum. Sein Sammelgebiet wird im \V. von der 
Freiberg kette, im S. von der Hauaatock Vorab- und 
Sardonakette, sowie im <).. und N. von der Kette be- 
grenzt, die sich von der Sardona nordwärts bis zum 
Magereu und von letzterem westwärts bis zum Gufelstock 
erstreckt. Der Sernf entspringt einem kleinen Gletscher, 
der über dem obersten Stafel der Wichlenalp an die 
NO. -Wand des Hausstocks sich anlehnt, durchmesst 
dann unter dem Namen Wiehlenbach in ö. Hichtung die 
den Hinlergrund des Sernfthalcs bedeckende Wichlen- 
alp und wird hier durch mehrere Bäche verstärkt, de- 
ren wichtigste von der S. -Seite des Kärpfslocks herkom- 
men Auf dem untern Stafel der Wichlenalp, bei etwa 1200 
in. nimmt er auf der rechten Seite 
den vom i'anixerpass kommenden, 
aus dem malerischen Felsentor des 
Jatzschlund hervorbrechenden Jätz- 
bach auf und heisst von dieser Stelle 
an Sernf. Als wasserreicher Bach 
fliegst er nun in nö. Hichtung bis 
nach Kim in einer stellenweise 
ziemlich kräftig in den Thalboden 
eingeschnittenen Binne und erhält 
unterwegs viele kleinere Zuflüsse, 
die teils von der N. Abdachung 
des Vorab , teils aus dem Kärpfge- 
biete kommen. I'nter den letztern 
sind der Bischotbach und der Stei- 
nibach die wichtigsten, /.wischen 
Kim und Engi durchfliegst der Sernf 
nun den mittleren Abschnitt de* 
Sernfthales, zuerst in rein n. und 
dann in nw. Hichtung. Auf dieser 
Strecke nimmt er von inks her aus 
der Freibergkette nur kleinere Bäche 
auf, darunter die Kühbodenruns, 
die Benzigenruns . den Berglibach 
und die Kngiruns ; von rechts her 
eilen ihm dagegen mehrere wasser- 
reiche Bache zu. nämlich der Ba- 
minbach mit dem Tschingelbach. 
der Krauchbach und der Mtililebach. 
Nachdem er in ruhigem Laufe die 
Wiesenllächen des mittleren Sernf- 
thales durchflössen hat. tritt er n. 
Engi mit verstärktem Gefalle in den 
untersten Thalabschnitt ein. Schäu- 
mend und brausend durcheilt er 
das schluchtarlig verengte, von be- 
waldeten Steilhängen eingefasste 
Thal und empfangt von rechts noch 
einige Bäche, deren wichtigster der 
von der Fessisalp herkommende und 
kurz vor der Einmündung noch einen 

Erachtigen Wasserfall bildende llell- 
ach ist. Der Sernf biegt im untern 
Teil dieses Thalabschnittes zu rein 
w. Richtung um, nimmt beim Ein- 
tritt ins Linlhthal noch 'seinen be- 
deutendsten Zufluss, den von links 
her aus der Freiberggruppe kom- 
menden Niederenbach auf und verei- 
nigt sich unmittelbar nachher, am 
N - 1 iulf des Dorfes Schwanden, in 
516 m mit der Linth, der er an Was- 
sermenge fast ebenbürtig ist. Seine 
Gesamtlange von der Einmündung 
desJätzbachesan misst 18,2 km ;sein 
Gefalle betraft von jener Stelle bis 
nach Elm 5.3°/«,, von Elm bis zur 
Engibrücke 2,2 °l 0 , von dieser bis 
zum Eintritt in die Linth 4,9%, 
das durchschnittliche Gefalle 3,8%. 
19. Jahrhunderts lloss der Sernf in 



dort, namentlich im 18. Jahrhundert, bei Hochwassern 
öfters arge Verheerungen an. In den 50er Jahren des 19. 
Jahrhunderts wurde die Flussst recke zwischen der Ein- 
mundung des Berglibaches bei Matt und dem Dorf Engi 
nach einem fachmännischen Plane korrigiert. Die Kosten 
beliefcn sich auf rund 2000(10 Fr. und wurden fast ganz von 
den beiden Gemeinden Matt und Engi getragen. Die An- 
wohner der Linth, namentlich die Gemeinde Schwanden, 
machten diesem Werke heftige Opposition, da sie befürch- 
teten, der korrigierte Sernf werde der Linth grössere 
Geschiebemassen zuführen. Allein diese BefürcTitungen 
haben sich als grundlos erwiesen. In den Jahren 1874-1877 
wurde der Fluss zwischen Teufenboden (2 km n. Elm ) und 
dem Dorf Matt in der Weise korrigiert, dass die frühern 
scharfen Kurven abgeschnitten und dem Fluss ein mög- 
lichst geradliniges Bett gegeben wurde. Durch den Berg- 
sturz von Elm (11. September 1881) wurde der Sernf eine 
Strecke weit verschüttet, so das« ihm von der Säge in 




Itimzerp 

\\\ 2G!frflTuhstock 



V Attuitjtrx 



Scrnflh»: 



Bis um die Mitte des 
ungeregeltem Bette 
über den Thalboden zwischen Elm und Engi und richtete 



Elm bis ans untere Ende des Trümmerfeldes ein neues 
Bett gegraben werden musste, bei welchem Anlass mau 
das Plussbett nordwärts bis zur Brücke beim Weiler 



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sei; 



SEI! 



Schwändi korrigierte. Die Wasserkraft des Sernf ist 
lange nicht in dem Masse in den Dienst der Industrie ge- 




Matl im Strufihat grgnn dan (jofolstock. 

stellt wie diejenige der ohern l.inlh. Zwei einzige Kla- 
blissemente benutzen dieselbe, nämlich das mit einer 
Säge verbundene kleine Klcktrizitatswerk in Kim und die 
Weberei Engi. Die Triebkraft für die Spinnerei in Matt, 
die Weberei Sernfthal in Engi und die Sernfthalbahn 
wird durch die grossen Seilenbäche des Sernf. den 
Krauchbach und den Mühlebach. geliefert, l'eber den 
Sernf führen ausser einer Anzahl hölzerner Slrge und 
Drucken zwei steinerne Krücken, die alle malerische 
Engibrückc und die bei Anlass des Haue* der Sernfthal- 
bahn neu enteilte Brummbachbrücke s. Matt. 

8ERNFTMAL (Kl. Glarus). 2263-516 m. Rechtssei- 
tiges, vom Sernf durchflossenes Nebenthal des Linth- 
thales. Ks wird von der Bevölkerung des Kantons Glarus 
auch Kleinthal genannt, im Gegensatz zum (irossthal. 
dem a. Schwanden liegenden Abschnitt des 
Linththales. Ks hat eine luine von 2*2 km 
und bildet einen auffällig regelmässigen 
halbkreisförmigen Bogen um den O.-Fuss 
der Freibergkelte herum. Das Sernfthal 
ist nicht, wie manche andere Alpenlhäler, 
in mehrere übereinanderliegende Thalstu- 
fen gegliedert, lässt sich aber doch in drei 
«leutliclie Hauptabschnitte einteilen. Der 
unterste, 5 km lange Abschnitt erstreckt 
sich von Schwanden bis nach Kngi und 
stellt eine enge, im ganzen um 250 m 
ansteigende Thalrinne von V- förmigem 
Querschnitt dar. Die steilen, von dunkeln 
Tannenwäldern bedeckten, aus rotem Ver- 
rucanokonglomerat gebildeten Abhänge des 
Gandstocks und des Gufelstocks fallen mit 
gleichförmiger Böschung zum Sernf hinun- 
ter, Bloss im mittleren Teil dieses Thal- 
abschnitts, beim Weiler Wart, weicht der 
Fuss der n. Thalwand etwas zurück, so 
dass hier Baum für ein welliges Wiesen- 
geländeentsteht. Beider Kngibrucke (770ml, 
dicht vor dem Dorfe Engl, betreten wir 
den mittleren. 8 km langen und bis nach 
Kim reichenden Thalabschnitt. Stall der 
engen Waldschluchl sehen wir nun einen 
3ü0-5tj() m breiten, mit grünen Wiesen be- 
deckten, ziemlich Hachen Thal tu »den vor 
uns, über den sich von beiden Seiten 
her zahlreiche kleinere und grossere Bachschuttkegel 
gelegt haben. Deren grössle sind diejenigen des Mühle- 
baches bei Kngi. des Krauchbaches und des Berglibaches 



bei Matt. Da die Bäche in stabilem, bisweilen ziemlich 
stark eingeschnittenem Bette uber diese Schuttkegel 
hinweglliessen, tragen sie gut gepflegte 
Wiesen und Kartoffeläcker; auch die Dörfer 
(Engi und Matt) und die zerstreuten Weiler 
und Höfe stehen fast alle auf solchen 
Schuttkegeln. Der Thalgrund wird auf 
beiden Seiten bis auf 130O-I4OO m Höhe 
von steilen, bewaldeten und von Felsbän- 
dern durchzogenen, gleichförmig geneigten 
Abhängen eingefasst, über denen dann 
mässitfer steile, unregelmässig wellige, 
mit Alpweiden bedeckte Terrassen gegen 
die Berggipfel ansteigen. Im drillen Thal- 
abschnitt, der von Elm (U82 m) bis in den 
Hintergrund des Thaies reicht, wird die 
ThalsoVile unregelmässiger. Auf dem rech- 
ten l'ferdes Sernf ist sie von einer Beihe 
von Bachschuttkegeln, auf dem linken 
l'fer von hügeligen Moränenmassen bc 
deckt. Dann gebt sie allmählig in die 
Alpweiden über, die den Thalhinlergrund 
erfüllen. Auf der NW. -Seite steigen die 
mit grünen Alpwiesen und dunkeln Wäl- 
dern bekleideten Abhänge massig Itei) uber 
das Thal empor; im. S. und <>. dagegen 
bilden die wilden Felswände des Vorab und 
des llausslocks einen imposanten Tim lab - 
schluss. Die Kammlinie der Freiberg- 
kette hat von der Sohle des Sernfthals 
einen llorizontalabsland von 3-4 km, wäh- 
rend diejenige der Sardonakette, die das 
Thal im <>. begrenzt. 5-8 km von ihr entfernt ist. 
Daher ist auf der ü. -Seite mehr Baum fur die Kntwick- 
lung von Seitenthälern eis auf der W. -Seite. Von der 
Freibergkelte her steigen eine ganze Beihe von kurzen 
Seilcnthälchen ins Sernflhal hinunter; sie münden 
meist mit einer steilen, schluchtartigen Binne aus 
und erweitern sich oben zu breiten, jedoch ziemlich steil 
ansteigenden, mit Alpweiden und lleuwiesen bedeckten 
Mulden. Von S. nach N. folgen der Beihe nach die von 
den rauhen Felsmauern des Kärpfstocks überragten 
Thalrhen von Krbsalp und Bischofalp. die von den Bleit- 
stiicken heruntersteigenden Thalchen der Kmbachlialp, 
der Kühbodenalp und der Geissthalalp, das von Berglihom 
und Karrenstock uberragte Thälchen der Berglialn und 
die vom Gandstock absteigende, unregelmässige Mulde 




Kim im Sorofth»! g^gen Hnuiitock und Karpfstock. 



der I auelialp. die jedoch zu wenig tief eingeschnitten ist, 
um ein Thal genannt werden zu können. Die auf der 
rechten Seite einmündenden Seitenlhäler, nämlich das 



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SEK 

gegen den Panixerpass aufsteigende Thal der Jätialp, das 
Raminthal, das Krauchthal und das Mühlebachthal, sind 
alle bedeutend länger, besitzen darum auch ein massi- 
geres Gefalle und sind tiefer in den Gebirgskörper ein- 
geschnitten ; sie münden alle mit engen Schluchten auf 
aas Hauptthal aus. Dieses ist durch zahlreiche PaBsüber- 
gänge mit den benachbarten Thälern verbunden. Ueber 
die Vorab-Sardonaketle führen der Segnespass (2625 m) 
und der Panixerpass (2407 m) ins Bündner Vorderrhein- 
thal hinüber. Eine Reihe von Pässen stellen die Verbin- 
dung mildem St. Gallerüberland her, nämlich der Foopass 
zwischen Elm, dem Wcisstannenthal und Mels, der Rie- 
setenpass zwischen Malt und Mels. der Schöneggpass 
zwischen Malt, dem Schilzbachthal und Flums. die 
Widersteinerfurkel zwischen Engi, dem Murgthal und 
Murg am Walensee. l'eber den Richetlipass gelangt man 
von Elm nach Linthal, und mehrere Uebergänge führen 
aus dem Sernflhal in das in die Freibergkette einge- 
bettete Niederenthai hinüber. Die Iterge. welche das 
SernRhal einrahmen, sind an der Basis aus eozänen und 
oligozänen Schierem und Sandsleinen und aus Nummu- 
lilenkalkbänken, an den Gipfeln aus Verrucano aufgebaut, 
der von S. her ülter jene iüngern Gesteine hinwegge- 
schoben worden ist. Die Ueberschiehungsllächc liegt im 
S. in der Gipfelregion der Sardonakette. sinkt dann 
rasch nach N. und 55 W . . verschwindet dicht n. vom Dorf 
Engi unter der Thalsohle und tritt nahe hei Schwanden 
(bei der Lokalität Lochseite) an den Ufern des Sernf für 
eine kurze Strecke nochmals zu Tage. So kommt es, das» 
im s. Sernfthal die Berge von der Thalsohle bis in die 
Gipfelregion aus Flysch bestehen und nur auf den 
höchsten Gipfeln noch von Verrucano gekrönt sind, 
während umgekehrt im N., zwischen Engi und Schwan- 
den, die Thal wände ganz im Verrucano liegen. (Vergl. 
«Geologie» in den Artikeln Kanton Gi-Mius und Sab- 
uona(;ri r'PE). Dieses geologischen Aufbaues wegen bie- 
ten die Berghänge des Sernfthals einen ganz andern 
Anblick als diejenigen des Linlhlhals und der übrigen 
glarnerischeu Alpenthäler. Statt der von schmalen Ge- 
simsen oder breiten Terrassen unterbrochenen steilen 
Kalkwände sehen wir hier gleichförmig geneigte, oft bis 
zum Gipfel mit Vegetation bedeckte Hänge, die von vielen 
parallelen Runsenzügen durchfurcht sind. Am Vorab, wo 
zwischen dem Eozän und dem Verrucano eine mehrere 
hundert m mächtige Malm- und Neokommasse auftritt, se- 
hen wir die Erosionslormen des Flysch mit denjenigen des 
Kalkgebirges kombiniert. Im Gegensatz zu andern Schie- 
fergebielen fehlen dem Sernflhal verheerende W'ildbäche; 
dafür entstehen an den langen, gleichförmigen Berg- 
lehnen oft gefährliche Lawinen. Einzelne derselben stür- 
zen fast alljährlich bis in den Serof hinunter oder über- 
schütten die Landstrasse, wie z. B. die von der Geissthal- 
alp herunterkommende Meissenbodenlawine zwischen 
Matt und Elm. Das Sernflhal ist das einzige unter den 
glarnerischeu Settenthälern, in welchem zu eigentlichen 
Dörfern vereinigte Siedelungen liegen. Wir treffen hier 
drei Dörfer (Engi, Matt und Elm) und mehrere kleine 
Weiler und Häusergruppen. Deren wichtigste sind 
Wart (zwischen Schwanden und Engi), Brummbach, 
Schwändi und Sulzbach (zwischen Matt und Elmi, und 
Hintersteinibach s. Elm. Die Wellenberge »m Ab- 
hang des Guiderstocks ob Matt sind die am höchsten ge- 
legenen das ganze Jahr bewohnten Siedelungen des Kan- 
tons Glarus. Abgesehen von dem im untersten Teil des 
Thaies liegenden Weiler Wart, der zur Gemeinde Sool 
und zur Kirchgemeinde Schwanden gehört, bilden die 
Ortschaften des So mit hals die drei Genieinden Engi, 
Matt und Elm und die beiden Kirchgemeinden Matt und 
Elm. Sie zählen im ganzen 2763 fast ausschliesslich re- 
formierte Einwohner. Aus der Abgeschlossenheit des 
Thaies erklärt es sich, dass seine Bewohner hinsichtlich 
Sprache, Kleidung und Volkssitten manche Eigentüm- 
lichkeiten aus früherer Zeit bewahrt haben. Die Bevöl- 
kerung von Elm zeichnet sich durch hohen, kräftigen 
Wuchs aus. Die Bauern tragen hier auch Sonntage den 
blauen oder grauen «l.ismer«, ein gestricktes Wams. 
Viehzucht und Alpwirtschaft waren lange Zeit die einzige 
Erwerbsquelle der Bevölkerung des Sernfthals und spielen 
hier jetzt noch eine wichtige Bolle, namentlich in Elm. 
dessen Rassenviehzucht berühmt ist. Seit Jahrhunderten 



SER 509 

trieben die Elmer Bauern im Herbst ganze Herden von 
Jungvieh über den « Bündnerberg » (Panixerpass) auf die 
tessinischen und oberitalienischen Märkte. Dieser Welsch- 
landhandel hat jedoch in neuester Zeit der grossen Reise- 
kosten und finanzieller Misserfolge wegen aufgehört. Das 
Vieh wird jetzt auf die inländischen Märkte gebracht oder 
von den fremden Händlern an Ort und Stelle aufgekauft« 
Die Alpen des Sernfthals liefern jährlich rund 40000 kg 
Käse, 60000 kg Zieger und '25000 kg Butter. Der Obstbau 
ist im Sernfthal ohne Bedeutung, und der Ackerhau be- 
schränkt sich auf den Anbau der Kartoffel. Kleine Kar- 
tolTelgärten fehlen auch den höchst gelegenen Höfen nicht. 
Die Industrie fand schon vor Jahrhunderten Eingang. 
Im 17. Jahrhundert beschäftigte die Wollweberei und im 
18. Jahrhundert die Baumwollspinnerei als Hausindustrie 
zahlreiche Hände. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts ging 
jedoch diese Verdienstquelle verloren, und es herrschte 
bis gegen 1850 Not und Armut im Thale. namentlich in 
Engl, so dass zahlreiche Einwohner sic h zur Auswande- 
rung nach Amerika entschlossen. Eine Periode neuen Auf- 
schwungs begann mit der Eröffnung der Banmwoll- 
webereien in Engi (1852 und 1864). die jetzt etwa 330 Ar- 
beiter beschäftigen und die llauptcrwerhsnuelle dieses 
Dorfes bilden, und der Spinnerei in Matt <'18K7), die 80 
Arbeiter zählt. Die Tonschiefer des Sernfthales werden 
gegenwärtig in drei Bergwerken ausgebeutet. Deren älte- 
stes liegt s. Engi auf der W. -Seite des Thaies. Es besteht 
schon seit Jahrhunderten und wird seit 1844 vom Kanton 
betrieben und heissl darum der (.andesplattenberg. Zwei 
andere Schieferbrüche sind in neuerer Zeit bei Elm am 
W.-Fuss der Vorabkette angelegt worden. Der im Jahr 
1870 eröffnete Schieferbruch am Tschingelberg veran- 
lasste durch seinen unrichtigen Betrieh den Bergsturz 
von Elm 1 1881 ) und ist im Jahr 1890 an der gleichen 
Stelle aufs neue in Betrieb gesetzt worden. Alle Platten- 
berge des Sernfthales beschäftigen etwa 200 Arbeiter. Sie 
liefern in Engi vorwiegend Dachschiefcr und Tischplatten, 
in Elm mehr kleine Schiefertafeln. Die Schiefer von Engi 
schliessen eine interessante Fauna ein. von der bisher 
27 Fischarten, 2 Schildkrölen und 2 Vögel bekannt ge- 
worden sind. Auch der Fremdenverkehr ist in neuerer 
Zeit für das Sernfthal von ziemlicher Bedeutung geworden 
Elm, dessen Umgebung durch einen reichen Wechsel 
von grossartigen und lieblichen Landschaftsbildern aus- 
gezeichnet ist und Gelegenheit zu vielen interessanten 
Hochgebirgstouren, lohnenden Exkursionen und Pass- 
übergängen bietet, wird immer mehr von Touristen und 
Kurgästen aufgesucht und hat Aussicht, ein gut besuchter 
Fremdenort zu werden. Bis ins 19. Jahrhundert führte 
bloss ein holpriger Saumpfad von Schwanden auf dem 
linker l'fer des Flusses ins Sernfthal hinein. Auf die 
wiederholten Petitionen der Sernfthalgemeinden heschloss 
die Landsgemeinde 1821 den Bau einer Strasse von 
Schwanden bis Matt auf dem rechten l'fer des Sernf und 
1835 die Fortsetzung derselben bis Elm. Das Teilstück 
Schwanden-Engi wurde jedoch so planlos und unzweck- 
mässig ausgeführt, dass man sich 1848 entschliessen 
musste, dasselhe durch eine neue Strasse zu ersetzen. 
Seil dem Bau der Eisenbahnlinie Glarus- Linthal (1879) 
strebten die Behörden und Industriellen des Sernfthales 
nach einer Bahnverbindung mit dem Hauptthal. Die 
Landsgemeinde des Jahres 1892 erteilte dem Iniliativ- 
komite, das an der Verwirklichung des Projektes ar- 
beitete, dio Konzession zur Benutzung der tandstrasse 
für eine elektrische Schmalspurbahn Schwanden-Klm und 
für Verwendung der Wasserkraft des Sernf zwischen 
Engi und Wart. Allein langwierige Anstände zwischen 
dem Sernfthal und der Gemeinde Schwanden wegen Be- 
nutzung dieser Wasserkraft verzögerten die Ausführung 
des Werkes. Erst 1903 wurde es in AngritT genommen, 
nachdem man sich entschlossen hatte, für den Betrieb 
der Bahn die Wasserkraft des Mühlebaches zu verwenden. 
Die Verbreiterung der Strasse erforderte auf der Strecke 
Schwanden-Engi ziemlich umfangreiche Felssprengungen. 
Im August 190» wurde die elektrische Bahn eröffnet. 
Ihre Erstellur.gskosten betrugen 1600000 Fr., woran der 
Kanton 750000 Fr., die drei Gemeinden 205000 Fr. und 
Private des Sernfthals 45 000 Fr. ä fonds perdu leisteten. 
Das neue Verkehrsmittel wird für die wirtschaftliche 
Entwicklung des Sernfthals. namentlich auch für die 



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510 SER 

Hebung seines Fremdenverkehrs, von wohltätiger Wir- 
kung sein. An geschichtlichen Erinnerungen ist das 
Sernflhal nicht reich. Die am meisten hervortretenden 
Ereignisse sind der Durchzug der Armee Suwarowa und 
ihr Öebergang über den Panixerpasa am 5.-7. Oktober 
1799, sowie der furchtbare Bergsturz von Elm am 11. 
September 1881. Urkundliche Namensform 1300: Sernif- 
tal. Versl. Frey, Karl. Au» den Bergen de» Sernflhal». 
Zürich 1904. [J. OannBoutKR ] 

8EROCCA (Kl. Tessin, Bez. Lugano, Gem. Agnoj. 
■ tll m. Gemeindeabteilung und Don, mitten in Wein- 
reben und Obstbäumen gelegen ; 5,2 km nw. vom 
Bahnhof Lugano. 'Zusammen mit Mondonico : 42 Häuser, 
188kathol. Ew.; Dorf: 27 Häuser, 114 Ew. Kirchgemeinde 
Agno. Acker- und Weinbau. Zucht der Seidenraupe. 

SERODANO (ALPS) (Kt Tessin. Bez. ValleMaggia. 
Gem. Peccia). 1480-2400 m. Alpweide im Val Peccia, am ' 
N.- und O.-Hang des Pizzo Castello und Pulpito. sowie 1 
2'/, Stunden ö. über Peccia. Bildet ein Benetizium der 
Kirche zu Peccia und wird mit 45 Kühen, 80 Ziegen und I 
35 Schafen bezöget! Herstellung von Butter und Käse. 

SERON (COL DK) (Kt. Waadt, Bez. Pays d'Enhaut 
und Aigle) 9150 m. Passübergang auf der Grenze der | 
Alpweidn Seron (im Pays d'Enhaut) und Arpille (Ge- 
meinde Ormont Dessus). Liegt zwischen der Part- de 
Marnex und der Cape au Moine und verbindet Vers l'Eglise, 
den Hauptort der Gemeinde Ormont Dessus, in 5'/, Mun- 
den mit L'Elivaz (Contourh Fast der ganze Uebergang ist 
durch einen deutlichen Fussweg markiert- 1276 : Syron. 
Heisst auch Col d'Arpille. 

Serpentine (COL DE LA) (Kt. Wallis, Bez. 
Entremont und Harens). 3546 m. Passübergang zwischen 
dem Mont lila nc de Seiion und der N. -Schulter der Ser- 
pentine. Verbindet wie der benachbarte Col de Breney 
Chanrion in 8 Stunden mit Prazlong und, mit dem Pas 
de Chevres kombiniert. Chanrion in 7 Stunden mit Aroila. 
Zum erstenmal 1865 von Moore und Walker überschritten. 
Der Name bezeichnet einen in Schlangenlinien (lat. »erpen» 
= Schlange) sich heraufwindenden Weg. 

Serpentine (OLACIKR DE LA) (Kt. Wallis, 
Bez. Entremont). 3546-2974 m. 2,5 km langer und im 
Maximum 1 km breiter rechtsseitiger Nebengletscher 
zum Giacier de Breney. Steigt vom Col de la Serpentine 
hinab, der ihn mit dem Giacier de Seiion verbindet, und 
wird im W. von der Ruinelte, im N. vom Mont Blanc 
de Seiion und im SO. von der Serpentine überragt. Auf 
der Siegfriedkarte unbenannt. 

SERPENTINS (LA) (Kt. Wallis. Bez. Entremont). 
3691 m. Gipfel im Stock des Mont Blanc de Seiion, 
zwischen diesem Berg unti dem Pigne d'Arolla ; rechts 
über dem Giacier de Breney, den er vom Giacier de la 
Serpentine trennt. Kann von der Chanrionhütte (im 
Bagnesthal) über den NO.-Grat in 4'/« Stunden erreicht 
werden. Erste Besteigung 1866- Der Gipfel besteht aus 1 
Arollagneis und nicht etwa aus Serpentin, wie man aus 
dem Namen zu schliessen versucht sein könnte. 

8ERRA DK VUIBEZ < Kt. Wallis, Bez. Herens). 
Gipfel. S. den Art. VriBEZ iSkrrade). 

8ERRA NEIRE {Kt. Wallis, Bez. Herens). Gipfel. 
S. den Art. Neire (Serra). 

8 ER RAI (LAC) Kl Waadt, Bez. Aigle, Gem. Ollon). 
Früherer Name für den Lac mcs Chavonnes (s. diesen 
Art. I. 

s errata (valle Dl) . Kl Tessin, Bez. Mendrisio). 
890-310 m. Kleines Thal mit Bach, an der S.- Flanke des 
Monte Sau Giorgio. Senkt sich auf eine Länge von 2 km 
gegen SO. und mündet 1,3 km s. Biva San Vitale von links 
auf den kleinen Wiesenplan des taveggio aus. Die Thal- 
rander sind im Unterlauf sehr steil, alter fast überall mit 
Strauchwerk bewachsen. 

SERRAUX oder SARRAUX DESSOUS und 
DESSUS (Kt. Waadt, Bez. Nyon, Gem. Begnins). 
533-540 m. Fünf Häuser und zwei Weinberge, 800 m nö. 
Begnins. 26 reform. Ew. Kirchgemeinde Begnins. Bildete 
einst ein ganzes Dorf, das dann zerstört worden ist. 
Grundeigentümer mit Herrenrechten waren im 18. Jahr- 
hundert die Geschlechter Stürler und de Mestral. 1493: 
Sarraul ; 1593: Sarraulx. 

8 ER RA VALLE (Et Tessin, Bez. Blenio, Gem. Se- 
mione). 423 m. Burgruine bei Semione. Anlasslich eines I 



SER 

L'eberganges über den Lukmanier soll Kaiser Friedrich 
Barbarossa hier Absleigquartier genommen haben. 1349 
kam die Burg an die Visconti und 1500 an die L'rkantone. 
Die noch stehenden Mauerreste stammen ohne Zweifel 
aus dem 14. Jahrhundert. In der Burgkapelle bemerkt 
man eine Reihe von aus dem Jahr 1587 datierenden 
Wandgemälden, während die Malereien am Eingang und 
der Aussenseite ein Jahrhundert jünger sind. 

8KRRK (HAUT und BAS) (Kt. Wallis. Bez. Saint 
Maurice, Gem. Ve'rossazi. Dorfer. S. die Art. Ai ssavs und 
Bassays. 

SERRIERE (LA) i Kt. und Bez. Neuenburg). 470 bis 
430 m. 600 m langer linksseitiger Zufluss zum Neuen- 
burgersee. Die Stromquelle der SerritVe entspringt in 
470 m, d. h. 40 m über dem Spiegel des Neuenburgersees, 
wird aber trotz des geringen Höhenunterschiedes und 
der Kürze des Wasscrlaufes von nicht weniger als sechs 
verschiedenen Fabrikbetrieben industriell ausgenutzt. 
Sie entquillt dem Hintergrund einer Halbklus oder engen 
und tiefen Schlucht an der Basis des gelben Neuen- 
burgersteines (oderobern Hauterivien) und tritt somit an 
der Oberfläche der Hauterivemergel zu tage, die gegen- 
über dem unterirdischen Lauf ihres Wassers die Rolle 
eines Staudammes spielen. Die Schlucht selbst ist in den 
gelben Neuenburgerstein und das unlere Urgon einge- 
schnitten und öffnet sich gegen den See im obern L'rgon, 
welche Schichten sämtlich um 8-15% gegen SO. ein- 
fallen. Das Waaser der Serriere hat eine Temperatur von 
8,5° C. und eine Härte von 20 c . doch können diese 
Ziffern zugleich mit der Wasserführung der Quelle im 
Laufe des Jahres schwanken. Die Schwankungen im 
Wasserstand bewegten sich während der Jahre 1894-1900 
zwischen dem Minimum von 0,3 m und dem Maximum 
von 11 in ' in der Sekunde. Die durchschnittliche Wasser- 
führung beträgt 2,2 m 3 in der Sekunde. Mit andern 
Stromquellen verglichen , sind die Schwankungen der 
Serriere gering, indem das Verhältnis zwischen den beob- 
achteten Extremen bloss 1 : 37 {gegenüber z. B. 1 : 500 
für die Quelle der Doux oder Areuse) und das durch- 
schnittliche Verhältnis bloss 1 : 20 (Areusequelle 1 : 130) 




Quell« der Serriere. 

betragen. Dieses Verhalten lässt im Verein mit dem 
relativ schwachen Anschwellen der Wasseroberfläche zur 
Zeit von Hochwasser vermuten, dass die Serriere den 



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SER 



SKH 



Till 



Abflugs einer Crossen Wassermasse bildet, die zahlreiche 
im obern Jurakalk ausgewaschene Höhlen und Klüfte er- 
füllt. Hin Blick auf die Karte läsal die 
Quelle der Serriere als die Fortsetzung des 
Seyonlaufes (s. den Art. Seyon) erscheinen 
Und in der Tat liegt ihr Sammelgebiet in 
der nämlichen Gegend wie dasjenige des 
Seyon, d. h an den felsigen Bandern 
der Mulde des Val de Buz. Während aber 
der Seyon die Oberflächenwasser der ter- 
tiären und glazialen Decke, welche dem 
Hoden dieser Mulde aufgelagert ist, sam- 
melt, umrahmt das Einzugsgebiet der Ser- 
riere dasjenige des Seyon gleich wie dir 
Augenhöhle das Auge umzieht und setzt 
sich unterhalb desselben in die Tiefe fort. 
Ks liegt somit die mit einem schwer durch- 
lässigen Boden ausgestattete Mulde, in der 
sich die Wasser des Seyon sammeln, über 
einer zweiten, um vieles grosseren Mulde, 
die das Einzugsgebiet der Serriere darstellt 
Diese zweite Mulde umfasst in ihren nicht 
von derjenigen des Seyon überdeckten 
Teilen 90 km 1 , die Mulde des Seyon dagegen 
bloss 30 km 4 , sodass» die Gesamtfläche 12'» 
km' beträgt. Sicherlich gab es eine Zeit, 
da die Quelle der Serriere noch nicht 
vorhanden war und alles Waaaer durch 
die Binne des Seyon abtlosa. Damals schnitt 
sich die von diesem Bach durchzogene 
Schlucht zwischen Valangin und dem Vauseyon in das 
Kelsgewölbe des Chaumont ein. Später hat die Ser- 
riere nach und nach einen Teil der dem Seyon zuflies- 
senden Wasser für sich selbst abgezapft und an Ort 
und Stelle des oberflächlichen Sammelgebietes ein sol- 
ches in der Tiefe geschaffen. Da dieses Netz von unter- 
irdischen Kanälen und Abllussrinnen bis in die Kalk- 
schichten des Malm oder obern Jura hinabgedrungen ist, 
muss das Wasser der Serriere vor seinem an der Uber- 
fläche der Hauterivienmergel erfolgenden Austritt auch 
über die Argovienmergel hinuberfliessen , die ihren 
Scheitelpunkt unter dem Gewölbe der Koröt de Peseuz 
und der Serroue in etwa der heutigen Höhenlage der 
Quelle besitzen. Vergl. auch den Art. Sevon samt beglei- 
tender Karte und geologischem Profil. 

serhiCres fKt., Bez. und Gem. Neuenburg). 
432-470 m. Industrieller Vorort der Stadt Neuenburg, 
am und über dein linken Ufer des Neuenburgersees und 
am Bachlauf der Serriere. 2,5 km sw. Neuenbürg. Station 
der Linien Neuenbürg-Lausanne, Neuenburg-Pnntarlier 
und der elektrischen Strassenbahn Neuenburg-Boudry ; 
elektrisches Tram Neuenbürg (Place Purry)- Serrieres. 
Dsmpfschiflstation. Posthureau, Telegraph, Telephon. 
Zusammen mit den Quartieren Le Vauseyon, Le Suchiez 
und Port Boulant ! 161 llau-cr, 1H00 Kw. Deformierte 
Kirchgemeinde. Wein- und Gartenbau. Hier befindet sich 
die grosse Schokoladenfabrik Suchard mit mehr als 500 
Arbeitern, die 18:26 von Philipp Suchard, dem ersten 
Förderer der liampfschiflahrt auf dem Neuenburgersee, 
gegründet worden ist. Seine hier aufgestellte Hronzebüslc 
wurde 1899 enthüllt. Das städtische Schlachthaus von 
Neuenburg, das sich in Serrieres befindet, soll in Balde 
nach dem Vauseyon verlebt werden. Hammerwerke und 
mechanische Konstruklionswerkstälten. Sägen, Mühlen, 
Papierfabrik mit 110 Arbeitern. Die in der Schlucht der 
Serriere etwa ;*J m unter der Eisenbahnlinie gelegenen 
Fabriken von Serrieres sind durch einen 1886 erstellten 
Lastaufzug mit Drahtseilbetrieb mit der Bahnstation ver- 
bunden. Die Schokoladen- und die Papierfabrik haben eine 
ganze Beihe von Arbeiterhäusern erstellt und gewähren 
ihren Arbeitern den Genuss zahlreicher Wohlrah rtsein- 
richtungen. Alle diese Etablissemente benutzen die Trieb- 
kraft der wasserreichen Stromquelle der Serriere und 
die aus den Werken in den Areuseschluchten herge- 
führte elektrische Energie. Die sehr alte Papierfabrik be- 
stand schon im 15. Jahrhundert. Die Schlucht der Serriere 
wird von einem grossen steinernen Eisenbahnviadiikl. 
der 1859 erstellt wurde, und tiefer unten von der 1807 er- 
bauten einbogigen Slrassenbrücke überspannt, welche 
unter dem Namen des Pont Alexandre mach dem Mar- 



schall Alexandre Berthier dem damaligen Fürsten von 
Neuenburg) bekannt ist. Mit Neuenburg steht Serrieres 




Serneree von Nordwesten her. 



durch eine ununterbrochene Kolge von Miethausern und 
Villen in Verbindung. Ueber der Station steht das Schlöss- 
chen Beauregard. ein aus dem 16. Jahrhundert stammen- 
des Landhaus. Nahe dabei die Stalte des ehemaligen Gal- 

Sens iGibet de Serrieres) mit grossen Kiesgruben. In 
en leres begann Guillaume Farel am 14. Dezember 1529 
die Deformation im Neuenburgerlandzu predigen, an wel- 
ches Ereignis eine an der altertümlichen kleinen Kirche 
angebrachte Gedenktafel erinnert. 1178: Sarreres; 1195 und 
1198: Sarrieres ; 1258: Sarreres. von »erra^ Säge, Sägerei 
herzuleiten. Das Dorf wird 1195 in einer Bulle des Papstes 
Zölestin HL erwähnt. 1837 entdeckte man nw. Serrieres 
120 alte Gräber mit Eisengegenstanden aus der Burgunder 
zeit. Mehrere Funde (worunter eine Goldmünze mit dem 
Bildnis des Augustus) aus der Bomerzeit. Vergl. Quartier 
La Tente, Ed. Le emiton de Seuchdtei. I : Districl de 
Xeuchdtel. Neuchätel 1897. 

SERROUE ki. und Bez. Neuenbürg, Gem. Le Landeron 
und Lignieres). 1046 m. Vorkette des Chaumont und etwa 
250 ha umfassender grosser Wald, zwischen den Dörfern 
Enges und Lignieres und ö. der Metairie Lordel. Der 
Wald bedeckt die Fortsetzung der bei Saint Blaise aus 
der Ebene auftauchenden Jurakette von Chätollion und ge- 
hört je zur Hälfte den Gemeinden Le Landeron und 
Lignieres. 

8ERROUE8 (LE8) (Kt. Neuenburg. Bez. Boudry, 
Gem. Corcelleal. 777-818 m. 14 zerstreut gelegene Höfe, 
am S.-Ende des Val de Buz und am Fuss eines Hügel- 
zuges (84 1 m|; 1 km nö. der Haltestelle Montmollin der 
Linie Neuenburg-La Chaux de Fonds und 5 km w. Neuen- 
burg. Von schonen Waldungen umrahmt. 63 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Gorcelles. Ackerbau und Viehzucht. 
Sommerfrische. 

sertena (VAL DI) (Kt. Tessin, Bez. Bellinzona 
und Lugano). 1800-740 m. Thal, das zusammen mit dem 
Val Caneggio den Bergstock des Camoghe einschliesst. 
Beide Thäler vereinigen sich 1 km oberhalb des Dorfes 
Isone zum Val Vedeggio, das in seinem untern Abschnitt 
auch Val d'Agno heissl. Das an seinen Flanken völlig 
waldlose Val di Sertena beginnt in einer Senke zwischen 
den tüpfeln des Garzirola und Camoghe und zieht sich 
auf eine Länge von 5,5 km nach NW. hinab. Von ihm 
geht der begangenste Weg auf den Gipfel des Camoghe 
aus. Es trägt weite Weidetlächen, die aber nur magern 
Graswuchs aufweisen und von dem zahlreichen Vieh der 
Alpweiden Sertena, Traorno, Guzzala, Cruno, Almattro, 
Cugnolo und Fontanelle benutzt werden. 

8IRTI (Kt. Tessin. Bez. Locarno, Gem. Palagnedra). 
Kapelle. S. den Art. Sinn. 

SERTIG (VAL) (Kt. Graubünden, Bez. Maloja). 



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512 



SER 



SER 



2580-2300 m. Nordl. Ouellthal des Val Fonlauna, des 
längsten Seilenzweigcs des Sulsannathales. das bei Capeila 




Sertig Dörfli K«K en llen Hoch bui'Sri. 

zwischen Scanfs und Cinuskel an der Grenze von oberin 
und unterm Engadin zum Inn ausmündet. Üer aüdl. 
Quellzweig des Val Fontauna ist das Val del Tsrhüvel. 
Der (lach des Val Sertig nimmt »einen Ursprung im öst- 
lichen, kleinern der in grussartiger Einsamkeit gelegenen 
Alpenseen von Haveiach. die nur durch eine niedrige 
Schwelle i2586 im voneinander getrennt sind. Diese 
Schwelle aber bildet die Wasserscheide zwischen Inn und 
Rhein, indem der Ahlluss des ansehnlichen westlichen 
Sees sich durch Val Tuors nach liergun und zur Alhula 
hinahwendet. Diese Seen liegen bloss eine kurze Zeit 
des Jahres völlig eis- und schneefrei. Im X. liegen das 
Kühalpthal, der ö. Seitenzweig des Sertigthales von 
Davos. und das Kuhalphorn iMOtil m|, im W die gleich- 
falls, aber wenig vergletscherten Gipfel des Piz Murtelel 
i'3»WI m i und Munt Platta Natra [80X9 mi, Xordausiaufer 
des Piz Porun im Stock des Piz Kesch, sowie das Val del 
Tschuvel, das den Ahlluss des ausgedehnten Porchabella- 
gletschcrs am Piz Kesch zu Thal leitet. Von 
den Lais da Raveisch gelangt man über den 
Sertigpass (2762 m ins Kuhalp- und Sertigthal 
und von da nach Davos Frauenkirch oder auch 
durch Val Tuors nach liergun hinab. Durch 
Val del Tschüvel erreicht man die IV«! Stunden 
entfernte Keschhütte des S. A. C. i2UH m i am 
Fuss des Porchabellagletschers. Das Val Sertig 
ist nur 2 km lang, hat ein Bachgcfälle von 
12.8°/« und enthält hübsche Alpweiden. Boden- 
grundlage ist zur Hauptsache Gneis, der im 
N., O. und S. des Thalchens streckenweise von 
Hornblendeschiefern abgelöst wird. Sehr gut 
ist bei den Lais da Raveisch der Gesteinswech- 
scl von (ineis. Verrucano und den übrigen 
Triasgliedem bis zum Hauptdolomit aul dem 
Grat vor den Ducanhornern hlossgelegt. Der 
Gneis enthält grosse Orthoklaskrislalle und 
zeigt teils korniges, teils Haseriges Gefüge. Die 
kristallinischen l'(vr der Seen weisen grossar- 
tige, von Gletschern geschliffene Rundhocker 
auf, die z. T. mit mächtigen Triimrnermassen 
bedeckt sind, zwischen welchen man nicht 
selten ansehnlich)' Stucke von Kiscnpl immer- 
stufen lindet. Auch der Botaniker macht reiche 
Ausheule in der Gegend, die grossartige und 

firachtvolle Berg- und Gletscherbilder dar- 
lietet. 

8ERTIQ DCERFLI i Kl. Graubünden, Bez. Ober 
l.andqtiart. Kreis und Gem. Davos). 1860 m. Alpendörf- 
chen mit zahlreichen Hutten und Stallen, im Sertigthal 



am rechten Ufer des Thalbaches schön gelegen ; 8.5 km 
s. der Station Davos Platz der Linie Landquart -Davos. 

18 Häuser, 83 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Davos Frauenkirch. Alpwirtschaft. 

SERTIGBACM Ki Graubünden. Bez. 
Ober Landquart). 2700-1509 m. Wildbach 
des Sertigthales : entspringt am Fuss des 
Sertigpasses i2762 in zwischen Millaghorn 
«2728 im und Kuhalphorn (3081 ml und 
vereinigt sich bei Hinter den Kcken mit 
dem aus dem Ducanthal hernbkommenden 
Bach, der einen schonen Wasserfall bildet. 
Nach einem Gesamtlauf von 8.28 km mün- 
det der Serligbach in Frauenkirch von 
links in das Landwasser. • Bei der Säget 
belinden sich eine Wasserableitung und 
zwei Beservoirs. die zum Elektrizitätswerk 
Davos-Serlig gehören. Das Bachgefalle 
schwankt zwischen 3 und 9%. Das Ein- 
zugsgebiet umfasst 47,16 km*, wovon 20.1 % 
auf Fels und Schutt, 10,2% auf Wald. 
3.4% auf Eisfelder und 57.3% auf nutz- 
baren Boden entfallen. Die minimale Was- 
serführung ■ Bei der Sage • kann auf 290 
Sekundenliter veranschlagt werden. 

8IRTIQPAS8 Kl Grauhünden, Bez. 
Ober Landquarti. 2762 m. Passübergang 
iniler Kelle Ducanhorner- Kühalphorn u-MJHl 
Hl); fuhrt nach S. durch Val Fontauna- 
Sulsannalhal ins Engadin, wird aber na- 
mentlich als Weg von Davos zur Keschhütte 
des S. A. C. beim Porchabellagletscher und auf den Piz 
Kesch selbst benutzt. Die nämliche Kelle wird noch von 
■ler Bergilner Furka (2812 ml überschritten, die nach 
SW. ins' Val Tuors und durch dieses nach Bergün leitet. 

SERTIGTHAL Ki Graubünden, Bez. Ober Land- 
quart'. 8700-4500 m. Schönstes und reizendstes derSeilen- 
thäler der Landschaft Davoa Es verläuft parallel zum 
Dischma- und Fluelathal. öffnet sich aber bei Krauenkirch, 
während die beiden andern nahe beieinander sich bei 
Davos Dorf mit dem Hauptthal vereinigen. Das Sertig- 
thal steigt mit massiger Steilheit etwa 7.5 km nach So. 
an und teilt sich dann in zwei Arme, das Kühalpthal und 
das Ducanthal. von denen jenes in einem Bogen so. zum 
Sertigpass, dieses sw. zum Ducanpass hinaufreicht. Iter 
Abschfuss dieser Thalarme und damit des Sertigthales 
überhaupt ist ein grossartig-herrlicher. Prächtig präsen- 
tieren sich vor allem die drei mächtigen Kalkfelspyra- 
miden des |Mittaghorns, Plattenhorns und Hoch Ducan 




SerligpiM mit Blick auf <lis l>uo«oböraer. 

mit ihren stolzen Wanden und Ungeheuern Schutthalden, 
die nur da und dort von kleinen Schnee- und Eisfelzen 
unterbrochen werden. Die Ducankette setzt sich dann als 



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I 



SER 

gewallige Zinnenmauer nocli fort In- zum eisgepanzerten 
Gletscher- Ducan. Ein prächtiges Gegenstück dieses 
letzlern bildet in der SO. -Ecke de» Külialpthales das 
ebenfalls vergletscherte Kühalphorn, dem nach N. das 
Augstenhurnh, Bocktenhorn und Saltelhorn vorgelagert 

iini. hübsche Felshorner aus lineis und kristallinen 
Schiefern, denen auch der Schmuck kleiner Gletscher 
nicht fehlt. Zwischen Ducankette und Kuhalphorn zeigt 
der Kamm eine Depression, über welche einerseits die 
(lerguner Furka (2812 im sw. ins Val Tuors und nach 
ilergün, andrerseits der Sertigpass (2762 m i s. ins Val 
Fontauna-Suhanna und damit ins Kngadin fuhrt. Weiler , 

Duden wir auf der linken Seite des Sertiglhals das 

Aelplihorn (30l0m), einen der schönsten Aussichtspunkte 
von Bavos, der dem berühmten Schwarzhorn um Flucla- 
pau kaum nachsteht. Flankiert wird dasselbe links von 
dem vielzackigen Strehl, rechts von der wildzei risscnen 
Masse des l.eidbachhorns. Weniger hoch und s nfler ge- 
blattet ist die rechtsseitige Thalwand des Sertig wo nur 
noch das Gefrorenhorn und das jWuosthorn rauhere 
Formen aufweisen, der von da weiter nach NW. strei- 
chende Kamm aber meist bis zu oberst bcrasl ist. Das 
Serligthal erscheint von seiner Mündung bis zu seiner I 
Gabelung hinler Sertig Dorfli alsein I rogthal mit Harber, 
wenn auch nicht breiter Thahohle, die rechts und links 
von steilen Waldhangen eingefasst ist. wahrend uber der 
Waldgrenze, etwa von 2IKJU m an aufwärts, sanfter an- ' 
»teigende Weideflächen bis an den Fuss der Gipfelregion 
oder auch bis auf die gerundeten Kamnirückcn sich aus- 
breiten, her den Thalhoden durchschlangelnde Sertigbach 
entsteht aus dem Kuhalpbach und dem liucanbach. die 
mcIi etwa 1.5 km hinter Sertig Dürlli vereinigen. I*as 
Kuhalpthal ist nach Dichtung und Charakter die eigent- 
liche Fortsetzung des Sertiglhals, hauptsachlich in kri- 
stalline Gesteine eingeschnitten und von Alpweiden er- 
füllt. Das Ducanthal dagegen ist davon völlig verschieden, 
auf beiden Seiten von Kalkgebirgen eingeschlossen und fast 
völlig milGesleinsschuil ausgekleidet, der namentlich auf 
der rechten Seite in Ungeheuern, absolut kahlen Halden 
und Ketteln vom Bach bis an und auf die Gipfel hinauf 
reicht. Magere Alpweiden linden sich nur auf der linken 
Seite und auch hier nur spärlich. Auf dieser Seite führt 
auch ein mehr oder weniger ausgetretenes Pfad hinauf 
zum Ducanpass und hinüber in das dem Ducanthal 
ahnliche Slulsertbal und nach Ilergün. Das Ducanthal iat 
nach seiner ganzen Beschaffenheit ein richtiges Kar, 
eines der grossten und charakteristischsten der Itündner- 
nlprn. Als solches fällt es auch mit einer Steilstufe ins 
Serligthal ab, in welcher sich der liucanbach eine enge 
Schlucht eingegraben hat, die erdann mit einem hübschen 
Wasserfall vertasst. Ller grüne Wiesengrund des Sertig- 
thales selber ist mit zahlreichen Hutten überstreut, die 

la und dort zu kleinern Gruppen vereinigt sind. Deren 
grössle ist Serlig Dörfli (1860 mi. ein Sommerdörfchen 
mit zwei kleinen Gasthäusern und einem Kirchlein, 
das ton Frauenkirch aus pastoriert wird. Draussen 
am Aufgang des Thaies liegt auf schöner Terrasse der 
freundliche Sommerkurort Clavadel i ItiÖI m mit einigen I 
Hotels und einem Schwefelbad, hin hübsches Sirassrhen 
führt von Davos Platz über Clavadel ins Thal hinein bis 
/um Wasserfall hinter Sertig Dörlti. Hin anderes kommt 
von Frauenkirch durch eine schattige Waldschlucht und 
vereinigt sich mit dem vorigen bei der Säge hinler Gla- 
vadel. Von Dat< « IM.it/ sind es -1' ,-.'{ Si untlen Anstieg bis 
Sertig Dorfli. Die eben erwähnte Waldschluchl ist durch 
den Sertigbach in eine schöne Terrassenlandschafl einge- 
schnitten, die von diesem Bach ins Hauptlhal hinaus ge- 
baut worden ist. Jetzt liefert der Sertigbach durch ein an | 
ihm erstelltes Elektrizitätswerk Licht und Kraft nach 
Davo». Bei seiner Höhenlage (1660 m hei Clavadel. 1860 
in bei Sertig Dorlli) ist das Serligthal natürlich ausschliess- 
lich auf Viehzucht und Alpwirtschafl angewiesen und, 
wenigstens im hinlern Teil, auch nur im Sommer be- 
wohnt. Aelplihorn. Hoch Ducan, Kühalphorn und der 
zwar nicht mehr zum Serligthal gehörende, aber von hier 
aus über den Sertigpass zugängliche I'iz Kesch ziehen 
allsommerlich natürlich auch eine beträchtliche Zahl 
von Touristen an. 

SERVAI8 oder SERVAY hl Wallis, He/. I'ulre- 
mont. Gern Bagnesi. Im Mittel 2<182 in. Alpweide im 



SER W 

obern Abschnitt des rechtsseitigen Gehänges der Cornbe 
de Versegeres, am N.-Fuss des jBec du Midi. Eigentum 
der Hurgergemeinde Bagnea; wird von einer zur Mehr- 
zahl aus Bewohnern des Dorfes Bruson bestehenden Kor- 
poralion vom 26. Juni bis 20 September mit rund 80 
Milchkühen und einer gewissen Anzahl Kleinvieh be- 
atossen. 7 Hütten und ein Käsekeller. 

SERVAIS ml. t SERVAY (ALPE DE i . Kt. Wallis. 
Bez. Conthey, Gem. Nendaz). 2255 m. Ehemalige Alp- 
weide, die jetzt mit der Alpe de Noveli vereinigt ist. Die 
am W.-Fusa des Bec de la Montau gelegenen Hutten be- 
linden sich in der Nahe des Bisse (Wasserleitung) de 
Servais, der aus dem Val de ( Jenson herkommt unxi die 
weiler n. befindlichen Hänge der Crtfte de Thyon be- 
fruchtet. 

SERVAIS (BISSE DE i Kl. Wallis. Bez. Conthev 
und Herens). Wasserleitungskanal, der beim Plan de la 
Chaux (2350 m> im Val de Cleuson linksseitig vom Ouell- 
lauf der Printze abzweigt, dann den Gehangen der Monis 
Bösels, des Metailier, des Bec de la Montau, des Greppon 
Blanc und der Epcrollaz folgt, die Alpweiden Servais. 
Noveli, Comhar/ehne. La Meina und Comhire durchzieht 
und nordwärts um die CWte de Thyon biegt, um hier die 
Alpe de Thyon zu bewässern und beiden Hutten von 1 hvon 
in 2022 m sein Ende zu erreichen. Ist 15 km lang, hat 'ein 
durchschnittliches Gefälle von 2% und bildet mehrere 
kleine Wasserfalle. Seine Wasserführung schwankt stark 
Mehrere Seitenkanäle befruchten ausser den schon ge- 
nannten Alpen noch verschiedene Maicnsisse der Ge- 
meinden Veisonnaz, Agettes und Vex (so x. B. auch die 
Mayens de Sion). Die ganze Leitung ist Eigentum einer 
aus Bewohnern der genannten Gemeinden bestehenden 
Alpkorporalion. 

SERVAIS (TROUSS oder TREUTSE DE) Kt 
Wallis. Bez. Enlremont). 2373 m. Endgipfel des vom Moni 
Bogneux (3087 m) nach NO. auszweigenden und die Alp- 
»eulen Servais und Sery voneinander trennenden Kam- 
mes. Kann von Ghampsec (3,5 km ao. Le Chihle im 
Bagnesthall her in l Stunden erstiegen werden. Die Aus- 
drucke Trouss. Tnitze, Truche. Treutze etc. bezeichnen 
einen abgerundeten Felskopf. 

SERVAPLANA Kt. Wallis, Btt. Conthey, Gem. 
Ardon). 1242 m. Gruppe von Hüllen rechts über der LI« 
zerne, im obern Abschnitt des Val de Triqueut. an dem 
von Ardon zum Lac de Derborence hinaulliihrenden Weg 
und etwas a. vom untern Ende des Schullfeldes des von 
den Diablerela niedergebrochenen Felssturzes. 

SERVETTE (LA) ikt Genf, Hechtes Ufer, i. ein. Genf 
und Le Petit Saconnex i. 380-120 m. Aussenqunrtier der Stadt 
Genf, nw. derselben auf einer Anhöhe gelegen. Post- 
bureau. 133 Häuser, 1311 Ew. Daa Quartier Serveite ist 
mit dem Zentrum der Stadt durch die elektrische 
Straßenbahn Champel- Petit Saconnex verbunden und 
wird seiner ganzen Lange nach von SO. nach NW. von 
der breiten Hue de la Servette und der sie fortsetzenden 
Avenue de la Serveite durchschnitten. In dem der Stadt 
nahen untern Abschnitt herrschen Miethäuaer vor, wah- 
rend sich hoher oben fast ausschliesslich Villen belinden. 
Primarschule. Evangelische Kapelle. Homisch-kalhol 
Kirche zu St. Anton. Je eine Biskuits- und Zigarettenfabrik. 
Niederlagen von Brenn- und Zimmerholz. 

serviezel Kt Graubönden, Bez. Inn, Kreis und 
Gem. Bemüa). 1090 m. Burgruine und Beste einer ehe- 
maligen Lelzi. unterhalb und 2 km ö. vom Dorf Demos, 
nahe Martinshruck und am linken Ufer des Inn. Die 
Chronisten schreiben die Erstellung beider Werke dem 
Kaiser Vitellius zu, woher auch der Name (Sern Vitelliii 
stammt. In Wirklichkeit wurde die Lelzi 1635 auf Anord- 
nung de» Herzogs Bohan hin zum Schutz gegen die Ein- 
falle der Tiroler erliaul. 

SER v ion (Ki Wandt, Bu. Ort» . 77o m. <iem. und 
Weiler zwischen dem Flon (oder Carouge) und der Broye, 
an der Strasse Vevey-Moudon ; 3,6 km w. Oron la Ville. 
3 km ssö. der Station Meziere* der Linie Lausanne-Mou- 
don und 2.6 km w. der Station Chatillens der Linie Lau- 
sanne- I'ayerne-Lysa. Postbureau, Telegraph, Telephon: 
Postwagen Oron-Mezieres. Gemeinde, mit den Häuser- 
gruppen Lea Charmeties, Cretolliet, Che« lea Devaud. 
Che/, les Favez und Mannessivaz, sowie zerstreuten Einzel- 
siedelungen : 63 Häuser, 333 reform. Ew.; Weiler: 10 

221 - cEocn. lex. V — 33 



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SKIt 



SES 



Iiiuser, 41 Ew. Kirchgemeinde Mezieres. l-andwirlschaft. 
Mühle, Säge. Brüche auf Molassesandstein. Heimat des 
ehemaligen Hittergeschlechtes derer von Servion. Im 15. 
Jahrhundert wird hier eine dem h. Moritz geweihte und 
im Schatten einer durch ihre Grösse ausgezeichneten 
Ulme stehende Kapelle erwähnt. Kis 1816 bildeten Ser- 
vion und Ferien» zusammen eine einzige Gemeinde. Im 
1*2. Jahrhundert: Salviacum; 1155: Sarviacum ; 1141 und 
1-293: Salvion; 1236: Sarvion. 

8ERVOLAIRE (Kt. Wallis. Bez. Monihey, Gem. 
Troistorrentsi. Alpwcide. S. den Art. Savolayre. 

SIRY oder serey (Kt. Wallis. Bez. Entremont, 
Gem. Bagnes). Im Mittel 2300 rn. Alpweide in einem un- 
regelmässigen, welligen und von zahlreichen Wildwassera, 
die alle dem dem Corbassieregletscher entspringenden 
Bach zufliessen, durchrauschten Thälchen zwischen dem 
Bec de Sery und dem N.-Grat des Grand Layet. Wird von 
Ende Juni bis zum 20. September mit HO Kühen und mehr 
als 400 Schafen bezogen. 15 Hütten und ein Käsekeller. 

StRY (le pu»N DE) (Kt Wallis. Bez. Entremont, 
Gem. ßagnest. Thälchen. S. den Art. Plan de Sery (lei. 




So»«» von \V<-»lon 

SERY (TITA oder TETE A) (Kt. Wallis. Bez. Mar- 
tinach). 2854 m. SO.-SchuIter der Tete Noire ('2885 m) 
an der Walliser Flanke der Waadtländer Alpen. Kann 
vom Col de Feneslral her in einer Stunde bequem er- 
stiegen werden. Besteht wie die Tete Noire und Dent de 
Mordes aus Neokomkalken. 

SES (CRAP) (Kt. Graubünden. Bez. Albula). Felsen- 
schwelle. S. den Art. See* (Chap). 

SE8ANFE (Kt. Wallis. Bez. Saint Maurice). Thälchen 
mit Schafweide. S. den Art. Si sam- e. 

SE8EQLIO (Kt. Tessin. Bez. Mendrisio. Gem. Pedn- 
nate). 286 m. Gemeindeabteilung und Weiler, auf einem 
Hügel mitten in Hebbergen; 400 m ö. der l.andesgrenze 
gegen Italien und 3 km w. der Station Chiasso der Linie 
Bellinzona-Chiasso der Gotthardbahn. Zollhureau. 17 
Häuser, H9kathol. Ew. Kirchgemeinde Pedrinate. Acker- 
und Weinbau, Seidenraupenzucht. 

8ESEQNIN oder 8EZEGNIN(Kt. Genf. Linkes l'fer. 
Gem. Avusy). 420 m. Dorf auf einer Anhöhe rechts über 
der Laire; nahe der Landesgrenze gegen Frankreich, 12 
km sw. Genfund 1.5 km sso. der Haltestelle Athenaz der 
elektrischen SlrassenbahnGenf-Chancy. /.ollhureau, Tele- 
graph. Telephon. 53 Häuser, 222 kathol Ew. Kirchge- 
meinde Avusv. Weinbau. Brücke über die Laire. Als an- 
lässlich des Kapoleonhandels, der 1838 zu einem Bruch 
zwischen der Schweiz und Frankreich führen zu wollen 
schien, die Grenzkantone militärische Massregeln ergrif- 
fen, stellte Sesegnin zwei Soldaten und einen Korporal. 
Dieses mehr als bescheidene Kontingent ist seither in Genf 
sprichwörtlich geworden, indem man im vertraulichen 
verkehr von einem « renforl de Sesegnin » spricht, wenn 
man eine Hilfeleistung bezeichnen will, die ohne jeden 
praktischen Wert iat. (Vergl. darüber Houmieux: >/V- 
nutiret He mon gtmglin. Geneve 1901). 1302: Sizignins; 
13*26: Sizignyns. 

8E8ENOVE oder 8EZENOVE (Kt. Genf, Linkes 
Ufer, Gem. Bernex). 458m. Kleines Dorf 8,5 kmsw. Genf. 
Haltestelle der elektrischen Strassenbahn Genf-Chancv. 
19 Häuser, 82 kathol. Ew. Kirchgemeinde Bernex. 1250: 
Chtsinova. 

SESlAJOCH (Kt. Wallis. Bez. Visp). 4424 m. Glet- 
scherpasa zwischen der Parrotspitze unu der Signalkuppe 
(oder Punta (inifettil im Monte Bosainassiv. Verbindet 



Zermatt mit Alagna, wird aber in dieser Richtung kaum 
begangen, da der Abstieg gegen Alagna sehr steil und ge- 
fährlich iat. Der sehr schwierige Aufstieg vom italieni- 
schen Alagna her erfordert 11 bis 12 Stunden, während 
der Abstieg nach dem RilTelberg (Station der Gornergrat- 
bahn) in 4 Stunden bewerkstelligt werden kann. 

8E88A (Kt. Teasin, Bez. Lugano). 396 m. Gem. und 
Pfarrdorf, 5 km nw. Ponte Iresa und 2 km nö. der 
Station Cremenaga der Linie Ponte Treaa-Luino. Postab- 
lage, Telephon ; Postwagen Lugano-Sessa. Zusammen mit 
Beredino, Bonzaglio, Costa, Lanera und Suino : 149 
Häuser, 625 kathol. Ew. ; Dorf: 76 Häuser, 326 Ew. Acker- 
bau und Viehzucht. Weinbau ; Zucht der Seidenraupe. 
Periodische Auswanderung der Männer alu Maurer. Hand- 
langer, Maler, Gipser etc. in die übrigen Kantone. Knaben- 
sekundar- und Zeichenschule, Kletnkinderschule. Ge- 
nossenschafts-Molkerei. Das sehr alle Dorf steht auf einer 
kleinen Anhöhe n. über dein Prati Vergani genannten 
schönen Wiesenplan, auf dem man um die Mitte des 19. 
Jahrhunderts Torfge wonnen hat. Alte Kirche mit schonen 
Stukkverzierungen. Heimat des Kdelgeschlechlesderer von 
Sessa. dem der 1391 gestorbene Bischof Hein- 
rich II. von Como angehorte. Die Kapelle des 
h. Carpophorus steht auf den Buinen der 
ehemaligen, den Herren von Hohensax ge- 
hörenden Burg. 

SES8AQIT (Kt Graubünden. Bez. Inibo- 
den). 2003 m. Gebirgswall und Höhe der breiten 
Felsennische zwischen Muotta Sura (dem SO.- 
Ausläufer der Kette Hingelspilz-Moorkopf-Crap 
Matta) und dem Kunkelspaas (1351 m). am 
Gehänge über Tamms und 2 km w. vom 
Kunkelspass. Im W. des Sessagit Iiiesst der 
reissende Bach des Lawoitohels. Am Nischen- 
rand dieser Seite ragt hart unter der Höhe der 
«Obelisk«, ein isolierter Eelskegel. auf. Hier 
biegt der felsige Band der Nische nach SO um. 
um seine Fortsetzung in dem nur 1,8 km von Tamins ent- 
fernten Vogelstein (1530 im zu finden. An der 0. -Seite der 
Nische führt durch ein Kamini« Sealarippi ») des Bergwalles 
ein Pfad hinauf in die Alp • L'eberauf » am KunkeNpass 
und in die n. vom Sessagit sich ausdehnende Grossalp. 
die wie jene zu Tamins gehört. Unter dem felsigen Halb- 
rund liegen der Schwarzwald und der tiefe grüne Kessel 
des Girsch hinter Tamins. Durch dienen letztern sind in 
vorglazialer Zeit die Felssturzmassen aus den Nischen 
des Sessagit (Bruchrand derselben deutlich sichtbar) und 
der Kopp» untermKunkelspass heruntergeschlagen worden, 
die bei Tamins und in der Hugellandst-haft Iis Aulls im 
Stromwinkel zwischen Hinlcrrhein und dem vereinigten 
Rhein sich ausbreiten und hier z. T. von Grundmoräne 
umrandet oder mit erratischen Blocken belegt erscheinen. 
Der Sessagit und Kunkelspass gehören ganz der Oberjura- 
formalion an, welche auch das fast ausschliessliche Ge- 
stein der Sturzmassen bei Tamins und Beichenau lieferte. 
Ein mächtiges Trümmerstück von Dogger in der Land- 
schaft II» Aulls scheint vom Vogelstein herzustammen. 

SESSELKOPF (Kt. Graubünden. Bez. I'nter Land- 
quart). 1028 m. Unbedeutender bewaldeterllügel,2 km nw. 
über Untervaz am Abhang gegen Zweienspitz und Kamin- 
spitz im n. Ausläuler des Calanda. 

SESSLER (Kt. Zürich, Bez. Borgen, Gem. Kilchberg i. 
470 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km s. der Station Bendli- 
kon-Kilchberg der linksufrigen Zürichseebahn (Zürich- 
Horgcn-Wädenswil). 33 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Kilchberg. Wiesenbau. 

SES8LINEN I Kt. Graubünden. Bez. Unter Land- 
quart. Kreis Fünf Durfer, Gem. Haldenstein). 1580 m. 
Alpweide mit Hüllen und Ställen, am O.-Hang des Ca- 
landa 2.3 km nw. Ilaldenstein. 

8E8VENNA (Kt. Graubünden. Bez. Inn. Kreis Unter- 
tasna. Gem. Schuls). 2093 in. Alpweide, am rechtsseitigen 
Gehänge des Val Sesvenna und am S.-Hang der Parsits 
Seavenna ; 9 km sö. Schuls. 

8E8VCNNA (FUORCLA) (Kt. Graubünden, Bez. 
Inn). Etwa 2830 m. Passübergang 2 km nnö. vom stark 
vergletscherten Piz Sesvenna in der Ofenpassgruppe. 
Leitet von Scarl durch Val Sesvenna in nö. und n. Rich- 
tung nach der Schlinigeralp über der schweizerischen 
Landesgrenze, nach Sursass und auf den Munt Schlingia 



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SKS 



SET 



515 



nuT Schweizer Gebiet, oder direkt nach NO. zur Pforz- 
heimerhülte des Deutschen und Oesterreich im/ hm Alpen- 
verein» c2£0m) im osterreichischenSchlinigthalund von da 
in sö. Richtung hinunter nach Schleis, Laalsch und Glums 
oder Mals. Aufstieg von Scarl bis zur Passhöhe etwa 3 
Stunden und von da hinüber nach der Pforzheimerhütle 
sine weitere Stunde. Die Passhohe liegt in Sesvcnnagranit. 

8IBVENNA <PARAITS)(Kt. Graubünden, Dez. Inn). 
Etwa 3U00 m. NO. -Grat des Piz Madlain in der Sesvenna- 
gruppe, die sich no. vom Scarl- und Avignathal ausbreitet. 
Im O. liegt das wilde Pelsentohel des Val dell'Aua, das 
zwischen den Gletschern des Piz Lischanna und PizCornet 
seinen Ursprung nimmt, sich nach S. wendet und auf 
der Alp Sesvenna zum Sesvennathal sich öffnet. Bie 2 km 
langen, wilden Gralwände der Parsits Sesvenna kehren 
ihren Steilabfall der Alp Ses\enna zu und weisen zwi- 
schen ihren Felsgesimsen einzelne Grasbänder auf. Sie 
bestehen aus llauptdolomit und ganz in der Höhe aus 
Sieinsberg- oder Liaskalk und dunkeln Liasscliiefern, 

8K8VKNNA(PIZ)(Kt. Graubunden. Dez. Inn). 3221m 
(nach der neuesten Karle 3207 m). Gipfel auf der Landes- 
grenze gegen Oesterreich, zwischen dem Scarl- und dem 
österreichischen Avignathal ; w. vom Montpitschen oder 
Maipilsch «3162 mj, sw. vom Tollerkopf (2892 m\ s. der 
Fuorcla Sesvenna und B. der Cruschetta (oder Scarljochl). 
Stark vergletscherter Bergstock, dessen Gipfel entweder 
von Scarl her oder von der Pforzheimerhütle des Deut- 
schen und Oesterreich ischen Alpenvereins {2250 ni ) im 
Hintergrund des österreichischen Schlinigthales (in 3' 
Slundenj erstiegen werden kann. Der Aufstieg vom Alpen- 
dörfchen Scarl aus durch die Alp Sesvenna und dann 
über Geröll und ein Schneefeld ist in 4 Stunden leicht 
zu bewerkstelligen. Grossartige Fernsicht. Seltene Alpen» 
pflanzen, wie z. B. Primula gtutmosa, die hier ganze 
Wiesen bildet. Der Sesvennastock besteht aus Granit und 
Granitgneis Jener überwiegt bei weitem, ist weisslich- 
grau gefärbt und enthält Feldspalkristallc von bis zu 5 cm 
Lange. Im Gneis sind diese Krislalle infolge des Geb irgs- 
druckes zu grossen Linsen gequetscht worden (Augen- 
gneis). Die Gneisgesteine des Sesvennaroassives erscheinen 
durch komplizierte Faltung und Ueberschiebung noch als 
kleine Kappen auf den hintern Spiujen des Piz S. Jon 
und Piz Lwcharina, wo sie in spärlichen Besten verkehrt 
auf den Kalksedimenlen ruhen. 

sesvenna (V ADR ET) (Kt Graubünden, Bez. Inn). 
3200-2700 m. 1.6 km langerund im Maximum 2,2 km 
breiler Gletscher am N.- und NW. Hang des Piz Ses- 
venna. Er bildet zusammen mit dem Vadret Lischanna 
das grösste Eisfeld der rechtsseitigen Gebirge des Unler 
Kngadin und übertrifft ihn zwar an Breite, erreicht ihn 
jedoch nicht an Länge. Die stärkste Böschung liegt unge- 
fähr in der Mitte, wo von S. her Granitrifle aus dem Eise 
hervorstechen. 

SESVENNA<VAL)<Kt. Graubünden, Bez. Inn). 2800- 
1813 m. Oestl. Seiteulhal des Scarlbaches ; entspringt am 
Gletscher des Piz Sesvenna und wendet sich zuerst nach 
W , dann nach SW., um bei Scarl (1813| ins Hauplthal 
auszumünden. Der w. verlaufende obere Teil ist 3,5 km, der 
sw. gewendete unlere Abschnitt 2.8 km lang. Das Gesamt- 
gefälle beträgt 11,4 %. In der Mitte verbreitert und ver- 
flacht sich das Thal zur Schulser Alp Sesvenna (2093 m), 
zu welcher auch die Alp Maraneun (23il m) im obern, 
neuerdings verbreiterten Thalkessel gehört. Auf der 
Zwischenstrecke reichen von N. her die Hänge des mäch- 
tigen und wilden Felsenplateaus des Gornet, der Vorstufe 
des .'103H m hohen Piz Cornet, herah. v». ihrem! im Hinter- 
grund auf der N. -Seite des Thaies der Piz Cristannes 
(3120 m) emporragt. Der Vordergrund zeigt noch auf 
beiden Seiten Waldbckleidung, die dann am rechtsseitigen 
Thalgehänge bald ganz aufhört, während sie links bis 
unter die Alp Sesvenna heraufreicht. Die letzten kleinen 
Waldreste auf dieser Seite und im Thälchen überhaupt 
sind bei Marangun zu treffen. Auf der Alp Sesvenna 
mündet das an der W.-Seile des Piz Cornet entstehende 
und von N. kommende Val dell'Aua, durch dessen felsige 
und schuttige Furche man auf den obersten Band des 
Lischannagletschers hinaufsteigen kann. Durch eine von 
diesem Tobel nach O. abzweigende Furche gelangt man 
auf die Fuorcla Cornet (2849 m), während die Fuorcla 
Sesvenna von Scarl her in nö. und n. Richtung zur 



Schlinigeralp oder zur Pforzheimerhüttehinüberleitet. Dan 
landschaftlich, botanisch und geologisch hochinteressante 
Sesvennathal verläuft in Sesvennagranit und -gneii» 
(Augengneis), die im obern Teil und auf der linken Seite 
des Aufgangs zum Scarlbach verbreitet sind, während 
dazwischen Verrucano und alpiner Muschelkalk über den 
Bach setzen. Die hohem Gehänge am Cornet, Mot und Pi/ 
Madlain bestehen ausTriaakalken und -dolomiten (alpinern 
Muschelkalk. Arlbergdolomit, Oberer Bauhwacke odei 
Baibierschichten und llauptdolomit), die zu oberst teil- 
weise von Juraschichlcn überfallet und üherschoben sind. 
Die Spitze des Piz Cornet endlich ist aus Gneis und grü- 
nein Quarzporphyr aufgebaut, die von O. herübergescho- 
ben erscheinen. Das Val Sesvenna sah einst Bergbau aur 
silberhaltigen Bleiglanz. Reste alter Gruben sind hinter 
der Sesvennaalp *. vom Cornet erhallen, und das Gruben- 
haus o. vom Wasserfall von Cornet wurde zuletzt noch 
bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts benutzt. 

8 £ TA (Kt. Graubünden, Bez. Plessur). 2218 m. Süd- 
lichste Vorhöhe des vom Matllishorn (2464 in) in der Hoch- 
wangketle gegen Langwiea hinstrebenden Grates ; 1,8 km 
s. vom Matlli«horn und 1.9 km nö. über dem Dorf Lang- 
wics. Im O. Messt der Fondeierbach. Bildet einen überall 
begrünten und in der Hohe sanft geformten, hüb- 
schun Aussichtspunkt und besteht au» grauem Bundner- 
schiefer. 

SETH, romanisch Siath (Kt. Graubünden. Bez. Glen- 
ner, Kreis Ruis). 1291 m. Gem. und Pfarrdorf am links- 
seitigen Gehänge des Bündner Oberlandes iVorder- 
rheinlhalt)). w. über über dem Sclherlobel und 5 km nw. 
der Station Ilanz der Oberlandbahn (Chur-ilanz). Post- 
ablage. 45 Häuser, 185 kathol. Ew. romanischer Zunge. 
Wiesenbau und Viehzucht. Beim Dorf die alte Burgruine 
Friedberg. Im 11. Jahrhundert: Sepie. 

SETHER BERGK (Kt. Graubunden, Bez. Glenner, 
Kreis Ruis, Gem. Seth). 1700 m. Wiesen und Alpweide, 
am N. -Hang des Vorderrheinlhales und nahe den Quellen 
des bei Ruia in den Vorderrhein mündenden Baches. 1,7 
krn nw. Seih. 

8ETHERFURKA (Kt. Graubünden, Bez. Glenner). 
2611 in. Passübergang, der vom Panixerpass her zwischen 
dem Botstock und Vorab zur Buscheineralp hinab und 
durch das Sethertobel nach Banz hinausführt (Elm im 
Kanton Glarus-Panixernass-Setherfurka-Ilanz 9 Stunden). 
Der Prad zweigt vom Panixerpass beim fSeeli» ab und 
leitet in ö. Dichtung zur Passhöhe, dann so. am Crap 
Ner (2618 m) vorbei zur Buscheineralp hinunter. Gilt 
als beschwerlich. Das höchste Formationaglied an der 
Selherfurka ist Verrucano, der in verkehrter Schichtfolge 
auf Dogger oder Malmkalk liegt iGlamer Doppelfalte oder 
Glarner Ceberschiebungi. Der Malmkalk der Gegend lie- 
fert Versteinerungen. 

s et hertobel (Kt. Graubünden. Bez. Glenner). 
2600-750 m. Linksseitiges Nebenthal zum Vorderrheinthal : 
beginnt s. unler dem Vorabstock derTödigruppe (Glarner- 
alpen.i und wendet sich nach S.Sein Bach tiiesslSOOiiiö.am 
Dorf Seth im Bündner Oberland vorbei und vereinigt 
sich 600 m sw. Schnaus mit dem Vorderrhein. Das Thal 
geht dem Panixerthal und Schleuisertobel ziemlich parallel 
und hat vom Vereinigungepunkte der zahlreichen Quell- 
bäche auf der Alp de Buschein eine Länge von 5,5 km, 
sowie ein Totalgefälle von 1087 m oder 19,7%. lieber 
dem O.-Hang breiten sich die Alp la Motta, Alp de 
Schnaus und Alp Dadens de Ijidir, im Hintergrund die 
Buscheineraip und auf der W. -Seite die Alpen von Seth 
und Ruis aus. Der Wald zieht sich aus dem Vordergrund 
von Schnaus an auf beiden Gehängeseiten, wenn auch 
nicht ununterbrochen, bis über die Alp von Seth in eine 
Hohe von fast 1800 m hinauf. Das auch Val Gula genannte 
Sethertobel steigt steil in verschiedenen Stufen auf. trägt 
aber keinen wilden Charakter und weist wenige Fels- 
schluchten auf Oberhalb Schnaus beginnt sein zum Rhein 
vorgeschobener Schuttkegel, auf dem das Dorf Schnaus 
selber liegt. Der Bach führt dem Bhein eine ansehnliche 
Wassermasse zu. Der vom Vorabstock, Crap Ner und 
Crap Maaegn umrahmte wilde Hintergrund erscheint in 
zahlreiche kleinere Schluchten verästelt. Aus ihm führen 
die Sagenserfurka (2385 m) nach O. zum Ursprung des 
Laaxertobels (Alp von Sagen») und die Selherfurka (2811 ml 
nach W. auf den Panixerpass hinüber. Das ganze Thal 



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SET 



SEV 



ist in Verrucano eingebettet-, erst oberhalb der Alp Ru- 
schein beginnen die Jurabildungen. 

8ITMIO Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia, Gero, 
i loglio . 1295 ro. Alp weide und winziger See auf einer 
Erosionsieiras.se am Gehänge des l'izzo Morosciolo 
(2065 in), n. über dem Dort Maggia. 8 Hütten. 

8 E TT t Kt. Graubünden, Uez. Albula). Italienischer 
Name Tür den Septimer. S. diesen Art. 

8ETT IMOTTA DA) (Kt. Graubünden, Bez. Malojai. 
2635 m. NW. -Ausläufer des l'izzo del Sasso im Stock des 
l'iz Lunghino: zwischen dem Lunghinopass. dem Sep- 
timerpass und dem ins Val Marozzo zur Maira hinab- 
stürzenden Alpicellahach. 1,1 km a. der Passhohe des 
Septimer. Am No.-Hang liegt ein winziges Seebecken, 
dessen Ahlluss in die Hochfläche von Pian Ganlcr lunab- 
stroml. Uie von \V., N. und 0. leicht zu gew innende und 
aussichtsreiche Hohe besteht aus grauem Bundiierschiefer, 
Serpentin und Grünschiefern. 

SETT AGIO (ALPE DI) (Kt. Graubünden. Bez. Moesa, 
Kreis Misoxi. 1x78 in. Alpweide im ohern Abschnitt de« 
Val oamba. am NW. -Hang des l'izzo di Settagio. 

SETTAGIO (PIZZO Dl) (Kt. Gr:iubiinden, Bez. 
Moesa . 2482 m. Gren/gipfel zwischen dem Misox und 
Italien, in der Taiiibohornketlc des Adulamassives und 
ii,8 km osö. Loslallo in der Mesolcina. Fällt nach der 
italienischen Seite iVal Pilolerai furclitbar steil ab. wäh- 
rend sich unter den kürzeren Stcilgrälen der W. -Seite 




Seielea gegen den Kalkül». 

die Alpe di Settagio i 1878 ml ausbreitet. Diese Hegt über 
einer langen Felsenslufe der Valle Gamba. welche die 
rauhe und hohe oberste Thalslufe der steilen und durch- 
schluchtelen Valle Montogno. eines linksseitigen Neben- 
thales der Moesa. darstellt. Nahe im NO. des tüpfeln ist 
eine schmale rieliirgslückc eingeschnitten, die man zur 
l'eberschreilung der Grenze und Ersteigung des Berges 
benutzen kann. Geslrinsformalion ist Gneis. 

SETTAG IOLO FUORI lind SETTAG IOLO DEN 

TRO (PIZZO Dl) 'Kl. Graubünden. Bez. Moesa i. 2394 
und 2567 m. Zwei (üjdel an der Grenze von Misox und 
Italien, etwa I und 2,;>kmsw. \om Pizzodi Settagio. I'nter 
dem l'izzo Sellagiolo Fuori liegt auf der Schweizer Seile die 
hintere Alpe di Settagio Ii dl mi am l'rsiirimg der Valle 
(iamba uml w. unter dem Pizzodi Seltagioio Dentro unter- 
halb zweier hohen Felsenslufen im Hintergrund der Valle 
Darbora i eines Seitenthales der Valle Montogno) die Alpe 
di Pozzo il614 in). Die FeDemnulde der Alpcdi Pozzo er- 
hält zahlreiche, über mächtige und steile Stufen herab- 
stürzende IJuellbäche aus der hohem Gebirgsmulde Ure- 
tern, die zwischen dem Settagiolo Dentro und dem R. dat- 
vuri iahenden Pizzo di Grcseui (257H in liegt. Iiier führt 
ein 24*21 m hoher Passubergang nach der italienischen 
Valle Bodengo, während aus der Alpe di Pozzo {und der 
etwas hohem Alpe d'Ogion) ein 2144 m hohes Joch von 
der Valle Darbora zur Valle Gamba hinüber leitet. Auch 
hier ist Gneis die ausschliessliche Gesteinsart und der 
Gharakler der Landschaft rauh, ernst und wild. 

SETZENHORN (Kt. Wallis. Bez. Görna). 3005 in. 
Kndgipfel des vom Wasenhorn in der Gruppe der Galmi- 
huiner nach S. auszweigenden Kammes, der auch noch 
das Risihorn . ;•«<•» im tragt. Das von Gottl. Studer «Auf 
<ler Kuh» genannte Setzenhurn kann von Blilzingen her 
Übet das ltoteSewji in 0 Stunden ohne Schwierigkeit er- 



stiegen werden. Die Siegfriedkarte legt den Namen «Auf 
der Kuh« dem weiter s. gelegenen Punkt 2734 m bei. 

SEUZACH i Kt. Zürich, Bez. Winterthur). 443 m. 
Gem. und Pfarrdorf 4 km n. Winterthur. Station der 
Linie Winterthur- Elzwilen-Singen. Postablage. Telegraph. 
Telephon. Gemeinde, mit Uber und I'nter Öhringen: 152 
Häuser, 805 Ew. (wovon 44 Katholiken); Dorf: 94 Häuser. 
470 Ew. Acker-, Wein- und Obstbau. Im 14. Jahrhundert: 
Soezach, Souzach, Soitzach : vergl. mittellat. sauvia- 
ci4 in = Weidengestrüpp. Der Ort kam mit der Grafschaft 
Kiburg an Zürich und bildete dann einen Bestandteil des 
Innern Amtes der kiburgischen Landvoglei. Seit 1494 ge- 
hörte die Kollatur dem Stadlspital Winterthur und kam 
von diesem 11* 50 an die Begierung von Zürich. Auf einer 
Anhöhe in der Nachbarschaft stand einst die Burg lleimen- 
»lein. 

8EVAZ (Kt Freiburg. Bez. Broyei. 492 in. Gem. und 
Dorf in fruchtbarer und gut angebauter Gegend, 3 km 
sö. der Station Estavaverder Linie Freihurg- Yverdon. 10 
Häuser. 77 kathol. Lw. französischer Zunge. Kirchge- 
meinde liussy. Acker- und Tabakbau. Viehzucht. St. Ni- 
klauskapelle. In «Silva» bestand eine von dem Chor- 
herrenstifl auf dem Grossen St. Bernhard abhängige 
Propslei von 1228 bis gegen Ende des 15. lahrhiinderts. 
105«: Silva; 1230: Selva; 13T<7: Seyva. 

SEVELEN (Kt. St. (iahen. Bez. Werdenberg). 47t m. 
Gern und Pfarrdorfam W.-Band der Ebene des Bhein- 
thales. am Sevelerbach und an der 
Strasse Rorschach-Ghur : 8.5 km n<>, 
Sargans. Station der Linie Itorschach- 
Sargans-Ghur. Postbureau, Telegraph. 
Telephon. Gemeinde, mit Glat. Bans. 
St. L Irich. Sevelerherg und einem Teil 
von Balis : 342 Häuser. 1821 Ew. i wovon 
43 Katholiken); Dorf: 192 Häuser. 1060 
Ew. Ackerbau und Viehzucht, Alp- 
wirlschafl; Holzhandel. Stickerei. Die 
Gemeinde wird vom Werdenherger 
Binnenkanal, dem vom Alvier herab- 
kommenden Sevelerbach und dem 
Sarbarh entwässert. Ziemlich alte 
Pfarrkirche. Im Dorf die Ituine der 
Ilurg Herrenberg, die von Heinrich 
von Montfort, Bischof von Ghur. 1255 
erbaut wurde und um deren Besitz 
Bistum und Bischof sich lange Zeit 
stritten. Eine Zeitlang diente sie auch einem Zweig der 
Grafen von Werdenberg als Residenz. 1208: Sevellun; 
12f>2 : Sevilnu. 

sevelerbach (Kt. St. Gallen. Bez. Werdenberg). 
1600-450 m. Wildbach; entspringt mit mehreren tjuell- 
armen am O.-Hang des Alvier, zwischen diesem (2363 rni 
und der Gauschia (2312 ro), strömt durch waldige 
Schluchten rasch zu Thal, durchmesst das Dorf Sevelen 
und mündet nach 11 km langem Ijnif gegen NO. von 
links in den Werdeiibcrger Binnenkanai. Das Sauitnel- 
gebiel umfasst 17.4 km 1 . Maximale Wasserführung 9,7 m 1 
per Sekunde. 

SEVELERBERO (Kl. St. Gallen, Bez. Werdenberg. 
(lern. Sevelen'. 500-1000 m. Vinn Sevelerbach und Sar- 
bach durchschnittener llerghang w. über Sevelen, am 
liefern Gehänge des Alvier. Wiesen und Wald. 26 llamer, 
129 zur Mehr/ahl reform. Ew. Kirchgemeinde Sevelen. 
Alpwirtschaft, Viehzucht, llolzschlag. 

SEVERY i Kl. Waadt. Bez. Gossonayi. (114 in. dem. 
und kleines Dorf, auf einem. dem Jura vorgelagerten Pla- 
teau und an der Strasse Mi>rges-Le l'oni nie Joux): 7 km 
sw. Gos«unay und 500 in ö. der Station Pampigny-Severy 
der Linie Morges-Apples-L'lsle. Postablage. Telephon ; 
Postwagen Morges Paiupign>. 32 Häuser, 162 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Painpigny. Südl. vom Dorf das um 1790 
neu erstellte Schloss, ehemals Silz der Herren von Se- 
verv. Landwirtschaft. So. vom Dorf nahe Cottens eine 
Mufile. Die Herrschaft Severy gehörte zur Baron ie 
Cossonay und bis ins 15. Jahrhundert dem Ritterge- 
schlecht derer von Siviriez, die sich den Namen 
der Herren von Severy beilegten. Spater t1495) kam sie 
durch Heirat an JeandeMont. Schultheissen von Payerne. 
dann (I548i an den Bitter von Saint Saphorin, Befehls- 
haber von Yverdon zur Zeit der Berner Invasion 1536 . 



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I 



SEV 



SKX 



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nachher bis 1667 an da» Geschlecht de Gruyere d'Aigre- 
inont und endlich bis 1798 an das Geschlecht Charriere. 
Funde von manschen Va*en. Gräbern, Ziegeln etc. In 
den Burgundergräbern von Sevcry hat man Ringe, Perlen, 
verschiedene Schmucksachen mit Inkrustationen. Vasen, 
Münzen etc. gefunden. Kerner kamen eine Lanzenspilze 
aus Feuerslein, eiserne Lanzen uod endlich eine fein ge- 
arbeitete Darstellung von Daniel in der Löwengrube zum 
Vorschein. Karolingernlünzen. 1007 : Syvirie. 1008: villa 
Severiaco; 1228: Syvirier; 1235: Sivrie"; 1377: Sivirier. 

SEVQEIN (Kt. Graubünden, Bez. Glenner). Gein.und 
Dorf. S. den Art. Seewies im Onmi.»Nt>. 

8EVRCU oder SEVIREU (Kt. Wallis, Bez. Entre- 
tnont. Gem. Bagnes). Hochthälchen, das sich n. Fionnay 
in etwa I80Ü m Hohe zwischen der Rogneuse ('2578 m», 
die es vom Val de Louvie trennt, und den es vom Val du 
Crel scheidenden Tetes de Sallau ölfnel. l'mfasst einen 
produktiven und einen öden Abschnitt, von denen jener 
zusammen mit den Hängen überden Maiensässen und den 
Hausern von Fionnav e ne Korporalinm-alp bildet, wäh- 
rend der obere Teil siel, sjeyen den ins Val de Nendaz 
hinüberfahrenden <\r domon (2916 m» hinaufzieht 
und mit Firn- und K;irrenfi-Idcni überdeckt erscheint. 
Kr liegt in 2600-3UOÜ m Hohe zwischen den Felsen der 
Rionde (3007 m> einerseits, sowie der Rosa Blanche 
(3348 m) und dem Harrain (32Ö2 m) andrerseits. Der das 
Thal entwässernde Wildhach. Diure de Sevreu genannt, 
bildet mit einem seiner Quellarme einen kleinen See. 
dessen Ablluss sich mit einem sehr hübschen Wasserfall 
aber eine Kelsenschwelle stürzt. Im unter« Thalabschnitt 
ist der Bach teilweise abgelenkt worden, so rfass er sich 
jetzt zu dem das Dorf Fionnay beherrschenden Felskamm 
wendet, uber den er sich in 300 m hohem künstlichem 
Fall bis zu den Hotels hinunterstürzt. 

SEVREU oder SEVEREU (COLI DK) (Kt. Wallis. 
Bez. Kntremont). 3201 m. Zwei benachbarte und parallele 
Passe im Kamm mvim-ihmi uVr l'.osa Manche <3Htt< mi und 
dem Parrain \'.i-Ü'rZ m . Verbinden Fionnay über den Gla- 
cier de Sevreu ihm) drii ( il.n u r des i.coulaies mit Praz- 
long im Val d'Heivinrnrc. Atif-'ieg von Fionnay über die 
Alpe de Sevreu in 5 Stunden. Abstieg nach Prazlong in 
3' 4 Stunden. Zum erstenmal 1865 überschritten. 

SEVREU oder SEVEREU (QLACIER OS) (Kt. 
Wallis. Bez. Kntrenmnl . 32UO-30OI m. 5011m langer und 
1 km breiler kleiner lllelsi/her. am W.-Hang de» von den 
beiden CoIb de Smrru nhcrsHmitcnen Kammes zwischen 
der Bosa Blanche uud dem Parrain und am Weg von 
Fionnay über diese Passe nach Prazlong im Val dHere- 
mence. 

• EWELEN oder 8EEWLEN (Kt. Bern. Amtsbez. 
Nieder Simmenlhal. Gem. Krlcnbach). 723 m. Gruppe 
von 7 Häusern, am rechten Ufer der Simme und 2 km 
w. der Station Erlenbach der Montreux-Oberlandhahn. 
Wiesenbau. So. davon mündet der kleine Ablluss des 
EgelseeM in die Simme. 

8EWELEN (Kt. Bern. Amtsbe/. Ober Siir.menthal, 
Gem. Lenki. Alpweide. S. den Art. Seewi.en. 

SEX, 8CEX, «IX, SA 88 ET, 8AIX und SIAIX 
in den Waadtländer und Walliser Alpen. CHEX und 
CM ET in ilen Freiburger Alpen. Sehr h.iullge geogra- 
phische Namen, vom latein. xasum = Fels herzuleiten. 
Orthographisch richtig ist daher « Sex », während die in 
vielen Karten sich findende Schreibweise «Scex» über- 
flüssig schwerfällig erscheint. 

SEX(EN)(Kt. Waadt. Bez. Aigle. GemOlUmi. Hütten. 
S. den Art. Essex. 

SEX (GROS) (Kt. Waadt, Bez. Aigle). Ktwa 1600 m. 
Gipfel in dem vom Gol des Ghamois (26ti6 mt zur Pierre 
{"•bolz ziehenden Kamm. An den Hängen llndet man viel 
Edelweiss. Kann von Les Plans de Frenieres her in 5 
Stunden bestiegen werden, erhält aber nur selten Besuch. 
Auf der Siegfriedkarte unbenannt und ohne Hohenkote. 

SEX (NOTRE DAME DU) (Kt. Freiburg. Bez. 
Vevevse. Gem. Chätel Saint Denis». Kapelle auf einem 
Felsk'opf der Denis de Corbetlaz und über Fruence. S die 
Art. Giiatm. Saint Denis und Fiu knce. 

• EX (NOTRE DAME DU) (Kt. Wallis. Bez. Saint 
.Maurice. Gem. Vdrossazi. 543 m. Kinsiedelei in einer der 
Felsnischen, die die hohe Felswand der Fingles über Saint 
Maurice in wagcrechten Streifen durchziehen, 100 m über 



der Ebene und etwa 120 m unter dem obern Rand der 
Terrasse von Verossaz, die diesem Felsabsturz aufge«etzl 
erscheint. 20 Minuten w. der Station Saint Maurice der 
Simplonbahn. Auf einem Weg zugänglich, der s. der ehe- 
maligen Stadtmauern vom Chemin de« Gases abzweig t und 
teils über Treppenstufen, teils den Felsnischen folgend 
die Wand erklettert, wobei er mit den Stationen des 
Leidensweges Christi geziert ist. Die Gründung der Ein- 
siedelei wird dem in Grenoble um 570 gebornen Saint 
Am«? zugeschrieben, der von seinen aus Romerblut stam- 
menden adeligen Eltern schon in frühem Alter der Abtei 
Agaunum übergeben wurde und sich dann, seinem Hang 
zur Einsamkeit folgend, in diese Felseinsiedelei zurück- 
zog, wo er von den Mönchen mit Nahrung versorgt wurde 
und im Jahr 627 starb. Die sorgffdtig unterhaltene Kin- 
siedelei besteht aus einer Kapelle voller Ex volo-Gabcn. 
hinter welcher eine frische Quelle «prudi 1t, und einem 
heute nicht mehr bezogenen Pavillon, der dem Einsiedler 
als Wohnung diente. 

SEX (PORTE DU)(Kt. Wallis, Bez. Monihey). S. den 
Art. PoliTE uv Sex. 

SEX (ROCMERS DK LA PORTE DU) (Kt. Wallis, 
Bez. Monthevj. S. den Art. Pukte in Sex. 

SEX (VERS LI, BOUS LI, ENTRE DKUX, 
SUR LE, COMBE DU). Im Thal der Ormonts häufig 
vorkommende Ortsnamen für Häuser und Hütten, die 
nahe einem weithin sichtbaren und als Orientierungs- 
punkt dienenden Felskopf stehen. Solche Hütten sind 
meist isoliert oder dann zu kleinon Gruppen vereinigt. 
Sellener findet man derart gelegene und benannte Ein- 
zelsiedelungen auch im Thal von l.es Plans des Krenieres 
und in der Umgebung von Gryon. 

SEX A L'AlQLE (ROÖHER und SENTIER 
DU) (Kt. Waadt, Bez. Aiglej. Felswand aus Neokom- 
kalken. an deren Fuss in 1172 m der im Sommer stark 
begangene Weg von Les Plans de Frenieres nach Gryon 
hinfuhrt. 20 Minuten nw. Les Plans und 50 Minuten so. 
Gryon. Bildet den letzten w Ausläufer den Kammes von 
BoVonnn/ und . Hn-bt sidi unmittelbar uber Frenieres. 

SEX BLANC kl Wa.idi, Bez. Aigle. Gem. Ormont 
Dessusi. IM10-141I in. I-Vl<»w:ind aus Gips: am linken 
l'fer de- uns <Iit ringt'bunf,' des Lac Rettau herabkommen- 
den Baches, links der Strasse Les Diablerets-Gol du 
PilluD, nahe dem Pont Burauin und V, Stunde 6. vom 
Poslhureati Les Diablerets. Der «Kemme de Lot» ge- 
heissenc Doppelmonolilh wird jetzt durch die Strasse 
vom Hauptkorper des Felsens abgetrennt. Im März blüht 
hier in Masse die rote Heide {Krica carnea). 

SEX BLANC (Kt. Waadt, Bez. Aigle. Gem. Ormont 
Dessus). 1400 in. Leber einem Tannenwald aufragende 
Felswand am S. -Hang des Ghaussy. Beherrscht die Hütten 
von Les Grangettes und einige' Häuser des Weilers Lc 
Hose*, «lie 20 Minuten vom Postbureau Vers l'Eglise ent- 
fernt sind. Eine am S.-Fuss Belegene Hütte trägt eben- 
falls den Namen Sex Diane, und mehrere andere zerstreute 
Hütten werden nach dieser ihrer Lage Vers le Sex ge- 
heimen. 

SEX BLANC (Kt. Wallis. Bez. Harens). Gipfel. S. 
den Art. Akzinoi. tPic i»'i. 

SEX BLANC oder BLANBEX (Kt. Wallis. Bez. 
Montheyl. 17S6 m. Kleiner Gipfel in dem den Vallon ile 
Vernaz vom Thälchen von Savalcna/ trennenden Kamm ; 
über den Hü'ten von Savalenaz und 2 Stunden wnw. Re- 
vereulaz oh Vionnaz. Besicht aus Jurakalken. In der Nähe 
hat man unter dem dem Vallon de Vernaz. zugekehrten 
Kamin in den jurassischen Mytilosschiehtcn (Bathonien) 
nach Kohlen zu graben versucht. 

SEX BLANC oder BLANSEX (PETIT) (Kt. Wallis, 
Bez. Monihey ). 1613 m. Vorschnlter der Morlenue*. über 
welche sie mit «lern Sex Blanc (1786 m) in Verbindung 
stehen. I 3 /, Stunden nw. über Reverculaz. 

SKX BOVAT (Kt. Wallis. Bez. Montl.ey). 400-750 m. 
Felswand mit bizarrem Zackenrand ; unmittelbar sw. über 
der Porte du Sex und gegenüber Ghessel. Beherrscht die 
Ebene der Rhone zwischen Vouvry und der Porte du 
Sex. Liaskalk. 

SEX DK LA CALAZ oder SEX DE LA CALL.AZ 
(Kt. Wallis. Bez. Monthev). 2176 m. Südl. Vorher« de, 
Rochers de Ghaudin (auch Progelan oder Boche ä Gilland 
genannt ; 2281 m). die selbst wieder dem Gipfel der Gor- 



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518 



SKX 



SEX 



nette» <ie Bise '2 137 m) nach 0. vorgelagert sind. Nahe 
dem Col de Vernaz, wenige Minuten über der Hütte von 
La Calai und 3 Stunden über Miex gelogen. 

8>x DK LA CAU (Kt. Wallis, Bez Saint Maurice). 
Etwa 900 m. Felskopf 10 Minuten ö. Salvan. Wird von 
den Kurgästen von Salvan gerne besucht, da er einen 
schönen Blick in die hier nahezu 250 m lief eingeschnit- 
tene Schlucht des Trient bietet. 

8CX DK LA GROSSE LARZE (Kt. Wallis. Bez. 
Saint Maurice). 1300 m. 80 m hohe Felswand, V» Stunde sw. 
Finhaut. Wird von der Bahnlinie Salvan -Le Chätelard 
iraversiert und in zwei Tunnels unterfahren. Ueber der 
Wand stehen die Hütten von Lea Chevres. Ausflugsziel 
der Kurgäste von Salvan. Der Name bedeutet • Felsen der 
grossen Lärche » und bezieht sich auf einen heute nicht 
mehr vorhandenen bemerkenswerten Baum. 

SEX DE LA SARSE (Kt. Waadt, Bez. Aiglei. 
1629 m. Felskopr am SW.-Ende des von der Tour d'Ai 
nach W. abzweigenden Kammes, der am N. Hang die 
Alpweide Lea Agittes trägt und südwärts zum Bhonethal 
/wischen Hoche und Y vorne abstürzt. Dem Furb der SW.- 
Wand folgt ein ziemlich schwindliger Pfad, Sentier de 
la Sarse genannt, der Corbeyxier in IV. Stunden direkt 
mit der Alpweide I-a Sars« auf dem Plateau von Les 
Agitlea verbindet. 

SEX DE LA VBLLA oder SEX DE LA VILLE 
iKt. Wallia. Bez. Saint Maurice). Ktwa 1280 m. Felshohe, 
5 Minuten über den Hütten von Planajeur ob I.es Mar£- 
colles und 1 Stunde so, Uber Salvan Ville. von woher er 
sichtbar iat. Auablick auf den Gipfel des Mont Blanc 

SEX DE MAREN DA ( Kt. Wallis, Bez. Sidersl. Gipfel. 
S. den Art. Mähend* (Sex de). 

SEX DE VEILLEN (Kt. Wallis. Bez. Montheyi. 
1000 m. Bewaldeter Felssporn .im O.-Ende der das Thal- 
chen des Avanvon vom \allon de la Vernaz trennenden 
Kette ; ssw. Uber Vouvry. Tragt auf seinem Bücken die 
Alpweide Chamoain. 

SEX DES BR ANLETTES i Kt. Waadt. Bez. Aigle). 
Etwa 2450 m. N. -Schulter der Pierre Ca bolz im Gebirgs- 
stock des Grand Muveran. Wahrscheinlich noch nicht 
bestiegen. Auf der Siegfriedkarte unbenannt und 'ohne 
llohenkole. 

SEX DES ORANGES iKt. Wallia. Bez. Saint 
Maurice). Gipfel. S. den Art. Gbanc.es (Sex des». 

•EX DES MONTUIRES (Kl. Wallis. Bez. Saint 
Maurice). Giprel. S. den Art. Six des Montiirf.:«. 

•EX DES NOMBRIEUX (Kt. Waadt. Bez. Aigle I. 
Gipfel. S. den Art. Nombrih x (Sex des». 

SEX DES PACCOTS (Kl. Waadt. Bez. Aiglei. Gipfel. 
S. den Art. Paccots (Sex i»s). 

•EX DBS PARIS ES FEE8 (Kt. Waadt. Bez. 
Aigle). Gipfel. S. den Art. Parks ks Fees (Sex DE-s). 

SEX DES PLACETTES (Kt. Waadt, Bez. Aigis). 
Gipfel. S. den Art. Pi.acettes (Sex desi. 

SEX D'ETRUEX oder SEX DE TRUEX iKt. 
Waadt. Bez. Aigle). Ktwa 1780 m. Zum grossen Teil mit 
Gestrüpp bewachsener Felsen, n. Ausläufer von Sur Truex 
und zwischen dem Col de la Pierre du Moucllc* und der 
Alpweide d'Argnaulaz, von deren Hütten her er in einer 
Stunde bequem erreicht werden kann. 

•EX DU COEUR oder POINTE D'ARVOUIN 
(Kl. Wallis. Bez. Monihey}. 2023 m. Gipfel auf der Landea- 
grenze gegen Savoyen; zwischen dem Col de Vernaz und 
dem Col d'Arvouin (oder Col de Savalenaz) und am W.- 
Ende der den Vnllonde Vernaz vom Thälchen des Avancon 
trennenden Kette. Kann von Bevereulaz her über Sava- 
lenaz und den Col d'Arvouin in 3 Stunden bequem 
erstiegen werden. Ileisst auch Sex du Vernaz. Oberer 
Jurakalk auf Mylilusschichlen des Dogger und aufl.ias 

SEX DU FOUX (Kt. Wallis. Bez. Conthey». 2560 m. 
Gipfel unmittelbar überden Hütten von Kn Fleuria; weist 
auf einer seiner Schultern einen merkwürdig geformten 
und stark hervortretenden Felszacken auf. der den meisten 
der vom Sanelschpass nach Gateig hinuntergehenden 
Touriaten in die Augen stiehl. Der Gipfel ist wahrschein- 
lich von den Hütten von En Fleuria aus in etwa 2Slunden 
erreichbar. Vergl. den Art. r'oix iSex du). 

SEX DU LERN AN (Kt. Wallis. Bez. Saint Maurice). 
Gipfel. S. den An. Grand' Trtk. 

•EX DU SERE (Kt. Wallis. Bez. Saint Maurice). 



Etwa 1 150 m. Schoner Aassichtspunkt, nahe den Granges 
de Salvan und V» Stunde nw. über Salvan. So benannt 
nach seiner Form, die den im Wallis fabrizierten und 
Sei »» oder Slrac genannten Käsen ähnlich ist. 

SEX MBLLV (Kt. Waadt, Bez. Aigle). 2236 m. Ge- 
zackter Gipfel in der Kette der Pare de Marnex oder Tor- 
nettaz, zwtschen der Pointe des Semeleys und der Pointe 
de Chatillon (oder L'Homme de Prax Cornet). Kann vom 
Col de la Gau 16 (oder Col de la Gueulaz) in 10 Minuten 
und von Vers l'Egliae her über die Hütten von La 1-ex in 
3 Stunden bequem erreicht werden, erhält aber nur selten 
Besuch. Schöner Blick auf den Lac Lioaon. 

SEX MORT oder TOTHORN (Kt. Bern und Wallis). 
2942 m. Gipfel im Kamm zwischen dem Mont Bonvin und 
dem Hawil Weisshorn (2953 m). s. über dem Gletscher 
der Plaine Morle. Kann von der Wildstrubelhütte her in 
einer Stunde leicht erreicht werden. Sehr schöne, at>er 
durch den Mont Bonvin eingeengte Aussicht. 

sex mos SAR D (Kt. Waadt, Bez. Pays d'Enhaut). 
Gipfel. S. den Art. Mo-sard <Sex). 

sex MOURI (Kt. Waadt. Bez. Aigle). Gipfel. S. den 
Art. Mono (Sex). 

SR X PER CIA (Kt. Waadt, Bez. Aigle). Gipfel. S.den 
Art. Perce (Hoc). 

SEX 9 (JE PLIAU (Kt. Waadt. Bez. Vevey!. Etwa 
800 m. Felswand am linken Ufer der Baye de Ciarens, 
nahe den Höfen von Tnomex und unweit des Viaduktes 
der elektrischen Bahn Vevey-Blonay-Chamby ; 35 Minuten 
ono. Brent. Ausflugsziel der Bewohner von Vevey und 
I Ciarens. Besteht aus Kalktuff mit inkrustierten Schalen 
und Blättern von rezenten Tieren und Pflanzen. Die diesen 
Tuff absetzenden kleinen Quellen sind gleich der in der 
Nachbarschaft entspringenden starken Quelle des Bois 
I d'Enfer stark gipshalt ig. Sex que pliau im Dialekt der 
[ Gegend - + rocher qui pleut • (Regen- oder Hieselfels); 
so benannt nach dem ständig über ihn herunter rieselnden 
Quell wasser. Malerischer Winkel mit im Tulf ausge- 
waschenen Hohlen und Grotten, an die sich verschiedene 
Volksfiberlieferungen knüpfen. 

• EX RIONO i Kt. Waadt, Bez. Aigle. Gem. Ormont 
Dessous«. 1 100-1400 m. Am rechten l'fer de« Huisseati 
des Polles zerstreut gelegene Hütten, Stunden über 
dem Pont de la Tine und V, Stunde sw. La Forclaz. 
Werden nicht ständig bewohnt. 

SEX ROND (COL und PATURAOE Dt) (Kt. 
Waadt. Bez. Pa>s d'Enhaut. Gem. Chäteau d<Ex). S. den 
Art. Seron (Cot. i»e). 

SEX ROUOEoder OROSSA BECCA .Kt. Waadt. 
Bez. Aigle). 2977 m. Gipfel im Bergstock der Diahlerets. 
w. vordem Oldenhorn. Beherrscht mit seinem charakte- 
ristisch gestalteten Horn den Hintergrund des Thaies 
der Ormonts, wol er sich von seiner schönsten Seite 
zeigt. Kann von der Üiableretshülte her in V t und vom 
Postbureau I#s Diahlerets aus in 5V* Stunden erstiegen 
werden. Prachtvoller Tiefblick auf den Felsenzirkus des 
Creux de Champ und das Thal der Ormonts, sowie Aus- 
blick auf einige Gipfel der Penninischcn Alpen. 

•EX ROUGE (QLACISR DU) (Kt. Waadt. Bez 
Aiglei. 2900-2700 m. 2 km langer und 1 km breiter 
Gletscher im Bergstock der lliableret». Wird beim An- 
j stieg auf den Gipfel der Diablerels, das Oldenhorn und 
den Sex Bouge seiner ganzen Länge nach begangen. 3 '; 
Stunden unterhalb seiner Zunge steht die Diableretshültc 
des S. A. C. Wird fälschlich auch Glacier du Hanl ge- 
nannt, welcher Name in Wirklichkeit dem regenerierten 
Gletscher unterhalb der den Eisstrom scharf begrenzen- 
den Felswand zukommt. 

SEX ROUOE i Kt. Wallis. Bez.Conthey). Gipfel. S. de» 
Art. Hol oe (Sex). 

SEX ROUGE (Kt. Wallis. Bez. Conlhev;. 2316 m. 
NW. -Schuller der Pointe de Terre Bouge oder Pointe de 
Barina Neire i2469 m i. die seihst wieder in der Dichtung 
des Col de Cleuson der Cava 1 2614 mi vorgelagert ist. 
Wenig hervorragender Felskopf I Stunde sw. über dem 
Hotel auf dem Sanelsch. 

SEX TREMBLOZ • Kt. Wallis, Bez. Saint Maurice). 
Gipfel. S. den Art. TRtRRi.nz (Sixt. 

SEX VBRET (Kt. Waadt, Bez. Aigle). 1337m. Wenig 
hervortretender Fels in dem Wald am Gehänge des 
Kammes von Les Senglioz und Drausinaz. 3 ! A Stunden s. 



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SEX 



SEY 



519 



l.es Plans de Frenieres und am Weg über den Col de 
Juvernaz. Ausflugsziel der Kurgäste von Les Plans. 

SEX VUILLEME Kl. \\ tili« , Bez. Monthey). 
'2002 in. \V. -Schulter des Mont Gardy (2152 m), zwischen 
diesem und dem w. unter ihr gelegenen Col de Lovenex. 
sowie unmittelbar n. Ober den Hutten von I.'Haut de 
Tanay. Kann vom Lac Tanay über diese Hütten in etwa 3 
Stunden erreicht werden. 

SEXER (GROSSEM und KLEINER) (Kt. St. 
(lallen. Uez. Sargans). 214(5 und 2120 m. Zwei aus l.ias 
bestehende unbedeutende Erhöhungen auf der O. -Flanke 
des Krdisgulmen und des Gulmen 1 2314 m). in der das 
Murgthal im O begleitenden Kelle und 1 km w. über 
den Alphütten von Pursch. In der flachen Mulde zwischen 
dem Kleinen Sezer und dem Gulmen liegt ein kleiner 

8EXMOR Kl. St. (lallen, ßez. Sargans). 2190m. Pels- 
trigfel auf der (). -Seite des Murglhales. in der vom 
Magereu nordwärts gegen den Walensee ziehenden Kelle 
und 4 km sw. über Ober Terzen. Der Gipfel stellt einen 
rauhen und düstern Felslurm dar. der sich steil über der 
AlpSeewen erhebt, und besteht aus Liaa. dessen Schichten 
eine nach NW. geöffnete schone Synklinale bilden. Kr 
kann von der Alp Seewen aus erklettert werden, bietet 
aber Schwierigkeiten. Sezmor oder Saxmor, von »ax — 
Felsen und tnor, lalein. »i<yor. d. h. also « grosser Fels >. 

SEYA <L») (Kl. Wallis. Uez. Martinach). 2183 m. 
Kleiner Malmkalkgipfel an der Walliser Flanke der 
Waadlländer Alpen , n. Vorberg der Grande Garde 
i2IUm): zwischen den Thalchen der Salenze und der 
Louisine. 5 Stunden 



einen kümmerlichen Rest des ursprünglichen Was- 
serlaufes darstellt. Von der Quelle von Villiers bis 
zum Neuenburgersee misst die Länge des Seyon 14 km. 
wo/u noch die oben in der Gombe von Le Päquier ent- 
springenden (Juelladern mit einer Länge von etwa 5 km 
gerechnet werden müssen. Dieser oberste Abschnitt des 
Hachbettes liegt zu gewohnlichen Zeiten trocken, wälzt 
aber hie und da einen wirklichen temporären Wildbacli 
zu Thal, der als l'eberlauf der unterirdischen Wasser 
oder dessen aufzufassen ist, waa der Itoden bei starken 
Regengüssen oder zur Zeit der Schneeschmelze nicht auf- 
zusaugen vermag. Zur llochwasserzeit erhält der Seyon 
neben den beständig (liegenden Quellen auch noch das 
Wasser einer grossen Zahl von temporären Quellen, wie 
z. B. des sog. iTorrenti, der mit mächtigem Schwall 
einer Felswand bei Hombressen entspringt, sowie des 
lemporären Wildbaches von Le Päquier, der sich aus 
den Wildwassern des Perluis, der Gombe Biosse etc. 
bildet. Bei Niederwasser wird der Seyon dagegen so un- 
bedeutend, dass sich sein Wasser schon in der Mitte der 
Schlucht unterhalb Valangin vollständig verliert und nicht 
einmal das 1 km vom See entfernte Thal Yauseyon er- 
reicht, indem dann der jurasaische Untergrund der 
Schlucht das gesamte Wasser aufschluckt, um es wahr- 
scheinlich der Serriere zu gute kommen zu lassen. Her 
sehr unregelmässige und schwankende Wasserhaushalt 
des Seyon ist eine Folge der fortschreitenden Abzapfung 
der Oberflächen wasser durch die Strumquelle der Serriere 
und wurde mit Unrecht den im Val de Ruz gezogenen 
Bewässerungsgraben zugeschrieben, die auf die Wasser- 



Ii 



ISO 000 
t 



Umgrenzung des liniugsgebietes 

der Sern er« 
Umgrenzung des Einiugsgebtctrs 
des Seyon 

o Quell* 

• Temporäre Quelle 
lempor WssserltuF 



nö. über Fully. Mit 
Alpweiden bekleidet. 

SEYON (RI- 
VIERE und GOR- 
OESOUI Kl Neuen- 
bürg. Dez. Val de Buz 
und Neuenbürg i. 840- 
430 m. Wildbach des 
Val de Buz und links- 
seitiger Zufluss des 
Neuenburgersees. 
Entspringt oberhalb 
Villiers im Hinter- 
grund des Val de Buz 
in (iestalt einer klei- 
nen Stromquelle von 
etwa 300-40» Minuten- 
liter Starke, die aus 
dem Porllandkalk der 

Chaumonl flanke 
kommt. Erhält wei- 
terhin das Wasser der 
Quellen des Pro Boyer 
und zahlreicher wei- 
terer kleiner (Juellen 

und Bewässerungs- 
graben des ganzen Val 
de Buz. dessen Boden 
mit Tertiär und leh- 
miger Moräne ausge- 
kleidet ist. Der letzte 
nennenswerte Zulluss 
des Seyon ist die von 
rechts kommende und 
bei Valangin (653 m) 
mundende Sorge mit 
einer Wasserführung 
von 15 20 Sekundeii- 
litern. Das Sammel- 
gebiet des Seyon wird 
vom mittleren Ab- 
schnitt des Val de 
Buz gebildet und um- 
fasst rund 20 km 4 . 

Diese Flache liegt in 
ihrer ganzen Aus- 
dehnung über dem Km zugsgebiet der Serriere (s 
Art ), die somit tatsächlich einen unterirdischen 
des Seyon darstellt, so dasa der heulige Seyon 




«5/ 
-jnd Chaumont 




V !i.,.- r t S < 



AUinger sc 



KiniugagebUto da* Sayou und dar Serri*r*. 
diesen 



Lauf 



führung vielmehr regulierend einwirken. Eine weitere 
Ursache des beständigen Bückganges in der Wasser- 
führung des Seyon liegt darin, dass zahlreiche Quellen 



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SSO 



SKY 



SEY 



zur Wasserversorgung der Dörfer im Val de Buz benutzt 
werden und ihr Wasser daher nur noch leil weise dem ober- 
flächlichen Bachlauf «wenden. Heute treiben der Seyon 
und die Sorge bei Valangin ein halbe« Dutzend kleinerer 
industrieller Anlagen. Unterhalb des letzten dieser Werke, 
r am obern Eingang in die Schlucht gelegenen Säge, 
das Wasser dea Sevon zum grossen Teil und bei 



grossen 

Niederwasserceit vollständig durch einen in den Fels ein- 
gehauenen und der Gehängellanke folgenden Kanal ab- 
gefangen, der die Stadt Neuenbürg mit Trieb- und Brauch- 
wasser versorgt. Früher verwendete man dieses Wasser 
auch zu Trinkzwecken ; als aber 1882 eine dadurch ver- 
anlasste Typhusepidemie ausgebrochen war, kam man 
von dieser Art der Verwendung ab Einst ging der Mün- 
dungslauf des Sevon mitten durch die Stadt Neuenburg, 
welche er stets mit seinen l'eberschwemmungen be- 
drohte, weshalb er 1839 oberhalb der Ecluse mittels eines 
250 m langen Tunnels, der seinen Lauf um mehr als 700 m 
verkürzt hat. quer durch den Schlosshügel abgelenkt und 
direkt dem See zugeführt wurde, kurz vor welchem er 
sich über mehrere gemauerte Brustwehren stürzt. Den 
Verlauf des, ehemal igen Bachlaufes durch die Stadt be- 
zeichnen heute die Buede l'Kclose und die Bue du Sevon. 
In neuester Zeit geht man mit dem Gedanken um. den 
Bach zwischen Leu Valangines und Port Boulant durch 
einen neuen Tunnel von 500 m Länge auf noch kürzerem 
Wege dem See zuzuführen, den ganzen untern Abschnitt 



zu Tage treten und bietet sowohl am obern al« am untern 
Eingang ein interessantes Uuerproril durch daa Neokom. 
Bei dem < l* Teinture » genannten Haus in Valangin findet 
man in der obern Valanginstufe zahlreiche Versleinerun- 
dieser Kluse des Seyon lässt sich 
selbstmitln 



jlige Wasserführung des Baches, 
m durch den Ableitungskanal nach 



§en. Die , 
urch die heut . 
begrüTdesihmc 

entzogenen Wassers, nicht erklären. Einzig zur Zeit vor 
der Entstehung der Quelle der Serriere, sowie später wah- 
rend und zu Ende der Glazialepoche, als gewaltige Wasser- 
massen das Val de Buz herabrauschten, hat die Tätigkeit 
der Erosion genügend mächtig sein können, um im FeN- 
perüste diese Schlucht auszuwaschen, die unterhalb de» 
Gibet (des Gipfelpunktes der Fort»l de Pescuxi eine TieK- 
von über 200 m erreicht. 

seyte. Nur im Thal der Ormonts gebräuchliche Be- 
zeichnung für -die verschiedenen Verwaltungsabteilungen 
einer Gemeinde. Die Gemeinde Ormont Dessus zerfallt 
in drei «Seytes », die mit Bezug auf das Schulwesen und 
die Vertretung im Gemeinderat ihre bestimmte Bolle 
spielen : Seyte d'En Haut mit nahezu dem ganzen Ge- 
meindegebiet <>. vom Wildbach von lsenau, Seyle du Mi- 
lieu mit dem Zentrum der Gemeinde bis zum l..-mi 
des Bey Derochat und Seyte d'En Bas von da bis zur 
untern Grenze gegen die Gemeinde Ormont Dessous. 
Diese umfasst vier • Seytes », nämlich diejenigen von l.a 
Comballaz (mit Les M'ts'ses;. Le Stfpey. Le Cergnat und 




GeolugUahe« Querprotll durch die Schluchten Sewn und der Serri>-re (Cbaumoiiikolloi. 



Ol. GlaziaUchult l Morl! nen l ; Mi. Miuzaoe MulaSS« ; I i. Oberes l'rgoii »clor Kalkei: L'i. t Dt-re* l'rtron ((reibe Merkel m l 
, ^Kalkei; II«. Oberes Hauterivien i ifelber N'ou •ubur.ferslMol ; Hl. L'nU-r«» Hauterivien iMerfreli; V» Oberes Valaomen Irolo 
Kalkei; Vi. t ntere« Valari|;ieii iMarrir« häUrdl ; P» Obere» Purtland ll'urbeck und luckerkAf nirfe dolotnitisrbe Kalke): Pn> 
Mittlere Portlandkalke : Hi rotere* Holland : lim. KlnttridM : So 8equan ; Ar»-. Artfovien; Sp. Spongilenkalke uod 
Oxford: Ca Catlovien tKohinodenoenbrecc.e) ; BU. Oberes Balhooieu ; BU. I n lere» IU" 

des' Vauseyon bis zum Niveau der Bahnlinien Neuen bürg - 
La Ghaux de Fonds und Neuenburg-l-ausanne aufzufüllen 
und damit eine grosse ebene Fläche zu schallen, die zu 
industriellen Zwecken verwendet werden konnte. Diese 
Arbeilen wurden den Lauf des Sevon neuerdings um 
250 in verkürzen. Man kann diesen Lnuf in drei Abschnitte 
zerlegen : den bi* Valangin 9 km langen longitudinalen 
Sammellauf im Val de Bu/, die 2,8 km lange Transversal- 
kluse der Gorges du Seyon und das HiO m lange Thalchen 
des Vausevc 
den Hi 
Daran 



e uer uorges uu aeyon unu aasrnsjm lange inaicnen 
Vauseyon. in dem der Sevon auf der Grenze zwischen 
llaulerivemergeln und den Valangienkalken Iiiesst, 
in schliesst sich endlich der künstliche Durchbruch 
mit Einschnitt und Tunnel |3fl0 m lanx)an. Gleich derden 
Schlosshügel durchschneidenden Halbklus und dem Lauf 
durch die Stadt Neuenburg wird dem Sevon also ohne 
Zweifel bald auch das Isoklinallhal des V uiseton entzogen 
werden. Die das Val de Buz mit der Combe du Vauseyon 
(480 ml verbindenden und etwas weniger als3km Inngen 
malerischen Borges du Seyon stellten eine der typischsten 
luraklust-n dar. Sie wird von der 1852 erstellten Strasse 
des Val de Buz (elektrisches Tram Neuenbürg- Valangin i. 
die an Stelle der alten Strasse über Pierre ä Bot j 
getreten ist, durchzogen. Die sie einschliessenden. zum [ 
Teil bewaldeten Felswände und das Brausen des Sevon 
zur Zeit von Hochwasser machen sie tu einem beliebten 
Spazierweg und Ausflugsziel. Für den Geologen bietet die | 
Klus eine einzigartige Gelegenheit zum Studium der Be- ! 
schatlenheit einer jurafalte. Sie schneidet sich in das 
Gewölbe der Chaomonlkelle bis zum Sequan hinunter 
ein. lasst die ganze Beihenfolge der obern Juraschichten I 



La Forclaz. Man hat den Ausdruck vom lat. MXtWffl her- 
geleitet und damit begründet, dass das Thal von der Ab- 
tei Saint Maurice seit dem 12. Jahrhundert zum Zweck der 
Erhebung des Zehnten in 0 Abschnitte eingeteilt worden 
war ivcrgl. t'.orthesy. Eug. zv/moV hitltinque nur In 
valtt'c (/es Ornumt*'. Lausanne lUtfli. Dieser Ansicht 
steht aber entgegen, dass der Ausdruck « sexte • nie zu 
«seyte» hätte sich umwandeln können. Gleichfalls sehr 

■ i », nach an 



fraglich ist die Ableitung von « ( 
ehemaligen 7 Abschnitten des Ths 

erscheint dagegen die Erklärung aus dem lat. treta — 
Sektion. Abschnitt, wie t. B. #c< tor sich in « secteur • 
und « seyteur « umgeformt hat. Vergl. Jaccard. Henri. 
E**ai <U' l<>i>um/iuie. Lausanne 11*06. 

SEYTE (BOIS DE) (Kt. Waadt. Bez. Grandsoni 
170-040 in. Wald am untern O.-Hang des Mont Auhert. 
zwischen Goncise und Vaumarcus und über dem linken 
Ufer lies Neuenhurgersees. Begrenzt von der Strasse 
Neuenbürg- Yverdon. der Kantonsgrenze zwischen VVaaili 
und Neuenburg, sowie dem Tobel, welchem die kurn- 
Stromquclle der Diaz entspringt. Am S. -Band belind« l 
sich das Landgut l.a Lance, ein ehemaliges Kloster. Etwa 
100 ha gross. 1 194 : nemus Sertis ; 1308 : Seytis. 

SEZ NER (ALP) (Kt. Graubunden. Bez. Glenner. 
Kreis Lugnez, Gem. Vigens). 2012 rn. Alpweide am O.- 
II .in- des Piz Sez Ner, 4 km w. Vigens. 

SEZ NER (PIZ) (Kt. Graubunden, Bez. Glennen. 
2315 m. Schieferberg in der vom I'iz Terri über Piz Cavt-I 
zum Piz Mundaun ziehenden Kette des Adulamassives, 
zwischen dem Lugnez. Val Gronda und der 



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SIB 



■Vi! 



übersaien. 5,1 km »w vom Piz Mundaun. Im NW. liegt 
die Alp la Prada, im SO. die Alp Sez Xer (3013 mi, im 
S. die Alp Nova [2088 m) und im N. das Qtiellgebiet des 
l>etersl>aches von Obersaxen. Der Piz Sei Ner wird von 
Obersaxen aus über die Alpen Naul und La Prada leicht 
erstiegen, ebenso von Lumbrein (l.ugnez) her über Alp- 
weiden in 3 Stunden, Besteht ihis grauen und schwarzen 
Üündner- oder Liasschiefcrn. 

SEZANFE. SESANFE oder C LUSAN FE (KL 

Wallis. Bez. Saint Maurice). Pas» und Alpweiden. S. den 
Art. Susanfe. 

8FILLE (Kl. Tessin. liez. Volle Maggia). 2lM0-12«8m. 
Rechtsseitiger Zulluss der Bovana : entspringt mit seinem 
beträchtlichsten Ouellarm dem kleinen Lago Gelato, er- 
hält die Abllüsse der an den Hungen des Pizzo Porcareccio, 
der Cima di Tramolino und der Cima de Corlonga ge- 
legenen Seelein und mundet gegenüber Cimalmotto. 

sfille (AUPC) (Kt. Tessin. Bez. ValleHaggia. Gem. 
Campo). 1400-2640 in. Alpweide im Thälchen des Bio 
Hülle, einer rechtsseitigen Verzweigung des Val Campo ; 
am O. Bang des Pizzo Porcareccio und der Cima di 
Tramolino, 1 Stunden sw. über Cimalmotto. Tragt den 
kleinen Lago Gelato. Der Stille Puori genannte untere 
Abschnitt gehört der Korporation Campo. während der 
obere Teil Privateigentum ist. Wird mit 130 Stuck Bind- 
vieh und 3. r iü Ziegen bestossen. Herstellung 
von Butler und Käse. Baude und od« Land- 
schaft mit verschiedenen Seelein. ^ 

SONE Kl 1 .rauhnnden, Bez. Inn. 
kreis Obtasna. Gem. Taraspi. 1383 m. 
Gruppe lon 2 Häusern, am Weg zum 
Schfuss Tarasp und 1.5 km wsw. Vulpca. 
14 kaihol. Kw. romaniacber Zunge. Kirch- 
gemeinde Tarasp. Wiesenbau und Viehzucht. 

SORISCHUS ti_E J) i Kt. Graubünden 
Bez. Maloja). 2640 m. 450 m langer und 
im Maximum 2<JU m breiter Alpensee am 
ii. -Man« des Val Fex; zwischen dem Piz 
Chüern |2694 im und dem Piz Corvatsch. 
von welch lel/lerm er 1.."» km sw. in öder 
und weiter Bergw&tte hinter einer Felsen- 
schwelle liegt. Sem AMuM geht nach W. 
und vereinigt sich bei Curtins (1976 m) 
uiii dem Pexrach. Weiter südlich in ähn- 
licher Lage der kleinere Lej Alv. Der Lej 
Sgrischus ist derjenige Alpensee des Her- 
ttinamassivea. in dem die Seeforelle (Sahno 
lacusirit) ihren höchsten Standort erreicht, wahrend sie 
im Lej Polaschin in der Jiiliergruppe bis 2660 MI geht. 
Sgrischus z- schauerlich, grauenhaft 

siarra ilejs DE) (Kt. Graubünden, Bez. Vorder- 
rhein). Die beiden prächtigen Siarraseen. von denen der 
KTÖeeere in HS3 n liegt, befinden sich an der 0. -Seile 
des Badus oder Six .Madtin (2931 m) im Gotthardmassiv 
und werden zusammen mit dem 2 km nw. gelegenen 
lomasee (2344 m) auch die « obern Bheinquellen» ge- 
beissen. Ihren Zulluss erhalten sie aus einem «teilen 
Felsenthal des Bsdiis; doch teilt sich das Wasser dieses 
Dache* • orber uiiit sendet einen Seitenslrang zum nahen 
Waigelssee 1 2261 m), den sog. «untern Bheinquellen». 
dessen Ablluss zum Val Maigels und dem Cornerarhein 
geht. Zwischen den Siarraseen und dem Lei Maigels liegt 
eine Hache Wasseracheid«, die jedoch in früherer geo- 
logischer Zeit nicht bestand, indem der Bach von Val 
Maigels, statt wie heute nach O. umzubiegen, direkt von 
S. nach N. über das Plateau mit den Siarraseen ahlloss. 
Geber die l'rsache der Aendcrung dieser Verhältnisse 
w-rgl. den Art. Mah.h > ( Vai.i. Das Wasser der Siarraseen 
vereinigt sich auf der schönen Alp Palidulscha n. der 
Becken mit der aun dem Tomas«« kommenden Rhein- 
quelle. Ganz nahe im NO. der Siarraseen erhebt sich der 
Piz Cavradi rißlTim. Die Seen liegen in lineisund fincis- 
„■limmerscliiefer. Auf der S. -Seite des grossem See» be- 
lindel sich eine grosse halbbogenfnrmige Moräne. Der 
Name Siarra leitet sich wie das spanische Sierra und das 
portugiesische Serra vom latein. terra — Säge her. Die 
Siarraseen sind somit die am « gezähnten» oder «ge- 
zackten n Berg liegenden Seen. 

SIATH (Kt. Grauhünden. Bez. Glennen. Gem. und 
Dorf. S. d«n Art. Seth. 



siaux (LA) i Kt. Freiburg, Bez. GlAne. Gem. Or- 
sonnen*i. 700 m. Gruppe von 5 Häusern am rechten Ufer 
derNeirigue, 1 km sw. Orsonnens und 4 km ö. der Station 
Villaz-Sainl Pierre der Linie Freiburg - Lausanne. 32 
kathol. Ew. franzosischer Zunge. Kirchgemeinde Orson- 
nens. Ackerbau und Viehzucht. 

8IAZ (TETE DE LA) (Kt. Waadt. Bez. Paysd Enhaut). 
1633 m. Letzte Felsschulter im NO. -Kamm der Bochers 
du Midi (2100 m) in der Gruppe der Gummtluh. Bildet 
über dem linken Ufer der Gerine einen bewaldeten Fels- 
buckel, der zu oberst die 2 Stunden so. über Ghäteau 
d'(Ex gelegene Alp und Hülte Sur la Siaz trägt. Malmkalk. 

sibelenfluh (Kl. Wallis. Bez. Brig). Gipfel. S. 
den Art. Roriloli.v 

SIBELENFLUH GLETSCHER oder SIEBELEN- 
FLUHOLETSCHER (Kt. Wallis, Bez. Brig). 3050 bis 
2800 in. Je 500 m langer und breiter kleiner Gletscher in 
einer Senke zwischen dem O.- und SO. -Grat des Flelsch- 
horns oder Bossbodenhorns (4001 m l. Sendet Beine Wasser 
in den Laquinbaoh, «inen der beiden Ouellarme der Diver ia. 

8IBENLINGEN (Kt. Luzern . Amt Sursee, Gem. 
Neuenkirch i. .V>7 m. Gruppe von 5 Häusern so. Neuen- 
kirch, rechts der Strasse Luzern-Sursee und 10 km nw. 
Luzern. 40 kathol. Ew. Kirchgemeinde Neuenkirch. 
Ackerhau und Viehzucht. 




Mblingea mit d«m Scblo»«r»n<lcn, von S. bar gcsslivo 



SIBLINGEN «Kl. Schaffbausen, Bez. Schieitheim). 
Ml in. Gem. und Pfarrdorf, am Fuss des Siblinger 
Schlossranden und an der Vereinigung des Kurzthaies 
mit dem Langthal ; 8.5 km nw. Schaphausen. Station 
der elektrischen Slrassenbahn Schallhausen-Schleitheim. 
Postbureau, Telegraph, Telephon. 116 Häuser, 656 reform. 
Ew. Wein-, Acker- und Wiesenbau. Der • Eisenhaider • 
von Siblingen ist ein sehr geschälzier Wein. Viehhandel 
und Schweinezucht. Kalksteinbruch auf dem Banden. 
Eigene Pfarrei seit 1640; eine St. Michaelsk.ipe)l« wird 
schon 1155 genannt. Auf dem allen Friedhof das Grabmal 
des 1803 in Siblingen gebornen und 1880 in Leipzig gestor- 
benen Verlegersund Buchhändlers J. J. Weher, des tiegrün- 
ders der ( Leipzigerl lltuslrirrtm Zeitutifj und sog. Befor- 
malors der deutschen Holzschneidekunst. Heimat des 
unter dem Pseudonym Ernst Schrill bekannten Schrift- 
stellers und Pfarrers Samuel Keller. Im Garten des Pfarr- 
hauses und auf dem Schlossbuck hat man Beste von 
prähistorischen Töpferwaren gefunden. Im Tüelwasen ö. 
vom Dorf und auf dem Kornberg gross« Bomersiedclung. 
Ali'inannengräbcr bei «Auf dem Stein ». Bei der Wacht- 
hütte über dem Dorf Fund eines römischen Mfinzschalzes. 
Nahe dem Dorf zahlreich« Alemannengraber. 865: Sihe- 
ling«n;870: Sibelinga: 1116: Sibelingen. Vom P«rsonen- 
namen Sibilo herzuleiten. 

SIBLINGER SCHLOSSRANDEN oder SIB- 
LINGER SCHLOSSBUCK (Kt. Schaffhausen. Bez. 
Schieitheim). 800 n. Schöne bewaldete Anhöhe n. über 
Siblingen und 2 Stunden w. über SchafThausen. Eiserner 
Aussichtsturm mit interessantem Panorama auf Alpen. 
Jura und Schwarzwald. In historischer Hinsicht inte- 
ressant, da man hier Beste aus verschiedenen geschicht- 
lichen Zeitabschnitten aufgefunden hat: Kellenfunde. 



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522 SIC 

römischer Wachttorm I s/x-ruta) und Funde aas dem Mittel- 
alter. Auf dem Gipfel Bland einst die Burg Walterskirch. 
SICHELKAMM (Kt. St. Gallen, Bez. Sargans). 2270m. 

r ; ! — "31 




.Sithelkamin und Uamsb«rg von SQdoiteo. 



Gipfel im w. Abschnitt der AI vierkette, zwischen deu> 
Gamsberg (2383 ml und dem Höchst (2028 m); 3.5 km u«. 
Walenstadt. Der Berg stellt einen scharfen Kamm dar, 
der mit steilen, teils von Vegetation bekleideten und teils 
felsigen Abhängen nordwärts gegen den kesselföriingen 
Hintergrund der Nausalp. westwärts gegen die Terrasse 
von Verende und ostwärts gegen die Terrasse von Sennis- 
alp abfällt. Der (iipfel besieht aus Neokotn, Schrattenkalk, 
dank und Seewerkalk, die eine nach N. geöffnete C- för- 
mige Synklinale bilden. Diese Schichtenbiegung tritt 
am W. -Abhang mit grössler Deutlichkeit zu Tage. Sie 
hat dem Berge den Namen gegeben und macht inn zur 
auffälligsten Berggestalt der Alvierkette. Der Berg kann 
von W alensiadl oder Tscherlach aus in 4*/« Stunden 
über die auf der SW. -Abdachung liegenden Alpweiden 
oder von der am N.-Fuss befindlichen Nausalp her 
bestiegen «erden und gewährt eine schone Aussicht 
auf die St. Galler- und Glarneralpen. 

sichellaue NEN (Kt. Born, AmUbez. Interlaken, 
Gem. Lauterbrunnen i. '.WJ in. Gruppe von 3 Häusern mit 
einem in Trümmern liegenden allen Hochofen, im obem 
l-aulerbrunnenlhal. am rechten Ufer der Lülschine und 
7 km s. der Station Lauterbrunnen der Berner Oberland- 
bahnen. 18 reform. Ew. Kirchgemeinde Laulerbrunnen. 
Viehzucht. Wildromantische Gegend. Hier überschreitet 
i ler Weg nach Trachsellauenen die Lülschine. Das bis 
1805 im Thal abgebaute Bleierz wurde in Sichellauenen 
verhüttet. 

sickergalen (Kt. Wallis. Bez. Oesllich Baron). 
2452 m. NO. -Schulter des Gibelhorns (2821 m) und letzter 
Gipfel des das Saflischtl al vom Mettenthal (oder Mattithal) 
trennenden Kammes. Kann von Kinn über Heiligkreuz 
in 3 Stunden bequem erstiegen werden. Aussicht ohne 
besonderes Interesse. 

• IOENBI RQ (Kt. Luzern , Amt Hochdorf. Gem. 
Bomerswil). 594 m. (Gruppe von 3 Häusern; 1,5 km o. 
Hömerswil und 3 km sw. der Station Baldege der See- 
thalbahn I Wildegg-Emmenhrücke). 20 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Bomerswil. Ackerbau und Viehzucht. Sidenberg, 
richtiger Silenberg bezeichnet den gegen (J. oder W. ge- 



SID 

richteten Hang eines Berges im Gegensatz zu den Be- 
zeichnungen Schattsiten undSonnsiten für den N -. bezw. 
S.-Hang (vergl. die französ. Ausdrücke Envers und En- 
droit). 

8IDER8, französisch Sierre. Bezirk und ehemali- 
ger Zehnten des Kantons Wallis. Liegt zu beiden Sei- 
ten der Bhone und grenzt im N. an den Kanton Bern 
(Ober Simmenüia.1), im W. an die Bezirke Hörens und 
Sitten, im S. an den Bezirk Visp (Zmuttthal) und im O. 
an die Bezirke Visp und Leuk. 41 860 ha Fläche. 28 Ew. 
auf einen km*. Die gröbste Lange vom Mittaghorn (26S7 in) 
über dem Hawilpass bis zur Pointe de Zinal (3806 m) 
misst 42,7 km, die mittlere Breite 13.5 km. Von der Bhone 
wird der Bezirk in der Hichtung ONO.-WSW. durch- 
zogen. Ausser diesem Fluss entwässern ihn noch die 
Navizance, deren Sammelgebiet ihm ganz angehört, 
sowie der Wildbach von B&rhy. Beide münden von links 
in die H'ione Im N. • ind die beiden einzig nennens- 
werten Bachläufe die Baspille, die den Bezirk auf eine 
kurze Strecke vom Bezirk Leuk trennt, und die Liene, 
deren tiefe Schlucht ihn im W. von den Bezirken Herens 
und Sitten scheidet. Von entweder ihrer Höhe oder ihrer 
Lage wegen bemerkenswerten Gipfeln seien erwähnt: 
die Dent Blanche (4364 m), das Ober Gabelhorn (4073 m) 
und Weisshorn (4512 in), die Diablons (3606 ml. der 
Besso 13675 mi. die Bella Tola (3001 ml, das 1 Ilhorn 
(2724 ml. der Grand Cornier |396 l J m), der Bouquelin 
(3484 m und die Becs de Bosson (3154 mi, welche sämt- 
lich das Eilischthal umrahmen. Der Moni Nuoble (2873 m) 
und Mont Gautier (2706 m) stehen zwischen dem Val de 
Rechy und dem Eringerthal i Vallee d'Herens). Nordwärts 
sind in der Kelle der Berner Alpen die bedeutendsten 
Gipfel der Mont Bonvin i3000 m . der Sex Morl (oder 
Tolhorn ; 2912 in i, das Weisshorn i30IO in und der Hohr- 
bachstein (2953 m). Der Bezirk Siders umfasst 21 Ge- 
meinden, und zwar: in der Ebene >iders (Bezirkshaupt- 
ort), C.lialai». Chippis, G ränge». Grone und Saint Leonard ; 
im Eifischthal Aver, Chandolin, Grimeutz, Saint Jean, 
Saint Luc und Vissoye ; auf den Hängen und Terrassen 
n. über der Bhone die umfangreiche Gemeinde Lens, 
die l'.KH in die vier Gemeinden Lens. Icogne, Chermignon 
und Montana aufgelost wurde ; o. davon an den frucht- 
baren und sanft geneigten Hangen über Siders. d. h in der 
ihrer gesegneten Lage wegen » la Nobla contra • (la Noble 
Contree = die stolze Gegend i genannten Landschaft die 
Gemeinden Miege, Mollens, Bandogne, Venthöne und 
Veyras. 15 Pfarreien : Siders, Oranges. Grüne, Grimenlz 
(Bektorat), Chippis, Venthöne. Saint Luc, Montana und 
Chandolin decken sich mit den politischen Gemeinden 
gleichen Namens; Vissoye umfasst die politischen Ge- 
meinden Aver, Saint Jean und Vissoye; Chalais (in der 
Ebene) und Vercorin (auf einer Bergterrassei auf Gebiet 
der politischen Gemeinde Chalais; Saint Maurice de 
Laques mit den Gemeinden Bandogne und Mollens; Lens 
mit den Gemeinden Lens, Icogne und Chermignon: 
Miege mit den Gemeinden Miege und Veyras. 2454 Haus- 
haltungen in 1664 Häusern. 11567 Ew., wovon 10456 
französischer, 960 deutscher, 129 italienischer und 22 
anderer Sprache; 1t 450 Katholiken, 113 Deformierte. 1 
Israelite und 3 andere. 1888 zählte der Bezirk 10138 Ew. 
Die Zunahme lässt sich hauptsächlich auf Bechnung der 
in Siders sich aufhaltenden Fremden setzen, welcher Klek- 
ken als geschätzte Winterstation sich zu entwickeln be- 
ginnt. Seil 1892 besteht in Siders eine eidgenössische me- 
teorologische Station. Seitdem die Gasthöfe im Bhonelhal 
mehr und mehr von Winlergästen besucht zu werden he- 
| gannen, Hessen einige um die Entwicklung der Gegend be- 
sorgte Männer um die nämliche Zeit das Hotel in CfMM 
über Moniana erbauen. Seither folgten dann auf Boden der 
Gemeinde Bandogne noch verschiedene andere am untern 
oder obern Band der Waldzone belindliche klimatische 
Kurorte (Genfer Volkssanalorium, Vermala. Sanatorium 
Beauregardl. Dem milden und bevorzugten Klima ent- 
spricht das Pflanzeukleid. Die Ortschaften in der Ebene 
sind von reichen Baumgärten umgeben, die zahlreiche 
Obstsorten in Fülle erzeugen. Mehr als irgendwo anders 
im mittleren Wallis weichen die beiden Hhoneufer von- 
einander ab: das gegen N. schauende und von den hohen 
Ausläufern der l'enninischen Alpen beherrschte linke l.'fer 
zeigt namentlich Wiesen, Felder und Wald, während das 



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Dindvieh 
l>rerde 
Schweine 
Maultiere 
Schafe 
Ziegen 
Bienen- 
stöcke 
Uebrige 



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5683 
1725 



im 

MM hörn - 



SID 

rechte Ufer einem Spalier gleich nach S. exponiert er- 
scheint und sich von den mit Burgruinen, Kapellen. Beh- 
häuschen und Weinbergen 
gekrönten Vorhöhen bis xu 
den Felsen hinaufzieht, 
die den weitgedehnten 
Glacier de la l'laine Worte 
tragen, l'eber Siders und 
Oranges liegen in grünen 
Kergnischen die zahlrei- 
chen, nicht ständig be- 
wohnten Gruppen von Beb- 
häuschen der Bewohner 
von Lens und des Killsrh- 
thales. Die diesen letz- 
tern gehörenden Gruppen 
zeichnen sich durch ihre 
Glockentürme aus, deren 
Spitzen über die Apfel- 
und Nussbäume. Kasla- 
nienbaami! und Wcinlau- 
ben hinausschauen. Hö- 
her oben folgen ständig 
bewohnte Siedelungen , 
wie die Dörfer Veyras, 
Venlhöne. Miege. An- 
cbelte. Mollens. Hando- 
gne, Chermignon . Lens 
und Montana. Noch höher 
erreichen wir von I 100 in 
an den Waldgürtel. Die 
Bezirke Sidera und Sillen 
liefern die verschiedenen 
Erzeugnisse der l.and- 
wirtacnafl in reichster 
Külte. 1814 umfassten die 
Weinberge des Bezirkes 
■■ine Fläche von 570 ha 
und betrug die Jahresernle 
30374 hl Wein. An diesen 
Zahlen beteiligte sich das 
linke Bhoneufer nur mit 
einem geringen Anteil, der 
hauptsächlich auf die Ge- 
meinde Granges entfiel. 
Seither hat die Weinrebe 
auch auf Boden der Ge- 
meinde Chalai* an der 
Aiistnundung des Yal de 
Hechy Boden gefasst. Die 
Viehstatistik ergibt fol- 
gende Besultate : 

1886 'HOC IMI 
6890 «ll»»> <ÄXX> 
84 101 140 
12-15 202* 



SID 



I Siders und Umgebung mit Licht, währen 
I Werk in Bälde auch im Eifiachlhal selbst 



während ein ähnliches 
erstellt werden 




1: 250000. 



382 619 675. 
Naturprodukte 
des Bexirkes Siders sind : 
die xu wiederholten Malen 
abgebauten Nickel-, Kup- 
fer- und Kobalterze des Li- 
fischthales ( Val d'Anni- ' M?*0or*/*C? 
viers), die um die Milte 
des 19. Jahrhunderts in Gla- 

rey bei Siders verhüttet und deren bergmännische Ge- 
winnung erst 1908 vollständig aufgegeben wurde, sowie die 
im 16. Jahrhunderl auf Boden derGeineinde (iröne betrie- 
benen Silbertninen. Fremdenverkehr und llotelwesen ent- 
wickeln sich rasch und mit grossem Erfolg. Kurorle und 
Kremdcnslationen sind nördlich der Bhone Siders. die Ge- 
gend um und über Moniana < .ins, Taulettes etc.), sowie 
Leos, südl. der Bhone das Eilischthal mit Vissoye, Saint 
Luc, Ghandolin und Zinal. Im übrigen kann nur von lo- 
kalen Industrien gesprochen werden. Ein an der Ausmün- 
dung der Navizance errichtetes Elektrizitätswerk versorgt 



10 km 



h-— ^ » < | 

DenrBlanch&-i£ )t 



MfOumnif 



y Attinger sc 



rtestrk Siders. 



-oll. In Chippix halicn <li<- Bauarbeiten für eine Aluminium- 
fabrik begonnen, die von der Navizance und der Bhone 
getrieben werden soll. Sie wird von der Aluminiumge- 
Seilschaft in Neuhausen mit einem Kapital von 15 bis 
20 Mill. Fr. betrieben werden, etwa 1000 Arbeiter be- 
schäftigen und über eine Triebkraft von 50 000 PS ver- 
fügen. Taubstummenanstalt Geronde. Den Bezirk durch- 
zieht die Simplonbahn. die hier die drei Stationen Saint 
Leonard, Granges und Siders hat. Ausser der dem Bhone 
thal folgenden Strasse sind folgende Verkehrswege xu 
nennen : die von der Station Oranges zur Terrasse von 



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534 



Sil) 



Sil) 



I.ens hinaufführende Fahrslrasse , die bis zum Rawil 
verlängert werden soll, die ebenfalls bis zum Rawil 
hinauf geplante neue Fahrslrasse Sidcrs-Crans mit AI. 
zweigungen in die Gemeinden Yeyras, Yenthöne. Miege. 
Mollen* und Handogne, die Strassen Siders-Corin und 
Siders-Miöge und endlich die Strasse de* Eifischttiales. 
Nebenstrassen verbinden die Ortschaften in der hbene 
unter sich und reichen einerseits bis Brinnis illramoi-i 
im liezirk Sitten und andrerseits bis Salquenen im He- 

zirk Leuk. Das heulige Gebiet des Bezirkes Siders - 

m--i einige ehemalige llerrschaflen, von denen Siders 
und Anniviers den Bischöfen von Sillen und Cranges idas 
bis zu den Hochterrassen von Leus hinaufreichte) zuerst 





Sitten Nor.len 

■lern Geschlecht der Tavelli und dann der Bürgerschaft 
Sitten gehörten. Infolge des Baronkrieges von 1417 und 
namentlich seit dem Fall der saudischen Oberherrschaft 
im Wallis 1 1475) sind dann diese Sonderrechte rasch 
verschwunden. 
81 OERS, französisch Sieiiiik (Kt. Wallis. Bez. Siders). 

550 in. Gem. und Flecken, Ilaupiort des 
Bezirkes; mitten im Bhonelhal und am rech- 
ten l'fer des Flusses, 16 km nn, Sitten und 
37 km w. Brig. Station der Simplonhahn. 
Poslhureau, Telegraph, Telephon. Gemeinde, 
mit Borsuat. Cüchnn, Glarev, Muraz und 
Villa: 275 Häuser, 1833 Ew.; Flecken: Kl 
Ilauser, 569 Ew. Die Zahl der Bewohner 
wächst zu gewissen Zeiten des Jahres, besonders im 
Februar und März, sowie im Herbst durch die aus 
dem Fitlschthal kommenden Anniviarden, die hier Wein- 
berge und Baumgärten besitzen und sich in den umlie- 
genden Weilern, besonders in Glarey, Muraz und Villa, 
periodisch niederlassen. 1816: 810 Fw". ; 1850: 875 Fw. ; 
1870: 1302 Fw.; 1888: 1786 Fw. Heule ist Siders eine 
Ortschaft franzosischer Zunge i904 französisch und 845 
deutsch sprechende Ew.i, wahrend es vor etwa zwanzig 
Jahren noch überwiegend deutsch war. Dieser rasche l'm- 
schwung erklärt sich aus den mannigfachen Beziehungen 
zur französischen Schweiz und dem Ankauf zahlreicher 
Grundstücke und Wohnhäuser durch die Anniviarden. 
1766 Katholiken der Pfarrei Siders und 66 Beformierte, 
die sich vor Kurzem eine eigene Kirche erbaut haben. Die 
katholische Pfarrkirche gilt als eine der schönsten des 
Kantons; in ihrem Glockenturm wird eine dem Merkur 
gewidmete romische Inschrift aufbewahrt. An der Haupt- 
strasse steht die aus dem 15. Jahrhundert stammende 
Burg der Vitztume von Siders, welches Ami namentlich 
in Händen des I »-schlechtes ile Chevron lag Trnt/ih-m 
ihre der Strasse zugekehrte Front modernisiert worden 



ist. weist sie doch mit ihren aufgemauerten Fcklürmen 
und zinnenartipen Ausbauten einen altertümlichen und 
malerischen Charakter auf. Von Interesse erscheinen 
danchen noch einige weitere Privathauser. wie die der 
Geschlechter de Courlen, de Preux und de Chastonay. Da» 
* la Cour» genannte, um 1670 erbaute schlossahnliche 
Haus ist zu einem Gasthof umgewandelt worden. Wein- 
haugesellschafl. landwirtschaftlicher Verein, Turn- und 
Musikvcrein etc. Mehrere Gasthofe. Der im Mittelpunkt 
nicht nur des ganzen Hhonethales. sondern auch eine« 
der reichsten Abschnitte desselben gelegene und vor 
den kalten Winden geschützte Flecken erfreut sich eines 
milden Klimas, das nicht wenig zu seinem Aufblühen 
mit beigetragen hat. Bemerkenswert ist, 
dass seine Höhenlage von 550 in der 
miltleren Hohe des schweizerischen 
Miüellandes und seine geographische 
Breite (46° 18') derjenigen des zentralen 
Frankreich entsprechen. In seiner 
Monographie La Cliniatologui nV Surre 
zieht Dr. C. Heymond folgende Ver- 
gleiche: Mit Bezug auf die Höhenlage 
der schweizerischen klimatischen Kur- 
orte, unter denen Locarno mit 905 m 
den ersten Bang einnimmt, steht Siders 
an der 10.. mit Bezug auf die mittlere 
Temperatur dagegen schon an der 3. 
Stelle. Fs wei»t zusammen mit Ciarens 
das.Minimum der relativen Luftfeuchtig- 
keit auf. Ferner zeigt Siders die ge- 
ringst« Hegenmenge i?54 mmi. die 
kleinste Anzahl von Hegentagen |33 vom 
I. Oktober bis 31. März) und nach 
Locarno und Lugano die wenigsten 
Tage mit Schneefall. Auch mit Bezug 
auf die Nebel- und Bewolkungsverhält- 
nisse nimmt der Ort einen sehr gün- 
stigen Bang ein. Diese bevorzugten kli- 
matischen Verhaltnisse erklären sich 
aus der allgemeinen geographischen 
Lage. Zwar ist die Sohle des Rhonetha- 
ies hier nicht so breit wie bei Sitten. 
Martinach und Monihey, bietet aber 
doch dem über Leuk vom Ober Wallis 
lierki mimenden Beisenden mit ihren zahlreichen Hügeln, 
die alle von holzgezimmerten Bebhäuschen, Burg- und 
Kloslerruinen, Kapellen und Villen gekrönt erscheinen, ein 
überraschend abwechslungsreiches Bild. Dann erschliesst 
sich dem Blick der in einer Aushurhlung des Gehänges ge- 
legene, an einen Höhenzug sich anlehnende und von wei- 
tern Anhohen umrahmte Flecken selbst. Am bekanntesten 
ist der über der Bhonc gegenüber Chippis gelagerte Rük- 
ken mit dem ehemaligen Kloster Geronde (Gerunden), an 
dessen Fuss sich ein kleiner See von I km l'mfang aus- 
dehnt. X. und no. vom Flecken steigt das Thalgehange «anfl 
und allmählig bis hinauf zum Glacier de la Plaine Morte 
und den Felstürmen des Moni Bonvin, des Tubang. der Ly- 
rettaz und der Zabona an. Auf frischgrunen Terrassen 
stehen bis über 1200 m Hohe hinauf zahlreiche Dörfer und 
Weiler mit spitzigen Glockentürmen. Anders ist der La ml 
schaftscharakter auf der s. Thalseite. Hier strebt links der 
mit steilen Waldungen bekleidete Corbetschprat auf. wäh- 
rend sich rechts über den Wäldern von Chippis undChalais 
die Hochterrasse von Vercorm ausdehnt, '/wischen diesen 
beiden dunkeln Hängen öffnet sich das Fiflschlhal (oder 
Val d'Anniviersi mit der tiefen Schlucht der von der Gruppe 
der I lent Blanche herabkommenden Navizance. Süd), vom 
Flecken liegt der Höhenrücken von Geronde mit zahl- 
reichen Buinen, deren besterhaltene umgebaut und zu 
einer Taubstummenanstalt eingerichtet wurden ist. Westl. 
davon steht auf einem andern Hügel die Ruine der im 
sog. Raronkrieg 1417 zerstörten Bischofshurg Alt Siders. 
um welche sich der ursprüngliche Flecken gruppiert haben 
soll. Diese seit 1299 genannte Burg wurde durch den 
Weinberg von Le Loussetet von einem andern Schloss 
geschieden, das vermutlich Sitz der bischöflichen Mover 
war und zur selben Zeit der Zerstörung anhcimllel. 1489 
erbaute man an der nämlichen Stelle, etwas näher gegen 
Geronde hin. eine neue Burg, die aber schon ein 
Jahrhundert spater, d. h. zur Zeit, da der Zürcher Josias 



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Sil» 



525 



Siiuler seine Vallesute dewriptw schrieb, in Trümmern 
lag. Oestl. vom Flecken ragt auf einem Hügel nahe 
Glarey der hohe viereckige Turm Goubing (s. diesen Art.) 
iuf. Der 1 km w. vom Kahnhof gelegene Weiler Villa 
weist ein alles Stammhaus des Geschlechtes de Plates aul. 
das um die Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut worden sein 
muas und aus einem düslern, heute verwahrlosten Turm 
mil kegellörrnigem Dach besteht. Ausser der bereits ge- 
nannten Inschrift sind in Siders und Umgebung, nament- 
lich in Muraz, verschiedene archäologische Kunde gemacht 
worden. Zahlreiche Gräber beweisen, das» an diesem be 
vorzugten Punkt des Khonethales schon zur Ronierzeit 
eine nicht unbedeutende Siedelung gestanden hat. Nach 
dem Geschichtsforscher Gremaud scheint Siders zum ur- 
sprünglichen Hesitz der Abtei Saint Maurice gehurt zu 
haben, doch erscheint der Ort nicnt im Verzeichnis der- 
jenigen Güter, die 1017 von Hudolf III. der Abtei zurück 
gegeben worden sind. Wahrscheinlich ist dagegen, dass 
Siders zum gröaee« Teil der Kirche von Silten gehört 
•tat. indem es Sitz einet bischöflichen Viiziimi» und seit 
1 1711 auch eines bischöflichen Meyers war. Um die Mittedes 
13. Jahrhunderts stand Siders zusammen mil Sitten, Visu. 
St. Nikiaus, Naters und der Landschaft Horns unter dem 
Vit/tum von Sitten Diese bischöflichen Herrschaften ent- 
arickelteil sich in der Folge meist zu Pfarreien, dann zu 
den ursprünglichen Gemeinden und endlich zu den alten 
Zehnten. In der (legend von Siders bildete die Herrschaft 
Granges, die das Gebiet von Lena und des Kitischtlules 
imfasste. so langeein Gegengewicht zum Kinllussdes Flek- 
kens Siders, bis sie im Zehnten Siders BUlgittf< hei dieser 

Gelegenheit taucht der Aoadraclt • dlzain ■ oder idiuint 
Zehnten) in einer zu Silten aulgesetzlen Urkunde vom 
Jahr 1968 zum erstenmal auf W inreod der letztes Zeiten 
des Mittelalters blieben so d<< i ■>• von >eb i - siel« 

mil denjenigen des bischöflichen W nllifl und den h, impfen 
der Zehnten um ihre Unabhängigkeit verknüpf). Anlass- 
lich der zeitweiligen Spaltung zwischen den der neuen 
Verfassung beigetretenen I Dtier Waliisem und den am 
Hunde-vertrag von IM1."> festhaltenden Ober Wallisern 
war Siders is:t'.» und IHM» Sitz der Ober Walliser Regie- 
rung, während diejenige des Unter Wallis in Sitten sass. 
Dieser Zustand nahm dann im April IHM) anlässlich des 




Schlo» der Yitztuine in Si>l«ra. 



Sieges der Unter Walliser hei Saint Ldonard sein F.nde. 
Siders ist die Wiege der Geschlechter de C.ourlen. das 
zahlreiche Offiziere in die fremden Dienste gestellt hat. 



de Preux, dem zwei Uischöre von Silten und zahlreiche 
Staatsbeamte angehorten, de r.hastonay und de Lovina, 




Oouliingturm in MdefS, 



von welch letztenn der Abt Ignaz Erzieher des'- Kaisers 
Karl VI. von Oesterreich war und nachher Bischof von 
Neustadl wurde. Im l>. Jahrhundert: Sidrium (curtisi. 
im 1 1 . Jahrhundert : oppidum Sidrio; seit 1179: Sirro 
oderSyrro; 1260: Sierres. Auf dem Hügel von Geronde 
hat man Gegenstände aus allen vergangenen Epochen 
aufgefunden : Steinbeil, Bronzeschwert. Gräber aus .der 
Eisenzeit, Heste einer Romersiedelung etc. Funde von 
interessanten Statuetten gallischer Gottheiten, die jetzt 
im Genfer Museum aufbewahrt werden. Gegenstände 
aus der Hrunzc- und Kisenzeil in Glarey, Gräber aus 
der l-'.isenzeit in Muraz. und Siders selbst, wo man auch 
das Grab einer Frau aus der La Tene Zeit aufgedeckt 
hat. Humische Münzen bei Prafalcon und an ver- 
schiedenen andern Stellen: ein Römergrab in der Nähe 
von Ghiat. IL. Coimtiiiom | 

Ott prähittoritch»' Hergnturz von Siders. Die Gegend 
von Siders mit ihren auf dem Hoden des Hhonethales zer- 
streuten oder an die Thalgehänge sich anlehnenden zahl- 
reichen kleinen Hügeln verdankt dieses charakteristische 
landschaftliche Hiltl einem riesigen Itergsturz. der in prä- 
historischer Zeit niedergehrochen ist und die Thalsohle 
mit seinen Trümmern übersät hat. Ursprunglich müssen 
alle diese Hugel in einem einzigen grossen Trümmerhau- 
fen gelegen halten, der die Thalsohle ausfüllte und über- 
deckte. Noch heute erheben sich einzelne der Hügel bis 
zu 70 und 100 m über den Spiegel der Hhonc, so z. It. 
zwischen Plin i Tinges i und Chippis, wo der Trümmer- 
slrom sich am höchsten aufgestaut haben muss. Ks er- 
scheint sogar als wahrscheinlich, dass die Hhone aufge- 
dämtnt und dadurch das dahinter gelegene Thalstuck an 
der Stelle, wo heute der vom Illbach angeschwemmte 
weile Sehullkegel des Pliuwaldes (Hoisde Fingest liegt, 
zu einem See umgewandelt worden ist. Nachdem sich 
dann die mit starkem Gefälle fliessende Hhone der Reihe 
nach verschiedene Breschen in den Trümmerwall ge- 
graben, entleerte sich dieser See. Die jetzigen kleinen 
Seebecken von Siders und Geronde sind die letzten Ueber- 
reste von zweien der ehemaligen Mhonenrme und werden 
durchzueilen gespiesen.dican ihrem Hoden ausdemGmnd- 
wasser entspringen. Auch im Pfinwald linden sich zwischen 
den llergsturzmassen noch zahlreiche kleine Seehecken 
versleckt. Die bedeutendsten modernen Umwandlungen 
der Landschaft müssen weniger der Krosion als vielmehr 
der auffüllenden Arbeit der Rhone zugeschrieben werden, 
die ihr Bett und l'fergelände erhöht und darnach strebt, 
die llergslurzhu^el allmahlig unter ihren eigenen Auf- 
schüttungen zu begraben. Daraus folgt u. a.. dass die 



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526 



sin 



SU) 



Seen von Geronde UDd Siders heule tierer liegen als der 
Wasserspiegel der Rhone. Die Abrissnische des prähistori- 
schen Bergsturzes von Siders muss an dem von der Alpe 
de Varone bis /.um Fuss des Mont Bonvin reichenden Ge- 
i'itt gesucht werden, der sich durch die Be- 
der ihn umrahmenden Felsen, sowie durch 
en geneigten und ausgegen das Bhoncthal hineinfallen- 
Schichten bestehenden Boden als Ausgangpsunkt des 
•zes kennzeichnet, worauf endlich auch die petrogra- 
phische Natur der den Trümmerstrom bildenden Ge- 
steinsarten hinweist. Es hält schwierig, das Volumen der 
durch den Sturz abgerissenen und zu Thal geschleuderten 
Felsmassen aus dem heutigen Zustande des Ablagerungs- 
gebietea oder aus dem Umfang der Abrissnische zu be- 



ferner noch eine höher gelegene Gegend, nämlich die 
Zone^zwischen ^Nouscy und^ dem Zayettazhorn. eben- 

lfefert "z" haben^Die* Grenzen" die^r* obersten xTache 
sind aber schwierig zu bestimmen. Hat sie sich wirklich 
an einem der sukzessiven Abbräche mitbeteiligt, so muss 
dies vor dem aus der untern Nische gekommenen Absturz 
der Fall gewesen sein, weshalb auch ihre Mitwirkung bei 
dem heutigen Zustand des Ablagerungsgebietes sich nicht 
mehr mit Sicherheit bestimmen lässt. Diese oberste Nische 
hat viel eherdasAusseheneinesdurchGletachereiaausgear- 
beiteten Kares, wie ein solches die benachbarte Nische oder 
Combe von Colombireunzweifelhaft darstellt. Die Moränen- 
ablagerungen und Spuren von Glazialerosion durch lokale 




Karte des prahi»lort»chen 



stimmen. Man darf sogar als wahrscheinlich annehmen, 
dasa ea sich in diesem Falle nicht um einen einzigen 
grossen Bergsturz, sondern eher um eine Reihe von 
verschiedenen einzelnen, grössern oder kleinern Ab- 
brächen handelt. Dieser Schiusa scheint sich aus der 
verschiedenen Höhe und den Unterschieden im innern 
und äussern Bau der Bergsturzhügel in der Thalsohle, so- 
wie ferner auch aus der Gestalt der Abrissnische, die zwei 
Stufen aufzeigt, zu rechtfertigen. In der Tat kann man 
deutlich eine untere und eine obere Nische unterscheiden. 
Jene befindet sich zwischen den Felsen von Emenona und 
dem die Alpe de Varone tragenden Felsgeräal und trägt 
nahezu in ihrer Milte das Dorf Cordona. Das Volumen 
der Felsmassen , die von dem durch diese Felsen gebildeten 
Hufeisen sich abgerissen haben, kann zusammen mit der 
Felsplatte, die oberhalb Varone verschwunden sein muse, 
auf nahezu 3 Milliarden m > geschätzt werden. Die zweite 
Stufe wird durch -die .Nische zwischen den Felsen von 
Prily und Le Plan unterder Varneralp gebildet. Dazu scheint 



Attinger Sc 



Gletscher, die der tiefer unten gelegenen Nische durch- 
aus fehlen, sprechen dafür, dass dieses oberste Kar sich 
an der Entstehung und Zusammensetzung des grossen 
Trümmerfeldes nicht direkt als Abrissgebiet beteiligt 
hat. Andrerseits ist aber die Arbeit der Gletscher 
an diesem gewaltigen Ereignis ebenfalls mitbeteiligt. 
Dadurch, dass das Rhonethal zwischen Leuk und 
Siders einen nach N. konvexen schwachen Bogen 
beschreibt, musste die seilliche Glazialerosion den 
zwischen Varone und Miege an die N.- Flanke des Thaies 
sich anlehnenden Schienten ihren Fuss abschneiden. 
Nachdem dann der grosse Thalgletscher zurückgeschmol- 
zen war und dadurch die Thalsohle geräumt hatte, 
rutschten die ihres Haltes beraubten Felsen unter 
dem Druck des in der Höhe immer noch vorhandenen 
lokalen Gletschers auf ihrer mergelig-schiefrigen Unter- 
lage ab nnd bildeten ähnlich wie beim Bergsturz von 
Goldau einen Trümmerstrom, der sich 
lockerte und aufloste, um sich dann en 



in der Thal- 



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Sil) 



SIK 



527 



sohle niederzuschlagen. Dieser Trümmerstrom erreicht im 
Unter Plinwald am jenseitigen Ufer der Hlione seine 
grossle Hohe (637 mi, erstreckt sich auf 
mehr als 17 km Lange thalauswärts bis . . 
nahe an Rrftmis (Rramois) und bedeckt 
somit eine Fläche von 30-35 km 1 . Daraus 
folgt wiederum, das» die gesamte Schult- 
inasse des Ablagerungsgehiclc*, um dem 
Volumen der aus der untern Nische 
weggerissenen r"eNma--e zu entsprechen, 
eine Mächtigkeit von etwa 100 m gehabt 
haben muss. Da es kaum wahrscheinlich 
sein dürfte, das« diese Dicke jemals be- 
trächtlicher gewesen ist, erscheint die 
Mitbeteiligung der obersten Nische an der 
Entstehung des Trümmerfeldes auch aus 
diesem Grunde als ausgeschlossen. Das 
Hugelgebiet von Siders und Umgebung, 
das wir soeben beschrieben haben, hat 
man auch auf die Wirkung der GleUcher 
zurückführen und als von diesen und der 
Hhone herausroodellierle Züge der Land- 
schaft erklären wollen. Wenn aber zwischen 
den Slnrztrümmern wirklich auch Morä- 
nenablagerungen vorhanden sind, so kann 
es sich doch nur um solches Material 
handeln, das mitsamt «lern Felsschlipf in 
die Tiefe gerissen wurde. Der Bergsturz von Siders ist 
auf jeden Fall po*lglazial, d. h. jünger als der Rück- 
zug des diluvialen Rhonegletschers. Schürfungen bei 
Siders haben ergeben, das» das Sturzmaterial auf Mo- 
ränenschutt liegt. Dass der Sturz auch in prähistorischer 
Zeit niedergegangen sein muss, beweisen die auf den 
Hudeln befindlichen Reste von keltischen und römischen 
Siedelungen. \P To( - H - scbakot.] 

SIDWALD i Kt. St. Gallen, Bez.OberToggenburg. Gem. 
Krummenau). 776 m. Schönes Dorf n. der Strasse Bucha- 
Kbnat und an der Abzweigung der Strasse nach Ennet- 
bühl, dem Luthernthal und Rietbad ; unmittelbar n. Neu 
St. Johann und 6 km so. der Station Ebnat der Toggen- 
burgerbahn. Postwagen Ruchs-Ebnat. 38 Häuser, 253 zur 
Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemeinden Krummenau und 
Neu St. Johann. Von Nesslau wird Sidwald durch das 
schlimme Wildwasser der Luthern geschieden. Viehzucht, 
Stickerei und Weberei. Redeutende Viehmärkte, die 
schon aus der Milte des 16. Jahrhunderts datieren. Seit 
1871 werden auch monatliche Messen abgehalten, von 
denen diejenigen des Januar, Mai, Oktober und November 
die am stärksten besuchten sind. Heimat und Wohnsitz 
der Edlen von Sidwald. die 1412 mit Anna, der Priorin 
des Dominikanerinnenklosters Wil. erloschen. Schöne 
Aussicht auf das Sanlisgebirge. Stockberg, Schindelnberg, 
Churlirsten, Leistkamm und Speer. 

SIEBELENFLUHHORN (Kt Wallis. He/. Vispl. 
So nennen die Bewohner des Laquinthales das TossEN- 
iiorn. S. diesen Art. 

SIEBELENFLUHJOCH oder SIBELENFLUH- 
JOCH iKt. Wallis. Bez. Brig). Etwa 2950 m. PtHibST 1 
gang zwischen dem Schienhorn und dem Tossenhorn, in 
der das Zwischbergenthal vom I.aquinlhal trennenden 
Kette. Verbindet diese beiden Thäler miteinander, wird 
aber nur sehr seilen uberschritten. 

SIEBEN BRUNNEN (Kt Bern, Amtsbez. (Iber Siin- 
menlhal). Quellen. S. die Art. Brennen (Sieben) und Simme. 

SIEBEN BRUNNEN i Kt. (iraubünden . Bat, L'nter 
Landquart). Quellen. S. den Art. Bhcnnf.n (Sieben). 

SIEBEN BRUNNEN (Kl EM Gallas, Bez. Ober 
Toggenburg). Quelle der Urnascii. S. diesen Art. 

SIEBEN HENGSTE (Kt. Bern, Amtsbez. Thun). 
Felskamm. S. den Art. Soni.n t u. 

SIEBEN JUNGFRAUEN und SIEBEN MANNEN 
(Kt. (il.H ii und Graubünden). Felskamm. S. den Art. 
Mannen (Sieben). 

SIEBENEICH Kt. Obwalden. Gem. Kerns). 577 m. 
Gemeindeabteilung mit am linken Ufer der Sarner Aa 
zerstreut gelegenen Höfen, 3 km nö. der Station Kerns- 
Kägiswil der Rrünigbahn (Luzern - Rrienzi. 42 Häuser, 
203 kaihol. Ew. Kirchgemeinde Kerns. Viehzucht. Her- 
stellung von Strohhüten. Eine aas 1746 stammende 
Kapelle. 



SIEBENHAUSEN (Kt Bt. Gallen, Bez. Tablat, Gem. 
Muolen). 520 m. Gruppe von 3 Häusern, in wiesen- und 



Sieboeo vun SO.Ua. 

obstreicher Hugellandschafl 5 km nö. der Station Rischofs- 
zell der Linie Gossau-Sulgen. 12 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Hagenwil. Ackerbau und Viehzucht. 

SIEBENZACH Kt Freiburg. He/.. Saane). Gem. und 
Dorf. S. den Art. üim*ii./. 

SIEBERSLEHN (Kt. Luzern. Amt Entlebuch, Gem. 
Marbach). 1000 m. Gruppe von 4 Hausern, 2 km sw. 
Marbach und 8 km ssw. der Station Wiggen der Linie 
Bern-Luzern. 29 kathol. Ew. Kirchgemeinde Marbach. 
Viehzucht. Vom Personennamen Sigbert herzuleiten. 

SiEBNEN (Kt Behwjl, Rez March. Gem. Galgenen, 
Schübelbach und Wangen). 451 m. Dorf in der Ebene 
der March, am Eingang ins Wäggithal und zu beiden 
Seiten der Waggithaler Aa, die hier von der Strasse 
Lachen-Glarus und der Bahn überschritten wird. 1 km 
n. vom Dorf die Station Sicbnen- Wangen der linksufrigen 
Zürichseebahn (Zürich- Wadenswil-Ztegelbrücke). Posl- 
bureau, Telegraph. Telephon ; Postwagen nach Innerthal 
und nach Uznach. I3i Häuser, 1120 zur Mehrzahl kathol. 
Ew. Die alle St. Niklauskapelle. die seit 1370 zur Pfarrei 
Tuggen gehört und 1606 umgebaut worden ist, soll nächstens 
durch eine neue Kirche ersetzt werden. Die ein Fünftel 
der Gesainibevölkerung zahlenden Redimierten haben 
sich ebenfalls zu einer Pfarrei zusammengclan und eine 
eigene Kirche erstellt. Neues Schulhaus. Zwei Raum- 
wollen- und eine Möbelfabrik. Zahlreiche Webstuhle. Sicb- 
nen macht dem Bezirkshauptort Lachen scharfe Konkur- 
renz. Asyl für katholische Arbeiterinnen. Gemüse-, Wiesen- 
und Obstbau. Am Ufer der Aa steht ein bemerkenswertes 
Exemplar einer Schwarzpappel {(Pofmlu» nigra), Sooren- 
t. min genannl. die in dem vom eidg. Departement des 
Innern herausgegebenen Haunmtbunt der Schu<eit ab- 
gebildet ist. 972 und 1018: Sibineihha ; 10*0: Sibin- 
eicha ; 1178: Sibeneichin; 1601: Siebeneich. d.h. Bei 
den sieben Eichen, die hier einst auf einer Gerichts- oder 
Begräbnisstätte gestanden haben sollen. 

siechenbach i Kt. und Bez. Schwyz). 535-451 ■ 
Mit mehreren Quelladern am Haggenberg entspringender 
Bach ; Iiiesst gegen SW. und mündet nach 4,5 km langem 
Lauf 600 in w. Seewen in den Lowerzersee. Heissl zuerst 
Kaltbach, um dann vom ehemaligen Siechenhaus an den 
Namen Siechenbach zu erhallen. Wird von drei Strassen- 
brücken und einer Brücke der Gotlhardbahn über- 
schritten . 

8IEDEL ROTHORN (Kl. Wallis, Rez. Görna). Gipfel. 
S. den Art. Rotdorn (Siedel). 

SIEDEL ROTHORNPASS I Kt Wallis. Bez. Gomsi. 
Passübergang. S. den Art. Hothornpass (Siedel.1. 

SIEDELGRAT (Kt. Rem und Wallis 2651 in. 
Leichter Passübergang im Granilkamm zwischen dem 
Klein und 'Gross Siedelhorn. Geht der Grlmsel parallel 
und verbindet wie diese Oberwald und Obergestelen mit 
dem Grimselhospiz. Aufstieg von Obergestelen her in '<' . 



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SIE 



SIE 



und Abstieg über den einsamen und grünen kleinen 
Trübtensee in 1'/, Slunden. Von der Passhohe hat man 




Sieg?r»hau«en von Westen. 

eine prachtvolle Aussicht. Auf der Siegfriedkarte un- 
benannt. 

SIEDELHORN (GROSS) (Kl. Bern und Wallis). 
'2881 in. Ziemlich bedeutender Gipfel in der das Goms 
vom Oberaarglelschcr trennenden Kette, zwischen dem 
Klein Siedelhom und dem II richerstock. Kann von der 
Oberaaralp her über die Bärenegg in 2 oder von l'lrichen 
aus über Jen reizenden Tittersee in 4 Stunden erstiegen 
werden. Prachtvolle Aussicht auf die Gruppen des Finster- 
aar- und Schreckhorns einerseits, sowie diejenigen des 
Klihdenhorns und Münte Leone andrerseits. Her Gipfel 
besieht aus aufeinander gehäuften mächtigen Granit- 
blocken und ist somit ein sog. lilockgipfel. Leichte aber 
nur selten ausgeführte Besteigung. 

SIEDELHORN (KLEIN) (Kt Bern und Wallist. 
'2766 m. Sehr bekannter Granitgipfel, am N-Ende der 
den Oberaarglelschcr von der Landschaft Goms trennen- 
den Kette und unmittelbar sw. über der Grimsel. Oft be- ' 
»lichtes und sehr zu empfehlendes Ausflugsziel. Kann vom 
Grimselhospiz her in -' , oder von Oberwald limGoms) 
aus in 4 Slunden erstiegen werden. Prachtvolle Aus- 
sicht, besonders auf die Gruppen des Finsteraar- und I 
Schreckhorns, der Fiescherhörner. des Galenstocks, Blin- | 
dcnhoros und Monte Leone, sowie auf einen Teil der 
Thalschaft Goms. Panorama von Dill aufgenommen und 
veröffentlicht. 

SIE DELNGLET8CHER i Kt I n). 3100-2600 m. 
'2 km langer und im Maximum 1.2 km breiter (tieischer 
am Galcngral : von W. nach O. ist er umrahmt vom Klein 
und Gross Furkahorn 1 2817 und3028 m). d< n verschieden, n 
Spitzen des Galengrates 1 31 1(5 und 3191 ml. dem Galen- 
slock |3597 m| und seinen beiden so. Vorgipfeln, dem auf 
der Siegfriedkarte unbenannlen Siedelnslock (3ÜKm) und 
dem Hauplgipfcl des Bielenstocks (2947 m). /um Ithone- 
glettcher fuhrt der Siedeln- oder Galensattel hinüber. 
Sendet den Siedeinbach zur Beuss. 

8IEDELNSATTEL oder galensattel .Kt. 
Uri). Etwa 3100 m. Kinschartung in «lern den Galenstock 1 
mildem N. -Gipfel des Galengrates (.'{IUI ml verbindenden 
Kamm, am gewöhnlichen Weg auf den Galenstork. 3 
Slunden über dem Hotel Belvcdere oder der Furka. Pracht- 
\"lle Aussicht. Bis 1906 hat man den Abstieg auf den 
Siedeingletscher und damit die vollständige l'eherschrei- 
lung des Passes vom Bhoneglclacher her noch nicht aus- 
geführt, obwohl die dabei zu überwindende Felswand 
Leine sehr grossen Schwierigkeiten zu bieten scheint. 

SIEDELNSTOCK Kt. l'ri ). 3208 m Sudwesil. Vor- 
herg des Galenstocks in der Kette Dammastock-Thierberg : 
/wischen dem Siedeingletscher und dem Tiefeng lelsrher. 
Kann vom Hotel Tiefenbach her in 5-6 Stunden bestiegen 
werden. Zum erstenmal 191*2 erstiegen. 

SIEGEL (Kt. Appen/eil I. B. . Gem. Schwende), i 
1768m. Nordöstlichster Gipfel der zentralen Kette des Sän- 
lisgehirges. Bildet eine nach S uberliegende Synklinale, 
deren oberer Schenkel aus l'rgon besteht. Fällt nach I 
NW. und O. steil ab. während der sanft geneigte 80.» 
Hang eine grosse Alp weide trägt. Aufstieg vom Weissbad 
her in j Slunden. Vergl. auch den Art. Ai.) >ih.i:i . 

SIEGENTHAL (Kt Bern. Amtsbez. Konoltingen, 
Gem. Landiswil). 842 in. Weiler, auf einer Anhohe 
rechts über dem Goldbach und 6 km sso. der Sta- 
tion Lützelllüh-Goldbach der Linie Burgdorf- Langnau. 



10 Häuser, 55 reform. Ew. Kirchgemeinde Biglen. Wie- 
senbau und Viehzucht. 

Siegershausen ( Kt. Thorgau. 
Bez. Kreuzlingen, Gem. Alterswileni. 547 
m. Ortsgemeinde und kleines Dorf, auf 
dem Seerucken und 4.5 km ssw. der Station 
Kreuzlingen der Linie Borschach-Bomans- 
horn-Konslanz. Poslburau, Postwagen 
Iturglen-Kreuzlingen. 24 Hauser, 108 re- 
form. und kathol. Ew. Kirchgemeinden 
Alterswilen und Emmishofen. Wiesen- und 
Obstbau, Waldungen. Maschinenslickerei. 
Stand ursprünglich unter der Gerichts- 
barkeit des Munsters zu Konstanz. 

SIE GEB MÜHLE (Kl. Aargau. Bez. 
Lenzburg. Gem. Seon). 427 m. Alle Papier- 
mühle und 2 Häuser am Aabach. 3 km s. 
Lenzburg und 2 km n<>. der Slalion Seon 
der Seelhalbahn (Wildegg-Emiiienbruckej. 28 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Seon. 

8IEHLI (Kt. St. Gallen. Bez. Sargans . 2321 m. Wenig 
bedeutender Berg mit zwei Gipfeln, im W. -Abschnitt der 
Alvierkette, o. vom Gamsberg |2383 ml und durch eine 
enge Scharle von ihm getrennt. Fallt nach S. steil zur 
Terrasse der Setinisalp und Malunalp ab und hangt im 
N. über einen kleinen Giat mit dem Botenstein (2241 ml 
zusammen. 

8IELVA (Kt. Graubünden. Bez. und Kreis Munsler- 
thal, Gem. Santa Maria 1 . 1364 m. Gruppe von 6 Häusern 
am rechten l'fer des Bombaches. 500 m Di. Santa Maria 
und 61 km om> der Station Bevers der Albulabahn. Post- 
wagen Munster-Ofenpass-Zernez. 16 refoim. Ew. roma- 
nischer Zunge. Kirchgemeinde Santa Maria Wiesenbau 
und Viehzucht. Sielva. Selva vom lalein. »ilva ss Wald. 

SIELVA (ALP DA) iKl Graubunden. Ilez. Munsler- 
thal. Gem. Santa Maria'. 2100 in. Alpweide im obern Val 
da Pisch, 4 km o. Santa Maria. 

8IERNE, 8IERNE8, 8CIERNE, 8CIERNES. 
SERGNES, SERGNIAT, SERNIAT etc. Im Berg- 
land des Waadiländer Pays d'Enhaul häutig au (tretend«! 
Ortsnamen. Ausser den Siemes Baynaud. der Sierne au 
Guir, den Siemes und den Siemes Picals kommen imeli 
vor: die Hutten der Sieme au ('.bleu 1 1360-1370 m i im 
Thal des Hongrin ' , Stunde w. La Lecherelle, die Sieines 
Cordy 1 1164 ml 1 , Stunde s. La Lecherelle und die Sternes 
de Praz Gornet 1 1650 nn .'i0 Minuten so. La Lecherelle: 
die Siemes Perraz i KÜ80 im 10 Minuten w. Le Pevanl de 
I Kliva/, die Sierne Vaux 1 1100 m) Stunde sw. Les.Mou- 
lins. die Sierne aux Otseaux 1 1300-1400 m) 1 '/j Stunden 
sw. Les Moulins uberm Col ile Sonlemont. die Sierne 
Derriere und Sierne Bevant (1400 ml 1 1 , Stunden BÖ. 
Chäleau d (Ex. die Siemes Charbon 1 12811 in I 1 ■ Stunden 
BÖ. Ghäteau d'(Ex ; die Sieme aux Bayes (1180 ml im 
Thalrhen von La Manche 1 Stunde nn«. Flendruz und 
ganz nahe der Steine aux Fennes il230 m i. Gegenüber 
Flendruz und Bougemont Ingen atn linken Ufer der Saano 
ilie Siemes Goncet. die Siemes, die Siemes Audou. die 
Sieroes Bichard, die Siemes aux Bayes etc.. alle'/,-! 
Stunde von Bougemont ent lernt. Diese Namen entspre- 
chen den Formen Gergnat. Cernil, Gerneux etc. und leiten 
sich vom Ausdruck crrtir ilatein. rtrVtltttf) s Einfriedi- 
gung, eingefriedetes Stück Land her. 

SIERNE (Kt. Genf, Linkes Ifer, Gi m. Veyrier). 417 ni. 
(iruppe von 7 Hausern. am linken l'fer der Arve und 4.5 
km so. Genf. Station der elektrischen Slrassenhahn Genf- 
Veyrier. Telephon. 43 zur Mehl zahl kathol. Ew. Kirrh- 
gi meinde Veyrier. Muhle. Sand- und Kiesgruben. Brücke 
über die Arve, Pont de Sierne genannt, ursprünglich aus 
Holz bestehend und 1815 von den Oesterreichern ver- 
brannt. Zwei an der Arve eingerichtete Fabriken sind 
1859 in Flammen aufgegangen. 

SIERNE AU CUIR (LA) Kl. Waadt. Bez. Pavs 
d Enhaut, (tan. Chäleau d'lExf. 1300-1350 in. Zerstreut 

Seiegene Hütten. 1 Stunde nno. Ghäteau d'(Ex und nahe 
er Terrasse von Schiettaz. die auch den Namen des Col 
de la Sierne au Cuir 1 1398 nn trägt und Ghäteau d'iEx 
mit der Alpwcide Paray unildemThälchen von Les Siemes 
Picals verbindet. Biese Terrasse liegt zwischen der Leite- 
maire und der Kette des Vanil Noir. Da der Boden aus 
schwer durchlassigem Flysch besieht, sind die ihn be- 



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S1K 



SIG 



529 



deckenden Wiesen und Weiden zumeist nass und sumpfig. 
Seltene Pflanzen, wie z. 0. Drosera longifolia, Lycopo- 
dium inuiulalum u. a. 

8IERNE8 (LES) (Kt. Waadt. Bez. Pays d'Enhaut, 
Gem. Chäteau dfKxi. 1100-1190 m. Reihe von nicht 
»tändig bewohnten Hütten, 40-50 Minuten sw. Lea Mou- 
hiu an dem von da auf den Col de Sonlemont führenden 
Weg. 

8IERNE8 (VALLEE DES) (Kt. Freiburg, Bez. 
Sense). Anderer Name für die Valleedes ('.erntete is. diesen 
Art.), die bei den deutschsprechenden Freiburgera auch 
lireccaschlund heisst. 

8IERNE8 DE PRA2 CORNKT (LES) (Kt. Waadt, 
Bez. PayB d'Enhaut, Gem. Chäteau d'OIx). Hütten. S. 
den Art. Phaz Cohnet. 

SIKRNE8 PICAT8 oder SCIERNE8 PICATS 
(LEB) Kt. Waadt. Bez. Pavs d'Knhaut, Gem. Rouge- 
mont und Chäteau d'CKx). i 100 1200 m. Zerstreut ge- 
legene Hütten in der Mitte des Vallon des Siemes Picals. 
zu beiden Seiten des Ruisseau des Siemes Picats und 
1 Stunde nw. Fleodruz. 7 Häuser, 31 reform. Ew. Flysch- 
nageltluh. 

SIERNES PICATS oder 8CIERNE8 PICATS 
(RUI88EAU DES) (Kl. Waadt. Bez. Pays d'Knhaut). 
1390-1030 m. Wildbach; entspringt auf dem Plan de la 
Verdaz zu hinterst im Vallon des Siemes Picats. (He voll- 
kommen ebene und ganz von Spalten und Rissen durch- 
zogene Wiesenlläche des Plan de la Verdaz erhalt das 
Wasser des Ruisseau des Morteys (oder 1-a Mocausa) und 
wandelt sich zur Zeit der Schneeschmelze oder bei an- 
haltendem Regenwetter in einen wahren See um. Das 
im Roden versickernde Wasser der Mocausa tritt hei der 
Hütte La G«'te de« Pierres (132« m) wieder zu Ta«e und 
bildet damit eine der IJuellen des Ruisseau des Siemes 
Picats. Dieser letztere erhält rechts den von der Alpweide 
Paray und dem Vanil Noir herabkommenden Ruisseau de 
Paray und kurz nachher einen andern kleinen Bach, der 
keinen eigenen Namen trägt. Nachher vereinigt er sich 
mit dem Ruisseau de la Manche zum Ruisseau de Flen- 
draz. Lauflänge von La Verdaz 5,5 km und von La G<te 
des Pierre« an 4 km. 

8IERNES PICATS od.-r SCIERNE8 PICAT8 
(VALLON OE8) (Kt. Waadt. Rez. Pays d'Enhaut). 1390- 
1030 m. Kleines Thal, das sich hei Flendruz von rechts 
zur Saane öffnet und im untern Abschnitt vom Ruisseau 
de Flendruz, weiter oben vom Ruisseau des Siemes Pi- 
cats entwässert wird. Vom Plan de la Verdaz bis Flendruz 
hinunter 8 km lang. Wird von einem bald dem rechten 
und bald dem linken Bachufer folgenden Saumpfad durch- 
zogen, der die nichtständig bewohnten Häuser und Hütten 
von Leg Siemes Picals, I-a Barmaz. La Gele des Pierres, 
La Jaqueraudaz und La Verdaz miteinander verbindet. 
Alpweiden und Wald. Heisst auch Vallon des Vert Champ. 

SIERNES RAYNAUD (Kt. Waadt, Bez. Pays d'En- 
haut. Gem. Chäteau d (Ex). 1100-1:200 m. Während der 
grössten Zeit des Jahres bewohnte Hütten, V* Stunde vom 
Weiler Le Devant de FEtivaz und 20 Minuten nö. La 1.6- 
cherelte. An dem Saumpfad, der vom C.onlour de la Le- 
cherette an die mächtige Schlinge der Strasse über L'Eli- 
vaz nach Les Mosses bis zum Eingang in die Gorges du 
Pissot abschneidet. Jurassische Klippe mitten in der 
Flyschlandschafl. 

SIERNES RAYNAUD (RUISSEAU DES) Kt 
Waadt. Bez. Pays d'Enhaut). 1540-1070 m. Bach, ent- 
springt n. La Lecherette, durchfliegt die Wiesen von Les 
Siemes und mündet nach 2 km langem Lauf von links in 
die der Saane zugehende Tomere**«-. 

SIERRAZ (TETE DE) i Kt. Wallis, Bez. Martinach). 
Gipfel. S. den Art. Carro <Su). 

SIERRE (Kt. Wallis). Bezirk. Gem. und Flecken. S. 
die Art. SiDEKS. 

SIEZALP (OBER, UNTER und VORDER) (Kl. 
St. Gallen, Bez. Sargaos, Gem. Melsl. 1200-2200 m. Grosse 
Alpweide im Weiastannenthal, an den Quellen der Seez 
und deren Vereinigung mildern Foobach. 1064 ha Fläche, 
wovon 884 eigentliche Alpweide. 20 Sumpfland, 10 Natur- 
wiesen, 100 Wald und 50 unproduktiver Boden, 14 Mutten 
und Ställe. 

SIQER8WIL (Kl. Luzern. Amt Sursee, Gem. Gross- 
wangen). 627 m. Gruppe von 8 Häusern, an der Berg- 



strasse Grosswangen-Sigerswil-Suraee und unter dem be- 
kannten Aussichtspunkt der «Höche»; 4 km sw. der 
Station Sursee der Linie Olten-Luzern. 61 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Grosswangen. Acker-, Wiesen- und Obst- 
bau. Käserei. Schulhaus. 1306 : Sigerswile, d. h. Weiler 
de» Sigheri. 

8IQETSWIL oder 8IGGET8WIL (Kt. St. Gallen. 
Bez. Unter Toggenburg, Gem. Mogeisberg). 680 m. Gruppe 
von 4 Hausern, am rechtsseitigen Gehänge des Necker- 
thaies und 5 km 6. der Station Lichtenateig der Toggen- 
burgerbahn. 24 reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden 
Brunnadem. Viehzucht und Milchwirtschaft. Stickerei 
und Weberei. 

8IQQ (Kt. Graubünden, Bez. Unter Landquart, Kreis 
Seewis, Gem. Valzeina). 1071 m. Gruppe von 9 H iusern. 
am O.-Hang des Thälchens von Valzeina und 5 km s. der 
Station Seewis-Pardisla der Linie Landquarl-Davos. 31 
reform. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Valzeina. 
Wiesenbau und Viehzucht. Gehört erst seit 1875 zur Ge- 
meinde Valzeina. 

SIGGEN HUSEN (AUSSER, MITTLER, OBER 
und UNTER) (Kt. Luzern. Ami Entlebuch. Gem. Sehüpf- 
heim). 740 m. Sieben schon gelegene Bauernhöfe, 2 
km n. der Station Schüpfheim der Linie Bern-Luzera. 
51 kathol. Ew. Kirchgemeinde Schüpfheim. Milchwirt- 
schaft und Fultcrbau. Geburtsort von Han* Kmmenegger. 
eines der Führer der Entlebucher im Bauernkrieg von 
1653. 1325: Siggenhusen. 

SIG GENTMAL (OBER) (Kt. Aargau, Bez. Baden). 
Im Mittel 400 in. Gemeinde am rechten Ufer der l.immat 
gegenüber Baden ; 2,5 km nw. der Station Baden der 
Linie Zürich-Brugg. Umfasst die Dörfer und Weiler Kirch- 
dorf. Häfeler. Hcrtenslcin, Über und Unter Nußbäumen. 
Rieden und Tronsberg. Zusammen 206 Häuser. 150) Ew. 
(wovon 214 Reformierte). Katholische Prarrei Kirchdorf 
und reformierte Kirchgemeinde Baden. Acker- und 
Weinbau, Viehzucht und Milchwirtschaft. Eine Metall- 
waren- und Armaturenfabrik, Maschinenfabrik. Auf einer 
Terrasse über der Limmat hat man Reste einer neolithi- 
schen Siedelung entdeckt. Hier im Siggenthal nahm der 
Aufstand seinen Anfang, der sich im Derbst 1802 gegen 
die helvetische Regierung erhob und mit deren Sturz en- 
digte (Slecklikriegt. In der Nacht vom 12. auf den 13. 
September griffen die Siggenthaler zu den Waffen, jagten 
ein in ihr Thal gelegtes helvetisches Detaschement fort 
und rückten dann vor die Stadt Raden. Indem sich ihnen 
alsbald Leute aus andern Landeslcilcn anschlössen, wurde 
der Aufruhr allgemein. Man weiss, das« diese Bewegung 
zum Einschreiten Napoleons und schliesslich zur Ausar- 
beitung der Mediationsakte geführt hat. 

8IQQENTHAL (UNTER) (Kt. Aargau, Bez. Baden). 
Im Mittel 378 m. Gemeinde am rechten Ufer der Limmat 
und Aare, 1 km n. der Station Turgi der Linie Tu rgi- Walds- 
hut. Station Siggenthal der nämlichen Linie. Umfasstdie 
Dörfer und Weiler Uber und Unler Silwingen, Ennet- 
lurgi, Rost, Stahlen, Stcinenbühl und Wasserfallen. Zu- 
sammen 158 Häuser, 1073 Ew. (wovon 176 Reformierte). 
Kathol. Pfarrei Kirchdorf. Ackerbau und Viehzucht. 
Bienenzucht. Färberei, Elektrizitätswerk. Säge, me- 
chanische Schreinerei. Werkzeugfabrik, üelwarcnfa- 
brik. 

SIGGERN oder SIGOERNBACH (Kt. Solothurn. 
Amtei Lebern). 1200-425 m. Linksseitiger Zufluss der Aare; 
entspringt nahe Rüttenen am Fuss des Weesenstein, 
fliegst gegen SO. und erhält bei Niederwil die von der 
Balmlluh, dem Zwischenberg und der Röthi kommenden 
Wasser, sowie bei llubersdorf diejenigen des Glulzen- 
berges und Günsberges, des Hofbergli und der Teufelen- 
weid- Ein letzter Nebenhach kommt zwischen Farneren 
und Attiswil aus dem Kanton Bern und mündet wie alle 
übrigen von links. Die Siggern hespühlt die Dörfer 
Niederwil und Hubersdorf, tritt in den Kanton Bern (Ge- 
meinde At'.iswil) ein und mundet unterhalb Flumenthal 
Sie treibt einige Mühlen und Sägen und wird von der 
Strasse Solothurn- Wiedlwbach-Oensmgen-Olten auf einer 
hohen Stcinbrücke überschritten. Führt bei Zeiten von 
Trockenheit fast kein Wasser (woher ihr Name, latein. 
Met-Uz, iircare stammen soll). Der Sololhurner Chronist 
Hafner erwähnt, dass die Mündung der Siggern 1666 die 
Grenzscheide zwischen den Bistümern Basel. Konstanz 

222 — OEOOR. LH. V — 34 



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530 SIC. 

und I ..-umarme bildete. Ihr Lauf schied einst den Salsgau 
vom Buchsgau. 

SIGGINGEN OBER und UNTER) kt. Aargau. 
Dez. Haden, Gem. Unter Siggenthal). 379 und 374 in. Zwei 
Dörfer am rechten Ufer der Urania t, nahe deren Mün- 
dung in die Aare und an der Strasse Haden-Würenlingen. 
1 km n. der Station Turgi der Linien Zürich-Kaden- Brugg 
und Turgi-Waldshiit und 2 km so. der Station Siggenthai 
der Linie Turgi- Waldshut. Postbureau und Telephon in 
Unter Siggingen. Ober Siggingen : 80 Häuser, 496 kathol. 
Ew. ; Unter Siggingen: 78 Häuser. 577 kathol. F.w. Kirch- 
gemeinde Kirchdorf. Weinbau. Viehzucht. Viele der Be- 
wohner arbeiten in den Fabriken von Turgi. Her Name 
ist vom althochdeutschen Personennamen Sicco herzu- 
leiten. 

siqigen (Kt. I.uzern, Amt Sursee, (rem. Iluswil). 
766m. Gemeindeabteilung mit einigen Hausergruppen; 
2.5 km so. Buswil und 4 km no. der Station Wolhusen 
der Linie Bern-Luzern. Poslablage, Telephon. 23 Häuser, 
171 kathol Iva . Kirchgemeinde Buswil. Acker- und Obst- 
bau, Viehzucht. Schulhaus, lieber dem Weilerein schöner 
Aussichtspunkt. 

SIOIRINO (Kt.Tessin, Bez. Lugano). 473 m. Gemeinde 
3 km nw. der Station Taverne der Linie Bellinzona-Lugano- 
ChiassoderGolthardhahn. Postablage; PostwagenTaverne- 
Mezzovico. BestehtausOsignano. ViancoundeinemTeil von 
Taverne Superiore; zusammen 56 Hauser, £16 kathol. Kw. 
Pfarrei. Acker- und Weinbau, Viehzucht. Temporäre Aus- 
wanderung der Männer alsMaurer. Maler und Gipser in die 
übrigen Kantone. Hauptort des Kreises Taverne. Die Ge- 
meinde liegt am Eingang ins Val Cusello. dessen Quellen ; 
die Stadl Lugano mit vorzüglichem Wasser versorgen. 
Prachtvolle Kaslanienselven. Heimat des in Bologna ge- 
storbenen berühmten Baumeisters Andrea Maria Pedevilla 
1690-1775) und des Kupferstechers Vittore Pedretti 
1 1868), der 1824 in Paris 90 sehr geschätzte anatomische 
Tafeln nach den Zeichnungen des Dr. Antomarchi ge- 
stochen hat. Ausgangspunkt für die Besteigung des Monte 
Tamara über die Alpe Canigioli (5 Stunden). 

SIOIRINO (MONTI DI) (Kt. Tessin, Hez. Lugano. 
Gem. Sigirino). 1000-1 100 m. Alpweide mit lliittengrupne. 
am O.-Hang des Monte Gradicioli und 10 km nnw. Lu- 
gano. Wird vom Frühjahr bis zum Herbst mit Vieh be- 
zogen. Herstellung von Butter und Käse. 

SIQI8EQQ (Kt. Thurgau, Bez. Münchwilen. Gem. 
Fischingen i. 773 m. Gruppe von 7 Häusern; 2.6km nw. 
Fischingen und 8 km sw. der Station Sirnach der Linie 
Zürich- Winterthur-St. Gallen. 35 kathol. und reform. Kw. | 
Kirchgemeinden Dusanang. Wiesen und Wald. Maschinen- 
stickerei. 

SIOI.ISFADQRATI.H Kt. Uri >. 2221 m. Beraster Pass- 
übergang in dem von der Krönten nach So. auszweigen- 
den Kamm. Von der Inschialp her auf gutem Weg zu- 
gänglich, während auf der Seite gegen das Gornerenthal 
der Weg bloss bis zur Alphülte Siglisfad h. raufreicht. 
Wenig begangen. 

SIOUISTORF oder 8IOLI8DORF (Kt Aargau. 
ßez Zurzach). 445 in. Gem. und Dorf, an der Strasse 
Baden-Kaiserstuhl und 4 km sw. der Station Kaiserstuhl 
der Linie Schaniiausen-Waldshut Basel. Postablage. 59 
Hauser, 292 kathol. Kw. Kirchgemeinde Schneisingen. 
Ackerbau und Viehzucht. Grosse Waldungen. Der das 
Dorf durchmessende Dägenbach treibt zwei Sägen und 
versorgt ein Klektrizitätswerk mit Kraft. Die Strasse von 
Baden nach Kaiserstuhl soll schon zur Bömerzeil be- 
standen haben, was durch frühere Funde von römischen 
Ziegeln bestätigt worden sein soll. 

8IGMANIQ (Kt. Uri. Gem. Bürgleni. 700 m. Gruppe 
Ria 5 Häusern, am rechten Ufer des Schachenbaches und | 
2 km ö. Bürglen. 30 kathol. Kw. Viehzucht. 

signäl (Kt. Waadt, Bez. und Gem. Lausanne). 1 
Anhöhe und Aussichtspunkt. S. den Art. Lusanne (Si- | 
ONAI. DB), 

Signal (LS) (Kt. Freiburg. Bez. Greierz, Gem. 
Vuippens). 702 m. Gemeindeabteilung mit Gruppe von 3 
Häusern am rechten Ufer der Sionge, 500 m no. Nuippens 
und 6 km nnö. der Station Bulle der Linie Homont-Bulle. 
25 kathol. Kw. Kirchgemeinde Vuippens. Viehzucht. 

SIGNALHORN (Kt. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quarl). 3212 m. Einer der am häufigsten besuchten Gipfel I 



SIG 

der Silvreltagruppe. an der ö. Umrandung des Silvretta- 
gletschers und auf der Grenze zwischen diesem, dem 
Fermuntglelscher und dem Firnbecken La Cudera. Am 
Signalhorn führt der Silvrettapass (3013 mi vom SilvretU- 
gletscher nach dem Cudera-Plan Raigletscher und damit 
von Klosters (Prätigauj nach Guarda ( Unter Engadiuj. Von 
diesem Pasa aus ersteigt man das Signalhorn bei nor- 
malen Verhältnissen leicht in Stunden über Schnee. 
Felstlächen und Blöcke. Der Gipfel ist ein scharfer, nach 
dem Fermuntglelscher steil abgebrochener, mehrzackiger 
Grat, oft mit einer trügerischen Wächle gekrönt und 
dann Vorsicht erheischend. Mit der Besteigung des Signal- 
horns kann man leicht diejenige des benachbarten 
Eckhorns und selbst auch diejenige des Silvrettahoros 
verhinden. Von der Silvrettahutte des S. A.C. (4 1 , Stun- 
den über Klosters) sind es bei normalen Verhältnissen 
etwa 3 Stunden auf das Signalhorn. 

SIGNALHORN ( Kt. Wallis. Bez. Leuk und Oesllich 
Raron). 2918 m. Gipfel in der Kette zwischen dem Turt- 
man- und dem Ginanzthal. Kann von Turtman her in 6 
und von Gruben aus in 3V, Stunden ohne Schwierigkeit 
bestiegen werden 

SIGNALKUPPE oder PUNTA GNIFETTI (Kt. 
Wallis, Bez. Visp). 4561 (auf der italienischen Karle 4559 1 
m. Gipfel im Massiv des Monte Bosa. auf der Landes- 
grenze gegen Italien zwischen dem Sesiajoch und dem 
(■renzsattel ; ö. über dem dem Gornergletscher zulliessen- 
den Grenzgletscher und w. über dem obersten Sesiathal. 
Kann bloss von der italienischen Seite her gut gesehen 
werden und ist auf Schweizer Seite einzig vom Hörnli über 
Zermalt aus etwas sichtbar. Den italienischen Namen 
trägt der Gipfel zum Andenken an den Pfarrer von Alagna. 
Giovanni Gnifelti, der ihn 1842 zum erstenmal erstieg. 
Die unter normalen Verhaltnissen und an einem schönen 
Tag kaum schwierige Ersteigung wird vonderilalienischen 
Seite her oft unternommen und erfordert von der Capanna 
Gnifelti <3617 m; über dem Garstelelglelscheri ;ius 5 
und vom Hotel auf dem Olenpass her8 Stunden. 1893 hat 
der italienische Alpenklub ganz nahe unter dem Gipfel- 
punkt eine das ganze Jahr bewirtschaftete Hulte. die 
Gapanna della Begina Margherita i 4555 im erstellen lassen, 
der 1905 ein bloss vom 15. Juli bis 15. September ge- 
öffnetes alpines Observatorium angefügt worden ist. Dieser 
auf dem Gipfel selbst stehende Bau umfassl 8 Zimmer, 
von denen zwei für Touristen bestimmt sind und eine-, 
als physiologisches Laboratorium dient. Kr ist fest im 
Felsen verankert und mit einer doppellen Holzverkleidung, 
sowie einem dicken Panzer von Kupferplallen versehen, 
um ihn vor den elektrischen Entladungen und allen 
Stürmen und Winden sicher zu stellen. Die Leitung 
liegt in der Hand des Professors Gamillo Alessandri. 
Direktors der Sternwarte zu Pavia. Umfassendes und 
prachtvolles Panorama, das demjenigen der benachbarten 
Dufourspitze in allen wesentlichen Zügen gleichkommt 

SIGNAU. Amtsbk/irk des Kantons Bern. Hauptort 
l^ngnau. 32 260 ha Flache und 25017 Ew., also 78 Ew. 
auf I km 4 . Umfasst 9 Gemeinden, die zugleich Pfarreien 
sind: Kggiwil, Langnau, Lauperswil. Bötenbach, Büders- 
wil. Schangnau, Signau. Trub und Trubschachen. 4673 
Haushaltungen in 3382 Ilausern. 2 »902 Deformierte. 126 
Katholiken. 9 Juden und 10 Andere. 24986 Ew. deut- 
scher, 35 französischer, 2» italienischer und 2 anderer 
Sprache. Der Amtsbezirk umfasst den obern Teil des 
Emmenthalesund grenzt im N.an das Amt Trachselwald. 
im O. an den Kanton I.uzern. im S. andieAemter Inter- 
laken und Thun, im W. an Konollingen und Burgdorf. 
Mit Ausnahme der schmalen Thalsohle der Emme von 
Kmmenmatt bis Rüderswil besteht das Amt ganz, aus 
Bergland. Dieses wird durch die Kmme und ihren Haupt- 
nebenftuss Ulis in 3 Gruppen gegliedert: Ii Bergland 
links der Emme, 2> zwischen Emme und litis und 3 
rechts von Iltis und Emme. Zur ersten Gruppe gehören 
der llohgant ;2202 ml, die llouegg 1 1529 ml. die Naters- 
alp (1215 m), der Kapf 11098 mi, Hiindschupfen (1014 m • 
und die ßlasenlluh (1117 in); zwischen Emme und Iltis 
erheben sich der Wachthubel i 1418 ml und der Ramis- 
gummen i 130V m) : rechts von Ulis und Emme liegt das 
kreisförmige Bergland des Napf mit dem Gipfel des Napf 
(1411 in) und der Hohmatt [1301 ml Das produktive 
Land verteilt sich auf 



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SIG 



SIG 



531 



Aecker und Gärten 5110 ha 
Wielen und Hofstätten 5707 » 

Weiden und Alpen 7988 » mach der neuesten Sta- 
tistik 8088 ha) 

Wald 602 4 i 

Zusammen 24829 ha. 

Die Viehstatistik ergibt folgede Resultate 
isso 
15684 
1362 
\ 70.» 
4183 
5147 
2183 
Amt an 



Rindvieh 

Pferde 

Schweine 

Schafe 

Ziegen 

Bienenstöcke 
Sehr reich ist 



das 



16787 
1 3«) 
6717 
3537 
4 703 
2940 
Alpweiden 



den Gemeinden Schangnau, Rotenbach, 
Trüb. Die Gesamtzahl der Alpen belrä 
Einzelbesitz sind. Ihre Fläche 



in 



18774 
1583 
7;;i3 

4018 
3206. 
besonders 
Kggiwil und 
255, wovon 245 
ha verteilt sich 
auf eingehegte* Land 1091. Weidefläche 4017. Wald 1564, 
Ried 329 und unproduktives Land 167 ha. Sie werden zu- 
sammen mit 4249 Stück Rindvieh bestossen. Oer Wert 
Weidelandes beträgt 2 223060 Fr. und derjenige des 
(mit Wald) 5493 410 Fr. Diese 
in einer Höhe von 820-1500 m. die 



Alpgebie 
m hegen 




meisten 
Es wird 



00-J200n 



Amtsbezirk 8igoau. 

Die Weidezeit beträgt 123 Tage, 
eh gesommert. Auf diesen Alpen 
50500 kg Fettkäse und 3000 kg 



Butter im Gesamtwerte von 80900 Fr. produziert. Der 
Amtsbezirk ist fast ausschliesslich landwirtschaftlich und 
zeigt bloss in den Thälern der Emme und Ulis industrielle 
Tätigkeit. Hauptindustrie ist die Textilindustrie. Dieetdg. 
Betriebszahlung vom 9. August 1905 ergab folgende Zahlen : 
Gesamtzahl der Betriebe 3743, davon in Landwirtschaft 
2099, in Gewerbe. Industrie und Handel 1609, sowie mit 
Heimarbeit 35. 13980 Personen beschäftigen sich mit Land- 
wirtschaft, 6858 mit Industrie und 1479 mit Handel. 3572 
Betriebe ohne und 171 mit Motoren, welch letztere über 
977,5 PS verfügen. An Eisenbahnen besitzt das Amt die 
Linien Bern- Langnau- Luzern und Burgdorf- Langnau, 
sowie die Post wagenkurs« Schangnau- Wiggen, Schangnau- 
Kammeriboden, Signau- Rotenbach und Trubschachen- 
Trub. Die weitere Ausführung aller Verhältnisse siehe in 
den Artikeln Emmenthai.. Emme (Gnossr.) und li.ns. 

•IONAU (Kt. Bern, Amtsbez. Signau). «87 m. Gem. 
und Pfarrdorf, an der Strasse Bern-l.angnau und 5 km 
sw. voi» diesem Dorf. Station der Linie Bern-Luzern. 
Postbureau, Telegraph. Telephon; Postwagen Signau- 
Rotenbach. Gemeinde, mit Hälischwand, Höhe, Multen 
und Schüpbach: 398 Häuser, 2862 reform. Ew.; Dorf: 
53 Häuser. 404 Ew. Das auf eine Länge von 1 km längs 
sich hinziehende hübsche Dorf hat mit 
dem benachbarten Schüpbach 
ziemlich viel Industrie : Bauge- 
scliiift, Bleicherei, Zigarren- 
fabrikalion. Färberei, Mühle, 
Säge, Ziegelei. l-andwirt- 
schaft. 5 Käsereien. 3 Jahr- 
märkte. Der früher sumpfige 
Thalgrund ist seit 1856 durch 
den Schupbachkanal trocken 
gelegt. Bei Signau gab es 
früher zwei Burgen, Sitze der 
Freien von Signau. Die im 
14. Jahrhundert verlassene 
alte Burg stand auf einem 
Hügel o. vom Weiler Steinen, 
während die neue gegenüber 
auf der linken Thalseite lag 
und 1798 als Sitz des Land- 
vogtes von den Baueru zerstört 
wurde. Die Freiherren von 
Signau lassen sich urkundlich 
nachweinen von 1146 an bis 
zur Schlacht von Sempach 
1386, in welcher zwei Brüder, 
wahrscheinlich die letzten 
ihres Geschlechts, Helen. 
Viele Glieder dieses Hauses 
bekleideten höhere Kirchen- 
ämter. Nach mehrfachem 
Wechsel ihrer Besitzer kam 
die Herrschaft Signau 1529 
an Bern. Sie bildete mit den 
Gemeinden Biglen und Ro- 
tenbach, zu denen im Jahr 
1648 noch das bisher mit Si- 
unau verbundene Eggiwil als 
selbständige Gemeinde kam, 
ein eigenes Amt bis 1798. 
1529-1798 residierten hier 50 
Landvogte mit je sechsjähri- 
ger Amtsdauer. Die soge- 
nannten • Heidengräbcr* sind 
Erdwerke, die in der Nähe 
von Signau heim Weiler 
Steinen gefunden wurden. 
Alb. Jahn deutete sie als 
Ueberreste eines römischen 
Feldlagers, das die Strasse 
derAuregraend nach dem 
rn Emmenlhal deckte. 1856 
an darin eine ganze 
Anzahl von « Heideneisen • 
genannten römischen Hufei- 
Wie in Langnau und andern Dorfern des Emmen- 
hat sich auch in Signau noch die alte Sitte 
das» die Frauen an 



sen. 



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532 



m sir, 



Sir, 



feste ebenfalls teilnehmen, 'wobei z. B. in Burgdorf die- 
jenige Familienmutter, die die grösste Zahl Knaben hat. 




Slgnau von SQdoiten. 

einen Preis erhält. In Signau lebte der Volksdichter und 
Schlosser Christian Wiedmer [1808-1867}, der Dichter 
des Emmenthalerliede* ; Heimat des Bundesrates Karl 
Schenk 11823-1895). 1146: Sigenowo ; 1175: Sigenowa ; 
1300: Signowa; auch Sigenowe. Sigenuwe und Sygenova 
— Au des Sigino. 

SIQNfcSE (Kt Wallis. Bei. Ilerens. Gem. Ayent). 
700 m. Gemeindeableilung und Weiler mit Weinbau, 
über dem Bisse deClavo/ mitten in Bebgeländen gelegen, 
2 km no. der Station Saint Leonard der Simplonhahn. 
12 Häuser. 85 kathol. Ew. Kirchgemeinde Ayent. 1200: 
Sinies; 1250: Svnnevsi. 

SIGNORA ikt. tessin, Bez. Lugano). 1004 m. Gem. 
und Dorf im Val Colla. 15 km no. vom Bahnhof Lugano. 
36 Häuser, I 29 kathol. Ew. Kirchgemeinde Colla. Anbau 
von Boggen und Kartolfeln. Viehzucht. Periodische Aus- 
wanderung der Männer als Kohlenträger. Kleines Berg- 
dorf mit von der Zeit gebräunten Holzhäusern. 

SIQNY-AVENEX i Kt. Waadt. Bez. Nyoni. Gemeinde 
mit den beiden Weilern Signy und Avenex, in der Ebene 
zwischen Nyon und dem Jura. Signy 1 474 ml liegt 3,2 km 
w. der Station Nyon der Linie l-ausa'nne-Genf und 1,2 km 
n. der Station Eysin» der Linie Nyon-Divonne. Poslab- 
lage. Telegraph, Telephon; Postwagen Nyon-Gingins- 
Trelex. 17 Häuser. 63 reform. Ew. Avenex (458 ml befin- 
det sich 800 m ö. Signy und hat 6 Häuser mit 31 reform. 
Ew. Gemeinde : 23 Häuser. iH reform. Ew. Kirchge- 
meinde Nyon. Acker- und Weinbau. Signy war ehedem 
unter dem Namen Sigiciacum oder Signtacum ein Krön- 
gut, das zusammen mitCommugny 1017 von Konig Budoll 
der Abtei Saint Maurice d'Agaune' verliehen wurde. 1166: 
Signei : 1200: Suniacum ; 1235: Signiacum. 

SIGRISWIL iKt. Bern. Amtsbez. Thun). 805 m. Gem. 
und Pfarrdorf, 240 m rechts über dem Spiegel des Thuner- 
seea und am unteren Ende der weitläufigen, Sigriswilall- 
mend, die sich in sanfter Abdachung an die schrolTe Kette 
des Sigriswilergrates anlehnt. Postbureau. Telegraph. 
Telephon : Postwagen nach Gunlen. Gemeinde : 407 
Hauser, 3093 reform. Ew. : Dorf: 59 Häuser. 377 Ew. Die Ge- 
meinde besteht aus einer ganzen Anzahl ted weise weit von- 
einander entfernter Ortschaften und erstreckt sich vom 
l'fer des Thuneraeea über die Höhen der Sigriswilall- 
mend und der Blume bis weit hinüber ins Thal der Zulg. 
Am Seeufer liegen Merligen am Ausgang des Justis- 
thales und Gunten auf dem Delta des Guntenbaches, 
beide mit fast südl. Vegetation und als Fremdenorte stark 
besucht. Am Gehänge zwischen Sigriswil und Gunlen 
linden sich noch Weinberge von bedeutender Ausdehnung. 
Ungefähr auf gleicher Höhe wie Sigriswil liegen in o. 
Richtung Endorf w/8 m). Felden und Wiler (850 m) an 
einer Fahrslrasse, die um den hier mit der Spitzen Fluh 
und den Balligslocken steil abfallenden Sigriswilergrat 



herumbiegt und ohne grosse Steigung in das Jusüsthal 
führt, dessen Alpen meist Bewohnern von Sigriswil ge- 
hören. Westl. der Guntenschlucht treffen wir 
Tschingel (900 m) und Aeschlen (755 ml, er- 
steres über einer schroff zu diesem Tobel 
abbrechenden Felswand und letzteres an 
der Strasse nach Oberhofen auf einer Ter- 
rasse unmittelbar über dem See. Noch höher 
liegen Ringoldsväl (993 m) an der W.- und 
Schwanden (1023 ml an der S. -Flanke der 
Blume auf der Wasserscheide zwischen dem 
Guntenbach und der Zulg. Zum Gebiet dieser 
letzlern gehören Meiersmad 1 1080 m i und das 
noch entlegenere Beust (1000 m), ertteres in 
einem rauhen liochthal und letzteresauf einem 
Bergrücken unmittelbar über der Schlucht 
der Zulg. Dies« zwei Ortschaften sind mit 
dem 2-3 Stunden entfernten Pfarrdurf Si- 
griswil nur durch mangelhafte Wege verbun- 
den, haben aber mit dem Bau der Wühre- 
strasse eine bedeutend bessere Kommuni- 
kation mit Thun und SteOisburg erhalten. Die 
Lage des Pfarrdorfes Sigriswil auf der aus- 
sei sten, nach S. exponierten und steil *um 
See hinabfallenden Terrasse der Bergllanke ist 
überaus sonnig und mild. Prachtvolle Aus- 
sicht auf See, Niesen, Stockhoriikelle und 
Hochgebirge. Mit dem 1 km sw. gelegenen 
Gunten. wo sich die nächste Dampfschilfstation befindet, 
ist Sigriswil durch eine die Steigung in grossen Schlingen 
überwindende Fahrstrasse i'uSlunde) verbunden. Geplant 
wird der Bau einer Drahtseilbahn Gunten-Sigrisv.il. Auch 
mit Oberhofen steht Sigriswil durch eine Fahrstrasse in 
Verbindung. Diese steigt vom Seeufer her sanft an und er- 
reicht über Aeschlen das hochgelegene Tschingel. wo sie 
■ich verzweigt. Wahrend der eine Arm links nach dem 
Dort Schwanden führt, biegt der andere tief in das Thal des 
Guntenbaches ein, um das hart am Rand dieser Schlucht 
auf seiner Terrasse tronende Pfarrdorf zu erreichen. Land- 
und Alpwirtschaft . Viehzucht. Fremdenverkehr. Im 
Dorf selbst ein grosser (Gasthof und in der Umgebung 
ausserdem mehrere Fremdenpensionen. Der Betrieb 
eines ehemaligen Steinkohlenbergwerkes ist langst auf- 
gegeben. Pfarrhaus und Kirche bilden eine malerische 
Gebaudegruppe. In der Kirche bemerkt man einen poly- 
chrom gehaltenen gotischen Taufstein aus dem 15. Jahr- 
hundert und eine grosse, reich verzierte Zehn Gebotetafel 
aus dem 17. Jahrhundert. Das mit einer originellen In- 
schrift versehene Archivgebäude enthält viele alte Ur- 
kunden Als Mittelpunkt der Gemeinde und Kirchort ist 
Sigriswil besonders am Sonntag Morgen sehr belebt. Die 
Bevölkerung der Gemeinde gehört in den am See gele- 
genen Dörfern mehr dem oberlandischen und in den 
itergortschaften mehr dem emmenlhalischen Tvpus an. 
Die Steilheit des Bodens erschwert vielerorts die landwirt- 
schaftliche Arbeit und nötigt die Bewohner häufig, ihre 
Lasten auf dem Rücken zu tragen. 

In geschichtlicher Hinsicht bietet die Gemeinde Spuren 
hohen Altertums. Bekannt ist der reichhaltige Fund aus 
der Bronzezeit bei Ringoldswil, sowie die Sage von einer 
durch Bergsturz verschütteten Stadt Roll inaer Nähe des 
heutigen Schlosses Balligen. Die Kirche soll im 10. Jahr- 
hundert als eine der 12 Tochterkirchen derjenigen von 
Einigen gegründet worden sein. Sie war dem h. Gallus 

«eweiht und gehörte zum Dekanat Münsingen der Diözese 
onstanz. Als Kollatur der Edlen von Itremgarten wird 
sie schon im 12. Jahrhundert erwähnt. Später kam der 
Kircbensatz durch Erbschaft an die Brüder Heinrich von 
Thun. Bischof von Basel 1 1215-1238) und Burkhard von 
Thun, die ihn dann dem Kloster Inlerlaken vergabten. 
Bei der Reformation kam das Patronal an die Republik 
Bern. Grosse Peslepidemien 1565 und 1583, in welch 
letzterm Jahr hier im Zeitraum von fünf Monaten 350 
Menschen starben, worunter 40 waffenfähige Männer. 
1653 beteiligte sich die Gemeinde am Bauernaufstand. 
1671 gingen Kirche und Pfarrhaus in Flammen auf. 
1799-1806 lebte als Vikar in Sigriswil der Tortremiche 
bernische Dialektdichter Goltlieb Jakob Kuhn (1775- 
1850). der in einem seiner bekanntesten Lieder die 
Sage von der Spitzen Fluh besungen hat. Von den übri- 



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SIC. 



JS1H 533 



gen Pfarrern von Sigriswil sei genannt der als Prediger, 
Historiker und politischer Satiriker hervorragende Karl 
llowald (1796-1869). der Verfasser einer bemerkens- 
weiten mehrbändigen handschriftlichen Chronik von 
Sigriswil. Vergl, Kuhn, J. G. Versuch einer ökouomisch- 
lojtographischett Beschreibung dar Gemeinde Sigrint'il 
(in der Alpina. III). Winterlhur 1806. — Kuhn, J. G. 
Wanderung auf die Höhen am Thunertee in der Ge- 
meinde Sigriswil (in den Alpenrosen). Bern 1815. 

SIQRISWILERORAT (Kt. Bern, Amtabez. Thun). 
2063 m. Langgezogener Felskamm, der sich vom N.-Ufer 
des Thunersees in nö. Richtung abzweigt, um im Hinter- 
grund des Eriz zum Quellgebiet der Zulg Bich zu senken. 
Durch das breite Justisthal getrennt, läuft ihm der 
im Gemmenalphorn kulminierende Guggisgrat parallel. 
Von Bern und Thun aus gesehen, bilden die beiden 
Kämme eine nach dem Thuneraeebecken absteigende 
Linie, während sie sich, von Spie*. Aeschi und selbst vom 
Kanderlhal aus betrachtet, ihre schmalen und jähen Stirn- 
seiten zuwenden, zwischen denen das Justisthal sich 
öffnet, aus dessen Hintergrund die in derselben Richtung 
streichende Kette der Sohlflühe aufsteigt, lter Sigris- 
wilergrat erhebt sich mit steilen Waldhängen hinter dem 
Dorfe Merligen und erreicht in dem zackigen Kamm der 
Italligstöcke bald eine bedeutende Höhe, die im Fels- 
lurm der Spitzen Fluh 1662 m betragt. Hinter dieser er- 
weitert sich der Grat zur Vorderberglialp (1670 m|. 
Immer ansteigend setzt sich der Kamm mit zwei durch 
eine trümmerbedeckte Mulde voneinander getrennten 
Graten fort, von denen der w. in der Mähre (1958 m) 
einen ausgeprägten Gipfel aufweist, währeud der ö. auf 
breitem Rücken die Hinterberglialp trägt und dann im 
Gipfel des Rothorns (2053 in) kulminiert. Itcide Gräte 
vereinigen sich wieder am Ofengütschen (2034 m). Von 
hier setzt .sich der Kamm als schmaler First fort und 
erreicht mit einigen lauf der Karte unbenannten I Gip- 
felpunkten 1961. 2013 und 1922 m. Nach O. fällt er 
zum Hintergrund des Justisthaies, nach W. zu den Ba- 
Benterrassen der Sigriswilschafläger und von da nach 
der Zulg ab. Der letzte bedeutendere Gipfel, der Burst 
(1970 ml, ist durch einen kurzen Grat mit der Felsen- 
bastion der Schorizlluh (1863 ml verbunden, in welcher 
die Kette äusserst schroll gegen die Schorizalpenabbricht. 
Die beidseitigen Hänge de» Grate« sind in seiner ganzen 
Länge von 9 km sehr steil. Während der Absturz nach 
dem Justisthal in den mittleren Partien teilweise be- 
waldet ist, füllt der Grat auf der NW. -Seite mit wil- 
den Felsmauern, rauhen Trümmerhangen und Gras- 
haldcn, die von felsigen Tobein durchzogen sind, 
nach dem Gürtel von Alpweiden herab, den mehrere 
durch ziemlich tief eingeschnittene Wasserlaufe ge- 
trennte « Eggen • bilden. Von der Schorizlluh löst sich 
die zwischen dem Sulzigraben und dem Hintern Horren- 
bach gelegene Schorizegg ab, zwischen dem Hintern und 
dem Vordem Horrenbacn folgt die Hörnlialp und etwas 
n. vom Rothorn die /.ettenalp. Während sich diese Alp- 
weiden mit ihren Wasserlaufen nach dem Thal der Zulg 
senken, bildet ein vom Sigriswilergrat zur Blume 
streichender Höhenzug die Wasserscheide, s. von welcher 
die Alpen Alpiglen und Sigriswilalltnend mit ihren Hängen 
und Graben, die ihr Wasser zum Gunlen- und Stamp- 
bach senden, nach dem Thunerseehecken absteigen. Der 
Charakter des Sigriswilergratea ist derjenige der Wild- 
heit und Oede. Die fast immer felsige Kammlinie ist 
stellenweise nur mit Schwierigkeiten zu begehen. Doch 
können die meisten Gipfel von Merligen her durch das Jus- 
tisthal in 3-5 Stunden leicht erstiegen werden. Zwischen 
Mähre und Rothorn ist die Mulde durch ein Karrenfeld 
mit zahlreichen Blöcken, Trichtern, Löchern, Spalten und 
Höhlen ausgefüllt. Am S. -Absturz des Rothorns befindet 
Bich die vergletscherte Höhle des Schafiocl.es. Die Aussicht 
ist sehr ausgedehnt, doch etwas beeinträchtigt durch den 
parallel laufenden, langgestreckten Grat des Gemmenalp- 
liorns. Der Sigriswilergrat bildet die sw. Fortsetzung der 
Kette der Schrattenfluh, weicht aber in seinem Aufbau 
stark von derselben ab. Während diese nämlich ein ein- 
faches überschobenes Gewölbe aus Neokom, Urgon und 
Nummulitenkalk bildet, stellt der Sigriswilergrat einen 
ausserordentlich merkwürdigen Synklinalkamm dar. des- 
sen beide Flanken aus Neokom bestehen. Die Schichten der 



I obersten Kammzone füllen V-förmig gegen das Berginnere 
ein. Daraus ergibt sich, daas der Rucken stellenweise 

\ breit ausgeladen erscheint und hier die Hütten und Alp- 
weiden von Unter und Ober Bergli (1679 und 1821 m) 
trägt. Das W.-Ende des Grales wird oft mit dem Namen 
der Balligstöcke bezeichnet. Den N.-Fuss des Sigriswiler- 
grales kennzeichnet eine Falten Verwerfung oder Ueber- 
schiebung, die das Neokom mit dem Tertiär in unmittel- 
baren Kontakt bringt. Längs der Ueberschiebungfebene 
haben sich noch einige stark ausgewalzte Petzen rjQ Lias 

j und Taveyannazsandstein erhalten. Eigentümlich ist 
eine Notiz vom 22. Mai 1728, wonach am Sigriswilergrat 
ein Bleierzlager entdeckt worden war, zu dessen Aus- 
beulung die bernische Begierung ihre Bewilligung er- 
teilte. 

sigri 8 w l lebrothorn (Kt. Hern, Amtabez. 
Thun). Gipfel. S. den Art. Rothohn. 

siml (Kt. Schwyz, Zug und ZürichL Linksseitiger 
NebenfiussderLimmat. mit weicherer aich unterhalb des 
u Platzspitzes » in der Stadt Zürich vereinigt. 

a\ Die o ltfre Sihl bis zur Mundung der Alp. 1. 
SainmelKebiet im engern Sinn . Wie di e Aeste ei - 
ner riesigen lkiuiiikruniL*ehe ii oberhalb. Jut_SdiiniLdl£gi 
die Wasserläufe auscjjiajiilfer, welche das obere Sihlsystem 
bilden, und die selbe Erscheinung wiederholt sich recht 
typisch an der Sihl selber von Kuthal an aufwärts. Ein 
lilick auf die Karte zeigt darum zweimal ein gut abgerun- 
detes Ei nzugsgeb iet 1) d a» der S ihT ub l? ehmdelleg i. oder 
da* Sainmelgebiel im weitern ?Tnn und 2uTas des "F lusses 
ob EuJ]ial, oder das Einzugsgebiet der Sihl im engern Sinn. 
|)te»e«< letzlere hat die Hestalt eines Ovals. Kingeschlossen 
ist es : im ö- von der ScTiwarystoeTi-FluliliergKetle. im 'S. 
von der Sr hwarzstockr Dr.uaJ^jiiEörglbergkeUe. iinJW. 
von der K etle zwischen SlhlgeSiet ein erseits, Alp- und 
A mseltha l andrerseits. Seine Fjäche betritt bis und mit 
deT r Minster54.65 km^ bis undmiFdem Steinbach 114.01 
km*. Die SihTTiat ihre Quellen auf den Schutthalden am 
O.-Fuss der obersten Felsen des Hund i RrusbergJ, wo von 
etw~a~l8Ti0 m aiTBacTie siqIi entwickeln. oTe sich auf der Alp 
MuLterprt vereinigen (1640 m). Von hier an sinkt die Sihl 
bald in eine tiefe und! enge Schlucht hinunter, die in 
Felsen der Kreidezeit eingegraben ist, bis zum Gripsli 
(1017 m| reicht und ein Gefalle von 17,8% aufweist . Es 
folgt ein1 km langes Laufstück auf Schutt, aber immer 
noch in einer Schlucht (mit 5.7° ,, Gefälle), die sich erst 
im I »chsenboden 1 960 m ) erweitert. Das nunmehr breite Thal 
ist in i f g rohem K Fes überschüttet und hat noch ein be^ 
deutendes GeTäTJe, das sich meist zwischen 2 und 3% Be- 
wegt. TETrat hei Stude n (900 m), wo Tie andern Qucll- 
bäche der Sihl münden, sinkt.es auT das geringe Ge- 
fälle d er Alluv ionsebenen hinunter. Die übrigen Quell bache 
werden „durch die MTnster gesammelt; es sind : die Stille 
Waag aus dem Twi ngetobe l, Her Käswaldhach aus dem 
KaswalJlöbel unJTTer Kisentobelbach aus dem Eisentobel. 
Diese drei Thäler scheiden dTeTKlippen Sellien, I.auchern- 
stock-MiTrdergrube und Rogyenntock voneinander, wäh- 
rend zwischen Twinge- und Sihllhal eine breite Gehirgs- 
masse vom Drusbei*g aus nach N. streicht. 

4. An schwemm ii ngslanH an der obern Sih l. 
Auch in ilfeThfiler der Mitwer und der Waag reichen die 
Schuttm.tsseti weil liin.iur. Di- ganze Anschwemmungs- 
I land von Stinten bis Schlagbuhl verdient eine nähere Be- 
trachtung. GeFtllsverlultmsse ; von 900-890 m = 3.4%,; 
von Mni-SSOm l.7" fo : von S8D-870 m — 1,4%,. Länge: 
Ebene 9 km, Fluss 17 km. Breite : bei Studen 1.2 km. bei 
Gross 1,8 km. am untern Ende 2,5 km, also abwärts im all- 
gemeinen zunehmend. Die Begrenzung wird bis in die Ge- 
gend von Steinbach aus Eozän gebildet; hierauf folgen auf 
beiden Thalseiten quartäre Ablagerungen, dann oberhalb 
Gross Molassehohen. von denen fortan die ganze O. -Seite 
begrenzt ist. wählend die wenig hohe Wasserscheide ge- 

Kn die Alp hin I n. Einsiedeln | mit Krralikum überschüttet 
. Den Abschluss des Gebietes nach X. bildet der halb- 
kreisförmige Endmoränenzug im Schlagen, der einst 
einen Sihlsee gestaut hat. Zuflüsse: von links aus dem 
Amselthal bei Gross der Grossbach mit starkem jSchutt- 
kegel ; von rechts her Kuthal der Ejubjicb aus einem 
Langenthal an der Grenze zwischen der Kalkkette des 
Aubrig und dem subalpinen Eozän, bei Willerzell der 
Bickenbach. Die Ebene selbst besteht in der Tiefe (Bohr- 



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534 



SIH 



SIH 



loch von 60 tni aus Seekreide, welche sich in dein durch i Die heuU 
die Moräne im Schlagen gestauten See abgelagert hat. I Schilfroh 




I -.250000 

2 



Einzufrsgebiel der 81hl. 



Sihl bestehen aus Lehm, der durch 
rrmyupe vefffiStTEt ist. Dieser undurchlässige 
Grund eines ThallHKlens mit sehr kleinem Gefalle 
hol «l.-r TorniüiliMin günstige Bedingungen. 
Ueberau begann diese mit der Entstehung eines 
Rasenmoores aus Seggen- und Schilflorf und 
peripherisch auftretendem Torfmoostorf. Ver- 
einzelle Res te von Birken- und Rottannen - 
Stämmen deuten auf ei nen~ einstigen lichte n 
Sumpfwald Inn Auffällig ivi. <Ia*s (iie zentralen 
Teile der Moore oft grosse reine Bestände der 
heute seltenen Scheuchteria palustrin aufge- 
wiesen haben. Die genannten Moorpflanzen 
wirkten als peripherischer Filter und hielten 
den Schlamin des Uebersc-hwemmungswassers 
lurück. so dass im Zentrum der aschenarme 
Scheuchzeriatorf sich bilden konnte. In Todt- 
meer und Rohlosen hatte dieser eine Flache 
von 90 ha. Von Unter Iberg bis Willenell zeigen 
die Moorflächen heute ganz den Typus \on vor- 
alpinen Flachmooren. 

Der Moorboden w ird landwirtschaftlich auf 
vier verschie dene ArTgB BWUTtTr^fT} PTr Teuch- 
tesJjjHjtfihjpt«' irngm Sirej^ieserTilie vorwle- 
gend dem Typus des Molinietum (Besenried- 
wioe) angehören, d. h. liberwiegend mit 
Pfeifengras [Mohnia caerulea) bewachsen sind. 
Dazu kommen stellenweise als quantitative 
Hauptbestandteile des Riedgrases : Carex 
cea (hirsenfruchtige Segge i. besonders an 
feurhlern Orten: f.'. tlnrta i steife Segge), die 
am Rande von Altwassern und in ehemaligen 
Torfgruben Schwingrasen und Horste bildet ; 
C. panirulata, C. tlavallmna, ('.. rt ist rata, C. 
filifomiit, Cpalurtota und Arn min phragmite* 
I Schilfrohr), welches besonder« auf den Mooren 
mit Gehängeberieselung steht, ebenda : I i- 
Diana pmtapetala ( Hüsteralaude) . Vera/mm 
allnmt iGermer) , Cir$iutn rtrulare (Kratz- 
distel). Anderwärts linden sich Mmyanthr* 
trifoliata (Ritter- oder Pieberklee). der oft 
ganze Wiesen bildet: Eguiteium pal mint und 
/ heleocharit (Schachtelhalm), dieser in totem 
Wasser; ferner Sftarganium raniotuni (Igel- 
kolben) und Typha (Rohrkolben). Anderwärts : 
Eriophnrum laltfolium (Wollgras), Tricho- 
phorutu caenpitotum (Haargras), Srirftu* »ih<a~ 
licut (Binse). In schlammfreiem Wasser die 
Schevchzeria palvnlris. Charakteristische Pflan- 
zen für den voralpinen Typus des Moores sind : 
Trallnit fumpatiiB (Trollblume), Vernimm 
albuni (weisser (iermer), Aconitum oaftellu» 
[wahrer F.isenhut i. Pol ygonutn httttarla «doppelt 
gedrehter Knöterich). Sweertia perrnni* taus- 
dauernde Sweertie), Hartum alptna (Alpenbart- 
sie), Hanunculu* act.nitifotiu* (eiscnhutblättri- 
ger Hahnenfussi und (lenliana ait< Irpiailm 
(Srhwalhenwurzenziani, in inselartigen grunca 
Stöcken Saaguuntrf>a o/firinalit (gebräuchlicher 
Wiesenknopf), Pnniula farinota (Mehlpri- 
mel) und Trirhophontm alpioum (Alpenhaar- 
gras). Von botanischen Seltenheiten des Flach - 
moores nennen \»ir: //uvocAto»" odorata (wohl- 
riechendes Mariengras), Juncut tiipmut (nied- 
rige Simse) und l.u$intachta thurtiflora 
(straussbliitiger Gilbweiderich ». Die wichtigsten 
Riedwiesen sind : die Schmalzgrubenrieder bei 
Unter Iberg. die Rreitenrieder unterhalb Studen. 
die Rieder vor Kullnl, die Ahornweidrieder 
jenen gegenüber, das Steinmoos und die Gross- 
rieder bei Gross, das Erlenmoos diesen gegen- 
über, Lachmoos. Wasserfang, Sulzelalmeind. 
Die Stre u, die im Herbstgemaht unnlen ist. 
kann wegen de« «eichen Roi!,n» niolit \\r r ., 
fuhrt werden und wird daher um senkrecht in 
den Roden gerammte Stangen Tristbaume > zu 
spitzen, kegelförmigen Haufen jTristen) aufge- 
schichtet, welche his lOflO kg Schwarxstreu 
enthalten. So wird im Herbst ein Grossteil der 
t'bene in eine merkwürdige eige ntliche « Tris- 



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SIII 



sin 



t enlandschaft» um g ewand elt. — (|£l)ie weniger feuchten 
leite - ttttWt tH Fullerwieae n. Diesebilden im allgemeinen 
einen Streifen von sehr wechielnder Breite, die" - 
sog. Marli , rings um das Moorland herum. Längs 
der Strassen Iberg-Sihlboden. Euthal-Steinbach, 
Willerzell- Einsiedeln und de* Sihlstuckes ob Gross 
durchqueren aber vier Mattenzüge das Thal. In der 
Nähe der Wohnungen sind sie Fettmatten vom 
Typus der Windhalm- und Raygraswiesc. Ent- 
fernter von den Siedelungen treffen wir Mager- 
malten, besonders mit Hrtnuu* erevlu* und \ai du* 
stricto, während die Rlaugrashalde mit Settrria 
roernlfii an die aus Xummulitenkalkstcin gebilde- 
ten Gehänge bei Steinbach und Eulhai gebunden 
ist. -/Tjjjhn geeigneten Stellen ist dej \l< . iin ,i. n 
durch lEnt wässertingskanäle in Ackerland , die sog, 
i Moorgärien »^umgewandelt worden. D urch Grflbep 
von 1 m liefe tat i. H daB"Schut/enned (zwiachen 
Minsfcr und Sihl) ig lauter Heete von »t.o jn Breite 
u nd 30 m Lange einge teilt. \üf deti hoctigew iilb ten 
-Utt'ten wird in einer Art Dammkultur auf einer 



Siebenstern), Sa.rifragn htrruluM (goldblumiger Stein- 
brech). Orr /im Trauniteinert i Traunsteiners Knaben- 



Pan 

Flache von '.'u ha die Kartoffel gebau t. Diese über- 
wiegt alle Gewächse der schwarzen, leichten Torf- 
erde : doch werden auch noch Harbs. Saubohne, 
Huben. Kohlrabi, Kopfkohl, Buhnen und Hafer 
gepflanzt. Die Moorgär t e n haben zusammen eine 
F lache von Iffl ha un d lieg en in Ried . Schulzen- 
ried. Ahorn weid, Ruttel, Grossmooa, Lachmoos, 
Tschuppenmoos, K Lämmern - Hochmatton . AI- 
ineind- Waldweg. — A j JvVeiden : Sulzclalmeind. Ahorn- 
weid, Kalch. 

Zu den Flaeh moor cn kommen noch eine Reih e von Hoch - 
mooren. D;i> einzige, das dem oberu Thalstürk angeliörF, 
liegt in den Rreitenrielern, die andern linden sich alle un- 
terhalb Willerzell: Schachen, Meersaum, Todtmccr. In 
dem Meer (westl. der Sulzelalmeind). Hnblosen. Iluhner- 
matl. Alle gehören dem kombinierten Moorlypus an. Die 
Profile zeigen am Grunde immer Seggentorf, darauf in vie- 
len Fällen Scheuclueriatorf i in Todtmeer-Roblosen 2 m), 
sodann Sphagnum- und NVollgrastorf. Die erstem zwei 
Torfsorlcn gehören dem Flachmoor-, die letztem beiden 
dem Hochmoortypiis an. Ein grosser Teil der Hochmoor- 
decke ist durch Abbau verschwunden. Wo ne noch vor- 
handen ist. wölben sich 1-3 in breite Rundhocker aus 
Meide. Moos-, Heidel- und Preisselbeeren. Sphagnum, 
Wollgras, etc., gekrönt mit zwerghaften Rott. innchen, 
Wachholdem und Ilakenfohren, oder dehnen sich Sphag- 
nuiulluren, liegen in wasserreichen Mulden Scheuchze- 
riawiesen oder Rasen dea überschwemmten Bärlapp, der 
weissen Schnabelsaat, der Schlauchsegge und des Bilter- 
klees, oder leuchten endlich schneeige Fluren des Woll- 
grases. Durch künstliche und natürliche Drainage (Ein- 
schneiden der Sihl) trockneten die Hochmoore z. T. aus, 
worauf die Rasenbinse an Stelle der Moose und Woll- 
gräser trat und die Rentierflechte die Sphagnumhügel zu 





Dia Sihl bsi SchindelUgi. 

kraut). Malari» jutludota (Sumpfweichkraut). Mennt atha- 
manticuui laugen wurzähnliche Bären wurzel i. 

Die mittlere Mächtigkeit des Torfes nimmt thalaufwärts 
ah von etwa 3 m im Todtmeer auf etwa 1 m in der liegend 
von t'nler Iberg; gross te Mächtigkeit bei liiihne.rmatt 
j.'i'i m. Der Torf wird in der liegend seil 1718 au«gel>eiitet 
und zwar entweder durch horizontales Stechen von Rand 
oder mittels Maschinen, die den sog. Preattorf herstellen, 
wobei der Torf bis auf '/, seines Volumens zusammenge- 
presst und dabei fest wie Rotz wird. Die Torfausbeute 
dauert von Anfang Juni bis Ende Juli. Das Produkt wird 
nach dem /.ürichsee exportiert. Der grössle Retrieb befin- 
det sicli im Todtmeer, wo auf etwa 80 ha Fläche zwischen 
kleinen, schneeweissen Flecken von Alpenwollgras braune 
Torfwände, schwarz belegte Böden und 300 im Sonnen- 
glanz schimmernde kleine Hutten sich zeigen — ein 
herrliches Bild der vorübergehenden Kolonisation in ei- 
nem Tagbaudistrikt (Früh |. 

V erkelirsge ographisch wirk t da« Moor wie ein See,, 
inde m die Siedel ungen ringsum auf der sog 
erstellt worden *»od. rechts die Weiler 
Eulliäl, Willerzel l nnd Lan gniiiegg . lin 
Hirchli unil ringsum zahireicne neue. TvT 



ringsum 
Moor von nbelm EThlluss : 





ka Rull 
Klimatisch 
s hat I'.l Tage-späte 
Mai noch in der Ti 

Himer und ver- 
und lahrlichen 



laiin" rasenes Wachstum 
alion. viel 0.» und 
Regenmenge i Ein- 



\V illarxoll im obern Sihltbal. vom Rlrchli her (fi'M<hrn 



überziehen begann. Botanische.Seltenheiten dieser Hoch- 
moore sind . Hetula nana i Zwergbirke I, Junrux $tyglu$ 
istygisclie Simse). Trientali* etitvfiaea (europäischer 



ih n ata d '«* 'jpjge bung . >> n 
rorenen Boden, erzeugt viel N 

groasert die täglichen 
Temperaturschwankungen (jährliche : 50°). 
Im Tebrigen haben die Ttiäler des j>bern 
Sihlgebietes einen spaten Frühling sein 
Föhn), dagegen 1 
dg e in 

N.- Winde, eine grosse Hegenmcngr ir.in- 
aiedeln 160*1 imm, TTiOTte i :enlage. I;>8 frosl- 
freie Tage; und klare Spätsommer. 

3. \V_.a,a_2_£_rh» iishal t. T»a die Sihl von 
Sciündellegi an in der Hauptsache um 
Abllusakanal des bereits gesammelten 
Wassel « ist. zeigt der gesamte Lauf des 
Flus se« die selben Ersche inungen im 
Wasserhau shalt. I'egeisiatlonen slhd "ein- 
gn-ii hui i>ei 1 nlersilen ob der Teufels - 
brücke am Etzel) Sihlbrugg iselbst re- 
gistrierend), im l'ntern Sihlwald imit 
telegraphischem Hochwassernachrichten- 
dienst) und in Zürich bei der Papier- 
fabrik. Die.Sihl ist ein typisch es Völli g en- 
gewasner, >on dessen Sammelgebiet 83""^ 
auf die Berg- und Alpenregion, d. h. auiTröhen finer TiTTt m 
entfallen. Ttir liydrograpliisches Jahr it. NuvetoLur Lis 31 
Oktober) beginnt mit dem winterlichen Niederwasser der 



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536 



Sil! 



sin 



Mon ate November big Februar (Minimum sogar in Zürich 
1 Vi n* 3 per Sekunde), /.um i nterschied von den hochal- 




[Ha S.1,1 In-, Hirtel. 

pinen Flüssen können aber ausnahmsweise kleinere Hoch- 
wasser auch in dieser Zeit entstehen. Hann folgt di e Hoc h- 
Was serzell des Frulilip gs und VorSOJumers, AjiriLJuni. *0 
wegen der Schneeschmelze im obern (Jebiei im allgemei- 
nen hoher Stand herrscht, dem sich noeliTW'eiiliochwasser 
aufsetzen. Sodann triil im Hochsommer und HerbstTVedi- 
sel v o n Hoch- u nd N iederw asser ein ■ Hie maximalen H"och- 
waYaer können in beide der letzten Perioden fallen. So 
führte die Sihl z. ß in Zürich am 23. August 184(5 550 m 
per Sekunde und am .'II. Juli 1874 3H0 m'. Ki n Anwa chsen 
ilunden ist nicht* jc|tenes. Das Projekt 



um 1.5 .. 

•!• : b-iJ l-.x: I ' i Elfl-iU.il' In hat zu besonders KorgfaTtiger 
Ausarbeitung der Daten der Station l'ntersiten Anlass ge- 
geben, da die«e dicht unter dem vorgesehenen Ablluss 
des Sees liegt. Hier, wo das Einzugsgebiet 156.7 km s 
misst. betrugen 1901-1904: 



1901,02 
209.969 
6.7 m* 



190*703 

190.244 
6.0 m 



1903 0» 
2110.949 
6.4 m ' 



die totale Abllussmenge 

in Mill. m' 
die mittlere Abllussmenge 

pro Sek. im (ianzen 
die mittlere Abllussmenge 

pro Sek. und km 5 des Kinzugs- 

gebietes 43 Liter 38 Liter 41 Liter 

Her projektierte Sihlsee hat nur 0,. r > km* weniger Einzugs- 
gebiet, würde durch Dämme bei Schlagen und Hühner- 
matt gestaut, hatte den Spiegel bei 892,6 m, wurde bis 
zur Mundung der Minster hinaufreichen, eine Fläche von 
11,606 km* und ein Volumen von 96498010 m 1 . sowie 
den Ablluss bei 875 in. also eine grosste Tiefe von 17.6 
m haben ; er konnte die Sihl mit einer konstanten Was- 
sertnenge von 2.5 m ' i bei Sihlbrugg gemessen) dotieren 
und. unter gewohnlichen Wilteriingsverhältnisscn, aus- 
serdem genug Wasser zur konstanten fiewinnung von 
60000 PS nach Altendorf bei Lachen liefern. Ein einzi- 
ges ausnahmsweise trockenes Jahr wurde der Dotation der 
Turbinen nichts anhaben; dagegen konnten bei allfällig 
verspätet nachfolgender Schneeschmelze die Monate Hin 
und April kritisch «erden. Da die beteiligten Kantone 



Zürich und Schwvz sich über die Ausfuhrung dieses groas- 
artigen Unternehmens nicht haben einigen können, ist 
das Pro j ekt vorlä ufig wieder fallen gelassen worden. 
4. Sihllauf von Schl agen bis zur Alomftn - 



d u n g! Tlei Schlage n sinkt < 

ms 



sionsschluchl hinunter und e Bachcint "bis ^^"l^mm-i - 
dung ganz an den "Fuss dar Höhen Bedrängt, welche das 
Samiuelgeltiet im V abschliesen. Die Schlucht hegt im 
obern teil in Molasse, im untern dagegen hauptsächlich 
in quarUren Ablagerungen, Uefalle bis zur Alpmundung 
7K7in etwa 11..,, tiesuinllange daselbst dl km . l-'luss- 



(7M/ in etwa U'.u. Iiesainllaiige ila 

gebiet bis und mit Alp 250.414 km* 

fc) Die unter* §ih\ {HUMoh/) 1. Geologische Ge- 
sell i eTi t e .1 e r > i I i Dur. Ii «Ii.- Alp mit der Hilter verstärkt. 
— ri« s«t die Sihl durch das Tor zwischen H ftffTfP Phflfl 
nn d Etzel das Samtiii l^ebiet und hatindem nun folgenden 
MjjjeUsjif ein wectLflelxtdleii Srhir.kaal glaubt. .Nach der era- 

lell F.ts/.-lt grub sie in der Molasse das heutige Zu r it lir.t-0 

thäl aus, da s von der Gegend von R ichlerswi. an abwärts 
als das Stammthal der Sihl aufzufasse n ist. Ein Zufluss.der 
daselbst von rectils mundete, lenkte durch rückschreitende 
Erosion die Linth ins Sihlthal ab. Dadurch wurde die 
Litukjjjui Hauyüluaa. die Sihl zum Ncbenfluss. Es folgte 
die Senkung des Alpenkorpers und die ilildung des Zu- 
richsees, der fjordartig auch ins heutige obere Sihlthal 
hinaufreichte. Wahruad der zweiten. . Eiszeit wurde d as 
Silillhal M.n de 
Moränen 
Mu 



Me 



nixen. lagerte die bis 150 m mäj 

ni»«sen ab rii* den GjTUi 

bilden, und lluaa weiter ilfr 
«py de« Eise» blieb sie JtVl 
au ch furdei 
und 



lUttllia-sell 



Eintritt i n denZüri 
Idete nun ihr 1 



ern 

»selbst 

Ruck- 
dureli 



M.isKv^CMUiafili und bildete_ nun ilir_l lojjbisjich 
irug g aus, von wo s ie aber durch das heutige Trocken- 
thal Sildbnigg-Ü«)a.r i n fen Zugar see atromt e. noei. auch 
diese r >Veg wurde ihr in der dritten Eiszeit versperrt, 
als' ein Arm des HeuasgleUchers di eses znai erfüllt e. 
Un terdes sen war z wlacnen dem linken Ufer dea f.ipfJir- 
glelscliers und dem A H« i - . min I«egen»as»er des i'iel.iete- 
und dem Schmelzwasser des Gletschers gebild et, ein 

neineächluc 



il-l.ii 



wineina, 
i «Ten TT 



eUSsgle 
und Miel) aurTi nach 



rane ihr d 
■>. Heg, 



in diesem nein 
> dem Zugersee 
Verhällniss 



n,..i. d 



L-ine 



Mo- 



Wnmuiidung an folgende Verhältnis* 
Sinle rhebt sich eine gewaltige jflB 
StuUhöhe-Höhe-llütten) . die aber t 
ei nen tiefen Einschnitt zeig t, so da» 
wenige Meter unter dar waaaerscheii 
see liegt. Itp S. erheben sich die w 
Hohen Rhön. D i e Sihl niesat in etji 
noch zd verlieren Im HegrilTistllieräiT 



d.-n 



578 m oder t 



/llel-t unl. 



legi suf Molasse, dann von H utten 
vorzugs« 
Moränen 



a uf Grundmo räne, ütx 
scliaft von Hullen S. I. 



von der 
X. der 
tenegg- 



/.uricli- 
nge des 

(Tie sie 

ÜfiS 

SmmBS 



ink- 



•I, 



die ebenao_J_^ 
OwpptS von Quellen treten ü 
Ansiedelungen hat das auf <li. 

Flllsslli;il keine 



ie von Men zjngep sich aufl.aiit. n.nw 



: der firuniltlioräne aus. 

t Strecke 15.1 km lang «- 
Brücken beßnden sich hei Schindel ky i 
nsieileln und Süiloslualin). sowie bei 
H ütten. Finsterse e und Suhnersteg für den Lx>ka D«-rkehr. 
Remerienswi-rt i-l die IL l/i i*l bei Samslagern. die der. 
Transport der Waldausheiile am Hohen Hhon hoch in der 

• ..als .ii -M Oll.lsl I ■ ... i ... L. • l««KWAa 



Luft 
inte 



\'i 
I ii 



vom Sihlsprui 
erkennen. Die 



ganze Sihlthal ermöglicht. Eine höchst 
ist der sog > 1 1 1 1 - j run c '. d h. <trr rrrt 
tlei |..rli.-rige Xageliliih'. eine Kiesat. 
p der ersten Eiszeit, von NW. h er an 
TeTgnrna lo g l f Hoch etwas nhler ihr 

.IUI .v n .1- 1-j.egen die Alpen anzusteigen 

dii -. i Nageinuli l.is.en im STTJg.dtit t 
t zum Uetliberg ihren Zusammenhang 
t zeigt aber eine bedeutende Dis- 



okation. Da nämlich der Deckenschotter von aus den Alpen 



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Slll 



SIN 



537 



kommenden Flüssen abgelagert worden ist, muss er ur- 
sprünglich mit dem Gefälle von kiesablagernden Flüssen 
gegen die Alpen hin angestiegen 
»ein. Denkt man sich nun diese 
Nagellluh vom l'elliberg an normal 
Ihalaufwärts ansteigend, so sollte sie 
Mich am Sihlsprung 425 m über ihrer 
heutigen Lage befinden. In Wirk- 
lichkeil ist aber vom Uetliberg 
bis zum Albishorn ihre Steigung zu 
klein, und von da an fällt sie sogar 
noch thalaufuarts. Ks muss also 
nach der ersten Eiszeit (am Schlüsse 
der ersten Interglazialzeiti eine Sen- 
kung des Alpenkorpers um diesen 
Betrag von 425 m stattgefunden 
haben, während das Mittelland sein 
Niveau unverändert beibehielt. Zwi- 
schen den festen und den sinkenden 
Massen entstand eine Flexur, die 
an der Sihl vom Uetliberg bis in 
die Gegend des Sihlsprung reichte. 
Die also gebildete Mulde wurde aber 
durch Ablagerungen der nachfol- 
genden Eiszeiten wieder ausgefüllt, 
sodass nun das Thal am Sihlsprung 
die eben beschriebenen Verhältnisse 
zeigt. Durch den durchschnittlich 
100 m mächtigen Filier von Mo- 
ränen und locheriger Nagellluh sik- 
kert das Wasser Dis aufdie undurch- 
lässige blaugraue Grundmoräne 
hinunter und tritt auf derselben 
in sehr konstanten und gut nitrierten Quellen aus, die 
von der Stadt Zürich zu ihrer Wasserversorgung gefasst 
worden sind. Die « locherige Nagellluh « des Sihlsp rung 
bi ldet senkrechte Wän de und bricht hie und da in mich- 
n r . ii nr„ ton ä Ti W<5 das Thal L> n renpttmlirr^^ 

in die Sihl gestürzt und haben deren Bett so einge 

■»fei 



mundung an ausser kleine n Bächen .kein e. D as gan ze 
Thal tat laal nur Abflusskanal. Die Fläche des Semmel- 




enyt. d aas es mi t~einem Sprung überschritten wer den 
Unnle. Da ahenüerlrotz der grossen liefe BS TlöCtt- 

B 

iir. ii 

sprung an Diessl die Sihl auf MolasseT Bis Sihlbrt 



wasser Stauung eintrat, wurde seither durch Zersprengen 
der ninrkci'in l.reitejy- Ijii. riirolil ^schallen Vom Sihl- 



bftr.vt .las GefäTTe ä"uTeTne 5TreVke v.m :.,f! Lm etwa '.»' ,„. 
Nu r an wenigen Stellen entwickelt sich eine ThaTsoh le in 
irjlarin Bore stehen, üb Sihlbrugg bricht aus den Scliol- 



lern der /weiten Ki-zeit noch eine ganzeljurllreihe hervor, 
die ebenfalls fürZurich gefasst ist. Bei Sihlbrugg betragen : 
das Einzugsgebiet 29*2.9 km*, die totale Abllussmenge per 
Jahr etwa S< »i Mill. in' und die mittlere Abflussmcnge per 
Sekunde etwa 13 m ; ', was auf I km' des Sammelgebietes 
etwa 45 Liter ergibt. Das v»r|f«ffff Truckenthal Silll- 
brugg- Baar bot dem Verkehr einen natürlichen Weg vom 
Zürichs«'» nach der l'rachweiz. 



Unter«» Siblin*!, von Fetieoejrg her gegeben. 



gebiete« von der Alpmundung bis zur Limmat betragt 
80.781 km* und dessen mittlere Breite nur 2 km. Links 
wird die Wasserscheide gegen die Lorze durch die Mo- 
ränenhügel zwischen Neuheim und Menzingen und gegen 
die Beppisch durch den Albis, rechts gegen den Zürich- 
see durch die Ziiiiiuerhergkette gebildet. Wäre die Sihl 
in ihrem Stammlhal geblieben, so wurde sie von beiden 
Seiten her Bache von mindestens 5 km Länge erhalten ; 
so aber ist das Gebiet ihres l'nterlaufs auf ■.' 1 -v r . seiner ur- 
sprünglichen Breite eingeschränkt. Darum sind die beid- 
sei tigen Gehänge »teil , am Zimmerbe rg beso nders unten , 
am Albti i hauptsächlich oben . Wo der Gral oft von senk- 



rechten San.lr.U in- und Mi r^. lwändcri gebildet ist. Der 
ich losende Schutt wird \<ui wclcii 



reichlicl 
n.-n n 
sä in m. 
Langn 

dir Uli 



davon sich lösende Schutt wird von vielen klci- 
nen an den Fuss »lerKeiiY gebracht, wo die zu- 
g ewenw B BH ' Scnuitteggj vun go r trh bis na ch 

hinauf eine ununterbrochene FchutthaT.re liltlen. 
t mit Wies«'u. .h in älie-t.-n KuTinrtAnirftPsmrrp'rn 



in 



i. 



/ASeilen Stadium 
» ler Korrektio n d 
unJ zeigt a|gp i 
Ablagerung. Ks I 
Hänge, die aus t 
zwischen denen 
un d mei n gru^ 

Gern. Möllingen 



-fieSihl 



n einem tvjii-chcn Thal 
ITnen . unterspuTiTle vor 
i» u nd ZTmmerfaergkette 
iscT von Transport und 



)0 



ler Au* 



Jiegen. DBJqq 



i I ransport und 
?n0 in und mehr 
iT>e»tahen . 
von V«-l 



■ in i 
na u 
und 



deckt i- 
eilt die 



die 

wild war. 
die reher 



um 
Sie 



nler. 



talde liegt Lana 
is-Züric n von Lang - 
fhal kreuzt 



ignau 
Lans 



l'eh.TJ 
da, Sil 



sie das 

ersteigt. Da das Sihlthal zu 
der A nlage di eser wfcntlgetT Siraase 
ier nergTietferi den Gefahren »Ter 



Gr m. Hirtel 




Querprofll durch den SihUiirunK (nach Aug. Aeiipli). 



Moleise; t Grundmorane der ersten Kla/eit: 3. Deckenscholler 
(etwa SO m mächtig); 4. Moräne der dritten Euielt. 



rwiniinng zweier 

uenirminj.' vnr. rtenrn ein SirasM-nzug durch 
l.al sVIbsl nach Sihlbrugg -let>rbrf ausgesetzt 
g ewesen war*)." ' ' * ' ' m « 

fl Diese liefaliren «ind jetzt durch die hori.ktion 
gehoben. Deren Prinzip war der seitliche Llgi-iChijU , 
der durch eine womöglich dem Molassereis aufgesetzte, 
2-3 m hohe und am Fuss g ewöhnlich durch eine 
Slepvorlage gesicherte Pftiiterang aus Sihl- 
i-sg ernsteinen erreicht wurde. Die Sohle des 
Sihlbe ttes inisat jetzt in de r Breite 3ü-ab m. I li ege 
Ins l'.HrJdnrcligefnhrten \rbeiten liahen ITT""!**» Kr. 
gekostet. Gel jihr besteht nur noch zur Zeit des 
Eis gange s. Beim winterlichen AiMerwasscrsTIn fl 
üb«;rTriert_na_mlieh die Sihl volls tändig, wor- 
a uf hei Tauwetter die EiMMKe geHöben "Wtnr 
iin. I lj- r .in i .e entstehen. weiCil&jUlUU wenn sie 
auf Hindernisse siosWh, etwa zum Stehen kom- 
men und das gaHIc Mit l-l y, am weil sUsTDTTPBT 



Schlamm und Sand, da das 
LeimbacTi bedeutend bleibt f 
StM auf ihrem ganzen 44 km' 



(iefalle 

r-r, "■■„,'.. 

langen Laul von der Alp 



Ins 

Zuflüsse f 



nach Inier 
lat die 



ic uvii i-i ■/« um wen «UM. in. Ii, 

Bentea s au ch S ei Btt» maaMge T tt Anschwellen "ges 
Flu sses ein Austreten IB MBlrchlen Ist, ms 
jetzt hat ein jeweilen durch das cjs gegrabener Kana l 
noch jedesmal Abhilfe geschalten. Das heucüTlj nde f jenijg 
erlaubt industrielle Ausnutzung. Im Kanton Zürich l.e- 



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588 



sm 



S1H 



stehen liWjs^ex-yjMrkkapäle, deren etwa 4000 PS rur Ver- 
arbeitung von HolzTBeleuchtung und Papierfabrikation, so- 



Glazialtchotter in ihrer Beziehung tur Entttehung de* 
Zurichtet*. {Beitr. zur geolog. Karte der Schweiz. N. F. 



M/s 



Hünqlen- 




IV). Bern 1894. 



Klönthal, Sihl 
ind LiniA. 



Prodi lang» d«4 Siblin»)., 
Ii Deckeaachotter, M. 

wie zum Betrieb von Spinnereien, Webereien und me- 
chanischen Werkstätten verwendet werden. Von Hattet) 
an. w o ein bedeutende" Elektrizitätswerk im BetrieL steh t, 
reihen sir}i IfiHtf" Jer~5ili l zahlre iche. Fa b nk"en auf, die 
eine grosse _ Anzahl yo ri Arbe i tern beschäftige n, »o das* 
ilie I)<irfer~Tni ?TTnüial best ändig anw acTisen utnl sieh zu 
immer blühenMei ynTTeYne mw i'<en entwickel n. Im Ober- 
lauf der Sihl werden Tiei Stiiden gegenwärtig mit finan- 
zieller Unterstützung des Hundes Korrektionsarbeiten 
durchgeführt, deren Kosten zusammen mit denen von 
verschiedenen andern Wildhach verbauungen im ganzen 
aur£VOOü0 bis 300000 Kr. ver .nachlaßt sind. 

4. Hie Flora des untern Sihltfebietes weist, wie zu er- 
warten, eine Anzahl Yoralpenutlaiueu auf. So den Berg- 
hahnenfuss iBanunculut tnanlanut), der sich streng ans 
Klussufer halt und bis Zurieh hinunter geht. An Schutt- 
halden, wo der Kluss die Ufer angreift, sind der fett- 
hennenarlige Steinbrech \Saj-ifraga aizoidet) und die 
blaue Seslerie {Setleria caerulea) uberall zu treffen; im 
Sihlsprung kommen die Alpen- Gansekresse i Arahi» nl- 
jjina), der dreizahlige Baldrian (Valeriana tnpterit) und 
die kurzährige Segge i<7o>w brachgttachyt) vor. An son- 
nigen Halden sind auffallig : der durchwachsene Bitttr- 
ling (C/</ora;>e/7VWirtfrtl.dergelblichw'eis8e K\ee (Trifolium 
ochrolcucum), das purpurfarbige Knabenkraut [Orchil 
fiuriiuiva). Frauenschuh [Cgprifiedilutii calcetdut) und 
der Türkenbund l l.itiumniartagon'i; im Walde die Hasel- 
wurz iAsarun» eurapaeuni) und die gefingerte Zahnwurz 
\<'.ardannnr digilatn\. Zwei ausgesprochen kalkliebende 
l'llan/en. die sonst eher dem Jura als den Voralpen zu- 
kommen, sind der lorhecrblätlrige Kellerhals i /Iii/j/um 1 
laurenlai. der namentlich auf iler linken Thalseite ziem- 
lich haulig ist. und das langblattrige Hasenohr I Bupleu- 
rum longtfolium), das vorwiegend im obern Teil des 
Sihlthales zu linden ist. 

ci her eigent liche l'tiferlauf der Sihl be ginnt erst bei 
l IliSIL Leliliuacl'. indem von da a^ das Ge falle n uf l %, 
und endlich auf 3" ,,., hinun teraialTt, t nter diesen Be- 



dingungen haldleSiTTI die breiten Kieslmden der /.nrrher 
und \Vi''lli«liofer Allmend und des Sihlfetdes angeregt, 
sowie sieh weiter abwärts auch an der Auffüllung des 
Limmalthales beteiligt. Die Mündung der Sihl in die 
l.immat erfolgt unterhalb des l.andesmuseum« in Zürich 
in 403 m. Ihre Gesamtlänge betragt 7»i km und das Ge- 
samtgefalle etwa |4jjW m. Pas Einzugsgebiet missl 340.lil.'> 
km-', wovon 30" „ in der Alpenregion, 53% in der Berg- 
region i "00-1200 mi und 17 % in der Hugelregion liegen. 
32% des Saminelgehietes sind mit Wald bestanden. An 
der Mündung betragt die Wasserführung im Minimum 
1.6 m 1 «iticl im Maximum 550 m' per Sekunde, Urkund- 
liche Namensformen: 1018: Sylaha; 1185: Sila ivom alt- 
hochdeutschen Kanal). [HanutiCH kt»ru ) 

Bibliographie. Kaufmann. F. J. Gebiete der Kantone 
Hern. Luzern, Schwitz und 'Aug, enthalten auf Blatt VIII. 
l Beiträge zur geohiq. Karte iter Schweiz. XI I. Hern 1872. 

Gütz willer, A. Mulatte und jüngere Ablagerungen, 
enthalten auf Blatt IX.- Kaufmann. F. J. Kalkttein- und 
Schiefergebiete der Kantone Schwitz und Zun, i Hettr. 
zur geolog. Karte der Schweiz. XIV, I und 2af. Bern 
1877. — fjuereau, K. C. Die Klippenregion tun Iberg 
im Sihlthal. \Beitr, zur geuUxf. Karle der Schweiz. N. 
F. III). Bern 1893. — Aeppli. A. Erationtterratten und 



und 

{Beitr. tur 
geolog. Karte 
der Schweiz. 
N. F. V). Bern 
189fi. - Früh. 
J., und C. 
Schröter. Die 
Moore der 

Schweiz. 
i Beitr. zur 

Karte der Schweiz; geolechn. Serie. III). Bern 
Heim, Alb. Die Getchichle dei Zürichteet. tSeu- 



Albis bis tum Sihlspruog. 
Molasae. 



geolog 
1907. - 

jahrsblatl der Saturfortch. Getelltchaft in Zürich. 1891). 

Heim. Alb. Der Kitgang der Sihl in Zürich i in der Vier- 
telfahrttchr. der Saturfortch. Getelltch. in Zürich. 1894). 
- Wettstein. Alex. Geologie von Zürich und I nigehung. 
Zürich 188.*). — Düggeli, M. l J flanzengeo<irafih. und wirt- 
tchaftt. Monographie det Siblthales 'tei Kintiedeln (in der 
Vierteljährliche, der Saturfortch. Getelltch. in Zürich. 
1903 1. — Eskurtiontbericht der Geograph. -ethnogr. Ge- 
telltch. Zürich. iin der Fetttehrifl der Geograph. -elh- 
nogr. Getelltch. Zürich 1901 1. — Hingholz, <>. Getchichte 
det fürttl. Stiftet Kintiedeln imit geot/raph.-geohnf. Ein- 
leitung von W. Sidler). Kiniiedeln 19««. - Upper, Mühl- 
berg. Schmid und Gutzwiller: Gutachten über den pro- 
jektierten Sihttee; im Auftrag der Zürch. Begierung. 

siml.lp (OBER Ei f Kl. und Bez. Schwy/. Gem. Lin- 
ter Ibergi. 1600 m. Alpweide in einem engen Kelsenzirkus, 
o. der Sihlquellcu und 14 km so. Kinsiedeln. Von hier 
aus über den ostwärts ins Klönthal führenden Saaspass 
zu erreichen, wahrend ein anderer, neuerstellter Weg 
westwärts über den Steinboden nach den Käserenalpen 
führt. 

81 H LAU (Kl. Zürich. Bez. Borgen. Gem. Adliswil 1 . 
453 m. (iruppe von 4 Häusern an der Sihl. 1 km. s. der 
Station AdliswilderSihlthalbahn. 35reform. Kw. Kirchge- 
meinde Adliswil. Wiesenbau. 

SIHLBOOIN (Kl.Schwyz. Bez. und Gem. Kinsiedeln). 
810 m. 2 Häuser am S.-Kuss des Etzel und am rechten 
Ufer der Sihl; 4.5 km nö Kinsiedeln. 14 kathol. Fw. Fi- 
liale Eng der Pfarrei Kinsiedeln. Wiesenbau. Hier wurde 
1493 der berühmte Arzt Theophrastus Paracelsus von 
Hohenheim geboren, an den eine Gedenktafel erinnert. 

SIHLBHUOO iht. Zürich, Bez. Atlnltern und Borgen, 
Gem. Hausen und Hirtel; Kl. Zuk, Gem. Baar und Neu- 
heimi. 538 m. W eiler zu lieiden Seiten der hier die Kan- 
tnnsgr n/e zwisclien Zürich und Lüh bildenden Sihl, 3 km 
s. der~F?lation Sihlbrugg der Sihlthalbahn und der Linie 
Zürich-Thalwil-Zug. Postbureau, Telephon ; Postwagen 
nach Bornen und Hausen. 7 Hauser, 63 reform, und kathol. 
Kw. Kirchgemeinden Hirzel < reform. >, Baar und Neu heim 
f kathol.) Wiesenbau. Gedeckte Holzbrücke über die Sihl. 
Hie .Sihlbnvg an der BaTtenwaae isl ein gescTilefttllch 
altbekannter Ort und zwar besonders deswegen. weTThier 
der Transit der von der Sust in Borgen nach derjenigen 
von Tilg u ml weiterhin nach Luzern. der Innerschweiz und 
über den Gotthard gehenden Kaiifinannsyuter durch e_ ine 
Brücke vermittelt wurde. Die ersten Spuren vom Bestand 
e1nFT~Brti<ke über die Sihl an der Haben waag tauchen 
1390, d. h. kurz nach dem Sempacherkneg auf. Es steu- 
erten damals an den Brückenbau bei die Kloster Frauen- 
thal und Kappel, welche zu beiden Seiten des Flusses und 
in dessen weiterer l'mgebung viele (iüter besassen. sowie 
ferner auch eine grosse Anzahl von zürcherischen Gemein- 
den. Jeder « Hodler» i Säumerl, der die Brücke l»enutzte. 
wurde zu einem angemessenen Brückengeld verhalten. 
1416 Tand ein Neubau statt, welchen Zürich und Zug ge- 
meinsam, aber zu etwas ungleichen Kosten ausführten. 
Stets war die Hrueke der Gefahr der Zerst örung durch 
Hochwasser und ('eberschwemmumjeu ausgesetzt; weshalb 
Neubauten oder grossere Rcparatureu sehr oft und mit 
vielen Kosten vorgenommen werden mussten. Zürich 



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Slll 



Sil! 



und Zug versündigten sich, die daherigen Lasten je zur 
Halft«- zu tragen. Jeder Kanton ist Eigentümer der Hälfte 
der Brücke, und es treffen die beidseitig en 
Gr enzen ge nau a uf der Mitte der Brüc ke zu- 
sammen. Früher liessen Zug und tünch die 
Säumer, besonders aber die «Salzführer», von 
Zeit zu Zeit auf der Krücke zusammenkommen, 
um sie für gehörige Erfüllung ihrer Obliegen- 
heiten in Kid und Pflicht zu nehmen. Die 
Sihlbnigg an der Hahenwaag war fruhor ein 
strategisch bedeutender Grenzpunkt. Im alten 
Zürichkrieg hatten die Zürcher ihr ver- 
schanztes Lager oberhalb der Brücke auf der 
Hirzelhöhe, die Eidgenossen das ihrige zu 
«Itabenwaag hy der l>rugg» I22.-24. Mai 1443). 
Im Sonderbundskrieg standen sich Zürcher 
und Zuger an der Sihlbrücke gegenüber. I'm 
tlen l'ebertrill jener auf Zugergebiel tunlichst 
zu erschweren, wurde die ohnehin baufällig.- 
drücke in der Nacht auf den S Nu\em her I8t7 
auf Anordnung der sonderbündischcn Krieg*- 
leitung verbrannt. Dann vermittelte eine 
Zeitlang eine Notbrücke den damals bedeuten- 
den Verkehr, der seit der h r<<tlnung der Linie 
Zürich-Thal» il-Zug stark zurückgegangen ist. 
Di e jetzige , w lederholi reparierte - Brücke 
wurde in den ■lalHc n"Tftty/1ft>lj mit einem Kos- 
tenaufwand von Fr. 34501'. den Zu,: und Zürich 
gemeinsam besinnen, erstellt. |»as an derSihl- 
bmcke auf Zuger Seite liegende, von l'eter 
Weber 1685» ei-bmite Gasthaus zum Linen war früher 
zugerische Zollstatte und bis 187t auch der Ort. wo in den 
Kanlon eingeführtes Getränk verabgabt werden mussle. 
Vergl. Slrickler, Job. GtttkichtS der ßemeuufi Margen. 
Morgen 1882. — Weber. A. Si/il- und Horynerstrasse ; 
Beitrag zum llandeltrerkehr zwitehen dem Z.iirirhuee- 
gehiei und der Innertrhweiz. {Zuger. Seujahnhlnll iXXti). 

Weber A. Itruckcn uhrr .S'i/i/, Ben*» und Lorxe im 
Zugerlanda. | Zuger. Seujahnblutt iX'.lll. 

8IHLBRUQÖ [Kt. Zürich, Oez. und Gem. Borgen). 
äl5 m. Endstation der Sihlthalbahn und Station der Linie 
Zürich-Thal wil-Zug. am linken Ufer der Sihl und 3 km 
n. vom Weiler und der Brücke Sihlbriigg. Postbureau, Te- 
phon j Postwagen nach Hausen. 4 Häuser. 29 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Borgen, Gastwirtschaft. Eisenhahnbrücke 
und Fussgnngersteg über die Sihl. 

SiHLtGQ (Kt. Schw-yz, liez. Hofe, Gem. Feusisberg 
und Wolleraul. 642 m. Gruppe von 7 Häusern, sw. vom 
Moränenhüsel Sihleggrain (662 m) und 1.2 km n. Schin- 
dellegi. 37 kathol. Kw. Kirchgemeinden Feusisberg und 
Wollerau. Wiesen- und Obstbau. Käserei. Gasthof. 

8IHLQRUPPE (Kt. Glarus, Schwyz. Zürich und 
Zug . Diese 1 hu ."gruppc wird begrenzt im S. durch das 
Muotathal. <U n Pragelpnss und das Klönthal, sowie im 0. 
und NO durch das l .mt lit'nal und dieThalehene zwischen 
Walensee und Zunchsee, wo eine lange Beihe von Ort- 
schaften (Netslal, Nafels, Oherund Nieder Urnen, Hilten. 
Heichenburg , Schübelbach , Siebnen , Galgenen und 



markiert, da der Alpenrand allmählig ins Mittelland über- 
geht, und dieses in der Grenzzone mehr oder weniger 




ltv 



Sddffrapfw Flabbrig vua der RaderUaalp her. 

ebenfalls an der Alpenfallung teilniiiiinl. Im W. ist die 
Grenze wieder sehr deutlich ausgebildet durch das 
alle Stammthal der Ileus», in dem jetzt der Zuger- und 
Lowerzersee liegen und wo wieder ein Kranz von Siede- 
lungen (Zug, Walchwil. Arth, Goldau, Steinen, Schwyz» 
den Fuss der Rerge bezeichnet. Somit liegt die Sihlgruppe 
fast ganz im Kanton Schwyz. Nur im O. reicht sie noch 
etwas in den Kanton Glarus und ebenso im W. in den 
Kanton Zug hinein, während der Kanton Zürich am 
Hohen Bhon kaum noch berührt wird. Sihlgruppe wird 
dieser Gebirgsahschnitt mit gutem Grund genannt, da 
die Ouelladern der Sihl sich in ihm verzweigen und deren 
Thäler ihn in der Hauptsache und namentlich im zen- 
tralen Teil gliedern : oberes Sihlthal. Ibergerthal mit 
Waag- und Minsterlhal, Amselthal, Alpthal und Biber- 
oder Botenturmlhal. Doch entwässert sich ein Teil der 
Sihlgruppe durch Muota und l.orze auch zur Reusa, ein 
anderer Teil durch einige kleinere Bäche direkt zur 
Linth und durch die Wäggithalenta zum Zurich-Obersee. 
Das Wäggithal ist allerdings auch tief in die Sihlgruppe 
eingeschnitten und von hohen und reichgegliederten 
Wänden eingeschlossen. Aber das obere Sihlgebiet, 
etwa von Schindellegi an aufwärts , ist doch gleich- 
sam der grosse llauptsaal des ganzen Gebäudes, dem 
gegenüber Wäggithal und l.orzethal samt Aegerisee als 
Nebenkammern erscheinen. Orographisch teilen wir die 
Sihlgruppe in drei (Bieder ein: 
1. Die Sihlgruppe im engern Sinne, die man auch als 



Thi»r6erg 

/3W 



Brünne/iiUocA 
tisa 



VmJUe JrU linth 

J.inlhrhrne 




J Ottcrftn/tcr. 

(•etilngiscbss (Juerproril durch die Sihlgrupp« von der Laolh bis zum Klonthal. 
M MoImW| Km. Numinulitaakalk ; Fl. Flv.oh ; 8. Sevwsrkalk ; G. Ganll ; V. Cr,'.>n . N Neokom 



V. ValiDgien. 



Lachen I samt ihrer Yerbindungsstrasse sich an den Fuss 
des Gebirges anschmiegen. Von da über Bichterswil nach 
Zug ist die N. -Grenze orographisch weniger deutlich 



Dnisberggruppe bezeichnen kann, da sie wesentlich das 
Gebiet der später zu erwähnenden Drushergderke ist. 
Sie bildet das Einzugsgebiet der obern Sihl und wird 



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MO 



SIH 



SIH 



im \V. durch die Thallinie Riberbrücke-Rotenlurm- 
Saltel-Steinen, im O. durch das Waggithal und den 



4SA 




a i 





Sihl^ru|i|ic . Mytheu von der Hol/egg her. 

Schweinsalppass (Sehleekuiult I.Vil mi begrenzt. — "i. Die 
Käderlen-KriinneliHtockgruppe o. vom Wäggithal und bis 
ans Klonthal und I. intlilli.il. Sir im t wesentlich da» Gebiet 
der Radeitendecke und wie die erste Gruppe ein Kreide- 
und Flyschgebirge. — 3. I>ic Hossberg- Hoher Rhongrupi>e 
w. vom Rote uturm-Sattelpuss und bis in den Kanton Zug 
sich erstreckend, wesentlich ein Xagellluhgebirge. 

i. In der &i/W(/ru;«i»' i»i emji'rn Sinnt' oder Druthrrg- 
ffruppe Bttll zunächst ein mächtiger Oehirgsbogen auf, 
der im X. mit dem Hoch Ktzel beginnt, dann o. über 
Auhrig und Fluhbrig bis zum Drusherg um dasSihllhal 
sich herumschlingt und dabei allmuhlij.' an Hohe zu- 
nimmt. Dann geht er mit stark verminderter Hohe w. 
und nw. über die Ibergeregg nach den Mythen und von 
da links des Alpthalea n. über den Xeusellslock /.um 
Kat/eustrick bei l'.insiedeln. Einen noch schönem, noch 
vollkommenem und geschlossenem Kreis erhalt man, 
wenn man von den Mythen zum Hochgtuckli-Morgarten- 
Hohen Rhön übergeht. Hoher Rhön und Ktzel n.ihern 
sich so lehr, dass zwischen ihnen nur die 
engl- Schlueh t der Schindellegi für ilen Abzug 
der Sihl übrig bleibt. l)och halten wir uns 
zunaeh-t ,-in den erstbeschriebenen Rogen. Her 
Ktzel 1 1 10t ml erhebt püch als schon bewal- 
dete Kuppe über dem Zurichsee, den man 
in seiner ganzen Ausdehnung übersieht. Dazu 
kommt der Rück auf das Blattliehe Kinsiedeln 
und auf einen weiten Gehirgskranz. so das* 
der Klzel ein vielbesuchter Aussichtspunkt 
ist. dem man zu Schilf und mit der Rahn 
»ehr nahe kommen kann. Seine Hohe krönen 
ein Ga*thaus und ein Aussichtsturm. Oestl. 
am Ktzel vorbei führt die Ktzelslrasse von 
IT.iflikon am Zurichsee nach Kinsiedeln. einst 
eine vielbegangene Wallfahrerstrasse, die auch 
jetzt noch oft benutzt wird, wenn auch nun 
■ lie Mehrzahl der Wallfahrer per Rahn nach 
Kinsiedeln reist. Der Ktzel gehört noch item 
Nagellhihgebiet an. ebenso die welligen Rohen 
bis über das Rinderweidborn hinaus. Dann 
kommen mildem Kleinen und Grossen Auhrig 
1 1644 und 1HQ8 m) die ersten aus Flyscn 
auftauchenden Kreideberge. Diese setzen defi- 
nitiv ein mit dem schonen, dreigezackten 
Kluhbrig, dessen mittlere und höchste Zacke 
die kühn aufgetürmte Dielhelmspitze dl 05 m) 
ist und der nach allen Seilen von machtigen 
Runseu durchschnitten wird. Von da zieht sich ein 
pultformiger Kamm über Ganthohe, Fläschberg etc. süd- 
wärts zum Schwarzstock \£HXi tu> am Rregelpass. Die 



sanfter geneigte, aber von Runsen durchschnittene Polt- 
fläche ist nach W. gegen das oberste Sihlthal. die Steil- 
st ufe nach 0. gegen die obersten Teile des 
Wäggi- und Klonthals gekehrt. Mit der Mie- 
seren wendet sich der Kamm nach \V. zum 
schön gestuften und von mächtigen Schutt- 
halden umgebenen Rimsberg ('2283 m). der 
z. B. in den Gebirgsansicnten von Zürich 
mächtig hervortritt und ein ganz hervorra- 
gender Aussichtspunkt ist. l.'eber Forstberg 
C2219 roi, Tisch und Sternen setzt sich der 
Kamm mit abnehmender Hohe nach WSW. 
fort bis zum Heuberg (1806 m nö. über Muo- 
tathal. Er fällt dabei in zwei Steilstufen mit 
zu ischenliegender Hochterrasse nach S. . wäh- 
rend die sanft nach X. geneigten Abhänge 
von den breiten Flachen der Käsern- und 
Hessisbohlalpen eingenommen sind. In der 
zerrissenen Hotlluh über dem Dorf Muotathal 
vereinigen sich die beiden Steilstufen der S.- 
Seite, um dann verschmälert und allmahlig 
nach W. und NW. umbiegend über lllgau 
nach der Fallenlluh und jenseits des Klin- 
gentobels nach dem Giebel am Ausgang des 
Muotalbals zu ziehen. Ks sind dies alles 
prachtige Kreidebildungen mit zum Teil im- 
posanten Wanden, wie besonders an der 
Fallenlluh und am Giebel. Aber sie bilden 
nicht mehr die Wasserscheide zwischen Muota- 
und Sihlgehiet. Diese zieht vielmehr wei- 
ter oben über sanft gerundete Flyschrücken, wie Spir- 
stook. Ibergeregg. Rrunnelistock und Holzegg. bis an den 
Mvthen. Einteilte Mplmtten und die liessisbohlerkapelle 
17 IM m) steigen bis auf den Kamm, und mehrere Ueher- 
gange vermitteln den Verkehr zwischen Muotathal und 
Sihlgehiet, so vor allem die mit einem fahrbaren Slräss- 
chen versehene Ibergeregg (Schwyz-Ibergi. Mitten in 
diesem Flvschgebiet tauchen nun aber einige ganz anders 
geartete berge auf. aus fremdartigen Gesteinen bestehend 
und von zum Teil recht sonderbarer, jedenfalls in der 
Gegend sonst nicht vorhandener Gestalt. Ks sind die sog. 
lherger Klippen, nämlich Klein und Gross Schienberg an 
der Ibergeregg, Kaucherenslöckli und Mordergrube etwas 
weiter o. unu von jenen getrennt durch das Kisenlobel. 
endlich ala grösster und höchster von allen der Roggen- 
stock (1781 m) s. über Ober Iberg. der scharf zugespitzte 
Kulm der Rergmasse zwischen Kaswaldlobel und hinterm 
Waagthal, ein hübscher Aussichtspunkt und leicht von 
(Iber Iberg aus zu erreichen. Diese Iberger Klippen be- 




Siblgruppe : Gipfel dos WihUpils (Künaberg!. 

stehen aus Trias-, Jura- und Kreidegesteinen (dolomitische 
Kalke und Schiefer, Malm und Xeokom), die ohne in die 
Tiefe gehende Wurzeln gleichsam auf dein Flysch 



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Sil! 



SIH 



541 



und nicht der helvetischen Faziee angehören, 
wie die* bei dein benachbarten Kreide- und Juragebirge 
im S. und O. gegen Drusberg- und Gläruischkette hin der 
Fall ist. Die Klippenfazies stimmt vielmehr mit südalpt- 
nen Gesteinen überein, und man betrachtet jetzt die 
Klippen als von der Abtragung noch verschont gebliebene 
Reste einer von weither — vom S.-Fubs der Alpen 
stammenden Ueberfallungsdecke. die einst über die ganze 
Breite der Alpen herüber gereicht hätte. Der Flysch. auf 
dem die Klippen schwimmen, ruht seinerseits auf hei- 
vetischer Kreide, die man z. B. ö. vom Boggenstock an 
den ins Waagthal abstürzenden Boggenbändern beobach- 
ten kann. N. vom Boggenstock zieht noch ein schmaler 
Flyschstreifen durch und veranlasst die passartige Ein- 
Senkung, in der Ober Iberg liegt (1135 m), während der 
Guggerenhügel (1260 m), das Ende der Boggenstock kette, 
wieder aus Kreide besteht. Ein Kreidegebirge helvetischer 
Fazies ist ferner die Kette des Biet zwischen Waag- und 
oberstem Sihlthal, die in ihrer Pultgestalt mit sanftge- 
böschler Fläche nach W. und steilem Felsabsturz nach 
I). ein Gegenstück der Kette vom Fluhbrig bis zum 
Schwarzstock bildet. Doch ist sie breiter als diese und 
auch dadurch ausgezeichnet, dass die mit schonen Alp- 
weiden besetzte. 1-2 km breite Pultfläche nicht mit 
gleichmäßigem Gefälle bis in die Sohle des Waagllials 
reicht, sondern auch nach dieser Seite am untern Band 
eine Steilstufe zeigt. Diese prächtigen Felshänder im W. 
und O., die bald annähernd geradlinig, bald in schönge- 
schwungenen Bogen verlaufen und auch da und dort, 
wie unter dem Gross Biet, weite Nischen und Zirken 
bilden, lassen sich mit einigen Unterbrechungen bis zur 
Einschnürung und Einsenkung der Thicrfedernegg ver- 
folgen, wo sie sich zusammenschliesscn. Dann taucht 
das Kreideband nocheinmal auf am N. -Absturz des 
« Stock ». worauf die Kette mit einem Flyschhügel. dem 
Karrenstock, bei Sluden endet, wo Sihl und Stille Waag 
sich in breiter Moorebene vereinigen. Die bedeutenderen 
Gipfelpunkte des eben besprochenen Gebirgszweiges sind 
der Gross Biet (1940 und l!*68 m) und der Twäriberg 
(2118 und 2119 m). beide an der O.-Kante, der Schwarz- 
stock 11540 m) an der W. -Kante, der Fahrenstock (1641 m). 
der Fidersberg (1919 m) und der Schülberg (1932 mi auf 
der Fultlläche selber. Hinter dem Twäriberg schliesst 
sich die Kette an die O.-Ecke des Drusberges an. Indem 
wir auf die linke Seite der Minsterthaies übergehen, 
stossen wir auf eine Flysch region. die fast den ganzen 
Baum bis zum Sattelpass und Einsiedeiii einnimmt. 
I »ein nach herrschen sanfte Bergformen mit breiten, be- 
waldeten oder beraslen Abhängen vor. Nur die mächtigen 
Felspyramiden der beiden Mythen bilden eine Ausnahme. 
Sie bestehen wie die Iberper Klippen aus fremdartigen 
Gesteinen iTrias. Doggerund Malm von s. -alpiner Fazies) 
auf einer Flyschunterlage und werden ebenfalls als Denu- 
dationsreste der einst über die ganze Breite der Alpen 
reichenden Ueberfaltungsdecke, von der wir bereits ge- 
sprochen, betrachtet. Die beiden Mvlhen sind zusammen- 
genommen unstreitig die schönste Berggestall der Sihl- 
gruppe. Der Grosse Mythen (1902 m) ist dazu noch ein 
Aussichtspunkt ersten Hangs (mit Signal und kleinem 
Gasthaus), der von der ö. unter ihm liegenden llolzcgg 
aus auf gutem Weg Licht crsticKon werden kann. Auch die 
durch die Holzegp, einen L'ebergann von Schwjz nach 
Einsiedeln, von den Mythen getrennte Botenfluli gehört 
noch den Klippen an, wie man auch ostwärts davon bis 
zur lbergeregg auf dem Flyschrückeii. besonders auf dem 
Zwecken-oder Brünnelislock, zahlreiche Blocke exotischer 
Gesteine gleich denjenigen der Klippen zerstreut vor- 
findet. Diese sind also letzte Lieberreale von solchen 
Klippen. Ins Flyschgebirge selber ist das Alpthal einge- 
schnitten, durch welches dasselbe in zwei Aeste zerlegt 
wird. Der o. Ast streicht vom Zweckenstock nach N. über 
Furg.elenstock, Hausegg, Stockfluh und Amselstock bis 
zum Freiherrenberg bei Einsiedeln. Bei der Stocktluh 
zweigt ein kürzerer Ast ab, dem die Höhenpunkte Spital 
und Schräh angehören und der mit dem erstem das 
Amselthal einschliesst. Der w. Hauptast schliesst sich bei 
der Haggenegg. wie die llolzcgg ein Uebergang von 
Schwvz nach Einsiedeln, an die Mythen an und streicht 
ebenfalls n. über Neuseilstock, Samstagern und Katzen- 
«trick bis in den Winkel zwischen Alpbach und Biber. 



Gleich bei der Haggenegg schliesst sich w. eine breite 
stockförtnige Masse an, die im Uochatuckli (1566 m) kul- 
miniert und rast ganz von der in weitem Bogen sich 
wendenden Steineraa und dem geradlinig an Schwvz 
vorbeilliesaenden Uetenbach umschlossen wird. Das bei 
Sattel in die Steineraa mündende Lauitobel zeigt einzelne 
wilde Schlucht- und Büfenparlien. wie sie dem Flysch- 
gebirge eigentümlich sind. Die Höhen in dem ganzen 
Gehirgsabschnitt zu beiden Seiten des Alpthals betragen, 
von den fremdartigen Klippen der Mythen abgesehen, im 
S. um 1600 m und sinken nach N. auf 1400 m und da- 
runter. Am W-- und N.-Band. also gegen den Saltelpasn 
und Einsicdeln hin, stellt an Stelle des Flysch dann 
schon die Nagellluh sich ein. 

2. Bevor wir aber weiter in dieselbe vordringen, kehren 
wir noch einmal nach O. zurück, um als zweiten Haupt- 
abschnitt der Sihlgruppe die Gebirge zwischen Wäggi- 
thal, Klönthal und unterm Linththal, nämlich die Wiäer- 
It'n-liriinnrlitlttfkgruppe, zu besprechen, die im S. aus 
Kreide- und Flyschgesteinen, im N. aus Nagellluh be- 
steht. Sie ist reich gegliedert, besonders auf der breiten 
(). -Seite, wo mehrere kleinere Thäler in den Gebirgs- 
körper eingeschnitten sind und ihn in eine Anzahl Seiten- 
kämme zerlegen. Steiler und weniger gegliedert ist die 
W. -Seite, wo einzig das Trebsenthal sich einschneidet. 
Obwohl also die O.-Seite die breitere und im ganzen 
weniger steile ist, erscheinen doch in der Gipfelregion die 
steilen Feisahstürze nach O. gekehrt. Wir haben auch 
hier wieder, wie in den Ketten des Fluhbrig und Biet, 
ausgesprochene Pullformen mit relativ sanften Pult- 
fläclien im W. und Steilstufen im O. Man vergleiche in 
dieser Beziehung den Muttriberg, den Lachenstock, den 
Brtinnelistock und den Wiggia - Itautispitz. Auf den 
letztern z. B. kann man auf der W. Seite leicht über 
ununterbrochene Basenhänge emporsteigen, während 
nach O. die ungeheuerlichsten Wände, nur von wenigen 
schmalen Basenbändern durchzogen, ins Linththal ab- 
stürzen. Aehnlich Itcgen die Verhältnisse auch beim 
Brtinnelistock u. a. Die Hauptkette schliesst sich bei der 
Schleckmatl, über welche ein Pass vom Wäggithal ins 
Klonthal und zum Pragel führt, an die Ganthöhe dpr 
Fluhbrigketle an. Von da streicht sie über den Ochseu- 
kopf (2181 m( zum Muttriberg oder Bädertcnstock 
(2295 m), dem höchsten Gipfel der ganzen Kette und 
der Sihlgruppe überhaupt. Dann erniedrigt sich der 
Kamm etwas bis gegen den Zindlenspilz (2098 m). Bis 
hieher sind die obern Partien der w. Pultfläche durch 
ausgedehnte Karrenfelder ausgezeichnet , auf welche 
weiter abwärts die Alp Haderten folxt. Vom Zindlenspitz 
springt der Kamm knieartig nach 0. vor und bildet den 
schon geschichteten, schroff zum Oberseethal abfallenden 
Brünnelislock, dessen gewaltige, 600-700 m hohe Wände 
sich im waldumrahmten Obersee spiegeln und mit denen 
des llohllasch <2<K0 m>. de» Scbeinberges (2046 m) und 
den Steilhalden des Bockmattlislocks (1930 m) und des 
Thierbergs (1990 m) den Zirkus der Ahornenalp um- 
schliessen. Aus dieser führt ein Bteiler, über die Ha- 
senhänge sich windender Pfad über den Bockmatt- 
lipass einerseits ins Trebsenthal und Vorder W'ägaithal, 
andrerseits nach Hinter Wäggithal hinüber. Thier- 
herg und llockmaltlistock. sowie teilweise auch der 
Scheinberg (oder Schimbrig) weichen von ihren s. Nach- 
barn dadurch ah, dass sie ihre Steilwände mehr nach 
W. und N. als nach O. kehren. Mit dem Thierberg und 
seinem o. vorspringenden Sporn, dem Bärensoolspitz 
(1835 m). erreicht das Kreidegebirge der Bädertenkette 
seine vorläufige N. -Grenze, wie weiter w. am Fluhbrig 
und an der Oitggercnfluh bei Unter Iberg. Ein Flysch - 
streifen (Eozän) streicht n. davon aus dem Hinter Wäggi- 
thal über die Trebser Scheideck in das Thälchen der 
Schwändialp hinüber und bis nach Näfels hinab. Aber 
aus diesem Flysch taucht noch einmal eine schmale 
Kreidekette auf, die, von W. nach <). streichend, die 
schönen und für ihre Höhe recht im|>osanten Gipfel des 
Köpfenstocks oder Köpfler (1902 m), des Brückler (1773 m) 
und des Wägeten (1754 m) enthält. Westwärts setzt sich 
diese Kette mit einigen Unterbrechungen noch über den 
Gugelberg und den Gross und Klein Aubrig fort. 

Ein grosseres Kreidegebirge haben wir aber noch ö. 
von der Bädertenkette nachzuholen. Es ist die Bautiapitz- 



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;V,-2 



Sill 



sm 



Wlgltokdltei Am Lachenalppass. der vom Oheraeethal ins 
Klönthal führt, tchlies»l sie sich an den Rädertenstock 
an und zieht über den Längenegggrat und Breitkamm in 
nö. Bogen zur Scheye (2261 nt). dann ö. zum Wiggis 
(±284 in), der mit seinem n. Nachbarn, dem Rautispitz 
(2284 m), einen prachtigen Doppelgipfel bildet. Dieser 
bricht mit Ungeheuern Wanden in einem gewaltigen 
Schwung 1600-1700 m tief gegen Nelstal und die liebliche 
Thalebene der Linth ab. Mitten durch die Wand zieht 
ein etwas ilacheres, berasles Kozänband, dasdie mächtigen 
Kreidemassen oben und unten voneinander trennt. Es 
steigt von Nafels schraK durch die Wand auf, biegt mit 
derselben unter der sog. Ilöchnase um und lässt sich 
über Blanken, Heyenalp, Loch bis nach Richisau und 
zum Pragel verfolgen. In scharfem Gegensatz zu den Steil- 
abstürzen der 0. -Seite stehen die sanft ansteigenden Ra- 
senflächen der W. -Seite, über welche man leicht zu den 
aussichtsreichen Gipfelpunkten ansteigt. Auch der Wiggis- 
Rautispitz zeigt also ausgesprochene Pultform. Die l'ult- 
llächc wird n. und s. von Kämmen begrenzt, die beide 
ihre Steilabbrüche nach X. kehren. An den s., hohem 
Kamm lehnt sich die vom Klönthalersee aufragende Kette 
des Deyenstock» (2019 m|, Mättlistocks il90o m und 
Twin-en (1768 m). Geologisch ist sie von der Wiggiskette 




Sihlgruppo : Abrtssniich« de* Goldauer llcrsturiea am <>ni[i|>«n 



durch das eben erwähnte Kozänband Pragel- Reyenalp- 
Näfels getrennt, und ihre nach N. und U. sich senken- 
den Kreideschichten dringen unter demselben in die 
Basis der Wiggiskette, wo sie ihrerseits auf Jura (Malm. 
Hochgebirgskalk) ruhen. Vom Rautispitz senkt sich der 
Kamm bis vor den Niedersee und steigt dann nach NW. 
wieder empor zum Fridlispitz und Riseten und zum An- 
schlug* an die bereits erwähnte, nach W. streichende 
Wageten-Köpflerkelte. Aus dem l.inlhthal oder von den 
Höhen rechts desselben sieht man die Kreidewände in 
Form einer prächtigen Mulde sich vom Rautispitz bis 
zum Riseten ziehen. Sie umschliessen mit der Häderten- 
kette ein herrliches Muldenthal, ein schönes Seitenstuck 
zur Amdenermulde bei Weesen, ja eigentlich eine Port« 
set/ung derselben, aber bei aller Aehnlickeit doch auch 
wieder davon verschieden. Zwei hübsche, von dunklem 
Tannenwald und blumigen Wiesen umgebene Seen spie- 
geln in ihren Fluten die stolzen Berge, besonders den 
von hier aus höchst imposant erscheinenden Brünneli- 
stock. Ks sind der kleinere Niedersee (750 m) und der 
grössere Obersee SIP3 m\ beide abflusslos, d. h. unter- 
irdisch durch den ob Nafels aus der Wand springenden 
Rautibach ablliessend. Der Hintergrund der Mulde glie- 
dert sich durch das Vorspringen des Briinnelistocks und 
der Bärensoolkette in drei zirkusartige Nischen oder 
Kare, von welchen die zwei südl.i Sulzalp und Ahornenalp) 
sich zum Obersee, die n. (Schwändialp) zum Niedersee 
entwässern. Ausder Sulzalpnische führt der Lachenalppass 
ins Klonthal, aus der Schwändialpnische die Trebser 



Scheideck ins Wäggithal hinüber. Gehen wir aber über 
die Kreidekette des Wägeten -Köpfenstocks, so treffen 
wir ähnlich wie n. der beiden Aubrig nach einer schma- 
len Kozanzone auf ein breiteres Nagellluhgebirge, das 
sich von Nieder Urnen über das aussichtsreiche liirzli 
(1645 m). das Melchterli (1510 m) und den Stockberg bis 
zur Mündungsschlucht de« Wäggilhals erstreckt. Die 
breiten Wald- und Wiesenhänge der N. -Abdachung 
sind von mehreren Wildbachrunsen durchschnitten, so 
hinter Hilten, Reichenburgund Schübelhach (Billener-, 
Rüti-, Rull-, Schwärze- und Dürrbach). Vom Hu /Ii ist 
im Jahr 1868 ein grosser . Schuttsturz auf Ober Bitten 
niedergegangen, dessen Spuren an den wilden Block- 
massen noch deutlich zu erkennen sind. 

3. Wir kommen zum dritten Hauptabschnitt der Sihl- 
gruppe, der llottberg- Hoher lihonqrupfte, d. h. dem Na- 
gellluhgebirge w. der Thal- und Passlinie Schindellegi- 
Hotenturm-Sallel-Steinen , durch welche Strasse und 
Eisenbahn vom Zürichsee nach dem Becken von Lowerz- 
Schwyz und damit zum Zuger- und Vierwaldstättersee 
führen. Das Thal des Aegerisees (mit der Lorze) und der 
Schornen- oder Morpartenpass (Schlachten von 1315 und 
17M8) mit ebenfalls durchgehender Strasse teilt dieses 
Nagellluhgebirge in die breite Masse des Rossbergs mit 
seiner n. Vorlage, dem Zugerberg, und in die 
Kette des Morgarten- Hoher Rhön mit ihrem 
w. Ausläufer uherGotischalkenberg-Rrusthöhe- 
(iubel. In beiden Teilen, wie übrigens auch 
weiter ö. bis zum liirzli, Speer etc. und weiter 
w. am Higi, fallen die Nagellluhschichten und 
die mit innen wechselnden Sandstein- und 
Mergelhänke nach S. ein, während die oft steil 
abgebrochenen Schichtkopfe nach N. gekehrt 
sind. Es sind darum auch die S. -Flanken sanfter 
gehuscht als die N.- Abhänge, jene auch mehr 
von sonnigen, oft trockenen Weiden, diese 
dagegen mehr von ausgedehnten, dichten Wäl- 
dern eingenommen. Nur am Hohen Rhon- 
Gottschalkenberg ist auch fast der ganze S.- 
Abhang dicht bewaldet. DieS. -Flanken erschei- 
nen aber mancherorts der Bergsturzgefahr aus- 
gesetzt, so namentlich am Rossberg, von dem 
in vorhistorischer und historischer Zeit Berg- 
stürze von zum Teil gewaltigen Dimensionen 
niedergegangen sind, so dass die untern Ah- 
liange weithin von Schutt- und lllockmnssen 
bedeckt werden. Der bekannteste dieser Berg- 
stur/e i> t der von (loldau \<uii lahr IXOti. 
Weisen auch die Kämme aller dieser Nagel- 
lluhberge ziemlich einförmige Gestalt auf. so 
bieten sich doch manche beliebte Ausflugs- 
punkte, die oft mit Gast- und Kurhäusern gekrönt sind. Sol- 
che linden sich auf dem Wildspitz (1583 m . dem höchsten 
Punkt des breitgelagerten Rossbergs, auf dem Gotlsehal- 
kenberg (1153 in), auf dem Zugerberg (Hotels Schönfels 
und Felsenegg) u.a. Nach allen schönen Punkten sind gute 
Wege und zum Teil Fahrstrassen angelegt, so von Aegeri 
einerseits nach Sattel und andrerseits nach der Station 
Biberbrticke lander Südostbahnl, letzlere mit Abzweigung 
über (iolLscIialkeuberg nach Menzingen ; ferner über den 
Zugerberg von Unter Aegeri nach Walchwil, von Neu 
Aegeri nach Schonfels und Zug etc. 

(ieohtgitche I'rberticht. Ein Blick auf eine geologische 
Karle lasst uns die bisher besprochenen Gebirge (Rims- 
berg - Fluhbrig, Bäderten - Brünnelistock , Deyenstock - 
Wigg is) wesentlich als aus Kreidegesteinen aufgebaut er- 
kennen. Aber dieses Kreidegebiet stösst nicht nur im N. 
und W. an eine breitere Kozanregion, sondern ist auch 
auf den übrigen Seiten von schmalen Kozänstreifen um- 
gürtet und selbst an einzelnen Stellen von solchen durch- 
zogen. Von Muotathal zieht ein Kozänstreifen über den 
Pragelpass ins Klönthal und hinler dem Deyenstock durch 
in die O.-Wand des Wiggis-Raulispitz mit allmähliger 
Senkung nach Nafels. Von diesem Streifen zweigen sich 
kleinere ab, die über den Schweinsalppass ins Wäggithal 
und über den Lachenalppass ins Oberseethal hinüber 
ziehen und sich dort mit den breiteren Eozänzonen im 
N. verbinden. So zerfallt das Kreidegebirge in mehrere 
Stücke, die rings oder fast rings von Eozän umschlos- 
sen sind, nämlich 1 ) die Drusberg-Fluhbrigkette, 3) die 



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SIH 

Räderten- Brünnelistockkette, 3) die Wiggiskette, 4) die 
Doyen» tock kette , die sich nordlich unter die Wiggis 
einschiebt, 5) die Wagelen-Kopller-Aubrigkette. die von 
den übrigen vullig getrennt; wie abgerissen und selber 
mehrfach zerstückelt, als schmaler Kamm von O nach 
YV\. von der Linlh bis an die Sin) zieht. Bei aller innern 
und »assern Aehnlichkeit dieser Kreidegebirge hat doch 
deren jedes wieder seine Besonderheiten, namentlich 
in straligraphischerund tektonischer Beziehung. Sic sind, 
wenn auch nahe verwandt, doch faziell verschieden. Eh 
hat viele Mühe und Arbeit gekostet, sich von diesen so 
verschiedenen und verwickelten Verhältnissen ein be- 
friedigendes Bild zu machen und dieselben zu erklären. 
Nach der siegreich den Platz behauptenden jüngsten 
Theorie gehören die verschiedenen Kreidegruppen auch 
verschiedenen sog. l'ebcrfaRungsdecken an. von denen 
jede folgende auf der nächslvorhergchenden Hegt und 
dieselbe nordwärts überragt. Für unser Gebiet hätten 
wir zunächst zu unterscheiden die Drusbergdecke, die 
Rädertendecke, die Wiggisdecke und die Sclieycnstock- 
ilecke. Alle diese Decken reichen aber nach O. und W., | 
bezw. ONO. und WSW. noch erheblic h über unser Ge- 
biet hinaus. Sogehort z. B. zur Drusbergdecke auch noch 
die Kette des Fronalpslock* zwischen Muula-und Biemen- 
slaldenthal. wie denn der Kozänstreifen Näfels-Pragel- 
Muota auch durchs Riemenstaldenthal hindurch geht. 
Die Wiggisdecke setzt sich durch die Churtirslen und 
das Santisgebirge fort, so dass sie meist auch als Säntis- 
deckc bezeichnet wird. Sie reicht s. des Pragel und Riemen- [ 
slaldenthales ferner noch über die Silbern und die I 
Kette Kaiserstock - Hossstock bis zum Abenberg am I 
l'rneraee. Die Rädertendecke dagegen scheint nur eine 
kleinere Abzweigung dieser SänliNdt-cke zu sein. Alle drei 
Decken ruhen je aut einer Eozän-, betw. Flyschunterlagc. 
Aber damit sind die I'eberfaltungsdecken noch nicht zu 
Ende. An der O.-Wand des Wiggis-Rautispitz sehen wir 
ein Flyschband zwischen einer obern und einer unteren 
Kreideserio. die beide in normaler Lagerung vorhanden 
sind, eingeklemmt, das sich w. in der Kette des Deyen- 
slocks fortsetzt. Auch an den Churtirslen ist ähnliches zu 
beobachten wie am Wiggis- und Rautispitz. d. h. eine 
unlere und obere, je normal geschichtete Kreideserie 
mit dazwischen liegendem Flyschband. also ein Ge- 
birge auf dem andern. Die untere Schichtenreihe, die 
bis in den untern Malm reicht, lindet ihre Fortsetzung im 
Mürtschenstock und ruht nach neueren Beobachtungen 
ebenfalls auf Euzän Die so erhaltene Mürtschetidecke 
reicht auch in den Glärnisch hinein, wird aber dort von 
der Säntisdecke überlagert und ruht ihrerseits wieder 
auf einer noch weitern Decke, der dann die Schichtge- 
steine des grosslen Teils der Glarneralpen — auch im 
St, Callrr Oberland und in Uri — bis hinab zum Verru- 
cano(Perm) angehören. Sie wird als Glarnerdecke be- 
zeichnet, reicht südwärts bis in das bündnerische Rhein- 
Iba! und ruht wiederum, wie alle übrigen, auf Flyach. 
So hätten wir also fünf Decken : die Glarner-, Mürtschen-, 
S.intis-, Räderten- u ud Druabergdeckc. Am Glärnisch, am 
Wiggia-Haulispitz, an den Churlirsteu und in den Ge- 
birgen s. vom Walensee sieht man zwei oder drei dieser 
Decken aufeinander liegen und damit gleichsam zwei 
oder drei aufeinander getürmte Gebirge bilden. Von 
diesen fünf Decken ist die Glarnerdecke nach Länge, 
Breite und Dicke die mächtigste. Ihre Länge entspricht 
wahrscheinlich derjenigen des ganzen Aarmassivs, auf 
dessen S. -Seite sie entspringt und über welches sie sich 
in einer Breite von etwa 40 km nach N. legt. Sie ist die 
SUmmdecke, von welcher sich «laiin nach und nach die 
übrigen Decken abzweigen : erst die Murischen- und dann 
die Säntisdecke. sowie von dieser wieder die kleinere 
Rädertendecke, endlich die Drusbergdecke. Das Zcntral- 
massiv selbst wird erst während und nach der Decken- 
bildung seine volle Höhe erreicht haben. So kam es, dass 
die Ueberdeckungsfalten auf der S. -Seite des Massives 
nordwärts in die Hohe steigen, auf der N. -Seite aber sich 
wieder senken. Die den obern Decken angehörenden Ge- 
birge (Sintis-, Haderten- und Drusbergkette i enthalten 
nur Kreideschichten, während erst weiter s. in der 
Mürtschendecke auch Juragesteine folgen und in der 
Glarnerdecke vor allem der Verrucano (Perm) eine 
wächtige Ausdehnung gewinnt. Die einzelnen Decken 



SIU 543 

sind ferner nicht glatt ausgebreitet, sondern in sich 
selber vielfach gefaltet und gebrochen, zeigen also selber 
wieder mannigfaltige Falten und Verwerfungen. Die so 
entstandenen Gebirge, wie das Säntis-, Wiggis-, Räder- 
ten- und Drusberggebirge, sind also Teile von gefalteten 
l'cberdeckungsfaltei), die durch Erosion und Abtragung, 
insbesondere auch durch Thalbildung wieder gegliedert 
und zerstückelt erscheinen. Die Säntisdecke erreicht ihre 
grösste Hohe im Santisgebirge. Von da an senkt sie sich 
nach NO., taucht bei Sennwald-Oberrfcd unter das Rhein- 
thal und erhebt sich wieder im Vorarlberg. Ebenso sinkt 
sie nach SW. und wird dann w. des Linthlhales von Eozän 
(Flyach) überdeckt, aur welchem als höhere Kreide- Ucber- 
fallungsdecke die Rädertendecke Bitzt, die wohl nur als 
eine randliche Verzweigung der Säntisdecke aufzufassen 
ist. Auch die Rädertendecke sinkt nach W. und wird im 
obern Wäggithal von Eozän überdeckt. Auf diesem liegt 
als weitere Kreide L'ebcrfaltunsfsdecke die Drusbergdecke. 
die ihrerseits wieder nach W. sich senkt, aber s. vom 
Muotathal in der Pronalpstockkelte sich nochmals er- 
hebt. In der Senkungsregion ist der N.-Rand der Drus- 
bergdecke von Khsch bedeckt, auf welchem die Mythen 
und die Iberger Klippen sc hwimmen. Jenseits des Urner- 
sees steigt die Drusbergdecke noch einmal in die Höhe, 
senkt sich dann wieder und wird neuerdings von Eozän 
überdeckt, das abermals Klippen (Buochser- und Slan- 
serhnrn) trägt. Während im O. die Säntisdecke den N.- 
Band der Alpen bildet, linden wir im Gebiet der Sihlgrupne 
an diesem N.-Rand von der Linlh bis an die Sfhl die 
schmale Wageten-Köpflcrkette, dann davon getrennt den 
Gugelherg, sowie Gross und Klein Aubrig, die ebenfalls 
voneinander getrennt erscheinen. Wir haben also hier 
keine zusammenhängende Falte mehr, sondern nur vonein- 
ander gelrennte . im Flysch steckende Stücke einer 
solchen. Man fasst sie als frontale Gliederkette zusammen 
und kann sie, mit Unterbrechungen, längs dem ganzen 
N.-Rand der Alpen über L'rmiberg - Rigi Hochlluh-Vitz- 
nauerslock - Bürgenstock- Lopperberg- Pilatus-Schratten- 
tluh-Seheibe bis zum Thunersee verfolgen. Ihre Zer- 
stückelung scheint weniger eine Folge der Erosion als 
vielmehr des seitlichen Auseinanderreissens zu »ein. An- 
ders verhält es sich mit den Klippen. Zwar werden auch 
sie als die letzten Denudalionsresle einer Ueberfaltungs- 
decke aufgefasst, aber ihre fremdartigen Gesteine (Trias, 
Jura in so. -alpiner Fazies, ferner basische Eruptivge- 
steine) weisen auf einen ganz andern Ursprung hin. Die 
ursprüngliche Klippendecke wurzelte am S.-Rand der 
Alpen und reichte von da über die ganze Breite des Ge- 
birges. Ibergerklippen. Mvthen, Buochser- und Slanser- 
horn, Giswilerstock sind die letzten spärlichen, von der 
Abtragung noch verschont gebliebenen Reste derselben. 

Bihliographte. Hurckhardt . Karl. Montigi-aphie der 
Kreideketten zwischen K Innthal, Sihl und Linlh. ( Bei- 
träge zur geolog. Karte der Schweiz. N. F. V). Hern 1896. 
— Ouereau, E. C- Hie Klippenregum von Iberg. {Beitrüge 
tur geolog. Karle der Schultz. N. F. PI). Bern 1893. — 
Kaufmann. F.J. Kalkstein- utul Schiefergebiete der Kan- 
tone Schwyz utul Zug. (Beiträge zur geolog. Karte der 
Schweiz XIV). Bern 1877. — Heim. Arn. Zur Kenntnis 
der Glarner Ueberfaltungsdecketi i in der Zeitschrift der 
deutschen geolug. Gesellschaft. 19U5). [i»'Ki. Imiuik.] 

SIHLSKCLt (Kt. und Bez. Schwyz). 18*25 m. Sehr 
kleiner Bergsee. w. vom Saasbergpass und am Weg aus 
dem Sihlthal über diesen Pass ins Klönthal. *2üü m lang. 

SjHLTHAL (Kt. Schwyz und Zürich). Thal der Sihl. 
■H, (liGHt?ii Art. 

SIHLTHALHOTTsI und VORDER« SIHLTHAL- 
HOTTbI (Kl. Schwyz. Bez. und Gem. Einsiedeln). 
944 m. Alpweide, am W.-Fuss des Fluhbrig und rechts 
vom Weisstannenbach. l'mfasst die Hütten Haldeli, Ru- 
benen. Weisetannen, Duli und Plangg. Die die Alpweide 
durchfliessenden Bäche werden gegenwärtig verbaut Sie 
war einst während drei Jahrhunderten ein Streitobjekt 
zwischen EinBiedeln und Schwyz. Die massiv gebaute 
Hütte diente vor langer Zeit einigen der Einsiedler Aebte 
als Somtneraufenthalt und Jagdquartier. Noch heute ge- 
hört die Alp dem Stift Einsiedeln, das sie mit Jungvieh 

8IMLWALD (Kt. Zürich. Bez. Horgen). 482-918 m. 
Prachtvoll unterhaltener und gut gepflegter Wald im zür- 



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SIH 



SIL 



cherischen Sihllhal. Er bildet den Hauptbestandteil des 
Waldbesitzes der Stadt Zürich und liegt zu beiden Seiten 




Korslhaua. Sihlwal.l. 



der Sihl, zwischen Langnau und Sihlbrugg. W. reicht er 
bis zum Kamm des Albis hinauf, o. bleibt die Grenze unter- 
halb des Kammes der HorgerKgg. Er urnfasst mit Einschluss 
des Wil dparkcs im Langenberg (45 ha i eine Fläche von 1044 
ha. Zürich besilztden 1 1 auptleil dieserWaldungi'n schon seit 
sehr langer Zeit. Der sog. « Korst d. h. der Teil rechts 
der Sihl, «ur< Ii- im Jahr 853 von Ludwig dem deutschen 
der von ihm gegründeten Abtei zum Fraumünster ge- 
schenkt und ging dann 1524 mit der Aufhebung der Abtei 
an die Stadt über. Der grossere Abschnitt, der eigentliche 
Sihlwald. zwischen Sihl und Albis war höchst wahrschein- 
lich schon im 9. Jahrhundert Eigentum des königlichen 
Reichshofes in Zürich. Die Benutzung des Sihlwaldes 
ging dann allmahlig an die aufblühende Stadtgemeinde 
über, und 1309 erhielt Zürich auch die hohe Gerichtsbar- 
keit darüber. 150O-I70O wurde das Waldgebiet durch plan- 
massigen Ankauf vergrössert. 1798 sollten die Waldun- 
gen ganz oder zum Teil an den Kanton übergehen. Ehe 
aber dieser L'ebergang vollzogen war, kam die Media- 
tion, und 1803 erhielt die Stadl die Waldungen. 1844 ging 
der Sihlwald in den Besitz der Hürgergemeinde über und 
wurde 1880 als Stiftungsgill erklärt, dessen Ertrag dem 
bürgerlichen Nul/ungs^ute zufallt. Die Bewirtschaftung 
des Waldes ist schon sehr frühe eine rationelle und plan- 
mässige gewesen. Gelegentlich musste er auch bei grossen 
Katastrophen aushelfen. Als im Jahr 1*280 die Stadt ver- 
brannte, erhielten die Bürger das Holz zum Wiederauf- 
bau aus dem Sihlwald. Von 131)0 an lasst sich nachweisen, 
das« ein regelrechter llochwaldbetrieb mit natürlicher 
Verjüngung durchgeführt wurde. Von 1314 an wurden 
• Vorster» (Förster) angestellt. Diese standen von 1342 an 
unter der Leitung des < Sihlherrn », der seinen Amtssitz 
im Forsthaus im Sihlwald halte. Einer dieser « Sihl- 
herren» war I78I-17H8 der Idyllendichter Salonion Gesa- 
ner. Die wirtschaftliche Benutzung des Waldes vollzieht 
sich hier anders als an den meisten übrigen Orlen. Anstatt 
die gefällten Stamme elc. an Ort und Stelle zu versteigern, 
muss nämlich wegen der grossen Entfernung von Zürich 
und der schwierigen Terrainverhaltnisse halber.die Forsl- 
verwaltung selbst den Transport und sogar die Verarbei- 
tung des Holzes besorgen, l'm dieses zum Lauerplatz 
und zu den Maschinen zu bringen, werden ausser Schlitten 
und Wagen namentlich die Waldeisenbahn und die Holz- 
riese verwendet, zum Transport von Reisig auch die Seil- 
bahn. Im Zentrum, bei der Station Sihlwald, belinden sich 
eine mechanische Spalterei zur Herstellung von Brenn- 
holzfür Oefen und Kochherde, eine Imprägnieranstalt für 
Telegraphenstangen. Zaunpfahle etc., ein Sagewerk für 
Bretter und Latten, sowie Maschinen zur Herstellung von 
Holzwolle, Werkzeugstielen, Bundsläben etc. Im ganzen 
beschäftigt die Forstverwaltung 9 Angestellte und 90-100 
Arbeiter. Der Sihlwald lieferte I89I-I9U0 durchschnittlich 



per Jahr 9*290 m ' Holz mit einem Bruttowert von 281 038 
Franken oder einem Nettoertrag von 95706 Fr. Vergl. 
Meister, Ulr. Die Stadtwaldungen von Zürich. 2. Auf- 
lage. Zürich 19U3. 

sihlwald (Forsthaus) fKt Zürich, Bez. und 
Gem. Borgen). 487 rn. Mitten im Sihlwald und an der 
Sihl idyllisch gelegene Häusergruppe. Station der Sihl- 
Ihalbahn. Postablage. Telegraph. Telephon. 10 Hauser. 93 
refonn. Ew. Kirchgemeinde Borgen. Sitz des zürcheri- 
schen Stadtforstmeisters und der Verwaltung des grossen 
Sihlwaldes. Im Sommer geöffnete und von Ausflüglern 
viel besuchte Gartenwirtschaft. Strassenbrucke uber die 
Sihl. 

Sl Hl-ZOPF (Kt. Zürich. Bez. Horgen). 668 m. Abge- 
rundetes S.-Ende der Albiskelte. 1 km n. Sihlbrugg. 

SILBERBAST (Kt. Wallis, Bez. Viapj. Gipfel. S. den 
Art. LniAIM. 

SILBERBERG (Kt. Graubunden, Bez. Ober Land- 
quart). 1200-1600 m. So heisst der steile, bis weit hinauf be- 
waldete Abhang auf der linken Seite dersog. Zuge. d. h. des 
achluchtartig verengten untern Davoserthales. Oer Silber- 
berg erstreckt sich vom Ausgang des Monsteincrthales bis 
zum Wiedener Schaflhäli. Von der HolTnungsau (auch 
Schmelzboden geheissen), dem am Eingang in die Züge 
befindlichen untersten Weiler der La ml -ehalt Davos, fuhrt 
der alte Erzweg durch steilen Bergwald und an hohen 
Wanden vorbei nach zwei alten, längst verlassenen Blei- 
gruben und zu einigen verfallenen Bergwerksgebäuden. 
In einem tiefen Schacht sind noch Beste der alten Gruben- 
zimmerung vorhanden. Die silberhaltigen Bleierze wurden 
seinerzeit im « *chmelzboden » verhüttet, sollen guten 
Gewinn gebracht haben und könnten dies nach Theobald 
auch jetzt noch tun. Das Werk sei auch hier wesentlich 
infolge ungeschickten und verständnislosen Betriebs zu 
Grunde gegangen. 

silberbuhl .Kt. Hern. Amtsbez. Nieder Simmen- 
Ihal, Gem. Oberwil). IU03 m. Gruppe von 2 Häusern 
gegenüber Oberwil über dem rechten Ufer der Simme aut 
einer aussichtsreichen Terrasse gelegen. 14 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Oberwil. Viehzucht. 

SILBERHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Interlakem. 
3705 m. Nordwest!. Vorberg der Jungfrau, von welcher 
er sich prachtvoll abhebt. Kann von der Wengernalp her 
besonders gut gesehen werden und hiess gegen Ende des 
18. Jahrhunderts auch der * Zuckerstock ». Zum ersten- 
mal tH65 von Edmund von Fellenberg und K. Bädeker mit 
sechs Führern und Trägern erstiegen. Die Besteigung 
bietet grosse Schwierigkeiten und erfordert 8-9 Stunden 
angestrengter Arbeit. 

SILBERHORN (KLEIN) (Kt. Bern. Amtsbez. Inter- 
lakem. Etwa 3550 m. So nennt man einen von Grindel- 
wald und Umgebung aus sehr gut sichtbaren nw. Vor- 
gipfel des Silberhorns. Ist zum erstenmal 1874 von J. W. 
und F. G. Hartley anlässlich deren Jungfraubesteigung be- 
sucht worden. Auf der Siegfriedkarte unbenannl und ohne 
Höhenkote. 

SiLBERLAUi (KL Bern. Amtsbez. Interlakem. 2600- 
1600 m. 1 km langer Lawinenzug, durch welchen der 
Rolthalglelscher zeitweise einige seiner Eisblöcke an den 
Fuss der Felswände hinabsendet, die sich ö. über dem 
Weiler Trachsellauenen im Ijiuterbrunnenthal erheben. 

SILBERLUCKE (Kt. Bern. Amtsbez. Interlakem. 
Etwa 3600 m. Einschartung im Kamm zwischen dem 
Silberhorn und dem Jungfnitigipfel. Verbindet das Rol- 
lhai mit dem GieasengleUcher. ist aber seiner ausseror- 
dentlichen Schwierigkeiten wegen nie als eigentlicher 
Uebergang benutzt worden und wird auch nur sehr selten 
begangen. Zum erstenmal 1865 von Edmund von Fellenberg 
und seinen Führern anlässlich einer Jun^fraubesteigung 
besucht. 

SILBERN .Hier SILBEREN (Kt. und Bez. Schwyz). 
2314 m. Breiter Bergrücken zwischen dem Ratsch-, Starz- 
len- und K Innthal im Kanton Schwyz und dem glarneri- 
schen Bossmatlerthal. Besteht aus grauweissem Kreide- 
kalk. dessen nackte Felsflächen stark von Karren durch- 
furcht erscheinen. Auf dem kahlen und zerklüfteten, 200 
ha Fläche umfassenden Rücken bleibt der Schnee im 
Frühjahr lange liegen. Am O.-Hang liegt die Silbernalp. 
Die Bergmasse der Silbern gehört der Glarner Ueberfal- 
tungsdecke an, deren mehrfach gelappte Stirn unter den 



SIL 



SIL 



545 



Flysch de* Klönthals eintaucht und deren den Bergrücken 
bildende Schichten nur wenig geneigt sind, was die Ent- 
stehung von Karren feldern, Erosionstrichtern, Schichten 
und Hohlräumen aller Art besonders begünstigt. Mit Aus- 
nahme einiger kleiner Wasserbecken und sehr seltener 
schwacher Quellen entbehrt da* ganze Gebiet auch der 
Überilächenwasser, so dass man für die Bedürfnisse von 
Menschen und Vieh oft auf Regenwasser angewiesen 
ist. In den Höhlungen der Silbern sammelt sich das 



(1906) 
sein. 

Silbers pitz (Kt. Glarus und St. Gallen). 2234 m. 
Gipfel in der das Murgthal auf der W. -Seite begrenzen- 
den Bergkette. Kalt mit steilen Wänden ostwärts gegen 
das obere Murgthal, mit sanfterer Böschung westwärts 
gegen das Thal der Mürtschenalp ab. Besteht aus violett- 
rotem Verrucanoschiefer, der auf rotem Verrucanokonglo- 
merat ruht. Dieser Verrucano enthält ein Lager von sil- 



Silbem 



Ortstock 



Ochsenstock 

Flönthal 



KroLzergrat 



Karrencdp 




U S nach A. Heim 



Oeoldgiicho» 



V.AUingersc 



1:100000 

11 durch die Silbern. 

Fl. Klysch; En. Nununuliteuformstion; Ca, Ob«r« Kreils (Seewerkslki, Ca. Qault-Albian; Cu. Urgoo; Chv.| llaut«rivienVal»ngiei>: 

J.. Malm; Jin. Dogger; Ji. Um; T. Trias. 



Wasser, das im sog. Schleichenden Brunnen bei Muo- 
tathal zutage tritt und die grosse Hölllochhöhle aus- 
gewaschen Thal. Die geologische Struktur der Silbern er- 
scheint durch eine bedeutende Faltenverwerfung und 
viele die Kalkdecke durchsetzende kleinere Verwerfun- 
gen noch verwickelter. Das Auftreten von Neokomkalken 
auf der ob^rn Kreide der Silbern zeigt uns das einstige 
Vorhandensein einer noch höhern Ceberfaltungsdecke, 
d. h. derjenigen der Zone Santis-Churfirsten-Ochsenslock. 
Vergl. den Abschnitt « Geologie ■ im Art. Schutz (Kamon). 

Silbernalp (Kt. und Bez. Schwyz). 1891-2055 m. 
Hoch über dem Rossmalterthal am O.-Hang der Silbern 
gelegene Alpweide, die Ende Juni auf bloss zwei Monate 
hinaus mit Scharen beslossen wird. Vollkommen abgeholzt 
und ohne Schutz für das Weidevieh. 1322 : Silbrinen ; 
1331 : Silbrinon. 

SILBERNSEELI (Kt. und Bez. Schwyz i. 1942 m. 
Kleiner See auf der Silbernalp, 13 km sw. Glarus in deren 
s. Abschnitt am N.-Fuss des Kratzerengrates gelegen und 
rings von Sturzschutt aus hellgrauem Va langten kalk um- 
rahmt, der vom Kratzerengrat niedergebrocnen ist. Das 
Silbernseeli und die übrigen auf dem breiten Rücken der 
Silbern zerstreuten kleinen Wasserbecken (Hessen wahr- 
scheinlich unterirdisch zur Rossmatterklon im Kanton 
Glarus ab. 

Silber pass i Kl. Wallis, Bez. Visp). Passübergang. 
S. den Art. Lysjoch. 

silberplatte (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Toggen- 
burg). 2160 m. Gipfel in der nördlichsten Kette des fciän- 
lisgebirges; 2,5 km sw. vom Säntisgipfel. Besieht aus 
.Schrattenkalk. A. Escher von der Linth sagt, dass die 
weissen, scheinbar unerklimmbaren Seitenwände der 
Silberplatte eines der grossartigsten Bilder im ganzen 
Gebirge bieten. In der Tat kann man den Berg mit den 
aus der Ferne dem Firnschnee ähnlichen Wanden bei 
günstiger Beleuchtung bis über den ßodensee hinaus von 
seinen an Grosse ebenbürtigen Nachbarn unterscheiden. 
In neuerer Zeit bildet er einen Anziehungspunkt für Lieb- 
haber des Alpensporte. Prachtvolle Aussicht auf die übri- 
gen Glieder des Sänlisgebirges. Kann von Wildhaus, 
Unterwasser oder Alt St. Johann, sowie von Urnäsch her 
in je etwa 6 Stunden erreicht werden. 

SILBERSATTEL oder COLLE MARINELLI (Kt. 

Wallis, Bez. Visp). 4490 in. Auf der Landesgrenze einge- 
schnittene Scharte im Kamm zwischen Nordend und Du- 
rourspitze fStock des Monte Rosa). Verbindet die Betemps- 
hütte (Aufstieg von da 3 1 .. Stunden i mitder italienischen 
Gapanna Mannelli über Macugnaga. Der Abstieg nach 
ordentliche Schwierigkeilen und 



berhaltigen Kupfererzen, die einst am N.-Hang des Silber- 
spitz, namentlich unterhalb der Terrasse der kleinen Alp 
Tschermannen, abgebaut worden sind. (Vergl. den Art. 
Mürtschenalp). Der Gipfel kann von der Mürtschenalp aus 
in 1 Stunden ohne Schwierigkeit bestiegen werden, 
wird jedoch selten besucht. 

silberspitz (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggen - 
bürg und Sargansi. 2268 m. So nennt die Siegfriedkarte 
einen Gipfel untergeordneteren Ranges in der Kette der 
Churfirslen. s. vom Frumsel. Wahrscheinlich 



Gemsjäger aufgebrachte Bezeichnung, die den Bewohnern 
der umliegenden Thalschaften nicht bekannt ist. 

silberthal (Kt. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart). 2300 m. Breite Schuttrinne, die vom Schollberg 
bei St. Antonien nach NO. fällt und Ins « Thäli • oh den 
breiten Wiesenflächen des sog. Boller so. Partnun mündet. 

8ILENEN (Kt. Uri). 548 m. Gem. und Pfarrdorf, am 
sanft ansteigenden rechten Ufer der Reuss und am W.- 
Fuss der Kleinen Windgälle ; 10,5 km s. Altorf und 1,2 
km n. der Station Silenen der Gotthardbahn. Postablage. 
Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit Amsläg (Station der 
Gotthardbahn), Buchholz, Dägerlohn, Evibach, Frentacher- 
berg, dem Maderanerthal (mit Bristen und Golzeren), Ried, 
RAsdl und Schützen: 300 Häuser. 1892 kathol.Ew. ; Dorf: 
11 Häuser, 73 Ew. Die Gemeinde umfasst eine Reihe von 
ungleich bedeutenden Weilern, wie diejenigen an der 
Gotthardstrasse, die Gruppe um die Pfarrkirche und 
um die Bahnstation etc. Land- und Alpwirtschaft. Vieh- 
zucht. Die Gegend ist reich an prächtigen Nussbäu- 
men. Vor dem Bau der Gotthardbahn befand sich in 
Silenen eine dem beträchtlichen Warenverkehr dienende 
weitläufige Susi, die jetzt in Trümmern liegt. 857 verlieh 
König Ludwig der Deutsche die dem h. Albin geweihte Ka- 
pelle von Silana dem von ihm eben gegründeten Stift zum 
Fraumünster in Zürich. Die jetzige Kirche datiert aus 
1754. An der Gotthardstrasse steht nahe der Station die in 
neuerer Zeit restaurierte Ruine des Turmes der einstigen 
Edlen von Silenen. an welche eine Gedenktafel erinnert. 
Die von Silenen waren Ritterund Dienstleute (Meyer) der 
Acbtissin vom Fraumünster zu Zürich und bildeten ein 
mächtiges und angesehenes Geschlecht, das sich in Sei- 
tenzweigen auch in Luzern und im Wallis niedergelas- 
sen hatte. Stephan , Herr zu Silenen, blutete in der 
Schlacht von Sempach für die Freiheit ; Jost von Silenen 
stieg zum Bischof von Grenoble und Sitten und zum Prä- 
sidenten des Dauphine empor ; Albin von Silenen, einer 
der Anführer in der Schlacht bei Marten, war als Krieger 
und Staatsmann sehr geachtet. Ihnen folgten im Besitze 
der Burg die Troger, die sich Troger von Silenen nannten 

V - 35 



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unü dem Staat und der Kirche manchen trefflichen Mann lie- 
ferten. Die aus dem Jahr 857 datierende Pfarrei Silenen ist 
mit derjenigen von Bürgten die älteste im l'rnerland. 1 1M >i 
luilen sich von ihr die bisherigen Filialen Amstäg. Bristen 
und Gurtnellen als eigene Kirchgemeinden ab. Kine der 
Glucken tragt die Jahreszahl 1.&4. Die Deutung des Na- 
mens bleibt unsicher, dürfte sich aber vielleicht auf das 
romanische Siglia, Zilla, Silla. deutsch Zeige, zurückführen 
lassen. 857 und 052 . Silana ; 1-275: Silennun ; 11160: Silin» >n. 

SILEREN ALP Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken, Gem. 
Wilderswilj. 1468-1868 m. Alpweide unterhalb der von der 
Sulegg und dem Bellenhoctist nach O. sich senkenden 
Schutthalde der Silerenplatte. Der hier entspringende 
Wildbach vereinigt sich bei der Silerenbrücke 2 km n. 
Zweilütschinen mit der Lütschine. 

8ILGIN Kt. Graubüniicti. Bet. GiflOIWr, Kreis l.u„in/. 
Gem. Lumbreinl. 1239m. Gemeindeabteilung und Weiler 
im l.ugnez; 1,3 km s. Lumbretn und 17 km sw. der Sta- 
tion Man/ der Bündner Oberlandbahn iChur-llanz). 7 
Häuser. 38 kaihol. Kw. romanischer Zunge. Kirchgemeinde 
Lumbrein. Alpwirtschaft. 

SlLISEGG (HINTER ( VORDER) Kt. Zürich. 
Hei Pfäffikon. Gem. Bauma). 715 m. Zwei Gruppen von 
zusammen 9 Häusern, 1 km s. der Station Bauma der 
TosBlhalbahn i Winterthur- Waldi. 46 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Bauma. Wiesenbau. 

SILLAMATTALP (Kt St. Gallen. Be«. Über To, 
bürg, Gem. Alt St. Johann i. Alpweide. S. den Art. Sela- 

MATTAI.P. 

8ILLERENALP (HINTERE und VORDERE) (Kt. 
Bern. Amtsbez. Frutigen, Gem. Adelbodeni. 1800-2000 in. 




Silw- und Silviplaoariec 



Schöne Alpweide, im obern Abschnitt des vom Geilsbach 
durchflossenen Thnlchens und rechts vom Weg Adcl- 
hoden-Hahnenmoospass. Beicht bis zum Kamm des La- 
veygrates hinauf. 
8ILS oder SILS IM DOMLESCHO, romanisch 



Seglias (Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg, Kreis Dom- 
leschg). 696 m. Gem. und Pfarrdorf im obern Domleschg. 
zwischen dem Hinterrhein im W. und der Albula im Nu. 
Station der Albulabahn. Postbureau, Telegraph, Telephon , 
Pustwagen nach Bodels-Bealta. Gemeinde, mit einigen 
zerstreuten Einzelsiedelungen : 66 Häuser, 621 Ew.; Dorf : 52 
Häuser, 531 Ew. 362 Beformierte und 259Katholiken ; 368Ew. 
deutscher, 220 italienischer und 32 romanischer Zunge. Re- 
formierte Pfarrei ; die Katholiken gehören zur Pfarrei Thu- 
sis. Wiesenbau und Viehzucht. Eine an der Albula stehende 
Baumwollweberei steht seit etwa 10 Jahren nicht mehr 
in Betrieb. 500 m nw. des reichen und in fruchtbarer 
Gegend liegenden Durfes Sil- erhebt sich das Schlos* 
Baldenstein ; s. vom Dorf auf einem steilen Hang die 
Burgruine Ehrenfels und 1 km ö. vom Dorf die malerische 
Burgruine Camni. die angebliche Wiege der Campell, von 
Salis und von Dunat. (Iberhalt) des Dorfes schone Aus- 
sicht auf das Domleschg und seine Berge. Die unweit 
Sils \<>n links in den Hinterrhein mundende Nnlla hat 
schon zu wiederholten Malen durch Abreissen und l'eber- 
schutlung von fruchtbarem Erdreich viel Schaden ange- 
richtet und auch das Dorf selbst bedroht. Solche Aus- 
brüche des ehemals so bösen Wildbaches erfolgten z. B. 
1585, 17(C. 171*», 171 1. 1710. 181)7. 18.14. ISfiS, ist','.» und 
1870. Man hofft, das« die umfangreichen Korreklionsar- 
I. eilen (lauernd Aldnltc schallen werden Mas ( ». . rf ist 
auch mehrfach, so noch 1887, ein Haub der Flammen ge- 
worden. Bei und unter der Burgruine von Hohen Rätien 
hat man zahlreiche Bronzegegcnslände, römische Münzen 
und einen Mühlstein, sowie an der Schvnstrasse vergol- 
dete Kupfertafeln mit Heiligenbildern in getriebener Ar- 
Lei t gefunden, 
welch letztere 
wohl aua der 
Karolingerzeit 
stammen dürf- 
ten. Prof. Muoth 
leitet den Na- 
men Sila vom 

romanischen 
Siglia. deutsch 
Zeige her. 
SILS, auch 

SILS IM EN- 

GADIN oder 
SILS BA8E- 

QLIA ■SBMMMi 
rumänisch Segi. 
(Kl. Graubun- 
den. Bez. Ma- 
li >ja. Kreis Uber 
Engadin). 1707 
m. Gemeinde 
mit den drei 
Weilern Base- 
glia. Fei und 
Sila Maria; am 
rechten Uferdea 
Inn und an des- 
sen Ausfluss aus 
dem Silaersec. 
sowie zu beiden 
Seiten de* Fex- 
haches gelegen. 
11.5 km aw. der 
Station St. Mo- 
ritz der Albula- 
bahn. Post- 
ablage, Tele- 
phon ; Tele- 
graph in Sils 
Maria. Post- 
wagen nach Sa- 
maden • Maloja - 
Chiavennan 50 
Mauser, 178 reform. Ew. zur Mehrzahl romanischer 
Zunge. Pfarrei. Wiesenbau. Alpwirtschaft und Vieh- 
zucht. Fremdenverkehr ond Holelinduatrie. Sila ist 
prachtvoll gelegen und soll nach der Ansicht von Ken- 
nern an der schönsten Stelle des Engadin sich belin- 



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den. An einem Feinen der in den Silsersee vorspringenden 
Halbinsel C haste erinnert eine Gedenktafel an den Phi- 
losophen Niel/sehe, der seine Ferien mit Vor- 
liebe in Sils zu gemessen pflegte. Der Name 
wird vom romanischen Siglin, Seglia hergelei- 
tet, das dem deutschen Zeige entspricht. 

S ILSER SEE (Kt Graubünden, Bei. Ma- 
loja). 1H0O m. Oberster und grösster See des 
Ober Engadin. 4,14 km* Fläche; 5 km lang, 
bis 900 m breit und bis 71 m tief. Am obern 
Ende stosst der Silsersee unmittelbar an die 
nur wenig ansteigende, erst noch ebene, dann 
aber wellige Hochfläche des Maloia, wo der 
grossartige Bau des Kursaales Maloja mit 
seinen Garten- und Parkanlagen, sowie einige 
kleine Hiiticngruppen und der bewaldete 
Hucken einen prächtigen Abschlug» bilden. 
Am untern Knde breitet »ich zwischen dem 
Silser- und dem Silvaplanersee die Alluvial- 
ebene von Sils aus. Doch ragt von dieser her 
eine etwa 700 m lange und 100-300 m breite, 
hügelige und bewaldete Halbinsel in den See 
hinein, die nicht alluvialen Ursprungs ist, 
sondern eine bis 38 m über den Seespiegel 
aufragende Felsklippe bildet. Sie ist mit hüb- 
schen Spazierwegen versehen und zu oberst 
mit einer Hurgruine gekrönt. Hechts und links 
wird der See von hohen Bergwänden einge- 
schlossen, rechts von Ausläufern der w. Her- 
ninagruppe, links von der Gruppe de« Piz La- 
grev. Die schönste Berggestalt, die sich mit 
vielen andern im See spiegelt, ist der stolze 
Piz della Margna. der sich hoch und mächtig über 
dem S.-Ufer erhebt. Die rechte Dergseite trägt längs 
dem See einen Waldgürtel und wird von einem hüb- 
schen Fussweg von Maloja nach Sils Maria begleitet. 
In der Mitte dieser Strecke öffnet sich bei Isola durch 
eine enge Kluft das Val Fedoz. dessen Bach ein brei- 
tes und stetsfort anwachsendes Delta in den See hinaus 
gebaut hat. Gegenwärtig Iiiesst der Fedozbach viel- 
armig zerteilt längs dem rechtsseitigen Rand dieses 
Deltas. Ganz anders ist das linke Seeufer beschaffen. Es 
zieht sich parallel der anliegenden Bergkette hin und 
bildet eine Längsküste, während die rechte Seite alsQuer- 
küste bezeichnet werden kann, da sie die dort heran- 
tretenden Bergzüge quer abschneidet, l'nd statt des fla- 
chen Deltas der rechten Seite linden wir links einen spitz 
in den See vorspringenden Felssporn, denCrap da Chüern. 
Delta und Felssporn schnüren den See in der Mitte bis 



see jetzt schon der Fall ist. Gegenwärtig freilich geht die 
Dcltabildung nicht in der Richtung gegen den Crap da 





Siliertes mit dem Piz della Margna. 

auf etwa km ein. Rei weiterm Fortschreiten des 
Deltas inuss der See mit der Zeit in zwei getrennte Becken 
zerfallen, ähnlich wie dies beim Silvaplaner-Campförer- 



Silv*|ilana von Norden. 

Chüern weiter, sondern mehr nach NO., wo auch schon 
zwei kleine Flachinselchen aus Schwemmland sich gebildet 
haben. Es wird also zunächst die nö. Rucht des Sees, 
wenigstens teilweise, zugeschüttet werden und erst später 
einmal das Delta wieder gegen den Crap da Chüern vor- 
dringen und die Teilung des Sees vollenden. Im Gegen- 
satz zu dem steilen S.-Ufer steigt das N.-Ufcr in sanfteren 
Terrassen an. die bis unter die wieder steilere Gipfel- 
region in Alpweiden gekleidet sind und an ihren gerun- 
deten Flachen die Spuren eftfettjMf 61ttMb*ttediantJs| 
erkennen lassen. Unten längs dem See zieht sich die 
Poststrasse dahin. Ueher die Entstehung diese» Sees und 
der Engadinerseen überhaupt vergl. die Art. Gixai hOmien, 
Inn und St. Mohitzehsee. 

SILS IM BERGELL Kl Gratihimden. Bat, Maloja, 
Kreis Rergell). Gem. und Dorf. S. den Art. Soouo. 
SILS MARIA Kt. Grauhiinden. Rez. Maloja. Kreis 
(Iber Engadin, Gem. Sils). Weiler. S. den Art. 
Maiiia iSii.si. 

SILSTIEG (Kt. Schaphausen. Bez. Schleit- 
heimi. 627 m. Höchster Punkt des den Klettgau 
vom Wulachthal trennenden Hügelzuges zwi- 
schen Ober Hallau und Schieitheim. Ist von 
historischem Interesse, da er einst die Grenze 
zwischen dem Muntat Randen und der Herr- 
schaft Neunkirch bildete. 

SILTGINAS Kl. Graubünden, Rez. Vor- 
derrhein, Kreis Disentis, Gem. Somvix). 1380 
m. Wohnhaus mit einigen Alphütten. 750 
m nw. Somvix und 27,5 km sw. der Station 
llanzder Ründner Oberlandbahn (Chur-Hanz). 
10 kathol. Ew. romanischer Zunge. Kirch- 
gemeinde Somvix. Wiesenbau und Vieh 
zucht. 

SILVAPLANA (Kt. Graubünden, Bez. Ma- 
loja, Kreis Ober Engadin). 1816 in. Gem. und 
Pfarrdorf, am linken Ufer des Inn zwischen 
dem Silvaplanersee im S. und dem See von 
Kämpfer im N.. am SO. -Fuss des Piz d'Albana 
und 7,5 km sw. der Station St. Moritz der 
Albulabahn. Postbureau, Telegraph, Telephon ; 
Postwagen Samaden -Silvaplana-Maloja-Chia- 
venna und Silvaplana-Julier-Tiefenkastel. Ge- 
meinde, mit einem Teil von Campfrr : 50 
Häuser, 319 Ew. (wovon 97 Katholiken); Dorf: 
31 Häuser, 218 Ew. 178 Ew. romanischer, 72 italieni- 
scher und 69 deutscher Zunge. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Fremdenverkehr und Hotel wesen. Angenehme 



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Lage mitten in einem prachtvollen Gebirgskranz. Stark 
besuchter Kurort. 1170: Silvaplana. 




SilvrottabQtt«. 



silvaplanersk (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 
1794 m. Zweitoberater und zweitgrösster der Engadiner- 
aeen (2,85 km 1 Fläche und 77 m tief), am obern und untern 
Ende von Alluvialebenen, sowie rechts und liuka von 
Bergwänden eingeschlossen, die einerseits zum Piz Cor- 
vatsch und zur Kuorcla Surlej, aiidrerseila zum Piz 
Polaschin ansteigen. Einst bildeten der Silscr-, Silva- 
planer- und Campferersce ein einziges zusammenhan- 
gendes Seebecken, das von Maloja bis Campfer reichte, 
dann aber durch Deltabildungen der Zuflüsse zerteilt und 
auf die heutigen Reste eingeschränkt wurde Noch iat der 
Zusammenhang des Silvaplaner- und Campferersees nicht 
völlig erloschen. Sie haben gleiche Spiegelhöhe und hän- 
gen durch eine, allerdings last tlussartig schmale See- 
enge zusammen, über welche eine Brücke von Silvaplana 
nach Surlej führt. Zwei grosse, einander entgegenwach- 
sende Deltas, das eine vom Julierbach, das andere vom 
Surlejbach gebildet, haben den See hier ao stark einge- 
engt und in zwei fast völlig getrennte Teile zerlegt. Auf 
dem sanft ansteigenden wiesengrünen Delta der linken 
Seite breitet sich das Dorf Silvaplana aus, dessen Namen 
andeutet, das« die jetzige Wiesenllarhe einst bewaldet 
war. Das gegenüberliegende Surlej ist ein verlassenes, fast 
ganz in Humen zerfallenes Dörfchen, in dem nur noch 
einzelne Ställe und Heugaden benutzt werden. Die bei- 
den Bergseitendes Sees sind ähnlich beschaffen wie beim 
Silsereee, doch eher etwas steiler und weiter hinauf be- 
waldet. Auch hier führt längs der linken Seite die Post- 
strasse, längs der rechten Seile ein hübscher Waldweg, 
von dem weitere Wege nach der Alp la Molta und gegen 
die Fuorcla Surlei abzweigen. Betr. die Entstehung des 
Silvaplanersees, die durchaus derjenigen des Silsersees 
entspricht, vergl. die Art. Grai uCnden, Inn und St. Mo- 
ritz EKSEE. 

SILVIO (MONTE) (Kt. Wallis. Bez. Visp). So nennen 
die Bewohner des Val Tournanche da* Matteriiorm. S. 
dieaen Art. 

• ILVRKTTAQLET8CHER (Kt. Graubünden. Bez. 
Ober Landquartt. 3013-2448 m. Unstreitig schönster und 
besuchtester (ileUcher dej- Silvrettagrtippe. Als mächtiger 
Eisstrom flutet er, meist mit glänzendem Firnkleid be- 
deckt, vom Silvrettapas» herunter. Im ganzen von sanftem 
Charakter, ist er im Vergleich mit vielen andern Glet- 
schern ähnlicher Grosse wenig zerschrundet, so dass man 
im Winter schon Schlittenpartien auf ihm unternommen 
hat, die in sausender Fahrt von der Höhe des Silvretta- 
passes bis unter die Hotfurka führten. Gleichwohl fehlt 
es ihm stellenweise nicht an weilklaffenden Spalten, und 
besonders sein sw. Ende weist ein prächtiges Seracsge- 



biet auf, wo die Eismassen in wildem Aufruhr vielfach 
gebrochen und geborsten gegen das tief unten liegende 
Veratanklathal abstürzen. Sie bilden damit einen ty- 
pischen, vielbewunderten Gletschersturz mit man- 
nigfaltig gestalteten Tafeln, Türmen und Pyrami- 
den von blauschimmerndem Eis und dazwischen 
eingerissenen Kluften. Groasartig ist die Gebirgs- 
umrandung des Silvretlagletschers mit den Steil- 
wänden des Gletscherrückens und der Bottluh 
im N., den drei Schneedomen des Silvrctta-, Eck- 
um) Signalhorna und dem eisgepanzerten Gletscher- 
kamm im O., der schlanken, kühn aufgetürmten 
Pyramide des Verstanklahorns und dessen verklei- 
nertem Abbild, der sog. Thorwache, sowie der hoch 
aufragenden Zinnenmauer der Verstanklaköpfe im 
S. Das ganze bildet ein Gebirgs- und Gletscherbild 
von wunderbarer Schönheit and Harmonie. Kein 
Wunder, dass ein Spaziergang auf diesen Gletscher, 
zum nahen Gletschersturz, zum sanft gewölbten 
Schneerücken der Krämerköpfe oder bis hinauf zum 
Firnplaleau des Silvrettapasses. auch wenn keine 
Gipfelbesteigung beabsichtigt wird, zur « prome- 
nade favorite • der Kurgäste von Klosters geworden 
ist und auch Gipfeltouren, die über diesen Gletscher 
führen, mit \orliebe gemacht werden. Der Piz 
Buin und das Silvrettahorn verdanken ihren Ruf 
und ihre Beliebtheit gewiss nicht nur ihrer leichten 
Zugänglichkeit und ihren allerdings herrlichen 
Panoramen, sondern ganz wesentlich auch dem 
Umstand, dass ihre Besteigung mit einer Wande- 
rung über den Silvretlaglelscher verbunden ist. 
Eine schone Zugabe zu diesem Gletscher ist seine Ne- 
benkammer : der Verstanklagletscher mit der fein- 
geschwungenen Linie des Verslanklalora. Getrennt 
sind die beiden (iletachcr durch den von W. sanft 
ansteigenden, nach O. steiler abfallenden Rücken der 
Krämerköpfe, die selber teilweise in Schnee und Eis 
eingehüllt sind und ostwärts zum schmalen Kammglet- 
scher und zum Glelscherkamm ansteigen. Ueber die ö. 
Partie der Krämerkopfe kann man leicht vom Silvretta- 
gletscher zum Verstanklagletscher und zum Verstankla- 
lor gelangen. Bei Punkt 2812 m der Krämerköpfe. etwa 
1 l/L Stunden von der Silvrellahütte entfernt, steht man 
so ziemlich im Mittelpunkt des wundervollen, weiten Glet- 
scherzirkus, den man von hier aus in allen Teilen und 
Einzelheiten tiberblickt: s. in der Tiefe den in enger 
Mulde eingebetteten Verstanklagletscher mit seiner mäch- 
tigen S.-Wand. im N. den breitgelagerten und höher lie- 
genden Silvreltagletscher mit seinen nach O. immer mäch- 
tiger ansteigenden Wellen. Andere günstige und vielbe- 
suchte Uebersichtapunktc der beiden Zwillin^sgletscher 
sind der Birchenzug (2428 m) und der Medjekopf '2481 m) 
in unmittelbarer Nähe der Silvreltahütte vor dem W.- 
Ende dieser prachtvollen ületscherlandschaft. Oestl. hän- 
gen die beiden Gletscher durch den Silvrettapa«s i30I3 ml 
und das Verstanklator (2951 m) mit dem Firnbecken 
« La Cudera» zusammen, aus welchem der Vadret Plan 
Rai nach O- ins Val Tuoi und der Vadret Tiatscha nach 
S. ins Val Lavinuoz (beide zum Inn) ahfliessen. Aua dem 
Silvretta- und Verstanklagletscher kommen die Haupt- 
<|uelladern der Landquart, d. h. aus jenem der Medjebach 
und aus diesem der Verslanklabach. die sich noch im 
Veratanklathal, etwa 1 km hinter der Hütte der Alp Sar- 
dasca. vereinigen. Sehr sehenswert und von der Silvrelta- 
hütte des S. A. ('.. leicht zu erreichen ist der Ursprung 
des Medjebaches. der aus einem prächtigen Gletachertor 
hervorquillt, in das man ein Stück weit eindringen kann. 

• ILVRKTTAOnUPPE(Kt.Graubünden,Bez.Innund 
Ober Landquart). Die Silvretlagruppe umfasst die ganze 
Gebirgsmasse zwischen dem Pratigau und Unter Engadin 
einerseits und der Arlberglinie andrerseits, sowie vom 
Rhein im W. bis Finstermunz und Landeck im O. Als 
Grenze gegen die Albulagnippe nehmen wir hier den 
Flesspass an, den kürzesten Lebergang von Kloster« nach 
Süs. Schärfer ist die N. -Grenze, die als fast gerade Linie 
von Feldkirch über den Arlberg verläuft und sowohl 
orogranhisch als geologisch eine ausgezeichnete Grenz- 
linie bildet, da sie tief eingeschnitten iat — der 
Arlberg hat nur 1802 m Höhe - und die kristallinen 
Zentralalpen von den n. Kalkalpen trennt. Die Silvretta- 



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gruppe ist damit den Zentralalpen zugewiesen. Das ganze 
so umgrenzte Gebiet teilt man in vier Abschnitte, indem 
man die Teilungslinien über das Schlappinerjoch im W., j 
den Fimberpass im O. und das Zeinisjoch im N. zieht, 
wodurch der Rätikon, die Samnaungruppe und die Per- ' 
wallgruppe vom Zentralstock der Silvrettagruppe im en- 
gern Sinn abgeschnitten werden. Dieser Zentralstock, 
der also vom Schlappinerjoch und Flesspass bis zum 
Fimberpass und Zeinisjoch reicht, zeichnet sich als sol- 
cher nicht nur durch seine Lage, sondern auch durch 
seine bedeutende Hohen- und Gletscherentwicklung, so- 
wie durch seine Gesteinsbeschaffenheit aus. Wir zahlen 
hier mehr als 50 Gipfel von je über 3000 m Höhe, darunter 
2 mit über 34O0 m Piz Linard 3414 m und Fluchthorn 
3403 m) und 2 weitere mit über 3300 m (Piz Hu in 3316 m | 



Fimberpass finden wir eine fast ununterbrochene Flucht 
von Kisfeldern, von denen manche auch einzeln ge- 
nommen bedeutende Ausdehnung erreichen. Die zwei 
grössten sind der Fermunt- oder Ochsenthalglelscher 
mit 8,8 km 1 und der Jamthalferner mit 8 km* Flüche. 
Dann lolgen der Silvrettagletscher mit 4,8 km 1 , der Plan 
Rai • Tiatschagletscher mit 4,6 km*, der Klosterthal- 
gletscher mit 4,36 km' und der Verstau kJagletscher mit 
2 km*. Trotz der beträchtlichen Ausdehnung der Gletscher 
liegen doch ihre untern Grenzen sehr hoch. Am tiefsten, 
nämlich bis auf '2*200 m. gehen der Verstankla- und der 
JamthalgleUcher. Die Firngrenze hat Richter Tür die Sil- 
vrettagruppe auf 2700-2750 m berechnet. Von den vier 
Teilen der Silvrettagruppe im weitern Sinn achliessen 
sich drei — Rätikon. Zentralstock und Samnaungruppe — 



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Karte der Silvretlagru|>|>n. 



und; YerstanUlahorn 3301 m). dann 12-t. r > Gipfel mit über 
3200 m. Dagegen hat die Samnaungruppe nur 10 Gipfel 
mit über 30<X) m, wovon 2 auf über IftMiO m und weitere 
2 auf über 3100 m kommen (Muttier 3298 m, Stammer- 
spitz 3258 m, Piz Mondin 3147 m und Vcsilspitz 3115 m). 
Die Ferwallgruppe hat noch 8 Gipfel mit über 3000 m, 
darunter 4 mit über 3100 tn, aber keinen mehr mit 
3200 m. Der Rätikon endlich erreicht trotz seiner impo- 
santen Formen die 3000 m nicht mehr, da sein höchster 
Punkt, die Sesaplana. nur noch 2969 m hat. Nach der 
Höhe erhalten wir also folgende Rangordnung der vier 
Gruppen: a) Zentralstock der Silvrcttagruppe; b) Sam- 
naungruppe; c) Ferwallgruppe; d) Rätikon. 

Ebenso stark wie in der Gipfelhöhe tritt der Vorrang 
der zentralen Silvrcttagruppe über die drei Nebengruppen 
in der Gletscherentwicklung hervor. Nach Ed. Richter 
hat die gesamte Silvrettagruppe eine Gletscherfläche von 
116 km*, wovon 92,8 km* oder *U auf die Zenlralgruppe, 
aber nur 14,5 km* auf die Ferwallgruppe, nur 4,5 km* aul 
die Samnaungruppe und nur 4,1 km* auf den Rätikon 
kommen. Von den Quellen der Landquart bis gegen den 



zu einem nach N. geöffneten mächtigen Rogen zusammen, 
der das Gehirgsdreieck der Ferwallgruppe von zwei Sei- 
ten umfasst. Die Zentral- und die Ferwallgruppe bestehen 
aus kristallinen Gesteinen und zwar besonders aus Gneis, 
Glimmerschiefern und Hornblendeschiefern , unterge- 
ordnet auch aus Granit, die beiden Flügelgruppen des 
Rätikon und der Samnauner Iterge dagegen weil vorherr- 
schend aus Schichtgesteinen verschiedenen Alters vom 
Phyllit und Verrucano aufwärts bis zur Kreide und zum 
eozänen Schiefer. Der Zentralstock bildet nach Theobald 
ein weites Gewölbe, wo die Gesteinsschichten in der n. 
Hälfte nach N . in der a. nach S. fallen. Längs einer 
Mittellinie vom Weisshorn des Vereinalhals über die Ver- 
stanklaköpfc und an der S. -Seite des Piz Ruin vorbei nach 
0. stehen sie vielfach auch senkrecht. Doch ist der innere 
Rau, die Geotcktonik, der Silvrettagruppe noch nicht ge- 
nügend aufgeklärt. In seiner äussern Erscheinung zeigt 
der eben erwähnte Gebirgsbogen ein schönes Reispiel von 
tiederformiger Gliederung, wie man sie in den Innern 
Teilen der Alpen neben der radialen vielfach antrifft. 
Vom Hauptkamm gehen eine Menge kurzer Seitenäste 



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nach N. und S. ab, die die kleinen Seitenthäler des 
Prätigaus, MonUvon, Paxnaun und Puter Engadin ein- 
schliessen. Besonders schön ist diese llederförmige Glie- 
derung in den beiden Flügelgruppen ausgebildet, doch 
tritt sie auch in der Zenlralgruppe deutlich genug her- 
vor. Sie kombiniert sich aber hier mit der radialen, 
indem i. Ii. aus der Gegend des Piz Ouin die Gebirgs- 
zweige nach verschiedenen Richtungen ausstrahlen : über 
das Silvretlahorn und den Litznerstock nach NW., über 
das Verstanklahorn und den Pix Linard nach S\V., über 
den Pix Fliana nach S. und über den Dreiländerspitz 
nach O. Im kleinen wiederholt sich diese radiale (>1 ie- 
derung noch mehrfach, ho im Litznerstock und am filier- 
horn sw. vom Verstanklahorn. Gabelförmig ist sodann 
die Verzweigung am Rauhen Kopf |30H3 m) n. vom Drei- 
länderspitz, ferner beim Fluchthorn, wo die beiden Zinken 
einerseits das bielerlhal, andrerseits das Lareinthal ein- 
schliessen. Von der weitern Betrachtung schliefen wir 
den Rätikon (s. diesen Art.) und die ausserschweize- 
rische Ferwallgruppe aus. 

a] Der Zentratitwk </»>»• SiU-rettagrtipiHr. Sein wasser- 
scheidender Kamm zieht vom Flesspass und Vereinapass 
uber das Verstanklahorn zum Silvrettapass und Signal- 
horn nach NO., dann mehr 5. über Piz Ruin, Dreilatider- 
spitz. Augstenberg und Piz Falschalv zur Fuorcla Tasna, 



bleiskopf n. ausbiegt und dann das Fimberthal nach O. 
quert, um in der Nahe der Vesilspitze den Kamm wieder 
zu erreichen, so dass der obere Drittel des Fimberthal* 
zur Schweiz, die untern zwei Drittel zu Oesterreich ge- 
hören. Eine Folge dieser Eigentümlichkeit ist es, dass die 
lleidelhergerhütte des Deutschen und Oesterreichischen 
Alpenvereins im obern Fimberthal auf schweizerischem 
Gebiet liegt. Auch im Gebiet von Samnaun findet eine 
derartige Abweichung der politischen Grenze vom Ge- 
birgskamm statt, indem jene vom Gribellakopf längs dem 
Malfragbach lö. zum Samnauner- oder Scbergenbach 
zieht und dann diesem bis zur Mündung in den Inn folgt, 
so dass das Samnaunerthal ebenfalls teilweise zur 
Schweiz, teilweise zu Oesterreich gehört, welch letzterem 
allerdings nur die linke Seite der unlern Thalstufe zu- 
kommt. Da aber das Strässchen sich an dieser linken Seite 
befindet, sind die Samnauner vorläufig noch genötigt, 
über österreichisches Gebiet mit der übrigen Schweiz zu 
verkehren. 

Für die weitere Betrachtung zerlegen wir die Silvrella- 
grupue in eine Anzahl kleinerer Stücke oder Glieder. 

'!) Die Gruppe des Piz Linard zwischen Flesspasa und 
Vernelapass zieht im Bogen von den l'ngeheuerhörnern 
über die Platlenhorner zum Pillerhorn nach 0..dann so. 
/hin Piz Linard, wo sie sich in zwei kurze Arme teilt, die 



Blick vom Floela Schwarahorn auf dio Silvr*IUgrup|>«. 



endlich wieder nö. über Piz davo Lais zum Fimberpass. 
Am Signalhorn vereinigt sich damit eine zweite Wasser- 
scheide, die vom Schlappinerjoch über deu Gross Litzner 
und das Silvretlahorn nach SO. zieht. Doch sind diese 
Wasserscheiden grösstenteils nur solche zweiter Ordnung. 
Einzig die kurze Strecke vom Plesspass bis zum Signal- 
horn und von da bis zum Dreiländerspitz trennt zwei 
Stromgebiete — diejenigen des Rheins und der Donau — 
voneinander und ist also erster Ordnung. Der nw. Arm 
trennt das Gebiet der Landquart von demjenigen der III, 
also nur l'nterabteilungen des Rheingebietes voneinander, 
und der nach O. gehende Arm nur den Inn von einem I 
seiner Zuflüsse, der Trisanna des Paznaun, die sich mit 
der Rosanna des Stanzerthals zusammen bei I.anileck mit 
dem Hauntfluss vereinigt. Die Hauptwasserscheide geht 
vom Dreiländerspitz über die Rielerhöhe und durch die 
Ferwallgruppe nach X. zum Arlberg, kommt aber als 
ausserhalb der Schweiz liegend hier nicht weiter in Be- 
tracht. Die drei vorhin erwähnten, am Signalhorn zu- 
sammentreffenden Kamme stellen die Stammstücke der ' 
Silvrettagruppe dar, von welchen zahlreiche grössere und | 
kleinere Seitenzweige absehen. Dabei fällt auf, dass 
mehrere der höchsten Gipfel, unter ihnen insbesondere 
der Piz Linard und das Fluchthorn, nicht im llauptkamm 
sondern in kleinen Seitenzweigen liegen, indem ersterer 
südwärts gegen das Engadin, letzteres nordwärts gegen 
das Paznaun vorspringt. Es fällt also die Verbindungs- 
linie der höchsten Gipfel nicht durchweg mit der Wasser- 
scheide zusammen. Auch die politische Grenze zeigt der- 
artige Unregelmässigkeiten, indem sie vom Piz Fatschalv 
oder Grenzeggkopf über das Fluchlhurn und den Gems- 



das Val Glims einschliessen. Eine kleine Vorlage dazu 
bildet die durch den Valtorta- oder Vereinapass vom 
llauptstück getrennte Gruppe des Piz Fless zwischen Val 
Fless und Val Saglains. In der ganzen Gruppe herrschen 
nackte Felsgeslalten. die mit ungeheurer Steilheit sich zu 
grossen Hohen emporschwingen. Insbesondere bildet der 
Piz Linard eine ungemein stolze Pyramide, die von allen 
Seiten sich als mächtiger Kolosa darstellt und schier un- 
ersteigbar erscheint. Sowohl durch seine Höhe (3414 m) 
als durch seine massige Gestalt ist der Piz Linard ent- 
schieden das Haupt der Silvrettafirupne. Der Schnee 
haftet nur wenig an seinen steilen Gehangen, weshalb 
die Gletscherentwicklung eine geringe ist. Würdige Tra- 
banten hat er in den Plattenhörnern i322l . 32 Hl und 'Kfl'> ni . 
die ihm an Höhe nur wenig, an schreckhafter Steilheit 
nicht nachstehen, ja ihn darin noch überbieten und da- 
rum nur selten bestiegen werden. — 2) Die Gruppe des 
Verstanklahorns zwischen Vernein - und Silvrettapass bildet 
eine W.-O. streichende Kette, die im W. mit den schonen 
Pyramiden des Canard- und Weisshorns beginnt und im 
0. mit dem Verstanklahorn (3301 mi endigt. Dieses ist, 
besonders vom Sihretta- und Verstanklagletscher aus ge- 
sehen, wohl die schönste Gestalt der Silvrettaj/ruppe, eine 
schlanke, regelmässige Pyramide, eines der schwierigsten, 
aber auch anziehendsten Objekte für den Bergsport in der 
gesamten Gruppe. Daran schliesst sich der ebenfalls schein 
gestaltete Schwarzkopf 1 3225 m) im Hinlergrund des Ver- 
nelathals, am Gipfel breit abgestutzt und mit einer dicken 
Firnkappe gekrönt. Nordwärts vorgelagert sind dem Ver- 
slanklanorn der Gletscherkamm und die Krämerköpfe als 
Grenze zwischen Verstankla- und Silvrettagletscher. — 



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551 



3) Die Gruppe des Silvrettahorna streicht im ganzen von 
der Fuorcla del Conlin bis zum Klosterpass nach NW. und 
bildet die rechte Seite de« Silvrettaglel- 
schers. Signalhorn (3212 im und Silvretla- 
h»rn (3348 m) sind darin vielbesuchte 
Aussichtspunkte, wogegen Rollluh und An- 
standspitz weniger beachtet werden. Sil- 
vretla- und Verstanklaglelscher bilden mit 
ihrer Umrahmung, den Gmppen des Sil 
vretta- und des Verstanklahorns . die 
schönste Gletscherlundschaft der Silvret- 
tagruppe, die namentlich von den Hohen 
bei der Silvrettahülte des S. A. C. einen 
prachtvollen Anblick gewährt. Mitten hin- 
durch führt der Silvrcltapass (3013 im als 
kürzester und schönster Uebergang von 
Klosters im Präligau nach Guarda im Kn- 
gadin. — 4) Die Litznergruppc zwischen 
Klosterpass und Schlappinerjoch ist das 
nordwestlichste Glied des Silvrettamassivs. 
Gewaltige, zum Teil recht bizarre Gestalten, 
mächtige Turme und kecke Nadeln, die 
weniger durch ihre Höhe als durch über- 
raschende Formen imponieren, zeichnen 
diese Grupi« aus. Unvergleichlich kühn 
schwingt sich insbesondere der Gross l.ilz- 
ner (3111 m) empor, ein bevorzugtes Klet- 
terobjekt wagemutiger Touristen. Daran 
reihen sich die wuchtigere Pyramide des 
Grossen Seehorns (3133 m). die zierliche 



Fermunt, über den in frühem Zeiten sogar Vieh getrieben 
wurde. Ueber die beiden Jamthalspitzen (Vordere und 




Doppelpvramidedes Kleinen Seehorns (3flCil 
und 301Ö mi und die wunderlichen Zacken 
der Seenadeln. Auch hier haftet der Schnee nur wenig 
an den steilen, glatten Fclsgc bilden und sind die Glet- 
scher auf wenige kleine Hochmulden beschränkt, so der 
Glötter- und der Litznerferner auf der österreichischen 
Seite und der Seegletscher auf der obersten Stufe des 
nach S. fallenden Seelhals. An der NW.-Kcke dieses Glet- 
schers teilt sich die Kette. Der Hauptarm zieht längs der 
Landesgrenze über den Kisenthiihspitz ('2883 ml zum 
Schlappinerjoch, das Klosters mit dem Montavon ver- 
bindet, während der andere Arm die S.-Wand des Schlap- 
pinerthals bildet. Ihr höchster Gipfel ist die Schiltlluli 
i2890 m). Auffallender gestaltet erscheinen aber die 
Fergenhnrner (Grosses und Kleines Fergenhorn mit 3868 
und 3K47 m . unter welchen insbesondere der Fergenkegel 
(2857 m)die Aufmerksamkeit der Touristen auf (ich zieht, 
die aber doch nur selten sich an ihn wagen. In den n. 
Ausläufern der Litznergruppe ist der Hoch Maderer 
i283"» mi ein geschätzter Aussichtspunkt des Montavon, 
während Heimspitze 1 34185 m und die beiden Lobspitzen 
(Vordere und Hintere Lobspitze mit 38118 und 3803 in) 
zwar noch als Häupter kleinerer Gruppen erscheinen, 
aber weniger bekannt sind. — 5) Die Gruppe des Piz Quin 
und Augsienberg zwischen Silvrettapass und Fuorcla del 
Gonfin (3013 und 3058 ml im W. und dem Futscholpass 
(3773 m) im 0. bildet das Miltelstm-k des Silvrettamassivs, 
das auch die stärkste Vergletscherung aufweist. Nach NW. 
senkt sich der zweiteilige Fermunt-oder Ochsenthalferner, 
nach NO. der Jamthalferner, jener zur III und damit zum 
Rhein, dieser zur Trisanna und damit zum Inn sich ent- 
wässernd. Auf der Kngadinerseite liegt der Gudera-Plan 
Rai Gletscher, ebenfalls ein Doppelgletscher : La Cudera 
mit der langen, steil abfallenden und vielfach geborstenen 
Zunge des Tiatschaglelscher s. gegen das Val Lavinuoz, 
Plan Rai ohne grossere Zunge und weniger steil nach 0, 
zum Val Tuoi sich senkend. Dieses weite Gletschergebiet 
ist namentlich von der N. -Seite her durch die Wies- 
badenerhütte und die Jamthalhütte des Deutschen und 
Oesterreichisrhen Alpenvereins zugänglich gemacht und 
wird jetzt viel bereist. Eine Reihe stolzer Gipfel üben 
grosse Anziehungskraft auf die Rergsteiger aus. Obenan 
steht der Piz Ruin i331r> m), eine herrliche Pyramide im 
Zentrum der Silvrettagrupi>e und der beste Lebersichts- 
punkl über dieselbe. An ihn schliesst sich, durch die 
Ruinfurka getrennt, der Kleine Ruin (romanisch Ruin 
Pitschen; 3360 m) Nach <». folgt der Dreihinderspitz 
(3212 m) mit einigen kleinem Trabanten, vom Ruin ge- 
trennt durch den Fermuntpass (2802 m). einen schönen 
Gletscherübergang aus dem Unter Kngadin nach der Alp 



Silv.ottagletioh«r und Vorstanklahoro von Nordwesten. 



I Hintere Jamthalspitze mit 3175 und 3160 m>, den Gems- 
' spitz (3114 mi und einige andere Gipfel kommen wir zum 
1 doppelgiplügen Augstenberg (3234 m). der wieder einen 
der grossen Hauptgipfel der Gruppe darstellt. An diesen 
Zentralkamm schll esaen sich nach N. und S. gehende 
Seitenketten an : Südl. vom Piz Ruin die Kette des Piz 
I Fliana i32Sim>. die mit dem aussichtsreichen Piz Chapisun 
(2034 ni) gegen das Kngadin abbricht, dann s. von den 
Jamthalspitzen die Kette des Piz Clavigliadat (2987 tn) 
unil iles Piz Götschen \'Ml\ m . letzterer ebenfalls ein viel 
besuchter Aussichtspunkt. Langer als diese s. Auazwei- 
' gungen ist die vom Dreiländerspit/ nach N. gehende Kette 
mit einer grossen Zahl kleinerer Spitzen vom Ochsenkopf 
(3007 m) und Riellhalspitz (3004 m) bis zum Hochnördcrer 
|27.")8 in i und Gorfenspit/ iäMJO in über Galthür im Paz- 
naun. Diese Kette ist in ihrem s. Teil noch ziemlich stark 
vergletschert und mehrfach verzweigt. In einer solchen 
kleinen Verzweigung erhebt sich das Hohe Rad (2912 m i 
I Aber der Bielerhöhe 1 3031 m). einem begangenen Pass von 
Gross Fermunt nach Klein Fermunt oder aus dem Mon- 
tavon nach dem Paznaun. 6) Die Kette des Fluchthorns 
beginnt mit dem Grenzeggkopf (3051 ml und streicht in 
langem Zug zwischen dem Jam- und Fimberthal narh N. 
Dm Pluchthorn (3403 und 3402 m) ist eine mächtige, drei- 
gipllige, früher für sehr schwierig gehaltene, jetzt aber 
häufig besuchte Gestalt, der zweithöchste Gipfel der Sil- 
vretlagruppe. An ihm teilt sich die Kette in zwei parallel 
nach N. streichende Acste, die das Lareinthal einschlies- 
sen. Im ö. Arm erhebt sich der Gemsbleisspitx oder Parai 
Naira noch tu 3017 na. Der s. Teil der Kette, besonders 
die nähere Umgebung des Fluchthorns , ist stark verglet- 
schert, wenn auch die Gletscher — Lareinferner, Flucht- 
hornferner. Kronenfernerund Fimberferner — ausschliess- 
lich Terrassengletscher sind und keine oder nur geringe 
Zungenbildung zeigen. Das Gebiet ist durch die Heidel- 
bergerhütte im Fimberthal und die Jamthalhütte zugäng- 
lich gemacht. — 7) Die Gruppe des Piz Tasna ist von der 
vorigen getrennt durch die Fuorcla Tasna (3857 m) und 
füllt mit ihrem gegen das Unter Kngadin vorgeschobenen 
breiten Fuss den weiten Raum zwischen dem Val Tasna und 
dem Val Sinestra aus. Sie unterscheidet sich geologisch 
wesentlich von den bisher betrachteten Gruppen, da sie 
hauptsächlich aus Kalk- und Schiefergesteinen besteht, 
welchen grosse Serpentin- und Dioritmassen eingelagert 
sind, während Gneis und Granit nur untergeordnet auf- 
treten. Die Hauptgipfet sind dcrPizTasnaiWK'lmiund der 
PizMinschun (3072 m), letzterer neben dem Piz Götschen 
einer der ersten Aussichtspunkte auf der linken Seite des 



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Unter Engadin . Aisdunkle Serpentinmasse fällt der Piz Nair 
(2971 ml auf. Von da zweigt eine Seitenkette ostwärts 
über Piz Champatsch (2925 m) zum Piz Spadla 1 2940 m) 
ab, während ein anderer Zweigvom Piz Tasna ungefähr 
n. über den Piz davo Lais (3031 m) zum Fimberpass 
(2612 m) streicht. Dieser Pasa verbindet das Val Sinestra 
mit dem Fimberthal und damit das Unter Engadin mit 
dem Paznaun. 

b) Die Samnaungnippe setzt sich aus zwei ungleichen 
Aesten zusammen, von denen der eine als langer schma- 
ler Zug vom FimherpasB no. bis nach Landeck zieht und 
in seiner ersten Hallte die N.-Wand desSamnaun bildet, 
während* der viel kürzere, aber höhere zweite am Yesil- 
spitz oder Piz Roz i3115 ni sich von jenem abzweigt und 
mits.AasbiegungdasSamnaun vom Unter Engadin trennt. 
Diesem kürzern Ast entragen die mächtigen Gebirgs- 
stocke des Piz Mondin (3147 und 3132 m). des Muttier 
(3298 m und des Stammerapitz oder Piz Tschütta (3258 
und 3243 m), von welchen der Mutller, nach dem Piz 
Linard der höchste Gipfel des Unter Engadin, eine herr- 
liche, weitschauende und dabei leicht zu ersteigende Pyra- 
mide ist, die denn auch häutig besucht wird. Dagegen er- 
scheint der Piz Mondin als n ililn illlWIHI. minenartijjcs 
Felsmassiv, das von zahlreichen kurzen Seilengräten 
und Nebengipfeln umstellt wird. Auch der Stammerapitz 
zeigt sich als ein trotziger, schroffer Geselle mit zwei fast 

gleich hohen tüpfeln auf zackigem Grat, der nach allen 
citen fast senkrecht abfällt und nur unter grossen 
Schwierigkeiten zu ersteigen ist. Trotz der bedeutenden 
Höhe ist die Vergletscherung eine geringe. Auch eigent- 
liche Pässe gibt es hier nicht. Die Lucken zwischen den 
Gipfeln sind nur wenig eingeschnittene, rauhe Scharten, 
die nur selten begangen werden. Durch den Piz Vadret 

(3045 m) gliedert sich dieser wilde Gebirgsast an den 
i'esiUpitz und damit an die längere Hauptkette der 
Samnaungnippe an. in der auf Schweizergebiet noch der 
Rürkelkopf (3036 und 3030 m) und der Gribellakopf 
(2897 m| grossere Höhen erreichen. VesUsnilz (3092 m). 
HexenkopT (3038 m) und Furglerspitz (3007 m) liegen 
schon ausserhalb der Schweiz. Im übrigen weist die 
Kette bis nach Landeck noch manche Gipfel von 2800 
und 2900 m auf, die wir aber hier übergehen, da sie 
auch sonst von geringer Bedeutung und wenig keknnnt 
sind (IX Ed. iMMor.j 

Silvrett ahorn (Kt. Graubünden. Dez. Uber 
l.andquart). 3248 m. Gipfel, der sich nebst Kckhorn und 
Signalhorn am O.-Hand des Sil vrettagletschers erhebt und 
wie diese ostwärts zum Gross Fermuntgletsrher abfällt, 
l'eber alle drei verläuft auch die schweizerisch- öster- 




Schritcl <!<*■ Silvrettap SSSSS. 

reichische Landesgren/e. Das Silvretlahorn ist neben dem 
Piz Duin der von Kloatera aus am häutigsten besuchte 
Gipfel der Silvretlagruppe. Ea ist auf verschiedenen Houten 



leicht zugänglich und dabei als Tour wie als Aussichts- 
punkt ungemein lohnend. Von der Silvrettahutte aus 
rührt der gewöhnlichste und leichteste Aufstieg über den 
Sitvrettagletscher bis an den Fuss des Berge«, dann 
um die reisecke bei Punkt 2832 m herum, über Schutt 
und Fels ziemlich stark links hinauf zum steil herab- 
kommenden W.-Grat und von da meist über Schnee und 
immer ziemlich steil ö. hinauf, teils auf dem Grat selber, 
teils an dessen Seiten zum Gipfel. Ein anderer Aufstieg 
führt vom Gletscher über einen steilen Firnhang in die 
Lücke zwischen Silvretlahorn und Eckhorn und dann 
über den S.-Grat auf das entere. Gelegentlich werden 
auch Silvrettahorn, Eckhorn und Signalhorn in einer 
Tour verbunden. Anstieg von Klosters her 8-8 *>', Stunden. 

silvrettahutte (Kt. Graubünden, Bez. Ober 
Landquarti. 2340 m. Schutzhütte des S. A. C, von der 
Sektion Davos erbaut ; nahe dem untern Ende des Sil - 
vrettagletschers und hart über dem Medjebach. der Haupt- 
auelle der tandquart. Sie ist von der Schweizerseite her 
der beste Ausgangspunkt für Touren im Gebiet der Sil- 
vretlagruppe vom Gross Litzner bis Silv reltahorn. Piz 
Buin, Piz Fliana und Verslanklahorn, ja bis zum Drei- 
länderslein, sowie für verschiedene Gletscher- und Pass- 
wanderungen. Zu Fuss erreicht man die Hütte von 
Klosters her in 4-4V t Stunden, wovon aber zwei Drittel 
auf einem guten Strässchen bis zur Alp Sardasca 
(1650 m) gefahren werden können. Von da an folgt ein 
ziemlich steiler, aber gut angelegter Fuss- und Reitweg 
bis zur Hütte. Diese ist im Sommer bewirtschaftet und 
hat Schlafraum für 22 Personen. Wasser und Holz sind 
immer genügend vorhanden. Neben der Hutle steht noch 
das neulich erstellte private Silvrettahaus mit 5 Zimmern 
und 10 Bellen, Wirtschaft etc. 

• ILVRETTapaSS (Kt. Graubünden, Bez. Ober 
Landquart). 3013 m. Passühergang am obern Ende des 
Silvrettaglelschers, zwischen Signalhorn und Glelscher- 
kamm. Er verbindet zunächst den Silvretlagletscher mit 
dem Firnbecken von La C.udera und dem Plan Rai Glet- 
scher, damit aber im weitern Klosters mit Guarda, d. h. 
das Prätigau mit dem Unter Engadin. Er ist ein hoher 
Gletscherpass und kommt natürlich nur für Touristen in 
Betracht. Bei guten Schneeverh.dtnissen bietet er eine 
prächtige Gletscherwanderung. Etwas oberhalb der Sil- 
vrettahutte des S. A. C. uberschreitet man den Medje- 
bach und erreicht dann in 20-30 Minuten über Schutt 
und Moränen den zuerst etwas steil, dann massiger an- 
steigenden Gletscher, den man nahe seinem N.-Rand 
unter der Rotfurka und dem Gletscherrücken durch bis 
gegen den Fuss des Silvrettahoms überschreitet. Dann 
geht es, rechts abbiegend, wieder steiler 
und im Bogen oder Zickzack auf das obere 
Gletscherplateau und zum Pass. (Von der 
Hütte je nach Schneeverhältnissen und 
Gangart l'y3 Stunden). Prachtvolle Aua- 
sicht auf Verslanklahorn, Piz Linard, Piz 
Fliana, Gross und Klein Buin, Lilzner- 
gruppe, Todi, Berninagruppe. Ortler etc. 
Jenseits gelangt man smlostwärts durch 
die Firnmulde La Cudera zur Felsinsel 
der Mittagsplalte und ostwärts über den 
Plan Bai Gletscher zum Schutthang des 
Cronsel, wo eine Wegspur /um Bach hin- 
unter führt, den man weiter unten über- 
schreitet it'/* Stunden von der Passhohe). 
Damit erreicht man den Alpweg und auf 
diesem in weitem 1 { l t Stunden durch das 
Val Tuoi das schön gelegene Guarda im 
Engadin. Der ganze Weg von Klosters 
nach Guarda erfordert gegen 10 Stunden 
Marschzeit. 

simano (Kt. Tessin. Bez. Blenioi. 
2842 m. Bergstock im Gneisgebiet des nördl. 
Tessin. Grenzt im N. an Val Soja, im W. 
an das Bleniothal und im S. an Val Mal- 
vaglia. Ostwärts hängt er über die Cima di 
Gxnna Bossa (2788 m), den Sasso di Casseo 
1 2655 rn ) und den Uomo di Sasso 1 2675 m ) 
mit dem vergletscherten und auf der Kantonsgrenze 
zwischen Tessin und Graubünden stehenden Rhein- 
waldhorn (3398 m i zusammen. Der Simano selbst trägt 



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weder Pirn noch Gletscher, sondern bloss einige über 
der Waldzone (1000-1900 m) gelegene Alpweiden. Seine 
einzelnen Spitzen sind alle stark felsig. 

SINEI, 8IMMEL und tlMtL, auch SIMBEL, 
SIWKL, SIWKL.I etc. Ortsnamen der deutschen 
Schweiz. Vom althochdeutschen »intoel — « rund, gewellt » 
herzuleiten. Hierher gehören die Formen Siwelien (im 
Kanton Gktrua dreimal). Siwelibrunnen (in Obwalden), 
Simelibuck, Simelenkopf, Semelenberg etc. 

SIM KL. (Kl. Sl. Gallen. Bez. Sargans). 2414 und 
2360 m. Felskamm; 0 -Ende der Kette der Ringelspitz, 
die sich hier allmählfg gegen Vättla zum Thal der Tamina 
senkt. Bestehtaus Malmkalk und Eozängcbilden und fallt 
nordwärts mit steilen Wänden zum Caireisenthal ab. Der 
weniger steile, gegen das Ramuztobel gerichtete S.-Hang 
tragt die Bamuzalp. 

SIMELIHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken). 
3752 m. Südöstl. Vorgipfel des Grindelwald Faulhorns, 
in der kleinen Kette des Hötihorns. Kann entweder vom 
Gasthof auf dem Faulhorn in 1 , l i oder vom Gasthof 
Waldspitz am Faulhornweg in 3 Stunden erreicht werden. 
Die Aussicht gleicht derjenigen vom Faulhorn, kann sich 
aber nicht mit ihr messen. 

SIMELIHORN (Kt. Wallis, Bez. Vispi. 3132 m. Gipfel 
in der Kette zwischen dem Saas- und Gamserlhal. Kann 
vom Gasthof Huteggen her über die Mattwaldalp ohne 
Schwierigkeit in 5 Stunden erstiegen werden. Prachtvolle 
Aussicht. 

SIMELIPASS (Kt. Wallis. Bez. Visp). 302H m. Pasa- 
ubergang in der das Saas- vom Gamserthal trennenden 
Kette zwischen dem Punkt 3122 m des Gamsergrates und 
dem Mattwaldhorn. Wird namentlich als Uebergang vom 
Simplonpaaa nach Saas Im Grund benutzt (etwa 8 Stunden). 

8IMELWANä(OROS8Iund KLKINK) (Kt. Bern. 
Amtsbez. Interlaken). 2619 und 2020 m. Zwei Gipfel, die 
zusammen den o. Ausläufer des Faulhorns bilden und 
nicht mit dem im SW. stehenden Simelihorn verwechselt 
werden dürfen. Werden durch die Mitlagkrinne vonein- 
ander getrennt und können beide vom Gasthof auf dem 
Faulhorn in »/, Stunden leicht erreicht werden. Der 
Kamm der Simelwang erhebt sich n. über der Wanne des 
Bachsees und s. über der Battenalp. Die Aussicht bietet 
kein besonderes Interesse. 

SIMLEREN (Kt. Bern, Amtsbez. Seftigen, Gem. Ger- 
zenaee). 80Oro. Gruppe von 4 Häusern, in einem Thälchen 
am S.-Hang des Belpberge* und 3.5 km ö. der Station 
Wichtrach der Linie Bern-Thun. 20 reform. Kw. Kirch- 
gemeinde Gerzensee. Acker- und Obstbau. 

SIMMS (Kt. Kern, Amtsbez. Ober und Nieder Sim- 
inenthali. 2600-590 m. Die Simme. früher auch Land- 
wasser genannt, ist einer der bedeutendsten Wasserläufe 
des Hemer Oberlands. Sie entspringt im Hintergrund des 
Thaies von Lenk am N.-Hang des Wildstrubel. Die haupt- 
sachlichsten Quellarme, die sich in dem Felsenzirkus des 
Räzlibcrges vereinigen, sind die dem Räzliglelscher ent- 
lliessenden Wasseradern, der am Weisshorn entsprin- 
gende Trubbach und die unmittelbar aus dem r eisen tre- 
tenden und sich zu einem prächtigen, etwa 30 tn hohen 
und breiten Kaskadensystem verbindenden • Sieben Brun- 
nen v Auf der kaum 3 km langen Strecke vom Räzlibcrg 
bis zu ihrem Eintritt in den ebenen Grund von Oberried 
bildet die Simme drei bedeutende Fälle, von denen die bei- 
den untern, eine bei 300 tn hoch herabrauschende Strom- 
schnelle, besonders beachtenswert sind. Durch den Ammer- 
tenbach verstärkt und trotz des bisherigen kurzen Laufes 
verhältnismässig sehr wasserreich Iiiesst die Simme bis 
zum Dorr Unk last horizontal durch die stellenweise ver- 
sumpfte Thalsole. 1.8 km hinler Lenk erhall sie den vom 
Rawil kommenden (ffigenhach und 500 m unterhalb der 
Lenk, ebenfalls von links, den vom Trütllisberg her 
durch weiche Schiefer messenden Wallbach. Unter ihren 
linksseitigen Zuflüssen bis Zweisimmen seien der Dfirren- 
waldbach, der Reulissenbach und der Kesselbach ge- 
nannt, während von rechts her bei Matten der aus dem 
Fermelthal durch eine enge Schlucht hinaustretende 
Fermelbach ungeheure Geschiebemaasen ablagert und 
durch seinen mehrere Kilometer breiten, fächerförmigen 
Schuttkegel den Hauptfluss an die gegenüberliegende Berg- 
wand drängt. Bei Zweisimmen nimmt die Simme von links 
die Kleine Simme auf, welche auf den die unmerkliche 



SIM 553 

Wasseracheide gegen das Saanegebiel bildenden, weit- 
läufigen Saanenmöösern und deren beidseitigen Gehängen 
entsteht. In der Ebene von Zweisimmen bildete die Sim nie 
früher einen See, dessen Vorhandensein noch 1426 ur- 
kundlich bestätigt wird. Von der hier geplanten Korrek- 
tion, die auf mehr als eine Million Franken veranschlagt 
ist, wurde bis jetzt ein 15 m breites und 1000 m langes 
Kanalstück bei Anlass des Eiseobahnbaus ausgeführt. 4 
km n. Zweisimroen tritt die Simme in die schluchtartige 
Thalstufe der Garstatt, wo sie am Fuss der ehemaligen 
Burg Uubegg einen 10 rn hohen schönen Fall bildet. 
Nach Leberwindung dieser Enge durchströmt sie den 
ebenen und teilweise sumpligen Boden von ßoltigen. fort- 
während verstärkt durch Zuflüsse, von welchen nament- 
lich die linksseitigen, d. h. die Wasserläufe des Hunds- 
rückens und das der Klus bei Bolligen entströmende 
Wasser zu nennen sind. Die bis hierher in wesentlich 
n. Richtung messende Simme biegt nun in grossem Bogen, 
durch die Enge von Simmenegg und Pfaflenried sich Bahn 
brechend, nach O. um und durchmesst in tiefe Flussterras- 
sen eingebettet das Gelände von Oberwil und Därstetten. 
um vor Erlenbach wieder in weiteres Gelände und in 
ein breileres Bett zu treten. Viele Zuflüsse von der N.- 
Abdachung des Niederhorns und Thumens, wie von dem 
S.-Hang der Stockhornkette vergrossem den Thalstrom 
fortwährend. Von den erstem sind zu nennen der Gold- 
bach, Ammertenbach, Oeigraben und Klosterbach, von 
den letztem der Wüstenbach und der wasserreiche 
Bunschibach, der bei Wcissenburg aus tiefer Schlucht 
tritt. Bei Erlenbach nimmt die Simme den Wildenbach 
auf. den unterirdischen Abfluss des Hinterstockensees, 
und bei Oei von rechts ihren bedeutendsten Zufluss, den 
Kirelbach, der aus den vielen Waaserläufen des viel ver- 
zweigten und weitläufigen Diemtigthals sich bildet. Auch 
der unmittelbar vor der Thalenge der Porte ebenfalls von S. 
her mündende und die Wasseradern der vorderen Niesen- 
kette vereinigende Wildbach. der früher zwischen Burg- 
fluh und Niesen durchlloss. würde einen bedeutenden 
Zufluss bilden, wenn er nicht sein Wasser in dem sog. 
Bruchgerengraben durch lockere Gipsschichten zum guten 
Teile in die Tiefe verlieren würde, bevor er zu Thal ge- 
langt. Durch die Schlucht zwischen der steil abstürzenden 
Simmenlluh und der orographisch zur Stockhornkette 
gehörenden Burgfluh tritt nun die Simme in die Ebene 
von Wimmis ein, um sich bei Reuligen in 590 m Höhe mit 
der Kander zu vereinigen (3,3 km oberhalb der Mündung 
der letztem in den Thunersee). Vor der Kanderkorrek- 
tion lag das Bett der Simme bei ihrer Mündung in die 
Kander um 30 m höher als heute. Der Lauf der Simme 
weist eine Länge von etwa 60 km auf. Ihr Einzugsgebiet 
mag rund 620 km* betragen. Da die Gebirge ihres Gebietes 
zum Teil aus weichem und leicht verwitterbarem Flysch 
bestehen, ist ihr Bett sehr geschiebereich. Was die indu- 
strielle Verwertung der Simme anbelangt, seien ausser 
zahlreichen Sägewerken die grossen Baugeschäfte von 
Erlenbach, Zweisimmen und St. Stephan, sowie die Zünd- 
holzfabrik am Eingang der Porte bei Wimmis genannt. 
Dazu ist in neuester Zeit das oberhalb der Brücke von 
Wimmis angelegte Stauwerk getreten, durch welches ein 
grosser Teil des Wassers der Simme nach dem Kander- 
werk bei Spiez abgeleitet wird.', 

SIMME (KLEINE) (Kt. Bern. Amtsbez. Saanen und 
Ober Simmenthai). 1700-930 m. Linksseitiger Zufluss der 
Simme. Entspringt auf der breiten Hochfläche der Saanen- 
möoser, die die wenig scharfe Wasserscheide zwischen 
dem obern Simmenthai und dem Gebiet der Saane bildet. 
Nebenadero sind: von N. her der Simnengraben. March- 
graben und Schlündibach, die alle vom Hundsrücken 
herabkommen; von S. her der Kaltenbrunnenbach, ein 
böses Wildwasser, das gegenüber Vorder Reichenstein 
von rechts mündet. Nach 9 km langem Lauf in no. Rich- 
tung vereinigt sich die Kleine Simme bei Zweisimmen 
mit der Simme. 

SIMMILENQRABEN (Kt. Bern und Freiburg) IG0Ü- 
1178 m. Kleiner Bach; entspringt an der Kette der Gast- 
losen und mündet unterhalb des Dorfes Abläntschen von 
links in den Jaunbach. Bildet die Kantonsgrenze zwischen 
Bern und Freiburg. 

SIMMKLISATTKL (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Hasle). 
Scharte. S. den Art. Simmeiistock. 



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554 SIM 

SIMMELISTOCK f Kt. Bern, Amtobez. Ober Hasle). 
4487 m. Gipfel in dem hohen Felskainm zwischen dem 
Reichenbach- and Urbachthal. Zum erstenmal 1WW 
bestiegen. Bildet eine sehr schwierige Kletterpartie, die 
von Rosenlaui her 6-7 Stunden erfordert. Nach den An- 
gaben in The Btrnete Oberland (Band II der Conwayand 
Coolidge't Ctimber*' Guides) sind Name und Kote des 
Gipfels auf der Siegfriedkarte nicht an der richtigen 
Stelle, sondern sollten sich vielmehr unmittelbar s. vom 
Buchslaben J des Wortes cJägiburg » befinden. Anden 
Simmelistock reiht sich eine ganze Gruppe von Zacken, 
die auf der Siegfriedkarte keinen Namen und meist auch 
keine Hohenkote tragen. Sie befinden sich alle in dem 
Haum zwischen der Hohjägiburg und dem Knuelhorn der 
Karte. Der durch den sott. Simmelisattel vom Simmeli- 
stock getrennte Punkt 2632 m ist die • Vordere Spitze », 
die gegen das Engelhorn hin folgenden Zacken ■ Gertrud* 
spitze » (nachdem Vornamen der ersten Bestellerin 1901), i 
■' L'lrichspitze • mach dem Vornamen eines Führers) und 
* Millelspitze * genannt worden. Alle sind von derselben 
Partie am selben Tag erstiegen worden. 

SIMMELISTOCK (KLEIN) (Kt. Bern. Amtsbez. 
Ober Ilaale). Etwa 2100 m. Felsspitze nw. vom Siromeli- 
ntock (2487 m). in der hohen Felswand zwischen dem Ur- 
bach und dem Heichenbachthal. Schwierig zu besteigen; 
/um erstenmal 1895 von zwei Führern aus Meiringen er- 
reicht. Auf der Siegfriedkarte unbenannt und ohne Hohen- 
kote. 

5IMMENBHQCKE (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder 
Simmenthali. 634 m. Schone einbogige Sleinbrücke über 
die Simme. am Einsang in die • Porte ■ des Simmen- 
thaies romantisch gelegen. 1 km sw. der Station Wimmis 
der Linie Spiez-Zweisimmen. Etwas oberhalb der Brücke 
befindet sich dass grosse Stauwerk des Kanderwerkes 
hei Spie/.. 

S i MMENE8Q {Kt. Bern. Amtsbez Ober Simmen- 
thal. Gem. Bolligeni. 8U) m. Gemeindeabteilung und 
Weiler an der Simme ; 1.5 km nö. Boltigen und 2 lim sw. 
der Station Enge der Linie Spiez-Zweisimmen. Links der 
Simme liegen die Häusergruppen Simmenegg und Matten, 
rechts vom Fluss die Gruppe Fuchshalden. Zusammen : 
30 Häuser, 105 reform. Ew. ; Weiler : 7 Häuser, 39 Ew. I 
Kirchgemeinde Boltigen. Viehzucht. 

•IMMENiaa (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Simmen- I 
thal. Gem. Boltigen). 870 m. Burgruine in enger Schlucht 
über dem linken Ufer derSimme ; i km sw. der Station Enge 
der Linie Spiez-Zweisimmen. Die schon 1276 genannte 
Burg war dte Residenz von Herren, deren Besitz unge- 
fähr milder heutigen Pfarrei Boltigen zusammenfiel. Von 
den Weissenburgem kam sie später an die Brandis und 
endlich 1391 durch Kauf an Bern. Auch die Herren von 
Slrättligen waren in diesem Gebiet begütert. 

SIM MKNF ALLE (Kt. Hern, Amtsbez. Ober Simmen- 
thal. Gem. Lenk). 1300-1118 m. Heihe von prachtvollen 
Fällen der Simme oberhalb ihres Eintrittes in die Thal- 
ebene von Oberried, wo der Flusslauf schon seit langer 
Zeit korrigiert ist. Besonders imposant sind der obere 
und der untere der Fälle, welch letzterer nach einer an 
ihm gelegenen Säge auch den Namen Sägefall trägt. Gast- 
wirtschaft. Eine Stunde hinler der Lenk. Dem linken 
Ufer folgt ein Fussweg mit prachtvollen Ausblicken auf 
die Falle, der den Fluss auf der ßarbarahrücke über- 
schreitet und sich mit dem aut die Häzlialp führenden 
Weg am rechten Flussufer vereinigt 

SIMMENFLUH (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmen- 
thal). 1456 m. Teilweise bewaldete Felswand, die zusam- 
men mit der gegenüberliegenden Burgfluh die • Porte » 
des Simmenthaies bildet, durch welche man unmittelbar 
hinter Wimmis in dieses Thal gelangt. Die Simmenfluh 
bildet den östlichsten Ausläufer der Stockhornkelle und er- 
hebt sich vi. vom Weiler Brodhüsi über dem linken Ufer 
der Simme. Korallogener Portlandkalk mit /ahlreichen 
Fossilien. 

8IMMENQRUPPE (Kt. Bern, Freiburg und Waadt). 
Gebirgsgruppe. S. den Art. Saam;- lno SiNMENtiRtriM'E. 

SUMMEN THAL (Kt. Bern. Amtsbez. Ober und Nieder 
Simmenthai). Das Simmenthai, früher und auch heute 
noch im Volksmund Siebenthal genannt, ist das längste 
und bevölkertste der oberländischen Thäler und gehört 
mit seinen seitlichen Verzweigungen der w. Zone der 1 



SIM 

Berneraipen an. Die Länge dea Thaies beträgt vom Au- 
tannazgrat bis zur« Porte »bei Wimmis 62 km, die größte 
Breite von der Männlifluh zur Kaiserei 33 km. Vom N.- 
Fuss dea Zentralkammes zieht sich das Thal als Querihal 
nach N. bia Bolligen, um hier gegen O. umzubiegen und 
als Längsthal bis Wimmis su reichen. Nach O. wird es be- 
grenzt von der N ieaen kette, von welcher westwärts die bei- 
den Ketten der Männlifluh und der Spillgerten abzweigen, 
die die Thäler von Kirel und Diemtigen umrahmen. Die S.- 
Grenze bildet der Zentralkamm vom Wildstrubel zum Wild- 
horn, zwischen welchen die Senke des Hawilpaasea liegt. 
Nach W. wird die Grenze durch die vom Wildhorn nach 
N. streichende Kette der Daube markiert, welche sich ge- 
gen die Saanenmoöser abdacht. Nördl. der letzlern folgt 
die Kette des Hundsrückens, an welche sich vom BruchpaK* 
an die Stockhornkette anschliesst, die nach 0. umbiegend 
in ihrem letzten Ausläufer die Niesenkette bei Wimmis fast 
berührt und mit ihr die bekannte Eingangspforte des Sim- 
menthales.die« Porte», bildet. durch welchedieSimmedas 
Thal verläsat, um mit der Kander vereinigt in den Thuner- 
see zu münden. Das ganze Thal liegt in der Kalkzone, der 
nicht nur die beiden Seitenketten, sondern auch die 
Wildstrubclgruppe angehören. Dieser Umstand und na- 
mentlich das Vorwiegen der weichen Flyschschichten an 
den das Simmenthai umgebenden Bergkelten bedingen 
die sanfteren Gehänge und den Reichtum an ausgedehnten 
Atpweiden, welchen das Thal nicht nur sein besonderes 
Gepräge, sondern auch Beinen Viehreichtum verdankt, 
Eine ausgesprochene Thalstufe, die Laubegg hinter Bol- 
tigen, scheidet das obere von dem unleren Thal. Die 
Thalsohle ist ziemlich schmal und weist ihre grosste Breite 
mit 1 km bei Zweisimmen auf. Die meisten grosseren Ort- 
schaften liegen in der Sohle selber, immerhin linden 
sich auch auf Flussterrassen und am seitlichen Gehänge 
(namentlich im unleren Thal) einige Siedelungen, wie 
z. B. Diemligen. Ringoldingen und Oberwil mit seinen 
Weilern. Einen rein hochalpinen Charakter trägt der 
Hintergrund des Thaies, der weite Kessel von Lenk mit 
seiner fast 5 km langen Ebene, in die am oberen Ende 
die Simme Intl. Diese entspringt am Räzligletscher und 
erreicht mit mehreren Fällen bei Oberried den Thalboden, 
in welchem sie bis zum Dorfe Lenk fast eben fortfliegst. 
Etwa 2 km hinter dem Hauptort öffnet sich nach S. das 
Thal des Ifligenhaches, durch welches der Weg über den 
Rawil führt. Der Blick von Lenk nach dem stark ver- 
gletscherten Wildstrubel ist ein bekanntes Alpenbild von 
ruhiger und erhabener Schönheit. Durch ihre Wasserfälle 
und bedeutende Sturzhohe grossartig erscheinen die von 
prächtiger Alpenlandschaft umgebenen Fälle des Ifligen- 
baches, sowie der ein ganzes System von Kaskaden bilden- 
den Simme. Das durch einen Brand 1878 fast ganz zerstörte 
Dorf Lenk gewährt einen eher modernen Anblick. Die 
beidseitigen Berghänge sind sanft geneigt und bieten keine 
charakteristischen Gipfelformen dar. Das gleiche trifft 
auch zu für das Thal von Lenk bis St. Stephan. 3.5 km 
hinter letzterm Ort mündet von O. her das bis weit hin- 
auf während des ganzen Jahres bewohnte Fermellhal. 
das sein besonderes Gepräge durch die seine N.-Wand 
bildenden Spillgerten, eine von allen Auasichtspunk ten 
des Simmenthaies durch ihre auffallende Gestalt ins Auge 
fallende Gruppe von Felstürmen von abschreckender 
Wildheit. Ein landschaftlich schönes Bild gewährt die an 
den linken Berghang gelehnte Kirche von St. Stephan, 
von welcher sich ein hübscher Rückblick gegen die VVild- 
strubelgruppe darbietet. Bei Zweisimmen erweitert sich 
das Simmcnlhal von neuem. Die wenig geneigten Hänge, 
sowie die niedere Einsenkung der Saanenmoöser geben 
hier der Landschaft durchaus den Charakter des Mittel- 
gebirges. Unterhalb Zweisimmen treten die Berghnnge 
wieder näher aneinander, so dass das Thal namentlich 
an der Laubegg einen fast schluchtartigen Charakter an- 
nimmt. Eine deutlich wahrnehmbare Stufe führt in das 
untere Thal, das mit der Ebene von Boltigen beginnt, in 
die von links das Seitenthal der t Klus* ausmündet. Hier 
zeigen sich schon die schrofferen Gipfelformen der Stock- 
hornkette, die z. T. in der Mittagnlfuh, sowie am Roten- 
kasten deutlich zu Tage treten. Unterhalb Boltigen grabt 
sich das Thalwasser ziemlich tief ein. Die Ortschaften 
stehen auf aussichtsreichen Flusslerrassen. Besonders 



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555 



gelegene Oberwil, wohl das schönstgelegene Dorf des 
Thaies, mit prächtigem Blick thaleinwärts und -auswärts. 
Die s. Bergseite steigt ziemlich sanft an. 
während die Stockhornkettc steilere Hänge und 
ausgesprochenere Felsbildung aufweist, wenn 
auch weniger als auf ihrer N. -Flanke. Bei 
Weissenburg mündet von N. her in tiefer 
Erosionsschlucht das Thal des Bunschibaches. 
Unterhalb Därstetten.das sich mit seiner Kirche 
in schattiger Lage auf einer Terrasse über dem 
rechten ( Ter der Simmc lagert, verbreitert 
sich das Thal zum gewaltigen Kessel von Er- 
lenbach, dessen Aussenorte meist an der Stock- 
hornkette in aussichtsreicher Lage sich aneinan- 
der reihen. Etwas unterhalb mündet von S. her 
als grösstea Seitenthal des Simmenthaies daB 
Dietnliglhal. Das Dorf Diemtigen, links über dem 
Eingang auf einer Terrasse gelegen, ist nicht 
sichtbar, wohl aber bietet sich durch die Tlt.il- 
öfl'nung ein schöner Blick auf die imposante 
Männlilluh und andere merkwürdig geformte 
Gipfel dieses Thaies. Nach (). scheint der hohe 
Kamm der Niesenkette das Hauptthal abzu- 
schliessen. Dieses engt sich zu der sogenannten 
Porte ein, einer engen Schlucht zwischen der 
Simmenfluh und der isolierten Burgfluh, die sich aber 
bald wieder öfTnet und in die Ebene von Wimmis und 
Beutigen hinausführt, welche durch den von der Kander 
durchstochenen niedrigen Wall des Strältlighügels vom 
Thunersee getrennt ist. 

Mitbestimmend fur das landschaftliche Bild sind die 
menschlichen Ansiedelungen. Das Simmenthalerhaus ge- 
hört mit seinem weissen Unterbau, dem hölzernen Ober- 
bau, der breiten fensterreichen Front, dem einfachen 
und wenig geneigten Satteldach oder der höheren Fassade 
mit steilerem Dach und grossem holzverschaltem Bund- 
bogen an der Front zu den schönsten Dauernwohnungen 
überhaupt. Dieser simmenthalischc Baustil lindet sich 
durch das ganze Thal hindurch vertreten, allerdings 
weniger rein in einigen stark modernisierten Hauptorten 
als vielmehr in den abseits gelegenen Weilern. Schöne 
typische Beispiele linden sich in Diemligen und in dem 
gleichnamigen Thal, wie auch in Boltigen, Oberwil, Erlen- 
Bach und Darstellen. An Verkehrsmitteln sind vor allem 
zu nennen die grosse Thalstrasse, welche von Wimmis 
an meist dem [.auf des Flusses folgt, nahezu überall in 
der Thalsole liegt, fast alle wichtigeren Ortschaften be- 
rührt und in Lenk endigt. Von ihr zweigen ab die Poal- 
strassen über den Bruchberg (1506 m) von Boltigen nach 
Bulle und die Saanenmoöserstrasse (1283 mj von Zwei- 
simmen nach Saanen, sowie die Strasse durch das Diem- 
tigthal von Oei bis Griminialp. An Bergübergängen sind 
zu nennen die nur Fussgängern dienenden Pässe von 
Lenk über den Bawil (2415 m) nach Sitten, der Trüttlis- 
bergpass (2040 m) von Lenk nach Lauenen, der Pass über 
das Hahnenmoos (1954 m) von Lenk nach Adelboden. 
Ausserdem sind noch eine Anzahl von weniger benutzten 



thals nach Adelboden, sowie mehrere Alppfadc aus 
diesem Seitenthal nach der Lenk, St. Stephan oder 





Grtmmlalp im Diaratlgth»! iSimmaotbal). 

Uebergängen vorhanden, wieder Morgetengrat 1 1062 mi 
von Weissenburg nach den Thälern der Sense oder Gürbe, 
der Otterngrat (2282 mj vom Hintergrund des Diemtig- 



llsilbad Lenk im Simmrnthsl. 

Zweisimmen. Seit den letzten Jahren ist das Simmenthai 
auch durch die Eisenbahn mit der Aussenwelt ver- 
bunden. 1895 wurde die 10 km lange Linie Spiez-Erlen- 
bach erstellt, die 1902 ihre Fortsetzung bis Zweisimmen 
erhielt. 1906 erstellte man die elektrische Bahn Zweisim- 
men-Montbovon mit Fortsetzung nach Montreux einer- 
seits und nach Bulle andrerseits. Eine Drahtseilbahn 
auf den Niesen ist im Werden begriffen, und auch die 
Lenk soll in Balde Anschluss an die Montreux-Oberland - 
bahn erhalten. 

Hauptbeschäftigung der Bewohner ist vor allem die 
in jeder Hinsicht hoch entwickelte Viehzucht. Fast das 
ganze produktive Areal, d. h. bei 38 440 ha. dienen der 
Futterproduktion. Der Aufzucht der weltbekannten Vieh- 
rasse wird die grössle Sorgfalt gewidmet. (Näherea 
hierüber siehe in den Artikeln Ober und Nieder Simmen- 
thal). Neben der Viehzucht kommen die übrigen Erwerbs- 
zweige weniger in Betracht. Zu nennen ist die Holzindu- 
strie, die in diesem waldreichen Gebiet von gewisser 
Bedeutung ist und eine Anzahl von Sägewerken be- 
schäftigt. Weniger wichtig sind die Zündholzfahrika- 
tion und Seidenweberei. Die Geschirrfabrikation, die 
im 18. Jahrhundert im obern Simmenthai betrieben 
wurde , hat gänzlich aufgehört, ebenso die Ausbeutung 
der Braunkohlenlager bei Bolligen. Dagegen ist der 
Fremdenverkehr im Zunehmen begriffen. Besuchte 
Hadeelablissemente mit Heilquellen sind die Bäder von 
Lenk, Weissenburg, Grimmialp und Botbad. In alpi- 
nistischer Hinsicht wird das Simmenthai weniger ge- 
würdigt als die Thäler von Lauterbrunnen und Gnn- 
wie denn überhaupt der Touristenstrom dieses 
vor kurzem verhältnismässig wenig berührte. 
Als vielbestiegene Voralpengipfel sind beson- 
ders zu nennen der Niesen und das Stock- 
horn. Ein erstklassiger Aussichlsberg ist auch 
die Männlilluh. Zwei Klubhülten erleichtern 
die ungefährliche und sehr lohnende Bestei- 
gung der beiden Hochgipfel Wildhorn und WUd- 
st rubel. 

Der Vulksschlag des Simmenthals unter- 
scheidet sich deutlich von dem des engern 
Oberland«?* und nähert sich etwas demjenigen 
des Miltellandcs. Die Frauentracht ist wohl 
die schönste des Kantons Bern. Formenge- 
wandtheit und Bedefertigkeit ist dem Sim- 
menthaler in hohem Masse eigen. Der Sim- 
menthalerdialekt zeichnet sich durch Wohl- 
laut und grosse Ausdrucksfähigkeit aus. Gross 
ist der Schatz an alten Sagen, Volksliedern 
und Sprichwörtern , für deren Erhaltung in 
der letzten Zeil durch literarische Publikation 
gesorgt worden ist. 
In geschichtlicher Hinsicht teilt daB Simmenthai mit 
dem übrigen Oberland das Schicksal, dasa bis Ende des 
ersten nachchristlichen Jahrtausends alle sichern hislo- 



delwald. 
Thal bis 



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ritchen Nachrichten fast ganz fehlen. Auch an prähisto- 
rischen Funden ist ausser demjenigen eines Bronze - 




ZwoUimmen lim Simmanthalt »od 8Qden. 

heils in der Lenk nichts zu Tage getreten. Aus der 
römischen Zeit sind bis jetzt (vielleicht zufällig) eben 
falls keine Funde bekannt geworden, obwohl nicht 
zu bezweifeln ist, dass die in der Ebene von Thun 
angesessenen Romer das in der Nähe sich öffnende 
Thal kannten, abgesehen davon, dass dasselbe auch 
von W her leicht zugänglich ist. 762 wird urkundlich 
die am Kingang des Simmenthals gelegene Kirche von 
Spiez genannt und 095 auch diejenige von Wimmis, 
die Kaiser Otto III. dem Kloster Sels im Elsass schenkte. 
Das obere Simmenthai, oberhalb der Laubegg, gehörte 
wahrscheinlich den in einer Urkunde von 1 175 genann- 
ten Edlen von Siebenthal. Später zerfiel es in vier 
Herrschaften. Die Herrschaft Simmenegg deckte aich 
ungefähr mit der heutigen Kirchgemeinde üoltigen und 
gehörte dem Hause Weissenburg. Die Herrschaft Laubegg 
war Eigentum des Hauses Strattligen, das auch Mannen- 
berg, welches eigentlich zwei Herrschaften umfasate, 
erwarb, während Reichenstein bis ins 15. Jahrhun- 
dert den Haren eigen war. Im untern Simmenthai 
treten seit 1175 ilie Edlen von Weissenburg hervor, die 
wahrscheinlich die Stifter der 1228 erscheinenden Prop- 
atei Darstetten sind und auch das früher den Strättligern 
gehörende Wimmis besessen. Auch die Abtei Sels war im 
untern Simmenthai begütert, verkaufte aber 1279 diesen 
Besitz grösstenteils dem Kloster Darstellen. Die Verkaufs- 
urkunde ist wegen der darin vorkommenden Namen 
von Ortschaften und Bergen ein für die Geschichte des 
Simmenlhales wichtiges Dokument. An Kirchen werden, 
ausser den eben erwähnten, um 1228 genannt diejenigen 
von Zweisimmen und Bolligen im oberen, sowie die Gottes- 
häuser von Oberwil und Erlenbach im untern Simmenthai. 
Bern erwarb zunächst im Jahr 1386 durch Eroberung 
Zweisimmen, St. Stephan und Lenk und 1391 auch die 
Herrschaft Simmenegg mit Bolligen, aus welchen vier 
Gemeinden es ein Amt bildete, dessen Amtmann 
« Kastellan ■ hiess und im Schlosse Blankenburg bei 
Zweisimmen residierte. Die Weissenburger, ob auch im 
Niedergang begrilfen und ihrer meisten oberländischen 
Besitzungen verlustig geworden, konnten sich im Besitz 
des untern Simmenthaies halten, das sie bei ihrem 
Erlöschen 1367 ihren Nachkommen, den Edlen von 
Brandis, vermachten, worauf Bern in den Jahren 1439, 
1148 und 1449 das Ganze an sich zog und daraus das Amt 
Nieder Simmenthai bildete, dessen Kastellan in Wimmis 
sasa. Der Einführung der Reformation setzte das obere 
Simmenlhal Widerstand entgegen, nicht aber das untere 
Simmenthai, wo in Erlenbach Peter Kunz, der später« 
Pfarrer von Bern, in diesem Sinne wirkte. Im Bauernkrieg 
von 1653 stellte sich die Thalschaft auf Seite iler Ohrig- 
keit. 1687 hielten sich so viele vertriebene Waldenser im 
Simmenlhal auf, dass in den meisten Kirchen franzö- 



sischer Gottesdienst gehalten werden musste. Nach der 
Umwälzung von 1798 erhoben sich im folgenden Jahre 
die mit der Helvetik unzufriedenen Obersim- 
menthaler, doch wurde diese Insurrektion 
bald unterdrückt. An bemerkenswerten Ereig- 
nissen sind zu nennen die grossen Pestepi- 
deniien in den Jahren 1349. 1565, 1611 und 
1668. Aufladend ist die grosse Zahl von 
Erdbeben, so in den Jahren 1578, 1581. 
1693. 1855 und 1885. Diese Erderschütterun- 
gen gehören zur Klasse der lokalen Ein- 
sturzbeben und wurden durch Auswaschung 
und Zusammenbruch gewaltiger unterirdi- 
•^jM scher Gipslager verursacht. Unter den grossem 
Brandkalastrophen seien erwähnt die Brände 
von Erfenbach 1765, des Schlosses Blanken- 
burg 1767. von Holtigen 1840 und 1890, von 
Matten 1855. GarsUtt 1860 und 1881. Zwei- 
simmen 1862, Lenk 1878 und St. Stephan 
1892. An Spuren alter Kultur ist das Simmen- 
lhal ziemlich reich. Auffallend erscheint die 
grosse Anzahl von allerdings kaum mehr 
wahrnehmbaren Burgtrümmern und Befesti- 
gungsspuren, über deren Herkunft und Be- 
stimmung vollständiges Dunkel herrscht. Gleich 
am Eingang in das Simmenthai werden an 
der Burgfluh auf dem rechten Ufer die Burgen 
Kramburg und Kronburg, sowie gegenüber 
die Burgen Kastel und in einer Felsnische über Lat- 
terbach das fast unzugängliche Gavertschinggen ge- 
nannt. Oestl. über dem Dort Oei erhob sich Grafenstein 
und n. Diemtigen auf einem gegen das Simmenthai 
vorspringenden Hügel Grimmenstein oder Hasenburg. 
In Erlenbach werden zwei Burgstetten gezeigt, wovon die 
eine beim Pfarrhaus durch eine mächtige Linde be- 
zeichnet ist. Spuren einer Burg sind auch in Ringol- 
dingen nachgewiesen Von der Weissenburg, die sich 
rechts vom Ausgang der Runschischlucht erhob, ist noch 
eine 40 m lange und G m hohe Mauer vorhanden. Un- 
mittelbar unter der Station Oberwil belinden aich die 
noch gut zu erkennenden Trümmer der sog. Heidenmauer 
( vom\ olkeauch Rosenstein genannt). Spuren komplizierter 
und ausgedehnter Burganlagen, die den Namen « Veste » 
tragen, linden sich auf einem waldigen Felsvorsprung 
oberhalb Woschbrunnen. Ebenso bei Ad lemsried. Von der 
Burg Simmenegg über dem linken Uler der hier eng ein- 
geschluchteten Simme, sowie von einer etwas oberhalb 
auf dem Eichslalden gelegenen Befestigung sind nur noch 
geringe Trümmer vorhanden. Gleichfalls spärlich, aber 
immerhin noch sichtbar sind die Ueberreste der Burg 
Laubegg hinler dem Dorfchen Garstatt, während die 
Trümmer der beiden Burgen auf dem Mannenberg, einem 
den Eingang in das Gelände von Zweisimmen bildenden 
Felshügel, etwas besser erhalten erscheinen. Auf dem 
gegenüberliegenden linken Ufer zeigt man noch die Stelle 
der Steineggburg, während die Burg Reichenslein am 
Schlundibach und an der Strasse über die Saanenmoöser 
spurlos verschwunden ist. An Profanbauten, die noch 
aus dem Mittelalter stammen, mögen genannt werden 
das am Thunersee gelegene merkwürdige Haus • im Ghei » 
und das leider durch den llrand von 1892 zerstörte 
f steinerne Haus • in St. Stephan, das viclleichtder Sitz der 
obern Herrschaft Mannenberg war. An wohlerhaltenen 
Burganlagen seien erwähnt die Schlösser von Spiez und 
Wimmis, welche beide den mittelalterlichen Burgcharak- 
ter trotz neuer Anbauten wohl bewahrt haben und mäch- 
tige Burgtürme aufweisen, während Blankenburg seit 
dem Brand von 1767 stattlich, aber modern wieder auf- 
gebaut wurde. Bemerkenswert ist noch ein originelles 
Schlosschen bei Latligen hart an der Eisenbahn zwischen 
Spiez und Wimmis. An kirchlichen Bauten weist daa 
Simmenthai mehrere nennenswerte Beispiele auf. Die 
dreischiffige Kirche von Spiez mit ihren drei runden 
Chorabschlüaaen und der einfachen, aber wirksamen 
Aussendekoration ist eine der interessantesten Kirchen 
romanischer Baukunst in der Schweiz. Von kleinerer 
Anlage ist das ebenfalls romanische Kirchlein von Einigen 
mit interessanten Glasgemälden. Ein dreifaches roma- 
nisches Chor hat sich ferner an der Kirche von Wimmis 
erhalten. Stocken weist eine nun in eine Bauernwohnung 



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Planfa 



umgewandelte Kapelle aus dem Ende des 15. Jahrhun- 
derts und Heutigen in aeiner originellen Kirche ein 
Freskogemälde aus derselben Zeit auf. In den schon 
durch ihre stattlichen alten Glockentürmen den Blick auf 
sich lenkenden Kirchen von Erlenbach und Oberwil fin- 
den aich ebenfalls Spuren mittelalterlicher Malerei. In 
letztgenannter verdienen Beachtung ein gotischer Tauf- 
stein und reiche Flachschnitzereien an der Decke. Solche 
Schnitzereien zeigtauch die mit Glasgemälden aus dem 16. 
Jahrhundert geschmückte Kirche von Zweisimmen. Die 
Kirche von Boltigen enthält moderne Fresken. Von der 
ehemaligen Propstei Darstellen sind keine Gebäulichkei- 
ten mehr vorhanden ; ihre Stelle nimmt wohl der ge- 
genwärtige Pfarrhof ein. Die Kirche daselbst ist ein alter- 
tümlicher aber ganz schlichler Bau, gleich derjenigen 
von Üiemtigen. Dagegen zeichnet sich durch ihre schone 
Lape und stattliche Bauart die Kirche von St. Stephan mit 
ihrem mächtigen Turm aus. Aus dem 18. Jahrhundert 
stammen zwei durch Bemalung und reiche Holzschnitz- 
ereien bemerkens- 
werte Häuser der 
Gemeinde Darstel- 
len. Urkundliche 
Nim anifornc n : 
H66Sibenthal; 1175 
und Villi Sejttetn 
Volle», d. h. « sieben 
Thaler». Der Fluss 
hat seinen Namen 
von dem Thal erhal- 
ten, lieber die To- 
i>ographie und Geo- 
logie des Thaies 
vergl. den Art. 
Saank- i nd SlMHEN- 
liRI l'l'K. 

Hibhogratihie : 
Hermann, fe. Be- 
schreibung des Lan- 
den Oherund Sieder 
Simmenthai. 1665. 
i.Mann-kr. auf der 
Stadlhliothek Bern). 

— Flogerzi, D. Aus- 
fithrtiche Betehret- 
liung der zwei Land- 
schaften des Sim- 

menlhals. 1746. 
(Manuskr.). — Lant- 
han», D. Beschrei- 
bung verschiedener 

.V erkvurdigkei ten 
des Siementhaies. 
Zürich 1753. - Kast- 
hofer. K. Wande- 
rung in das Sieben- 
that (in den Alpen- 
rosen. III). Bern 
1813.— Wys«. J. R. 
Ein Sitreifzug ins 
Sxebenthal (in den 

.1 Iftenmsen . XVj. 
Bern 1825. - Bur- 
gener. Chr. Chronik 
des Uber Simmen- 
thales. 1830. (Ma- 
nuskr.h — Imotier- 
steg, J. Das Sim- 
menthal in alter 
und neuer Zeit. Bern 
1876. — Gempeler- 
Schletti, D. Heimat- 
kunde des Simmen- 
thales. Bern 1904 

— Tscharner, v. 
/'•'• obersimmen- 

Ihalische Herrschaft 
Mannenberg. Bern 1907. Vergl. auch die allgemeinen Ge- 
schichtswerke über den Kanton Bern, sowie die Font«* 
rerum Bernensium. 



SIMMENTMAL (NIEDER). Zum Landesteil Ober- 
land gehörender Amtsbezirk des Kantons 

Hern, lirerut im O. an da» Amt l'rutigen. 

*a* im N. an die Aemter Thun und Schwarzen- 

1, bürg, im W. und S. an das Amt Ober Sim- 
, menthal. Ks bildet ein fast gleichschenkliges 
Dreieck von je 25-30 km Seitenlange, dessen 
S. -Spitze der Gipfel des Gsür ist. Von diesem 
aus streicht die 0. -Grenze über den Grat 
der Niesenkette nach NO., steigt dann ins Kanderthal 
hinunter und quert dieses, um w. Krattigen den 
Thunersee zu erreichen. Die N. -Grenze folgt dem S - 
Ufer dieses Sees bis w. der Mündung der hander bei 
Gwatt, zieht sich von da dem N.-Hang des Zwieselberges 
entlang bis zur Wasserscheide zwischen Glütschbach und 
Fallbach, steigt dann zum Kamm der Stockhornkelte 
empor und folgt demselben bis zum Schafamisch ober- 
halb Boltigen. Von hier wendet sich die Grenze nach SW., 
quert das Thal etwas unterhalb der Ruine Simmenegg.und 




Leukerbad 
locche-lesüains 
300000 ttKm l 



AT'SöemfACt* 



Amttbeiirke Nieder und Ober Sinirnenlh»! 



zieht aich über das Niederhorn, den Fromattgrat und 
die Spillgerten zurück nach dem Gsür. Der Amtsbezirk um- 
fasst somit das Hauptthal, soweit es als Längsthal von W. 



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558 



SIM 



S1M 



nach O. streicht, dann das Diemtigtlial mit seinen Seilen- 
aaten. den o. Teil des Stückenthaies, sowie die Ebenen 
von Heutigen und Wimmis und den L'ferstrich von Gwatt 
Iiis Kräftigen. Der höchste Punkt ist die .Mannlifltih mit 
2651 m. der tiefste dagegen das l'fer des Thunersees bei 
Gwatt mit frfäO in. Der Umfang diese* (leliieles betragt 
31901.1 ha, wovon 7790 unproduktiv sind. Die '24110 ha 
messende produktive Hodentläche verteilt sich wie folgt 



Wiesen 



Wald 

Weinrehen i Spiez i 23 

Zusammen 24110 ha. 

Der Amtsbezirk umfasst die politischen Gemeinden Där- 
stetten, Diemtigen, Erlenbach, Ober und Nieder Stocken, 
Oberwil, Reutigen, Spiez und Wimmis, die, mit Aus- 
nahme der zu Reutigen eingepfarrten beiden Stocken, zu- 
gleich auch Kirchgemeinden sind. '2451 Haushaltungen in 
1854 Häusern. 11 '2*2 Ew.. 



10448 Reformierte. 741 
i und 27 Andere. 10485 Ew. deutacher, 
74 französischer, 652 italienischer und 11 anderer Sprache. 
Die Personen italienischer Herkunft waren zur Zeit der 
Volkszahlung von 1900 heim Eisenbahnbau beschäftigt 
und sind seither wieder weggezogen. 35 Ew. auf 1 km*. 
Amtssitz des Bezirkes ist Wimmis. Sekundärschulen in 
Wimmis, Spiez und Erlenbach. In Spiez die Anstalt Gottes- 
gnad für Unheilbare, eine Stiftung der bernischen Ijindes- 
kirche ; in Erlenbach das Krankenhaus des Amtsbezirkes. 
Weit überwiegender Erwerbezweig der Bevölkerung ist 
die Viehzucht. Die Herbstmärkte von Erlenbach geniessen 
eines Weltrufes. Das mit gmsster Sorgfalt gezüchtete 
Simmenthalervieh zeichnet sich durch vorzüglichen 
Milchertrag aus und wird zu sehr hohen Preisen expor- 
tiert. Daraus erklärt sich, dass die Käseproduktion stetig 
abnimmt und die Alpbesitzer es vorziehen, die Alpen mit 
Jungvieh zu bestossen, das an den Herbstmärkten als 
Zucht- und Handelsvieh zu hohen Preisen Absatz findet 



oder an den Viehschauen 


prämiert 


wird. 




Die Viehstatistik ergibt 


folgende 

fjuw 


Resultate : 




1*»6 


190t 


Rindvieh . 


8559 


8919 


901t 


Pferde .... 


237 


264 


324 


Schweine . . . 


1955 


2488 


21 38 


Schafe .... 


3393 


2232 


1280 


Ziegen .... 
Bienenstöcke . . 


5087 


1948 


:wo>2 


10X8 


1258 


1344 



sich steigernde Sorgfalt wird der Alpver- 
besserung zu Teil, Tür welche Bund und Kanton Sub- 
ventionen von zusammen bis zu 30% der Ausgaben ent- 
richten. Die Alpstatistik der Gemeinden des Simmen- 
thals ergibt folgende 



Alpen 



. 22 
. 102 
. 32 

Oberwil ... 22 
Reutigen u. Stocken 5 
Wimmis ... 6 



Darstellen 
Diemtigen . 



Inhalt 
ha 

1452 
«837 



202 
264 

1-2985 



1108 

5422 
1806 
I85Ö 
109 
112 

10412 



Kapitalwert 

das Wcule- 
gebisUs 

Kr. 

686:100 
3035000 
943320 
986200 

1IVK7.-. 

51875 



Total .... 189 12985 10412 5 797570. 

Zusammen mit Wald 6004120. 

Unterden Alpen des Nieder Simmenthaies seien erwähnt 
Kilei.Gurbs,Grimmi undStalden im Diemtiglhal, Mrtnigen 
und Scebere. sowie Rinderberg oberhalb Diemtigen. Mit 
Bezug auf Gewerbe und Industrie ist vor allem der Holz- 
handel zu nennen. Sägewerke befinden sich in Oei und 
Krlenbach. Bei der Porte hinler Wimmis ist eine Zündholz- 
fabrik im Betrieb. Daselbst befindet 



labnk im Lfetrieb. Ilaselbst belmdet sich auch ein grosses 
Stauwerk zur Ableitung des Wassers nach dem Kander- 
Klektrizitätswerk bei Spiez. der wichtigsten industriellen 
Anlage im Amtsbezirk. Eine bedeutende Zunahme hat 
der Fremdenverkehr erfahren. Spiez ist dank seiner Lage 
und als Knotenpunkt des oberländischen Eisenbahnnetzes 
jru einem wichtigen Zentrum des Handels und Verkehrs 
geworden. Eines guten Rufes erfreuen sich mehrere Bade- 
I, 



bei Diemtigen und Faulensee. Stockhorn and Nie- 
sen gehören zu den besuchtesten Aassichtsgipfeln der 

Schweiz. 

An Verkehrsmitteln sind ausser der Thalstras.se, von 
welcher eine Fahrstrasse von Oei durch das Diemtiglhal 
nach Grimmialp abzweigt, die Eisenbahnen Thun-Inter- 
laken, welche den Amtsbezirk von Gwatt bis Kralligen 
quert, sowie die Linie Spiez-Erlenbach-Zweisimmen zu 
nennen, durch welche der Verkehr eine grosse Zunahme 
erfahren hat. Eisenbahn- und Dampfschi Ustation Spiez 
sind durch ein elektrisches Tram miteinander verbunden. 

mögen erwähnt werden die einbogige 
Thalstrasse in der Porte bei^ Wimmis. 
der neue Aquädukt über die Kander be 
die Eisenbrucke der Linie Thun-Interlaken 



n e "iiK 



Kander und die Brücke der Linie Spiez-Z 
die Bunschischlucht. Das zu Ru 
weiche Terrain machte beim Bau dieser le 
besonders bei Weissenburg, grosse Aufmauerui 
wendig. Heber Geschichte und Kultur vergl. Jen Art. 

SlMMKNTIUL. 

81 M M ENTMAL (OBER). Zum Landesteii Oberland 
gehörender Amtsbezihk des Kantons Bern. 
Er bildet ein von N. nach S. gerichtetes Recht- 
et eck und grenzt im O. an die Aemter Nieder 
\ Sunmenthal und Frutigen, im S. an das 
ISBa Wallis, im W. an das Amt Saanen und im 
N. an den Kanton Freiburg. Die Grenze läuft 
vom Wildhom bis zum Wildslrubel auf eine 
Strecke von 15 km dem Zentrmlkamm der 
Alpen entlang, zieht sich von da über den Laweigrat 
und den Albrist nach dem Gsür, folgt den Spillgerten 
und dem Fromattgrat bis zum Niederhorn, quert das 
Hauptthal ö. der Simmenegg und steigt zum Schafar- 
nisen empor, um sich nun nach W. zu wenden und 
von der Kaiseregg nach S. umzubiegen. Von hier greift 
sie über die W. -Seite des Bruchberges in das oberste 
Gebiet des Jaunthales hinüber, folgt dem Jaunbach 
und überschreitet die Kette des Hundsrückens, 



und des TrülUisberges den Zentralkamm o. vom W'ild- 
horn der zu erreichen. Der Amtsbezirk umfasst das in die 
Querrichtung übergehende Hauptthal bis zu seinem ober- 
sten Ahschluss, sowie die Seitenthäler der Kleinen Simme, 
des Fermelbaches und des Iffigenbaches. Der höchste Punkt 
erreicht mit dem W. -Gipfel des Wildstrubel 3251 m, wäh- 
rend der tiefste Punkt durch die Simme bei Simmenegg 
(810 m) bezeichnet ist. Der Umfang des Gebietes beträgt 
31 950 ha, wovon 9100 ha unproduktiv. Die produktive 
Bodenfläche von 22850 ha verteilt sich wie 

Aecker und Gärten 137 

Wiesen und Hofstatten ... 5854 

Weiden und Alpen 1386t) 

Wald 2999 

Zusammen 22850 ha. 
Der Amtsbezirk umfasst die politischen Gemeinden Bol- 
tigen, Lenk, St. Stephan und Zweisimmen, welche zugleich 
auch Kirchgemeinden sind. 1716 Haushaltungen in 1506 
Häusern. 7156 Ew., wovon 6950 Reformierte und 205 
Katholiken. Französisch sprechen 42 und italienisch 183 Ew. 
22 Ew. auf) km 1 . Der Sitz der Amtsbehorden befindet aich 
im Schlosse Blankenburg (2 km s. Zweisimmen). Se- 
kundärschulen in Boll igen und Zweisimmen. Kranken- 
haus in Zweisimmen. Wie im Nieder Simmenthai ist 
auch im Ober Simmenthai die Viehzucht von grosser 
und immer noch sich steigernder Bedeutung. Den Mittel- 
punkt des Viehhandels mit stark besuchten Märkten bildet 
Zweisimmen. Die Viehstatistik ergibt: 

iss« 1«« 1901 

Rindvieh ... 9636 9454 9133 
Pferde .... 212 211 '224 

Schweine ... 1466 1324 1237 
Schafe .... 3361 2380 1488 
Ziegen .... 4300 1390 3394 
Bienenstöcke . . 626 781 753. 

Auf hoher Stufe steht die Bewirtschaftung der Alpen, für 
deren Verbesserung vieles getan wird Die bedeutendsten 
sind Iffigen, Räzliberg, Ritz in der Lenk, Matten bergli in 
St. Stephan ; Rinderberg, Meienberg und Hohlass in Zwei 



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SIM 



SIM 



559 



Bimmen ; Bruch, Reidigen. Lucheren und Bäder bei Bol- 
tigcn. Die Alpslatistik ergibt folgende Ziffern 
Zahl dar Hariieo 

tatall 



Gemeinden 



Boltigen . . 
Link . . . 
St. Stephan . 
Zweiaimmen 



Alpen 

53 
78 
61 
87 



ha 

5838 

6645 
3623 

<i021 



Kubrechte 

2681 
2914 
1736 

:mo 



KapiUlwsrl 

de« Waide- 
gebiete» 

Fr. 

1809 860 
1731225 
1009475 
1878 100 



Total 279 22127 10471 6 278650 

Zusammen mit Wald 6821400. 
Bei dem beträchlichen Waldbestand ist die Holzindustrie 
von einiger Wichtigkeit, Hin grosse« Holz- und Üaugeschäft 
in St. Stephan und Zweisimmen beschäftigt im Sommer 
bis gegen 120 Arbeiter. Von gewisser Bedeutung ist der 
Fremdenverkehr, dessen Mittelpunkte Zweisimmen und 
das durch seine Heilquellen bekannte Lenk bilden, das zu- 
gleich als alpines Standquartier aufgesucht wird. Klub- 
nütten linden sich zwei, die eine am Weisshorn für die 
Besteigung des |Wildstrubel und die andere im Hinter- 
grund des Iffigenlhales für die Besteigung des Wildhoras. 
Als Verkehrsmittel sind zu nennen die grosse Thalstrasse 
bis Lenk, von welcher bei Boltigen die Poatatrasse über 
den Bruchberg-nach Bulle und bei Zweisimmen 
diejenige über die Saanenmooser nach Saanen 
abzweigt. Alpenpässe für den Fusseangerverkehr 
sind die Saumpfade von Lenk über den Bawil 
nach Sitten, über das Hahnenmoos nach Adel- 
boden und über den Trüttlisberg nach Lauenen. 
1902 ist die Eisenbahn von Erlenbach bis Zwei- 
simmen fortgesetzt worden und hat seit 1905 
ihren völligen Ausbau mit der elektrischen Mon- 
treux-Oberlandbahn erhalten, welche Zweiaim- 
men über Montbovon mit Montreux und Bulle 
verbindet. Der Bau dieser Linien machte 
betrachtliche Kunstbauten notwendig, so Auf- 
mauerungen bei PfalTenried, die Viadukte bei 
der Garstatt und der Laubegg, sowie den Kehr- 
tunnel bei Moosbach oberhalb Zweisimmen. 
Projektiert wird eine Verbindungsbahn Zwei Kim- 
men- Lenk. Leber Geschichte und Kultur vergl. 
den Art. Simxemthal. 

•IM MI (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Tog- 
genburg und Werdenberg). 1200-443 m. 12 km 
langer Bach j entspringt dem am Fuaa des 
Gulmenwaldes gelegenen kleinen Schonenho- 
densce, umzieht den die Buine der Wilden- 
burg tragenden Felskopf und vereinigt sich mit 
einein am Fuss der Felswände des Schafberges 
entspringenden zweiten Quellarm, um von da an ein enges 
Thal zu durchmessen, dessen Nordhang die Strasse aus 
dem Toggenburg über Wildhaus ins st. gallische Hheinlhal 
folgt und in welchem zwei Sägen liegen. Südl. Garns quert 
dieSimme das Hheinlhal, geht dann unter der Eisenbahn- 
linie durch und mündet unterhalb Hag von links in den 
Werdenberger Binnenkanal. Das Einzugsgebiet misst 
36,3 km*. Aeusserste Hochwasser etwa 70 m 3 in der Se- 
kunde. Zwischen Schutzgonten und Tiefenbrunnen ist die 
Simmi durch 26 Thalsperren und andere Arbeilen ver- 
baut worden. Für sämtliche Verbauungen an der Simmi 
und dem Felsbarh. ihrem beträchtlichsten Zulluss, hat 
man etwa 950 000 Fr. ausgegeben. 

8IMMI (Kt. St. Gallen, Bez. Werdenberg, Gem. Cama). 
550 m. 9 zerstreut selegene Hauser. über der wildromanti- 
schen Mündungsschlucht der von hier bis zum Werden- 
berger Binnenkanal verbauten Simmi; 1,5 km s. Garns 
und 3.5 km w. der Station (iams-llag der Linie Borschach- 
Sargans. 50 kathol. Ew. Kirchgemeinde Garns. Obstbau 
und Viehzucht. 

• IMNEN (Kt. Bern, Amtsbez. Saanen). 1500 m. Alp- 
weide am S.-Ilang des Hundsrückena und an der Quelle 
des Simnenbaches, der eine der Quelladern der Kleinen 
Simme darstellt. 

SiMNENQRtBEN {Kt. Bern, Amtsbez. und Gem. 
Saanen). 1560-1260 m. Von N. her auf die Saanenmooser 
ausmündendes kleines Thal mit schönen Alpweiden ; 
zwischen dem Hugeligrat (1902 m) und der Wannenegg 
(1943 m), zwei südl. Ausläufern des Hundsrückens. Wird 
vom Fussweg Schonried-Abläntschen durchzogen. 



• IMONAZ (Kt. Waadt, Bez. Lavaux, Gem. Puidoux). 
649 m. Zwei Häuser auf einem Rücken zwischen dem 
steilen Gehänge von Dezaley einerseits und der kleinen 
Ebene von Vernay andrerseits. 1,6 km wnw. Chexbres 
und 1 km sw. der Station Chexhres-Puidoux der Linie 
Bern-Lausanne. 12 reform. Ew. Kirchgemeinde Chexbres. 
Gasthof (Hotel du Signal de Chexbres genannt). Schöne 
Aussicht auf Genfersee und Alpen. 

SIMOUO (DENT DK) (Kt. Wallia. Bez. Conthey). 
2150 m. Südost). Vorberg der Pointe de Chemoz (2625 m). 
Kann von Ovronnaz über Leytron in 2';, Stunden leicht 
erstiegen werden. Beschränkte Aussicht. Malmkalk mit 
Kieselknollen. 

SIMPELN, franzos. Simplon und ilalien. Sempionk 
(Kt. Wallis. Bez. ßrig). 1480 m. Gem. und PrarrdoK an 
der Simplonstrasse. Am rechten Ufer des Krummbaches 
(oder der Diveria) und an der S.-Flanke des Simnlon- 
passes. 8 km s. der Passhöhe und 15 km so. Brig. Mitten 
auf grünem Wiesenplan am Fuss eines Ausläufers des 
Fletschhorns (4001 m) gelegen. Postbureau. Telegraph: 
Postwagenverbindung mit Brig einerseits und Iselleandrer- 
seils. Gemeinde, mit dem Weiler Gstaig oder Algaby und 
dem Simplonhospiz: 66 Häuser. .'157 kathol. Ew. deutscher 
Zunge ; Dorf: 52 Häuser, 278 Ew. Jedermann spricht hier 




Dorf Simpeln von Nordwenten. 

die drei Sprachen deutsch, französisch und italienisch. 
Zwei Gasthofe. Viehzucht und Käsehandel. Fremdenver- 
kehr. Sommerfrische. Standquartier für zahlreicheTouren 
und Exkursionen (Monte Leone. Laquinhorn, Weiasmies, 
Zwischbergenpass etc.). Eigene Pfarrei seit 1267, deren 
Kollatur zuerst den Herren von Aoata und dann denjenigen 
von Ornavassozustand. Ferner waren hieran derS. -Flanke 
des Simplon auch noch die Grafen von Morel begütert, 
die ihren Besitz 1257 zum Teil an die de Caslello abtraten, 
von denen er spater durch Erbschaft an die Blandrate 
aus Visp überging. Das Meieramt stand den Edlen von 
Simpeln zu. die in diesem Dorf einen festen Turm, den 
sog. Lombarden türm, bewohnten. Dieser kam 1545 in 
Privatbesitz und diente später als Sitz der Gemeinde- 
behörden. Der vor wenigen Jahren eingestürzte Bau ist 
seither durch ein neues Gemeindehaus in modernem 
Slil ersetzt worden. Seit dem 13. Jahrhundert bestand 
im Dorfe Simpeln vor der Kirche eine Zollstätte für die 
den Berg passierenden Güter. 1235: Simplon. 

simplon (Kt. Wallia. Bez. Brig). 2010m. Bedeuten- 
der Alpenpass mit Kunslstrasse und Hospiz, zwischen 
den Massiven des Monte Leone und des Fletschhorns. 
Er verbindet Brig im Walliser Rhonelhal mit der italie- 
nischen Sladt Domodossola in der Provinz Novara. Seine 
Entstehung verdankt der Paaaeinschnitl des Simplon dem 
eigenartigen tektonischen Bau jenes Abschnittes der 
Walliaeralpen. Das Vorhandensein von dynamometa- 
morphen Juraschiefern und Triaadolomiten ringa um die 
im Hübschhorn in die Höhe steigende Gneisfalte des Monte 
Leone hat eine beträchtliche Erniedrigung desGebirges zur 



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560 



SIM 



SIM 



Folge gehabt. Es iat namentlich die das Hübschhorn vom 
Maderhorn Ina zum Schirmhaus VII umrahmende Zone von 




Him|iIunRlrasie mit Berisal, Bortolburn und Furggenbaumhorn 



Glanzschiefern, die der Erosion einen wenig widerstands- 
fähigen Angriffspunkt bot. so da 88 die zuerst nur schmale 
Scharte durch die Gletscher allmählig erweitert und noch 
tiefer hinunter eingeschnitten werden konnte. Die ganze 
ScheiteWäche des Simplonpasses zeigt mit ihren hund- 
höckern, Furchen, .Glctschertichliffen etc. olTcnkundige 
Spuren der Glazialerosion. Am Fusse des Schienhorns liegt 
etwa ein Dutzend kleiner Seen, deren Becken im anstehen- 
den Fels ausgekolkt sind und der glazialen Erosion ihre Ent- 
stehung verdanken. Andere solcher Seen sind bereits vcr- 
torft. Die Lagerung der Gesteinsschichten an der Stelle 
des Simplonpasses nat auch zur Folge, dass der Gneis des 
Monte Leone sich w. vom liübschhorn vollständig in der 
Tiefe verliert. Der Pass liegt in kristallinen Schie- 
fern und schiefrigen Gneisen, denen sich am ((.-Hang 
des Schienhorns Kalkschiefer, Forlsetzung derjenigen des 
Ganterthaies, auflagern. Auch der den Gipfel des Schien- 
horns aufbauende Gneis gehört nicht mehr zum Leone- 
gneia, sondern ebenfalls zur Zone des Ganterthaies. 
Nähere Aufschlüsse über diesen geologischen 
Hau gibt der Art. Münte Leone dieses Lexi- 
kons. [Plllf. D'. II. SCHARUT.] 

Den SimplonpHHs überschreitet eine 63 km lun^e 
Strasse, die ehemals von Glia ausging, ihren An- 
fang aber heute am Bahnhof Brig (681 m nimmt. 
Sie ist bis zur Retriebseröffming des Simplontun- 
nels im Juni 1906 während des ganzen Jahres von 
der eidgenössischen Post befahren und von zahllo- 
sen Beisenden überschritten worden. Der Fuss- 
gänger, deraich der Abkürzungen bedient, braucht 
von Brig bis zum Hospiz auf der Passhöhe 6. von 
da bis zum Dorf Simpeln 2 und weiterhin nach 
Domodossola hinunter noch 6 Stunden, im ganzen 
also 14 Stunden. Da der Simplon gleich dem Gros- 
sen St. Bernhard auch mitten im Winter sozusagen 
jeden Tag begangen wird, sorgt der Bund dafür, 
die Strasse jederzeit geöffnet zu halten. Kine der 
grössten Gefahren bilden im Winter die La- 
winen, welche die Strasse oft vollständig ver- 
schütten und das Leben der Reisenden Dedro- 
hen. Mit Bezug auf landschaftliche Schönheit, 
Grossartigkeit und Abwechslung übertrifft die 
Simplonstrasse alle übrigen Alpen.strassen, mit 
denen sie sich auch an Kühnheit der Anlage wohl 
zu messen vermag, obwohl sie zusammen mit dem 
Lukmanier den niedrigsten Alpenübergang von 
der Schweiz nach Italien darstellt und zugleich die zeit- 
lich erste fahrbare Strasse ist, die die Nordflanke der 
Alpen mit deren Südllanke verbindet. Seit Eröffnung der 
bahn hat der Sommerverkehr sowohl von seilen der 



Touristen als auch von den italienischen Arbeitern, 
denen die Fusswanderung billiger als eine Bahnfahrt tu 
stehen kommt, nicht im mindesten abgenom- 
men. 

Der von Brig kommende Reisende gewann 
die Simplonstrasse früher in Glis, wo sie sich 
in 756 m Höhe an die über die Faucille 
heranführende Thalslrasse anschloss, um so- 
fort auf der 27 m langen, hölzernen Napo- 
leonsbrücke (Pont de Napoleon), die nun völlig 
zerfallen und 1886 durch eine Eisenkonstruk- 
tion ersetzt worden ist, die vom Monte Leone 
herabkommende und zur Zeit der Schnee- 
schmelze ihre Schlucht fast bis zum Rande 
füllende, ungestüme Saltine zu überschreiten. 
Vor Jahrhunderlen soll in der Nähe der Brücke 
an der vom Volksmund heute noch «in den 
Höllenen > genannten Stelle ein längst ver- 
schwundenes Sehloss gestanden liaben. Heute 
bleibt man von Brig an auf dem rechten Ufer 
der Saltine und erreicht die auf Napoleon* 
Befehl erbaute Strasse erst etwas oberhalb der 
Brücke. Nun zieht die Strasse durch die mit 
Häusern und Hütten übersäten Wiesen von 
Brigerberg in weitem Bogen gegen U., um von 
dem über dem Weiler Lingwurm stehenden, 
nun abgebrochenen Schirmnaus 1 an nach VV. 
sich zu wenden und bis zur Kapelle « In der 
Bleiken » den prächtigen Brandwald zu durch- 
ziehen. Es folgt ein von der tief unten brau- 
senden Saltine durchscliluchteter Engpass, an dessen 
Ausgang sich das Schirmhaus II i Schallberg oder Auberge 
del Monte Leone ; 1321 m) beiludet. Weiterhin lässt man 
das Nesselthal und das Thalchen von Les Taverneties oder 
Tafernen, in dem der alte Weg sich heraufwand, süd- 
wärts liegen, um nahezu ebenen Fusses dem rechten 
Ufer der halline zu folgen, dann den Fluss in 1407 m auf 
der einbogigen hölzernen Ganterbrücke (20 m lang und 
23.5 m hoch) zu überschreiten und mit zwei Kehren 
den Weiler iierisal ilä26 m) mit dem Schirmhaus III (zu- 
gleich Posthaus) zu erreichen. Berisal ist heute ein gut 
besuchter Luftkurort und belieble Sommerfrische. Die 
Strasse wendet sich von hier neuerdings gegen SW.. 
steigt durch den aus Lärchen bestehenden HotwaM 
bergan und durchsticht jenseits des Schirmhauses IV 
(17ol m). wo sich das Fletschhorn mit dem Rossbodenglet- 
scher zeigt, mit der Mi m langen Schalbetgallerie oder 
dem Kaptloch tauch Caploch geneissen) einen Felssporn. 
Wenig hinter dem Schirmhaus V (1U35 inj passiert mau 




Simptonitratt« : Kallvattergallerie. 

die drei Kaltwassergallerien — Galerie de la" Cascade. 
Vieille Galerie (50 m lang) und Galerie de Saint Joseph 
(130 m lang) — , die über oder unter den vom Kalt- 
wasserglelscher herabkommenden Wildbächen hinführen. 



t Google 



SIM 



SIM 



r.61 



Bald nachher sind das 1903 durch eine Lawine ver- 
schüttete Schirmhaus VI (Befuge de la Barriere ge- 
nannt; 1993 n) und das seit kurzem erstandene Hotel 
Simplon Kulm erreicht, von wo man in- wenigen 
Minuten zum Pasnscheitel (2010 m) gelangt. Einzig 
grossartig und überwältigend ist hier die Hundsicht. 
Gegen N. umschliesst den Horizont in weitem, reichem 
Kranze die blendende Kette der Berneraipen mit ihren 
lahllosen Gletschern und ftrnbedecklen Zinnen. Unter 
allen imponiert das Aletschhorn und der wie eine Biesen- 
schlange in langen Windungen sich krümmende Grosse 
Aletschgletscher. Zu unsern Füssen, in blauen Duft 
gehüllt, verlieren sich die Schluchten, durch die wir 
heraufgestiegen sind. Gegen U. tauchen hinter den Wan- 
den des Hübschhorns die drei vergletscherten Spitzen 
des Monte Leone-Massivs hervor, und im W, zieht sich 
vom (ilishorn her eine Gebirgskette über das Krzhorn, 
Faulhorn, Schienhorn, Mayenhorn. Sirwoltenhorn und 
Hauthorn zur Gruppe der Fletschhorner ( Bo&shodenhorn, 
l.aquinhorn und Weissmiesi empor. Gegen S. öirnet sich 
ein weites Hochplateau, überdeckt mit reichen Matten; 
der Iii er sanfte Krummbach schlingt sich durch deren Mitte, 



sog. Alle Kaserne ; 1 171 m ) und dann der über die Doveria 
(oder Diveria) gespannte «Ponte Alto», eine kühne Stein- 
brücke. Deidein «Casermelta* genannten Schirmhaus IX 
(1071 m) setzt man mit dem Pont de la Caeerne wieder 
auf das linke Hoveriauferüber und durchschreitet die •220 m 
lange und je 8 m hohe und breite Gallerie von Gondo. 
über deren ersten OelTnung die Inschrift Acre Italo 
MDCCCV. S<tp. hup. in den Stein gehauen ist. Gegen- 
über einer am alten Weg liegenden Befestigungsanlage 

, führt die Strasse mit einer Brücke über den wild herab- 
stürmenden Alpienbach (oder Fressinone) und erreicht 
dann den Weiler Gondo oder Buden (857 m ; 42 km 
von Brig entfernt) mit dem achtstöckigen Stocka! perturm 
(Schirmhaus X). sowie kurz nachher nahe der Kapelle 
San Marco i'802 m) die durch eine Granitsäule markierte 
italienische Grenze. Jenseits des Weilersund der Gallerie 
Paglino zieht die Strasse durch das italienische Horf Iselle 
(657 m; 40,0 km von Brig entfernt), die erste Station der 
Simplonhnhn an der Südflanke der Alpen, wo sie über 
den Hichtungsslollen des Tunnels geht und am italie- 
nischen EingangdesSimplontunnels vorbeiführt. Nachdem 

I man das heule von Arheiterhäusern umrahmte Sclurm- 



Simplonatra««« und M»»»iv dos Munt« [.oodo,'.v<>d Stald*n (1990 m| her genauso. 



und zahlreiche Büsche von Alpenrosen bedecken die 
Halden und Hundhöcker inmitten einer reichen Alpen- 
llora. Ein riesiges Gebirge, in vollendet edler Formen- 
schönheit, überragt das idyllische Weideland: das Massiv 
der Fletschhorner. Mächtige Gletscher, in ihrem Sturze 
gefrornen Wasserfällen gleichend, hängen von ihnen 
herab und verbreiten ein Meer von Licht und Schimmer, 
die unser ungewohntes Auge nicht lange zu ertragen ver- 
mag. 23.9 km von lirig entfernt steht das Simplonhospiz 
(2001 m), von dem aus die Strasse am rechtsseitigen Ge- 
hänge eines frischgrunen Thälchens herniedersteigt, in 
dessen Grund man das am allen Weg stehende ehemalige 
llostiiz. den Stockalperschen Allen Spital 1 1872 m), er- 
blickt. In dessen Nähe sind von Paler liarral i Immen- 
see) ausgedehnte Gebäulichkeiten angelegt worden, die 
nun leer stehen. Nachdem man einen Felsvorsprung Um- 
schriften, hinter dem sich das Schirmhaus VII ( Kngeloch 
genannt; 1795 m) birgt, ubersch reitet man in 1017 in den 
Krummbach und erreicht kurz hinter dem Weiler Eggen 
die Ueberreste der im März 1901 vom Hossbodenyletsclier 
hcrabgekommenen mächtigen Eis- und Schneelawine, wo- 
rauf bald das Dorf Simpeln 1 1479 m) folgt, das 32,4 km von 
Brig und 11,2 km von der Landesgrenze gegen Italien ent- 
fernt liegt. I'nterhalb Simpeln beschreibt die Strasse im 
tiefern Abschnitt des Lai|iiinthaleseine grosse Schlinge und 
erreicht dann den Weiler Gsteig oder Algaby i Schirmhaus 
VIII ; 1232 m). wo sich Krumm- und l.aqtiinhach zur 
Doveria vereinigen und hinter welchem die 5 km lange, 
prachtvolle und grossarlige Schlucht von Gondo beginnt, 
deren stellenweise nahezu senkrecht aufstrebenden Fels- 
wände vielfach 700 bis 900 m Höhe erreichen. Auf die 
Gallerie von Algaby folgt bald ein verfallenes Gebäude (die 



haus XI hinter und das Hon Varzo auf der Hohe über 
■ich gelassen, überschreitet man auf dem Ponte Boldrini 
(500 m l die Gairasca. Während die Eisenbahn neben dem 
Weiler Galibiu auf dein rechten Ufer der Doveria durch- 
geht, bleibt die Strasse links vom Fluss, bis auch sie ihn 
mit der aus weissem Marmor erbauten berühmten Brücke 
von Crevola {4,5 km oberhalb Domodossola) überschreitet. 

Diese in ihrem Verlauf soeben kurz skizzierte Simplon- 
Strasse ist als Militarstrasse auf Befehl Napoleons erbaut 
worden, der seine Absicht, den Simplon mit einer stra- 
tegischen Strasse zu uberziehen, zum erstenmal in einem 
. vom 14. Mai 1797 datierten Happort an das Direktorium 
I kund gibt. Er schreibt darin aus seinem Gene ralquarlier 
in Mailand, dass er mit dem Wallis Unterhandlungen 
angeknüpft habe, um im Namen Frankreichs und der 
Zisalpinischen Hepublik einen Vertrag abzuschliesscn zu 
dem Zwecke, den französischen Truppen den Durchzug 
vomGcnfersee durch das Bhonethal bis zum Langensce zu 
sichern, wobei er beifügt, dass er durch einen ausge- 
zeichneten Ingenieur einen Kostenvoranschlag für die 
zu diesem Zweck zu erbauende Strasse habe aufstellen 
lassen. Nachdem er erster Konsul geworden, beauftragte 
Napoleon am 17. üklober 1800 den in Genf niedergelasse- 
nen Chef-Ingenieur des Departement du Lthnan, Nicolas 
Ceard, mit der Oberleitung der Bauarbeilen, zu deren 
Ausführung er ihm zwei unter den Ingenieuren I -es cot 
und Duchenne stehende lngenieurbrigaden zuteilte. Am 
I 25. September 1805. d. h. wenige Wochen vor der 
Schlacht bei Austerlilz, konnte der Inspektor f.eard, der 
den Beginn der Bauarbeiten unter seiner Leitung vom 
25. Marz 1801 datiert, von Scsto Calende aus nach Paris 
berichten, dass der Simplon nun für Infanterie und 

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Kavallerie gangbar sei und in wenigen Tagen auch für 
den Uebergang von Artillerie bereit sein werde. Zugleich 




Simplonho<|iii und Kallwatserglelichar. 

mit der Strasse über den Paus im engern Sinne hatte 
man auch die Zugangsstrassen von Morel (im Jura) und 
Aruna {Italien) her erstellt. So war z. H. von der Tour 
Hönde am savoyischen Ufer des Genfersecs bia Glis 
am Walliser Fuss des Simplon eine Strassenstrecke 
von 35,4 km Länge vollständig neu erstellt und eine 
solche von 117,9 km ausgebessert und korrigiert worden. 
Das Slrassenstück Glis- Domodossola kostete 7586102 Fr., 
von welcher Summe 4106837 Fr. auf Prankreich und 
3479465 Fr. auf die Zisalpinische Republik entfielen. Für 
den gesamten Strassenzug von der Tour Runde bis Arona, 
der uen Hau von (101 Brucken und Uebergängen, sowie 
von 525 m in den Fels gesprengten Gallerten notwendig 

femacht halte, heliefen sich die Kosten auf 9750U0Ö 
r. Die Breite der Simplonstrasse betragt 7,2-8,4 m 
und ihre durchschnittliche Steigung 3,5 °,„. Einige Ab- 
schnitte steigen freilich betrachtlich steiler an. erhöhen 
sich aber nirgends auf über 11 •tL Um vollkommen frei 
über diese für ihn -n wirblige Heerstrasse verfugen zu 
können, setzte es Napoleon durch, dasa das Wallis am 
12. Oktober 1810 zum franzosischen Departement du Sim- 
plon umgewandelt wurde. 

GeiK-hu-hllichrt. Dem Simplon sind in vergangener 
Zeit die verschiedensten Namen beigelegt worden : Sera- 
plun, Xemplun, Simpilion. Sempione, Sompano, Simpel- 
berg. Sütnpeler, Mona Sempronius. Sripionia Möns, Bri- 
gerberg. Möns Brigae und sogar Saint Plomb! Der Pass 
ist möglicherweise von den Anwohnern der beidseitigen 
Flanken schon vor der Homerzeit begangen worden, wo- 
rauf die IKK) in Glis aufgedeckten Gräber aus der Steinzeit 
und die in der Umgebung von Rrig zu wiederholten Ma- 
len entdeckten Beate aus der Bronze- und Eisenzeit hin- 
weisen dürften. Da also die N. -Flanke des Simplon schon 
in vorhistorischer Zeit besiedelt gewesen ist. erscheint ea 
durchaus natürlich, dass diese Leute, die Viberer, mit 
ihren Nachbarn jenseits des Gebirges, den Lepontiern, 
in Verkehr traten. Milder Hömerherrschaft. die zur Zeit 
des Augustus die alten Volkerstämme des Hhonethales aus 
ihren Stammsitzen vertrieb, beginnt ein zweiter, weniger 
unsicherer Abschnitt in der Geschichte des Passweges. 
Man hat bei Vogogna im Val d'üssola eine in den Fels 
gehauene Inschrift entdeckt, nach welcher unter 
dem Konsulat des (*.. Domilius Oester und des Ti. 
Manlius Fuscus auf Befehl des Vennstus Condianua, 
Statthalters der Provinz der Alpes Airactianae. von M. 
Valerius Optatusund Cajus Valerius Thaies ein Weg über 
den Berg gezogen worden ist, dessen Erstellung die Summe 
von 13600 Sesterzcn gekostet habe. Diese Angaben lassen 
uns den Zeitpunkt des Wegebaues ums Jahr 195 n. Chr. 
festsetzen. Angesichts der lächerlich geringen Summe 



von 13600 Sesterzen (zu etwas mehr als 10 Rappen nach 
heutigem Gelde) und der kurzen Zeit, in welcher der 
Bau vollendet gewesen sein muss, schliesst 
man, das* es sich dabei keineswegs etwa 
um eine Via publica oder Heerstrasse, son- 
dern um einen einfachen Pfad gehandelt habe. 
Die grosse römische Heerstrasse war eben 
damals der Grosse St. Bernhard. Dabei nahm 
dieser Homerweg über den Simplon einen 
ganz andern Verlauf als die spätere mittelalter- 
liche Strasse. Zwischen dem Kugeloch (heu- 
tiges Schutzhaus VII) und Varzo vermied er die 
Schluchten der Doveria und blieb auf den 
Höhen links über diesem Fluss. Von Varzo 
an ging er über Trasquera und dann mit starker 
Steigung in der Hichtung gegen Alpien. Aul 
der Walliserseite folgte der Pfad den Gehan- 
gen des Alpienthales am Kellenhorn, um dann 
über Gorevetsch und Piannezza zu ziehen. 
Das kleine Plateau von Geschera oder Keschern 
Iiiesa noch im Jahre 1523 Planum Gasteilum 
i Kastell-Kbene), weil hier nach Hömersitte 
ein die Strasse sicherndes Kastell vorhanden 
war. Von hier an ging es über Wengen, 
Kellenhorn, Kastellberg und Kesaikumme am 
Fuss des Glalthorns vorbei und weiterhin über 
Hohmatten bis zum Engeloch, von wo an bis 
Brig das Tracö mit dem spätem Weg zu- 
sammenfiel. Die Verbindung Alpien-Kessi- 
kumme am Fuss des Kellenhorm vorbei ist 
noch jetzt begangen und unter dem Namen * Hockspfad » 
bekannt. Dass der Weg über den Simplon zur Kömerzeit 
nicht als ileerweg. sondern als blosse Handelsverhindting 
gedient hat, zeigt auch ein in Sitten aufgefundener Mei- 
lenstein aus der Mitte des .1. Jahrhunderts, der die In- 
schrift Leuga XVII trägt und damit die genaue Kntfer- 
nung von dieser Stadt bis auf die Passhöhe angibt. Der 
Ausdruck « Leuga • als Angabe der Distanzen aber fand 
bloss bei Handelswegen, nicht dagegen bei Heerstrassen 
Verwendung, welch letztere in « milia » eingeteilt waren. 
Der Untergang des romischen Reiches im 5. Jahrhundert 
unterbrach den nun einmal bestehenden Verkehr über 
den Simplon nicht mehr. Es ist wahrscheinlich, dass die 




All»r Battal uotar dar Passhohe da« Simplon. 

Harbaren auf ihren Wanderungen und Kriegszngen diesen 
Weg mehrfach benutzt haben. So zogen z. B. die Burgunder 
unter ihrem König Gundobald 489 über den Simplon nach 



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Italien, wie auch ein Jahrhundert später die Longobarden 
aus der oberitalienischen Ebene her mehr als einmal über 




Qoodoieblachl um! Brock« der Sit 
Alpieubsi-h. 



ipliiottraiM Ober den 



den Berg »liegen. «um das Hhonelhal zu verheeren und zu 
brandschatzen. Die am Simplon aufgefundenen Münzen 
aus der Zeit der letzten Karolinger acheinen ferner dar- 
zutun, das* auch Pilger und Kaulleute diesen Weg nicht 
»eilen benutzt haben. 

Üer Name Simplon erscheint zugleich mit der Er- 
wähnung eines Hospize» urkundlich zum erstenmal im 
Jahr 1235. Zu dieser Zeit begannen die Grafen vonSavnyen, 
die bereits das Unter Wallis besassen, das Hhonelhal auf- 
wärts zu slossen, um auch im Ober Wallis, das unter 
der Herrschaft der Bischöfe von Sitten stand, festen Fuss 
zu fassen, was zu blutigen Zwisten Veranlassung gab. 
Unter diesen Umstanden sahen sich die Uber Walliser ge- 
nötigt, ihr Salz, den Wein etc. jenseits der Alpen in den 
Thalern der Tosa und des Tessin zu holen, da ihnen 
■las unter »avoyischer Herrschaft stehende untere 
Wallissamt dem Waadtland verschlossen war. So 
entstanden allmahlig engere Handelsbeziehungen 
zwischen der N.- und der S. -Hanke der Walliser- 
•Jpes, Als die italienischen Markte nach den 
Kreuzzugen immer grossere Bedeutung bekamen, 
nahm auch der Warenverkehr über den Simplon 
stetig zu. Üie Bischöfe von Silten hatten mit der 
ihnen »»» verliehenen Gaugr.il.n wurde zugleich 
die Verpflichtung übernommen, über den Zustand 
der Wege und Strassen und die Sicherheit von 
Beisenden wie Waren zu wachen, weshalb sie auch 
den l'ebergang über den Simplon zu verbessern 
suchten. Zu diesem Zwecke schlössen sie x. B. 
1267. 127*2 und I2»1 mit den Kaufinannsgilden 
von Mailand Verträge, die bis ins 14. Jahrhundert 
in Kraft standen. Die von'llahen herkommenden 
Kaufleute befanden sich von der Walliser Grenze 
an bis nach Lea Ültans bei Martinach auf bi- 
schöflichem Boden, wo am Simplon. sowie in 
Brig. Leuk, Gradetsch und Sitten Susten und Zoll- 
statten eingerichtet waren. Vom 15. Jahrhunderl 
an wandte sich aber der Verkehr nach und nach 
vom Simplon ab, da inzwischen andere Verkehrs- 
wege über die Alpen entstanden waren und die 
beständigen Händel der Uber Walliser mit den Leu- 
ten des Eschen thales ( Domodossola ) den Waren und 
Beisenden jegliche Sicherheit nahmen. Von bedeu- 



tenden Persönlichkeiten, die im Mittelalter über den 
Simplon zogen, sind zu nennen der Erzbischof Ütto 
von Bouen (Winter 1254), Papst Gregor X. (Oktober 
1275, auf dem Bückweg von Lausanne her) und Kai- 
ser Karl IV. (1391). Nachdem die politischen Verhält- 
nisse sich im 17. Jahrhundert wieder günstiger gestaltet 
hatten, nahm auch der Verkehr über den Simplon einen 
neuen Aufschwung, den er besonders den ausdauernden 
Bemühungen des Grafen Kaspar von Stockalper, des 1691 
gestorbenen Wohltäters von Brig, zu verdanken hat. Er 
war es, der das alte Hospiz der Maltesernlter durch den 
sog. Stockalperschen Spital ersetzte und auch das Burger- 
spital zu Brig stiftete. Aus jener Zeit stammt wohl auch 
die Anlage des Saumpfades, der über das Dorf Simpeln, 
Algaby und von da dem rechten 1,'fer des Krummbaches 
(wo ein verfallenes Schirmhaus steht) entlang über die 
später angelegte Thalsperre (gegenüber der Gallen.- von 
Gondo) und dann über eine Brücke nach Gondo auf die 
linke Thalseile führte. Neben Stockalper gebührt das Ver- 
dienst, den Simplonverkehr gehoben zu haben, noch der 
Zunft der Ballenfuhrer, die um die Mitte des 17. Jahr- 
hunderts 212 Mitglieder zahlte und sich bemühte, den 
Weg in gutem Zustand zu erhalten und über die Sicher- 
heit der Reisenden zu wachen, so dasa man damals den 
Berg selbst im Winter überschritt. Die Verkehrszunahme 
kam in erster Linie der Stadt Brig zu gute, die damals 
eine ausserordentliche Blute erlebte und die stattlichen 
Bauten erstehen sah. die sie heute noch schmücken. 
Diese Periode lebhaften Verkehrs sollte aber nicht von 
langer Dauer sein, da der internationale Tranail bald 
andere Wege einschlug und den Simplon seitwärts liegen 
liess. Da brach mit dem Dekret, durch welches Napoleon 
den Bau der heutigen Simplonstrasse, von der wir be- 
reits gesprochen, anordnet«, eine neue Zeit an. 1813 und 
1814 war der Simplon mehrfach der Schauplatz heftiger 
Kämpfe zwischen Franzosen und (»esterreichern, und 1815 
drangen auf diesem Weg an die HO (MX) Oesterreicher aus 
dem Val d'Ossola her ina Wallis ein. Nach Napoleons 
Sturz wurde der Simplon faat ausschliesslich neuerdings 
zur Handelsstraase, der dann die der Beihe nach ent- 
stehenden Strassen über den SU Bernhardin, Splügen, 
Julier und Gotthard einen Teil, des Verkehrs entzogen. 
Dagegen blieb der Personenverkehr bedeutend, was aus 
folgenden Angaben über die von der eidgenössischen 
Post über den Berg beförderten Beisenden zur Genügo 
hervorgeht 

Jahr IWreiMiido Jabr P.ulroieeode 

1851 11574 1880 12752 

1861 15328 I8UÜ 8184 

1868 22 42» l»0O 10722 

1870 2367» Itmü 13258. 




St Joiephigallarie der SlmploDklra»« ibeim Schirmbaus VI). 

Ein regelmässiger Postdienst über den Simplon be- 
stand schon lange Zeit vor der Uebernahuie des Post- 
wesens durch den Bund. Seit 1640 ging von Genf jede 



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Woche ein Postkurier ab, der sich in 8 Tagen von da I 
über Sitten und den Simplon nach Mailand begab. 1098 
erhielten die Bruder FiBcher aus Bern das Monopol des 
Posldieosles Genf-Mailand auf Walliser Boden. Dafür be- 
zahlten sie dem Staat keinerlei Abgabe, mussten sich 
aber verpflichten, alle Briefe der Regierung und alle 
im Wallis aufgegebenen und nach diesem Kanton selbst 
bestimmten Briefe frei zu befördern. Taxpflichtig waren 
einzig auswärts aufgegebene Briefe und auch dies nur 
für die Beförderung ausserhalb des Kantonsgebietes. Die 
Verträge von Turin (1744). Mailand (1768) und Genua 
(17691 regelten die Postbeziehungen zwischen der Schweiz, 
Italien und Frankreich. Darnach erhielten die Fischer- 
sehen Kuriere freien Durchgang durch Piemont und das 
obere novaresische Gebiet und wurden direkte Verbindun- 
gen zwischen der französischen und mailändischen Post- 
verwaltung durch Vermittlung des Fiscner'schen Unter- 
nehmens geschaffen. Dieses Postmonopol der Familie 
Fischer dauerte bis 1802, in welchem Jahr die Walliser 
Brierpost an eine aus drei angesehenen Walliser Bürgern 
bestehende Gesellschaft überging, die sie aber schon 1805 
an die Postverwaltung der Waadt abtrat. 1808 richtete 
man einen fahrplanmäßigen Postwagenverkehr ein, der 
zunächst von einer Privatgesellschaft übernommen wurde 
und dann 1818 ebenfalls an die Waadtländer Postregie 
kam. Als Beispiel für die damaligen Verbindungen möge 
angeführt werden, dass im Jahr 1830 eine 5 plätzige Dili- 
gence wöchentlich dreimal je Abends 8 Uhr von Lausanne 
nach dem Wallis und über den Simplon nach Italien ab- 
ging. Sie kam je am folgenden Abend um 8 Uhr. also 
nach 24 stündiger Fahrt, in Brig an, von wo sie um 3 Uhr 
morgens nach Domodossola weiterfuhr. 1830 übernahm 
der Kanton Wallis dag gesamte Postwesen selbst, bis es 
dann 1849 an den Bund überging. Durch die am 1. Juni 
1900 erfolgte Eröffnung des EisenbahnbctriebeadcrStrecke 
Brig- Domodossola durch den Simplontunnel wurde die 
Postwagenverbindung über den Simplonpass, die bisher 
mit allen erforderlichen Mitteln ausgerüstet war, um den 
Anforderungen des gewalligen Verkehrs über diese inter- 
nationale Alpenstrasse Sommer und Winter entspre- 
chen zu können, nach einer Betriebsdauer von mehr 
als einem halben Jahrhundert entbehrlich. Während des 
Winters ist der durchgehende Postwagendienst über 
den Simplon nunmehr ganzlich eingestellt, und es bleibt 
der Poslkursbetrieh auf die Strecken Iselle-Simpeln 
Dorf und Brig-Theimen beschrankt. Es hat dies zur 
Folge, dass der gesamte Post- und Warenverkehr der 
schweizerischen Ortschaften Gondo und Simpeln im 
Winter über italienisches Gebiet geleitet werden muss. 
Doch verlangen deren Bewohner dringend eine direkte 
Verbindung über den Simplonpass mit dem Hhonethal. 
In der Zeit vom 15. Juni bis 15. September verkehrt 
einmal täglich in jeder Richtung je ein vierplälziger 
Wagen zwischen ßrig-Simplon Hospiz und zwischen 
lselle-Simplon Hospiz. 

Stmplonhospise. Das erste im Mittelalter ausdrücklich 
genannte Hospiz auf dem Simplon ist dasjenige der Mal- 
teserritter, das 1235 gestiftet wurde und zu gleicher Zeit 
unter dem Ordensmutierhaus von Salgescn oder Sal- 
quenen wie unter der Komthurei Conllans (Albertville) 
in Savoyen stand. Seine letzten Ueberresle sind auf der I 
Spitalmalle heute noch zu erkennen. Es erhielt zahlreiche | 
den verpflegten Reisenden zu gute kommende Vergabun- 
gen und Legate und wurde von dpn Ordensrittern zu- 
nächst selbst geführt, bis man es um die Mitte des 15. 
Jahrhunderls einem vom Rektor des Hauses in Saigesch 
ernannten Pächter ubergab. Als nun über diesen vielfach 
Klagen einliefen, die das ganze Unternehmen zu Fall zu 
bringen drohten, verkauften die Malteaerritter den St. 
Jakobsspilal, wie man das Hospiz nannte, am 22. Februar 
1590 an Bartholomäus Perrig aus lirig, der ihn noch im 
selben Jahr an den St. Anlonsspital in Brig weilergab. 
Nachdem dann das Hospiz eingegangen war, Hess Grar 
Kaspar Stockalper aus Brig ums Jahr 1650 auf dem Sim- 
plon ein turmfiirmiges Haus (den heute von Hirten bewohn- 
ten sog. Alten Spital) erbauen, dessen drei obere Stock- 
werke er für sich und seine Familie als Sommerwohnung 
einrichtete, während er im untersten Stockwerk die armen 
Durchreisenden aufnahm und unentgeltlich verpflegte. 
Auch der dem nämlichen Zwecke dienende Turm zu Gondo 



iat Stockal ticra Werk. Im übrigen bestanden wahrend 
des Mittelalters längs dem ganzen Simplonweg Schirm- 
häuser oder Spitäler für Reisende und Pilger. So (ausser 
dem bereits genannten St. Jakobsspital nahe der Pass- 
höhe) je eines in Gondo (mindestens seit 1425), in Brig 
(seit 1304), in Leuk (seit 1285), das Ordenshaus der Mal- 
teser in Saigesch (seit 1235) und deren drei in Sitten, von 
denen das älteste bereits 1163 genannt wird. Dazu kamen 
noch ähnliche Einrichtungen in allen bedeutenderen 
Ortschaften bis nach Villeneove hiounler. Zwischen Brig 
und der Passhöhe befanden sich der heute noch bestehendr 
Bau der sog. Tavernetie und an der jenseitigen Passflanke 
am rechten Ufer der Doveria (gegenüber der Galleric von 
Algahy) ein weiteres Schutzhaus, dessen Grundmauern 
noch sichtbar sind. Im Jahr 1801 ordnete der damalige 
erste Konsul Napoleon Bonaparte den Bau eines dem Ho- 
spiz auf dem Grossen St. Bernhanl entsprechenden Ho- 
spizes auf dem Scheitelplateau des Simplon an. dem die 
Ziialpinische Republik auf seinen Befehl das Vermögen 
von zwei aufgehobenen Klöstern in Pavia zur Verfügung 
stellte und das ebenfalls auf Wunsch Napoleons von den 
Augustiner Chorherren des Grossen St. Bernhard versehen 
werden sollte. 1809 richteten sich diese Mönche vorläufig 
im Stockalpernchen Spital ein. Der Bau des neuen Ho- 
spizes begann erst 1811 und wurde 1814 mit dem Sturze 
Napoleons wieder unterbrochen. 1825 trat dann die Wal- 
liser Regierung das unvollendete Gebäude um die Summe 
von 15000 Fr. an die Mönche des Grossen St. Bernhard 
ab, die es 1831 bezogen und bis 1835 vollständig ausge- 
baut hatten. Gegenwärtig sind fortwährend vier Geist- 
liche nebst einem Prior vom St. Bernhard als Delegierte 
des Klosters in dieser Einöde, um sich mit Hilfe von 
weltlichen Angestellten der Verpflegung hilfsbedürfti- 
ger Wanderer zu widmen. « Jährlich werden zwischen 
10000-12000 Fremde unentgeltlich bewirtet und beher- 
bergt. Ist's nicht Essenszeit, so setzt man den An- 
kommenden Käse. Weissbrot und Wein vor. Vermögliche 
Reisende legen den Wert des Genossenen in den Opfer- 
kasten. Die grosse Menge vollständig eingerichteter Zim- 
mer gestattet, dass gegen 300 Personen zugleich im Hospiz 
übernachten können. Die schöne Kirche, sowie die im 
zweiten Stockwerk liegenden Salons mit vielen, Napo- 
leon und seine Umgebung darstellenden Bildern sind einer 
Besichtigung wohl wert. Etliche Klosterdiener versehen 
den Dienst, und mehrere Hunde der St. Bernhardiner 
Baase, wahre Prachtliere, müssen im Winter täglich bei 
stürmischen Welter zum Aufsuchen Verunglückter aus- 
gesendet werden. » (F. O. Wolf)- Im Jahr 1899 hat das 
Hospiz allein 28 7i0 italienische Arbeiter, die den Simplon 
passierten, aufgenommen und verpflegt. Heute nimmt es 
jeden Tag durchschnittlich 16-18 Personen auf, welche 
Frequenz auch nach der Eröffnung der Simplonbahn und 
dem Durchschlag des Tunnels wohl noch auf lange Zeit 
hinaus sich nicht stark verändern wird. Postablage und 
Telegraph im Hospiz. 

Bibliographie : Reinhard, Raphael. Puste und Strassen 
in den Schieeiieralptit. Luzern 1903. - Imesch. D. Die 
Werke der Wohltätigkeit im Kanton Wallis. (1lH). Seu- 
jahrsblatt der Zürcher Hitfsgesellschaft). Zürich 1901. — 
Imesch. D. Zur Geschichte des Simplonpasses (im He- 
richt der Jahresversammlung des Schweiler. Forst- 
vereins in Brig). Brig 1904. — Ceard R. f Iiis de N. Ceard, 
inspecteur general des travaux du Simplon. Soui<enirs 
det travaux du Simplon. Paris et Geneve 1837. — 
Autran, G L'inspecteur dirisionnaire Ceard et la 
conslruclion de. la route du Simplon, 1ti01-180d. 
Geneve 1897. - Wolf, F. O. Bria und der Simplon. 
yh'urop. WanderhiUler. 94/95). Zürich 1885. — Hen- 
rioud. Marc. Les aneiennes *po*te* ralaisannes et les 
Communications internationales jtar le Simplon et U; 
Grand Saint Bernard 1616-iXAX. Lausanne 1905. - Gay. 
Hilaire. Les origines de* relations rtmimereiales du 
Vatfiis et de Vllalie (in den Melanges d'histoire valai- 
sänne). Geneve 1801. — La route du Simplon et ton w- 
ploitation par les diligenres postales suisses; public 
par la Dir. gen. des Postes suissen et l'Inspectorat 
(ed. des Travaux publica. Berne 1906. — Wäber, A. 
Walliser Berq-und Passnamen vor dem 10. Jahr- 
hunderl (im Jahrbuch des S A. C. 40, 1904). - Bar- 
bey, Fr&L, et FrtW. Boiasonnas. La route du SitnpUw , 



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Bmi** 1906. — Gubler. Th. Iku Juhilnum 'iner Aluen- 
»tratte (in de Seiten Zürcher Zeitung. 1906, 966-26«) 




SimplooilratM und Simplontano«!. 



Abschnitt der 



(Kt. Wallis). 
Moxtk Um 

8IMPLONTUNNCL i Kt. 

Italien). Ausser dem grossen Simplonttinnel 
im «iNi in. Scheitelpunkt in 705 in. Eingang 
ni) umfassl die Simplonbahn noch die Zufahrts- 



SIMPLONGRUPPE 

Walliseraipen. S. den Art. 
SIMPLONBAHN und 

Wallis und 
(Hingang N. 

S. im fM 

lim. ii von N. und S. her I)cr Gedanke, da» Simplon- 
massiv mit einem Tunnel zu durchbohren und so das 
schweizerische mit dem italienischen Eisenbahnnetz, d.h. 
das nordwestl. Kuropa ( \V. -Deutschland, Frankreich. Uel- 
gien etc.) mit dem llalbinselland Italien in direkte Ver- 
bindung zu bringen, istschon ziemlich alt. Wegen der sehr 
niedrigen Meereshöhe des N.- und S. -Portales eines zwi- 
schen Brig im Ithonethal und helle oder Gondo im Thal 
der Doveria durch den Berg zu führenden Tunnels war 
das Simplonprojekt sogar schon ziemlich lange Zeit vor 
dem Durchbrach des Gotthard ernsthart erörtert worden. 
Eine Gruppe von franzosischen Einan/Ieuten und l'nter- 
nelimern liatte bereits im Jahr 1852 von der Walliser 
Regierung und dem Hund die Konzession zum Bau einer 
das Rhonethalaufwärts führenden und eventuell durch den 
Simplon nach Italien fortzusetzenden Eisenbahn erlangt. 
So wurden denn durch die • Compagnie de la ligne d'ltalie • 
und zwei später der Reihe nach folgende • Compagnies 
du Simplon • verschiedene Teilstrecken der schweizeri- 
schen Zufahrtslinie erstellt. In greifbarere Nähe rückte 
der Bau eines Simplontunnels durch die Verschmelzung 
der Compagnie Suisse Uccidentale mit der Compagnie 
du Simplon im Jahr 1885. Doch bedurfte es noch der 
1890 erfolgten Fusion der Compagnie Suisse Occidentale- 
Simplon mit der Jura-Bern-Luzernbahn zu der bedeuten- 
den und einflussreichen Jura-Simplonbahn, um dem von 
langer Hand vorbereiteten Werk zu neuem I.eben zu ver- 
helfen. Da die Zufahrtslinien nun im N. bereits den pro- 



jektierten Tunneleingang erreicht und sich der südl. 
AngrilTsstelle bis auf 20 km genähert hatten, schien es im 

Jahre 1890. als ob man sich 
endlich an die Arbeit ma- 
chen 'wolle. Doch verstri- 
chen noch volle 8 Jahre, 
bis die Jura-Simplonbahn 
dann am 15. April 1898 
mit der L'nlernehmerfirma 
Brandt Brandau \ Cie. den 
Bauvertrag ahschliessen 
konnte, der sich auf die 
sowohl vom Bund als von 
der italienischen Regierung 
erteilten Konzessionen 
stützte, wobei sich Italien 
zur Ausführung der südl. 
Zufahrtslinie bis Iselle ver- 
pflichtete. Während die 
früheren Projekte auf be- 
trächtliche Subventionen 
von Seiten Frankreicht und 
I laliens halten rechnen kön- 
nen, musste jetzt das ge- 
samte Baukapital - mit 
Ausnahme von 4 Mill. Fr., 
die die norditalicnischeri 
Städte und Provinzen auf 
aich genommen — von 
der Jura-Simplonbahn. den 
Kantonen und dem Bund 
aufgebracht werden. End- 
lich sollte dann der Sim- 
plontunnel noch während 
aeiner Bauperiode von 
neuem den Bauherrn und 
Besitzer wechseln, indem 
er am t. April 1904 durch 
den Rückkauf der Jura- 
Simplonbahn an die schwei- 
zerische Eidgenossenschaft 
überging. 

Da« so verschiedene Enl- 
wicklungsphasen durchma- 
chende Projekt der Sim- 
plonunterfahrung hat sich 
naturgemdss im Laufe der Zeit vielfache Modifikationen 
gefallenlassen müssen. Die zahlreichen in Vorschlag ge- 
brachten Varianten standen unter dem Einfluss eines im- 
mer mehr sich geltend machenden Grundgedankens, näm- 
lich dem des Basist iinncls, der einzigen rationellen Losung, 
die denn auch heute glücklich verwirklicht ist. Es erscheint 
von Interesse, die verschiedenen Projekte, die der Reihe 





IV \ l 






m 


Ii 1 1 1 1 





Nordporlal des Simplnnluansls. 

nach aufgestellt und verteidigt worden sind, einer kurzen 
Betrachtung zu unterziehen. Während die Projekte du 
den Gotthai-dtunnel bloss in Einzelfragen von dem ausge- 



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führten Bau abwichen, weisen diejenigen für einen Sun - 
plontunnel — etwa '20 an Zahl — starke Unterschiede auf. 



9p> ^^^^^p * 



Stauwehr bei MArsl iBau des SlinplontonneU). 

Ks rührt dies davon her, dass der Simplontunnel zwei 
nahezu parallele, aber in entgegengesetzter Richtung sich 
senkende Thäler verbindet, so dass selbst bei einer Be- 
schränkung des Projektes auf das Prinzip eines Basistun- 
nels zahlreiche Verschiebungen des Traces innerhalb der 
horizontalen Ebene möglich waren. Ks handelte sich dabei 
in erster Linie darum, einen zu langen Tunnel, sowie die 
unter den llochgipfeln zu erwartenden und zu befürch- 
tenden hohen Temperaturen möglichst zu vermeiden. Aus 
dieser Notwendigkeit heraus entstanden neben den Projek- 
ten für einen geradlinigen Durchstich auch solche 
für geknicktes Trace. Den Sieg hat die geradlinige 
Unterführung davongetragen. Gemeinsam ist allen 
Projekten für einen Basistunnel mit Ausgang von 
der Sohle der grossen Hauptthäler |ri8O-800m im N.. 
600-700 in im 3.) die 18 km übertreffende Länge des- 
selben. Die Scheu vorder üeffnung eines so Tangen 
unterirdischen Weges ohne dazwischen liegende 
Angriffspunkte und vor den damit verbundenen gros- 
sen Kosten und technischen Schwierigkeiten Hess 
zahlreiche Projekte eines Scheiteltunnels auftauchen, 
der sich die beidseitigen Thalverzweigungen zunutze 
machen und seine l'ortale in einer flöhe von 1000- 
1400 m über Meer haben sollte. Im folgenden stellen 
wir die hauptsächlichsten Projekte zusammen, die 
nach einem von Ingenieur Koller 1857 aufgestellten 
Vorprojekt ans Tageslicht getreten sind : 

1 ) 1857. Projekt Ü o und Venetz. Länge : 12.200 km. 
N.- Kingang bei (irund in 1068 m. S. -Kingang ober- 
halb Gondo in 1011 m. Distanz Hrig-Ikimodossola : 
51 km. Kostenvoranschlag : 73 820000 Fr. 

2) 1860. Projekte Flachat.— a) Ueberschienung des 
Bernes ohne Tunnel, mit 11500 m künstlichen Gal- 
lerten auf dem IWscheitel (2010 m). — b) 2940 m 
langer Scheiteltunnel in 1760 m Hohe oder 7800 m 
langer Scheileltunnel in 1509 m Höhe. 

3) 1860. Projekt Vauthier. Erstes Projekt eines Ba- 
sistunnels mit N. -Eingang nahe derNapoleonsbrücke 
in 743 rn und S. -Eingang bei (seile in 625 m Hohe. 
Länge : 18,220 km. Km in die Tiefe getriebener Schacht 
sollte zwei zwischenliegende Angriffspunkte liefern. Lange 
Brig-Domodossola: 48,470 km. 



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4) 1860 und 1862. Projekte Jaquemin. a) Entsprechend 
dem Projekt Flachat. — b) Zweifach geknickter Tunnel 
von 11 km Länge, der unter den Gebirgssenken durchge- 
hen sollte, wo vermittels 10 schief eingetriebener Schachte 
zahlreiche Zwischenangriffspunkte gewonnen wurden. 
N. -Eingang in Grund, S. -Eingang nahe Gsteig (Algaby). 
Kosten : 52 Mill. Fr. 

* 5 und 6) 1863. Projekte Thouvenot und Lehaltre. Dieser 
letztere verlegt seinen 4053 m langen Tunnel in die Höhe 
von 1700 m und sieht in den lawinengefährlichen Zonen 
gedeckte Gallerten vor. Kosten: 42 und 72 Mill. Fr. 

7) 1864. Projekt Lommel. Basistunnel Glis-Gondo mit 
zwei Schächten. 17.500 km lang. 

cS 1869. Projekt Stockalper. Basistunnel Brigerberg- 
Gondo mit neun Schächten. 16.150 km lang. Kosten : 
77.5 Mill. Fr. 

9) 1875. Projekt Louis Favre und CIo. 18.850 km langer 
Basistunnel mit N. -Eingang an der Rhone no. Brie (nahe 
dem heute ausgeführten Kingang). Kosten : 70 Mill. Fr. 

10 und 11) 1876. Projekte Lommel, auf eingehenderen 
Studien und detaillierteren topographischen Aufnahmen 
beruhend, ai 18,507 km langer Basistunnel ohne Schacht ; 
Scheitelpunkt in 727 m. — b) 19,075 km langer Basis- 
tunnel mit N. -Eingang gegenüber Naters ; Scheitelpunkt 
in 706 m Höhe. Kostenvoranschlag: 73 Mill. Fr. 

Die gegen alle diese Basisnrojekte erhobenen Kin- 
wände betrafen weniger die Länge, die alle bisherigen 
Tunnelbauten weit überschritt, als vielmehr die Unsicher- 
heit, die mit Bezug auf die Temperaturen im Krdinnern 
herrschte. Ks lie^s daher die Uompagnie Suisse Occiden- 
tale-Simplon 1881-1886 durch J. Meyer neue Projekte aua- 
arbeiten und zwar neben einem geradlinigen Basistunnel 
von 19.635) km Länge (Proj. 12) mehrere geknickte Tra- 
ces. die der Unterführung unter dem 3500 m hohen und 
2800 in über der Tunnelsohle sich erhebenden Kamm des 
Monte Leone auswichen, nämlich : 

13) Nach Nordosten geknickter Tunnel von 19,796 km 
Länge sowie 14) noch stärker gegen NU. auabiegender 
Tunnel unter dem Plateau von Nembro durch, wo ein 
Schacht vorgesehen werden konnte. 

15) Aus der selben Zeit stammt das Projekt eines nach 
S\V. ausbiegenden und mit seinem Scheitelpunkt unter 
dem Thälchen von Hohmatten bei Simpeln liegenden Tun- 
nels mit N. -Kingang in der Schlucht der Salline über Glis 
in etwa 790 m und S. -Eingang zwischen Gondo und Iselle. 

I6i Nach der Konstitution der Compagnie du Jura-Sim- 
plon nahm man 1890 ein den Vorschlägen von Favre and 
CIo 1875 und Meyer 1882 im grossen und ganzen entspre- 




WasMrUituog rwib'hen MArel und dam Maniabodeo 
iBau das Slroplontunneli). 

chendes Basisprojekt wieder auf : Geradliniger Tunnel 
von 19.931 Um Länge mit je einer Kurve an den beiden 
Tunneleingangen. 



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17) Eine Variante zu dem eben angerührten Projekt 
wollte den Tunnel unter der Cairasca durchrühren und 
bei Varzo ausmünden lassen. 

18) 1881. Projekt Uange. Scheiteltunnel mit 
mächtigem Aufzug auf schiefer Kbene, der ganze 
Eisenbahnzüge zu den Tunneleingängen zu ver- 
bringen vermöchte. Zufahrtslinien mit Zahnrad- 
betrieb. 

19) 1892. Projekt Masson mit Zahnrad und 
8500 m langem Tunnel zwischen Berisal (1500 m) 
und Gampo auf der Alpe di Nembro (1450 in). 

Da aber der internationale Verkehr weder mit 
Wagenwechsel noch mit Aufzügen und Zahnradbe- 
trieb, wie solche durch einen Scheiteltunnel un- 
vermeidlich geworden wären, in Einklang gebracht 
werden konnte, blieb nur die Wahl eines Basis- 
tunnels übrig, der dann auch nach mannigfachen 
Schwierigkeiten und unter mehrmaliger Hi- 
nausschiehung des für den Arbeitsbeginn festge- 
setzten Termines endlich in Angriff genommen 
wurde. Die unvermeidlichen Verzögerungen in 
der Ausführung eines so gros«artigen Projektes, 
«las mit zahlreichen Unbekannten zu rechnen 
hatte, veranlasste die Anhänger eines Tunnel* 
durch den Grossen St. Bernhard oder Col Perret 
wie diejenigen eines Mont Klane-Tunnels während 
der Jahre 1884-1893 zu grossen Anstrengungen zu 
gunsten ihrer Ansichten. Ks entstand zu dieser Zeit 
sogar eine unter den Auspizien des Barons de 
Vautheleret und unter der Leitung von Ingenieur 
Bitter stehende eigene Zeitung, Ij> chemin de fer du 
(irand Saint Rrrnard betitelt, die dem Simplonpro- 
jekt die unbestreitbare Tatsache entgegenhielt, das« eine 
St. Bernhardbahn die direktere Boute nach Turin und 
Genua darstelle als die Simplonbahm Was bedeutet aber 
ein in mehr als 1(100 m Höhe unter dem Col Ferret durch- 
gehender Scheiteltunnel von 9885 m Länge gegenüber 
einem Durchstich, dessen Scheitel nur in etwa 700 m, d. 
h. 900 m tiefer, liegt? Und obwohl Ing. Bitter ausruft, 
dassder Simplon eine Gefahr, der St. Bernhard dagegen 
das Beil sei, sowie die sichere Beschallung der Kapitalien 
in kurzer Zeit in Aussicht stellt, hat man sich doch zu 
der Ansicht durchgerungen, dass der Simplontunnel die 
einzige rationelle Losung der Frage des Durchstiches 
der Walliseralpen darstelle. Aus einem 1905 von Begis 
ausgearbeiteten Projekt geht sogar hervor, dass ein unter 
dem Mont Velan durchgehender und in der Hohe von 
Oraleres (925 m in den Fels eindringender Tunnel mit 
Scheitelpunkt in 931 m Höhe immer noch 28,060 km lang 
sein würde. 

Die Arbeiten am Simplontunnel wurden, zunächst 
von Hand, an beiden Hingängen zugleich im August 1898 
begonnen. Mit fieberhafter Eile betrieb man die Erstel- 
lung der Installationen, so dass schon in kaum drei Mo- 
naten die Verwaltungsgebäude (mit Bureauz und Maga- 
zinen). Werkstätten und Maschinenhäuser (mit Pumpen, 
Dynamos. Dampfkesseln elc.l erstellt waren, sowie in 
ßrig bereits im November und ein Monat später auch 
in Iselle die Brandl selten Drehbohrmanchinen in Tätig- 
keitgesetzt werden konnten. Wir lassen einige den Tunnel 
betreffende Zahlen folgen : Gesamtlänge von einem Portal 
zum andern 19 770 m ; Länge zwischen den Oeffnungen 
der beiden Bichlungsstollen 19729 m ; Kurve am Tunnel- 
eingang N. -Seite 161 m, am Hingang S. -Seite 317 m ; 
geradlinige Tunnelstrecke 19321 rn. Der N. -Hingang liegt 
in tW5 m flöhe n<i. vom alten Bahnhof Brig. der S. -Hingang 
in 634 m Hohe 700 m ö. vom italienischen Dorf Iselle und 
4 km von der Schwei/.ergrenze in Gondo. Der Tunnel über- 
schreitet die Landesgrenze zwischen der Schweiz und 
Italien in einer Entfernung von 9010 m vom X. -Eingang. 
Eine der brennendsten Fragen beim Bau des Simplon- 
tunnels war, ob man ihn nach dem Vorgang des Gott- 
hardtunnels zweispurig anlegen solle oder ob es möglich 
sei. ihn einspurig zu hallen und so die Kosten beträcht- 
lich zu erniedrigen. So kam man zum erstenmal zu der 
Lösung, • dass an Stelle der Anlage eines einzigen Tunnels 
mit Platz für 2 Geleise zwei nebeneinander laufende ein- 
geleiaige Tunnels projektiert wurden in einem Abstände 
von 17 m von Mitte zu Mitte Axe. Von diesen beiden 
Tunnels wurde jedoch vorläufig nur der nordöstlichere. 



mit Tunnel 1 bezeichnete, fertig ausgebaut, während der 
zweite nur als paralleler Stollen von etwa 3 m. Breite und 
2 m Hohe vorgetrieben wurde und erat dann auf das volle 




Buhrm»icbino (Bau das Sliaptootuonels). 

Profil gebracht werden soll, wenn das Bedürfnis nach 
einem zweiten Geleise sich einstellt*, welcher Fall schon 
zu Beginn des Jahres 1908 eingetreten ist, indem der 
Bund nun den Aushau auch des Tunnels II fordert, wozu 
acht Jahre vorgesehen sind. < Der Vortrieb dieses zwei- 
ten Stollens blieb immer 100-200 m hinter demjenigen 
des ersten zurück. Beide Tunnels sind auf Entfernun- 
gen von 200 zu 200 m verbunden durch sog. • Quer- 
schläge«. deren im ganzen 100 vorhanden sind. «Die- 
ses Doppelstollensystem hat sich bei der grossen Länge 
des Tunnels ausgezeichnet bewährt, ja man darf wohl 
sagen, dass ihm das Gelingen der ganzen Unterneh- 
mung zu verdanken ist, indem durch dasselbe eine vor- 
zügliche Ventilation ermöglicht wird. Vor dem Tunnel 
befinden sich die Ventilatoren mit elektrischem Antrieb, 
welche ein Luftquanlum von etwa 35 m a in den Tunnel 
hinein zu blasen gestatten. Bei normalem Betrieb tritt 
die Luft durch den Venlilationskanal in den Stollen II 
ein, welcher nun als grosse Luftleitungsröhre zu dienen 
hat. Die sämtlichen Querachlage sind geschlossen, zum 
Teil zugemauert, mit Ausnahme des vordersten, welcher 
offen bleibt. Vorne bezeichnet der Bergmann die innere 
Seite; mit vor Ort bezeichnet er die innerste Stelle, bis 
zu welcher er vorgedrungen ist; vorwärts ist seine De- 
vise, immer vorwärts, dem Durchschlag entgegen ! Die 
Luft ist nun genötigt, den ganzen Stollen II bis zum vor- 
dersten Querachlag zu durcTistreichen und nach Passieren 
des letztern durch den Stollen und Tunnel I wieder zu- 
rückzufliessen. Bei frühern Tunnelbauten war der Vor- 
gang in der Ventilation ein anderer. Die vorkomprimiertc 
Luft wurde durch Röhren an die Arbeitsstellen geleitet, 
an denen man sie notwendig hatte. Durch diese Bohren 
konnte die Luftzufuhr nicht eine so ausgibige »ein wie 
durch einen weiten Stollen. Am Gotthard konnte sie nur 
bis auf etwa 1'/, m 1 pro Sekunde, am Arlbergauf 3 m :l ge- 
steigert werden — , mithin beträgt sie mehr als das 
lOfache der letztern Angabe. Dort hatte man an den Ar- 
beitsstellen, an denen die frische Luft austrat und sich 
mit der schlechten Luft mischte, eine Luft Verbesserung, 
am Simplon hat man infolge der Zirkulation eine be- 
ständige Lufterneuerung für sämtliche am l.uftstrom lie- 
genden Arbeitsstellen, welche zugleich die Gesteins- 
temperatur an den Wandungen bedeutend erniedrigte. 
Xur die kurzen Stücke, welche vom vordersten Quer- 
schlag aus in der Bichtung der beiden Stollen bis vor 
Ort noch weiter vorgetrieben sind, bleiben von der er- 
wähnten Luftströmung unbernhrt. Für sie muss eine be- 
sondert? Luftzufuhr stattfinden », welche durch das An- 
bringen von eigenartig konstruierten Strahlapparaten er- 
möglicht wurde. Die geschilderte Ventilationseinrichlung 



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wird in den Bergwerken schon seit langer Zeit angewen- pumpen etc. liefert auf Walliser Seite die Rhone und auf 
det, kam aber am Simplon zum erstenmal bei einem | der >i'itc gegen Iselle die Ooveria. Zu diesem Zwecke 




N. ScharM, 



1/ :..v- | 



Geotheruuscbes Profil de» Simploatunn«la. 



Tunnelbau zur praktischen Ausführung. Der Stollen II I 
diente ferner noch zur Zuführung des für den Betrieb der 
Bohrmaschinen verwendeten Druckwasser» und der für 
die Luftlokomoliven notwendigen komprimierten Luft, 
zur Aufnahme der Kühlapparate, zum Rangieren der Züge 
mit dem Schuttmaterial und zur Abfuhr des den Tunnels 
entströmenden Abflusswassers. 

Die Steigung des Tunnels betrügt auf der N. -Seite bis 
zu dem 9572 m vom N. -Eingang entfernten Scheitel- 
punkt in 705 m Hohe 2 mm auf Im, auf der S. -Seile da- 
gegen 7 mm pro Meter. Tunnel I ist als eingeleisiger 
Tunnel 5,5 in hoch und 5 m breit. In der Tunnelmitte 
ist eine Ausweichung vorhanden, die zunächst nl- ~.\*\ m 
lange zweispurige Strecke projektiert war, dann aber in 
den Stollen II verlebt wurde, sodass spater nach dem 
Ausbau beider Tunnels die Zü^e durch Tunnel I ein- und 
durch Tunnel II ausfahren oder auch in umgekehrter 




Kaltwiitsereitibruch (Bau des Slmploatoniict»! 



Richtung zirkulieren können. Die Triebkraft für die hy- 
draulischen llohrmaschinen, Ventilatoren, elektrischen 
Beleuchlungsmotoren, Werkstätten, Kühlapparate, Druck- 



wurde die Rhone bei Morel 6 km nu. Drig durch ein 
Wehr gestaut, von wo das Wasser durch einen aus ar- 
miertem Kt-ton erstellten. 3 km langen gedeckten Kanal 
von quadratischem (Juerschnill (1,9m Seite; zu dem ober- 
halb dem Massahoden stehenden Wasserschloss (Reser- 
voir! fliegst, um dann durch eine Druckleitung in Eisen - 
blechröhren von 1,6 in Durchmesser dem Maschinenbaus 
zugeführt zu werden, wo es bei einer Zufuhr von 4000 
Sekundenlitern und einem Gefälle von 52 m eine Kraft 
von 2225 PS liefert. Auf der S. -Seite wird die Wasser- 
kraft 4 km nw. Iselle der Doveria entnommen. Die 
Fassung befindet sich in der Nähe der Landesgrenze, von 
wo das Wasser durch eine 4210 m lange Druckleitung aus 
Eisenrohren von 0,9 m Durchmesser zum Maschinenhaus 
geleitet wird, um hier bei einer Zufuhr von 1 in pro Se- 
kunde und einem nutzbaren (iefälle von 139- 158 m eine 
Kraft von 1475-1855 PS zu erzeugen. Auf beiden Instal- 
latinnsplatzen belinden sich dazu noch Reservedampf- 
maschinen. die SSO PS liefern können. Die Installationen 
umfassen auf der N. -Seite bei Rrig eine überbaute Fläche 
von etwa 5000 und auf der S. -Seite bei Iselle eine solche 
von rund 4000 m*. 

Das detaillierte und in allen Einzelheiten wohl erwogene 
Bauprogramm des Simplontunnels sah eine Bauzeit von 
5','j Jahren voraus, vom Beginn der Arbeit mit den Bohr- 
maschinen an gerechnet. Samtliche Arbeiten waren der 
I'nternehmerlirnia gegen eine Pauschalsumme von 
76 50001X1 Fr. übergeben worden, die sich folgendermassen 
verteilte : 

Installationen im weitesten Umfang . . Fr. 7000000 
Komplet ausgeführter Tunnel I mit der 

Ausweichung in seiner Milte .... » 54500000 
Ausbau des Tunnels II » 15000000 

Tolal Fr. 76500000 
Dieses Programm konnte aber nicht durchgeführt wer- 
den. Durch eine mehr als 18 Monate dauernde Verzöge- 
rung verlängerte sich die Bauzeit auf 7 Jahre und mussle 
die Pauschalsumme für die Vollendung des Tunnels I und 



die Kosten von Spezial Installationen um . Fr. 3971 (550 

erhöht werden. Ebenso erhöhte sich die 

Pauschalsumme für die Herstellung des 
Tunnels II um » 4500000. 

sodass die endlichen Erstellungakoslen, 
mit Einschlug« der ursprünglichen Pau- 
schalsumme von * 76500000 

sich fur beide Tunnel- auf Fr. 84071 650 



gestellt haben. Ferner stellt die Verlängerung der Vollen- 
dungsfrisl bis zum 30. April 1905. d. h. 350 Tage zu je 
Fr. oOUO Entschädigung, noch eine weitere Summe von 
1750000 Fr. dar, die von der von der l'nternehmertirma 
Brandt Brandau deponierten Garantiesumme nicht abge- 
zogen werden. Aber auch der verlängerte Termin konnte 
nicht eingehalten werden, indem der Durchschlag des 
Tunnels I am 24. Februar 1905. derjenige von Tunnel II 
dagegen erst am 7. Juli 1905 erfolgte und der Tunnel I erst 
im Oktober 1905 vollkommen ausgebaut und ausgemauert 
war. Dem Betrieb ubergab man den Simplonlunnel nach 



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Bahnanlage mit 
. B. dem mehr 



grossartigen Festlichkeiten, die Bich von Genf bis Mai- 
land und Genua erstreckten, am I.Juni 1906. Die end- 
giltige Ventilation des Tunnels wird durch einen von 
N. nach S. streichenden bestandigen Luitzug erhalten, 
der dadurch entsteht, dass die Ventilatoren der N. -Seite 
die Luft einblasen und diejenigen der S. -Seite dieselbe 
an sich saugen. In der Tunnelmilte, wo der Fela eine 
hohe Temperatur aufweist, sind aul bestimmte Entfernun- 
gen hin Kühlstationen angebracht. Bei der Ausweichstelle 
in der Tunnelmitte bestehen zwischen beiden Stollen 
Unterkunftsräume für das bedienende Bahnpersonal. Ganz 
nahe der Landeagrenze ist auf der nö. Seite von Tunnel I 
eine grosse Nische als militärischer Beobachtungsposten 
eingerichtet. Naheden N. -Eingängen von Tunnel 1 und II 
hat die eidg. Genieverwaltung zwischen den 
schlagen 1 und 2 eine Reihe von Minenkamtr 
gen lassen, durch welche der Tunnel im Kriegsfall ge- 
sprengt zu werden vermag. Während auf der N. -Seite 
der neue internationale Bahnhof Brig mit seinem luxu- 
siosen Aufnahmsgebäude, den Warenschuppen und ver- 
schiedenen Spezialbauten einen weiten Raum umfasst. ist 
lselle auf der S. -Seile eine einfache Durchgangsstation, 
indem hier der internationale Bahnhof nach Domodossola 
hinunter verlegt werden musste. Die Bahnstrecke lselle- 
Domodossola (274 m) ist auf Kosten der italienischen Re- 
gierung von der Bahngesellschaft Mediterranea erstellt 
worden und umfasst im ganzen 20 km 
mehreren Tunneln und Brücken, wie z. 
als 3 km langen Kehrtunnel von Varzo. 

Notwendige Ergänzungen zur Simplonbahn werden 
sein: einerseits eine Unterführung des Juragebirgea (ent- 
weder durch den schon 1882 vorgeschlagenen Tunnel 
Prasne-Vallorbe oder dann durch einen Kaucillelunnel) 
oder auch ein erweiterter Ausbau der Zufahrtslinie Lons 
le Saunier-Bellegarde, andrerseits eine Unterfahrung der 
Berneraipen zum direkten Anschlussan das Rhonethal. Dax 
Faucilleprojekt und der Auabau der Linie Lons le Saunier- 
Rellegarde. die von Genf gewünscht werden, bergen aber 
die Gefahr in sich, dass durch sie als direkteste Zufahrt«- 
linien der Simplonverkehr eines Tages auf die schon 
längst geplante Mont Blanc-Bahn abgelenkt würde. Der 
Zentralschweiz und Süddeutschland wird der Durchstich 
der Berneraipen zu gute kommen, der eine beträchtliche 
Verkürzung der Zufahrt zum Simplon bedeutet. 1906 he- 
schloss denn auch der Kanton Bern die Erstellung der 
Lotschbergbahn mit einem zwischen Kandersteg und Gop- 
penstein gelegenen Tunnel, der mit 13735 m Länge der 
dritt längste Tunnel der Schweiz sein wird und noch im 
Spätherost 1906 in Angriff genommen worden ist (N.- 
Eingang in 1200 in, Scheitelpunkt in 1245 und S. -Eingang 
in 1218 m Hohe). Für die doppelspurige Anlage des Lölsch- 
bergtunnels ist dem Kanton Bern 1907 eine Dundessub- 
vention von öMill. Fr. bewilligt worden. 

Geologische, hyttrnlogische «ruf thermische Verhält- 
nisse. Da wir die geologischen Verhältnisse des Simplon- 
gebieles im Artikel uber die Monte Leonegruppe (s. diesen) 
bereits ausführlich klargelegt haben, beschränken wir 
uns hier auf einige den Tunnel betreffende Spezialangaben. 
Die anlässlich der verschiedenen vorgeschlagenen Traces 
veranstalteten Expertisen (wie z. B. diejenigen der Jahre 
1877, 1882 und 1890) hatten darin übereingestimmt, dass 
der grosse Basistunnel drei verschiedene Gruppen von 
Felsarten durchbrechen würde, deren Länge je nach der 
Wahl des Trace etwas verschieden war. Das geologische 
Profil betr. das 1890-1893 ins Auge gefasste Trace, das 
dem auageführten Werk am nächsten kommt, berechnete 
für die zu durchschlagenden drei Gesteinsgruppen fol- 
gende Längen, denen wir die beim Bau konstatierten wirk- 
lichen Längen beifügen : 

Tatoachliche 
Lange 

in 

3750 



Voraussichtliche 
Lange 
ni 

Nordzone: Glanzschierer . . . 3830 

Zentrale Zone : Kristalline Schie- 
fer, schiefrige Gneise etc. mit 
Kalken und Dolomiten . . . 9800 

Südzone: Antigoriogneis mit be- 
gleitenden Schiefern .... 6400 



Voraussichtlich« 
Lange 

Glanzschiefer, Kalkschiefer,Kalk- 
glimmerschiefer 5900 

Kristalline Kalke, Marmor, Dolo- 
mite, Gips und Anhydrit . . 1350 

Glimmerschiefer, kristalline 
Schiefer, schiefrige Gneise, 
Hornblendeschiefer etc. . . . . r >2O0 

Monte Leonegneis 3450 

Granitischer Antigoriogneis . 3830 



Tat*achliche 

L* Q g« 

m 

5175 
1400 



6930 
1900 



11665 

im 



Ordnen wir die Felsarten nach petrographischen Ge- 
sichtspunkten, so erhalten wir folgende Zahlen: 



Total 19730 m 19730 m. 

Angesichts der fehlenden Sehieferzone im Liegenden 
des Antigoriogneises wäre also die Differenz für den 
Antigoriogneis, dessen Länge zu etwas über 6 km be- 
rechnet wurde, keine so bedeutende gewesen, wenn die- 
ser nicht bei km 4,325 vom b. Angriffspunkt aus plötz- 
lich abgebogen hätte. Dagegen fand sich weit weniger 
Monte Leonegneis, weil der grössle Teil dieser Felsart 
gleich dem auf der S. -Seite befindlichen Dom aus sc hie - 
frigem Gneis zu Glimmerschiefer umgewandelt war. 
Beide Differenzen haben sich übrigens als der Hohrung 
günstige Umstände erwiesen. Die grössere Länge der 
zweiten Zone ergab sich als eine Folge der im zen- 
tralen Abschnitt auftretenden mächtigen Zone von Kalk- 
glimmerschiefern, die kaum zu Tage anstehen und 
daher nicht vorausgesehen werden konnten. Frühere 
Untersuchungen hatten das Simplonmassiv als ein aus 
konzentrischen Schichten aufgebautes ungeheures Ge- 
wölbe (Dom) aufgefasst, dessen Kern als älteste Glieder 
der Antigoriogneis und die Kalkschiefer in seinem Liegen- 
den bilden sollten. Die neueren Aufnahmen haben dagegen 
gezeigt, dass die Schichten in Wirklichkeit mehrfach ge- 
faltet und die Wechsellagerung der Gneise, Kalke, Kalk- 
schiefer, Glimmerschiefer etc. blosse Wiederholungen je 
einer einzigen Schicht sind, deren an gewissen Stellen ab- 
weichende petrographische Beschaffenheit dem bei der Ge- 
birgsbildung herrschenden grössern oder geringem Druck, 
d. h. der Erscheinung der Dynamometamorphose, zuge- 
schrieben werden müssen. So ist z. B. der Gneis des Gan- 
terthaies, der an der Aussenseite des scheinbaren Domes 
ansteht, keineswegs jünger als der im Kern «orhandene 
Antigoriogneis. Gerade in dieser domformigen Anordnung 
der Schichten lagen die Schwierigkeiten für eine rich- 
tige Interpretation der beobachteten Tatsachen. Wie wir 
aber bereits gesehen haben, sind, vom technischen Stand- 
punkt aus betrachtet, durch den Unterschied zwischen den 
berechneten und den tatsächlichen Langen nicht nur keine 
nennenswerten Unannehmlichkeiten entstanden, sondern 
es haben sich diese Differenzen im Gegenteil als für die 
Bohrarbeiten vorteilhaft erwiesen. Im n. Abschnitt sind 
die Schichten im allgemeinen stark geneigt oder nahezu 
senkrecht, während sie gegen die Mitte um 20-30° nach 
NW. einfallen und dann nach S. hin allmählig horizon- 
tale Lage annehmen, um weiterhin leicht nach SO. zu 
fallen. 

Die Wassereinbrüche in den Tunnel sind je nach den 
verschiedenen Gesteinsarten schwankend gewesen. Fast 
vollständig trockene Zonen waren im S. der Antigoriogneis 
vom Tunneleingang bis zu km 3,800, sowie im N. dieSchie- 
fergneise und der Monte Leonegneis von km 4 bis km 9. In 
den Glanzschiefern zeigten sich zwar zahlreiche Infiltra- 
tionen, die aber, mit Ausnahme einer starken Ouelien- 
gruppe zwischen 100 und 200 m vom N. -Eingang, alle nur 
ganz geringfügig waren. Stark wasserreich erschienen da- 
gegen zwei Gebiete. Zunächst die Zone zwischen km 3.800 
und 4,420 vom S. -Eingang, wo mau (namentlich zwischen 
km 4.325 und 4,420) mächtige kalte Gipsquellen ange- 
schlagen hat. die in direkter Verbindung mit den Ober- 
flächenwassern oder wenigstens mit solchen standen, die 
sich in Hohlräumen im obersten Bergabschnitt angesam- 
melt hatten. Ihre Wassermenge schwankt im Laufe des 
Jahres zwischen 650 und 1000 Sekundenlitern und ist 
eine Zeitlang sogar bis auf 1200 Sekundenliter gestiegen. 
Das zweite Gebiet findet sich in der Tunnelmilte zwischen 
km 9,600 vom N.- Portal und km 9,100 vom S.- Portal, d. h. 
auf einer Strecke von etwa 1000 m, wo aus den Kalken 
und Kalkschiefern zahlreiche Gips- und Eisenquellen von 
einer der Felswärme nahezu entsprechenden Te 



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570 SIN 

zwischen 45 und 50° hervorbrachen. Ihre Gesamtwasser- 
menge ist allmählig bis auf etwa 300 Sekundenliter ange- 
wachsen. Während schon das kalte Wasser auf der S.- 
Seite durch seine grosse Menge und die Helligkeit der 
einbrechenden Strahlen \ielfache Schwierigkeilen verur- 
sacht hat, erwies sich das heisse Wasser in der Tunnel- 
mittc noch unerwünschter, weil ea die Lufttemperatur 
erhöhte. Die Felswärme im Innern des Tunnels ist höher 
gestiegen, als man geglaubt hatte. Wahrend sie allgemein 
auf »-39° mit einer Unsicherheit von 3° und von StapfT, 
dem Ingenieur-Geologen des Gotthardtunnels, auf 47° ge- 
schätzt worden war, hat sie in Wirklichkeit bei km 8.500 
vom N. -Portal ein Maximum von 54° erreicht und sich 
auf einer Strecke von mehr als 2 km Länge {km 7,250- 
9,400)stets über 50° gehalten. Dazu lagdiese ausserordent- 
lich heisse Zone nicht einmal, wie man hätte vermuten 
dürfen, unter den höchsten Teilen des Gebirges, sondern 
unter dem NW. -Gehänge der Kette des Wasenhorns. 
Diese Erscheinung erklärt sich aus einer Erhöhung der 
Oberflächentemperatur um 5°, aus der Trockenheit des ] 
Gesteins und aus der Anordnung der Schichten, die hier 
im Sinne des Gehänges einfallen und so einen Isolier- 
panzer bilden. Alle diese Umstände haben zusammenge- 
wirkt, um die Temperaturkurven in die Höhe zu trei- 
ben. Im Gegensatz dazu bewirkten die starken Kalt- 
wasserquellen der S. -Seite zwischen km 3,800 und 4.500 
eine beträchtliche Erniedrigung der Temperatur um 

10-20 9 . IProf Dr. H. S' ii | 

SINKSTRa (VAL) (Kt. Grauhünden, Dez. Inn). 1550- 
1150 m. Grosstes linksseitiges Nebenthal des Unter Enga- 
din, dessen starker und reissender Bach, die Brancla oder 
Lavranca, etwa 3 km nö. vorn I>orfSent vorbcifliesst und 
etwas weniger als 1 km s. Remüs in den Inn mündet. 
Das Thal hat sö. Richtung und liegt in der grossen Sil- 
vrettagruppe. speziell der Silvrettagruppe im engern 
Sinn mit der Kette Piz Faschall>a-rluchthorn und der 
Samnaungruppc, die sich ö. vom Fimberpasa ausbreitet. 
Den Gebirgsrahmen des Thaies bilden: im O. der Piz 
Arina (2832 m) w. über Schleins, der gewaltige Muttier 
(3298 m). die Fuorcla Maisas (2852 m), der ebenfalls 
mächtige Stammerspitz oder Piz Tschütta (3258 im. Piz 
und Fuorcla Chamins (2931 und 2820 m), der Piz Vadret 
oder Sulerspitz 13045 m) und der Piz Roz oder Yesilspitz 
(3115 mi mit der Fuorcla Roz (2792 in) an der Grenze des 
Samnaunerthales; hn W. (vom Thalhintergrund ausge- 
zählt) der Fimberpass oder Cuolmen Fenga (2612 mf, der 
wie der Yesilspitz an der österreichischen Grenze liegt, 
dann Piz und Fuorcla Davo Lais (3031 und 2828 mi, die 
Fuorcla Laver (2856 m), der Piz Tasna (3183 m|. Piz Nair 
(2971 ml. Piz Champatach (2925 m), Piz Soer (2920 m) und 
Fil Spadla (2939 in), sowie endlich die Mot da Set Mezdis 




Krdpyramiden bei Zuorl im V»l Sinoslr» 

(2158 m) wenig n. über Sent. Nach oben zu gabelt sich das I 
Val Sinestra in komplizierter Weise. Von der O.-Seite , 
her kommt Valmains und von N. her als längster Zweig 
Val Choglias, dessen östl. Quellthälchen das Val TiaUcha 
(Griosch), Val Trammas und Val Bolscheras sind und das I 



SIN 

sich zn oberat wieder in Val Roz und Val da Storta Gronda 
gabelt; von W. her mündet das mit freundlichen Alpen 
belegte Val Laver ein, dessen oberster Abachnitt Tiral 
heisst. Diese Gabelung des Val Sinestra beginnt nahe dem 
schön gelegenen Hör Zuort (1719 m). Der vereinigte Thal- 
bach Ut die Brancla oder Lavranca, in die sich weiter 
unten die Wildwasser der schauerlich zerrissenen Fel- 
sentobel Val da Ruinas und Vallalacha von der rechten 
Gebirgsscite her ergiessen. Die Lange des vereinigten 
Thalbaches beträgt 6,3 km und das Gefalle auf dieser 
Strecke 570 m oder 9u" Zusammen mit dem Bach dea 
Val Chöglias hat das ThaTgewässer eine Länge von 10.7 km 
und ein Gesamtgefalle von 950 ro oder 88 Berechnet 
man die Wasserkraft für ein Gesamtgefälle von 2050- 
1226 = 824 m, so ergibt sich nach Lauterburg für die 
Brancla eine gesamte Bruttokraft von 1329 PS und eine 
produktive Kraft von 146 PS. Unterhalb der prachtvollen 
Schlucht bei der Burgruine Tschanüir hat sich der Bach 
tief in die eigenen Ablagerungen und die Srhutlmassen 
des Inn, sowie in die Moräne der Terrasse von Lads (am 
Thalfluss unter Remüs) eingeschnitten (Erdpfeiler im 
Moränenmaterial). 

Das Val Sinestra ist bis zum Hofe Zuort hinauf beider- 
seits stark bewaldet, und der Wald reicht auch noch eine 
Strecke weit in die obern Verzweigungen hinan. Das 
Hauptthal erscheint tief und wild durchschluchtet. sodass 
die \Vege der beiden Thalseiten hoch über den Schluch- 
tenrissen über plateauartige Flächen hinführen. Auf der 
W. -Seite steigt ein neue» Fahrslrässchen (im Sommer 
mit Postwagenverbindung Schuls-Postablage Val Sinestra 1 
von Sent 1 f 440 m) durch fruchtbares Ackerland auf das 
aussichtsreiche Plateau von Tuchern hinauf, um dann in 
das Bergthal einzubiegen und durch Lärchen- und Tannen- 
wald über das kleine Plateau von Chavrids Pitschen nach 
der grösaern, waldumrahmten Wiesenterrasse von Cha- 
vrids Grond (1611 ml zu leiten, die einen prächtigen 
Ueberblick über das Thal gewährt. Von der gegenüber- 
liegenden Thalseite grüsst aus sonniger Berghalde (las 
kornreiche Dörfchen Manaa (1613 m), und aus dem Thal- 
hintergrund leuchtet das weisse Gast- und Zollhaus des 
Hofes Zuort (1719 ml zu uns hernieder, ein wahrhaft 
freundliches und liebliches Bild, dessen würdigen Ab- 
schluss die prächtige Pyramide des Stammerspitz bildet. 
Oberhalb Chavrids Grond biegt der Weg durch das 
schauerlich-wilde Vallatschatobel und über die Terrasse 
von Plan Parpan durch Wald stärker nach N. aus, worauf 
er in Kehren den Steilhang hinab in die Bachschlucht 
steigt, wo die den RuhmdeB Thaies begründenden arsen- 
ttaltigen Eisensäuerlinge der • Aua Forta » rinnen. Sie 
entspringen in einer Hohe von 1471 m hart am Bache 
und können längs der linken Thalseite auf der^ Strasse 
von Remüs über Manasund von hier auf einem Waldweg, 
oder auch von Remüs und der Burgruine TschanüfT aus 
auf neuem Wege der Tiefe dieser Thalseite entlang (in 
,P V. Stunden) erreicht werden. Sent-Sinestraquellen 1 V«- 
2 Stunden. Remüs- Manas-Sinestraquellen 1 Stunden. 
Die 1898-1900 neu gegasten Quellen liefern nun in 4 1 statt 
der frühern 19) Strängen 162 Minutenliter, ein genügen- 
des Quantum, um täglich mehr als 1200 Bäder zu speisen. 
Bei den Quellen steht ein kleines Badhaus. Man geht mit 
dem Gedanken um. auf dem Plateau von Tschern bei Sent 
für den Gebrauch der Heilquellen ein Kur- und Badchotel 
im grossen Stil zu errichten. Die Mineralquellen von Val 
Sinestra zeichnen sich durch ihren erheblichen Gehalt 
an arseniger Säure und Borsäure aus. den sie im übrigen 
mit einer Mannigfaltigkeit in ihrer Mineralisation ver- 
binden, wie sie von schweizerischen und ausländischen 
Mineralquellen von hervorragender therapeutischer Be- 
deutung nur selten erreicht und nicht übertroffen wird. 
Die vier Quellen heissen Ulrich-, Thomas-, Johannes- 
und Konradinquelle. Die Ulrichquelle. die bei einem Ge- 
halt an festen Bestandteilen von 41,45 gr in 10000 gr 
Wasser 0,0453 gr arsenige Säure 1 AsO,>enthält, steht nach 
Nussberger hinsichtlich ihrer Zusammensetzung unter 
den bündnerischen Heilquellen geradezu einzig da. Der 
allgemeine chemische Charakter der Sinestraquellen 
ist im übrigen der von eisenhaltigen, alkalisch-rouriati- 
schen Mineralwässern mit grosser Menge gelöster Kohlen- 
säure. Ein anlässlich der neuen Graharbeiten 1898 bei 
der obersten und stärksten Quelle gefundener Topf gehört 



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SIN 



SIN 571 



nach Form und Bearbeitung dem 14.-15. Jahrhundert an 
und beweist, dasa die Sinestraquellen schon früh bekannt 
gewesen sind. Doch bekümmerte man sich erst in den 
50er-60er Jahren des 19. Jahrhunderts ernstlich um deren 
Verwertung. 

Wenden wir uns von den Quellen wieder auf das Pla- 
• teau der rechten Thalseite der Urancia, so führt uns 
der alte Weg zunächst über das schreckliche, oben und 
seitwärts in wilde Felsenrisse sich verzweigende Tobel 
des Val da Ruinas, dessen Lawinen und reissende Wasser- 
fluten früher den obern Teil der Sinestraquellen des öf- 
tern verschüttet haben. Dann gelangt man in n. Richtung 
nach dem einsamen, romantisch gelegenen Hofe Zuort 
(1719 m), von wo auch Muttier und Summerspitz erstie- 
gen werden können. Gegenüber befinden sich auf der 
andern Bachseite die Erdpyramiden unter Pra San Feder. 
Schon haben Valmains und Val Laver sich mit dem Ilaupi- 
thal vereinigt. Weiter nordwärts erreichen wir die Berg- 
hütten von Griosch (1818 m), wo wir uns bereits im Val 
Chöglias. dem längsten Quellthal des Val Sinestra. be- 
linden. Val Laver und Val Chöglias haben Bergwiesen 
und mehrere Alpen (Muranza, Pra San Florin, Patschai 
und Chöglias), die der Gemeinde Sent gehören, während 
die Alpen Pradalsch und Pradgiantam W.- und NW.-Fuss 
des Piz Arina. sowie eine Alp Chöglias Eigentum von 
Remüs sind, lieber dem Gebirgskamm des Fimberpasses 
drüben im österreichischen Fimberthal, wo die Heidel- 
bergerhütte des Deutschen und Oeaterreichischcn Alpen- 
vereins (2*265 mi steht, befinden sich noch die Alpen 
Fenga und Kleinfenga, von denen jene Sent, diese Remüs 
gehört und die beide verpachtet werden. Das ganze rechts- 
seitige Gehänge des Val Sinestra ist auf Gebiet von Sent 
gelegen, und der reiche Wald dieser Gegend schliesst sich 
den weitern grossen Beständen an, welche diese Ge- 
meinde im Cinathal und seiner Umgebung auf der 
rechten Seite des Inn besitzt. Die linke Thalseite von Val 
Sinestra und am Bache aufwarte durch Val Chöglias bis 
auf den Grat über der Alpe Chöglias samt den o. Neben- 
thälern ist Eigentum der Gemeinde Remüs. 

Bodengrundlage des Thaies sind versteinerungsleere En- 
gadinerachiefer unbestimmten Altera, denen in den grös- 
sern Uöhen mesozoische Schiefer, Lias- oder Allgäuschie- 
fer und KreidellvKeh, aufgesetzt erscheinen. Auch die 
Quellthälcr des Hintergrundes verlaufen im Wesentlichen 
in diesen ausTonschiefern, Kalktonschiefern und Kalksand- 
steinen bestehenden Komplexen, und nur die höchsten 
Gipfel im N., sowie die Kämme und Horner im W. gegen 
das Fluchthorn hin zeigen grosse Veränderungen in der 
Schieferserie, und zwar durch das Auftreten von Grün- 
schiefern, sowie am Piz Nair und Piz Champatsch durch 
Einschaltungen von Serpentin und Diabas (Variolit-)ge- 
steinen. Im ganzen sind die beiden Schieferserien etwa 
1000 m mächtig, waa durch weilgehende Aufteilung und 
Zusammenstauchung sich erklären lässt. Bei den Mineral- 
quellen von Val Sinestra — im Vallalschalobel und am 
Ausgang des Val Laver finden sich übrigens noch Eisen- 
säuerlinge — ist der Engadinerschiefer durchaus phylli- 
tiach. Er enthält hier zahlreiche Glimmer- und Serizit- 
blättchen, sowie in Menge eingesprengten Schwefelkies, 
dessen intensive Verwitterung die Bildung von freier 
Schwefelsaure zulässt. Deren letztern Angriffauf Karbonat- 
geateine schreibt Dr. Nussberger den Kohlensäuregehalt 
der Quellen zu. Die starke Verwitterbarkeit der Schiefer 
bedingt zusammen mit dem verhältnismässig recht mil- 
den Klima die Fruchtbarkeit der Gegend, den reichen 
Waldwuchs im Thal, sowie die mit üppigem Pllanzen- 
wuchs ausgestatteten grünen Weiden, Gründe und Hänge 
der Alpen. Als besonders bemerkenswert möge erwähnt 
werden, daas beim Hofe Zuort (1719 m) noch Gartenge- 
müse, Roggen und Flachs mit Erfolg gezogen werden. 
Dagegen ergeben sich aus der grossen Veränderlichkeit 
der Schiefergesteine unter dem Einflusa der Atmosphäri- 
lien, sowie aus den Rutschungen in den Gebieten mit 
tonig- blätterigen, weichen Schichten schreckliche Bilder 
der Zerstörung und Zerrissenheit, besonders im mittlem 
und im rechtsseitigen vordem Thalabschnitt. Die Sohle 
des Val Sinestra ist an zahlreichen Stellen auf weile 
Strecken hin mit enormen Geschiebe- und Schuttmassen 
aufgefüllt [Chavrids Grond und Chavrids Pitachen. Plan 
Parpan, Thalboden von Zuort und Ausgänge der Queli- 



thäler). Nicht selten bedecken Schutt und Geröll auch 
Lager eines mitunter vorzüglichen Lehmes, so z. B. über 
den Mineralquellen, wo ein blaues, bildsames Produkt, 
von Plusskiesen überlagert, am Gehänge zu treffen ist. 
Ua Vallalschalobel stehen a^de." linken Bachseite ^aus 

Pyramiden, ebenso in der Rüfe unter Plan Parpan; unter 
Pra San Peder gegenüber Zuort erreichen dieBe Bildungen 
eine imposante Grösse, so dasa sie eine Sehenswürdig- 
keit des Thaies bilden. Durch das ganze Gebiet von Val 
Sinestra sind zahlreiche erratische Blöcke verstreut. Die 
Grundmoränen mit Geschiebelehm am Auagang des Thüles 
am Inn haben wir bereits erwähnt. In der Gegend des 
Piz Tasna. Piz Nair und Piz Champatsch. d. h. rings um 
den tiefen Kessel von Val Tiral, eines Seitenlhales des 
Val Laver, tritt Serpentin auf. Tiral erscheint dadurch 
als eine wahre < Totalp», deren Vegetationslosigkcit und 
trostlose Wildheit nicht leicht von einer andern Gegend 
übertreffen werden dürfte. Von Mineralien findet man im 
Gebiete des Val Sinestra : Kalkspat, Doppelspat, Berg- 
kristall, Schwefelkies (Pyrit), Serpentinasbest, Realgar 
und Auripigment, welche beiden letztern Arsenmineralien 
auf Chavrids Pitschen entdeckt worden sind. 

Bibliographie. Theobald, G. Geologische Beschreibung 
der nördl. Gebirge von Graubünden. {Beiträge zur geo- 
log. Karle der Sehtceiz. II). Bern 1863. — Steinmann, G. 
Das Alter der Bändnerschiefer (in den Berichten der 

Saturfursch. Gesellsch. zu hreiburg i. Br. 10, 1898). 

Paulcke, W. Geolog. Beobachtungen im Antirälikoti (in 
den Berichten der Naturforsch. Gesellsch. zu Fre>burg 
i. Br. 14, 1904). — Nussberger. G. Chemische, physikalisch- 
chemische und baktennlog. Untersuchung der Mineral- 
quellen von Val Sinestra. Chur 1903. — Husemann. Aug., 
und Ed. Killias. Die arsenhaltigen Eisettsäuerlinge von 
Val Sinestra bei Sent. Chur 1876. - Lardelli. A. D<e 
kohlensäurereichen Arsen- Eisen quellen des Val Sinestra. 
Chur 1900. [Dr Ch. Tarnvmkr ] 

singine (Kt. Bern und Freiburg). Fluss. S. den Art. 
Sense. 

8INGI ne. Bezirk des Kantons Freiburg. S. den Art. 
Sexse oder Sensebezirk. 

SINGINE CH AU DE und SINGINE FRO IDE (Kt. 
Bern und Freiburg). Quellllüsse der Sense. S. diesen Art. 

SINGLE (PAS oder SENTIER DU) (Kt. Neuen- 
burg, Bez. Val de Travers). Sehr malerischer Fussweg, 
der von der im Hintergrund des Creux du Van (1148 m) 
gelegenen Fontaine Proide auf den Bergrücken zwischen 
der Grand'Vv und La Baronne (1430 m) hinaufführt. Der 
untere Abschnitt verläuft auf dem mit Tannen bestan- 
denen Schutlhang, während der obere Teil durch die den 
Creux du Van umrahmenden Sequan- und Kimeridgefelscn 
leitet. Den Rücken erreicht der Pfad ganz nahe der Arete 
du Vertige. 

SINGLINE (ALPE DE) (Kt. Wallis, Bez. Siders. 
Gem. Ayer). 1700-2700 m. Alpweide nahe Zinal, am Fuss 
des Kammes, der die Garde de Bordon mit der Corne de 
Sorebois verbindet. Ist zum grossen Teil felsig und, be- 
sonders im obern Abschnitt, steil gehuscht. Zwischen 1900 
und 2100 m befinden sich sechs Hütten, zwei Käsekeller 
und zwei Ställe. Die Alp wird vom 28. Juni bis 21. Sep- 
tember mit 130 Stück Grossvieh bezogen. 

sinqline icol DE) (Kt. Wallis, Bez. Siders). Etwa 
2850 m. Dem Col de Sorebois benachbarter und paralleler 
Passubergang zwischen dem Punkt 2888 m und der Pointe 
de Singline (3145 m). Verbindet Zinal über die Alpe de 
Singline in 5 Stunden mit der Alpe de Zätelet-Praz im 
Val Moiry. Sehr schwierig und nur selten begangen. Auf 
der Siegfriedkarle unbenannt und ohne Hohenkote. 

SINGLINE (POINTE DE) l Kt. Wallis, Bez. Siders). 
3145 m. Gipfel in der das Val de Zinal vom Val de Moiry 
trennenden Kette, zwischen dem Col de Sorebois und 
dem Gipfel der Garde de Bordon. Kann von Zinal her über 
die Alpe und den Col de Sorebois in 4 1 /* Stunden un- 
schwierig erstiegen werden. Sehr schöne Aussicht auf 
Weisshorn und Grande Couronne. Auf der Siegfriedkarte 
unbenannt. 

SINIESE(LA) kt. Wallis, Bez. Siders |. 2400-541 m 
10 km langer Wildbach ; entspringt dem Fuss des Sex 
Mort oder Tothorns zwischen dem Tubang und dem Mont 
Bonvin, wendet sich aus seinem einsamen und öden Quell- 



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573 



SIN 



SlO 



Ihälchen nach S., bildet 1 km ö. vom Col de Pochet 
einen etwa 30 m hohen Fall, trennt dann die Alp- 
weidcn Colombire und Pepinet und durchzieht eine 
von Lichtungen durchbrochene Waldzone, aus der 
er oberhalb der Dörfer Randogne und Möllens in etwa 
1200 m Höhe heraustritt. Von hier wendet »ich die 
Siniese nach SO., durchfliegst die Gemeinde Mollena, bil- 
det auf eine kurze Strecke die Grenze zwischen den Ge- 
ineinden Venthöne und Miege und zieht durch die Ge- 
meinde Veyraa, um <>. vom Weiler Glarey auf Hoden 
der Gemeinde Sidera überzutreten. Sie biegt nun nach 
O. ab und vereinigt sich nach einem bloss 1 km langem 
l auf in der Ebene von recht« mit der Haspille, die 200 m 
weiter unten von rechts in die Rhone mündet. Wasser- 
führung und Nebenadern wenig bedeutend. 

Sinneringen (Kt und Amtsbez. Hera, Gem. Ve- 
chigen). 563 m. Gemeindeableilung und Dorf im Worblen- 
thal, an der Strasse BernSteltlen-Worb und 3 km nw. 
der Station Worb der Bern-Worb-Rahn. Telephon. Zu- 
sammen mit Boll : 56 Häuser, 406 reform. Kw. ; Dorf : 30 
Häuser. 237 Kw. Kirchgemeinde Vechigen. I .and Wirtschaft. 
Sehr alte Siedelung. Kunde von römischen Bädern und 
Münzen, l-andgut. ehemals Wohnsitz des Malers August 
von Bonstetten (1796-1879i. 126t und 1275: Sineringen. 
von althochdeutschen Personennamen Sinheri. 

8IN8 (Kt. Aargau, Bez. Muri, Gem. Meienberg). 413m. 
Gemeindeabteilung und Pfarrdorf in obstbaumreicher 



1 




Siot vod Sadcn. 

Gegend am linken Ufer der Reusa. Station der Linie 
Aarau-I.enzhurg- Rotkreuz. Postbureau, Telegraph. Tele- 
phon. 62 Häuser, 345 kathol. Kw Ohst- und Wiesenbau. 
Viehzucht und -handel. Säge und Mühle. Sekundarsrhule. 
Pfarrkirche. Buchdruckerei. Im zweiten Villmer«erkrieg 
(1712) halten die Berner nahe Muri ihr Lager aufgeschla- 
gen und in das Dorf Sins ein aus Infanterie und Kavallerie I 
bestehendes Reobachttingskorps vun 11)00 Mann gelegt, 
das in der Nacht vom 19. auf den 20. Juli von 4000 Zugeni, 
Schwyzern und Unterwalilnern uberraseht wunle. Wah- 
rend sich die Mehrzahl der Truppe nach Muri zurückzog, 
verteidigte der Rest unter Oheist Monnier den Friedhof 
und die Kirche, um nach heftiger Gegenwehr getötet oder 
gefangen zu werden. Im Sonderbundskrieg Hess Oberst 
Klgger 1847 die Brücke von Sins sprengen, die dann vom 
Kanton Zug wieder hergestellt worden ist. 1236: Sina; 
1246: Sinz; 1261 : Sindea; 1310: Sins. Das Wort iat vom 
althochdeutschen sind — Weg herzuleiten und bezog sich 
ursprünglich auf einen über die Reusa fuhrenden Steg. 

SINS i Kt. Graubünden, Bez. Inn). Wenig übliche 
deutsche Bezeichnung für Sent. S. diesen Art. 

SINS (ALT), romanisch PasQl'Al. (Kt. Graubunden, 
Bez. Heinzenberg. Kreis Domleschg, Gem. Paspela). 797 m. 
Restaurierte kleine Burg am W. -Ausgang des Dorfes 
Paspels: 3 km nö. der Station Rodels- Healta und 3.9 km 
ssö. der Station Rotenbrunnen der Albulabahn. Postwagen 
Rotenbrunnen - Rodels - Realta. 2 Häuser , 15 Kw. Ehe- 
maliger Besitz der Grafen von Werdenberg - Sargans. 
Wurde im Schamserkrieg zusammen mit Neu Sina zer- 
stört und sollte nach einer zwischen den Leuten desobern 
Rundes und dem Grafen von Werdenberg-Sargana ge- 
troffenen Uebereinkunft nie wieder aufgebaut werden. 
Wunle bis vor kurzem auch Alt Zeusen berg genannt. 



990: Sünnea; 1160: Sunnes und ad Sindea; 1178: in vico 
Sinde. Vom latein. Benin — Dorn herzuleiten. 

SINS (NEU) (Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg. 
Kreis Domleschg, Gem. Paspels). 833 m. Burgruine, auch 
Neu Zeusenberg genannt ; auf einer Anhöhe 1 km aö. Alt 
Sins 4,9 km aaö. der Station Rotenbrunnen und 2,5 km nö. 
der Station Rodels-Realla der Albulabahn. Bestand ur- 
sprünglich au» einem Rundturm, von dem heute nur noch 
die n. Hälfte erhalten iat, die den Namen Ganova trägst. 
Im Jahr 1600 gehörte Neu Sins dem Andreas von Sahs. 
dessen Sohn sie 1634 austauschte. 1385: Castrum Novi 
Siins. Vergl. den Art. Stss (Alt). 

SINBERHCEFE (Kt. Aargau, Rez. Muri. Gem. Meien- 
berg). 435 m. 4 zerstreut gelegene Hofe, 1 km s. der Sta- 
tion Sins der Linie Aarau-Lenzburg-Rolkreuz. 20 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Sins. Viehzucht. 

SINSQaueraLP Kt. Nidwaiden, Gem. Wolfen- 
schiessen). 1420-1771 m. Alpweide mit 6 Hütten, in einem 
Thälchen zwischen dem Brisen und dem Kaiserstock, 
9 km so. Wolfenschiessen. Eigentum einer Korporation. 
Wird mit 200 Kühen bezogen. Herstellung von Käse. 
Liegt am Fussweg, der von Ober Kickenbach über die 
Schonegg nach Isenthal im Kanton Uli hinüberführt. 

sinsqauer jcechli (Kt. Uli und Nidwaiden). 
2098 m. Passübergang im SO.- Grat des Höh Krisen (2420m). 
zwischen diesem und dem Maisander (2140 m). Verbindet 
Isenthal über die Gitschenalp, Sinsgaueralp und Ober 
Rickenbach in etwa 7 Stunden mit 
Wolfenschiessen und ist sehr leicht 
zu begehen. 

■ION oder SlONEN i Kt. Aar- 
gau. Rez. Zurzach, Gem. Klingnau). 
325 m. Ehemaliges Wilhelmitor- 
priorat sö. vom Flecken Klingnau. 
, . Das von den Freiherren von Kling- 

nau gestiftete Kloster ging infolge 
schlechter Verwaltung zurück und 
kam darum 1539 an das Kloster 
Wettingen, von welchem es 1610 an 
die Benediktinerabtei St. Blasien 
im badischen Schwarzwald über- 
ging, die hier 6-7 Mnnche mit einem 
Propst unterhielt und eine Schule 
errichtete. Letzter Propst von Sion 
warder gelehrte Archäologe Bert hold 
Rottler, der später zum Fürstabt 
von St. Blasien gewählt wurde und 
»ich 1807, anlässlich der Aufhebung der Abtei, mit sei- 
nen Mönchen in das ihm vom Kaiser von Oesterreich 
zur Verfügung gestellte Kloster St. Paul in Kärnten 
zurückzog. 1725 übertrug man dem Propst ton Sion 
das Seelsorgeramt, die niedere Gerichtabarkeit und den 
Steuereinzug von Tegerfelden. Kirchdorf und Endin- 
gen. Die Güter des 1807 aufgehobenen Klosters wurden 
von der aargauischen Regierung eingezogen. Einziges 
schweizerisches Kloster des genannten Ordens. Nach 
der Aufhebung wunle das Klostergebäude einige Jahre 
lang von einem Aarauer Geschäftshaus als Baumwollen- 
fabrik benutzt. 

SION. Bezirk, Gemeinde, Stadt und Bistum im Kan- 
ton Wallis. S. die Art. Sitten. 

SION (KLOSTER BERG) (KL St. Gallen, Bez. See, 
Gem. Gommiawald). 706 m. Einziges Frauen k losler vom 
Orden der Prämonstratenser in der Schweiz, unmittelbar 
unter dem Rickenpasa in wiesen und obstbaumreicher 
Landschaft prachtvoll gelegen; 1 km w. der Posistrasse 
Uznach-Ricken- Wattwil und 5 km n. der Station Ui- 
nach der Linie Rapperswil-Weesen. Ein Gebäude mit 
59 kathol. Ew. Das Kloster wurde 1767 von Joseph Hely 
gestiftet und mit Nonnen aus dem schwäbischen Kloster 
Schussenried bevölkert. Sollte 1H06 aufgehoben wer- 
den, wurde dann aber von der Regierung des neuen 
Kantons St. (lallen beibehalten. Das Kloster ist sehr 
arm, so dass die Nonnen ihren täglichen Unterhalt 
durch Anbau des Bodens sich erringen müssen Die 
Vorsteherin trägt den Titel einer Priorin. Das Klos- 
tergebäude ist bequem eingerichtet und datiert aus 
1775. Prachtvolle Aussicht auf den ubern Zürichs«, e und 
seine Umgebung. 

SION (MAYENS DK) (Kt. Wallis, Bez. Herens und 



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Slü 



SIH 



573 



Sitten). Wiesen und Weiden mit zahlreichen Hütten. 'S. 
den Art. Ma\ kns oe Sion. 

•ION (MONTS DK) (Kt. Wallis, Ii. / Conthev und 




Kl -vter 0«rg Sioo von OMon. 



Entremonti. Höchster Punkt 3047 rn. So nennen ver- 
schiedene Autoren den Felskamm zwischen dem Col de 
la Chaux und dem Moni Fort, der sich über der Alpe de 
la Chaux erhebt und den dlacier du Munt Fort im SW. 
umrahmt. Dieser bei den liewohnern des Itagneslhales üb- 
liche Name dient ihnen zur Bezeichnung der Richtung, 
in welcher von ihrem Thal aus die Stadt Sitten liegt und > 
ist sowohl auf der Dufour- wie der Siei: friedkarte adop- 
tiert worden. Der benachbarte t'.ol de la Chaux wird auch 
in der Tat als Obergang nach Sitten benutzt. 

sionge <A LA) {Kt. Freiburg, Bez. Greierz, (iem. 
Vaulruz und Säles). 830 m. Gruppe von 8 Häusern ; 2.5 km 
■w. der Station Vaulruz der Linie Bulle-Romonl. 64 ka- 
thol. Ew. Kirchgeroeinden Säles und Vaulruz. Ackerbau 
und Viehzucht. 

SIONQE (LA) i Kt. Freiburg. Bez. Greierz). 843-617 in. 
Linksseitiger Zufluss der Saane; entspringt in den Sum- 
pfen der Gemeinde Vaulruz. wendet sich nach NO. und 
geht an La Sionge, Vaulruz, A la Faucilliere, Hiaz, Echar- 
Fens und Vuippens vorbei, um unterhalb Le Praz des 
Auges (Gemeinde Gumefens) zu münden. Erhält vom 
MontGibloux und den Alpeltes her zahlreiche Nelienadern, 
deren wichtigste von rechts der Huisseau des Mosses, der 
Oiron, der Bach von Biaz und derjenige von Echarlens, 
von links die Bäche von Lea Morels, La Gissettaz, Le 
ChafTa und Joulin, der Gerignoz und. nahe der Mündung, 
der Buisseau de Malussen sind. Die Sionge ist 15 km lang 
und hat ein mittleres Gefälle von 15" ,„. Der Oberlauf 
ist nur wenig tief eingeschnitten und wird daher indu- 
striell stark ausgenutzt I verschiedene Mühlen und Sägen, 
worunter eine Mühle und zwei Sägen in Vuippens). Von 
Vuippens an fliegst der Bach bis zu seiner Mündung in 
einem tiefen Tobel, so dass er hier der Industrie kaum 
mehr dient. Ziemlich fischreich (ausgezeichnete Forellen). 
Einzugsgebiet bei Biaz 33.7 und an der Mündung 63,1 
km 1 . Der Bach ist auf fast seiner ganzen Lange verbaut 
und liat nun ein 4-15 m breites Bett. Durch die wohl er- 
wogenen Korrektionsarbeiten erscheint nun jede Hoch- 
wassergefahr ausgeschlossen, so dass das umliegende 
Land in Sicherheit angel»aut werden kann. Die Kosten 
werden im ganzen etwa 125 000 Fr. betragen. 1315: Syonsi: 
1381 : Sionse. 

SIONQE (LA) Kl Freiburg. Bez. Greierz, Gem. Bulle). 
761) m. Gruppe von 3 Häusern, am rechten L'fer der Sionge 
und 2.5 km nw. der Station Bulle der Linie Bomont-Bulle. 
15 kalhol. Ew. französischer Zunge. Kirchgemeinde Bulle. 
Ackerbau und Viehzucht. 

SIONNE (LA), deutsch SiTTEH (Kt. Wallis, Bez. 
Sitten). II km langer Wildbach, der sich von rechts mit 
der Bhone vereinigt. Er bildet sich aus einer intermit- 
tierenden Quelle, die auf der Alpe de la Combe einer 
zwischen dem Six Neir und dein Ghamossaire befindlichen 
senkrechten Felswand in 1860 m entspringt. Eigentümlich 
ist dieser Quelle, dass sie im Hochsommer während des 
Vormittags trocken liegt und biossam Nachmittag plötz- 
lich zu Tage tritt, worauf sich ihr Wasser etwas tiefer 
unten unter dem von den Steilhängen des l'raz Bocca 
herabgestürzten Schult verliert, um unter dieser Decke 



gegen S. zu Iiiessen. Ein anderer Ouellarm der Sionne 
entsteht aus den Schmelzwässern des Glacier du Brozet, 
die auf unterirdischem Wege die am S.-Fuks des Wild- 
horns gelegenen kleinen Seebecken ohne oberflächlichen 
Abfluss speisen. Nachdem sich die Quellarme in der Combe 
d'Arbaz gesammelt, schneidet sich die Sionne eine immer 
tiefer werdende Schlucht ein. in der sie nach 5 km lan- 
gem Lauf von rechts den Drahen, ihren von dem Kamm 
zwischen dem Prab^ und der Cretabessa herkommenden 
beträchtlichsten Nebenarm, erhält. Zwischen denTerrassen 
von Grimisuat und Saviese tritt sie. nachdem ihr noch der 
Oberlauf verschiedener Wasserleitungskanäle (sog. Bis- 
ses) zugekommen, in die Bhoneebene, in der sie den die 
Stadl Sitten tragenden grossen Schuttkegel aufgeschüttet 
hat. Der wasserreichste Bisse ist der 1003 erstellte 
Nouveau Bisse, der den Anwohnern der untern Sionne 
als Ersatz für das Wasser der von der Stadl Sitten zu 
ihrer Trinkwasserversorgung gefassten Quelle \on La 
Fille dient. Nördl. Sitten treibt der Bach verschiedene 
Mühlen, Sägen und Fabrikanlagen, worauf er dem W.- 
Fuss der Hügel von Tourbillon. Majoria und Valeria folgt, 
um dann in jetzt zugedecktem Kanal unter der Bue du 
Grand Pont durchzugehen und von Sous le Sex an in 
neuerdings offenem Lauf sich nach SO. zu wenden. Die 
Mündung erfolgt 600 m von Valeria entfernt in 490 m 
Hohe. Das Einzugsgebiet misst 29 km 1 . Die Sione hat in 
frühern Jahren in Sitten öfters Wasserverheerungcn an- 
gerichtet. Vergl. darüber auch den Art. Sittkn (Stadt). 

BIONNKT (Kl. Genf, Linkes l'fer. Gem. Jussy). 
447 m. Weiler 8 km no. Genf. Station der elektrischen 
Bahn denf-Jussy. 14 Häuser. 62 reform, und kalhol. Ew. 
Kirchgemeinde Jussy. Wesll. der Hauser dehnt sich 
der von der Seimaz gebildete grosse Marais de Sinnnet 
aus, der etwa 55 ha uiisst, die Wasser der Bäche Cham- 
bei und Lhamboton erhält und im Winter den Schlitt- 
schuhläufern als Eisfeld dient. Sionnet kam 1754 infolge 
eines Vertrages mit dem Konig von Sardinien an Genf, 
das den Ort seinem Mandament Jussv angliederte. 

S I RN ACM (Kt. Thurgau. Bez. Münchwilen). 545 m. 
Gem. und Pfarrdurf. am rechtsseitigen Gehänge des 
breiten Murgthales und an der Ausmundung des Thaies 
von Fischingen. Station der Linie Zürich-Wmterthur-St. 
Gallen. Poslbureau, Telegraph, Telephon ; Postwagen 
nach Fischingen. Die «ehr ausgedehnte Gemeinde um- 
fasst ausser dem Hauptdorf noch die Dörfer, Weiler und 
Häusergruppen Busswil. Hub. Littenheid, Eschlikon, Hor- 
ben, Egg, Hurnen, Münchwilen, Mezikon, Oberhofen, 
Frendenberg. Holzmannshaus. St. Margarethen. Sedel, 
Büfelden, (Holen, Hofen, Wallenwil und Wiezikon. Zu- 
sammen : 78fi Häuser. 4418 Ew.; Dorf: 153 Häuser, 915 
Ew. 2441 l;. 'formierte und 1975 Katholiken. Wiesen und 
W r ald. Während Sirnach ums Jahr 1860 noch ein ann- 
seliges Dorfchen war, hat es sich seither durch die sich an- 
siedelnde Industrie zu einer behäbigen Ortschaft mit 
schonen Häusern und zahlreichen Villen umgewandelt. 
Mechanische Weberei . Maschinenslrickerei, Stickerei 
u. a. Industrien beschäftigen hier mehr als 1100 Arbeits- 
kräfte. Die jetzige Kirche stammt aus 1868 und dient dem 
Gottesdienst beider Konfessionen. Sirnach erscheint ur- 
kundlich zum erstenmal 790 und wurde von den Grafen 
von Toggenburg dem Kloster Fischingen geschenkt. Einer 
Kirche zu Sirnach begegnen wir in den Urkunden seit 1215. 
1362 vereinigte Bischof Heinrich III. von Konstanz das Ge- 
biet von Sirnach mit Fischingen, das nach der Deforma- 
tion dieses Ortes wegen in beständigem Hader mit Zürich 
lag und. von seinem Kollaturrecht Gebrauch machend, so- 
gar unwürdige Personen an die reformierte Pfarrei Sirnac'i 
berief, die sie zudem so schlecht dotierte, das Zürich von 
sich aus eine Gehaltszulage entrichtete. In einer Torf- 
grube hat man ein Bronzebeil und nahe dem Friedhof 
Alemannengräber aufgefunden. 790: Sirinarh ; 882: Sir- 
nacha. 

SIRTEN STOCK (Kt. Uri). 2305 in. Gipfel in der das 
Schächenlhal vom Muotathal trennenden Kette derSchä- 
chenlhaler Windgallen, auf dem vom Hauplkamm nord- 
wärts abzweigenden Grat sö. über dem Kinzigkulm. Kann 
von Muotathal her über Wängi. Bindermatt und den N.- 
Grat in .V , Stunden erstiegen werden, hat aber tou- 
ristisch keine grosse Bedeutung und wird nur selten be- 
sucht. 



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574 



SIR 



SIH 



SIRTI (KL Teaain. Dez. Locarno, Gem. Palapcdra). 
490 m. Kirche 17 km w. Locarno, im Centovalli. War 
früher der gemeinsame ßeratungsplatx der 
Bewohner von Borgnone, Palagnedra und 
Ha&a. welche Dörfer bis ums Jahr 1850 eine 
einzige Gemeinde bildeten. Am ersten Sonn- 
tag im September feiert man hier das Fest 
der h. Schutzengel. 

tIRWOLTENHORN (Kt. Wallis, ßez 
Visp und Brig). Gipfel. S. den Art. Schilt- 
hohn. 

sirwoltenpass (Kt Wallia, ßez. 
Visp und Brig). 2664 m. Passübergang 
zwischen dem Sirwoltenhorn und dem Galen- 
horn, in der den Passscheilel des Simplon 
vom Gainserthal trennenden Kette. Verbindet 
das Simplonhospiz mit dem obersten Gam- 
serthal. von wo aus man über den Ristinen- 
pass nach Slalden hinüber gelangen kann 
(im ganzen 7 Stunden). Der Sirwoltenpass 
ist schon seit alten Zeiten bekannt und 
begangen. 

sirwoltemsee (Kt Wallis, Bez. 
Brig). 2470 m. Gebirgssee in einem öden und 
hochgelegenen Kar am O.-Fuss des Sirwol- 
tenhorns und Galenhorns, durch deren Firn- 
felder er gespiesen wird. Der dem See ent- 
springende kleine Wildbach stürzt «ich 300 m 
weiter ostwärts über eine 100 m hohe 
Wand und erreicht über Klusmatten die IJoveria, in 
die er 1,3 km s. vom Alten Spital von rechts mün- 
det. Den Namen soll der See von der milchiglrüben 
Farbe (Sirwolten = Schotten) seines Wagners erhalten 
haben. E 

8 1 BEI» BN (Kt. Bern, Amtsbez. Erlaehi. 46T> Da. Gem. 
und Pfarrdorf auf einer Anhöhe im Grossen Moos, an der 
Strasse Aarberg-Ina und 6 km no. der Station Muntsche- 
mier der direkten Linie Bern-Neuenburg. Postbureau, 
Telegraph, Telephon; Postwagen Müntschemier-Siselen- 
Aarberg. 104 Häuser. «Ol reform. Ew. Acker- und Gemüse- 
bau. Viehhandel. Gehörte bis 175)8 zur bernischen Laiid- 
voglei \iilau und kam dann zum Amtsbezirk Erlach. 
Kirche mit abgestutztem Glockenturm. 2 km n. vom Dorf 
verläuft der Hagneckkanal, der das Moor in derl'mgebung 
desselben teilweise trocken gelegt und dem Anbau zu- 
gänglich gemacht hat. 1228: Sisilli ; 1265: Sisille ; 1321 : 
Siseilo. 

8ISET8CM (Kt. Wallis, Bez. Viap, Gem. Zeneggen). 



Zeneggen. 1250: Siaiez; 1282: Sii7ch; 1339: Sisilz. Der 
Name entspricht genau dem deutschen i Zeneggen i, 





Staikuo Kegati den t ri RoUtock. 

1203 na. Gruppejvon 6 Häusern, im Aeschengraben unterhalb 
derTerraase von Zeneggen ; 2 km n w.der Station NeueBrücke 
der Linie Visp-Zermatt. 29 kathol. Ew. Kirchgemeinde 



Sisiach voa Norden. 

sisqau (Kt. Baael Land). Ehemalige Grafschaft. 
Schon als im 4. und 5. Jahrhundert die Alemannen Besitz 
von unserm l-ande nahmen, müssen sie in kleinere 
Stämme zerfallen sein. Darauf deutet die Verschiedenheil 
der Dialekte, deren Begrenzungen nicht immer mit denen 
der Kantone übereinstimmen. Jeder Stamm erhielt einen 
Landesteil, welcher Gau, ttagu* oder comitatut genannt 
wurde. Die Franken, welche durch den Sieg Chlodwigs 
im Jahr 496 die Herrschaft über die Alemannen gewannen, 
behielten im wesentlichen diese Einteilung bei. Später 
spalteten sich aber auch grossere Gaue in kleinere. Die 
beiden grossten waren wohl ursprünglich der Thür- 
gau und der Aargau. Von diesem wurden der Frickgau, 
der Augatgau und der Sisgau abgetrennt. Der Augatgau, 
dem die Rüroerstadt Augusla Hauricorum den Namen gab, 
erstreckte sich nach Urkunden des 8. und 9. Jahrhunderts 
über Teile des heutigen Frickthala, des Kantons Basel 
Land und das Gempenplateau und zerfiel nach einer Ur- 
kunde von 1041 als Grafschaft Äugst (Cintiilalut Augutta 
vocattu) in den Augstgau und den Sisgau. Da 
aber in diesem Jahre die beiden letztern verei- 
^^HH nigt von König Heinrich HL dem Bischof 
jh Theodorich von Basel geschenkt wurden, verlor 
•>"3J »ich allmählig der Name Augstgau, und man 
sprach bald nur noch von einem Sisgau. 
Inhaber dieser Grafschaft und zwar als bi- 
schöflicher Lehensmann war damals Graf 
Hudolf, der Stammvater des thiersteiniach- 
homburgischen (irafenhauses. Als um 1220 die 
ältere homburgische Linie ausstarb, wurden 
zuerst die Grafen von Froburg allein, dann 
aber 1275 Graf Werner von Froburg in Neu- 
homburg mit seinen Oheimen Rudolf von 
Hababurg und Ludwig von Froburg von Bischof 
Otto von Baael geineinsam mit der Landgraf- 
achaft Sisgau belehnt. Der letzte dea fro 
burgischen Hauses. Graf Johann, nahm 1363 
den Grafen Sigmund von Thieratein als Teil- 
haber an ; zugleich schieden die Grafen von 
Habsburg-Laufenburg vom Lehen aua, von dem 
wohl bei dieser Gelegenheit das Gebiet o. vom 
Violenbach abgetrennt wurde. Von da an 
reichte der Sisgau nach zwei Urkunden vom 
11. März und 17. Juni 1363 von der ßirsmün- 
dung den Rhein hinauf zur Ergolz, die Ergolz 
und den Violenbach hinauf bis hinter das 
Kloster Olsberg, durch den Oensberg bei 
Maisprach in den Buuserbach, dann in den 
Wegenstetterbach und hinter dem Wiachberg vorbei in 
den Bach, der in Rotenlluh in die Ergolz mündet, ferner 
die Ergolz hinauf zur Schafmatt, darauf dem Jurakamm 



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575 



und der Wasserscheide entlang Iiis zum Brücklein in 
Langenbruch hieraufder Hohe entlang bis zum Nunninger- 
bach, dann bis zum Heinwilersteg und 
den Räch hinunter in die Birs und 
den Bhein. Ks gehörte also nicht 
mehr zum Sisgau die apätere Herr- 
schaflRheinfelden mit den Ortschaften 
Kaiseraugst. Magden, Möhlin. Zcinin- 
gen und Olsberg, die noch nach der 
Reformation das Buralkapitel Siagau 
bildete, und auch nicht die jetzigen 
basellandschaftlichen Dörfer Anwil, 
Maisprach. Hotenfluh und zum Teil 
Buus ; dagegen lagen noch das Dorf 
Wisen und das jetzige solothurnische 
Amt l>orneck-'l hierstein rechts von 
der Birg innerhalb »einer Grenzen. 
Allein der Gerichtsbarkeit des Land- 
grafen waren entzogen die beiden 
Aemter Liestal und Homburg mit den 
Ortschaften l.iestal. Munuch. Lausen, 
Seltisberg. FullinsJorf. Läufelfingen, 
Bückten. Humlingen. Wittinsburg, 
Känerkinden. Häfeltingen und Thür- 
nen. wo sich der Bischof den Blut- 
bann, das Bergregal, Fisch-, Jagd-, 
Forst- und Zollrecht vorbehielt. Es 
war dies der Anfang eines Zersetz- 
ungsprozesaea, in dem sich ein Glied 
um das andere vom Ganzen losloste, 
bis zuletzt nur noch das Gebiet übrig 
blieb, in welchem die Grafen von 
Thierstein die unmittelbare Herrschaft 
ausübten, nämlich die Grafschaft 
Farnsburg. Biese ging im Jahre 1461 
an die Stadl Itasei über, welche schon 
früher die Aemter Licstal, Homburg 
und Waldenburg erworben hatte. So 
war mit Ausnahme des solothurni- 
schen Bezirka Thierstein wieder der 
ganze Sisgau vereinigt und bildete 
den grossten Teil der Landschart 
Basel. Betr. die Bibliographie a. die 
Art. Basel Land und Basel Stadt. 

SISIKON (Kt. I n). 456 m. Gem. 
und Pfarrdnrf am rechten Ufer des 
t'rncrsee* in einer Ausbuchtung zwi- 
schen Fronalpstock, Bophaien und 
Buggisgrat, an der Axenstrasse. sowie 
am Eingang ins Bicmenstaldenlhal. 
Station der Gotthardbahn und der 
Dampfboote. Poslbureau, Telephon. 46 
Hauser, 274 kathol. Ew. Als eigene 
l'farrei 1387 von Altorf abgetrennt. 
Die aus 1447 stammende Kirche iat 1878 »ergrösaert 
worden. Ackerbau. Alpwirtschaft und Viehzucht. Zahl- 
reiche Obstbäume. Bemerkenswert mildes Klima. « Wie 
geschützt das Dörfchen sich angesiedelt hat, geht daraus 
hervor, dass früher Weinbau mit Erfolg hier betrieben 
wurde und es Natural- Zehnten in diesem Produkt an 
die Pfarrei zu Altorf abgehen tpusste. » Beliebter und 
ruhiger Kurort. Schone Aussicht auf den Uri rotstock 
am jenseitigen Seeufer. Nahe Sisikon befindet sich die 
Tellskapelle. 1801 fiel vom Buggisgrat (1920 m) ein mäch- 
tiges Felsstück in den See unif verursachte eine Flutwelle, 
die mehrere Häuser und Ställe zerstörte. Dabei fanden 
10 Menschen den Tod, während ein in der Wiege liegen- 
des Kind von den Wellet, fortgetragen wurde und gerettet 
. 1173 : Sysinchon ; 1282 : Sisencum ; 1367 : 
Personennamen Siso herzuleiten. Vergl. 
Der Felttturz tu Sitikon (im Ge$chicht$- 
freund. 28). 

SISIZALP [Kt. St. Gallen. Bez. Werdenberg. Gem. 
Graba). 1800-2200 ni. Grosse Alpweide am N.-Hang des 
Margelkopfs. 210 ha Fläche, wovon 160 nutzbare Alpweide 
und 50 unproduktiver Boden. 3 Hütten und Ställe. 

sisizürat isisizerego (Kt. St. Gallen. Bez. 
Werdenberg, Gern Graba). 2017 m. Urgongrat zwischen 

äst sp»^£^s^Jtztfz 



schaltigen Stellen den ganzen Sommer Schnee, und es 
verschwindet ziemlich viel Wasser im Boden, das dann 






Zisikon ; 
den Art. 



teilweise wieder im Buchserbrunnen und im Werden- 
bergersee zum Vorschein kommt. 

SiSSACH. Oestlichster Bezirk des Kantons Basel Land 
mit einer Fläche von 13915 ha. Grenzt im N. an den 
Kanton Aargau. im 0. und S. an die Kantone Aargau und 
Solothurn, im W. an die Bezirke Waldenburg und Lies- 
tal. Zahlt folgende 21» Gemeinden : Anwil. Bockten, Bück- 
ten, Buus. Diepllingen, Gelterkinden. Häfeltingen. Hem- 
miken. Dingen, Känerkinden, Kilchberg. Läufellingen. 
Maisprach, N'usshof. Uhingen. Ormalingen. Bickenbach, 
Botenlluh, Biimlingen, Unnenberg, Sissach, Teckuau. 
Tenniken, Thürnen, Wenslingen, Wintersingen, Wittins- 
burg, Zeglingen und Znnigen. 3363 Haushaltungen in 
2184 Häusern. 16563 Ew., wovon 15815 Beformierte, 725 
Katholiken und 23 Juden. 61 Ew. französischer und 79 
italienischer Sprache. III» Ew. auf 1 km 1 . Die ViehsUti- 
slik ergibt folgende Ziffern : 

ins iwö 

Rindvieh . . 6077 6891 

Pferde ... 455 1<»3 

Schwein« . . 1388 181» 

Schafe ... 496 237 

Ziegen . . . 1039 1X31 

Bienenstöcke . 1691 2174 
Den Bezirk durchziehen die elektrische 
Cid tcrlc luden und die 



1901 

7044 
-186 
1647 
89 
1758 



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576 



SIS 



SIT 



den Stationen Liufeltin^en, Sommerau und Sissach. 
Hanptstrassen sind diejenigen des Ergolzthales, die Sia- 
sach mit Gellerkinden, Rotennuh, Anwil und Ollingen 
verbindet, sowie die Strassen Sisaach-Läufellingen-Hauen- 
stein-Ollen, Gelterkinden- Buus- Maisprach -Rheinfelden 
und Geltcrkinden-Möhlin. 

8IS8ACH (Kt. Basel Land, Bez. Sissach). 377 m. Gem., 
Pfarrdorf und Hezirkshauplort, im Ergolzlhal und 6 km 
oso. Liestal. Station der Linie Olten-Basel und der elek- 
trischen Bahn Sissach-Gelterkinden. Postbureau, Tele- 
graph, Telephon ; Postwagen Sissach - Eptingen. Ge- 
meinde : 314 Heuser. 2798 Ew. (wovon 234 Katholiken); 
Dorf: 284 Häuser, 25H0 Ew. Industrielles Dorf mit zwei 
Seidenbandfabriken, Maschinenindustrie und Bauge- 
schäflen. Funde aus der Bronzezeit : römische Wasser- 
leitung. Vergl. Bitterlin. Matth. Htuirag :ur Heimat- 
kunde der Gemeinde Sittach. Sissach 1892. 

SI88ELN (Kt. Aargau, Bez. Laurenburg). 307 m. 
Gem. und Dorf an der Mündung des Sisselnbaches in den 
Rhein, an der Strasse Rheinfelden- Laufenburg und 6,5 km 
w. Laufenburg. Station der Linie Koblenz-Slein-Basel. 
Postbureali. Telegraph, Telephon. 53 Häuser. 365 Kw. 
(wovon 13 Reformierte). Kirchgemeinde Eiken. Ackerbau 
und Viehzucht. Fischfang. Reste eines römischen Wacht- 
liirmes (tpecula). 

SIS8ELNBACH (Kl. Aargau, Bez. Laufenburg). 580- 
289 m. Bach des Frickthales, linksseitiger Zufluaa zum 
Rhein. Seine an derN. -Flanke des Jura zwischen Kienberg 
und Bützberg entspringenden (Juelladern sammeln sich 
' zum Brubbach und Hornusaenbach, die sich bei Frick 
zum eigentlichen Siaselnbach vereinigen. Dieser fliessl 
zunächst in w. Richtung durch Effingen, Bozen und Hor- 
nussen, dann in nw. Richtung durch Frick, Oeschgen und 
Eiken, sowie endlich gegen K., um nun das Frickthal zu 
verlassen und die Rheinebene zu betreten, wo er wesll. 
Sisseln mündet. 17 km lang. Einzugsgebiet 135 km 1 . Kann 
bei Hochwasser bis zu 75 m :t in der Sekunde führen und 
ist dann ein wilderund stürmischer Geselle, was sich aus 
»einem starken Gefälle von mehr als 7°, r a , erklärt. Heute 
ist der Bach von Frick bis zum Rhein verbaut, für welche 
Arbeiten eine Totalsumme von 413000 Fr. aufgewendet 
wurde. Der an Fischen (Porelleo) reiche Sisselnbach wird 
wohl bald auch der Industrie dienstbar gemacht werden. 

8I8SIQERSPITZ i Kt. und Bez. Schwvz). 1908 m. 
Gipfel in der Kette des Fronalpstocks; 6,5 km ö. vom 
Dorf Sisikon i mundartlich Sisaigen). An «einem S.-Puss 
führt der Kalzenzagclpass aus dem Riemenstalden- ins 
Muotalhal. Am N.-Hang die grosse Tröligenalp. Schoner 
Aussichtsberg, der von Sisikon her durch da« Hiemen- 
staldenthal und über den Katzenzage) in 5 oder von Muota- 
lhal aus in 4 Stunden erstiegen werden kann. 

SI88ONE (MONTE) iht. Graubünden, Bez. Malojah 
3363 ro. Stark vergletscherter Grenzgipfel zwischen der 
Schweiz und Italien, in der Albigna-Disgraziagruppe des 
Berninamassives und 3,2 km nw. vom Monte della Dis- 
grazia. Eine Stunde über dem Fornopass. Im N. setzt sich 
die Kette längs dem Fornogletscher zum Monte del Forno 
(3214 m) und Pizzo dei Rossi fort, während 2.5 km nw. 
an der Grenze der drcigipflige Pizzo Torrone (3333 m) 
steht. Der Monte Sissone wird von der Fornohütte (4'.' t 
Stunden über Sil*) her in 3V* Stunden, sowie von Mor- 
hegno im Veltlin durch Val di Mello. über die Alp Pioda 
und den Fornopass bestiegen und bietet eine wundervolle 
Aussicht. Der Berg besteht aus Hornblendeschiefer und 
Gneis, deren Schienten W.-Ü. streichen und nach S. ein- 
fallen. 

8 ITEM und 8ITENBERO. Ortsnamen aller deut- | 
sehen Kantone, besonders in den Voralpen häufig vor- 
kommend. Bezeichnet den < seitlichen » O.- und W.-Ilang 
eines Berges und bildet den Gegensatz zu Sonnsiten oder 
Sonnenberg (S.-Hang ), sowie zu Schatullen oder Schatten- 
berg (N.-Iiangi. Vergl. die französischen Ausdrücke 
LEndroitund LEnvers. Im Kanton Appenzell heissen die 
S.-Flanken « Sonder » und die N. -Flanken . Nord .. Wird 
auch Sidenberg geschrieben. 

SITEN und UNTER SITEN <Kl. Schwyz, Bez. 
und Gem. Einsiedeln). 855 m. Zwei Gruppen von zu- 
sammen 12 Häusern, an der Sihl und 5 km nno. Ein- 
üiedcln. Poatablage Egg, Telephon. 47 kalhol. Ew. Filiale 
Egg der Pfarrei Einsiedeln. Schöne neue Kirche, Schul- 



haus. Säge. Wiesen- und Ackerbau. Holzausbeute. Linksder 
Sihl liegen auf Lehmboden fette und rechte vom Fluss am 
Berghang magere Wiesen. An den naclt Einsiedeln, über 
den Etzel und nach Willerzell führenden Strassen gele- 
gen. Leber die benachbarten Höhen gehen stark frequen- 
tierte Bergpfade. 

8ITENBERQ (Kt. Luzern, Amt Entlebuch, Gem. 
Schüpfheim). 790 m. Weiler in bergiger Gegend, 3 km 
ö. der Station Schüpfheim der Linie Bern -Luzern. 64 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Schüpfheim. Futterbau. 

SITTEN, französisch Sion. Kleinster Bkzirk de* Kan- 
tons Wallis und ehemaliger Zehnten der bischöflichen 
Herrschaft Sitten. Umfasst die 7 Gemeinden Sitten (Sion) 
als Hauptort. Arhaz, Brämis (Brsnioim. Grimisuat, Salins. 
Saviese und Veisonnaz. die mit Ausnahme des zur Pfarrei 



Nendaz gehörenden Veisonnaz zugleich auch Kirchge- 
meinden sind. Sitten hat auch eine reformierte Pfarrei. 
Der Bezirk grenzt im N. an den bernischen Amtsbezirk 
Saanen, im W. an den Waadtländer Bezirk Aigle und an 
den Bezirk Conthey. im S. an die Bezirke Conthey und 
Herens und im O. an die Bezirke Siders und Herens (Ge- 
meinde Ayent). 12830 ha Fläche. Die zu Wahlzwecken 
1815 vom Bezirk abgelösten Gemeinden Arhaz. Ayent und 
Saviese sind ihm 1839 — mit Ausnahme von Ayent — 
wieder angegliedert worden. Die hauptsächlichsten Gipfel- 
punkte liegen im X. und NW. an der Grenze gegen Bern 
und die Waadt, nämlich: Wildhorn (3264 m). Gelten- 
horn (3074 in), Arpelistock (3039 m>. Schafhorn (2686 m). 
Schlauchhorn (2587 m). Sanetachhorn (2946 m), Spitz- 
horn (2807 m), Oldenhorn oder Becea d'Audon i3124 m) 
und einige Gipfel der Gruppe der Diablerets (3036 und 
3124 m). Südl. der Rhone steigt der Bezirk Sitten bloss 
bis zu einer Höhe von 1500 m {Maiensäase von Salins und 
Veisonnaz) hinauf, von wo seine grösste Länge bis zum 
Spilzhorn 20 km erreicht. Ausser der Rhone, die den S.- 
Abschnilt des Bezirkes auf eine Strecke von 10,4 km von 
0. nach W. durchmesst, sind an Iiiessenden Gewässern 
noch zu nennen die Borgne und die Prinze im S.. sowie 
die Morge. der oberste Lauf der Saaoe. die Sionne und die 
Liene im N. Wiesen, Weiden, Aecker und Weinberge 
werden überall von bedeutenden Bewässerungskanälen, 
den sog. Bisses, befruchtet. Davon sind besonders be- 
merkenswert : in der Ebene die Bisses des Champsecs. 
dTvrier, des Vergers und de Chatroz ; am s. Thalge- 
hängf die Bisses de Servais und de Salins; an der N.- 
Flanke des Rhonethaies die Bisses de Saviese (oder de 
Sainte Marguerite). de Grimisuat (oder Bisae neun, sowie 
der Xoureau Bisse der Liene und die Bisses deClavoz und 
de Lentine, die speziell zur Bewässerung der Rebberge 
bestimmt sind. Mit Beziig auf die Bodenprodukte zahlt 
der Bezirk Sitten zu den bevorzugtesten Landschaften des 
Wallis, sodass die Bevölkerung sesshaft bleibt und nur 
wenig zur Auswanderung neigt. Da auch die Patrizier. 
Kaulleute. Beamten etc. sich entweder als Grundeigen- 
tümer oder als Liebhaber mit Weinbau. Obstbau und \ leh- 
zucht befassen, bildet Landwirtschaft in allen ihren Zwei- 
gen die Hauptbeschäftigung der Bewohner. L'm die Stadt 
Sitten liegen fruchtbare Wiesen und üppige Baumgärten. 
wo prachtvolles Tafelobst (Aprikosen. Zwetschgen. Pfir- 
siche. Mandeln. Feigen, Granaten und besonders Aepfel 
und Birnen in den schönsten Sorten ) gezogen wird. Dazu 
kommen riesige Spargeln. Die 1906 gegründete Aktien- 
gesellschaft ■ [/Export Auricole» betreibt die Ausfuhr von 
VValliser Tafelobst und Honig im Grossen. Am liefern 
Gehänge der das Rhonethal nordwärts begleitenden Kette 
ziehen sich bis in eine Höhe von 800-900 m ausgedehnte 
Rebberge hinauf, aufweiche nach oben reiche Aecker und 
fette Wiesen, sowie von im Mittel 13ü0 m Hohe an die 
Waldzone folgen. Noch höher oben und im ganzen Thal 
der Morge, das zum grossten Teil dem Bezirk Sitten an- 
gehört, liegen zahlreiche Meicnsasse und Alpweiden, die 
sich noch über den Gebirnskamm bis ins Einzugsgebiet 
der am ZatifleiirongleUcher entspringenden Saane hinüber 
erstrecken. Bedeutende Ausfuhr von Wein- und Wein- 
most (Walliser Sauserl, sowie von Trauben. Infolgedieses 
Vorwiegens der landwirtschaftlichen Tätigkeit erscheint 
die Industrie im Bezirk Sitten nur schwach vertreten. So 
treffen wir im Hauptort bloss lokale Industrien und solche 
der Nahrung»- und Genussmittelbranche: Gas- und Elektri- 
zitätswerk. Bierbrauerei, Tabakfabrik. Fässerfabrik. Ger- 



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SIT 



SIT 



577 



bereien. Da» an der Ausmündung eines wasserreichen 
Baches gelesene Brämis hat eine 1870 eingerichtete grosse 
Bierbrauerei und eine 1873 gegründete Tuchfabrik, wäh- 
rend die ehemals hier arbeitende Pihhutfabrik seit 1887 
eingegangen ist. Das Hotelwesen erscheint einiig durch 
die Gasthofe der Stadl Sitten und das kleine Hotel auf dem 
Sanetschpass vertreten. In Chandolineund Brimis werden 
Anthrazitlager abgebaut. 

Den Bezirk durchzieht von SSW. nach NNO. auf eine 
Länge von 10 km die Simplonbahn, die hier einzig die 
Station Sitten hat, während dem ostl. Abschnitt teilweise 
auch die nahe der Bezirksgrenze am linken Ufer der I.iene 
liegende Station Saint Leonard dient. Neben der Ausfuhr 
von Wein und Früchten weist der Bezirk keinen bedeu- 
tenden Handelsverkehr auf. Von Strassen sind zu nennen: 
die grosse Strasse des Bhonethales, die den Bezirk auf 
eine Länge von 9 km durchzieht, sowie im S. die Strassen 
nach Brämis und ins Kringerthal i Val d'Hi'rensi, im N. 
diejenigen nach den Terrassen von Saviese und Grimi- 
suat. von denen jene durch das Thal der Morge bis zu m 



Oberland in Verbindung zu setzen. 2167 Haushalten., 
in 1141 Häusern. 10871 Ew., wovon 10531 Katholiken, 
323 Kr formierte. 9 Juden und 8 Andere. 1888 zählte der 
Bezirk 9911 Ew. Heute herrscht die franzosische Sprache 
durchaus vor, doch sind noch rund 1800 in Sitten und 
Brämis niedergelassene Personen deutscher Sprache. 
83 Ew. auf 1 km». 



Kindvieh 
l'ferde . 
Maultiere 

Esel . . 



Ziegen 



18*. 


1896 


1901 


3981 


37Ü9 


38116 


177 


128 


MO 






283 






22 


1243 


tili) 


1501 




\\m 


1778 


1I.-.0 


1039 


1414 


410 


c,\-i 


«81 



Gesamtfläche von 




R«*irk SittoD. 

Sanelsch und diese über Ayent bis zum Bawil fortgesetzt 
werden soll. Man geht auch 'mit dem Gedanken um, Sil 
durch eine Eisenbahn über den Sanetsch mit dem 



Die 
:.1 1.2*5 ha. 

Der Bezirk Sitten umfasst die S. -Flanke der 

alpen, einen Teil der 
Ebene des ltlionethales 
und die Gehänge von 
Veisonnaz und der sog. 
Mayens de Sion (auf 
deutsch . Mayenberg). 
Man kann je nach der 
Höhenlage und der Art 
des Anbaues des Bodens 
vier verschiedene Re- 
gionen unterscheiden : 
Ii Die Alluvialebene der 
Rhone, die unterhalb 
der Stadt Sitten noch 
nicht uberall genügend 
urbar ist, aber mehr und 
mehrzum Gemüse- und 
Obstbau nutzbar ge- 
macht wird. Gut an- 
gebaut erscheint sie in 
der unmittelbaren Um- 
gebung der Sladt und 
oberhalb derselben 
auf dein umfangreichen 
Schuttkegel der Ikirgne 
(Brämis und U« 
bungl. 2) Das 
Gehänge der N.- 
des Thaies 
GlanzKchietern 
bildet eine Reihe von 
in der Längsrichtung 

herausmodellierten 
schmalen Kämmen , 
/wischen denen Lings- 
thalchen liegen, deren 
Moränen- und Alluvial- 
austüllung von grosser 
Fruchtbarkeit ist. Die 
nach S. exponierten 
Gehänge tragen die 
Bebberge, die den in 
der ganzen Schweiz 
und auch ausserhalb 
der Landesgrenzen so 
vorteilhaft bekannten 
Wein erzeugen.3) lieber 
Grimisuat (890 m) be- 
ginnt die bis zur Berner 
Grenze hinaufreichende 
Zone der Kalkgesleine. 
Hier liegen auf den 
Terrassenilächen grosse 
Wiesen und Weiden. 

an den Steil- 
Waldungen 
stehen und zu oberst 
die Felswände folgen, über denen sich der Wildhorn- 
ifleurongletacher ausdehnen. *, Das Gehänge 



225 — <;to<;n. lex. v - 37 



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578 



SIT 



SIT 



Karbonschiefern, die den in Chandoline und bei Brinnis 
abgebauten Anthrazit liefern, sowie höher oben aus den 
dolomitischen hör. Pontiskalken, denen stellenweise Gips 
eingelagert ist. Die Mayens de Sion und Mayens de Veison- 
naz selbst liegen auf kristallinen Schiefern. 

Der bezirk Sitten ist namentlich auch durch seine schöne 
und an Seltenheiten reiche Flora bekannt. Die unmittel- 
bare Umgebung der Stadt mit den Hügeln von Valeria, 
Tourbillon. Montorge und Champlan bietet dem Botaniker, 
namentlich im Frühjahr, eine reiche Auswahl von Ver- 
tretern einer eigenartigen Flor«. Von Typen der xerother- 
men Thalllora nennen wir: Opuntia vulgaris, Crocussati- 
vux. Amygdalus communis, Punica granatum, Ficu» 
carica, Ephedra Helvetica. Arlemuia Valesiaca, Slarhys 
Germanica etc. 

, franzosisch Sion (Kt. Wallis, Bei. Sitten). 
Hhonebrucke 490 m, Exerzierplatz 512 m, 
Valeria 621 m. Tourbillon 655 m : im Mittel 
521 m. Gem. und Stadt, Hauplort des Bezir- 
kes Sitten und des Kantons Wallis. 
«JV k ")J Lage und Umfang. Sitten liegt im zen- 
' "«™ traten Abschnitt des Bhonethalcs und am 
rechten Ufer der Bhone, 26 km nö. Martinach 
und 50 km wsw. Brig. Die Gemeinde und 
Stadt wird von der zwischen der Liene und Morge vom 
Wildhorn herahkommenden Sionne in zum grossen Teil 
kanalisiertem und eingedecktem Bett durchflössen. 
7° 21 '34* OL. von Greenwich und 46° 14' 3" NBr. 
Amtssitz des Bistums Sitten, ehemaliger Hauptort der 
alten Bepublik Wallis und des franzosischen Departe- 
ment du Simplon. Die Stadt lehnt sich im N. an den 
Fuss der vom W'ildhorn und Sanetsch herabsteigenden 
Gehänge, die in ihrem tiefern Abschnitt vollständig mit 
Weinbergen bestanden sind, sowie im U. an die die Ebene 
um 100-165 m überragenden Hügel von Valeria und Tour- 
billon, die sie vor den das Bhonethal herabfliessenden 
Luftströmungen schützen, während die das Thal herauf- 
steigenden Winde durch den niedrigen Hügel von Corbas- 
sieres und die mit der Burgruine Montorge gekrönte 
Höhe im W. abgelenkt werden. Dank dieser geschützten 
Lage zählt Sitten zu den wärmsten Orten des Bhone- 
thales. Die zentrale Lage und die Fruchtbarkeit der Um- 
gegend haben Sitten schon zu den ältesten Zeiten zu einer 
der bedeutendsten Siedelungen im Bhonethal gestempelt. 
Hier mundet im S. das Val d'llerr-ns, eine der beträcht- 
lichsten Thalschaften in der S. -Flanke der Walliseralnen, 
und das Val de Nendaz aufs Bhonethal aus, während im 
N. sowohl in den engen Thälern der Morge, Sionne und 
Liene als auf den dazwischen sicn ausdehnenden Terrassen 
und Gehängen mehrere dervolksreichslen Landgemeinden 
des Wallis liegen. Die Gemeinde Sitten ist sehr umfang- 
reich. Sie umiasst : in der Ebene den g mästen Teil des 
gleichnamigen Bezirkes, am rechten Ufer der Bhone den 
9 km langen Landstreifen von der Morge zur Liene 
hinauf bis etwa zur obern Grenze der Weinberge und 
links der Bhone den Strich von der Prinze zur Borgne 

und das Gehänge von Les Agettes bis in eine II von 

870 m. Zur Gemeinde gehören noch die Weiler und 
Häusergruppen Pont de la Morge, Chäteauneuf, Montorge, 
La Muraz. Molignon und Uvrier-I.a Mayaz rechts der 
Hhone, sowie Chandoline, La CnHe, Maregnena, Pont de 
Bramois und Aproz (zum Teil) links vom Thailings. 

(lang durch die Stadt und Umgebung. Der älteste 
Teil von Sitten liegt in dem engen Thälchen zwischen 
den reisigen Hügeln von Tourbillon und Valeria, von wo 
sich die Stadt allmählig zur Thalebene hinabzog und 
Isen Schutlkegel der Liene zu beiden 
ldbachea anzusiedeln begann. Bis zur 
ang der Bingmauer und Türme (1831-1840) wurden 
die alten Quartiere durch drei Hauptgassen, die auf die 
Tore von Conthey. Leuk und das Bhonetor ausmündeten, 
voneinander geschieden. Die Hauptverkehrsader und 
breiteste Gasse der Stadt ist der sog. Grand Pont, unter 
dem die Sionne heute in gedecktem Kanal der ganzen 
Länge nach durchmesst und in den im untern Teil der 
Stadt von W. her die Buede Lausanne einmündet, welche 
durch die Avenue de la Gare mit dem Bahnhof in Ver- 
bindung steht. Heute sind die nach dem Abtrag der Porte 
Bue de Lausanne und der Grand 
Kapelle Saint Georges und zur 



de Conthey angelegte 
Pont, der nordwärts zi 



reform. Kirche führt und sich in die grosse Thalstrasse 
nach Siders und Leuk fortsetzt, die belebtesten Gassen 
der Stadt, in denen sich die hauptsächlichsten Verkaufs- 
läden angesiedelt haben. Die Anlage des Bahnhofes und 
die Unmöglichkeit, sich gegen O. weiter ausdehnen zu 
können, liessen die Stadt Sitten in der Dichtung nach 
W. und S. sich entwickeln. Damit ist auch die der Bue 
de Lausanne parallel laufende Avenue du Midi entstanden, 
welche durch die € Sous le Sex • genannte Gegend s. vom 
Hügel Valeria mit der Thalsirasse in Verbindung gebracht 
werden soll. Die Ausführung dieses Projektes wurde die 
Bue de Lausanne zu einer scharfen Grenzlinie zwischen 
der Altstadt und den neuen Quartieren machen. Die Stadl 
zerfällt in folgende 4 Quartiere: 1) die Citta (CiuS) o. 
der Sionne, die den ältesten Stadtteil darstellt: 2) Pra- 
tifori (Pr£ de la foire) s. der Bue de Conthey und w. vom 
untersten Laufslück der Sionne; 3) Claviney, n. der Bue 
de Conthey, mit Begierungvgebaude, Domkapitel. Kathe- 
drale, bischöflichem Palast, Priesterseminar, Kantons- 
schule etc. ; 5) Mala Curia, rechts der Sionne gegen die 
Avenue (oder Promenade) du Nord. Mit der zunehmen- 
den Ausdehnung der Stadt hat aber diese althergebrachte 
Einteilung nahezu alle Bedeutung eingebüsst. Von welcher 
Seile her man sich immer der Stadt Sitten nähert, zeigt 
sie sich mit ihren von Kirchen und allen Burgen ge- 
krönten Felshügeln, den Besten der ehemaligen Stadt- 
mauern, ihren alten und neuen Kirchtürmen und ihrem 
unregelmässigen Häusergewirr dem Blick schon von wei- 
tem. Sitten ist trotz aller Belagerungen und Naturver- 
heerungen eine der interessantesten Städte der Schweiz 
geblieben, die sich ihren originalen altertümlichen Charak- 
ter noch wohl zu wahren gewusst hat. 

Die in der Ebene gelegene Kathedrale, die ursprünglich 
den Namen der Notre Dame du Glarier trug, stammt in 
ihrer heuligen Gestalt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts 
und ist in einzelnen Teilen erst durch den Kardinal 



Schinner vollendet worden. Einzig der Glockenturm, einer 
der ältesten der Schweiz, ist noch von der im 9. Jahr- 



hu 



Schweiz, 

d Kirche vorhanden und hat alle 
des Gotteshauses überdauert. Er 
bildet einen hohen viereckigen Turm, ist im romanischen 
Stil der Karolingerzeit gehalten, zeigt mit Schiesascharten 
versehene Krönungsmauern und schliefst nach oben mit 
einer Backsteinpyramide ab. Nach Blavignac soll dieser 
Glockenturm ein Zeitgenosse der Kirche von Ainay (eines 
der ältesten Gotteshäuser der Stadt Lyon), der Kirche von 
Saint Pierre de Clages und des Turmes der Abtei Saint 
Maurice sein. Die Kathedrale selbst ist im gotischen Stil 
erbaut. Ihr gegenüber steht die an derStelle eines schon im 
8. Jahrhundert vorhandenen Heiligtums erbaute und eben- 
falls von Kardinal Schinner vollendete St. Theodulskirche 
mit unvollendetem Glockenturm. Sie wird imGegenaatz zu 
der Kathedrale eher vom arbeitenden Volk besucht, in- 
dem in Sitten, Saint Maurice, Visp und andern Flecken 
des Kantons selbst mit Bezug auf den Gottesdienst immer 
noch eine gewisse Scheidungslinie zwischen dem altein- 
gesessenen Adel und der grossen Masse des Volkes sich 
bemerkbar macht. Am Fuss des Hügels von Valeria be- 
iludet sich die sog. Kollegialkirche, die 1806 zum Gebrauch 
der bis 1847 das Kollegium in Sitten leitenden Jesuiten 
erbaut worden ist. Steigen wir nach Valeria hinauf, so 
begegnen wir halbwegs noch der 1310 erbauten Aller- 
heiligen-Kapelle, um endlich zuoberst die Wallfahrtskirche 
Notre Dame de Valere, die « berühmteste christliche Kirche 
des lindes», zu rinden, die an der Stelle eines heidnischen 
Tempels steht und urkundlich zum erstenmal 1168 er- 
wähnt wird, in einzelnen ihrer Teile aber ein viel höheres 
Alter (8. oder 9. Jahrhundert) haben muss. Besonders 
bemerkenswert sind die herrlich geschnitzten Chorstuhle 
aus den Jahren 1662 und 1664. Mit der Kirche auf Valeria 
war ein Domherrenstift verbunden, dessen Angehörige 
aber seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch den 
Chordienst in der Kathedrale versehen. 1818-187D hatte 
auch das nunmehr nach der Stadt verlegte Priesterseminar 
seinen Sitz auf Valeria. In der Oberstadt bemerken wir 
die vor rund 25 Jahren erstellte reformierte Kirche. Eine 
ehemalige St. Peterskirche, die so lange für die Gläubigen 
von Salin* bestimmt war. als diese noch keine eigene 
Pfarrei bildeten, ist 1806 abgetragen worden. Reich ist 
Sitten auch an bemerkenswerten Profanbauten der ver- 



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SIT 



SIT 



570 



schiedensten Art. An erster Stelle soll hier der stolzen 
ehemaligen Bischofsburg aufTourbillon gedacht werden, 
die 1788 abbrannte und heute noch in Ruinen liegt l näheres 
darüber 8. beim Artikel Tourbillon). Von hier aus gemessen 



sind. ^Das oft verbrannte und wieder aufgebaute Schlots 
war ursprünglich Sitzder fürslbischöftichen Meier (Majore) 
und diente dann von 1372 bis 1788 dem Bischof Witschanl 
(Guichard) Tavelli und seinen Nachfolgern als Residenr. 




i.agei>laa der Stadt SitUn. 



wir einen prachtvollen Blick auf das Rhonethal und die 
dasselbe einfassenden Gehinge und Hochgipfel. Auf einer 



tiefern Felsatufe des Hügels von Tourbillon steht das eben- 
fallt 1788 in Flammen aufgegangene Schloss Majoria (Majo- 



Es sind auch noch einige Resteeiner ehemaligen Festungs- 
mauer vorhanden, die das SchlosH Majoria mit dem vier- 
eckigen Hundeturm (Tour detChiens) verband. Ein anderer 
Turm der einstigen Stadtmauern, der sog. Iii 
(Tour det Sorciers) steht tiefer unten im nordl. 



Stadtteil. 



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580 



SIT 



SIT 



Das einzige Herrenhaus der Altstadt, das aus stürmi- 
schen Zeiten her noch einige Schätze in die Gegenwart 




Sillsn von Nordwesten. 

hinübergerettet hat, ist das Haus Supersaxo an der Rue 
de Contnev. dessen gegen diese Gasse xu gewendete Fas- 
sade samt Turm «lern 1'nverstand der städtischen Behörden 
zum Opfer gefallen sind*, wahrend es so leicht gewesen 
wäre, die erwünschte Strassenverbrciterung durch Ruck- 
wärtsverlegung der gegenüber stehenden Häuser zu er- 
reichen. So wird dieses wahre architektonische Kleinod 
heute durch eine mehr ala banale Fassade maskiert, hinter 
welcher niemand die Kunstschalze vermuten würde, die 
es immer noch birgt. Der vom Landeshauptmann Georg 
Supersaxo erbaute Palast legt noch heute Zeugnis ab vom 
Heichtum seines Hauherren. Der sehr geräumige und hohe 
urosse Saal erregt die He wunderung aller kunstverstän- 
digen Besucher. Seine Decke ist ein Meisterwerk der 
Scnnilzkunst, trägt im Mittelfeld ein die Geburt Christi 
darstellendes Relief und weist längs den Wandllachen 
eine reichverzierte Inschrift auf. die als Jahreszahl der Er- 
bauung 1505 angibt und mitden Worten schliessl : Georgias 
Supertajo hatu- donium edidit tibi, dominante Matheo. 
Eine der Ecken trägt den Namen des mit der Arbeit be- 
trauten Künstlers: Jakobinut de Halacribit ligni faber 
haec manu fecit. An der Hauptstrasse, der Hue du 
Grand Pont, steht das 1660 erbaute Haihaus, Sitz der 
städtischen Behörden und des Bürgerrates. Wahllokal und 
Versammlungsort des obersten Gerichtshofes und des 
Grossen Rates des Kantons. Seine interessante Turmuhr 
wurde 1667 von Marc Spättaus St. (lallen angelertigt. Im 
Korridor des Erdgeschosses sind römische Inschriften ein- 
gemauert. Hervorzuheben sind ferner noch die pracht- 
voll geschnitzten Türen mit feingearbeiteten Eisenbe- 
schlägen. Der an der Strasse nach Brämis gelegene, vor 
1763 erbaute Bürgerspital ist ein für seine Zweckbestim- 
mung viel zu umfangreiches Gebäude. Ohne besonderes 
Interesse sind das 1631-1643 im N. der Stadl am Fuss der 
Weinberge erbaute Kapuzinerkloster und das Domherren- 
stift. Gut angelegte, bequeme und geräumige moderne 
Bauten sind aas Regierungsgebäude (ein ehemaliges Ur- 
sulinerinnenkloster), der 1840 der Kathedrale gegenüber 
erstellte bischöfliche Palast, das 1875 vollendete bischöf- 
liche Priesterseminar und die seit 18112 nördl. der Planta 
stehende Kantonsschule. In einigen Seilengassen, wie 
z. B. der Hue de Saviese, findet man auch der Beachtung 
werte Privathäuser. Die Stadt Sitten war zu lange in ihren 



Ringmauern eingeengt, um grosse Plätze aufweisen zu 
können. Immerhin linden wir im W. einen grossen qua- 
dratischen Raum, die sog. 
Planta oder Place d Armes, 
auf welcher die Jahrmärkte 
abgehalten werden und an 
die sich im O. das Regie- 
runitsgebäude und der bi- 
schöfliche Palast, sowie im N. 
das seil einigen Jahren von 
einer öffentlichen Gartenan- 
lage umgebene Kantons- 
schulgebäude anreihen. 
Schattige Alleen sind die 
Avenue du Nord, Avenue de 
la Gare und Avenue de la 
Planta. 

Klimatische Verhältnitte. 
Trotz einer 500 m übersteigen- 
den mittlem Höhenlage er- 
freuen sich Sitten und das 
mittlere Wallis einer hohem 
Temperatur als z. R. Genf, 
wo zwar die Winter wärmer, 
die Sommer aber bedeutend 
kühler sind. In hcissen Jah- 
ren ist Taubildung eine 
in der Umgebung von Sit- 
ten nahezu unbekannte Er- 
scheinung. Die Winter sind 
sonnenreich und zeichnen 
sich durch wenig Regen und 
Schnee aus. Nebel, Rauhfrost 
und (iewitter treten in Sitten 
selten auf. Neunmal auf zehn 
folgen die Gewitterwolken 
den beiden das Thal beglei- 
tenden Bergkelten und vermeiden es, ihren Regen oder 
Hagel über die Thalmitte auszuschütten. Selbst bei Re- 
genwetter ist die in Sitten fallende Regenmenge geringer 
als diejenige an den beidseitigen Thalgehängen. Die mitt- 
lere Jahrestemperatur von Sitten betragt 9,6 ° C. Während 
im April und Mai die Temperatur nicht mehr unter den 
Gefrierpunkt sinkt, kann sie vom Oktober an, wie übrigens 
auch in Siders und Martinach. unter 0 ° fallen. Sie kann 
im Mira und Oktober bis auf 20 0 und vom April bis Septem- 
ber bis auf über 25 0 steigen. Am 9. Oktober 1893 hat man 
sogar eine Temperatur 24,8 ■ C. abgelesen. Das Maximum 
kann vom Mai bis in den September hinein 30 ° über- 
steigen. Die Tage des frühesten und spätesten Frostes waren 
der 13. Oktober IKS4 und der 28 April IS82 Absolute E\- 
tre.ne : 34,4 0 am 18. August 1892 und -17,3° am 10. De- 
zember 1879, Unterschied also 51.7 °. Das mittlere Winter- 
minimum beträgt -11,2 0 C. Während man im Durch- 
schnitt jährlich 89 Regen- oder Schneetage zählt, beläuft 
aich die Anzahl der vollständig klaren Tage auf 108. Vor- 
herrschende Luftströmung ist der das Thal heraufkom 
mende Wind, der der Thalrichtung folgt und in Martinach 
aus NW., in Sitten aus SW. bläst. Der in Siders nahezu 
unbekannte N.- Wind findet in Martinach und Sitten leich- 
ten Zugang. Weniger häufig ist der thalauswärts wehende 
Wind, der sich besonders des Nachts bemerkbar macht. 

Landwn ttchaft und Viehzucht, Weinbau. Ihre I.age 
im Mittelpunkt des fruchtbarsten Striches des Rhone - 
thales hat der Stadt Sitten einen ausgesprochen agrikolen 
Charakter aufgedrückt, den sie aich bia heute zu bewahren 
wusste. Neben den alten Patrixiergeschlechtetn beschäf- 

m ge- 
rn An- 
kten. 

Daneben sieht auch die Viehzucht nebst Milchwirtschaft 
in Rlüte, die ihre Produkte an die in Sitten eingerichtete 
Genossenschaflsmolkerei abgeben kann. Die Bürger von 
Sitten besitzen an den Hangen südl. gegenüber ihrer Stadt 
die unter dem Namen der Mayens de Sion bekannten schö- 
nen Maiensässe, die sich zu einer beliebten Sommerfrische 
entwickelt haben und wie die benachbarten Alpweiden 
(Alpe de Thyon etc. i mit Vieh bestossen werden. Der ehe- 
malige Grossgrundbesitz der Patrizier zerstückelt sich 
immer mehr, indem es die aus dem Goms und den üb- 



wusste. .Neben den auen rairiziergescnieciueiu ww 
tigen sich alle diejenigen Personen, die es zu einen: 
wissen Wohlstand gebracht haben, vorzüglich mit dem 
bau der Weinrebe und dem Handel mit deren Produl 



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581 



rigen Thalichaften des Ober WalÜB eingewanderten Päch- 
ter verstanden haben, sich selbst zn Eigentümern des 
Hodens emporzuschwingen. Die heute 
verbreiteUle Weinsorte der Sittener 
Rebberge ist der Pendant, dem sich 
Rhein-, Burgunder- und Dölereben 
anschliessen. Alle diese Sorten sind 
in den verjüngten oder neu angelegten 
Rebbergen an die Stelle der alten Wal- 
liser Sorten (wie Amigne, Arvigne, Hu- 
magne und Muscat) getreten. Kinzig der 
Muscat (Muskateller) wird noch von den 
Bauern gepflanzt, die ihn seines geringen 
Handelswertes wegen für ihren eige- 
nen Bedarf zu verwenden pflegen. 1881 
umfassten die Rebberge von Sitten eine 
Fläche von 297,81 na. In einer auf 
guten Quellen fussenden Studie im 
Journal de Geneve von 1900 schätzt 
Oskar Perrolaz den jährlichen Ertrag 
dieser Weinberge auf 27000 hl im 
Werte von 1 200 000 Fr. Der Kataster- 
wert betrug damals 4325854 Fr. Heute 
umfasst die mit der Rebe bepllanzte 
Fläche einen etwas grössern Raum, der 
von der neuesten Statistik vom Jahr 
1894 für den rechtsufrigen Teil auf 
300 ha und für den Abschnitt links 
der Rhone auf 16,73 ha angegeben wird. 

Hevölkerungsverhüttnisse. Der Ge- 
schichtsforscher Gremaud berichtet , dass Sitten im 
Jahr 1323 48U Herdstätten und darnach etwa 2IÖ0 Ein- 
wohner gezählt habe. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts 
erschien diese Zahl kaum um 200 Ew. grosser. Eine 
merkbare Zunahme brachte erst der Bau der Eisen- 
bahn im Rhonethal. Folgendes sind die Ergebnisse der 
hauptsächlichsten Zählungen im 19. Jahrhundert für die 
Stadl Sitten : 

Jat.r 181(3 1850 1360 187«) 1880 1888 1900 

Ew. 2350 2926 4203 4895 4871 5513 6048. 

Die Einzelergebnisse der Zählung von 1900 für die Ge- 
meinde Sitten sind folgende: 1171 Haushaltungen in 487 
Häusern ; ortsanwesende Bevölkerung 6095 : Wohnbe- 
völkerung 6048, davon vorübergehend abwesend 55 ; 2964 
Ew. männlichen und 3084 weiblichen Geschlechts; 11M 
Bürger der Wohngemeinde, 3432 Bürger andrer Ge- 
meinden des Wohnkantons, 714 Bürger andrer Kantone 
und 751 Ausländer; 5719 Katholiken, 316 Reformierte, 
9 Israeliten und 4 Andre: 1481 Ew. deutscher, 4446 fran- 
zösischer, 120 italienischer und 1 andrer Sprache ; Ge- 
burtsort in der Wohngemeinde 2999, in andern Gemein- 
den des Wohnkantons 2132, in andern Kantonen 396 und 
im Ausland 521 Ew. Die Katholiken bilden eine einzige 
Kirchgemeinde, deren Pfarrer unter vier vom Domkapitel 
vorgeschlagenen Kandidaten vom Burgerrat gewählt und 
damit ebenfalls Domherr wird. Sein erster Vikar ist mit 
den pfarramtlichen Funktionen ausserhalb der eigent- 
lichen SUdt betraut und trägt den Titel eines « eure 1 hora 
les mur» ». Seit etwa 35 Jahren besteht in Sitten auch 
eine französische reformierte Pfarrei. 

Getundheitliche Verhältniste und Wasserversorgung . 
Die bis nahezu um die Mitte des 19. Jahrhunderts in ihren 
Mauern und Gräben eingeengte Stadt Sitten hat ihre sani- 
tarischen Verhältnisse nur langsam sich entwickeln ge- 
sehen. L'eberreite der ehemaligen Stadtmauern hatten 
im Innern der neuen Stadt sogar noch bis 1904 sich zu 
erhalten gewusst. Die Frage der Zuführung von Trink- 
wasser ist erst 1901 vollkommen gelöst worden. Vor 1895 
bezog die Stadt das nötige Wasser aus den für die Be- 
fruchtung der umliegenden Rebberge erstellten Bewässe- 
rungskanälen {bissest. Im genannten Jahre übernahm 
dann die Unternehmerfirma Dumont, die nahe der Mun- 
dung der Borgne ein Elektrizitätswerk einrichtete, die 
Versorgung der Stadt mit dem Wasser des genannten 
Wildbaches. Diese l'ebereinkunfl stand aber nur wenige 
Jahre in Kraft, indem die städtischen Behörden von 1*1 
an die Ausführung eines neuen Projektes selbst an Hand 
nahmen. Es handelte sich dabei um die Zuführung der 
Wasser der im Thal der Sionnein 1200 m Höhe sprudeln- 
den Quellen der Fille und der Fillette, welche Lösung der 



Frage der Stadt, selbst bei beträchtlicher Zunahme der 
Bevölkerung, auf lange Zeit hinaus Trinkwasser in reich 




Stilen von Sndwetlan. 

I icher Fülle sichert. Während dieses neue Werk anfäng- 
lich während der Sommermonate täglich 400 Liter Wasser 
pro Kopf der Bevölkerung zu liefern vermochte, können 
heute durch eine aus Sandsteinröhren bestehende Leitung 
bis zu 2000 Minutenliter Wasser in das im Felsen von Tour- 
billon in 600 m Hohe angelegte Reservoir geschafft werden. 
Diesem Wasser kann mit Bezug auf Frische und Rein- 
heit nichts vorgeworfen werden. Auf die Wasserversor- 
gung folgte eine rationelle Kanalisation. Weitere sanita- 
risene Vorkehren, die gegenwärtig geplant sind, werden 
ohne Zweifel die alte, oft schlecht durchlüftete und trotz 
des warmen Klimas vielfach noch feuchte Wohnungen auf- 
weisende Stadl binnen wenigen Jahren in einen gesun- 
den, säubern und sowohl seiner hygienischen Verhält- 
nisse wie des ansprechenden Volkscharakters wegen an- 
genehmen und gemütlichen Wohnort umgestalten. 

Jede Statistik der Nahrungsmittelproduktion schei- 
tert an dem Umstand, dass Sitten infolge des agrikolen 
Charakters eines Grossteiles seiner Bevölkerung ebenso 
gut produziert wie konsumiert. Dem Schlachthaus wer- 
den jährlich 700 Stück Grossvieh. 2500 Kälber, 1000 
Schafe und 300 Schweine zugeführt. Doch zeigen selbst 
diese Zahlen nicht den genauen Verbrauch an Fleisch an, 
weil noch zahlreiche Familien den alten Brauch des 
Schiächtens zu Hause beibehalten haben. Die Miete von 
Wohnungen und Grundslücken läuft gewöhnlich vom 
Martinslag (11. November) an. in einem gut gehaltenen 
Hause der Altstadt kommt der Mietpreis einer Wohnung 
von 4 Zimmern mit aller Zubehör auf jährlich 400-450 Fr. 
zu stehen, während eine solche von 5 Zimmern in ei- 
ner der mit Gas, Wasser und Elektrizität ausgestatteten 
Villen der neuen Quartiere für jährlich 600-700 Fr. Miete 
erhältlich ist. Ein gut gelegenes und komfortabel einge- 
richtetes möbliertes Zimmer mit zugehöriger Pension 
kann für monatlich 110-120 Fr. gefunden werden. 

Oeffentliche Werke, Handel und Industrie. Das 
1901-1905 bestehende «Bureau des Services industrieist 
ist jetzt im städtischen «Bureau technique» aufgegan- 
gen. Von öffentlichen Werken verwaltet die Stadt gegen- 
wärtig einzig die Wasser- und Gasversorgung, denen sich 
in Bälde auch die von den Werken an der Liene und 
der Prinze zu liefernde Versorgung mit elektrischer Ener- 

Sie anschliessen wird. Dabei soll aber kein städtisches 
lonopol geschaffen werden, indem neben dem im Bau 
befindlichen städtischen Werk an der Liene auch das von 
der « Sociale d'electricite ■ in Aproz an der Prinze zu er- 
stellende Werk zur Slromlieferung zugelassen sein wird. 
Seit 1903 besteht in Sitten eine öffentliche Badanstalt. Fer- 
ner linden sich hier : zwei Tabak- und Zigarrenfabriken. 
deren ältere aus der ehemaligen « Ferme des tabacs de 



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la Kepublique du Yalais » hervorgegangen ist ; zwei Bier- 
brauereien, deren eine bei Brämis steht; fünf Kredit- 
institute, worunter die kantonale Hypothekarkasse ; fünf 
Gasthöfe und zahlreiche Gastwirtschaften. Von den be- 
deutenden Jahrmärkten fallen fünf auf das Frühjahr und 
sechs auf den Herbst. Es werden dabei durchschnittlich 
etwa 1000 Stück Grossvieh, 500 Kalber, Schweine, Schafe 
etc., sowie etwa 50 Pferde und Maultiere aufgeführt. Jeden 
Samstag findet ein Wochenmarkt statt. Der Handel be- 
schränkt sich auf die Ausfuhr einiger Landesprodukte, 
wie Holz, Pelle, Nahrungsmittel etc. Die um 1850 einge- 
führte Uhrsteinschleiferei ist wieder in Abgang gekom- 
men. Dagegen stehen die durch den YVeinhandel ge- 
forderte Passfabrikatinn und zwei erst in neuerer 'Zeit 
eingerichtete Möbelfabriken, die ihre Erzeugnisse auch 
nach auswärts versenden, in Blüte. An Bedeutung nimmt 
von Jahr zu Jahr der Versand der Produkte der Weinberge 
tu : frische Trauben, Weinniost (Sauser), feine Weine in 
Plaschen und Fässern. Sitten ist auch ein beliebter Trau- 
benkurort, Kürzlich hat »ich eine Gesellschaft zur Aus- 
fuhr von Honig und feinem Tafelobst gebildet. 

Wege und Mittel de» Verkehr». Eine besondere Trans- 
portunternehmung besteht in Sitten nicht. Hauptverkehrs- 
wege sind die Simplonbahn, die Strasse des Rhonethals, 
ilie Strasse ins Eringerthal i mit Postwagenkurs Sitten- 
Vei, der im Sommer bi« nach Evolena und Les Hau de res 
geführt wird) und die Strasse nach Brämis (mit regel- 
mässiger Postwagenverbindung durchs ganze Jahr). Dazu 
kommen die nicht fahrbaren Wege über den Sanelsch und 
den Rawil ins Berner Oberland. Die Station Sitten gibt 
monatlich etwa öOOOPersonenbillels aus und steht damit 
bis jetzt je nach den einzelnen Jahren im zweiten oder 
dritten Rang (nach Saint Maurice und im gleichen Hang 
oder nach Martinach i der W'alliser Eisenbahnstationen. 
1901 war sie mit Bezug auf die Einnahmen nach Brig und 
Martinach die dritte, mit Bezug auf die Zahl der beför- 
derten Reisenden die dritte und mit Bezug auf den Güter- 
verkehr die fünfte der W'alliser Bahnstationen. Der Bahnhol 
Sitten spediert jährlich durchschnittlich 3 Millionen Liter 
Wein und zur Zeit der Weinlese 1 200000 -1 700000 Liter 
Sauser, d. h. ebensoviel wie alle übrigen Walliser Bahnhöfe 
zusammen. Postbureau zweiter Klasse mit einem Post- 
verwalter , Telegraph «nd Telephon. Für den Bau einer 
Eisenbahn von Sitten über Saviese und den Sanelschpass 
nach Saanen ist eine Konzession vorhanden. Diese Bahn 
soll 46.3 km lang sein, elektrisch betrieben werden, eine 
Spurweite von 1 m und eine Maximalsteigung \ on .s 
haben. Sie würde durch die Rue du Grand Pont gehen 
und am Scheitel eine Höhe von 2215 m erreichen. Als 
Stationen sind auf Walliserseite vorgesehen : Sitten Bahn- 
hof, Sitten Stadt. La Muraz. Saint Germfain, Ormona. 
Granois, Saintc Marguerile, Prabe\ Zanfleuron, Sanetsch. 



anstallen Eine Folge der Autonomie der ehemaligen 
Republik Wallis ist, das heule noch in Sitten eine eigene 



W; 





Altstadt Sitten von Westen. 

(Sei»tige» Leiten; Erziehung»- uiul l'nlerrirht»we»en. 
Als politisches und religiöses Zentrum des Wallis besitzt 
Sitten die Mehrzahl der mittlem und höhern L'nterrichts- 



Hu« dn Lausanne in BltlM. 

Rechtsschule besteht, an der die Advokaten und Richter 
des Landes ihre juristische Bildung holen. Diese 1807 ge- 
stiftete Schale ging schon 1810 mit der Einverleibung des 
Wallis in das franzosische Kaiserreich ein. trat dann 1821 
von neuem ins Leben und hat sich bis 1895 unter der 
ausdauernden Leitung von Dr. Cropt. der sich in dem ge- 
nannten Jahr als über 90 jähriger Greis ins Privat- 
leben zurückzog, regelmässig entwickelt. Unter seinen 
Nachfolgern konnten aber die Kurse teils aus Mangel an 
Professoren, teils wegen ungenügender Schülerzahf nicht 
mehr regelmässig gehalten werden, sodass man sich jedes 
Jahr von neuem fragt, ob diese veraltete 
=i Institution noch aufrecht erhalten werden 
solle. Die Kantonsschule (Gollege-Lycee) 
zählte im Schuljahr 1904 05 114 Schüler 
(mit InbegnfT der 38 Schüler der Gewer- 
beabteilung) und 18 Professoren, die in 
der Mehrzahl dem geistlichen Stande ange- 
hören. Man geht mit dem Gedanken um, die 
gewerblich- technische Abteilung zu einer 
selbständigen Industrieschule auszubauen. 
Die dem Priesterstand sich zu widmen 
wünschenden Jünglinge besuchen das bi- 
schöfliche Priesterseminar. Femer beste- 
hen ein Lehrer- und ein l.ehrerinnense- 
minar für den französisch sprechenden Kan- 
tonsteil. Madchensekundarschule mit etwa 
35 Zöglingen. Sieben französische und zwei 
deutsche Primarschulklassen für Knaben mit 
204, bezw. 54 Schülern ; sieben französische 
und zwei deutsche Primarschulklassen für 
Mädchen mit 278, bezw. 52 Schülerinnen. 
Ferner sind je eine reformierte Knaben- und 
Mädchenschule mit 23 Schülern und 29 
Schülerinnen vorhanden. Mit Einschluss der 
Schulen einiger vor der Stadt gelegenen 
Ortschaften belauft sich die tiesamtzahl der Primarschü- 
ler in den Gcmeindeschulen auf 610 Knaben und 699 Mä- 
dchen. Der Unterricht liegt in den Händen von weltlichen 



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und geistlichen Lehrern und Lehrerinnen. Der in Sitten 
schon seit jeher bestehende Antagonismus zwischen der 




Hue du College in Sittel. 

deutschen und französischen Sprache hat bald zugunsten 
dieser oder jener geschwankt und scheint jetzt endgiltig 
zum Siegle des Französischen führen zu wollen. In der Tat 
treten die die deutschen Schulen besuchenden Kinder 
vom dritten oder vierten Schuljahr an fast alle in die 
französischen Klassen über. Von wissenschaftlichen, 
literarischen, künstlerischen etc. Gesellschaften und 
Vereinen, die ihren festen Sitz in Sitten haben, seien 
folgende genannt : die von der Stadt subventionierte 
Stadtmusik ( Harmonie municipale), ein Liebhaberor- 
chester, der deutsche Männerchor « Harmonie », sowie der 
Rhonesängcrbund, der gemischte Zäzilien-Kirchenchor. 
Brennpunkt der geistigen Bestrebungen in der Stadt Sitten 
war lange Zeit der heute in seiner Bedeutung merklich 
zurückgegangene Cercle du Casino, dem die 
Glieder der alten Patrizierfamilien, ferner haupt- 
sächlich Beamte, Advokaten, Notare, Aerzte etc. 
angehören. In Sitten erscheinen vier wöchentlich 
dreimal ausgegebene politische Zeitungen (drei 
französische und eine deutsche), sowie eine land- 
wirtschaftliche und eine pädagogische Zeitschrift. 
Das Bulletin of/iciel ist das Amtsblatt der kan- 
tonalen und Gemeindebehörden. Im Kantons- 
schulgebäude befindet sich die Kantonsbibliolhek, 
während das namentlich durch seine Sammlung 
von Pannern, Wallen, Altertümern und Gemälden 
bemerkenswerte kantonale Museum in einem 
neuen Gebäude neben der Kirche auf Valeria 
untergebracht ist. Schon 1788 besass Sitten ein 
Theater, das sog. Komödienhaus, das in der Folge 
umgebaut wurde und am W.-Hang des Hügels von 
Valeria steht. Es werden hiet hauptsächlich die 
jährlichen Vorstellungen der Kantonsschüler ge- 
geben und nur ausnahmsweise Veranstaltungen 
von lokalen Vereinen oder Wandertruppen or- 
ganisiert. 

Verwaltung. Die Gemeinde Sitten besitzt zwei 
getrennte Verwaltungen : die allgemeinen städtischen Be- 
hörden und den Bürgerrat, welch letzterer bis zum In- 
krafttreten der Bundesverfassung von 1848 die alleinige 



Verwaltungsbehörde war Heute bestehen beide Institutio- 
nen aus der sog. Urgemeinde und einem vollziehenden Hat. 
Die Ortsgemeinde umfasst alle stimmfähigen Bürger ; sie 
ernennt den Stadtrat samt dessen Präsidenten und Vizeprä- 
sidenten, genehmigt den Voranschlag und nimmt den Re- 
chenschaftsbericht des Stadtrates entgegen. Dieser besteht 
aus 15 Mitgliedern und bildet die vollziehende und Verwal- 
tungsbehörde der Gemeinde. Der Burgergemeinde steht 
die Verwaltung des eine halbe Million Franken erreichen- 
den Bürgergutes und des Bürgerspitales zu, der über ein 
Vermögen von 600000 Fr. verfügt, sowie alle bedürftigen 
Stadtbürger unentgeltlich und die übrigen Kanlonsbürger 
gegen eine geringe Entschädigung verpflegt. Der Wert 
der von beiden Verwaltungen gemeinsam benutzten 
öffentlichen Gebäude ist in den gegebenen Ziffern nicht 
mitinbegriffen. 

Die Ortsgemeinde verwaltet den 1!)05 auf M9 Fr. an- 
gestiegenen Pfarrfonds, den Schulfonds mit 29640 Fr. 
und den Armenfonds mit 87 302 Fr. Seit 1898 ist sie 
Eigentümer der Gasfabrik, deren früher wenig günstige 
Hechnungsergebnisse sich allmählig verbessern. An pro- 
duktivem Grundeigentum gehört ihr einzig ein dei Bhone 
entlang ziehender Strich Unterholz. Die Stadtverwaltung 
hat seit 1901 eine Trinkwasserversorgung geschalten, wie 
sie sich manch grossere Stadt nicht besser wünschen 
könnte. Eine Eigentümlichkeit der sedunensischen Ver- 
waltung bildet der Unterhalt der Bewässerungskanäle 
| Bisses i und die Verteilung des befruchtenden Wassers 
an die Nutzungsberechtigten der Gemeinde. Diese letztere 
ist Eigentümer folgender « Bisses > : Ii des Bisse de 
Champsec für die Ebene links der Bhone; 2) der Bisses 
d'Uvner, des Vergers und de Ch.itroz für die Ebene rechts 
der Rhone ; 3) der Bisses de Clavoz und de Lentine für 
die Weinberge. Dieser Kanäle wird urkundlich schon im 
15. Jahrhundert gedacht, doch ist es sehr wohl möglich, 
das» ihre Erstellung noch aus weit älterer Zeit datiert.' 
Infolge der Zuführung des Quellwassers von La Fille hat 
die Stadt Sitten in den letzten Jahren noch einen neuen 
Bisse anlegen lassen, der das Wasser am Fusse des Ha- 
wil fasst und seinen L'eberschuss in das im Sommer oft 
trockene Bett der Sionne abgibt. Die Ausgaben der Ge- 
meindeverwaltung belaufen sich durchschnittlich auf 
jährlich 190000 Fr. An Steuern werden bezogen : 1) Eine 
Vermögens- und Einkommenssteuer; 2) eine Gewerbe- 
steuer und 3) eine Haushaltungsstouer. Die Stadt Sitten 
besitzt eine Katastervermessung, die vom stadtischen 
Baubureau nachgeführt wird. Steueransätze: Feste Haua- 
haltungstaxe Fr. 12. — pro Jahr; Grundstücke 5,5 °/ m 
vom Kataster wert ; Gebäul ich keilen 5,5 °l (l> von zwei Drit- 
teln des Katasterwertes; Vermögenssteuer 3,66%»; 5,5%,, 
vom vierfachen rünkommen; Immobilien ausserhalb der 
Gemeinde Sitten 2,3 %,; Maikäfersteuer 0,5 0 / w vom Wert 
der Grundstücke (nur alle 3 Jahre) ; Kaminkehrsteuer 
0,30 Fr. für ein drittes. 0.50 Fr. für ein zweites und 0,70 




Hue de I.oeche in Silteo. 

Fr. für ein erstes Stockwerk ; Hundetaxe Fr. 4. — pro 
Jahr (dazu Fr. 8. — kantonale Taxe, zusammen also Fr. 
12. — pro Hund). Ein Existenzminimum wird nicht in 



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Abrechnung gebracht. Zur Deckung verschiedener aus- 
serordentlicher Ausgaben (Trinkwasserversorgung 170000 
Fr., neuer Bine de ia Liene 60000 Fr.) hat die Stadt 




Kalbedrais von Bitten. 

1901 ein Anleihen von 350000 Fr. aufgenommen, das in 
42 Jahren amortisiert sein soll. Gemeinde- und Bürger- 
rat vereinigen sich alljährlich zu einem gemeinsamen 
Essen, dessen Kosten durch die Zinsen eines Spezialfonds 
gedeckt werden und dessen originelles Menu unverän- 
derlich ist. Der Einkauf in das städtische Bürgerrecht 
kostet a) eine Sie Summe von 800 Fr., wovon 600 Fr. in 
die Bürgerkasse und '200 Fr. in die Spitalkasse fallen; 
Im r ine Summe von 100 Fr. für jeden männlichen Nach- 
kommen , c) 20 Fr. Stempel- und Siegelgebühr. 

Kantonale und lokale Institutionen. Sitten ist der Amts- 
sitz der weltlichen und geistlichen Behörden des Kantons: 
Staatsrat, bischöfliche Verwaltung, Domherrenstift, Prie- 
sterseminar. Die Verfassung schreibt den Mitgliedern des 
Staatsrates den Wohnsitz in Sitten vor. Der Grosse Bat 
versammelt sich hier jährlich mindestens zweimal zur 
ordentlichen Mai- und Novembersession. Das Kantons- 
gericht oder Appellationsgericht hält jährlich 3-4 mal 
Sitzung in Sitten. Sitz des Bezirksgerichtes Sitten und 
des benachbarten Bezirkes Herens. für den die Stadt 
der eigenartigen Grundeigentumsverhältnisse wegen den 
geschäftlichen Mittelpunkt bildet. In militärischer Hin- 
sicht spielt Sitten seit der eidgenössischen Organisation 
von 1874, die der Stadt die kantonalen Mflitärkurse 
entzog, nur noch eine bescheidene Bolle, indem bloss 
noch Wiederholungskurse hierher verlegt werden. Die 
wichtigsten lokalen Vereine und Gesellschaften sind: 
die Sektion Sitten der Walliser Gesellschaft zur ge- 
genseitigen Unterstützung in Krankheit* und- Todesfäl- 
len, die Sektion Sitten des eidgenossischen Turnve- 
reins, die Schützengesellschaft, der Grütliverein, der 
katholische Arbeiterverein, der hauptsächlich aus Hand- 
werkern und Gewerbetreibenden bestehende Gewerbe- 
verein iSocu-tr industrielle des Arte et Metiers), der 
am St. Eligiustag (1. Dezember) mit grossem Prunk 
sein Jahresfest feiert. Den ersten Bang nimmt je- 
doch die landwirtschaftliche Gesellschaft (Sociale' d'Agri- 
cullurei ein. Neben dem Armen- und dem Spitalfonds, von 
denen bereite die Bede war, besitzt Sitten noch je ein 
Waisenhaus für Knaben und Mädchen. Wohltätigen 
Zwecken dient der Frauenverein vom h. Vinzenz von 
Paul. Zum Schluss sei der eigenartigen Sitte gedacht, für 
Schwerkranke eine Messe lesen zu lassen. 

Geschichtlicher l'eberblick. AlsJulius Caesars Unterfeld- 
herren ums Jahr 50 v. Chr. ins Wallis vordrangen, war 
Sitten bereits der Hauptort der Seduner, des einen der im 
Bhonethal sitzenden vier keltischen Stämme, die die drei 
aus der Thalebene aufragenden Hügel deswegen zur An- 
siedelung verlockt hatten, weil sie sowohl gegen feindliche 
l'eberfälle als gegen die Ueberschwemmungen der wilden 



Bhone und der Sionne hinreichenden Schutz boten. Die 
vorhistorische Niederlassung musa in dem stillen Thälchen 
zwischen Valeria und Tourbillon, in dem aich heute die 
Allerheiligenkapelle erhebt, gestanden ha- 
ben. Hier Hessen sich dann in der Folge 
auch die eingedrungenen Eroberer nieder. 
So berichtet die Chronik des Predegarius 
ums Jahr 613, d. h. zu der Zeit, da Sitten 
endgiltig zum Bischofssitz geworden, dass 
sich die Stadt an den NW. -Hang des Hü- 
gels Valeria anschmiege, von dem sie un- 
mittelbar überragt werde. Der O. -Eingang 
in das enge Thälchen war durch eine Zin- 
nenmauer gesperrt, in der sich ein Tor, 
die unter der Hut des Kapitels stehende 
Porte du Covent, öffnete. Nordwärts mar- 
kierte die Stedtgrenze die vom Gipfel des 
Tourbillon gegen W. zur Ebene sich sen- 
kende Festungsmauer, von der heute noch 
l'eberreste vorhanden sind. Als Stutx- 

f uinkle zur Verteidigung dienten ihr die 
lurg Majoria und aas ehemalige Schloss 
der Vitztume, von wo aus eine weitere 
Mauer quer über den W. -Ausgang des 
Thälchens zu einem am Fuss von Valeria 
stehenden festen Turm zog. Bald aber 
wurde diese Umwallung der wachsenden 
Stadt zu enge. Sie zog aich allmählig zur 
Ebene hinab uud erreichte den Lauf der 
Sionne, den sie im 9. Jahrhundert über- 
schritt, um sich bei derNotre Dame du Glarier anzusiedeln. 
Um diese Zeit entstand vielleicht auch die hier bis 1840 
erhalten gebliebene Stadtmauer, deren Existenz im 13. 
Jahrhundert urkundlich bezeugt ist und die ursprünglich 
von 4. dann von 5 und später von 8 Toren durchbrochen 
und durch zahlreiche Türme, von denen heute noch meh- 
rere existieren, verstärkt war. Eine Gemeindeordnung 
bestand in Sitten schon vor der Herrschaft des Bischöfe« 
Kuno (1179). Im Jahr 1181 sehen wir diesen Bischof mit 
seinem Meier. Wilhelm von La Tour, ein Uebereinkommen 
hinsichtlich ihrer beiderseitigen Hechte über die Stadt tref • 
fen. Die Versuche der La Tour (Im Thum), ihre Hechte als 
Meier auszudehnen, veranlassten 1-17 den Bischof Landri 
und sein Kapitel, die Befugnisse beider Parteien in einem 
besondern Gemeindebrief genau zu umschreiben, infolge 
dessen dann die Ortsburger nach und nach in den Bäten 
festen Boden zu fassen vermochten. Schon 1224 beteilig- 
ten sich neben den Domherren und kirchlichen Mini- 
sterialen auch Abgeordnete der Gemeinde an der Ge- 
nehmigung eines mit dem Grafen von Savoyen geschlos- 
senen Vertrages. Immerhin vermochten die Gemeinden 
im 13. Jahrhundert neben den bischöflichen Herrschafts- 
rechten noch nicht kräftig aufzukommen. Das Statut von 
1269 richtete einen Hat von 12 durch die Bürger zu wäh- 
lenden Mitgliedern ein, der unter dem Vorsitz des Vitz- 
tums mit der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten 
betraut war. Im fahrenden Jahrhundert sieht man zwei 
Bürgertneister (syndics) an der Spitze der Gemeinde. Als 
der aus der Gascögne stammende Philippe de Chamberl- 
hac zum Bischof von Sitten bestallt wurde, bestätigte 
dieser den Gemeinden günstig gesinnte Prälat alle Hechte 
und Freiheiten sowohl von Sitten, als auch von Leuk 
und Martinach durch besondere Urkunden (1338 und 
1339) und berief 1340 auch einen aus Vertretern samt- 
licher unter bischoflicher Hoheit stehenden Gemeinden 
zusammengesetzten Generalrat ein, aus dem später die 
Walliser Zehnten sich entwickelten. Die Geschichte Sit- 
tens ist diejenige einer Märtyrerstadt. Geschichtsforscher 
und Beiseschnftsteller stimmen in der Versicherung 
überein, dass Sitten unter allen Schweizerstädten sicher- 
lich die von Naturverheerungen und menschlicher Grau- 
samkeit am meisten heimgesuchte darstellt. Sie wurde 
seit dem Kriege zwischen Budolf I. und dem deutschen 
König Arnulph (888) nicht weniger als achtmal belagert, 
eingenommen und zerstört. Dem von Bischof Tavelli zur 
Hilfe gerufenen Grafen Amadeus VI. von 45avoyea, dem 
sog. Grünen Grafen, der an der Spitze eines Heeres ins 
Wallis einrückte, öffnete die Stadt 1352 ihre Tore und 
ergab sich auf Gnade oder Ungnade. Bald nach Abzug 
des Grafen machte sich jedoch die Unzufriedenheit mit 



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585 



der savovischen Politik des Bischöfe« von neuem Luft 
und brach ein Aufstand der Patrioten aus, so das» schon 
im folgenden Jahre eine savoyardische Armee 
wiederum thalaufwärts gegen Sitten zog. Nach 
einem auf den Höhen um die Morge gelieferten 
Kampf belagerte der von einem glänzenden 
Gefolge begleitete Graf nochmals die Stadt, 
die, auf ihre eigenen schwachen Kräfte ange- 
wiesen, mit Sturm genommen und diesmal 
geplündert und angezündet wurde. Nach dem 
tragischen Tod von Bischof Witschard Tavelli 
besetzte das Haus Savoyen 1376 den Bischofs- 
sitz von Sitten mit einem seiner eigenen An- 
gehörigen, dem Bischof Eduard von Detlev, der 
durch seine Hast, im Ober Wallis neuen Land- 
besitz zu erwerben, bald das Miastrauen der 
noch nicht beruhigten Patrioten hervorrief. 
Zweimal wurde er von seinem Sitz verjagt 
und hissten die Festungen auf Tourbillon, 
Majoria und Valeria die Mailänder Farben, 
Savoyen damit zur Fehde herausfordernd. 
Sogleich sammelte Amadeus VII., der sog. Rote 
Graf, ein aus Burgundern. Franzosen, Bernern, 
Freiburgern und Waadtländern rekrutiertes 
Heer, um vor die aufständische Stadt zu 
ziehen. Von drei Seiten zugleich angegrilTen, 
wurde Sitten nach wackerer Gegenwehr wiederum 
genommen und, innerhalb dreissig Jahren zum zwei- 
tenmal, den Flammen preisgegeben. Aber auch dies- 
mal vermochte sich der wieder in sein Amt eingesetzte 
savoyische Bischof nicht lange zu halten, bis schliesslich 
ein Vertrag den Lauf der Morge als Grenze zwischen Sa- 
voyen und den Ländern des Biachofes bestimmte. An- 
lässlich des sog. Raronkrieges mischte sich Savoyen 
neuerdings in die Geschicke des Landes, um die Stadt 
Sitten 1417 nocheinmal zu plündern und zu verbrennen. 
Als sich die Walliser zu Beginn der Burgunderkriege 



liess sofort ein Heer von 10000 Savoyarden gegen Sitten 
marschieren, wo sich die ihrer geringem Stärke bewuss- 





' Reformierte Kirche in Sitten. 

mit den Eidgenossen verbündeten, bot sich der Herzogin 
Jolantha von Savoyen, der Mutter des jungen Grafen 
Philibert, 1475 der Vorwand, ins Wallis einzufallen. Sie 



Valeria und A llorheiliirnnkapHle iu Sitten. 

ten Walliser eingeschlossen hatten. Diesen Umstand be- 
nutzten die Savoyarden, um einen Streifzug auf die 
Terrasse von Saviese zu machen, deren zahlreiche Dörfer 
zu verbrennen und die Bewohner hinzumorden. Unter- 
dessen kam den Wallisern aber Hilfe aus dem obern 
Rhonethal, aus Bern und Solothurn, worauf sich auf der 
Planta bei Sitten eine blutige Schlacht entspann, in der 
das savoyische Heer vollständig geschlagen wurde und 
etwa 300Edelleute. sowie 1000 Soldaten auf der Wahlsiatt 
liess. Dem mit den Ueberresten seiner Armee gegen das 
Faucignv fliehenden savoyischen Generalkapitän setzten 
die Walliser unaufhaltsam nach, auf welchem Zuge sie 
von Sitten bis zum Genfersee dreizehn feste Burgen bra- 
chen. Die Schlacht auf der Planta machte den Einfällen 
Savoyens auf Walliser Boden ein Ende. Nach den Bur- 
gunderkriegen und infolge der Verbundung der Walliser 
mit den Eidgenossen erfreute sich Sitten endlich einer 
drei Jahrhunderte dauernden Zeit verhältnismässiger 
Ruhe. Zur Zeit des Einmarsches der französischen Ok- 
kupationsarmee besetzte eine von W r aadtländer und fran- 
zösischen Truppen gedeckte Schaar von 1200 Unter 
Wallisern am 6. Mai 1706 die Stadt Sitten, wo sie einen 
Freiheilsbaum aufpllanzten, mussten sich aber noch am 
selben Abend vor 4000 herangerückten Ober Wallisern 
zurückziehen, wobei ihr Anführer, Kommandant de Bons, 
in Gefangenschaft geriet. Am 16. Mai kam es an der Morge 
zwischen einer unterdessen herangerückten Division 
Waadtländer und Franzosen und den Ober Wallisern zu 
einem blutigen Treffen, in dessen Folge Sitten sich dem 
General l^orges ergab. Die Franzosen nahmen grausame 
Rache. Sechs Stunden lang sah sich die Stadt der Plün- 
derung preisgegeben: dem Bischof wurde der Hirtenring 
vom Finger gerissen, der die Messe lesende Pfarrer Gott- 
sponer sah sich ergriflen und vom Altar verdrängt, und 
den Bürgern von Sitten riss man auf offener Strasse die 
silbernen Schnallen von den Schuhen. Speicher, Küchen, 
Keller und Ställe — alles wurde gründlich untersucht 
und geleert. Zur Wegfuhr der Beute bedurfte es nicht 
weniger als 25 schwerer Wagen, vor die in der Umge- 
bung aufgegriffene Pferde gespannt wurden. Während der 
Walliser Geschichtsforscher Louis Ribordy den Wert aller 
aus den Privathäusern entwendeten Gegenstände auf 
15000 Fr. geschätzt hat, versichert Mallet du Pan, dass 
General Lorgesaua der Plünderung von Sitten 165000 Fr. 
mit sich nach Frankreich zurückgebracht habe. Dieser 
gewaltige Unterschied in den Ziffern erklärt sich unge- 
zwungen aus den 150000 Fr. KriegBsteuern, die der Stadt 
auferlegt worden waren. Auch im Verlauf der innern 
bürgerlichen Zwistigkeiten zwischen Wallisern selbst ist 
Sitten oft belagert und genommen worden. 1839 war 
Sitten der Sjtz der Regierung des Unter Wallis, während 
diejenige des Ober Wallis in Siders sass, bis der Sieg der 
Unter Walliser bei Saint Leonard im April 1840 diesem 
Zwiespalt ein Ende machte. Da brach im Mai 1844 die 



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Gegenrevolution aus : 8000 Ober Walliser überraschten 
die Stadt Sitten und veranlassten die liberalen Vertreter 
im Grossen Rat zum Rückzug. Damit war der Beitritt des 
Wallis zum Sonderbund vorbereitet, welchem dieser Kan- 
ton als letzte Stütze diente, bis Sitten am 30. November 
1847 sich dem Obersten Rilliet ergab. 

Neben der Kriegsfurie haben im Laufe der Jahrhun- 
derte auch andere schwöre Plagen die unglückliche 
Stadt oft heimgesucht. So herrschte 1349. 16lti, 1629 und 
1639 die Pest. Ferner sah sich die Stadt sozusagen peri- 
odisch den Ueberschwemmungen durch die Hochwasser 
der Sionne ausgesetzt, die z. B. 1778 die meisten Keller 
unter Wasser setzten, mehrere Häuser zum Einsturz 
brachten und eine solche Masse von Schutt aufschwemm- 
ten, dass dessen Forträumen die Stadtverwaltung 60000 
alte Taler kostete. Km am 24 Mai 1788 ausgebrochener 
Kaminbrand pflanzte sich mit erschreckender Schnellig- 
keit fort und zerstörte 126 Wohnhäuser und etwa 100 
andere Gebäulichkeiten. darunterdie bischöflichen Schlös- 
ser Majoria und Tourbillon samt deren Archiven und der 
l'ortrntsa Hindling aller Walliser Bischöfe. Das im Schtoss 
Majoria untergebrachte Staatsarchiv konnte durch die eben 
in Sitten anwesenden Abgeordneten der Zehnten gerettet 
werden. Dreihundert Familien sahen sich de« Obdaches 
beraubt. Um der Not zu steuern, sandten Genf 5567 alle 
Taler, Neuenburg 25 Louis. Appenzell 15 Louis. Freiburg 
200 Louis und Solothurn 100 Louis. Der Staat Wallis be- 
willigte eine Gabe von 1000 Talern. Zum Wiederaufbau 
der Stadt verausgabte die Bürgergemeinde für Holz und 
andere Materialien über 100000 Taler, während man zu- 
gleich noch beim Furstabt von Einsiedeln ein Anleihen 
von 4000 Louis d'or aufnahm, von denen den Bürgern 
Vorschüsse geleistet wurden. 

■ Trotz all dieser Heimsuchungen erstand Sitten immer 
wiederneu verjungt aus seiner Asche ; nicht allein wegen 
seiner günstigen und fruchtbaren Lage, sondern auch, 
weil es der Sitz des Bischofs und seines Domkapitels und 
inabesondere noch, weil die freie Reichsstadt durch ihre 
Verfassung zu einer andauernden Entwicklung lebens- 
fähig war. Jeder Bürger war Freiherr. Die Obrigkeit hatte 
seit undenklichen Zeiten die Befugnis, alle Kriminalurteile, 
die in den mehr als 30 Freigerichten des lindes gefällt 
wurden, als geborne Richter und Freiherren zu durch- 
gehen und zu bestätigen. Die Regierung ist aristokratisch 
gewesen. Demzufolge hatte Sitten unter dem Vorsitz eines 
Bürgermeisters 24 Ratsglieder, die auf Lebenszeit gewählt 
waren. An den Platz eines Abgehenden wurde ein ge- 
wesener Syndik gewählt. Dem Zehnengericht sass ein 
Grosakastlan vor, der alle zwei Jahre neu gewählt wurde. 
Der Bannerherr und der Zehnenhauptmann, die im 
Kriegsrat den Vorsitz hallen, waren lebenslänglich im 
Amte. Die Milde der Richter in Sitten war sprich- 
wörtlich, und heute noch lesen wir den Wahlspruch der- 
selben: « Facite Judicium et justitiam. Et Dominus dabit 
pacem in linibus vestris » ob dem Eingange des altehr- 
würdigen Rathauses* (F. O. Wolf und Furrer). 

Altertümer. Kin unter dem Namen Pierre des Druides 
oder Druidenaltar bekannter Felshügel auf Valeria ist ein 




Tourbillon |KMlw] von SOdtjB, 

sog. Schalenstein mit leicht erkenntlichem Opfertisch 
und Blutschalen, wie man einen andern auch auf dem 
.Meint d'Orge gefunden li.it. Kbenfalls auf Valeria liegt der 



erratische Bloc Venetz oder das Venetzdenkmal mit der 
Inschrift /. Venetz 1X21 zum Andenken an den ersten 




lUK« der Burgruine Tourbillon iSiltenl. 



Verfechter der Gletschertheorie. Auf Tourbillon hat man 
Gräber aus der Steinzeit aufgedeckt. Zwischen Tourbillon 
und Valeria sieht man l'eberreste einer Ansiedlung 
und von Gräbern aus der Bronzezeit. Gräber aus der 

l Bronzezeit sind ferner auf der Plata und bei Chäteau 
Neuf gefunden worden. In der Rue de Lausanne 
deckte man ein gemeinsam der Bronze- und der Eisen- 

1 zeit angehörendes Gräberfeld auf. Gräber aus der Hall— 
sialtperiode hinter dem Haus Ambüel und solche aus 
der La Tönezeit in Clavoz, Chäteau Neuf und auf dem 
Mont d'Orge. Einzelfunde aus der Bronze- und der Eisen- 
zeit sind in Sitten häutig gemacht worden, wie man auch 
tu wiederholten Malen auf Inschriften und Gräber au« 
der Römerzeit gestossen ist. Eine solche Inschrift datiert 

I aus der Zeit des Tiherius, eine andere auf einem Meilen- 

I stein aus derjenigen der Kaiser Volusianus und Gallua; 

| eine dritte erinnert an Campanus und eine vierte an 
Pontius Asclepiodotus, zwei römische Statthalter auf 
Valeria, von denen der letztere im Jahr 377 die zer- 
störten Tempel wieder aufbauen Hess. Anlasslirh einer 
Restauration in der Wallfahrtskirche auf Valeria kam 
eine Marmorsäule des ehemaligen römischen Tempels 

' zum Vorschein. Sitten war schon zum Beginn der 
Zeit der Germaneneinfälle eine bedeutende Siedelung. 
namentlich als Sitz der Walliser Bischöfe. Iiies zeigen 
Germanengräber und Inschriften aus frühchristlicher 
Zeit. 

Verdiente Männer. Die Geschlechter Ambüel. Kalber- 
matten, von Riedmatten. Roten, von Platea. de Preui, de 
Torrente, de Sepibus, de Montheolo, de Rivaz, Allel etc. 
haben der Stadt manchen verdienten Magistraten und dem 
I Lande mehr als einen Bischof geschenkt. Ferner sind 
namentlich hervorzuheben : der gegen 1500 gestorbene 
ausgezeichnete Arzt Kaspar Collinus (Ambüel [, Freund 
Konrad Gessners und Verfasser einer lateinisch ge- 
schriebenen Abhandlung über die Heilbäder des Wallis, 
die Josias Simlers Vallesiae deteriplio beigedruckt ist ; 
Bürgermeister Philippe de Torrente, Geschichtsforscher 
und Jurist; der 1812 gestorbene Dichter Peter Joseph von 
Riedlnatten ; der 1905 jung gestorbene Dichter Louis de 
Courten. Von längere oder kürzere Zeit in Sitten leben- 
den Persönlichkeilen von Ruf erwähnen wir den Landes- 
hauptmann Georg Supersaxo, den mächtigen Gegner des 
Kardinals Schinner, die zeitgenössischen Geschichts- 
schreiber Furrer, Lein- Ribordy und Domherr Grenat, 
den Ingenieur Ignaz Venetz. den Musiker und Natur- 
| forscher Ferdinand Otto Wolf (1838-1906), Verfasser einer 
' Reihe von das Wallis betreuenden Heften der Euro- 
fiäitchen Wanderliihler. Auch Jules Verne, der bekannte 
französische Schriftsteller < Vuyagen extraordinairet), 
weilte 1871 einige Monate in dieser Stadt. 

Bibliographie: Gay, Hilaire. Let franchite» de Sion 
(in den Melange» d'hittotre valaitanne). Geneve- 1891. 
— Wolf, F. O. Sitten und f'mgegend. {Europ. Wander- 
bilder. 138-140). Zürich 1888. - Monod, Jules. Sion, let 
Mayens etc. Sion 1903. Vergl. auch die bibliographische 
Liste zum Art. Wallis. [L. Coiktbioh.| 



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SITTEN (BISTUM). Das heutige Bistum Sitten um- 
fasst das Einzugsgebiet der Rhone oberhalb des 
Genfersees, d. n. den gesamten Kanton Wallis 
und vom Kanton Waadt den dem Rhonethal 
angehörenden Abschnitt his zur Kau Froide 
zwischen Roche und Villeneuve (katholische 
Pfarreien Bex und Aigle). Die Katholiken von 
schweizerisch Saint Gingolph. die mit den- 
jenigen des franzosischen Saint Gingolph eine 
gemeinsame Pfarrei bilden, deren Kirche links der Morge 
auf savoyischem Boden steht, sind dem Bischof von Annecy 
unterstellt. Die 1906 angeordnete Inventarisalion der Kir- 
chengüter in Frankreich musste in der Pfarrei Saint Gin- 
golph aufgeschoben werden, weil hier Franzosen und 
Schweizer gleichzeitig Eigentümer derselben sind, was der 
Geistlichkeit und den Gläubigen gestattete, einenTeil der 
Kirchengeräte in die rechts der Morge auf Schweizer Boden 
stehende Kapelle hinüber zu retten. Die an der S.- Flanke 
des Simplonpasses gelegene kleine Pfarrei Gondo gehörte 
ursprünglich zur Diözese Novara und wurde unter Papst 
Pius VII. ums Jahr 18*20 dem Bistum Sitten angegliedert. 

Zur Zeit der Einführung des Christentums bildete das 
Wallis einen Teil der romischen Provinz Rätien. Der 
Kirchenhistoriker Sebastian Briguet, Domherr 
zu Sitten, erzählt in seiner Valetta Chrittiana, 
dass nach den Archiven des Klosters Saint 
Maurice ein Bischof Uggerius im Jahr 300 vom 
h. Stuhl nach Octodurum gesandt worden sei. 
Doch datiert die erste wirklich beglaubigte 
Nachricht von einem Bistum Octodurum (Mar- 
tinach) erst aus dem Jahr 381. in welchem 
ThMidoru* trjtitiutjiiis Ocludunmst» am Konzil 
von Aquileia teilnahm. Eine der ersten Mass- 
nahmen dieses Theodoms war die Errichtung 
eines Tempels in Agaunum (Saint Maurice) 
zum Andenken an den Martyrertod des h. 
Moritz und seiner Gefährten, den diese hier 
302 auf Befehl des Kaisers Maximian erlitten 
hatten (vergl. den Art. Saint Maurice). Die in 
der Gegend niedergelassenen Einsiedler, die 
sich an den aufstrebenden Felswänden ihre 
Hütten erbaut halten, wurden vom Bischof zu 
einer christlichen Gemeinde vereinigt. Derart 
soll die Abtei Saint Maurice entstanden sein, 
die jetzt das älteste Kloster nordlich der Alpen 
darstellt. Da unter Kaiser Maximian auch die 
schon im 3. Jahrhundert n. Chr. bestehenden 
christlichen Kirchen in Sitten zerstört worden 
waren, übernahm unter Kaiser Gratian im 
Jahr 377 der dortige römische Statthalter 
Pontius Asclepiodotus unter dem Einlluss des 
Bischöfe» Theodorus den Wiederaufbau dieser Tempel. Dies 
geht aus einer der im Korridor des Rathauses zu Sitten 
eingemauerten römischen Inschriften aufs deutlichste her- 
vor. Der erste historisch beglaubigte Bischof des Wallis 
war demnach zugleich der Gründer des Bistumes Sitten und 
der mächtigen Abtei Saint Maurice, deren Acbte während 
des ganzen Mittelalters den Bischöfen von Sitten als ge- 
fährliche Rivalen gegenüberstanden. Theodorus starb um 
391, nachdem er 381 am Konzil von Aquileia und 390 an 
demjenigen von Mailand teilgenommen halte. Unter der 
Regierung Mark Aurels wurde das Wallis von Rätien ab- 
getrennt und der Provinz Gallien angegliedert. Damit 
Kamen die ersten Bischöfe des Wallis unter die Ober- 
herrschaft des Erzbischofs von Yienne und später unter 
diejenige des Bischofes der Tarentaise zu stehen. Der als 
Nach er des Theodorus genannte h. Florentin, der 407 
von den Vandalen getötet worden sein soll, ist von 
der neuern Forschung von der Liste der Walliser 
Bischöfe gestrichen worden. Der Bischofssitz blieb 
bis zum Ende des 6. Jahrhunderts in Octodurum, 
obwohl die Hoch Wasserverheerungen der Dranse die 
Bischöfe öftere nötigten, in Agaunum Zuflucht zu 
suchen. Den verheerenden Naturgewalten, wie Ueber- 
schwemmungen und Bergstürzen, reihten sich feindliche 
Einfälle und auch bürgerliche Zwistigkeiten an, indem 
z. B. die Mönche von Agaunum im Jahr 565 den Bischof 
Agricola samt seinen Geistlichen und Anhängern zu tuten 
suchten. Man sieht darin ein Beispiel jener im Mittelalter 
häufigen Kämpfe der auf ihre Freiheiten und Vorrechte 



eifersüchtigen Klöster gegen die Bischöfe.'die jene unter 
ihre Gewalt zu bringen trachteten. Um vor den Einfällen 
der raubend und sengend über den Grossen St. Bernhard 
ziehenden Longobarden sicherer zu sein, verlegte dann 
der h. Heliodorus im Jahr 585 seinen Bischofssitz von 
Octodurum (Martinach) nach Sedunum (Sitten). Trotzdem 
sehen wir aber in der Folge zahlreiche Bischöfe sich 
zugleich noch den Titel eines Abtes von Agaunum (Saint 
Maurice) beilegen, wie z. B. Vultcharius (753), den h. 
Althaeus, der 780 vom Papst eine Exemtionsbulle zugun- 
sten dieses Klosters auswirkte, Abdalong (um 825), Hei- 
menius (830) und Haymon II.. Sohn Humberts von 
Savoyen, dem der Papst Leo IX. im Jahr 1049 zusam- 
men mit den Bischöfen von Lyon, Besancon und Genf in 
Saint Maurice einen feierlich'en Besuch abstaltete. Dem 
Tod Karls des Grossen, der das grosse abendländische 
Reich dieses Herrschers rar Auflösung brachte, folgte 
auch im Wallis Zank und Streit. Um den Besitz des Landes 
stritten sich das Bistum, das von Rudolf III., dem letzten 
König des transiuranischen Burgund, im Jahr 999 die 
Gaugrafenwürde des Wallis verliehen erhalten hatte, und 
das Baus Savoyen. das seine Besitzansprüche von einer 
Vergabung Koiiradsdes Saliers zugunsten des Grafen llum- 




Kue de« Horoparts in Sitten. 

bertdes Weisshändigen herleitete. Dem Abt von Saint Mau- 
rice, der bei der Teilung des Ungeheuern Reiches auch 
seinen Anteil haben wollte, war die von Martinach bis 
Vevey reichende Grafschaft des Vieux Chablais zugefallen. 
Seither standen sich Ansprüche und Interessen des Bis- 
tums und Savoyens, welch letzterm die Abtei Saint 
Maurice bei seinen Uebergriffen aufs Wallis stets behilf- 
lich war, feindselig gegenüber. Daraus entsprang dann die 
lange Reihe der Bürgerkriege, die das Land fast ohne 
Unterbruch entzweiten. Die Schenkung Rudolf III. be- 
gründete die weltliche Macht der Bischöfe von Sitten und 
gestaltete diese Stadt von einer rein religiösen Metropolo 
auch zum politischen Schwerpunkt des lindes um, so- 
dass sich Hier geistliches und weltliches Schwert auf 
mehrere Jahrhunderte hinaus in einer Hand, der der 
Bischöfe, vereinigt sahen. Aus dem Bischofsstaat hat sich 
in der Folge der Freistaat und die Republik Wallis ent- 
wickelt. Während die Grenzen der Grafschaft Wallis und 
des Bistums Sitten sich zur Zeit des Zusammenbruches 
des Römerreiches noch deckten, war dies heim Tod 
Rudolfs III. weitaus nicht mehr der Fall. So umfasste das 
Bistum, das innerhalb der Grenzen der ehemaligen riritas 

Seblieben war, genau das Sainmelgebiet der obern Blione. 
ie Grafschaft dagegen bloss den obern Abschnitt des 
Rhonethaies bis zur Einmündung des Thaies des Tricnt. 
Die weltliche Macht der Abtei Saint Maurice im untern 
Tlialabschnitt bildete einen jeder Ausdehnung der Graf- 
schaft gegen diese Seite hin machtvoll sich entgegen- 
stemmenden Wall. Zudem war der Zerfall der ehemaligen 



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Grafschaft \Vallis auch die weUHchc Mach?eriangte, 'schon 
ziemlich weit vorgerückt. Wahrend z. B. dein Bischof 
die Herrschaft liartinach gehörte, hesasH andrerseits die 
Abtei mitten in der Grafschaft ausgedehnten Grundbe- 
siu, wie z. B. die Enklaven V<5troz-Conthey und Nendaz, 
sowie später Bagnes und zeitweise sogar noch Leuk und 
Naters. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Herr- 
schaftsrechte gestaltete sich auf dem Wege von Erbschaft 
und Auatausch, sowie durch die Ansprüche und Ueber- 
grifle des Hauses Savoyen. auf welches sich die Abtei Saint 
Maurice in gleicher Weise stützte wie der Bischof aufs 
Beich, allmählig zu einem tatsächlichen Wirrwarr, der 
unzählige Steifigkeiten und blutige Zwiste zur Folge hatte. 



er auf einen Teil 
auf die eigene Ausübung 
der Zivil- und Strafrechtepflege. Verzicht leistete. Als 
Wilhelms Nachfolger den bischöflichen Stahl nur mit 
dem ausdrücklichen Vorbehalt bestieg, dass diese Kon- 
zession als null und nichtig dahinfalle, entbrannte der 
Kampf zwischen den Patrioten und dem Fürstbischof aufs 
neue, sodass jene von nun alle jede Gelegenheit zur Ein- 
schränkung der weltlichen Macht ihres Oberherrn sich 
zu nutze machten. Mächtigen Vorschub leisteten dieser 
Bewegung der endgiltige Bruch der Eidgenossen mit 
Savoven. die ßurgunderkriege und die Eroberung des 
Unter Wallis im Jahr 1475. So wurden die Bischöfe Jost 
von Silenen und Matthaus Schinner ihrer Umtriebe zu 




8i«lum Siiun. 



Als dann mit dem Aufkommen der Zehnten auch noch 
das Landvolk auf den Plan trat und sowohl dem Bischof 
als dem Hause Savoven weitere Hechte und Freiheiten 
abzutrotzen sich anschickte, gestaltete sich der Kampf 
gefährlicher als je zuvor. Um die Mitte dieser langen 
Periode von Wirren sehen wir auf dem Möns Jovis das 
gastliche KloBter der Mönche vom Grossen St. Bernhard 
entstehen. Während der letzten Jahrhunderte des Mittel- 
alters trug der vom Domkapitel erwählte Bischof den Titel 
eines Reichsgrafen, als welchem ihm die Rechte und Be- 
fugnisse eines Reichsfürsten zustanden. Als tatsachliches 
Staatsoberhaupt leitete er die Stindeversammlungen, zu 
denen er die Vertreter der Zehnten von sich aus berief. 
Die damaligen sieben Zehnten lagen in dem ö. der Morge 
von Conlhey bellndlichen Abschnitt des Rhonethaies und 
seiner Verzweigungen. 

Die Emanzipation der Gemeinden (Zehnten) führte auch 
hier zu einem allmähligen Rückgang der landesherr- 
lichen Rechte. Nach dem Sturz der mächtigen Familie 
derer von Raron. die den Hochadel des Wallis verkörpert 
hatte, wurde Wilhelm VI., der letzte Bischof aus diesem 
Geschlecht, am 28. Januar 1448 auf seiner Burg zu 
Naters zur Unterschrift der berühmten sog. Naterser 



Künsten Frankreichs und des Papstes wegen durch das 
Volksgericht der Mazze aus dem Lande verbannt und 
später der von einer Romreise zurückkehrende Bischof 
llildebrand Jost auf dem Grossen St. Bernhard gefangen 
genommen und 1630 gezwungen, auf die Karolina, d. h. 
die den Bischöfen angeblich von Karl dem Grossen ver- 
liehene weltliche Macht, zu verzichten. Von diesem Zeit- 
punkt an sah sich die bischöfliche Autorität mehr und 
mehr auf das geistliche Gebiet eingeschränkt, während die 
Machtfülle de* Landeshauptmanns, des ehemaligen welt- 
lichen Statthalters der Bischöfe, aufs Höchste stieg. 
Trotz alledem waren aber dem Bischof bis zu der Zeit der 
Revolution, die alle alten Einrichtungen des Landes weg- 
fegte, eine Reihe von Rechten geblieben, wie z. B. das 
Begnadigungsrecht, das Recht auf die konfiszierten Güter, 
Münzrecht. Bezug zahlreicher Bussen etc. Er erhob die 
Zölle, ernannte die Notare, legitimierte die ausserehe- 
lichen Kinder, war der natürliche Erbe aller nicht von 
anderer Seite her beanspruchten Verlaasenschalten etc. 
Er war ferner Gerichtsnerr über eine Reihe von Ge- 
meinden geblieben, die der Zehntenverwaltung nicht 
unterstanden, wie Martinach, Ardon, Chamoson, Iserables. 
das Eringer- und das Eitischthal, Ayent, 



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Leonard, Simpeln, Massongex u. a. Dem der Abtei Saint 
Maurice gehörenden Bagnesthal «Und er als weltlicher 
Oberherr vor. Ihm standen das Fisch- und Jagdrecht zu, 
sowie das Recht auf sämtliche Zungen der in Sitten ge- 
schlachteten Ochsen und Kälber. Er unterhielt, kleidete 
und bezahlte den Scharfrichter und gegenzeichnete sämt- 
liche Todesurteile. In der Periode nach der Franzosen- 
herrschaft (1799-1813) wurden die Beziehungen zwischen 
dem Bischof von Sitten und der weltlichen Landesver- 
waltung durch Verfassungsbestimmungen geregelt. Bis 
1840 behielt der Bischof den Ehrenplatz an der Stände- 
versammlung und das Vorrecht bei, über vier Stimmen 
zu verfügen, was bedeutete, dass seine Stimme ebenso- 
viel zählte als die 4 Stimmen jedes einzelnen Zehntens. 
Dieses Vorrecht kam den eine geringe Einwohnerzahl auf- 
weisenden obern Zehnten zugute, indem sie damit die die 
doppelte Bevölkerung zählenden Zehntendes Unter Wallis 
zu majorisieren vermochten, und war mit eine der Ur- 
sachen der blutigen Bürgerzvriste, die den Kanton von 

1839 bis 1848 in zwei Lager spalteten. Mit dem Ausgang 
des Sonderbundskrieges fielen dann auch die letzten 
weltlichen Privilegien des Bistums endgiltig dahin. Der 
h. Stuhl war seinerseits bemüht, jeglichen Anlasa zur 
Rivalität unter der Walliser Geistlichkeit möglichst zu 
beseitigen, und regelte daher 1840 die gegenseitigen Be- 
ziehungen von Bistum Sitten und Abtei ^aint Maurice in 
dem Sinne, dass er dem Abt dieses Klosters den Titel 
eines Bischores von Bethlehem in partibus inftdelium ver- 
lieh und die Priester seines Kapitels zum Range von Dom- 
herren erhob. Seither sind unter der direkten Hoheit des 
Abtes und Bischofes von Bethlehem sämtliche Pfarreien 
der ehemaligen Herrschaften Choex und Salvan verblie- 
ben. Daher sind denn auch die Pfarreien Choex, Salvan, 
Finhaut and Vernayaz, sowie die Kaplanei Lavey heute 
noch nullius diocesis. 

Der Bischofsstuhl zu Sitten hat sich zu keiner Zeit eine 
besondere Kathedrale erbaut, indem als Kathedralkirchen 
zuerst die Notre Dame auf Valeria nnd dann die in der 
Ebene gelegene alte Notre Dame du Glaner (die heutige 
Kathedrale) dienten. Der bischön iche Palast befand sich 
seit 1218 aüdl. von der Kathedrale und wurde nach der 
Erwerbung des Schlosses Majoria dem Domkapitel über- 
lassen. Sein Turm ist durch den grossen Brand von 1788 
vollständig zerstört worden. Von 1373 bis 1788 residierten 
die Bischöfe auf den Schlössern Majoria und Tourbillon. 

1840 bezogen sie ihren heutigen Palast, ein in der Unter- 
stadt gelegenes geräumiges Gebäude. Zu den Zeiten ihrer 
weltlichen Machtfülle hielten die Bischöfe einen glänzen- 
den Hofstaat mit der ganzen Stufenfolge der an Für- 
stenhöfen üblichen Aemterfülle. Heute besteht der bi- 
schöfliche Hof nur noch aus dem Domkapitel, dem ein 
besonderes Gebäude eingeräumt iat. Das Bistum Sitten 
zeigt noch die Eigentümlichkeit, dass der Bischof vom 
Grossen Rat des Kantons Wallis gewählt wird. Es ist dies 
die Folge der allmähligen Ersetzung der ehemaligen 
Reichsgewaltund der Oberhoheit des Herzogtums Savoyen 
durch die Volksrechte. Nach dem Tod des Bischofes An- 
dreas von Gualdo im Jahr 1437 erlangten die Walliser, die 
die Verwaltung ihres Landes dem Einlluss des Hauses Sa- 
voyen und seiner Anhänger zu entziehen trachteten, das 
Recht, sich an der Bischofswahl milbeteiligen zu dürfen. 
Heute wählt der Grosae Rat den Bischof unter vier Kandi- 
daten.die ihm vom Domkapitel vorgeschlagen werden. Jede 
Wahl wird dann vom h. Stuhl, der sich damit seine Bechte 
vorbehalten will, jeweilen als ungiltig erklärt, worauf 
dann der Papst von sich aus den vom Grossen Rat Ge- 
wählten ebenfalls bestätigt. 1875 gelanges den Vertretern 
des Unter Wallis zum erstenmal, einen Angehörigen des 
westlichen Kantonsteiles auf den Bischofssitz zu erheben, 
welcher Fall !ttch 1895 wiederholt hat. Trotzdem wacht 
das Domkapitel, von dessen 10 Angehörigen bloss drei 
französischer Zunge sind, eifersüchtig über die Wahrung 
der Vorrechte der alten Zehnten des Ober Wallis, indem 
es daraufsieht, dass sich unter den vier von ihm für den 
vakanten Bischofssitz vorzuschlagenden Kandidaten bloss 
ein einziger Unter Walliser oder französischer Name be- 
finde. I 

Die Diözese Sitten umfasst zur Zeit die 11 Dekanate i 
Sitten, Siders, Leuk. Baron, Visp, Brig, Aernen, Ardon, 
Vex, Martinach und Monthey. Der bischöflichen Hoheit I 



unterstehen 135 und derjenigen des Abtes von Saint 
Maurice und Bischofes von Bethlehem 4 Pfarreien. Eine 
Walliser Pfarrei (Saint Gingolph) ist dem Bistum Annecy 
angegliedert. Die Ernennung der Pfarrer und übrigen 
geistlichen Würdenträger unterliegt noch einigen eigen- 
tümlichen, aus den alten Zeiten herstammenden Bedin- 
gungen. So werden z. B. die Pfarrer von Monthey und 
Troistorrents zwar aus der Zahl der im bischöflichen 
Priesterseminar ausgebildeten Weltgeistlichen erwählt, 
aber von der Abtei Saint Maurice ernannt. Die Pfarrer 
von Port Valais, Vionnaz und Collombey ernennt der 
Grosse Rat aus je drei ihm vom Bischof vorgeschlagenen 
Kandidaten. In bestimmten Pfarreien des mittlem und 
obern Wallis steht die Pfarrwahl dem Domkapitel zu. Die 
Abtei Saint Maurice und das Kloster auf dem Grossen St. 
Bernhard verfügen noch über die Pfarrwahl und Kirchen- 
güter der ihnen früher gehörenden Herrschaften. So be- 
setzt der Abt von Saint Maurice ausser den Pfarreien 
Salvan, Finhaut, Vernayaz und Choex, die ihm direkt 
unterstellt sind, noch diejenigen von Bagnes, Volleges, 
Saint Maurice, Evionnaz, Outre Rhone, Aigle, Verossaz 
und Vetroz mit Mönchen aus seinem eigenen Kloster. Die 
Augustiner auf dem Grossen St. Bernhard verfügen über 
die Pfarreien oder Propsteien von Bourg Saint Pierre, 
Liddes, Orsieres, Sembrancher, Bovernier, Martinach, 
Trient. Lens und Vouvry. Alle Wahlen werden vom Ober- 
haupt der beiden Klöster getroffen und vom Bischof von 
Sitten bestätigt. Das Bistum Sitten zählt etwa 115000 
Gläubige und, nach dem Status cleri von 1902, 205 Welt- 
geistliche, 134 Kloslergeistliche vom Orden des h. Augu- 
stin (Saint Maurice und Grosser St. Bernhard) und des 
h. Franciscus (Kapuzinerkloster Saint Maurice und Sit- 
ten), 12 Seminaristen und 15 Laienbrüder, d. h. im gan- 
zen 366 Geistliche. Das Domkapitel besteht aus 10 Dom- 
herren. Nach dem Katalog von Boccard sollen im ganzen 
92 Bischöfe auf dem Stuhle von Sitten gesessen haben, 
von denen 1 unter dem Erzbiachof von Mailand, 7 unter 
demjenigen von Lyon, 10 unter dem von Vienne und 52 
unter dem der Tarentaise standen, während 22 direkt dem 
h. Stuhl untergeordnet waren. Der gegenwärtige Bischof 
ist seit 1895 als Koadjulor seines Vorgängers und seit 
1900 als Bischof im Amte. Im folgenden wollen wir noch 
einige der hervorragendsten der Bischöfe von Sitten be- 
sonders namhaft machen : Herminfried, der als Legat des 
Papstes Viktor IL im Jahr 1055 das Konzil von Lisieux 
und als Legat des Papstes Alexander II. 1070 das Konzil 
von Winchester leitete, wo er den König Wilhelm von 
England krönte und den Erzbischof Stigand von ('.anter - 
burv seines Amtes entsetzte; der mit wunderwirkender 
Heilkraft begabte h. Garin, zuerst Abt von Saint Jean 
d'Aulph und seit 1138 Bischof ; Ludwig. Führer der Ghi- 
bellinen im Wallis (1150) ; Wilachard Tavelli. Sohn eines 
ersten Burgermeisters von Genf und Parteigänger des 
Hauses von Savoyen. der 1375 von Anhängern des Anton 
Im Thum aus den Fenstern des Schlosses La Soie ge- 
worfen wurde; Walter Supersaxo, unter dessen Episkopat 
der savoyische Einfluss im Rhonelhal vollkommen aus 
dem Felde geräumt ward; Jost oder Jodocus von Silenen. 
der 1475 vom Bischofssitz Grenoble auf den von Sitten 
versetzt wurde und dessen Bemühungen die Versöhnung 
der Eidgenossen mit Herzog Sigismund von Oesterreich 
(Ewige Richtung 1474) zu verdanken ist : Matthäus Schin- 
ner (1500-1522), der berühmte nachmalige Kardinal. 

Bibliographie : Briguet, Seb. Vallesia christiana teu 
Diocesis Sedunensis historia sacra. Seduni 1744. — Ra- 
meau, B. Le Vallait hislorique. Sion 1891. — Melange* 
d'histoire et d'archeotogie ; nubl. par la Societe helvetique 
de Saint Maurice. Fribourg 1901 — Bourban, Pierre, I.'ar- 
chevt'que Saint Vultchaire. (Fouilles de Saint Maurice). 
2. ed. Fribourg 1900. — Besson, Marius. Recherches sur le» 
origines des creches de Gent-ve, Lausanne, Sion . . . Fri- 
bourg et Paris 190*). — Berchem, V. van. Guichard Tavel, 
eveque de Sion. (Etudes sur le Vallais an XlVe siecle). Zü- 
rich 1899. — Status ven. cleri diocesis Sedunensis. Seduni 
1902. Vergl. ferner alle das Wallis im allgemeinen be- 
treffenden geschichtlichen Werke. Goi-bthio».) 

Sittenhub (Kt. St. Gallen, Bez. Tablat, Gem. 
Wittenbach). 580 m. Gruppe von 4 Häusern, an der thur- 
gauischen Grenze und 7 km nw. der Station St. Fiden 
der Linie St. Gallen-Rorschach. 24 zur Mehrzahl kathol. 



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500 



SIT 



SIT 



Ew. Kirchgemeinde Wittenbach. Acker- und Obtlbau, 
Viehzucht. 

SITTER oder SITTERN iKt. Appen/eil, St. (lallen 
und rhurpau). Bedeutendster Zuflus« der Thür, der seine 
Ouelladern im Säntisgebirgc iunÜ, Die Sitter ent- 
steht aus der Vereinigung des Bröl-, Schwendi- und 
Weissbache«, dreier Wildwasser, deren erstes vom S.- 
Fuss des Alpsigel durch das Brültobel herabkommt, 
während das zweite dem Seealpsee entspringt und das 
dritte seine Quellen auf der Potcrsalp am N.-Fuss des 




Huhnerberges hat. Hin Färb 
hat 19ÜT> gezeigt, das* der 
Hhein und nicht /.um Schw 



mit Fluoreszcm 
unterirdisch zum 
Schwendibach abdient, wie es die 



Tektonik jenes Gebietes vermuten lies«. Vom Weissbad 
an. wo sich die drei grossen Ouellhäche zur Sitter vereini- 
gen, durchfliegst diese den mittlem Abschnitt von Appen- 
zell Inner und Ausser Roden. Hier erhält sie von rechts 
den vom Fahnern-Ilirschberg herkommenden Rotbach 
und von links die (Irnäsch. ihre gröaste Nebenader, die 
auf der Schwägalp am W.-Ilang des Säntisgipfels ent- 
springt. Bei der \ereinigung mit der Urnasch scheidet 
die Sitler die beiden Landschaften Vor der Silier und 
Hinter der Sitter. worauf sie auf St. (laller Boden tritt 

und hier zunächst in tiefer 
und malerischer Schlucht 
die Gemeinde Slraubenzeh 
durchfliegst, um von der 
Hätternbrücke an die Grenze 
zwischen den Bezirken Gos- 
sau und Tahlat zu bilden. 
Unterhalb Bernhardzell und 
der Burgruine Bamswag ver- 
laust die Silier den Kanton 
St. Gallen und mundet bei 
Bischofszell im kaiiton.Tnur- 
^au nach 40 km langem Lauf 
von recht« in die Thür, nach- 
dem sie eine grosse Zahl 
von Mulden, industriellen 
Anlagen und Elektrizitats- 
werken mit Kraft 
hat. Sie wird 

zum Teil grossartigen Brük- 
ken überschritten, von denen 
wir nennen : im Kanton 
Appenzell diejenigen von 
Weissbad, St. Anna, Appen- 
zell i Strassenhahn St. Gallen- 
Gais- Appenzell), Lank, im 
(imuiKlertobel hei Zweibrük- 
ken, Kübel (Elektrizitäts- 
werk); im Kanton St. Gallen 
diejenigen von Brüggen. St. 
Josephen. Erlenholz und 
Wannen ; im Thurgau die- 
jenigen von Sitterdorf und 
Hisehofszcll. Kahren linden 
sich bei Sitterthal, Bauern- 
tobel, Winterburg und Hü- 
tern (zwischen Häggenswil 
und liernhardzell). Roten. 
Lemisau, Papiermühle, To- 
helmuhle und I.utswil. Her- 
vorragend ist die steinerne 
Kratzerenbrücke der Strasse 
St. Gallen-Gossau, die zwei 
Bogen aufweist, sowie 197 m 
lang und W m hoch ist. 
F.lwas oberhalb davon befin- 
det sich die am ik. Marz 1856 
eingeweihte Eisenbrückc der 
Linie Winterthur-Sl. Gallen, 
eine der höchsten Brücken 
EuropasfbX rn hoch und 167 m 
lang). Eine weitere Eisen- 
hahnbrucke wird für die Li- 
nie Boden see- Toggenburg 
erstellt werden Die Ufer der 
Sitter sind im Mittellauf vom 
Weissbad bis Haslen flach, 
von da bis beinahe zur Mün- 
dung dagegen steil, hoch und 
bewaldet. Im untersten Ab- 
schnitt verbreitert sich das 
Flussthal zwischen hohen 
Thalwänden. Der Flusslauf 
ist an verschiedenen Stellen 
korrigiert, so z. B. bei Ap- 
penzell, von Mettlcn bis zum 
Eintritt in den Schluchtenlauf 
und in der Umgebung von Bischofszell. Dis Silter ist 40 km 
lang und umfasst ein Einzugsgebiet von H48 km«. Da« 
Gefalle schwankt zwischen 3 und 8 •/„. " 



V Athnyvrsc. 



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SIT 



SIX 



591 



serführung etwa 220 m :l in der Sekunde. 787 : Sidrona ; 
899 : Siteruna ; 1155: Sedrona; später Siterun. d. h. 
>■ Tobelbach ». 

• ITTERDORF (Kt. Thurgau, Bez. Bischofazell, Gem. 
Zihlschlacht). 483 m. Ortsgemeindc und Dorf am rechten 
Ufer der Sitter, an der Strasse BischofBzell- 
Amriiwil und 1,5 km nö. der Station Sitterthal 
der Linie Gossau-Sulgen. Postbureau, Tele- 
phon ; Postwagen Bischofszell-Amriswil. Zu- 
sammen mit Blidcgg, Degenau, Helmishub, 
Hohlenstein, Lütswil, Riet und Wilen : 127 
Häuser, 738 reform, und kathol. Ew. ; Dorf: 
39 Häuser. 296 Ew. Reform, und kathol. 
Pfarrei. Wiesen-, Harten- und Obstbau; Ge- 
nossenschafLsk.iserei. Mühle und Mehlhandel, 
mehrere Stickereien mit zusammen 22 Schifft- 
und verschiedenen Handmaschinen. Die Kirche 
stammt aus 890 und ist älter als die Gründung 
von Bischotszell. Aus dieser Gegend waren die 
Bischöfe Salomon I. und Salomon II. von 
Konstanz gebürtig. Sitterdorf gehörte zur Abtei 
St. Gallen und bildete eines deren sieben Male- 
lizgerichte, Pfarrer in Sitlerdorf warder Dekan 
Scherl), der sich im 18. Jahrhundert mit der 
Armenfrage beschäftigte und hier 1764 eine 
Armenunterstutzung ins Werk setzte. Die 
Unzufriedenheit mit der äblischen Regierung 
rief 1795 in Sitlerdorf Unruhen hervor, die 
das Vorspiel des Aufstandcs von 1798 bildeten. 
Auf der Killwiese hat man 1862 Reste einer 
Römersiedelung aufgedeckt. 908: Sitiruntorf. Nahe der 
Sitter stand die 1406 von den Appenzellem zerstörte Rurg 
der lullen von Singenberg. 

SITTERTHAL. (Kt. St. Gallen, Bez. Gossau. Gem. 
Slraubenzell). 579 m. Kleines Dorf, am rechten Ufer der 
Sitter und 900 m nw. der Station Brüggen der Linie 
Zürich- Winterlhur-St. Gallen. 14 Häuser. 200 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Brüggen. Grosse Bleicherei und Färberei. 
Steg über die Silier. 

SITTERTHAL (Kt. Thurgau, Bez. und Gem. Bischofs- 
zell). 476-483 m. Häuscrgruppe und Fabriken, unterhalb 
Bischofszell zu beiden Seiten der Sitter gelegen. Am 
rechten Flussufer 700 in nw. Bischofszell die Station 
Sitterthal der Linie Gossau- Sülsen. Telephon ; Post- 
wagen Amriswil- Bischofszell. 27 Häuser, 193 kathol. und 
reform. Ew. Kirchgemeinden Bischofszell. Wiesen-, 
Garten- und Obstbau ; Käseret und Mühle. Stickerei. Ge- 
deckte Hol/brücke über die Silter. 

sittlisa lp {Kt. Uri.Gem. Unterschächen). 1637 bis 
1719 m. Alpweide auf einer zum Teil bewaldeten Terrasse, 
die steil zum Schächcnthaler Brunnithal abbricht, links 
über diesem und U , Stunden ssw. über Unterschächen. 
Zählt zusammen mit Laui und Gampelen 50 Hütten und 
Ställe. 

8ITTLI8ER (Kt. Ur. . 2450 m. Giprel in der Hoch 
Faulen- Kette der Windgällencruppe, zwischen Reuss- und 
Schächenthal. Aufstieg von Unterschächen her über die 
Brunnialp und den S.- und SO. -Hang in 5 Stunden leicht 
auhzufuhren. Sehr schöne Aussicht. 

SITZBACH (Kl. St. Gallen, Bez. Sargans). 1650-423 m. 
Wildbach: entspringt mit zwei Quellarmen auf der 
Terrasse der Tscningelalp am S.-Hang des Brisi, stürzt 
sich über eine hohe Felswand, durchfliegst die breite 
Terrasse des Walensladterberges in einem fast ganz in 
Moränenschutt eingesenkten Thälchen, tritt dann in ein 
tiefes Tobel und mundet nach 2.3 km langem Lauf w. 
Walenstadt von rechts in den Walensee. 

SITZBERQ (Kt. Zürich, Bez. Winterthur, Gem. Tur- 
benthal) 800 m. Pfarrei und Weiler auf dem vom Hörnli 
ausgehenden Bergrücken, der das Steinenbachthal vom 
Tösathal trennt ; 6 km ö. der Station Wila der Tössthal- 
bahn (Winterthur- Waldl. Postablage. Weiler: 7 Häuser, 
22 Ew.; Pfarrei : 192 reform. Ew. Ausser dem Pfarrweiler 
Sitzberg selbst gehören zur Kirchgemeinde die Höfe und 
Häusergruppen Schmidrüti, Althaus, Kalchegg, Krinnens- 
berg.Oberschreizen, Emmewies, Bank, Huppen, Schochen, 
Rengcrswil, Schürli und Weidli. Viehzucht, Korbflech- 
terei. Waldungen. Etwas Seidenweberei. Heimat des her- 
vorragenden Pädagogen Jakob Rebsamen (f 1897), Direk- 
tors des Lehrerseminars Kreuzlingen. Den Bergbewohnern 



der Gemeinde Turbenthal bewilligte der XurcherKantons- 
rat 1836, eine eigene Kirche zu bauen ; sie verpflichteten 
sich, sie samt dem Begräbnisplatz auf eigene kosten zu 
unterhalten. Die 1842 fertig erstellte Kirche schaut weit 
über die Lande. 




Krauerobrnrka obsr die SilUr. 



SIVIEZ (ALPE DE) (Kt. Wallis, Bez. Conthev, Gem. 
Nendazf. 1738-2439 m. Alpweide mit 12 Hütten und 39 
Stallen im Val de Nendaz, links über der Prinze und 
zwischen diesem Wildbach und dem den Moni Cond 
riW.i m) mit dem Bec de Ballavaux und Bec de Nendaz 
(2467 m) verbindenden Kamm. Wird von Ende Juni bis 
zum 10. September mit 170 Kühen und etwa 100 Stück 
Kleinvieh bezogen. Im untern Abschnitt verläuft der Bisse 
(Bewässerungskanal I von Saton. 

SIVIRIEZ (Kt Freiburg, Bez. Glane). 778 m. Gem. 
und Pfarrdorf in fruchtbarer und gut angebauter Land- 
schaft, auf einer Anhöhe links über der Glane und 5,5 km 
sw. Homont. Station der Linie Rern-Preiburg-Lausanne. 
Postbureau, Telegraph. Telephon. Die Gemeinde wird von 
der bei La Coulaz entspringenden und 1 km unterhalb 
des Dorfes in die Glane mündenden Jaigne und dem von 
Les Chaussies herkommenden Huisseau de I-avaui durch- 
flössen, der sich unterhalb der Mündung der Jaigne beim 
Weiler La Pierraz mit der Glane vereinigt. Gemeinde, 
mit den Weilern und Häusergruppen Les Chaussies, La 
Caudraz, Les Raflbrta, Drognens und En Jaigne : 87 
Häuser, 557 kathol. Ew. ; Dorf: 47 Häuser, 251 Ew. 
Pfarrkirche Saint Sulpice. Die Kollatur gehört der 
Kirche zu Romont, während der Kaplan von der 
Kirchgemeinde ernannt wird. Ackerbau und Viehzucht. 
Mühle und Sägen. Strohflechterei und Holzhandel. Ehe- 
malige jHerrschaft mit eigenem Edelgeschlecht. Im 12. 
Jahrhundert : [Severiacum und Sivriei ; 1228 : Sivrie ; 
1247;: Sivirie. Vom Personennamen Severius herzu- 
leiten. 

SIWELLEN (Kt. Glarus). 2310 m. Nördlichster der 
drei auf dem Scheitelplateau des Schild sitzenden Gipfel ; 
3,5 km nö. Ennenda. Bildet einen von S. nach N. ver- 
laufenden, 600 m langen Felsgrat von etwa 100 m Höhe, 
der namentlich im N. und W. steil abfällt und aus Röti- 
dolomit. Dogger und Schillkalk besteht. Letzterer ent- 
hält viele Ammoniten aus der Gattung Peritphinclet, die 
bei der Gebirgsfaltung auflallend elliptisch verstreckt 
worden sind. Der Name leitet sich vom althochdeutschen 
simtvl — rund, oval her. 

SIX. Bestandteil zahlreicher Ortsnamen der Schweiz. 
Vom latein. saxuni ~ Fels herzuleiten. 

SIX A QERMAIN (Kt. Wallis, Bez. Marlinach). 
Gipfel. S. den Art. Germain (Six a). 

SIX BLANC (Kt. Wallis, Bez. Entremont). Gipfel. 
S. den Art. Blanc (Six). 

SIX BLANC (GRAND) (Kt. Wallis, Bez. Entremont). 
Gipfel. S. den Art. Blanc (Grand Six). 

SIX CARRO (Kt. Wallis. Bez. Entremont). Gipfel. S. 
den Art. Carro (Six). 



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592 



SIX 



SOE 



• IX CARRO [KL Wallis. Bez. Martinach und Saint 

Maurice). Gipfel. B. den Art. Carro(Six). 

• IX DIDOZ (Kt. Wallis. Bez. Martinach). Gipfel. S. 
den Art. Deooz (Six). 

SIX DK JARNENDAZ Kt. Wallis, Bez. Conthey). 
963 m. Elliptischer Felskopf, der sich in der Mitte 
zwischen den zur Gemeinde Conthey gehörenden Dörfern 
Erde, Aven und Prem ploz etwa um 100 m über die umlie- 
gende Landschaft erhebt. 

SIX DES EAUX FROIDES (Kt. Wallis, Bez. 
Harens). Gipfel. S, den Art. Eaiix Fhoides (Six des). 

SIX DES FEE8 (Kt. Wallis Bez. Harens, Gem. 
HeYemence). 1375 m. Alpweide mit etwa einein Dutzend 
Hütten, am rechten Ufer der Dixence 4.5 km s. Her^mence. 
Vergl. auch den Art. Ilrss (Grotte des). 

SIX DBS MONTUIRIt (Kt. Wallis, Bei. Saint 
Maurice). Felsen. S. den Art. Monti ires (Six des). 

SIX DU WEITEN (Kt. Wallis, Bez. Entrcmont). 
Gipfel. S. den Art. Meiten (Six km. 




Siviries von SQdoiteo. 

SIX JKUR (Kt. Wallis, Bez. Saint Maurice». Gipfel. 
S. den Art. Jeur (Six). 

SIX M A DU N (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein). 
Gipfel. S. den Art. Badls. 

SIX NEIR (Kt. Wallis, Bez. Martinach). Gipfel. S. den 
Art. Neir (Six). 

SIX NEIR (Kt. Wallis, Bez. Sitten). Gipfel. S. den 
Art. Neir (Six). 

SIX neirs (Kt. Wallis, Bez. Entremont). Kamm. S. 
den Art. Neirs (Six). 

SIX NIERS (POINTE8 DES) (Kt. Wallis, Bez. 
Entremout). Kette. S. den Art. Niers (Pointes des Six). 

SIX NOIR (Kt. Wallis, Bez. Entremont). 2827 m. 
Wenig hervortretende Moränenhöhe im Yal Challand, 
links über dem Wildbach von La Croix und 3 Stunden o. 
Bourg Saint Pierre. Aussichtspunkt. 

SIX RIOND (Kt. Wallis, Bez. Conthey). Gipfel. S. 
den Art. Riond (Six). 

SIX ROUGE (HL Wallis, Bez. Entremont). 2886 m. 
Wenig hervortretende und zum Teil begraste Felshöhe im 
Val Challand. rechts über dem Torrent de la Croix und 
gegenüber dem Six Noir (2827 m). 3 Stunden onö. Bourg 
Saint Pierre. Aussichtspunkt. 

SIX ROUGE (Kt. Wallis, Bez. Saint Maurice). Gipfel. 
S. den Art. Reffa. 

SIX TRIMBLOZ i Kt. Wallis, Bez. Martinach und 
Saint Maurice). Gipfel. S. den Art. Trf.mbi.o/.. 

SO, T8Ö oder TSA (Kt. Wallis. Bez. und Gem. Con- 
thevj. 1957 ro. Steile und felsige Alpweide mit Karren- 
hildungen, im Thal der Morge am Fuss des Mont Gond 
und Praz Rolse gelegen; 3 km nw. Daillon. Gehört zu 
den Alpen Larzav (oder Ijizay) und Airaz. Betr. die Ety- 
mologie vergl. den Art. Ciiaix, von welchem Wort od, 
TtA und T»d Dialektformen sind. 

soaillON (Kt. und Bez. Neuenburg. Gem. Cor- 
naux). Schloss. S. den Art. Soiiaii.LON. 

SOASER DENTRO und SOA8ER FUORI (Kt. 



Graubünden, Bez. Bernina, Kreis und Gem. Puschlav). 
1464 m. Alpweide mit 12 Hütten und Ställen, am links- 
seitigen Gehänge des Puschlav und 4,5 km s. vom Dorf 
Puschlav. 

80AZZA (Kt. Graubünden, Bez. Moesa, Kreis Me- 
aoeco). 615 m. Gem. und Pfarrdorf am rechten Ufer der 
Moesa und an der Strasse über den St. Bernhardin ; 3 km 
a. Misox und 25,5 km nö. der Station Castione der Gott- 
hardbahn. Station der elektrischen Strasaenbahn Bellin- 
zona-Miaox. Postbureau ; Postwagen über den St. Bern- 
hardin nach Hinterrhein und Splügen. 65 Häuser, 339 
kathol. Ew. italienischer Zunge. Von der auf einer An- 
höhe stehenden Pfarrkirche aus bietet sich eine schöne 
Aussicht. Bis hierher wird noch der Maulbeerbaum ge- 
zogen. Wiesen- und Maisbau, Viehzucht. Kastanienselven. 
Anlässlich des Hochwassers vom 27. August 1834 riss hier 
die Moesa etwa 40 mit Heu und Getreide angefüllte Hütten 
fort. 2 km unterhalb Soazza bildet die Buffalora einen 
prachtvollen Wasserfall. 

SOBRIO (Kt. Tessin, Bez. Leven- 
tina). 1095 m. Gem. und Pfarrei auf 
einer schönen Wiesenterrasse. 7 km so. 
der Station Lavorgo und 3,5 km ö. der 
Station Giornico der Gotthardbahn. Stei- 
ler Fussweg nach Giornico hinunter. 
Die Gemeinde umfasst das Dorf Villa 
und den Weiler Bonzano. Zusammen : 
67 Häuser, 237 kathol. Ew. Die dem 
Ii. Martin geweihte Pfarrkirche ist schön 
und aussichtsreich gelegen. Roggen - 
und Kartoffel bau, Viehzucht. Auswan- 
derung nach den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika. Von Sebrio aus kann 
der Poncione Streccuolo in '.V _ Stun- 
den bestiegen werden. 

SOBRIO (MONTI DI) (Kt. Tessin. 
Bez. Illenio und I.eventina). Ausge- 
dehnte Gebirgsgruppe im Gebiet der 
horizontalen Tessinergneiae ; trennt die 
Leventina zwischen Giornico und Biasca 
vom Bleniolhal. Hauptgipfel sind der 
Poncione di Streccuolo (2176 m) im 
SO. und der Pix Erra (2420 m) im NW. 
Der Kamm trägt Alpweiden und Wald. Auf den Terras- 
sen der SW.- und NO. -Flanke stehen zahlreiche Weiler 
und Hütten. 

SOD oder SOOD (Kt. Zürich, Bez. Horgen, Gem. 
Adliswil). 445 m. Teil des grossen Dorfes Adliswil, in 
einer Erweiterung dca Sihllhales am linken Ufer des 
Flusses gelegen ; 7 km a. Zürich. Station der Sihllhalbahn. 
Telephon. 71 Häuser, 1261 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Adliswil. Zwei grosse Baumwollspinnereien mit 110 000 
Spindeln und 2o0-300 Arbeiten. Sod = Sodbronnen; 
bezeichnet auch eine Bodensenke, in der sich Wasser 
ansammelt. 

SODBACH (Kt. Freiburg. Bez. Sense). 750-644 m. 
Malerischer kleiner Bach ; entspringt bei Brüggelhacli 
nahe dem Schwellebachholz (1,5 km so. Heitenried), 
lliest gegen NO- dem Rand des Ebnelholzes, des Waldes 
von Konradshaus und des Sodbachholzes entlang, treibt 
die Sodbachmuhle und mündet kurz nachher von links in 
die Sense. Mittleres Gefälle 42.4 " .„. 2 5 km lang. 

SO DB ACHMÜHLS (Kt. Freiburg. Bez. Sense. Gem. 
St. Antonil. 664 m. Gruppe von 4 Häusern bei der Mün- 
dung des Sodbaches in die Sense ; 13,5 km ö. vom Bahn- 
hof Freiburg. 18 kathol. Ew. deutscher Zunge. Kirchge- 
meinde Heitenried. Ackerhau und Viehzucht. Strohllech- 
terei. Muhle. Die Strasse Freiburg-Schwarzenburg setzt 
hier mit einer gedeckten llolzbnicke über die Sense. 

SODHOF IM. Aargau. Bez. Kulm, Gem. Ober Kulm). 
624 m. Weileram W.-Ilang de« Homberges; 2 km nö. der 
Station Ober Kulm der Winenthalbahn (Aarau-Kulm-Men- 
ziken). 11 Häuser, 84 reform. Ew. Kirchgemeinde Kulm. 
Milchwirtschaft. 

SODOLEUVROZ (Kt. Wandt. Bez. Aigle, Gem. 
Gryon). 1500 m. Sumpfige Wiesen mit einer Gruppe von 
Hütten und Stadeln, am Weg von Gryon auf den Col de 
la Croix und 1 ' t Stunden über Gryon. Erralikum. 

SÖHREN (OBERE und UNTERE) i Kt. Sololhum. 
Bez. Gösgen, Gem. Nieder Gösgenl. 468-450 m. Höfe an 



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SOE 



SOG 



f>93 



den Strassen Schonen werd - Nieder Gössen - Stüsslingen 
und Schönen werd-Loslorf ; '2,1 km w. der Station Schönen- 
werd der Linie Aarau-Ülten. 6 Häuser, 32 katho). Ew. 
Kirchgemeinde Nieder Gössen. 

SOlzer (Kt. Appenzell A. Ii.. Hinterland, Gem. 
Urnäsch). 8(3 m. Gemeindealiteilung und Weiler ; 1,5 km 
s. der Station Urnasch der Appenzellerbahn (Winkeln- 
Herisau-Appenzell). Zusammen : 42 Häuser, 317 reform. 
Ew.; Weiler: 6 Häuser, 82 Ew. Kirchgemeinde Urnäsch. 
Waisenhaus. Wiesenbau. Weberei. 

sonderle (Kt. Appenzell l. R.. Gem. Oberegg j. 
860 m. Gmppe von 5 Ilausern, 300 m s. Oberegg und 
3 km s»o. der Station Heiden der Bergbahn Rorschach- 
Heiden. 30 kalhol. Ew. Kirchgemeinde Oberegg. Seiden- 
und IIa um Wollweberei, Handstickerei. 

80ER (PIZ> [Kt Graubünden. Bez. Inn). 2920 m. 
Gipfel in der n. Handkette des Engadin, zwischen dem 
Unter Engadin und dem obern Abschnitt des Val Lav&r. 
5,5 km n. Schuls. Steht zwischen dem Pii Champatsch 
(2925 m) im O. und dem Fi! Spadla |2939 m) im NO. und 
erhebt sich über den zwei kleinen Thälern von Spadla 
und Soer. Besteht aus versteinerungsleeren sog. hnga- 
dinschiefern mit aufgesetzten brecciösen Kalksandsteinen. 

SOER (VAL) (Kt. Graubünden, Hez. Inn). 2630-2030 m. 
Vom Piz Soer (2920 in j und Piz Ghampatsch (2925 m) 
gegen SO. absteigendes Thälchen von 2.4 km Lange, das 
sich ö. vom Mot S. Peder mit dem Val Spadla zu dem s. 
vom Dorfe Sent von links in* Unter Engadin ausmunden- 
den Val da Muglins vereinigt. Thalgefalle 25.4%. Alp- 
weiden; oberhalb des Ausganges linker Seite sumpfig. 
Gebiet der Gemeinde Sent. Verläuft in versteinerungs- 
leeren Engadinschiefern. 

sorenbero (Kt. Luzern, Amt Entlebuch, Gem. 
Flühli). 1105 m. Gemeindeabteilung und Weiler im Ma- 
rienthal, am rechten Ufer der Kleinen Emme und 18 km 
•. der Station Schupfheim der Linie Bern-Luzern. Post- 
ablaue, Telephon. Zusammen : 53 Häuser, 312 kathol. Ew. ; 
Weiler: 7 Häuser, 44 Ew. Filiale der Pfarrei Flühli. Vieh- 
zucht. Klimatischer Kurort. 

SOQLIO (Kt. Graubünden, Hez. Maloja, Kreis Ber- 
gell). 10X8 m. Gem. und Pfarrdorf im Bergell, auf einer 
Terrasse rechts über der Maira und am S. -Hang des Pizzo 
Marcio. 17,5 km onö. der Station Ghiavenna der Veit- 
linerbahn. Poslablage. Telegraph, Telephon : Postwagen 
nach Prumontogno. Gemeinde, mit Spino: 87 Häuser. 349 
reform. Ew. italienischer Zunge; Dorf: 77 Häuser, 303 
Ew. Wiesenbau und Viehzucht. Geschützte Lage. Ins Ma 
driser- und Avcrserthal führen der Passo 
di Marcio und der Passo della Duana hinü- 
ber. Wenig von Soglio entfernt bildet 
die Caroggia einen schönen Wasserfall. 
Prachtvolle Aussicht auf das gegenüber 
■ich öfTnende Bondascathal mit dem mäch- 
tigen Bondascaglctscher und den ihn 
überragenden Bergen. Heimat des Ge- 
schlechtes der Salin. da8 9l3 zum erstenmal 
auftritt und sich in der Folge in zahlreiche 
Zweige spaltete. Von Soglio stammten der 
Sonderbundsgeneral von Salis-Soglio und 
der Antistes Arnold von Salis in Basel. Im 
17. Jahrhundert errichteten die Salis hier 
drei Paläste, deren Bäume viele Altertümer 
bergen. «Soglio ist die Heimat der hochge- 
wachsenen, starken Männer und Frauen ; 
es ist das einzige Dorf im Bergell, das 
seinen landwirtschaftlichen Charakter rein 
bewahrt hat. Hier will die Auswanderung 
nach fremden Städten nicht gelingen. » 
Bevorzugter Winteraufenlhalt des Malers 
Giovanni Segantini (1858-1899). der hier die 
t BondMCI », das beste seiner Alpenbilder, 
malte. Zwischen Soglio und Spino hat man 
ein Grab mit zwei Bronzevasen aufgedeckt. 
1219: Solglio; in deutschen Urkunden Suol 
unil Sulg; im Dialekt der Gegend Soi. 
Der Name wird vom latein. sotiunt — 
• Tron » oder « erhabener Sitz ». auch « Haus 
mit flachem Terrassendach • hergeleitet. Vergl. Lechncr, 
Ernst. Da* Thal der Maira [Bergell). Samaden 1908. - 
Andrea, Silvia. Das Beryell. Frauenfeld 1901. 



SOQN, SONTQ, femin. SONTGA, SONTQIA. 

Rätoromanischer Ausdruck für « Sankt », im Bündner 
Oberland und seinen Nebenthälem häulig vorkommend. 
Ladinisch saitwh, taitwha. 

SOQN BENCDETQ (Kt. Graubünden. Bez. Vorder- 
rhein, Kreis Disentis, Gem. Somvix). 1276 m. Gruppe von 
8 Häusern am linksseitigen Gehänge des Val Mutineun ; 
750 m n. Somvix und 25 km wsw. der Station Hanz der 
Bündner Oberlandbahn (Chur-Ilanzi. 54 kalhol. Ew. ro- 
manischer Zunge. Kirchgemeinde Somvix. Alpwirtschaft. 

80GN CARLO (Kl. Graubünden, Bez. Glenner, Kreis 
Lugnez, Gem. Morissen). 1(106 m. Kapelle am O.-Ilang 
des Piz Mundaun : 1,5 km n. Morissen. 

soqn cassian (Kt. Graubünden, Bez. Albula, 
Kreis Belfort, Gem. Lern). 1419 m. Kapelle am SW.-Fusa 
des l.enzerhurns, an der Strasse Parpan-I<enz und 1,5 km 
nnw. vom Dorf Lenz. 

SOQN CASSIAN (Kt Graubünden. Bez. Heinzen- 
berg. Kreis Domleschg, Gem. Sils). 738 in. Kirche mit 
Friedhof, auf einer Anhöhe links über der Albula und 
500 m nö. Sils. Ist wie viele der spätromanischen Kir- 
chen des Kantons ein einschiffiger Bau mit viereckigem 
Chor. 

SOQN COSMUS K DAMIANUS < Kt. Graubün- 
den, Bez. Albula, Kreis Alvaschein, Gem. Möns). 1066 m. 
Im romanischen Stil gehaltene Kapelle, am linksseitigen 
Gehänge des Obcrhalbstcin und 20O m ö. Möns. 

SOQN QALL (Kt. Graubünden. Bez. Vorderrhein. 
Kreis Disentis, Gem. Medels). 1681 m. Kapelle mit Hospiz 
im Vals Medels, am O.-Fuss des Piz Gannerelsch und 
46 km sw. der Station Banz der Bündner Oberlandbahn 
fChur-Hanz). Die Kapelle ist jetzt zerfallen, wahrend das 
Hospiz im Sommer noch bewohnt wird. 

SOQN QIACUM (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein, 
Kreis Disentis, Gem. Brigels i 1302 in. Kirche mit zwei 
Glocken, auf einer Terrasse 250 m w. Brigels. Schöne 
Aussicht. 

SOQN QION (Kl. Graubünden. Bez. Vorderrhein, 
Kreis Disentis, Gem. Medels). 1615 m. Kapelle und Wohn- 
haus am Medelser Rhein und an der Lukmanierstrasse, 
10 km s. Disentis und 45 km sw. der Station Banz der 
Bündner Überlandbahn (Ghur-Ilanz). Postwagen Disenlis- 
Lukmanier-Biasca. 4 kalhol. Ew. romanischer Zunge. 
Kirchgemeinde Medels. Alpwirtschaft. 

80QN QlON (CRAP) (Kt. Graubünden, Bez. Glen- 
ner). 2250 und 2324 m. Ein nur teilweise felsiger und 
sonst fast durchweg berasier Bergrücken, 7 km n. Ranz. 




Soglio Koro n da« bondascathal, von Nordwesten her. 

Er bildet die Krönung der breiten, meist ziemlich sanft 
abgedachten, in Wälder und Weiden gekleideten Berg- 
masse zwischen St ther- und Laaxerlobel, auf deren un- 

226 — tiKtMiit. lex. V — 38 



594 sor. 



SOI 



lern Terrassen die Dörfer .Huschein, Ladir, Fellen und < 
Laax liegen. Der Kamm atreicht OSO.-WNW. und geht j 
dann in den Crap Masegn (2514 m) über. Hinter diesem 
folgt die Sagenger Furka •£ ixr> im. worauf aich der Kamm 
nordwärts zum Vorab wendet. Der Crap Sogn Gion ist 
ein prächtiger Aussichtspunkt. Der Anatieg führt durch . 
saftige und auch botanisch reiche Alpen. laicht kann 
man von da auch weiter zum Bündnerbergürn und auf 
den Vorab gelangen 

SOQN ttlUSEPPoder TOAMANADA (Kt. Grau- 
bünden, Bez. Glenner, Kreia Lugnez, Gem. Vrin). 1601 m. 
Gruppe von 5 Häusern am SO. -Hang dea Piz Vrin ; 1,7 kin 1 
»w.Vrin und 24 km kw. der Station Banz der Bündner 
Obertandbahn (Ghur-Uanzi. 27 kathol. Kw. romanischer 
Zunge. Kirchgemeinde Vrin. Aipwirtschaft. 

SOQN MARTIN (Kt. Graubünden. Bez. Hinterrhein. 
Kreis Scham«, Gem. Inner Ferreral 1541 m. Alpweide 
mit Hütte und Stall, am linksseitigen Gehängedes Averser- 
thalea und 1.5 km nw. Inner Ferrera. 

SOON MICHEL (Kl. Graubünden. Bez. Albula. Kreis 
Oberhalbstein. Gem. Savognin). 1213 m. Gemeindeab- 
teilung und Häusergruppe im Oberhalbstein, am rechten 
Ufer der Julia und 10,1 km aaö. der Station Tiefenkastel 
der Albulabahn. Zusammen: 45 Häuser, 189 kathol. Kw. 
romanischer Zunge. Kirchgemeinde Savognin. Alpwirt- 
schaft. Klimatischer Kurort. Sogn Michel ist das zentrale 
Quartier der Gemeinde Savognin. 

sog n MORITZ i Kt. Graubünden, Bez. Glenner, 
Kreis I.ugnez, Gem. Cumbels). 1068 m . Kapelle am O.- 
Hang des Piz Mundaun, 1 km im. Cumbels. Wurde 1705 < 
an Stelle einer andern Kapelle erbaut, die zum Andenken 
an den Sieg von Porclas (1352 m) erstellt worden war. 

SOON NiCLAUs (Kt. Graubünden, Bez. Glenner, 
Kreis und Gem. Banz). 700 m. Gemeindeahteilung und 
Aussenquartier von llanz, am linken Ufer dea Yorder- 
rheina gegenüber der Altstadt. 35 Häuser, 339 reform, 
und kathol. Ew. romanischer und deutacher Zunge. Kirch- 

S'meinden Banz. Acker- und Wiesenbau, Viehzucht, 
ier steht das nach dem h. Niklaua, Bischof von Myra 
(Anfangs dea 4. Jahrhunderts) benannte Frauenkloster 
der Kongregation vom h. Joseph (früher Gesellschaft von 
der göttlichen Liebe genannt), dessen Aufhebung nur 
noch eine Frage der Zeit iat. 

SOON NICLAUS (Kt, Graubünden, Bez. Glenner. 
Kreia Lugnez. Gem. St. Martin). 1074 m. Kapelle im Wald, 
am rechten Ufer des Valser Rheins und 1 km a. St. Martin. 

SOQN NICLAUS (Kt. Graubünden, Bez. Glenner, 
Kreis Lugnez, Gem. Vals). 1269 m. Kapelle am links- 
seitigen Gehänge des Valserthalcs, am O.-Puaa dea Pix 
Seranastga und 1,5 km n. Vala Platz. 

SOON NICLAUS (Kt. Graubünden. Bez. Vorder- 
rhein, Kreia Disentis, Gem. Brigels). 1293 m. Kapelle am j 
linksseitigen Gehänge dea Vorderrheinthals (Bündner 
Oberland), w. vom Val Pleunca und 2,5 km sw. Brigels. 

SOON p i e der (Kt. Graubünden, Bez. Glenner). 
Bomanischer Name für Gem. und Dorf Vals. S. diesen 1 
Art. 

SOON PL. a C I oder SOQN PLAZI (Kt. Graubünden. 
Bez. Vorderrhein, Kreia und Gem. Disenlia). 1161 m. Ka- 
pelle am rechtsseitigen Gehänge dea Val Sogn Plazi und 
500 mo. Diaentia. An diese Kapelle knüpft sich die Legende 
vom Tod des h. Plazidus, Apostels des Bündner Ober- 
landes. 

SOQN PLACI oder SOQN PLAZI (VA4»)(Kt. Grau- 
bünden, Bez. Vorderrhein). 2364-1010 m. 4.8 km langes 
nördliches (oder linksseitiges) Nebenthal zum Vorder- 
rheinthal; w. vom Val Busein, sowie zwischen Val Lum- 
pegnia und Val Clanaviea. Steigt erst in so. und dann 
in s. Bichtung ab. Der Ursprung unter dem nordwärta 
aufragenden Piz Run (2920 m) in der Kette dea Piz Ca- 
vardiras iat felaig und z. T. schuttig und trägt auf ein- 
samer Alp den ansehnlichen Lai Brit (23114 mj, der eine 
der Hauptquellen des Thalbache» ist. Die Gehänge sind 
im südwärts gewendeten Thalteil bia oberhalb der Ka- 
pelle Sogn Plazi sehr steil, und es hat der Bach hier ein 
Gefalle von etwa 36°/ 0 , In der nordwestl. ansteigenden 
Partie erscheinen die Mitte und der Hintergrund flacher 
und freundlicher, aber auch hier beträgt das Geaamlge- 
fälle auf 2,5 km Länge noch 32%. Der letzte Kilometer 
bei Disentis-Sogn Plazi hat noch ein Gefälle von 19 ü / 0 . 



Heber dem Plateau von Diaentis trägt das Thalgehänge im 
W. bia zu 1900 rn und im O. bia zu 1800 m hinauf Wald. 
Durch das Thal führt ein Alpweg ostwärts nach der Alpe 
de Lumpegnia, die als Schafalp dem Kloster Disentis 
gehört, ein andrer westwärts in die Alp Run, Eigentum 
der Gemeinde Disentis. Daa Thälchen ist oben in Granit- 
gneis (Pro togin) und Gneis, im untern Verlauf dagegen 
in Hornblendegneis und Hornblendeschiefer, Serizitgneis 
und Phyllil eingeschnitten, in welch letzterm der halb- 
marmorisierte Kalk von Disentis erscheint. Im Thal ent- 
springt ein in Disentis benutzter Eisensäuerling von 7,5° C. 
der nach Dr. Hanimanns Analyse (1878) vorwiegend 
doppeltkohlensauren Kalk, schwefelsaures Natron, achwe- 
felsaures Kali, doppeltkohlensaure Magnesia. Eisenoxydul. 
Chlornatrium. Strontian, phosphorsaure Tonerde. Ki'esel- 
aäure und etwas freie Kohlensaure enthält. 

SOON ROC (Kt. Graubünden. Bez. Vorderrhein, 
Kreia Diaentis. Gem. Medels). 1399 m. Gruppe von 6 Häu- 
sern am W Hang des Val Medels, 1 km s. Platts. 26 ka- 
thol. Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde Medels. 
Kapelle. AlpwirUchaft. 

SOQN ROCCO (Kt. Graubünden, Bez. Glcnner, Kreis 
Lugnez, Gem. Lumbrein). 1380 m. Kapelle im Lugnez, 
100 m w. Lumbrein. 

SOQN ROCH (Kt. Graubünden. Bez. Albula, Kreis 
Oberhalbstein, Gem. Sur). 1979 m. Kapelle 1.5 km ö. Sur, 
am rechten Ufer der Aua dellaa Tigiaa und am W.-Ilang 
der Cima da Flix. 

SOON SEBASTIAN (Kt. Graubünden. Bez. Glenner. 
Kreia Lugnez, Gem. Igels). 1121 m. Kapelle im n. Ab- 
schnitt dea Dorfes Igels. Dem h. Sebastian, Märtyrer in 
Nikomedien (um 287) und Schutzpatron der Schützen, ge- 
weiht 

SOQN SIEVI, deutsch St. Elserii s (Kt. Graubünden, 
Bez. Vorderrhein, Kreis Disentis, Gem. Brigels). 1339 m. 
Kirche mit altem Glockenturm und 2 Glocken, am sanft 
geneigten Gehänge n. über Brigela. Enthält ein ala Altar- 
Ufel dienendes reizendes Triptychon aua dem Jahr 1518. 

SOQN VALENTIN (Kt. Graubünden, Bez. Glenner, 
Kreis Buis, Gem. Panix). Kapelle. S. den Art. St. Va- 
lentin. 

SOQN VICTOR (Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg, 
Kreia Domleschg. Gem. Tomila). 755 m. Kapelle auf einem 
Felssporn nahe dem Schlos« Ortenstein, rechta über dem 
Hinterrhein und 11 km aw. Chur malerisch gelesen. Die 
Bewohner der benachbarten Dorfer wallfahren alljährlich 
am ersten Sonntag im Mai zu dieaer Kapelle. 

SOHL, SOL, SOOL. Ortanamen der deutschen 
Schweiz. Bezeichnen einen Tümpel Wasser, in welchem 
aich daa Wild zu wälzen pflegt. Vergl. die Benennungen 
Ebenol, Schweinaol. 

SOHL (Kt. Basel Land, Bez. Siasach). 675-680 m. 
Wald auf dem Rücken der Rotenfluh berge; 1,5 km n. 
Rutenfluh und Eigentum dieser Gemeinde. 

SOHLFLOH oder DIE SIEBEN HENQ8TE (Kt. 
Bern. AmUbez. Thun und Interlaken). 1853-1900 m. Nach 
NW. aehr steil abfallender und nach SO. sanft geböschter 
Felskamm, dessen höchsten Punkt die Scheibe (1966 m) 
bildet. Kann von Habkern aua in 3 Stunden leicht er- 
stiegen werden. Schone Aussicht. 

soie ich Ate au DE LA) (Kt. Wallis, Bez. Sitten. 
Gem. Saviese). 879 m. Ruine einer ehemaligen bischöf- 
lichen Burg, auf einer sehr steil abfallenden Anhöhe 
linka über der Morge und 5 km nw. vom Bahnhof Sitten 
der Simplonbahn. Wurde 1219 vom Sittener Bischof 
Ijindri de Munt als festes Bollwerk gegen Savoyen erbaut, 
dessen Gebiet bis ana jenseitige Ufer der Morge reichte 
und daa wegen dieses Baues den Bischof sofort mit Krieg 
überzog. Ein 1340 urkundlich genannter Flecken Soie, 
der sich um die Burg angesiedelt halte, iat längst wieder 
verschwunden. Bischof \\ itachard Tavelli und sein Kaplan 
wurden von ihren eigenen Soldaten, die durch die mit 
dem Bischof in Fehde lebenden Edeln von Im Thum (La 
Tour) bestochen waren, am 8. August 1375 aus den Fenstern 
dieaer Burg in den Abgrund geworfen. Unter Bischof Wil- 
helm V. von Baron belagerten die gegen daa Geachlecht Ha- 
rn >n erbitterten Ober Walliser <i ie Burg La Soie, die sie trotz 
der Vermittlungsversuche von Seiten Freiburgs, Luzerns. 
Unterwaldens und Uris nahmen und zerstörten. Der Bi- 
schof und seine Familie erhielten freien Abzug und zogen 



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SOL 



sich nach Bern zurück. Die nicht wieder aufgebaute 
Burg bildet heule eine unbedeutende Buine, von der aus 
man eine prachtvolle Aussicht auf das Ober und Unter 
Wallis geniesst. Andere Inden Urkunden und Geachichts- 
werken verwendete Namensformen für die Burg sind Seon, 
Sria. Sewen. 

SOrX (OLACIER DK) (Kt. Wallis, Bez. Monthey). 
2450-2350 m. Kleiner Gletscher von kaum 300 m Lange 
und 1,1 km Breite, am N. -Fun des die Forteresse mit der 
Haute Cime der Dent du Midi verbindenden Kammes. 
Wird durch die von diesem Kamm herniedergehenden 
Irwinen genährt. Hinten über dem Thälchen von Soix. 
Ueber dem Gletscher und an beiden Gehängen des ge- 
nannten Thalchens kann man die die Wand der Uent du 
Midi in verkehrter Lagerung aufbauende Schichten folge 
beobachten, d. h. von unten nach oben Nummulilenkalk, 
obere Kreide, Albien und Urgon. Zwischen dem Nummu- 
lilenkalk und der obern Kreide lindet sich ein gelber 
Tonsandstein (Eozän). Nahe dem untern Ende des Glet- 
schers liegt mitten in alten Moränen ein kleiner See. 

SOJA (MONTI) (Kt. Tessin, Bez. Blenio, Gem. 
Aquila). 1320 m. Schöne Meiensässe mit Hütten, im Val 
Soja und an dem über die Alpe die Bresciana aufs Rhein- 
waldhorn führenden \\V|; km nö. Biasca^ Das Hoch- 
weise mit Kies und Schutt, der von den felsigen Kämmen 
des Uomo di Sasso herabgeschwemmt worden war. Wer- 
den im Frühjahr und Herbst bezogen. Herstellung von 
Butter und Käse. 

SOJA (VAU) (Kt. Tessin, Bez. Blenio). 2675-806 m. 
Kleine linksseitige Verzweigung des lilenioilialen ; steigt 
vom Uomo di Sasso (2675 m) w. vom Bheinwaldhorn 
(3396 mj zwischen den Ketten des Simano im S. und der 
Coltna im N. steil hinab und mündet bei Dangio s. Oli- 
vone und Aquila ins Bleniothal. Meiensässe und Alp- 
weiden mit Hütten (Moncurala, Monti Soja, Aira), Wald. 

SOL (PIZ) (Kt. St. Gallen, Bez. Sargans). Gipfel. S. 
den Art. Pizsol. 

SO LA DA 80PRA und SOLADA SOTTO (Kt. 
Tessin, Bez.Valle Maggia, Gem. Lodano). 952-684 m. Meien- 
sässe, 1 1 , i Stunden nw. Lodano und 20 km nw. I.ocarno. 
Werden im Frühjahr und Herbst bezogen. Herstellung 
von Butter und Kase. 

soladier (COL DU) (Kt. Waadt. Bei. Vevey). 
1601 m. Passübergang zwischen der Cape au Moine 
(1946 m) und dem Stock des Folly (1734 mj. Verbindet die 
Alpe de Caudon im obern Abschnitt des Thalchens der 
Vevevse de Feygire mit den Alpweiden von Soladier (Hütte 
in 1551 m) und Les Beviaux hinten in dem von der Baie 
de Montreux durchflossenen Thälchen. Dient als Ueber- 
gang von Les Avants nach Chätel Saint Denis (etwa 5 
Stunden!. Schöne Aussicht. Obere Liasachiefer mit Fos- 
silien. Der Name ist wie Soladi auszusprechen, wird 
auch Soladv und Soladiez geschrieben und leitet sich her 
von Sor la Oy, « d. h. über der Dy », der schönen Quelle 
der Baie de Montreux, die unter der Hütte der ,Alpe de 
Soladier entspringt. 

»oladino (VAL) (Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 
Kleine rechtsseitige Verzweigung des Mageiathales gegen- 
über Hiveo. Mundet mit einer hohen Stufe ins Hauptthal 
aus, über welche sich der Thalbach in einem 100 m hohen 
Fall, einem der schönsten im Tessin, hinabatürzL Von 
Someo führen zwei Wege ins Val Soladino herauf, einer- 
seits über die Hütten von Arzascia und andrerseits über 
die Corte Anzagno (über dem Wasserlall). Das ö. vom 
Pizzo Alzasca ! 2*205 m) entspringende Thal ist zum gros- 
sen Teil bewaldet und trägt zu oberst die Alpe Alzasca, 
in der sich in 1853 m ein kleiner Moränensee lindet. 

SOLALEX (Kt. Waadt, Bez. Aigle. Gem. Bex). Hütten 
in 1466 m. Meiensäsa. am Fuss der Bechers du Van und 
ihrer zum Teil beraslen Sturzschuttmassen malerisch ge- 
legen, am Avancon und 6 km onö. Grvon ; am Weg nach 
Anzeindaz und über den Pas deChevifle. Wird im Früh- 
jahr und Herbst bezogen. Neokom und Nummulitenkalk, 
die unter Schuttmassen verborgen sind. Der Name be- 
deutet so viel als Sous la Lei = unter der Felswand. 

SOLARIO (Kt. Tessin, Bez. Blenio, Gem. Olivone). 
893 m. Gemeindeabteilung und Weiler mit alten Holz- 
häusern, im Bleniothal 500 m s. Olivone und 24 km n. 
der Station Biasca der Gotthardbahn. Postwagen Biasca- 



Olivone-Lukmanier-Disentis. 22 Häuser. 108 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Olivone. Roggen- und Kartoffelbau, Vieh- 
zucht. 

SOLAVERS (Kt. Graubünden, Bez. Unter Landquart, 
Gem. Seewis). 739 m. Bemerkenswerte Burgruine auf 
einem Felsen über Grüsen im Prätigau und rechts 
dem Taschinesbach. Ehemals im Besitz der Herren 
Aspermont, die die Burg 1344 an die Grafen von Toggen- 
burg verkauften. Der Tod des hier gebornen letzten Gra- 
fen von Toggenburg gab 1436 dem Zehngerichtenbund 
seine Unabhängigkeit. Die Volksüberlieferung erzählt wie 
von der Burg Honen Bätien, dass der vom Volk belagerte 
und bedrängte letzte Schlossherr hoch zu Boss in den 
Abgrund gesprungen sei. Nach der Zerstörung des Schlosses 
versammelte sich an dieser Stelle noch lange Zeit die 
Landsgemeinde des Hochgerichtes. 

SOLCH EZ (PONT DE) (Kt. Waadt, Bez. Aigle, Gem. 
Gryon). 1090 m. Fussgängersieg über den Avant on d'An- 
zeindaz. unterhalb des Pont des Pars. 20 Minuten oberhalb 
Gryon. Am Weg von Gryon über den Sex ä l'Aigle nach Les 
Plans. Am rechten Ufer steht eine Säge. Moränenschutt auf 
Neokom. 

SOlcone (CORNO DI) (Kt. Graubünden. Bez. 
Bernina). 2519 m. Gipfel über dem rechtsseitigen Ge- 
hänge des Puschlav und 3 km w. Brusio. Steht in der 
vom Monte Sareggio (2792 m) nach O. auszweigenden 
Kette s. über dem Val Murascio, das zum Puschlaversee 
ausmündet, und setzt sich ostwärts in den Corno del 
Giumellino (2043 m) fort. Der Steilabfall ist nach N. ge- 
richtet; im S. liegen die sanften und begrünten Gräte 
und Hochflächen des Monte delle Tre Croci, im SW. die 
Alpe Vallüglia mit einem Bergsee und weiter im S. das 
Val Saiento. Der Berg ist ein guter Aussichtspunkt und 
kann durch die Alpe di Murascio, über Cavajone oder aus 
Val Sajento durch die Alpe Le Plane leicht erstiegen 
werden. Die untern Gehänge der N. -Seite bestehen aus 
Brusiogranit, während höher oben bis zum Gipfel Glim- 
merschiefer folgen. 

80LDINO i Kt. Tessin. Bez. und Gem. Lugano). 382m. 
Gruppe von 4 Häusern, 800 m w. vom Bahnhof Lugano. 
Postwagen Lugano-Bioggio und Lugano-Muzzano. 30 ka- 
thol. Ew. Kirchgemeinde Lugano. Landwirtschaft. Einige 
der Bewohner arbeiten in der Stadt. Auf der Terrasse von 
Soldino steht das neue Priesterseminar der Diözese. 

SOLDUNO (Kt. Tessin. Bez. Locarno). 230 m. Gem. 
und Dorf auf dem Delta der Maggia, mitten in Weinlauben 
und fruchtbarem Ackerland, an der Gabelung der Strassen 
von Locarno ins Maggiathal, Val Onsernone und nach 
Brissago. 2 km w. Locarno. Station der elektrischen Bahn 
ins Maggiathal. Postablage, Telephon; Postwagen von 
Locarno nach Busso. Brissago. Intragna und Golino. 94 
Häuser, 378 kathol. Ew. Kirchgemeinde Locarno. Acker-, 
Wein- und Spargelbau. Der Wein von Solduno erfreut 
sich eines guten Rufes. Alle 14 Tage gut befahrener 
Viehmarkt. Nw. vom Dorf sind einige Steinbrüche ge- 
öffnet. Die Gemeinde liegt in einer der fruchtbarsten 
Landschaften des Kantons. 

SOLE (Kt. Graubünden. Bez. Moesa, Kreis Calanca, 
Gem. Castaneda). 860 m. Wohnhaus mit mehreren Ställen 
im Calancathal, n. Castaneda und 12,5 km nö. der Station 
Castione der Gotthardbahn. 4 kathol. Ew. italienischer 
Zunge. Kirchgemeinde Castaneda. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. 

solego (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Hasle, Gem. 
Gailmen . 1385 m. Pelsriffam rechtsseitigen Gehänge des 
Gadmenlhales, unterhalb Gadmen und 10,5 km ö. Mei- 
ringen. Bildet zusammen mit dem quer durch das Thal 
ziehenden Schaftelenstulz eine Felsenschwelle, die das 
Gadmerwasser in einer steil geböschten Schlucht durch- 
bricht, um dann das 200 m tiefer unten gelegene Ncsscn- 
thal zu erreichen. Während des Abbaues von Eisenerz 
im Mühlethal 1813 ist die Solegg stark abgeholzt worden, 

des r 



worauf die Verschlechterung des Klit 
les zum Teil zurückgeführt wird. 

SOLEIL (MONTi (Kt. Bern, Amtsbez. Courtelary). 
Sleilrand des Plateaua der Freiberge, unmittelbar nördl. 
über St. Immer. S. den Art. Sonnenberg. 
SOLEIL (PORTES DU) (Kt. Wallis, Bez. Monthey). 
f. S. den Art. Portes Dir Solf.il. 

ÜQ (Kt. Schaffhausen, Bez. Reiat). 507 m 



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SOL 



SOL 



Bewaldete Anhöhe über dem linken Ufer der Fulaeh, so 
Herblingen und 3,5 km nö. SchafThausen. Der Wald ist 
Eigentum der Stadt Schaphausen. 

•OLKPRAZ (Kt. Waadt, Bez. Aigle. Gem. Ormont 
De^ous). 1340 m. Gruppe von 15 Häusern und Hütten, 
im Thälchen von 1-a Pierre links dea Bache« von Le Sepey; 
40 Minuten n. Le Sepey und am Weg von da über den 
Col de la Pierre du Mouelle'. 57 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Ormont Dessous. 1464 : clausuni soubs la Pra, 
später Solipraz — sous le pr£ (Unter der Wiese». Es treten 
hier am Fuss des Mont d'Ur aus dem dolomitischen Kalk 
starke Quellen hervor. 

SOLBURK. Kanton, Stadt und Bezirk. S. die Art. 
SoixmiiBN. 

80LQIN (Kt. Zürich, Bez. Bulach, Gem. Bafz). 450m. 
Weiler an der deutschen Grenze, 2 km no. der Station 
Rafz der Linie Zürich-llülach-Eglisau-Schaflhausen. 11 
Häuser, 48 reform. Ew. Kirchgemeinde Bafz. Wiesenbau. 

«OLHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmenthai). 
2028 m. Osö. Vorberg des Stockhorns (2192 m). zwischen 
diesem und dem Lasenberg (2020 mj. Begraster Kamm, 
der vom Unter Stockensee her in i i i Stunden ziemlich 
leicht erstiegen werden kann. 

SOLIAT (LE) (Kt. Neuenburg, Bez. Boudry und Kt. 
Waadt. Bez. Grandson). Hochplateau auMer Grenze zwi- 
schen dem Neuenburger und Waadtländer Jura, unmittel- 
bar sw. über dem grossen Erosionszirkus des Creux du 
Van, nach welchem der Bücken wohl auch Montage du 
Crem du Van genannt wird. Die wenig scharf markierten 
höchsten Punkte erreichen 1465 m (Kanton Waadt) und 
1467 m (Kanton Neuenburg). Die ganze Hochfläche trägt 
schöne Sennberge. AufNeuenburger Boden steht in 1386 m 
der grosse Meierhof Le Soliat. Kann mit 70 Stück Gross- 
vieh bezogen werden. Herstellung von Käse. Der von 
Mitte Juni nls Mitte September bewirtschaftete Meierhof 
steht den Spaziergängern offen, die sich hie erfrischen 
können. Schone Aussicht auf das Thal von Lea Ponts, 
den Creux du Van und die Gorges de l'Areuse. Von einem 
weiter südwärts gelegenen Punkt erblickt man die Alpen, 
sowie den Neuenburger- und Murtensee. Auf der S. -Seite l 
des Soliat sieht man merkwürdige trichterförmige Ein- 
senkungen im Boden (Dolinen). Beliebtes Ausflugsziel 
mit Spaziergang längs dem auf eine Strecke von 1,5 km | 
sich hinziehenden Steilrand des Creux du Van. Aufstieg 
von Provence her in 2 %, von Travers oder Noiraigue aus 
in 2 und von Bevaix her in 3\/ t Stunden. Vergl. auch den 
Art. Creux v>v Van. 

SOLIS (OBER ii n.l unter) (Kt. Graubünden, Bez. 
Albula, Kreis Alvascheiu. Gem. Obervaz). 1138 und 900 m. 
Zwei Gruppen von zusammen 8 Häusern am linken Ufer 
der Albula und in der Schlucht des Schyn. Unter Solis 
hat eine Postublage mit Telegraph, sowie die Station 
Solis der Albulabahn, Ober Soliseine Kirche. 85 kathol. 
Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde Obervaz. Wiesen- 
bau und Viehzucht. 76,5 m hohe einbogige Strassen - 
brücke (in 860 m Höhe). Imposante Solisbrocke | Haupt- 
bogen von 42 m und 10 Nebenbogen ; 86 m über dem 
Spiegel der Albula) und fast 1000 m langer Solistunnel 
der Albulabahn, Unterhalb der Station Solis fliesst eine 
eisen- und jodhaltige Natronquelle, die nur wenig benutzt 
wird, in die Albula. 

SOLITUDK (Kt. St. Gallen. Bez. Gossau). 831 m. 
Nordost]. Ausläufer der Menzlenhöhe, 500 m w. der 
Haltestelle Biethäusle der Strassenbahn St. Gallen-Gais- 
Appenzell und 2 km sw. St. Gallen. Trigonometrisches 
Signal. Schone Aussicht auf die Stadt St. Gallen, die 
Thurgauer Landschaft, Bodensee, Säntis und die Appen- 
zeller und Toggenburgcr Berge. Gastwirtschaft. 

SOLITUDK (LA) (Kt. Genf, Linkes Ufer. Gem. 
Lanc>). 383 in. Gruppe von 2 Häusern nahe dem Genfer- 
see; 8,5 km nö. Genf. Station der elektrischen Strassen- 
bahn Geiif-Hennance. 30 kathol. Ew. 

SOLITUDK ILA) (Kt. Waadt. Bez. Moudon, Gem. 
Saint Cierges). 8:2 m. Gruppe von 4 Häusern ; 2,3 km ö. 
Saint Cierges und 5,5 km nw. der Station Moudon der 
Linie Lausanne-Payerne-Lyss. 31 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Saint Cierges. Landwirtschaft. 

SOLITUDK (LA) (Kt. Waadt, Bez. Oron. (lern. Peney 
le Jorat). 844 m. Gruppe von 5 Hausern auf dem Hoch- 
land des zentralen Jorat, 700 m so. Peney und 4,5 km 



nw. der Station Mezieres der Joratbahn (Lausanne-Mou- 
don). 25 reform. Ew. Kirchgemeinde Peney. tandwirt- 
schaft. Auf der Siegfried karte Charbonnieres genannt. 

SOLIVA (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein. Kreis 
Disentis, Gem. Medelsj. 1490 m. Gruppe von 4 Häusern 
in einer rechtsseitigen Verzweigung des Val Medels; 
36 km sw. der Station llanz der Kündner Überlandbahn 
(Chur-Ilanz). 25 kathol. Ew. romanischer Zunge. Kirch- 
gemeinde Medels. Viehzucht. 

SOLLALP (Kt. Appenzell I. R.. Gem. Hüte). 1210 bis 
1650 m. Alpweide am W.-Ilang des Hohen Kasten, 2 Stun- 
den so. über Appenzell. Beicht südwärts bis zum Säm- 
tisersee. 15 zerstreute Hütten. 240 ha Fläche, wovon 24 
produktives Weideland. 

SOLLARD (KNI (Kt. Waadt, Bez. Vevey. Gem. Le 
Chätelardi. 845 m. Vier über und unter der Strasse Ver- 
nex-l.es Avant« zerstreut gelegene Höfe, rechts über der 
Baie de Montreux und vor dem Bois de Cheneaux. Halte- 
stelle der Montreux-Oberland bahn. 25 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Montreux. Fossilführendes Rät. 

SOLLBERQ (Kt. Bern, Amlabez. Burgdorf. Gem. 
Winigeni. 661 m. Gruppe von 3 Häusern, am linksseitigen 
Gehänge des Kappelengrabens und 5 km sö. der Station 
Winigen der Linie Olten-Bern. 27 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Winigen. Landwirtschaft. 

80LLEQQ (Kt. Appenzell 1. R.). So nennt die Sieg- 
friedkarte den Ki.osTEHSPir/. <s. diesen Art.). Den Namen 
Sollegg tragen dagegen die auf einer Terrasse am N.- 
Hang des Berges stehenden drei Häuser der Gemeinde 
Appenzell mit 20 kathol. Ew. 

SOLLENDORF (Kt. Bern. Amtsbez. Oelsberg, Gera. 
Courroux). Dorf. S. den Art. Coi hcelon. 

SOLDAT (LK) (Kt Waadt. Bez. La Valle«, Gem. Le 
Chenit). 1054 m. Kleines Dorf auf einer Terrasse am SO. - 
Fuss der Kette des Mont Risoux ; 1.5 km n. Le Sentier 
und 500 m nw. der Station Le Solliat-Golisae der Linie 
Vallorbe-Le Hrassus. Postbureau, Telephon. 21 Häuser. 
193 reform. Ew. Kirchgemeinde Le Sentier. Land- und 
Waldwirtschaft. Uhrenmacherei. 

SOLLMATT (Kt. Sulothurn, Bez. Balgthal. Gem. 
Welschenrohr). 755 m. Gruppe von 3 Häusern, 900 m s. 
Welschenrohr, am Weg nach der Schmiedematt und 5 
km nö. der Station Gänsbrunnen der Solothurn- Mun- 
sterbahn. 19 kathol. Ew. Landwirtschaft. 

BOLOGNA (ALPK Ol) (Kt. Tessin, Bez. Valle 
Maggia. Gem. Cavergno). 1535-2009 m. Alpweide mit 
Hütlcngrupiien, am rechtsseitigen Gehänge des Val Bavona 
und am O.-Hang des Pizzo di Sologna. 9 km nw. Caver- 
gno. Wird mit 50 Stück Bindvieh und Ziegen bezogen 
und gehört grösstenteils der Kirche zu Cavergno. Her- 
stellung von Butterund Käse. 

80LOQNA (PIZZO Ol) (Kt. Teasin. Bez. Valle 
Maggia). 2700 m. Gipfel aus Antigoriogneis, zwischen dem 
obersten Val Antabbia im N. und der zu oberst im Val 
Calneggia gelegenen Alpe Crosa im S., rechts über dein 
Val Bavona und auf der Landesgrenze gegen Italien. 
Oedes Gebiet mit zahlreichen kleinen Seebecken. Am 
Fuss des steilen und schuttbedecklen O. -Hanges Heul die 
Alpe di Sologna «700-8110 m über der Sohle des Val Ba- 
vona). Ins italienische Formazzathal führen aus dieser 
Gesend hinüber der Passo di Cazzola (2413 m) und der 
Halbihorenpass (2657 m). 
SOLOTHURN, französ. Soi.ki re, italien. Solktta. 

Kanton der schweizerischen Eidgenossen- 
schaft, in der offiziellen Beihenfolge der Kan- 
tone der zehnte. 

/. Lage, Urutte, Ueitalt. Grenzen. Der 
Kanton Solothurn liegt im nnw. Bandgebiet 
der Schweiz und erstreckt sich von 47 ° 4 ' 30 " 
(Junkholz, Gemeinde Messen. Bucheggberg) 
bis 47° 30' 12*NÜr. i Hintenabefeld nördl. 
Bättwil) und von"" 20' 32 " (nordwestl. vom Bürennkopf 
amMonto) bis 8^ 2 OL. von Green w. (Mühle Woschnau). 
Da» Areal des Kantons beträgt 791 .52 km*, die Wohnbevöl- 
kerung (1900) 100762 Seelen, die Bevölkerungsdichte also 
127 Ew. auf \ km*. Unter den schweizerischen Kantonen 
steht Solothurn nach der (■ rosse und Einwohnerzahl im 
15. und nach der Bevölkerungsdichte im 9. Bang. Ihm 
eignet die zerrissenste GesUlt von allen Kantonen. Die 
Bodenfläche besteht aus 4 Stücken: dem liauptgebiet 



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Solothurn-Olten-I)ornach (748,04 km*) und den 3 Exklaven 
Kleinlützel (16,19 km*), Leimenthal (25,65 km*) undSlein- 
hof (1,64 km*). KleinlüUel und Leimenthal i Mariastein) 
liegen an der elsässischen Grenze. Steinhof bei Herzogen- 
buchsee. Das Hauptstuck ist seinerseits wieder in drei 
achlanke und zum Teil mehrfach gelappte Zipfel ausge- 
zogen. Die geometriiche Grundform des Kanton* ist ein 
gleichschenkliges Dreieck mit der ungefähr NO. strei- 
chenden Basis Schnottwil-Schönenwerd und der Spitze 
in Hodersdorf. Jene Grundlinie, die ungefähr dein Aare- 
thal entlang geht, misst rund 56 km Länge, die beiden 
übrigen Seiten je rund '15 km, die Ihihe i Wangen-Ho- 
dersdorfldes Dreieckes .'ö km. »ein Flächeninhalt 950 km*. 
Die Nachbarschaft und teilweise Umklammerung durch 
den von jeher übermächtigen Kanton Bern brachte es 
hauptsächlich mit sich, dass Solothurn sein Gebiet nicht 
zu einem einigermasoen isometrischen Komplet abrunden 
konnte. 

Das Hauptgebiet grenzt im S. an die Kantone Bern und 
Aargau, im (>. an Aargau. im N. an Basel Land und Kern, 
im w. an Bern: Kleinlützel im W.< S. und U. an Bern, 
im Van ilrti Kl«a«s . M.iriastcin im S. an Kern, im O. an 
Basel Land, im N. an Elsass und im W. an EUas* und 
Bern. Steinhof endlich ist rings von bernischem Gebiet 



den. Zwischen Kappel und Aarau dagegen tritt jurassi- 
sches Gestein auch s. vom Gau und seiner o. Fortsetzung, 
dem heutigen Aarethal, auf, mit Ausnahme einer schma- 
len Lücke bei Gretzenbach. Der solothurnische Anteil am 
Mittelland besteht in der Hauptsache bub zwei verschie- 
denartigen und scharf getrennten Gebieten : dem Buchegg- 
berg w. und dem Waaseramt <i. der Kmme. Der Buchegg- 
berg hat den Charakter der westschweizerischen Plateau- 
landschart, deren durch die Annäherung an dess Jura 
etwas modiliiicrtes NO. -Finde er darstellt. Zwar scheint 
der Zusammenhang mit dem bernisch-freiburgischen 
Hochplateau durch das Limpachthal unterbrochen ; aber 
ein Blick vom « Rappenstubri » (ob Balmi oder einem an- 
dern der hübschen Aussichtspunkte an der Oberkante 

I des steilen S. -Abfalls des Bucheggbergs lehrt, dass jen- 
seits dieses Thaies der selbe Landschaflstypus sich nach 
SW. hin fortsetzt. Auch hinsichtlich der Mundart, der 
Konfession, der wirtschaftlichen Verhältnisse, des Tem- 
peraments, ja des gesamten Volkscharakters bestehen die 
engsten Beziehungen zwischen dem Bucheggberg und dem 
benachbarten Bernbiet. Der Bucheggberg erhebt sich um 

' rund I00-20l)m über die Thalsohlen der Aare im N. und des 
Limpachs im S. 
Zwei nach NO. verlaufende Thälchen gliedern die 



Solothurn und Mitteltand, vom Weiaaenslein her gesehen. 



umschlossen. Es stösst also der Kanton Solothurn im 
ganzen an drei Kantone und an das deutsche Beichsge- 
biet. Künstliche und natürliche Grenzstrecken wechseln 
mannigfach miteinander ab, doch wiegen die erstem weit 
vor. An der S. -Grenze tritt an zwei Stellen die Aare als 
Scheidelinie auf, ferner der Limpach. sowie Burgäschi- 
uud lnkwilersee. In der S.-Zonc des jurassischen Anteils 
läuftdie Grenze häufigder Wasserscheide von Bergkämmen 
entlang, so am Oberdörferberg bei Gänsbrunnen, Schmie- 
dematt-Klus sudl. vom Itaisthaler Thal, am Belchen, an 
der Burglluh und Geissfluh nördl. Ölten, sowie am Blauen 
südl. Mariastein. 

Solothurn gehört im grossen und ganzen zu den Jura- 
kantonen. haben doch 8 von den 10 Bezirken Anteil am 
Kettenjura. Immerhin liegen die zwei südlichsten Be- 
zirke Bucheggberg und Kriegstetten ganz und vom Be- 
zirk Balsthal-Gäu der s. der Dünnern befindliche Haupt- 
teil im Mittelland. Irn ganzen entfallen auf das Mittelland 
rund 180 km*, d. h. Vr'/j vom Gesamtareal. Zwei Stellen 
des Kantons greifen um ganzen mit rund '/■„ seines Ge- 
biets) noch auf den Platten- oder Tafeljura hinauf, näm- 
lich 1) derjenige Teil der Bezirke Dorneck und Thier- 
stein, welcher n. Mellingen und ö. der Birs liegt; 2) das 
Gebiet von Kienberg n. der Geisafluh. Bei Domach be- 
rührt der Bezirk Dorneck mit seiner Birsgrenze auch 
noch die südöstlichste Ausbuchtung der oberrheinischen 
Tiefebene. 

?. Orographie. A. Mitteil and. Als Grenze zwischen 
Jura und Mittelland kann auf der Strecke Biel-Wangen 
das Aarethal und von Wangen bia Kappel das alte Stamm- 
thal der Aare, die breite Gäucbene, angenommen wer- 



Hochfläche in drei niedrige und ziemlich parallele Hü- 
gelzüge. Das nördliche der Thälchen ist schärfer ausge- 
bildet und heisst Bibernthälchen. Der mittlere Höhenzug 
kulminiert im Schöniberg (657 m) und Bockstein (652 m). 
Noch hoher erhebt sich die südlichste Zone beim Biez- 
wiler Signal (669 m), wo eine hübsche Aussicht auf das 
hernische Seeland sich öffnet. Der BuchegKberg ist in 
seiner heutigen Form eine Krosionslandscnaft. Gerade 
die orographisch höchsten Partien erweisen sich geolo- 
gisch als eine, allerdings Hache Synklinale. 

Der an den Band des Bucheggbergplateaus sich an- 
lehnende Teil des Wasseramts bildet eine Diluvialschotter- 
ebene, auf welche imö. Abschnitt niedere Moränenhügel- 
züge aufgesetzt sind, die zum Kndmoränenzirkus von 
Wangen gehören. 

B.Jura. Dem zusammenhängenden Jurakettensystem 
sind s. zwei kleinere Vorfallen angelagert: 1) derKrcuzen- 
Martinslluhhügel (587 m) n. der Stadt Solothurn mit dem 
viel besuchten Aussichtspunkt Wengislein und 2) die 
Kette Born (720 ml -Sali (667 m)- Engel borg (700 m) bei 
Ollen. Heber den Verlauf und Charakter der nun folgen- 
den Ketten vcrgl. man den Art. Juha dieses Lexikons. Sie 
ziehen von W. aus dem Kanton Bern büschelförmig heran 
und konvergieren nach O. gegen den Untern Hauenstein 
(n. Ollen) hin. Die südl. Kelten haben no. Streichen, wah- 
rend die nordl. W.-O. verlaufen. Von Allers her unter- 
scheidet man im Solothurner Jura von S. nach N. folgende 
fünf Hauptketten : Weissenstein-, Hauenslein-, Passwang-, 
Wiesenberg- und Blauenkette. Wahrend die ersten vier 
bis gegen die O. -Grenze des Kantons hin, wenigstens geo- 
logisch, mehr oder weniger deutlich erkennbar sind und 



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somit dem S.-Rand de* 
die Blauenkette seitlich 



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Tafeljura entlang 1 ziehen, stnsst 
an diesen letztern und bricht in 
der Nähe des 
Birsthals ab. 
Im sw. Solo- 
lliurn.T .Iura 
entspricht im 
al (gemeinen 
nochjeder*oro- 

graphi sehen 
Kette ein geo- 
logisches 
Schichtge- 
wolbe und je- 
dem Längen- 
thal eine teuto- 
nische Mulde, 
(legen N. und 
(>. aber wird 
dieses einfache 
Verhältnis im- 
mer mehr ge- 
stört , die Kal- 
ten werden 
zerknittert, 
zusammenge- 
schoben und 
die Mulden 
dazwischen 
enger, kürzer, 
unregelmäs- 
si(ter und ihre 
Sohle mehr 
gehoben. Die 
h a in m 1 i n 1 e , 
die im w. Teil 
der Weissen - 
steinkette auf 
weite Strek- 
ken wagrecht 
verlauft, wird 
gegen NO. ge- 
zackter und 
der horizontale 
Kamm durch 
die Gipfel- und 
Schoflenform 
abgelöst ( Bel- 
chen). Die 

Blauenkette 
hat wieder 
mehr den Cha- 
rakter der süd- 
lichsten Falte. 
Die bekann- 
teste und 
hochBte dieser 
Ketten ist die- 
jenige des 
Weissenstein. 
Ihre Erhe- 
bungsaxe kul- 
miniert in dem 
prachtigen 
Doggeryewolbe 
der Kotifluh 
(1M9H in). Nach 
W. senkt sich 
die Ate etwas 
und bildet dort 
die llnrhllarhe 
des Weissen - 
-li in. I lieber 

Name rührt 
olfeu bar von 
den weiss 
schimmernden 
K a 1 k pla tten 
der obern Jura- 
Stufen her. die 



an dieser Stelle den S. -Schenkel der Falte nach aussen 
verkleiden. Weiter w. folgt die höchste Erhebung der Kette 
und des ganzen Kantons, der schmale und kurze Längs- 
kamm der Hasenmalt mit 1447 m. (Tiefster Punkt des Kan- 
tons ist der Spiegel der Birs bei Dornachbrugg mit 990 m). 
Ostl. schlieasen sich an die Hasenmatt die Geisslluh. w. 
die Stall- und Wandfluh an. Von der Röti an ostwärts 
bis zur Oensinger Klus ist die Kette nur in ihrem N.- 
Schenkel erhalten und daher niedriger. In der Boggen- 
fluh erreicht sie noch 999 m.. um dann abzuflachen und 
ö. Holderbank mit der zweiten Kette zu verschmelzen. 
Die ganze Weissenstein kette (besonders Roggenfluh, 
Röti, Weissenstein und Hasenmatt) bietet eine wunder- 
volle Fernsicht nicht nur auf die Alpen und das Mittel- 
land, sondern auch auf den Jura selbst, ja bis gegen Basel, 
Schwarzwald und Vogesen hin. (Hohenweg; lmfeld sehe» 
Panorama vom Weissenstein). 

In der zweiten Kette sind Oberdörferberg (1294 mi, 
Probslberg, Brand, Tannmatt, Sangetel, Farisberg. Reichen 
(1102mi und Hauenstein einige bekanntere Lokalnamen. 
Die dritte Kette trägt eine grossere Zahl exponiert auf- 
ragender Partien: Hohe Winde (1207 mt. Passwang 
(1207 m), Wasserfalle (1160 im. Kellenköptli. Die vierte 
ist namentlich am O.-Ende des Kantons hervorragend ent- 
wickelt und bildet dort den Hauptgebirgskamra mit Wie- 
senberg (1004 ml und Geissfluh (966 ra). Im Tafeljura ist 
die Schartenfluh (758 mi bei Getnpen zu nennen. 

3. Hydrographie. Der Kanton Solothurn gehört ganz 
dem Rheingebiet an. Seine Wasser sammeln sich zu den 
zwei grössern Flüssen Aare und Rirs, denen sich noch der 
Birsig anschliesst, der bei Bedersdorf eine kurze Strecke 
solothurnischea Gebiet durchfliegt. Die Aare entwässert 
ungefähr : V, des Kantons, nämlich die vier obern Amteien 
(Solothurn - Lebern, Bucheggberg- Kriegstetten, Balstha) 
Thal und Gau, Olten-Gosgen i mit Ausnahme von Gäns- 
brunnen, das im Einzugsgebiet der Birs liegt, und von 
Kienberg, wo die Sisseln entspringt, die sich durch das. 
aargauische Prickthal direkt dem Rhein zuwendet. Von 
Büren bis Attisholz unterhalb Solothurn bietet die Aare 
mit ihren Serpentinen und Inseln, ihrem trägen Laut 
und der Durchnässung und teilweisen Vertorfung des 
angrenzenden Landes das typische Bild eines Flussmittel- 
laufs. Sie harrt hier noch der Kanalisierung als Vollendung 
der Juragewässerkorrektion, deren Durchführung im See- 
land den früher so verhängnisvollen reberschwemmungen 
oberhalb Solothurn bereits abgeholfen hat. Bei Grenchen 
beginnt die Aare den Kanton zu tangieren, um dann bei 
Ncnnigkofen ganz in ihn einzutreten und ihn bei Flumen- 
thal wieder zu verlassen. Bei Wolfwil tritt sie zum zweiten- 
mal an die Kantonsgrenze heran, und oberhalb Ölten, wo 
sie das Querthal der • Klos • zwischen Born und Sali 
stürmisch durchbricht (Elektrizitätswerk Ollen- Aarburg 
bei Ruppoldingeni. wendet sie ihren Lauf wieder ganz in 
den Kanton hinein, um denselben dann bei der Wnschnau 
endgiltig hinter sich zu lassen. Von Ölten ab ist der Cha- 
rakter des Flusses der selbe wie vor Attisholz. Auf dem 
Gebiet des Kantons gehen der Aare nur zwei grossere 
Wasseradern zu : die Grosse Emme unterhalb der Haupt- 
stadt von rechts und bei Ölten die Dünnern von links. 
Die N. -Flanke des Buchegebergs ist reich an guten und 
ergibigen Quellen. Zur Flussentwicklung ist hier aber 
kein Raum vorhanden; zu nennen ist höchstens der bei 
Lüterswil entspringende Rülibach. Der S.-Hang der 
Weissensteinkelte entsendet eine Anzahl Räche, die sich 
mehr oder weniger tief in die Bergflanke einschnitten 
und sie abwechslungsreich gliederten, aber nirgends klus- 
artig zu durchbrechen vermochten. Sie haben nur Sen- 
kungen der Kammlinie verursarhl und dadurch zur 
Herausbildung von Passübergängen Anlass gegeben 
(Balmberg. Hinterer Weissenstein). Der Umstand, das* 
im Innern der Ketten Mergelgesteine überwiegen, dieFlan- 
| ken dagegen aus festem durchlässigem Kalk bestehen, 
' bringt es mit sich, das» die Oberläufe dieser Räche viel- 
fach steile, reich verzweigte Runsen und viele kurze 
Comben aufweisen, welche durch ein gemeinsames enges 
Austrittstor ihre Wasser zu entsenden pflegen, die dann 
über einen Schultkegel der Aare zueilen. Hervorzuheben 
sind der Grenchenbach. «1er Brügglibach vom Grenchen- 
berg, der Oberdorfer Wildbach und der Siggerbach vom 
Balmberg. Besonders die beiden letztern treiben, ob 



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klein und im Wasserquantum sehr stark 
mehrere Gewerke. 

Die Emme bedient mit ihren Kanälen eine ganze Kette 
bedeutender FabrikeUblissemenle (Gerlaungen, Bibe- 
rist, Derendingen). Sie empfängt bei Gerlalingen aus 
dem geraltsschwachen und zum Teil torfigen anteallu- 
vialen Limpachthal den Limpachkanal und jenseits des 
Altisbergs bei Biberist den Bibernthalbach. Da der 
Hauptteil des WasseramU einen alten Aarelauf darstellt 
und reich an Grundmoräne und anderm Erratikum er- 
scheint, ist sein im Namen ausgedrückter Reichtum an 
Wasseradern zu erwarten. Die beiden grössern darunter 
sind der Grütbach (Dorfliach) bei Luterbach und der 
Oeschbach bei Deitingen. Zwischen den flachen Moränen- 
hügeln von Inkwil und Burgäschi liegen an der Kantons- 
grenzc der Inkwiler- und der Burgäschisee. 



nerseits aus dem Ramiswilerbach vom Gnldenthal und 
der Ummern von der Wasserfalle sich bildet und her- 
nach die Mümliawiler Klus durchbricht. 

Die Birs em fängt bei Münster den Ransbach, der auf 
der N. -Seite des llasenmatt- und Weissensteingebieta 
seinen Ursprung nimmt und hart an der Kantonsgrenze 
in der Klus von Gänabrunnen noch den Ertrag der ziem- 
lich mächtigen Gänslochquelle empfängt. Bei Laufen Iiiesst 
von links die Lützel aus dem schmalen Thal von Klein- 
lützel herbei, von rechts bei Zwingen die Lüssel aus dem 
Beinwiler Thal, dessen Charakter schon demjenigen eines 
Mittellandthals sich nähert. Noch weniger bedeutend sind 
der Wahlenbach, Ibach, Kästelbach und Seebach, die alle 
der Birs von rechts zulliessen. [Prof. Dr I Ki msu-] 

4. Geologie. In tieologischer Hinsicht gehört der Kan- 
ton Solothurn grösstenteils zum Faltenjura. Doch bemerkt 




Tek tonische Skiue der Juraketten Im Solutburner und Berner Jura. 



Das Thal der Dünnern zerfallt in drei Abschnitte: I) das 
geräumige tcktonische Langenthal von Welschenrohr bis 
Balslhal; 2) das enge, steilfelBigc Erosionsquerthal der 
• Klus » mit ziemlich grossem Gefäll, das im Eisenwerk 
Klus ausgenützt wird; 3) das grosse und flache Gau, das 
vor der Ablenkung der Aare durch die Wangener End- 
moräne diesem Fluss als Thalsohle gedient hat. In vielen 
Krümmungen, z. T. zwischen Dämmen, und zu Ueber- 
schwemmungen geneigt, windet sich die Dünnern auf 
dieser Strecke, die im Verhältnis zur kleinen Wasser- 
menge zu wenig Gefäll hat, hin und her. um sich erst kurz 
vor der Mündung noch in die Schotterebene einzuschnei- 
den. Auch der unterste Teil des ersten Thalabschnitts weist 
zu geringes Gefälle auf und hat daher Neigung zur Torf- 
bildung, während am « Hammerrain » ein Gefällsbruch 
auftritt, der aus dem Hochthal von Welschenrohr-Gäns- 
brunnen (Rosinlithal) zur tiefern Thalstufc von .Matzendorf 
überführt, zu welcher von rechts der llomgraben, von 
links der Meisebach heruntersteigt. Bei Thalbruck am.N.- 
Ausgang der ßalsthsler Klus eilt der Dünnern von llolder- 
der Augstbach entgegen; dieser hat bei St. 
den Mümhswilerbach aufgenommen, der sei- 



man im s. Kantonsteil rechts der Aare (Bucheggberg) 
ausserdem noch eine aus Oligozän und unterm Miozän 
bestehende und dem Mittelland zuzurechnende Hügelzone, 
deren jüngstes Glied durch den Muschelsandstein der 
obern helvetischen Stufe repräsentiert wird. Im n. Kan- 
tonsteil liegen einige kleinere l-andschaflen (Dornach) im 
SO. -Zipfel der oberrheinischen Tiefebene, während Gem- 
pen, Nuglar, St. Pantaleon etc. sich auf dem Rücken oder 
in den Einschnitten der Hheintafel «oder des Tafeljura) 
befinden. Im Solothurner Jura unterscheidet man zwölf 
Hauplgcwolbe oder -antiklinalen, deren Mehrzahl sich in 
den Berner Jura hinüber fortsetzt. Diese Fallen erschei- 
nen fast sämtlich durch die Tätigkeit der Erosion stark 
angegriffen und in sog. Graben. Comben, Kessel oderZirken 
ausgewaschen, die an in -hr als einerSlelle den Lias und die 
Trias bis zum untern Muschelkalk I Wellendolomit) hinab 
zutage anstehen lassen. In den Synklinalen oder Mulden 
des Solothurner Jura liegen stet« Oligozän- und Mio- 
zänschichlen. dielllörmig aufgebogen und den jurassi- 
schen Stufen konkordant angelagert sind. Doch zeigt 
sich zwischen den obersten Stufen des " 
Jura und den 



des Malm oder obern 



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600 SOL 

tigraphische Lücke, indem man am Kontakt mit dem Eo- 
zän überall eine erodierte und von Spalten durchzogene 
ehemalige Oberfläche der jüngsten Malmstufen (Sequan, 
Kimeridge oder Portland, je nach der Entfernung vom 
Schwarzwald) beobachten kann. Ka entspricht diese Er- 
scheinung einer Abrasion der jurassischen Unterlage, 
durch welche die wenigsten» in einein Teil des Solothurner 
Jura einst vorhanden gewesenen Kreidebildungen vorder 
Ankunft der Waaser des Eozän vollständig entfernt wor- 
den sind. Wir haben also hier eine Transgression de9 
Eozän über die obersten Jumstufen. Die Keihe der Ter- 
tiärstufen erscheint wederin den Mulden noch am Fuss des 
Solothurner Jura vollständig vertreten. Pas Eozän ist nur in 
seinen obersten Stufen vom Hartonien (Glassand, Hup- 
pererde) zum Ludien und Sannoisien ) Bohnentone. Bolus) 
vorhanden, die mit Süss- und Brack wasserkalkcn (Kalken , 
mit l.tmttaea longiscala und mit Hyiirnhia cfr. l)ub<ti*$o»i) I 
wechsellagern. Das unlere Oligozän \ Slampien oder oberes I 
Tongrien), das geologisch zum Becken von Mainz gehört, 
zeigt sich nur in einzelnen im n. Kantonsteil zerstreuten 
Fetzen und greift südwärts nicht über die Linie Wahlen- 
Reigoldswil hinüber. Das Oligozän des helvetischen Beckens 
ist an seiner Basis (wenigstens am Jurafuss) fossilleer und 
gestattet daher keine exakte Parallele mit dem Stampien 
(Meeressand). Die aquitanische Stufe findet sich dagegen 
in sämtlichen Längslhälern des Solothurner Jura und 
bildet als die am weitesten verbreitete Oligozänstufe den 
Boden der fruchtbarsten Erdkrume. Dass sie ursprünglich 
als zusammenhängende Decke vom helvetischen Becken 
bis nach Basel und in den Elsas» hinein gereicht hat, 
wird durch das Auftreten von einzelnen Erosionsfetzen 
in den stark dislozierten, oft gebrochenen und üherscho- 
benen Fallen des Gebietes der Hohen Winde bewiesen. 
Das Miozän hat den quartären Erosionen weniger Wider- 
stand zu leisten vermocht. Obwohl es ursprünglich gleich 
dem obern Oligozän so ziemlich über «las ganze (»ebiet de» 
Kantons verbreitet war, geht doch aus dem stärkern Auf- 
treten von aus dem Jura, den Vogesen und dem Schwarz- 
wald stammenden Konglomeraten vorn mittlem Miozän 
an hervor, dass die Trockenlegung des Landes während 
der Miozänzeit raschere Fortschritte gemacht haben muss | 
als während des Oligozän. Diese eben erwähnten Konglo- 
merate, diesog. Juranagelfluh (Gompholilhed'ArKovicJ, bil- 
den einen längs dem Schwarzwaldfuss und auf der Rhein- 
lafel liegenden Strandgürtel, der sich bis in die Mulden 
von Git lang und Laufen hinein erstreckt. Die im Berner 
Jura noch vorhandenen alpinen Konglomerate erreichen 
denKanton Solothum nicht mehr, da ihre äussersten N.- 
Ausläufer ohne Zweifel nachträglich von den quaternären 
Erosionen zerstört worden sind (Gebiet von Matzen- 
dorf etc.). Das nämliche gilt für das ganze obere Süss- 
und Brackwassermiozän der Oeninger oder sarmatischen 
Stufe, das sich bloss noch n. vom Solothurner Jura in den 
„ durch Ueberschiebungen komplizierten Winkeln der 
Bheintafel (Kienberg) in Gestalt von einzelnen Fetzen er- 
halten hat. Das Quartär des Kantons Sol ithura weist im 
Solothurner Jura keine Besonderheiten auf. Die errati- 
schen Blöcke der vorletzten Eiszeit sind wenig zahlreich 
und dazu mit Verwitterungs- oder Grundmoranenlehm 
überdeckt, wie dies für den ganzen Nord- und Osljura bis 
Liestal und Frick der Fall ist. Es fehlt in unserm Gebiet 
auch scharf charakterisierter Glazialschutl lokalen juras- 
sischen Ursprungs, während solcher im Berner Jura 
(Thäler von St. Immer. Münster etc.) nicht seilen auftritt. 
Es blieben somit die Gipfel des Solothurner Jura im all- 
gemeinen unter der Schneegrenze zurück. Dagegen zieht 
sich dem ganzen Jurafuss entlang ein Streifen von Gla- 
zialschutt alpiner Herkunft, der vom letzten grossen Vor- ' 
stoss des Rhonegletschers stammt und sich von seinem i 
höchsten Vorkommnis am Chasseron (1300 m) über den < 
Chaumont (1000 m), den Teisenberg (900 m hei Nods am 
Fuss des Chasseral i, Vauffelin Romont (»00 m) und Ober- 1 
dorf (700 m) bis zum Miltelland bei Wangen an der Aare I 
(Längwald 502m) herabsenkt. Der Rhonegletscher hat am 
Fussdes Solothurner Jura eine sehr deutliche Randmoräne 
mit einem prachtvollen Endmoränenwall abgelagert. In 
dessen Zungen hecken heule das Dorf Wangen liegt und 
der von der Aare und den Juragewässern durchschnitten 
und zerstückelt worden ist. I rsprünKÜch, d. h. kurz nach 
dem Rückzug des Rhoneglelschera gegen das Leman- 



S0L 

becken, muss der Wall von Wangen mächtig gentig ge- 
wesen sein, um die Schmelzwasser des Gletschers zurück- 
zuhalten und aufzudämmen. wodurch sich ein grosser 
See bildete, in welchem die von den Alpen herabkommen- 
den Flüsse (Emme, Aare. Saanc) die schonen Terrassen 
absetzten, die heute noch längs den Ufern dieses ehe- 
maligen Solothurner Sees in zwei verschiedenen Niveaus 
überall sichtbar sind. Sie stellen damitdie angeschwemmte 
Uferhank des einstigen grossen Sees dar, der die heutigen 
Jurarandseen zu einem einzigen Susswasserbecken ver- 
einigte und bis unterhalb Solothum reichte. Um den 
Staudamm bei Wangen zum Bruch zu bringen, mussteo 
sich die Aare und die Juragewäsaer zuerst tief in die 
Schwemmlandebene zwischen Oensiogen, Ölten und Aar- 
burg einschneiden, worauf dann nach dem Dammbruch 
die Sohle des Aarethaies zwischen Solothum, Büren, Aar- 
berg und den Jurarandseen durch Flussgeschiebe und 
Sumpfablagerungen aufgefüllt worden ist. Die Jurarand- 
seen sind die letzten nicht zugeschütteten Ueberreste des 
grossen Thaies längs dem Jurafuss, das schon vor der 
Ankunft des Bhonegletschers ausgefurcht war. Es bildet 
somit das auf Solothurner Boden zwischen den erwähnten 
Terrassen eingesenkte heutige Aarethal streng genommen 
keine in quartären Terrassen neu heraus modellierte 
Furche, sondern den nicht völlig zugeschütteten Rest 
eines ehemaligen grossen Sees. 

In tcktonischer Hinsicht bildet der Solothurner Jura 
ein Gebiet, in dem die Ketten des zentralen Juragebirges 
gegen den Ostjura hin konvergieren. Die Scharung lindet 
gegen den Passübergang des Haucnstein, nördl. Ollen 
und an der O. -Grenze unseres Kantons, hin statt. In 
diesem stark eingeengten Gebiet, wo nur noch vier, stark 
nordwärts überliegende und auf die Rheintafel überocho- 
bene Hauptfalten gezählt werden, senken sich die Ketten 
ziemlich rasch. Weiter ostwärts wird im Aargau die Scha- 
rung immer stärker, während man die Falten gegen W. 
sich ausbreiten, verzweigen und gegenseitig ablasen sieht, 
wodurch die dazwischen eingelagerten Mulden immer 
breiter werden. So zählen z. B. das lialsthaler Thal und 
das Guldenthal noch zu den am dichtesten besiedelten 
Gebieten des Jura, obwohl sie an Breite nicht an das 
Delsbergerthal oder das Thal von taufen heranreichen. 
Im Gebiet der Hohen Winde nördl. der Passwangkette, 
wo sich die genau W.-O. orientierte Kette der Rangier« 
dem Faltenbüschel der innera Juraketten anschliesst. ist 
für die Mulden kein ausreichender Platz mehr vorhanden, 
weshalb sich diese mehr und mehr einengen. Die Falten 
schieben und türmen sich hier gegenseitig derart auf- 
einander, dass sie die Mulden erdrücken und überdecken. 
Nordwärts der Kette des Rangiers endlich, die eine scharf 
ausgeprägte und im O. -Abschnitt (Erschwil-Meltingen- 
Zullwil. Waldenburg) oft verworfene Falte darstellt, ver- 
lieren die Jurafalten die Bedeutung, die denjenigen im 
innern Büschel zukommt, indem sie bis zum Rand der 
elsässischen oder oberrheinischen Tiefebene hin sich 
mehr und mehr erniedrigen. Das Laufenthal und die 
westl. vom Blauen gelegenen Mulden sind sehr regelmäs- 
sig gebaut, ausgenommen in ihren Beziehungen zur Kette 
des Moni Tern und zu den Ouerverschiabuugen in der 
Umgebung von Charmoille. Lützel und des Jura von Plirt. 
Aber auch hier und im Eisgau (Ajoie) erscheinen die letz- 
ten Jurafalten bloss als schwache Wellen, die sich gegen 
die Ebene hin vollständig ausgleichen. Aehnliche Falten 
rinden wir auch am Fuss des Solothurner Jura zwischen 
Ölten. Aarburg und Solothum wieder. Im Gegensatz dazu 
erscheint der Kontakt des Faltenjura mit der Rheinlafel 
als ein stets disloziertes Gebiet mit noch kräftigeren 
Ueberschiebungen als siedle Kette der Rangiers aufweist. 
Es bildet diese Kontaktxone unbestreitbar die Grenze 
zwischen den Jurafalten und dem hier unter einer Decke 
mesozoischer Schichten begrabenen S. -Fuss des Schwarz- 
waldes. 

Im Solothurner Jura sind die Falten im allgemeinen 
schärfer und die Dislokationen häutiger als im Berner 
Jura. Auch die von den posttertiären und quartären Ero- 
sionen herausmodellierten Einschnitte erscheinen in den 
grossen Kelten auf Solothurner Boden kräftiger auage- 
bildet als weiter westwärts und sind sowohl am Innen- 
rand (Günsberg) als an der N. -Grenze (Kette der Rangiers) 
in Gestalt von Zirken oder Halbzirken oft bis zum Keuper 



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SOL 



m 



und Muschelkalk hinunter ausgewaschen. Noch ausge- 
prägter zeigt sich diese Erscheinung im Basler und Aar- 
gauer Jura. Der Gegensatz 
ist schon von G renchen 
(Stallfluh) an auffallend, wo 
die Weissensleinketle auf 
Solothurner Boden bis tum 
Lias geöffnete /.irken auf- 
weist, während n. Biel die 
nämliche Kette und deren 
Börner und Neuenbürgs 
Nachbarfallen im allgemei- 
nen die Form von vollstan- 
digen Doggerge wölben ha- 
ben. I>ie Ursachen Tür die- 
sen vorgeschrittenem (irad 
der Erosion im Solothurner 
und Ostjura sind mannig- 
faltiger Art. Sie liegen zu- 
nächst in der scharfern Zu- 
spitzung der Falten dieser 

Gegend, sodann in der schon ursprünglich geringen» Mäch- 
tigkeit des Malm (Fehlen von Kreide, Portland und teilweise 
auch des Kimeridge zwischen Solothurn und Basel) und 
dann auch tiarin, das» die tertiäre Decke im Solothurner 
Jura schon von Anfang an schwacher war als im Berner 
Jura. Sehr auffallend ist, dass die Sprachgrenze zwischen 
dem Berner Jura und Solothurn genau mit der Linie zu- 
sammenfallt, die den Gegensatz zwischen der orogra- 
phischen Gestaltung markiert. Der gallisch - romanische 
und burguudische Abschnitt des Juragehirges zeichnet 
sich durch sanfte Gipfelformen und geräumige Thalschaf- 
ten aus, während der alemannische Gebirgsabschnitt 
weit starker gefaltet, kühner zerschnitten und enger 
gespresst, d. n. überhaupt rauher und wilder erscheint. 

Mit Bezug auf nutzbare M i u e ra I p rod u k t e gehört 
der Solothurner Jura mit dem Berner und Aargauer Jura 
zu den am besten ausgestatteten Gebieten der Schweiz. 
Er liefert, besonders in den Steinbrüchen nahe Solo- 
thurn. Hausteine von wenig gewöhnlichem l'mfang. In 
untenstehender Figur geben wir nach L. Dütimeycr (Die 
/»sxi/fii Schildkröten }<ni Solothurn in den .Venen Denk- 
tchriften der Schweiz. Saturfonch. GetelUch. Bd 22 
und 25, 1867 und 1873) und F. Lang (Die Einsiedelei und 
Steinbrüche bei Solothurn. Solothurn 1885) einen allge- 
meinen Querschnitt dieser Steinbrüche, die zu den be- 
deutendsten der Schweiz gehören. Man unterscheidet 
darin von oben nach unten : 12. 
Verwitterte und zerklüftete Bänke 
von weisslieher Farbe, mit Calcit- 
geoden ; maximale Mächtigkeit 6 m. 

— 11. Obere Bank gewöhnlichen 
Bausteines von blassblauer Farbe ; 
0.75 m mächtig. — 10. Fossilreiche 
Mergelschicht. — 9. Dichter, röt- 
lichgrauer oder braungelber Kalk 
mit grünlichen Flecken und für die 
Kimeridgestufe charakteristischen 
Nerineen ; Haustein, 1 m mächtig. 

— 8. Feste Platten, zu Tischtafeln, 
5 Grabsteinen etc. verwendet ; 0,30 m 

mächtig. — 7. Grauer Kalk mit 
einem Stich ins Bläuliche; ausgezeichneter Haustein für 
Pfeiler, Brunnenschalen, Piedeslale etc. ; 1.2 m mächtig. 
— 6. Blassblauer harter Kalkstein für Denkmäler; 0,9 m 
mächtig. Geht stellenweise, besonders nordoslwärts, in 
einen grünlichen Mergelkalk voller Pyritkorner über, 
der von den Steinhauern Bätschenbank oder Knorzbank 
(entsprechend der raitche, d. h. dem Süsswasserkalk 
im Delsbergerthal) genannt wird. Hier fanden sich die 
berühmten Schalen und Kopfskelette von Schildkröten, 
die mannigfaltigen Ueberreste von Heptilien, Fischen und 
Mollusken, sowie einige Arten von Seeigeln, die das Muse- 
um von Solothurn zieren. — 5 und 4. Schalensteine in 
Platten und Banken, graublauer Kalkstein mit Geoden 
oder Schalen von Calcit (soff. Salzlochern). Haustein für 
Kunstarbeilen; 0,90 — 1,6.» m mächtig. — 3. Schlechte 
Bank bruchigen Gesteins; 0,3— 0,6m mächtig. — 2. t n- 
tere Platten; 0,45 m mächtig. — 1. Untere, dunkelblaue 
Bank ; 0,6 — 0,7 m mächtig. 



Das Liegende der Steinbrüche wird durch einen brü- 
chigen weissen Kalkstein gebildet, der nicht verwertet 





Kanton Solothurn: Mitteilend bei (Ilten. 



werden kann. Die ganze Schichtenreihe der Steinbrüche 
von Solothurn gehört dem obern Abschnitt der Kimerid- 
gestufe (oberer Malm) an, die hier keine Decke von 
Portlandkalk trägt und somit ganz nahe unter der Bo- 
denoberfläche liegt. Dadurch wird der Abbau dieser dic- 
ken Kalkbänke wesentlich erleichtert, was von denjenigen 
tiebieleu. wo die Porllandstufe vorhanden ist. kaum ge- 
sagt werden kann. Der Solothurner Kalk und Halb- 
maimor. besonders Nr 7 des eben besprochenen Pro- 
Iiis, verdankt seine blass-hläulirhe Färbung dem im 
ganzen Gestein fein verteilten Eisenkies. Oxydiert sich 
dieser letztere zu Limonit. so entsteht gelbe Färbung des 
Gesteins iLommiswil). Charakterische Arten von Nerineen 
und C.ryptojdorut, die fest mit dem Fels verwachsen er- 
scheinen, gestalten es, den Solothurner Marmor von allen 
anderwärts ausgebeuteten Bildhauerkalken und -mar- 
moren zu unterscheiden und zugleich festzustellen, dass 
die Steinbrüche von Solothurn schon seit den ersten 
Jahrhunderten unserer Zeitrechnung im Betrieb gestan- 
den haben müssen. So hat man z. B. diesen Stein schon 
zur Römerzeit in Solothurn selbst, in Avenches. Gully 
etc. zu Grabmälern. Votivtafeln, als Baustein etc. ver- 
wendet. Die sog. « Vierfusubank * ;Nr7 unseres ProIiis) 
hat Monolithen von 30 m Länge, 9 m Breite und 1,2 m 
Hohe, also von einem Volumen von 324 in 3 und einem 
Gewicht von 9000 Meterzentnern geliefert. Daraus sind 
Säulenfassaden (Kathedrale von Solothurn) und pracht- 
volle Brunnenbecken gearbeitet worden, wie z. B. das- 
jenige von Gebweiler im Elsass, das 900 Meterzentner 
wiegt und dessen Transport mit einem Gespann von 23 
Ins :H Pferden Ii Tage gedauert hat. Die neun Steinbruche 
von Solothurn, von denen aus das gebrochene Gestein 
des geringen Gefälles wegen leicht transportiert wer- 
den kann, liegen in den sog. Steingruben nordl. der 
Stadt. Sie werden als Tagebau betrieben und beschäf- 
tigen 200-300 Arbeiter. In der Umgebung von Aarburg 
und Boningen werden am S.-Hang des Born Kalk- 
steine gleichen Alters ausgebeutet, die aber stärkerer 
Auffaltung unterworfen gewesen und daher auch viel 
ungleichmäßiger und zerklüfteter sind. Ihre Fauna 
entspricht derjenigen der Badener- und Wettingerschich- 
ten im Aargau. 

Im Laufenthal bricht man auf Berner und Solothurner 
Boden (Wiler) einen weniger feinen, grob-oolithischen 
Haustein, der namentlich gegen Frost sehr widerstands- 
fähig ist und der Sequanstufe des Malm angehört. Das 
Dach bildet hier das tertiäre Oligozän (Slampien). Die 
der raurazischen Stufe angehörenden Steinbrüche in der 
Umgebung von KleinlüUel liefern ein chemisch nahezu 
reines (Calciumcarbonat), weisses, kreidiges und koral- 
logenes Material, während dagegen die raurazischen Kalke 
in der Umgebung von Seewen schon bedeutend toniger 
und gewohnlicher sind. 

Im Kanton Solothurn werden verschiedene Lager von 
Glas- oder Ouarzsand und feuerfester sog. Huppererde 
abgebaut, so namentlich bei Laupersdort und der Mat- 
zendorfmuhle im Balsthalerthal. Auch die Tasche von 
Vorder Egg am O.-Ende des Val de Pen- (beim Untern 
Bürenberg) und ein Teil der Taschen von Lengnau liegen 



602 



SOL 



SOL 



auf Solothurner Boden. Diese Quarzmaterialien finden 
in der Thuner Töpferei zur Herstellung der Glasur und 
nach Bedürfnis auch in der Glasfabrikation und zur Her- 
stellung von Steingutwaren Verwendung. Die diese Sande 
eozänen Alters begleitenden gelben oder roten feuerfesten 
und eisenschüssigen lioluserden sind kalkfrei und werden 
zu Verblendsteinen verarbeitet. Wie überall, verarbeitet 
man auch die Tone und Mergel des Solothurner Jura in 
Backstein- und Zementfabriken. Zur Zementfabrikation 
eignen sich namentlich die Argovien-, Oxford-, Slam 
pienmergel etc. In einigen der eozänen Taschen findet sich 
neben dem Bolus stellenweise auch noch Bohnerz vor, 
das früher in den Thälern von Welschenrohr und Bais- 
thal zur Ausbeute kam. Die Solothurner Bohnerzlagcr 
haben den ehemaligen Hochöfen von Gänsbrunnen und 
in der Klus jährlich rund 1000 Tonnen Erz geliefert, 
werden aber heute infolge ihrer zu grossen Entfernung 
von den jetzigen Hochofen und der Erschöpfung der am 
leichtesten zugänglichen oder am wenigsten tief gelege- 
nen Gruben nicht mehr abgebaut. Die Eisenoolithe des 
Dogger sind zu arm an Eisenoxyd und zu stark abseits 
im Bergland gelegen, um mit Erfolg gewonnen werden 
zu können. Früher hat man sie hie und da zur Bereitung 
von Schmelzfluss verwendet. Die Gips- und Alabaster- 
gruben, die man einst bei Günsberg, Balmberg, Bärsch- 
wil etc. eifrig ausbeutete, sind in den letzten Jahren wieder 
verlassen worden. Der VV'eissensteintunnel hat im Kern des 
ersten Gewölbes zweimal den schönsten, z. T. schön blau 
oder rosenrot gefärbten Anhydrit (Keuper) durchbrochen. 

Mineralische Brennstoffe finden 
sich im Kanton Sololhurn, mit 
Ausnahme des im Solothurner 
Jura wenig mächtig entwickelten 
Torfes, keine, indem die wenigen 
Keuperbänke mit Kohlenspuren 
und das am S. -Eingang des Weis- 
sensleinlunnels nordl. Oberdorf 
kürzlich erschlossene Lager von 
mit Bitumen und Paraffin getränk- 
tem Dysodi) (Papier- oder Blätter- 
kohle) nur wissenschaftliches In- 
teresse beanspruchen dürfen. 
Diese bloss 8-10 cm mächtige 
Dysodilader enthält zwischen 
den einzelnen Kohlenblättchen 
eingeklemmte Reste von klei- 
nen Susswasserlischen ISmerdit) 
und Ostrakodenschalen (Cyprit). 

Iias Vorhandensein von Steinsalz ist in den bunten 
Keupermergeln der ersten Jurakette nö. Günsberg 
i Lucheren) und kürzlich auch im Weissensteintunnel 
festgestellt worden. Doch enhält der trockene Hockstand 
dieser bunten Mergel bloss 1-2 % des in den Bissen und 
Poren des Gesteins zerstreuten Salzes. Eigentliche Mine- 
ralquellen besitzt der Kanton Solothurn mit Ausnahme 
derjenigen von Mellingen ebenfalls nicht. Dagegen er- 
scheint der Solothurner Jura nicht so wasserarm wie 
andere Abschnitte des Gebirges, da der Boden der Mulden- 
tlialer oft bis ins Niveau des Mittellandes hinunterreicht. 
Zu nennen sind die schonen (Quellen in der Klus, von 
Widlisbach bei Sololhurn, von Grenchen, (lansbrunnen. 
Mellingen etc. [Dr. I.ouli Rou.mil.] 

5. Klima. Die jährlichen Niederschlagsmengen (redu- 
ziert auf die Periode 1864-1903} im Gebiete des Kantons 
sind folgende: 
Ölten . . . 
Grenchen . 
Heasigkofen 

Seewen . . 

Die ausserhalb des Jura gelegenen Kantonsteile in den 
Niederungen der Aare zeigen wie in den Niederschlägen 
so auch in den übrigen klimatischen Elementen die Ver- 
hältnisse des Mittellandes: hervorzuheben ist nur. dass 
die Himmelsbedeckung am SO. -Fuss des Jura in den 
Wintermonaten etwas grösser ist als durchschnittlich im 
Millelland und auch Nebel häutiger auftritt. Es folgen als 
Belege klimatologische Mittelwerte für die Station Ölten, 
die einzige langjährige meteorologische Station im Ge- 



biete des Kantons. In Solothurn wurden meteorologische 
Beobachtungen angestellt in den Jahren 1864-1872 : im fol- 
genden seien wenigstens die auf die Normalperiode 1864- 
1900 reduzierten mittlem Monatstemperaturen gegeben. 

Ölten Solo- 

thurn 

(18*54-1900) (1864- 
Be- Nieder- Tage mit 1900). 
wöl- schlags- Nieder- Tem- 
kung höhe schlagen peratur 

°C. 



Januar . . 
Februar 
März . . . 
April 
Mai . . 
Juni . . , 
Juli . . 
August . 
September. 
Oktober 
November . 
Dezember , 

Jahr . . 

Mittleres 



Tem- 
pera- 
tur 

°C. 
—1,1 
0.8 
4,0 
8,8 
12.9 
16,6 
IN. 4 
17.3 
14,1 

8,:» 

4.0 

-0,2 
8,7 



8.1 

7.0 
6.5 
6.2 
5,9 
5.7 
5.2 
5.4 
5.7 
7.2 
8.2 
8.4 
fi.ti 



mm 

51 
58 
65 
71 
91 
116 
110 
117 
88 
96 
74 
72 

Uvii 



9.6 
10.1 
13,1 
12,6 
13.1 
14.4 
13,9 
13.1 
11,1 
12,1 
U.l 
11.1 



-1,4 

0.6 
3.6 
8.5 
12,6 
16,3 
18,3 
17.3 
14,0 
8.3 
3.9 
-0.3 



145,6 8.5. 
jährliches Temperaturminimum — 13,8° C, 
mittleres jährliches Temperaturmaximum .10,3° C. Anzahl 
der Tage mit Nebel im Jahr : 87, 

Der Jura ist niederschlagsreicher und kihler, letzteres 
nicht nur absolut sondern auch mit Berücksichtigung der 




mm 




mm 


1005 


Balsthal . . . 


1065 


1070 


Herbetswil . . 


im; 


1 1 v.-i 


Langenbruck . 


iia r > 




Weissenslein . 


1250 


1065 


Niederwil . . 


133) 




Gänsbrunnen . 


IWV. 



Ksolon Sololhuro: Klick auf drn Jura von Ollen in« 



Höhenlagen und verglichen mit gleich hohen Stationen im 
Alpengebiet. Mehrjährige Temperaturbeobachtungen lie- 
gen vor vom Weissenstein und von Langenbruck, das — 
wenn auch nicht mehr auf Solothurner Boden gelegen — 
hier als Vertreter der Jurathäler folgen soll. Die Gipfel- 
•tation Weissenstein zeigt aus den bekannten Ursachen 
relativ sehr hohe Wintertemperaturen — Dezember und 
Januar sind sogar etwas wärmer als in dem etwa 600 m 
liefer gelegenen Langenbruck ! 

Te»i;Mrra(ur (Mittel aus iSO-i-HHM». 

Langenbruck Weissenstein 
(718 m). (1290 m). 

°C. °C. 
Januar .... -3.0 —2.9 
Februar . . . —1,0 —1.9 
Marz .... 1,7 -1,0 
April .... 6.2 3,3 

Mai 10.1 7.0 

Juni .... 13.7 10,7 

Juli 15,6 13.1 

August .... 14.5 12.5 
September . 11,6 10,1 

Oktober . . . 6.3 4,8 
November. . . 1.9 0,8 
Dezember . . . -2.2 —2.1 
Jahr .... _ 6X" J~5T 
Die mittlem Extreme ( 1885-1900) von Langenbruck sind : 
Minimum — 17.7° C. und Maximum 28.4°C. Es betra- 
gen: die mittlere Bewölkung 5.7; die Anzahl der Tage 
mit Nebel :so und mit Niederschlag 156 : die Jahressumme 
des Niederschlags 1195 mm und auf dem Weissenstein 
1250 mm. Auffallend ist, dass sowohl auf der N. -Seite 



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SOL 



SOI. 



(Gänsbrunnen 1434 mm) wie auf 'der S. -Seite der Weis- 
sensteinkette(Niederwil 1337 mm) grössere Niederschlags- 
mengen fallen als auf dem Weissenstein 
selbst; sehr wahrscheinlich würde aber ein 
besser gegen den Wind geschützter Regen- 
messer auf dem Weissenstein grossere 
Mengen geben. [Dr. Hob. Hili.wiluh j 

6. Flora. Die verhältnismässig reich- 
haltige Flora des Kantons Solothurn mit 
rund 1220 Arten verteilt sich bezüglich des 

f geologischen Subatratums auf Jura. Mo- 
asse, die fluvioglazialen Ablagerungen und 
das Alluvium. Um deren Zusammensetzung 
in knappem Rahmen zu schildern, halten 
wir uns an kurze Notizen mehr lokaler 
Natur in spezieller Hinsicht der Herkunfts- 
verhältnisse. 

Die Bestandteile der Glazialrelikten 
finden sich besonders im obern Kantonsteil, 
und zwar hauptsächlich im Bezirk Buch- 
eggberg-Kriegstetten, woselbst sich in Torf- 
mooren. Waldsümpfen und schattigen 
Schluchten der diluvialen Aufschüttungen 
noch ziemlich zahlreiche Leberreate der 
Källeperiode der Eiszeiten mit arktisch- 
alpinen Pflanzen erhalten haben. Auf der 
Hohe des Bucheggberges treffen wir in dem 
kleinen, fast abgetorften Moos bei Gäch- 
liwü Viola ntagmna (wenigstens früher), Sagina nodosa, 
Bidens cernuun, Danthonia decumbens, in Sumpfwiesen 
bei Bibern Carex pulicarin, Scirpun netaceun und Sardun 
ntricla; imEngi weier bei Biberist Catamogrontin lanceolata, 
in einem Sumpf im Subigenwald verschiedene Carexarten, 
Eriophorum anguntifolium und E. vaginatum, Coniarum 
paluntre und Oxycaccun jtalustris, im Moor bei Dettingen 
Carer pulicarts, Schoenun ferrugineun und Sch. nigri- 
caun. J it neun silvaticus, Spiranthen aentivalis, Drosera 
rotundifolia, D. anglica und D. obovata, Gnaphalium 
dioieum, Galium boreale mit der vur-hyssopifolium. Kin 
wahres Dorado für den Botaniker bietet die Umgebung des 
Burgäschisees mit seinen Torflagern und schwingenden 
Boden mit Aipidium thelyptertn, Ofihioglonnum vuUja- 
luni, Lycojiodium inuntiatum, Sparganium mmplex und 
Sp. mmimuni, Scheuch:eria palunlrin, Oryja clande- 
nlma, Cyfterus (uneun und C. flavencens, Eriophorum 
vaginatum, E. gracile und E. alpinum, lleleocharin 
paueiftora, Cladium marineun, Bhynchonpora alba, einer 
Menge C*art\rarten, wie C. pulicarin, C. dioiea, C. di- 
ntirha, C. jwradoTa, C. leretiuneuta, C. canencenn, C. 



Be.tula pubescenn, Symnhaea alba. Suphar luteum, 
Banunculun Ungua und B. nceleratun, Drunera rotundi- 





Kantoo Solothurn: Notmndorf 

heleonanten, C. echinata, C. pneudoeyperun, C. liniosa, 
C. filiformin, C vulgarin var. lur'fosa; Lernna tri- 
nulca, Orchin latifolia. Sturmia Loenelii, Salix repenn, 



Kintoo Solothurn : Selxacb. 

folia und D. anglica, Coniarum, Viola palustris und V. 
camna, Epilobium pahmtre, Innanlia palunlrin, Hydro- 
cotyle vulgarin. Peueedanum jtalunlre, Andromeda fwli- 
folta, Oxycoccun, Lysimacbia thyrsiflora, Teucrium 
ncordium, Pedicularis palunlrin, Vlrwularia vulgarin, 
U. intermedia und U. minor, Bidenn cernuun. Am Bol- 
kensee Cicula virona. Sehr zerstreut in Wäldern l.yro 
podium clavalum, Anpidium oreopterin und Bleclmum 
npicanl. Infolge Drainage ist auf dein linken L'fer der 
Aare die prächtige Sumpfflora des Hochmoors bei Lotn- 
tniswil sehr reduziert worden. Erhalten hat sich noch in 
einem Moor en miniature Drosera anglica, sodann in der 
Umgebung (ialtum boreate, (lentiana pneumonanthe, 
Salu repenn. ,ll««.< viridin kommt auf Erratikum bei 
Selzach und Rütlenen, Sjtarganium minimum beim Bel- 
lachweier vor. 

Ein aulfallend mannigfaltiges Gepräge bietet die ausge- 
dehnte, scheinbar monotone Alluvialebene von 
Grenchen bis Solot h u r n, welches Gebiet vorder Aare- 
korrektion häufig zum grossten Teil unter Wasser gesetzt 
wurde und jetzt noch sich mit Sumpfflachen, Wassergrä- 
ben und mehr oder weniger nassem Unter- 
grund präsentiert. Sehr interessant ist speziell 
die Grenchencrwili mit Ophioglonnum (auch 
bei Bellach), Typha anguslifolia, Caiamo- 
grontin lanceolata, Poa nerotina, Bromun com- 
mutatun, verschiedenen Ca»warlon, wie C. 
dinticha, C. dintann. C. tomentona, C. riparia 
etc., Atlium aculaugulum (auch bei Selzach), 
Irin nilnnca. Buntes pratenntn, Thalicirum 
flavum ( bis Bellach). Bapintrum rugonum, 
Santurtium atnphibium. Trifolium ocbroleu- 
cum und IV« montanum. l.athyrun fialunter, 
Euphorbia palustris (auch bei Selzach und 
Solothurn), Viola elatior, Pepltn portula, 
Seliuuut carvifolia. Gentiana pneumonanlhc, 
Mentha veriieillata, Teucrium ncordium (bis 
Uellach). Galium ttoreale und G. praecox 
X mollugo, Inula salicitta unil I. britannica, 
Srnrcio erueifolius, Serraiuta tinetoria (auch 
bei Bellach}, (trchis Traunsleineri, Denan- 
the phellandrium uud Myonotin caenpilosa, in 
Graben hei Selzach Ii tricularia vulgarin und 
Acorus calumun, bei Bellach Alopecurus ge- 
niculalun, Caiabrona aijuatica — eine eigen- 
tümliche Mischung nordisch-alpiner, Stenpen- 
und mitteleuropäischer Elemente. Oberhalb So- 
lothurn auf dem rechten Aarufer Rumet 
hydrolapathum, unterhalb bei Luterbach Ilona 
cinnamome.a. bei Hellingen Echinodurun ranunexdoiden 
und Xannichellia. 
Eine bemerkenswerte Gesch iebsflora, z. T. den 



604 SGL 

Voralpen entstammend, weist das Emmegebiet auf der 
kurzen Strecke von Gcrlaflngen bis zur Aare auf mit 
Gipsophila muralis, Thesium pratense, Erucastrum 
obtuxangulum, Myricaria germanica, Hippophat- rham- 
noides, Campanula pusilta, Veronica urtteifolia, Ar- 
iern itia vulgaris, Carduus prrxonata, Hieracium prae- 
altum, Arabis arenosa. Floristisch sehr ergibig sind 
die sog. Aareschächen zwischen Winznau und Aarau mit 
z. T. den gleichen Spezies und ferner Ba-unculus dira- 
ricalut und lt. fluitnnx, Krigeron unguloMis, Inuia Vail- 
lantii. Scrophularia canina. Hottonia palustris, Zan- 
nichellia paluxtrix, Typha minima, Scirjmx trigunus. 
Sc. carinatus und Sc. Tabernaetnontani 

Verhältnismässig zahlreich ist die Vertretung der sog. 
südeuropäisch - pon tischen (xerothermen) 
Flora, die »ich während der der Gletschprxeit folgenden 
Periode mit warmem, trockenem Klima ( Steppenperiode) 
angetiiedelt und an lokal gunstigen Orten, hauptsächlich 
am S.-Rand de» der Insolation ziemlich intensiv ausge- 
setzten Jura von Grenchen bis Erlinsbach, sowie auch im 
ßirsthal und den Juralhälern erhalten hat. Von \V. her 
macht sich der Kinlluss der mediterranen Flora geltend, 
die vom Hhonethal |Genf) aus den Jura mit nach 0. 
abnehmender Artenzahl begleitet. Bis Grenchen gehen 
noch Anemone hepalica (tritt erst wieder bei Schönen- 
werd auO, Acer opulifolium ( wieder bei Lostorf, auch im 
Birst hat), Primula a< auti*, La< tuca perennii, Toriiis in- 
fexta. Cyclamen europaeum. Physalis Alkekengi (erst 
wieder im Niederamt und Dörnach). Der den Weiden lies 
w. Jura so verderbliche geflügelte Ginster (Cytisus sa- 
gittalix) dringt von W. her nur bis zur Tiefmatt und 
zum Oberdorferberg und zeigt sich erst wieder bei Dor- 
nach und Starrkirch. Axtragaius cicer bei Grenchen. 
Andropogon Ischaemum bis Bellach und erst wieder bei 
Krlinsbach. Die nach S. geneigten steilen Gras- und Ge- 
rollhalden, sowie die gewolbartig untertieften Bänke, die 
senkrecht abstürzenden Felsen und Gräle der Wandfluh, 
des ßrüggli und der Stallfluh zeigen eine exquisite xero- 
therme Felsenheideflora : Sisymhrium sophia, Arabit 
UUXUltit, Helianthemnm canum, Lathyrus helerigihyllus, 
Hupteurum ranuneuloides und Ii. longifolium . Galium 
MMIWIi, Cynoglossom monlanum, Hromus tectorum , 
Daphnc alpina. Juniperus xabina, der W. -Absturz der 
llasenmatt Centranthus auguxtifoliut (auch am Dilitsch 
und der Itoggenlluh), Scrophularia Hoppe» (ebenso Rog- 
genflubl. mm bulboxum. Coronilla monlana bei der 
Oberdörferklus nebst dem ziemlich verbreiteten Erinus 
alpinus; Prunn* mahaleb, Dianthus caexius, Bhamnux 
alpina, Teucrium mantanum und Globularia cordifolia 
in den Felsen der Hisi. des nütlenenvorbergs und den- 
jenigen ob Günsberg. Eine interessante Oase xerothermen 
Charakters llndet sich in der Umgebung der Ruine Balm 
mit einigen der vorgenannten Arten und Fumarta Vail- 
lantii, Arabit sajcatilis, Anthriscus vulgaris, Cala- 
mintha of/icinalis, Lasiagrostxs calamogrostis, Brontus 
tectorum , ferner der Glutzenberg ob Günsberg mit 
Anacampt it pyramidalis, Ophrys fuciflora und 0. api- 
fera, Inula xaticina und Axter amellus, sowie die 
Steingrube ob Solothurn mit Turritis glabra, Teu- 
crium botrys. Allium earinatum, llierticium prtxeal- 
tum, Cerastium brachypelalum. Viola alba in ihren bei- 
den Formen virexcens und scotophylla im Vorberg von 
Grenchen bis Oberdorf. Am auffallendsten ist das Gepräge 
der Felsenheideflora der Umgebung von ßalstbal und Oen- 
singen, speziell an der Ravellenfluh. wo noch zahlreich 
das « Ravellenblümli • {Iltens sa.ratilis\ als s. -französische 
Reliktenpflanze einzig in der Schweiz sich erhalten hat, 
während das u Kluseralperosli » {Dnphne cneorum\ fast 
ausgerottet ist. In dieser (legend treffen wir sodann noch 
Carex humilis um\ C. tenuis, Anlhericum liliago, The- 
sium monlanum, ljuereus pubexcenx, l'olygala chamae- 
buxus, Huxus sempereirens (woher der Tfuchsgau den 
Namen erhalten hat). Laserpitium silrr, Xcpeta calaria, 
Asplenium Adiantum nigrum, festuca glauca, Sisum- 
britnn auxtriacum und seltene Rosenarte'n, bei Egerkin- 
gen Asperula tinclona. 

Eine isolierte Felsen heideflora weist der Molassesteil- 
hang des Happenstübli im Bucheggberg auf mit den sonst 
im Jura häutigen Melica glauca, Festuca duriuscula, 
Saponaria oeymoides, sowie Sorbus lorminalis, ferner in 



SOL 

der Umgebung Digitalis ambigua und Carer pttosa. Bei 
Luterswil Campanuln cerriraria. 

Die ßergäcker mit Kalkunterlage des Niederamis bieten 
noch einen Teil der Flora, die von 0. her durch das 
Donauthal in den Kanton Schadhausen, N. -Zürich und 
den Jura des Kanton« Aargau eingewandert ist. Hervor- 
zuheben sind u. a. Sigella arvensix, Delphinium con- 
xohda, Li« Ii »ii tenuifolium, l.athyms aphaca, L. hirsu- 
tus und 1.. nissolta, Orlaya grandiflora. Caucalis dau- 
coides. Scandix jtecten Venens, Asperula arrensis, 
Antirrhiuum oroutiunt, Ajuga chamaepily*. l'axxerina 
annua. Lacluca xaligna und in Gebüsch und Triften 
Ophryx aranifera, Huphthatmum talicifolium , Leu- 
canthemum corym lusum . Centaurea nigra und Dianlhus 
carthusianorum. Der vereinzelte Standort Arabix auri- 
culata bei der Ruine Frohburg deutet auf w. Einwan- 
derung. 

Eine kleinere Ausstrahlung von der elsässi sc h-ba - 
dischen Rheinebene her reicht in den n. Kantons- 
teil, besonders in die Umgebung von Dörnach und Geni- 
pen, wovon bloss Eumaria \niltantii. Lithospermum 
ptirpuveo-i'oeruteum . Anthemis tinetoria, Adonis aesli- 
valix, I Iuris omara. Hupleurum rolundifolium, Vrronica 
prostrata, Bruneita alba. Stacht/t germanica, Peuceda- 
num Chabraei, Globularia Willkommii und Orchis pal- 
lens (am Passwang.i. Alyssum moutanum (Flüh), Boso 
Jumhilli (im Girlend bei Reinwill genannt sein mi*gen. 

Ein charakteristisches Gepräge verleiht die montane 
und alpine Flora den Parallelzügen des Jura, haupt- 
sächlich der Weissensteinkette mit den im Kanton Solo- 
thurn höchsten Erhebungen des Obergrenchenbergs, der 
Stalllluh, der Hasenmatt , 1447 ml, des Weesenstein 
(1394 m). der Röthi (1399 m) und der Ralmlluh. Der Kürze 
wegen geben wir nur eine knappe Auswahl der mehr oder 
weniger häufigen typischen Arten. Der in der Tiefe mit 
einem Tannengürtel, nach oben mit Buchenwald beklei- 
dete Vorberg beherbergt Hypericum Desetangsii, llera- 
cleumalpinum und H .montanum, Adennstytes athifrtms 
und A. alpina, Senecia Jacgutnianus und .S. Fuchxii, 
Crcpis blattarioidex, Ejnpactix mirruphylla (selteni und 
E violacea (ziemlich verbreitet). Corallorrhiza itmata, 
Eestuca xilratica, Elymux europiunis. Die Felsen und 
Geröllhalden schmücken Arabis turrita und A. alpina, 
ltral>a aizoidex, Kernera xaxatilix, Thlaxpi mimtanutn, 
Moehringia muxeosa, Boxa ferruginea, Sedum dasyphyl- 
lum, Sa.rifragn aiziNtn, Valeriana monlana, llieracium 
bupleuroides. H. i illosum und H. humile, Linaria alpina 
var. jurana, Calaminlha alpina, Humes scutatux, Pri- 
muln auricula und Carex semperviren*, die Schluchten 
Lunaria rediviia und Srolopendrium vulgare. Auf den 
höhern Weiden mehrere AtcAMmifaartm, fhtaspi alpestre 
(auffallender Weise auch in der Ebene um Langendorf), 
Sagiua Linnaei, Homoqync alpina, Erigeron alpinus, 
Crrpis suecisaefoha und C. aurea, Genliana acaulis, G. 
asclepiadea und G. campextris (letztere erreicht den 
Kanton nur auf dem Längschwand ob Grenchen), Eu- 
phraxia xalixlntrgrnsit. Campanula Scheuchzcri, Arabis 
alftestris. Potentilla villosa, Sigritetla angustifoha, 
Croeu» vemus (bis in die Aareebene bei Bellach), Stfo- 
ginella spinulosa. Zu erwähnen sind ferner noch in den 
höchsten Waldungen Mulgcdium alpinum, Campanula 
latifolia. Tozzia alpina. Saxifraga rotumlifolia. Ha- 
nunculux platitnifoliiix ; ferner auf der Wandfluh .t//iimi 
Vtctoriatis und Juniperus nana; auf Brüggli und Rothi 
Poa hybritla ; Axter alpinux auf dem Kamm der Stall- 
fluh. Banuiu-ulus alpestris und montanus, Andro- 
tnce laclea, Lycoptulium xelago, Cystopleris montana 
ebenfalls in den hohem Regionen. 

Von seltenern Arten verschiedener Herkunft noch eine 
kleine Blumenlese: Capsella rubella \ Hägendorf), Gera- 
nium lucidum (Born). Herniaria glabra (Luterbach), 
Chrysosplenium opposilifolium > Dietzenbach). Bibes ni- 
grum (Schnottwil, Lohn). Valerianella carinata (Gren- 
chen bis Solothurn), Gnaphalium luleo-album (Selzach), 
Petlicularis stlvatica (Gänsbrunnen. Meltingen), Euphra- 
xia stricto i Bellach). Veronica triphyllos (Grenchen). 
Lamium incisum i im Gebiet der ausgeschlagenen Reben 
von Grenchen), Carum bulbocastanum (Gänsbrunnen), 
Mynxotts hispida Bellach), Poa lmlt>osa (Solothurn). 

Schon seit geraumer Zeit haben sich in und um Solo- 



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ITH E KKW YORK 

^ Bl.iC LIBRARY 



1 

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SOL 



SOL 



mir, 



thurn eingebürgert Eranthi» hiemalit, Corydali* lutea, 
Tulipa sdvestris, Scilla amoena und lm)tatient paii-iflora. 
Von A d ven t i ven laben sich in neuerer 
Zeit u. A. niedergelassen Berteroa incana 
(Biberist, Attisholx), Lepidium Dralnt, 
Laelia orienlalis, Attierula glauca, Eu- 
phorbia virgata (Bellach), Spergularia 
rubra und Eragro$tit pilusa (zwischen 
Strassenpllaster von Solothum), am Ei- 
senbahngraben bei Bellach seit einigen 
Jahren zahlreich SiMurinchwm angutlifo- 
lium. Kine Anzahl Wicken ( Vicia varia, 
V. villota, V. i>annoHica und V. lulea\ 
scheint sich um Solothurn durch Ansaat 
von fremdem Getreide das Bürgerrecht 
erworben zu haben. 

Bibliographie : Lüscher, Herrn. Florade» 
KanUnu Sololhurn. 1896; mit Supplement 
1904. — Binz. Flora von Hasel und l'mge- 
hung. Basel 1905. — Probst. R. Heilrag zur 
FUira iim Solothurn und l'tngeiung. 
1904. [Dr. med M. l'hoB«T.| 

7. Fauna. Die Fauna des Kanlona So- 
lothurn ist diejenige d»s mittlem Jura, 
dem ein ziemlicher Teil der Tierwelt des 
w. Jura mangelt, welcher aber immerhin 
reicher ist als der niedrigere Aar^auer 
Jura. Ueberdies weist der südl. Jurahang 
-ndl. Arten und Formen auf. die Jura- 
hohen, etwa von 1200 m an, alpine bezw. 
nordische Formen. Der letzte Harliel 1798 uber die14O0 ml 
hoch gelegene Wandlluh. Seil Jahrzehnten ist jtqju Wolf 1 
mehr erlegt worden, und die viele Meterlangen' Wbl(B; ,T 
garne, die in allen lebcrbergischen Gemeinden ^lullen 
wurden, sind heute grösstenteils verschwunden. Hantig 
.iiier sind Fuchs und Uachs, Steinmarder, Iltis und gros- 
ses Wiesel. Her Baummarder und das kleine Wiesel, daa 
■ich bei uns im Winter nicht weiss färbt, sind seltener, 
ebenso der Fischotter. Sei Jahren werden keine Wild- 
katzen mehr erlegt. 

An Fledermäusen sind bis jetzt 12 Arten gefunden wor- 
den: Grosse und kleine ilufeisennasc, Ohren-, Mops-, 
Speck- und Zwergliedermaus; gemeine, zweifarbige, lang 
Hüglige Fledermaus. Bart- undTrauerlledermaus, auf dm 
Jurahohen die Alpenlledermaus, die sonst nur für das 
Alpengebiet bekannt ist, sowie die nordische Fledermaus 
auf dem Grenchenberg. Von den Insektenfressern sind 
Igel, Feld-, Haus-, Wald- und Wasserspitzmaus bis zu 
1400 m Hohe häutig, ebenso der Maulwurf. 1'nler den 



berg gefundene Gartenschläfer ist sehr selten, der Sieben- 
schläfer und die Haselmaus dagegen ziemlich häutig; das 




Kaoton Sololhurn; Obsrbuchiiten. 




' j 1 " "' 



Kanton Sololhurn: Ualathal. 

Nagern ist der wirtschaftlich wichtigste der Hase, der 
gleich dein Kichhorn und verschiedenen Mäusen noch 
auf den höchsten Bergen vorkommt. Der nur im Leber- 



wilde Kaninchen findet sich ausnahmsweise bei Dörnach. 
Die Wanderratte ist häufig, ebenso die Hausratte, die 
jene nun ihrerseits zu verdrangen sucht. I'nter den sieben 
Mäusen seien die seltene Brandmaus und die Erdmaus 
genannt. Das Wildschwein ist seit den 1K70er Jahren 
ständiger Bewohner der unzugänglichsten Juraberge, 
ebenso das wieder häufiger werdende Beh. Hie und da 
verirrt sich ein Edelhirsch, ein Damhirsch oder gar eine 
Gemse in den Jura, wo sie gewöhnlich bald den Wilde- 
rem zum Opfer fallen. 

An Tagraubvi igeln zählt der Kanton 12, die bei uns 
horsten, 4 regelmässig durchziehende und 4 seltene Gäste, 
nämlich den Steinadler, der bis 1819 Brulvogel im Kanton 
war, den Hotfussfalkrn, den Schrei- und den Seeadler. 
Stein- und Waldkauz sind häutig, ebenso Waldohreule 
und Schleiereule; Sperlingskauz, Zwergohreule, I hn und 
Sumpfohrcule sind Durchzugsvogel, die drei erstem sehr 
aelteo. Der Hauhfusskaur. ist Bewohner der Jurahohen 
über 1200 m. jNachtschwalbe. Mauersegler und die drei 
Schwalben sind häutig, ebenso am Rathaus 
in Solothurn und am Lobiseifelsen der Al- 
pensegler. Der Kukuk bewohnt die Jura- 
walder, sofern sie gemischt sind, zahlreich, 
während er in den Tannenwaldungen 
seltener ist. An der Aare linden sich Eis- 
vogel. Wasseramsel und Pirol; ausschliess- 
lich Bewohner der Jurahnhen über HXX) in 
sind Tannenhäher, Kolkrabe und Schwarz- 
specht, nordische Sumpfmeise. Biiigamsel, 
Wachholderdrossel. Wasserpieper, Zitro- 
nenzeisig und Kreuzschnabel. Ausnahms- 
weise werden im Kanton Solothurn noch 
ul| folgende Vogel beobachtet Bienen fresser, 
Mandelkrähe. Rosenstar, Alpendohle, Al- 
penkrähe. Zwerglliegenfänger. Seiden- 
schwanz. Sperber- und Sangcrgrasmiirke. 
Steindrossel, Mohrenlerche; Zipp- und 
g^^Hr kappenammer. Schneespornammer 

Steinspatz. Berghänllingund Leinlink, sowie 
die Groastrappe. der schwarze Storch, der 
|^^^« Ibis, Silber-, Seiden- und Nachtreiher, der 
dunnsclinäblige Brachvogel und eine An- 
zahl anderer Sumpfvögel. Die beiden Mu- 
seen, dasjenige der Stadt Sololhurn und 
das Oltner Naturalienkabinel, enthalten 
Belegexemplare all der genannten Arten. 
Von Interesse ist das häutige oder ziemlich 
häufige Vorkommen der Tannenhäher, die im ganzen 
Soluthurner Jura Brutvogel sind, der Mauerläufer als 
Wintergäste in [Städten und an Felsen, der kleinen 



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606 



SOL 



SOI. 



Grauwürger, der Feuergoldhähnchen, der Berglaubvögel, 
der Girlitze, der Auer* und Haselhühner. Das Birkhuhn 




Kanttin Solothurn : Da« Thal der DOonarn voo Oaten. 

ist aus dem Elsass in das Schwarzbuhenland eingewandert. 
Fasan, Rebhuhn, Wachtel, Waldschnepfe sind Brutvögel, 
Ried- 'und Zwergschnepfe Wintergäste, Kranich und 
Kibitz Durchzugler. der Storch in etwa 25 Nestern Brut- 
vogel. Unter den Schwimmvögeln ist nur die Stockente 
lirutvogel. Die Zahl der Zugenten aber ist gross, voo 
denen genannt werden mögen die Weisswangen-, Ringel-, 
Uläss-, Grau- und Saatgans, die Brand-, Moor-, Berg-, 
Eis-, Trauer-, Sammet- und Ruderente, der grosse, mitt- 
lere and kleine Säger. Tordalk, die Seetaucherarten und 
Kormoran sind seltene Wintergäate. Die (.achmöve, die 
Flussseeschwalbe und die Zwergseeschwalbe sind Brut- 
vogel, mehrere grosse Möven. sowie die schwarze und 
die weissflüglige Seeschwalbe sind Ausnahmserschei- 
nungen. Die gesamte Artenzahl der Vögel des Kantons 
Solothurn beträgt 264, wovon 130 regelmassige Brutvögel 
sind. 

Zaun-, Mauer- und Bergeidechse, sowie Blindschleiche 
sind häufig, die grüne Eidechse ist selten. Nicht selten 
sind Ringelnatter, glatte Natter und Juraviper. Wasser- 
frosch und Grasfrosch liefurn « Kröschenbeine >, manch- 
mal auch die nicht seltenen gemeinen Geburtshelfer- und 
Kreuzkröten. Feuerkröte und Laubfrosch finden sich nicht 
häufig. Der gefleckte Salamander bewohnt den Jura bis 
zu 1450 m ; in Tümpeln linden sich Kammmolch, Alpen- 
und kleiner Molch. 

An Einehen beherbergen Aare und Seen, z. T. auch die 
kleinern Gewässer, namentlich die Dünnern, Bachneun- 
auge, Aal, Hecht, Lachs, Bachforelle, Flussforelle, Aesche, 
Bartgrundel, Steinbeisser, Nase. Pfrille, Alet, Hasel, Rot- 
auge, Rotfelder, Laugen, Bambeli, Brachsen, Gründling, 
Barbe, Schleie, Karausche, Trüsche, Groppe. Kaulbarsch, 
Kg Ii ; sehr selten sind Wels, Karpfen, Weissfelchen, 
Ffussneunauge, nicht selten dagegen recht grosse Gold- 
karauschen, die den zuweilen überschwemmten Teichen 
der Bally'schen Anlagen in Schönenwerd entstammen 
und sich in der Aare zu ansehnlichen Fischen entwickeln. 
Jeden Winter werden in der Aare Salme gefangen. 

Berühmt sind die grossen Edelkrebse aua dem Ink- 
wiler- und Ilurgäschisee. In allen übrigen Gewässern des 
Kantons, vor allem auch in der forellenreichen Dün- 
nern, von der schon im frühen Mittelalter «die bey Ölten 
gefundtnen rothen Kren« » bekannt waren, sind Anfangs 
der 1880er Jahre die Krebse infolge einer Seuche total 
verschwunden. Erst in den letzten 10 Jahren haben sich 
wieder welche eingestellt. An Schaltieren finden sich die 
grosse Teichmuschel und eine ganze Zahl z. T. sehr 
schädlich auftretender Srhm-cken. Auf den Höhen des 
Jura ist die schwarze Waldschnecke, sonst Bewohner 
der Alpen, häulig. Die Zahl der Insekten ist eine sehr 
grosse. Wirtschaftlich von Bedeutung sind : der Maikäfer, 



der in (3 jährigen Perioden auftritt, so z. B. im obern 
Kantonsleil (von Grcnchen bis Erlisfluh) in den Jahren 
1903 und 11106 und im untern Kantonsleil in 
den Jahien 1904 und 1907. Die Hessenfliege 
richtet alljährlich im Getreide Schaden an, 
ebenso der Getreidelau fkafer, der in einigen 
Gegenden recht verheerend auftritt. 

Die Obstbäume, vor allem <ias Steinobst 
und die Apfelbäume, erleiden schweren 
Schaden durch den Goldafter, den Rin- 
gelspinner, Schwammspinner, den Frost- 
spanner und namentlich die Apfelge- 
spmnslmotte. Auch mehrere Rüsselkäferar- 
ten treten in manchen Jahren sehr schä- 
digend auf. Borkenkäfer und Nonnenraupe 
sind zwar vorhanden, verm<>gen aber dank 
den wohlgeordneten Forstverhältnissen 
und vielleicht auch aus klimatischen und 
hypsometrischen Gründen keine bedeu- 
tenden Verheerungen anzurichten. Fliegen, 
Gradflügler (Wasserjungfern und Heu- 
schrecken ),Wanzen.Tau8endfüsae undSpin- 
nen finden sich selbst auf den höchsten 
unserer Berge in grosser Zahl. Mehrere 
Arten von Heuschrecken und Wanzen der 
hohem Juraweiden gehören seltenen alpi- 
nen Formen an. 

Die Fauna des Kantons ist in neuerer 
Zeit namentlich von Bezirkslehrer G. 
von Burg in Ölten untersucht worden, der zahlreiche 
Arbeiten und Monographien über sämtliche Wirbeltier- 
klassen veröffentlicht hat. Ornithologische Beobachtungen 
und eine ausführliche Monographie der Avifauna des 
Kantons (in den Mitteilungen der Salurfortch. Ge- 
»elltchaft Solothurn 1902 und 1908) verdanken wir ferner 
der Feder von Dr. L.Greppin. fo. von Bcro.] 

8. Bevölkerung. Staatsschreiber Hans Kaufmann hat 
uns bei Anlass der eidg. Volkszählung von 1900 einen 
Ueberblick über die solothurnischen Volkszählungen von 
1692 bis 1900 gegeben {Soloth. Tagblatt vom 19. Dezem- 
ber 1900). Von 1692 — so fuhrt er aus — besitzen wir 
die ersten genauen Angaben über den Bevölkerungs- 
stand des Kantons: Die Zählung ergab 31963 Seelen. 
Bis zur nächsten amtlichen Volkszählung verliefen 104 
Jahre. J. Strohmeier, der Verfasser der im Jahr 1836 
erschienenen Beschreibung de* Kanton* Solothurn — 
eines für jene Zeit vortrefflichen Buches — sagt, dass die 
im ganzen 18. Jahrhundert übliche Ueberschatzung der 
Einwohnerzahl wohl davon herrühre, dasa das aristokra- 
tische Regiment sich gerne mit einer recht hohen Zahl 
von ihm beherrschter Untertanen brüstete. Man nahm 
durch viele Jahrzehnte hindurch stillschweigend an, der 
Kanton zähle 45000 Einwohner, während dann die Zäh- 
lung von 1796 diese Zahl mit 44957 Ew. noch nicht ein- 
mal erreichte. Strohmeier bezweifelt sogar die Richtig- 
keit dieser Angabe des Kornamts, dem die Zählung über- 
bunden worden war, indem er berichtet, dass viele 
Bewohner, ganz besonders derStadtSolothuro.aus Furcht, 
sie sollten verkauft werden, nicht gezählt werden wollten. 
Zur Feststellung des Kontingents Solothurn zum Hundes- 
heer durch die Mediationsakte 1803 ging man wohl zurück 
auf die Zählung von 1796. Eine 1798 unter der Helvetik von 
der Zentralregierung befohlene Volkszählung mit einem 
Total von 49998 Seelen wird im Rechenschaftsbericht dea 
Regierungsrates pro 1836/37 als wahrscheinlich unrichtig, 
d. h. zu hoch bezeichnet. Eine Zählung von 1808, bei 
welcher die Gemeindevorsteher von Haus zu Haus gehen 
und jede Person aufschreiben musslen. ergab 46 327 Seelen. 
I n-_ h ,i fand bei Anlass der Organisation des Bistumseine wei- 
tere Volkszählung statt, die 59 122 Ew. ergab. Strohmeier 
rühmt die Zuverlässigkeit dieser Aufnahme. Laut Tag- 
salzungsbeschluss wurde im Februar 1837 im Kanton Solo- 
thurn neuerdings gezählt, und zwar zum erstenmal nach 
genauen Instruktionen undmit namentlicher Bezeich- 
nung aller Bewohner. Die Bevölkerung betrug 63196 
Seelen. 

Von 1850 an sind die Volkszählungen Sache des Bundes. 
Folgende Zusammenstellung mag das Anwachsen der Be- 
völkerung in 208 Jahren (von der frühesten Zählung 1692 
bis 1900) vergegenwärtigen. 



Google 



SOL 

Kw. Jahr Ew. 

169-2 31963 1850 69674 

1796 44967 1860 69363 

1808 46327 1870 74 KM 

1829 59122 1880 80362 

1837 63196 1888 85621 

1900100762 
Die wichtigsten Ergebnisse der Zählang 
Kanton Solothurn sind aus folgenden " 



Zahl der 



1900 





bewohnten 


Haus- 


Wohn- 


Bezirke 


IUu«er 


haltungen 


bevc»:kerunjr 


1. Balsthal-Gäu 


849 


5911 


2. Balsthal-Thal 


. 1031 


1678 


8434 


3. Büchelberg 


. 963 


1301 


5875 


4. Durneck 


. 1070 


1523 


6 788 


5. Gosgen . . 


. 1208 


1SI0 


8818 


6. Kriegs teilen 


. 1533 


3209 


16333 


7. Lebern . . 


. 1452 


2923 


14 544 


8. Ölten . . 


. 2203 


3778 


17764 


9. Solothurn . 


877 


2077 


10 0-25 


10. Thierstein . 


983 


1381 


6270 


Hanum Solothurn 12169 


20938 


100762 






Haimal 





Beeirke 

1. Balsthal-Gäu 

2. Balsthal-Thal 

3. Bucheggberg 

4. Dorneck 
5. 
«. 

7. Lebern 

8. Ölten 

9. Solothurn 
10. Thierstein 



Huri; er 


Borger 


Bürger 




der 


andrer Gern 


. andrer 


Au»- 


Wohnnem. dea Kant. 


Kantone 


laiülor 


. 4116 


711 


987 


97 


. 4848 


1869 


1511 


206 


3582 


435 


1835 


23 


. 4880 


766 


804 


338 


;>466 


I4l>4 


1659 


2X9 


. 5488 


2155 


7839 


851 


. 5673 


2817 


5705 


:wj 


. 7151 


3713 


5909 


931 


. 2250 


•2859 


3981 


«35 


. 4714 


755 


620 


181 


48168 


1748-4 


30910 


4200 




(ips.-hieshl 





lk»irke 

1. Balsthal-Guu 

2. Balsthal-Thal 

3. Bucheggberg 

4. Dorneck . . 

5. Gösgen . . 

6. Kriegstellen 

7. Lebern . . 

8. Ölten . . . 

9. Solothurn . 
10. Thierstein . 



luuniicii 
2X73 
4343 
2979 



3038 
4091 



. 8150 
. 7246 
. H538 
. 4708 
. 3091 
49W 



4492 
8183 
7298 
9226 
5317 
3179 
-5TWT 







KonfeaeioD 




Beilrke 


Pretest. 


Rainol. 


artel. 


Andere 


1. Balsthal-Gäu 


. 722 


5188 




1 


2. Balsthal-Thal . 


. 1105 


7 325 


1 


3 


3. Bucheggberg . 

4. Dorn eck . . . 


. 5804 
402 


71 
6 379 


1 


6 


5. Gosgen . . . 


. 1243 


7 552 


18 


5 


6. Kriegs tetlen 


. 7388 


8910 


3 


32 






9508 


8 


18 


8. Olteo .... 




12 4-49 


47 


31 


9. Solothurn . . 


. 3814 


6098 


81 


32 


10. Thierstein . . 


. 287 


5 981 




2 


Kanton Solothurn 


31012 


69461 


159 


130 






Mu iteraprac 


ha 





Deutsch Franäeä Italien. Roman. Andere 



1. Balsthal-Gäu . 


5 881 


13 


13 


2 


2 


2. Balsthal-Thal . 


8312 


72 


41 


3 


6 


3. Bucheggberg . 


5824 


49 


2 






4. Dorneck . . . 


6694 


70 


21 


1 


2 


5. Gongen . . . 


8729 


21 


68 






6. Kriegstetten 


15987 


149 


192 




5 


7. Lebern . . . 


13663 


801 


72 




8 


8. Ölten . . . . 


17367 


157 


219 


2 


19 


9. Solothurn . . 


9 2SH 


509 


190 


8 


32 


10. Thierslcin . . 


Ü187 


71 


11 




1 


Kanton Solothurn 


97930 


1912 


829 


16 


75 



SOL 607 

Zum Vergleich seien hier noch bezirksweise die Zahlen 
der Wohnbevölkerung nach den Zählungen von 1888 und 
1900 nebeneinander gestellt: 

1888 1900 

1. Balsthal-Gäu ... 5531 5911 

2. Balsthal-Thal 6982 8434 

3. Bucheggberg ... 6262 5875 

4. Dorneck .... 6411 6788 
!4. Gosgen 7819 8818 

6. Kriegstetten . . . 11239 16333 

7. Lebern 12505 14544 

8. Ölten 14257 17 764 

lt. Sololhurn .... 8317 10025 

10. Thierstein . . . ■ 6298 6270 

Kanton Solothurn 85621 100762 

Interessant ist hier schon das Zurückgehen Her Bevöl- 
kerung in den Bezirken BucheggherK und Thierstein, 
das geringe Wachstum in Dorneck und Balsthal-Gäu, so- 
wie die Zunahme in den industriellen Bezirken Solothurn, 
Lebern, Balsthal-Thal, Ollen, Gosgen, ganz besonders 
aber Kricgstelten. Bucheggberg und Thierslein stehen 1900 
«war über der Zahl von 1837, beide aberunler der von 1850 
und ebenso fast unter jeder seither ermittelten Bevölke- 
rungszahl. Auf je 1 knv Fache zählt der Kanton 127 Ew. 

Die Zählungen von 1888 und 1900 haben hinsichtlich 
der Unterscheidung der Wohnbevölkerung nach Berufs- 

t«0 1*83 
1000 1888 •/» »Im 

nisse " . 28518 29607 295 387 

Veredlung der Natur- und der 
Arbeitsereeugnisse . . . 50645 38118 525 472 

Handel 5811 4482 60 56 

Verkehr 7688 5138 80 63 

Alljein. offen ll. Verwaltung, 
HechLspilege, Wissenschaft. 

Künste 3678 2940 38 36 

Personl. Dienste und andere 
nicht genau bestimmbare 

Berufstätigkeit 221 469 2 6 

96561 80754 1000 1000 
Dazu: Personen ohne Beruf 4201 4867 

Total Kanton 100762 85621. 
9. Flächeninhalt und Flächenverteilung lArealslali- 
Btik). Eine Zusammenstellung nach den Bezirken ergibt 
folgendes Bild : 

Fläche 

Bezirke. hä"~ """V" 

1. Balsthal-Gäu 6 216 46 

2. Balsthal-Thal 13938 18 

3. Bucheggberg . 6291 Ol 

4. Dorn eck 7 480 90 

5. Gösgen 6887 68 

6. Kriegstetten 7 662 02 

7. Lebern 11 782 48 

8. Ölten 8054 80 

9. Sololhurn 622 44 

10. Thierstein 10 216 48 

Total Kanton 79 152. 45 
Unter den 25 schweizerischen Kantonen ist Solothurn 
nach seiner Ausdehnung der fünfzehnte. 

Der Bezirk Sololhurn, der einzig die Gemeinde Solo- 
lhurn umfasst, steht mit 622 ha hinter 44 Gemeinden 
des Kantons, z. B. hinter sämtlichen Gemeinden von 
Balsthal-Thal zurück. Im Bezirk Lebern istGrcnchen mit 
2648 ha die grosste Gemeinde, Selzach hat fast 2000, 
Bettlach und Oberdorf mehr als 1000 ha. Die gleichrnax- 
sigste Verteilung von Grund und Boden findet man im 
Bucheggberg, wo Schnottwil und Messen mit 735 bezw. 
706 ha die erössten Gemeinden sind. Im Bezirk Krieg- 
stetten hat Biberist 1229 ha, worauf Deitingen, Subingen 
und Derendingen mit je über 500 ha folgen ; Burgäschi ist 
mit 51,6 ha die kleinste Gemeinde des Kantons. Balsthal- 
Thal besitzt in Mümliawil-Ramiawil mit 3549 ha die 
grösslc Gemeinde des Kantons und hat ausserdem 3 Ge- 
meinden (Balslhal, HerbeUwil und Laupersdorf) mit über 
1500 ha, sowie 4 weitere ( Welsche nrohr, Aedermannsdorf, 



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608 



SOL 



Gänsbrunnen und Nauendorf) mit über 1000 ha. In Bals- 
thal-Gäu ist Oensingen mit 122-1 ha die ausgedehnteste. 
Nieder Buchsilen mit 549 ha die kleinste Gemeinde. 
Hägendorf steht im Bezirk Ollen mit 1395 ha vor Ollen 
selbst, welches 1142 ha bedeckt. Im Bezirk Gösgen ist 
Lostorf (inkl. Mahren) mit 1321 ha obeoan. Der Bezirk 
Dorneck hat an Seewen, welches 1639 ha umfasat. seine 
grössle Gemeinde und der Bezirk Thierstein an Beinwil 
mit 2261 ha. Thierslein besitzt ansserdem noch drei Ge- 
meinden mit über 100D ha ; unter ihnen ist Klein Lützel 
mit 101!) ha die ausgedehnteste. 

Interessant ist das Verhältnis der Bevölkerungszahl zu 
der Ausdehnung einiger solothurnischer Gemeinden. Die 
Hauptstadt zahlt auf 622 ha etwas über 10 000 Ew.. Müm- 
liswil-Ramiswil auf 3549 ha IK20 Ew., Beinwil auf 2201 ha 
gar nur 435 Einwohner : in der Sladt Solothurn wohnen 
aufl ha etwa 17 Menschen, in Beinwil auf etw as mehr als 5 
ha eine Person. Ausser Solothurn sind Kriegstetten und Öl- 
ten die am dichtesten bevölkerten, Balsthal-Thal und Thier- 
stein die am dünnsten bevölkerten Bezirke des Kantons 



Boden flache des Kantons Solothurn nach ihrem Benutzungsveriialtnis 1901. 

(Nach amtlichen Angaben). 








Produktive« Land 








Geaamt- 












l'nprod. 


Bezirke 


hV 


Reb- 
land 
ha 


U arten 
u.Aockcr 
ha 


Wieaen 
ba 


Wald 
ba 


Weide 
ba 


Land 
ba 


1. Balsthal-Gäu . . 


6216 




2020 


1761 


2090 


85 


260 


2. Balsthal-Thal . . 


13938 




2260 


3310 


5 173 


2732 


463 


3. Bucheggberg . . 


6291 




2 565 


1654 


i im 




139 


4. Dorneck 


7481 


78 


2 550 


1 K96 


2684 


32 


241 


5. Gosgen ... 


6888 


22 


2300 


1808 


2370 


160 


228 


6. Kriegstelten . . 


7662 




3140 


2420 


1853 




249 


7. Lebern .... 


11 782 




2340 


3272 


4 710 


»26 


534 


8. Ollen . . 


8065 




2563 


itro 


3 1 10 


116 


396 


9. Solothurn . . . 


622 




162 


340 






120 


10. Thierstein . . . 


10216 




2 255 


2840 


3 770 


1005 


346 | 


Kanton Solothurn . 


79151 


100 


22 155 


•21 171 


27693 


5056 


2976 



10. Landwirtuhaft. Das Verhältnis des dem Urge- 
werbe und der Industrie dienenden Bevölkerungsleils hat 
sich im Kanton Solothurn in den letzten Jahrzehnten 
sehr stark zu Ungunsten des erstem verschoben. Auch 
die Tatsache ist zu erwähnen, dass fast die gesamte Be- 
völkerungszunahme den industriellen Bezirken zu ver- 
danken ist, während die Landwirtschaft treibenden nur 
geringe Zunahme, oder sogar, wie im Bucheggberg und 
in Thierstein, eine direkte Abnahme aufweisen. 

Auch heute noch ist Landwirtschaft — dank haupt- 
sächlich einem rationellem, dem heutigen Stand der 
Wissenschaft angepassten und mit modernen technischen 
Hilfsmitteln arbeitenden Betrieb — ein Haupterwerhs- 
zweig des Solothurner Volkes. Eine merkliche Verschie- 
bung der Kulturen zu gunslen des Kutlerbaus und zu 
Ungunsten des Getreidebaus lässt sich deutlich erkennen, 
wenn auch z. B. Bucheggberg. Kriegstetten und Gau 
heute noch viel Getreide anbauen. Wie in andern Kan- 
tonen trifft auch für Solothurn zu. dass er zum grossen 
Teil fremdes Brot isst, aber eigene Milch und die aus ihr 
hergestellten Erzeugnisse und eigenes Fleisch konsu- 
miert. Milch, Bulter und Käse kann exportiert werden ; 
Basel z. B. erhält in täglichen Sendungen viel Milch au« 
sololhumischen Gebieten. Der Landwirt berechnet den 
Milchertrag einer Kuh durchschnittlich auf 7-8 Liter per 
Tag. Bei einer Gesamtzahl von 23754 Kühen würde 
das also per Jahr etwa 65 Mill. Liter Milch ausmachen. 

Die eidg. Viehzählungen haben für den Kanton Solo- 
thurn folgende Zahlen ergeben. 

1886 1896 

Rindvieh ... 33835 36 178 

Pferde .... 2 833 

Schweine . . . 11 985 

Schare .... 3681 

Ziegen . . . . 11 819 



3 201 
15 366 
2 095 
11574 
8 614 



U*0i 

37 926 
3 607 
15563 
I 330 
10182 
10 551 



1900 
U4U 
4154 

13 av) 

I 271 
9383 



Fast jedes grössere Dorf oder Gruppen von kleinern 
Gemeinden zusammen haben ihre Käsereien. Es wird 
nach Emmenthalerart gekäst, und die schönen Preise, 
welche man für die Erzeugnisse erzielt, sprechen für die 
Qualität derselben. Als Spezialitäten verdienen die in der 
Nähe von Mümliswil erzeugten sog. Limmernkäse, welche 
als Dessert käse gute Abnahme finden, Erwähnung, ebenso 
kleine Ziegenkäse, die den Sommer über als Leckerbissen 
in den Handel kommen. Als Feldfrüchte werden vor- 
nehmlich KartolTeln angepflanzt, von welchen grosse 
Quantitäten von den Brennereien des Kantons angekauft 
und verarbeitet werden. In der Nähe von Grenchen. auf 
der sogenannten « Grenchner-Witi », ist der Anbau von 
Zuckerrüben in beständiger Zunahme begriffen, und es 
finden dabei Arbeiterund Arbeiterinnen ausGalizien oder 
Polen Verwendung. Die Ernte wird der Rübenzucker- 
fabrik Aarberg zugeführt. Bedeutende Erträge liefert der 
Obstbau. In guten Jahren werden Unmassen von Aepfeln 
nach auswärts verkauft Die geschützten und klimatisch 
günstig gelegenen Ortschaften des Schwarzbubenland. s. 

zumal des Bezirkes Dorneck, 
exportieren nach Basel und 
andern Schweizers lad ten Stein- 
obst. Kirschen, Zwetschgen, 
Pllaumen u. s. f., welche als 
früheste Früchte ihrer Art 
immer hohe Preise erzielen. 
Bei den günstigen Verkehrs- 
wegen und der Zunahme der 
Industrie sind die Absatzver- 
hältnisse der solothurnischen 
Landwirtschaft sehr gute zu 
nennen. 

Ein regsamer landwirtschaft- 
licher kantonaler Verein sorgt 
durch Belehrung, genossen- 
schaftlichen Einkauf >on Säme- 
reien und Dfingmitteln, Ver- 
anstaltung von Samunauastel- 
lungcn und -markten, Vieh- 
Prämierungen u. s. f. für die 
beruflichen Interessen und die 
Hebung de» l'rgewerbes. Seit 
1904 hat der Staat durch Anstel- 
lung eines landwirtschaftlichen Wanderlehrer« seinem 
Willen Ausdruck gegeben , durch berufliche Ausbildung 
den solothurnischen Landwirten die Konkurrenzfähig- 
keit und erfolgreiche Arbeit zu erleichtern. 

Der Weinbau geht zurück. Aus dem Bezirk Lebern ist 
das Rebland ganz verschwunden und im Kanton in nicht 
ganz zwei Dezennien (1884-1901) um 2816 Aren kleiner 
geworden. Acker- und Wiealand, sowie der Wald haben 
an Fläche gewonnen, während das Weideland besonders 
in den Bezirken Lebern, Balsthal-Gäu, Gösgen und Dor- 
neck — im ganzen um 1000 ha — zurückgegangen ist. 

Ii. Jagd und Fächeret. Die Jagd ist im Kanton Solo- 
thurn Patentjagd. Der Wildstand ist ein verhältnismässig 
recht geringer, trotzdem die ausgedehnten Wälder, tlnler- 
holzbeatande, Beereohalden u. s. f. der Ebene wie des 
Jura ausgezeichnete Standorte für Hasen und Hot wild 
bieten. Einsichtige Waidmänner haben, vom Wunsche 
beseelt, den Wildstand zu heben, einen Versuch gemacht, 
dem Kanton ein Bevierjagdgesetz zu verschallen. Der 
Kantonsrat hat das Gesetz durchberaten und dem Volk 
1905 zur Abstimmung vorgelegt. Es wurde aber verworfen. 
Wie in andern Kantonen betrachtete auch das Volk des 
Kantons Solothurn die Revierjagd als eine Bevorzugung 
weniger, begüterter Leute, d. h. als eine undemokratische 
Institution. Das Schlagwort « Herrenjagd » brachte die 
Geselzesvorlage zu Fall, trotzdem im Entwurf ein grosser 
Teil des Ertrages den Gemeinden zugesichert war. Die 
Jagd tragt dem Kanton jährlich etwa <500 Fr. ein. 1904 
wurde 158 Jägern die Jagdberechtigung erteilt. Unter der 
Jagd beule stellen die Hasen obenan ; Rehe gibt es da und 
dort als Standwild. Rehhühner sind häufig. Die Aare 
und ihre Nebenllüsse, sowie die kleinen stehenden Ge- 
wässer beherbergen im Winter sehr zahlreiche wilde 
Enten. In den Wäldern des Jura kommen Auerhahn. 
Birkhuhner u. s. w. vor. Strenge Bestrafungen von VVil- 
, die zumal in einigen Bezirken den so 



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- • 



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T- ;-- n t.'A' YORK 
PU^ l L13RAKY 



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SOL 



SOL 



Ö09 



schon geringen Wildstand dezimierten, lassen erwarten, 
dass dieses dunkle Gewerbe langsam verschwinde. Jagd- 
schutzvereine gehen durch Aussetzung von 
Prämien. Fang- und Schussgelder dem Raub- 
zeug zu Leibe. 

Die Fischerei ist sowohl für den Staat als 
für die Inhaber der Fischenzen ertragreicher 
als die Jagd. Der Staat zieht aus den Verpach- 
tungen der zahlreichen Wasserlaufe jährlich 
etwa 8600 Fr. In der Aare allein ist das Fischen 
mit der Angelrute jedermann erlaubt. Ein 
Gesuch um Freigabe der Emme ist 1904 ab- 
schlägig beschienen worden. Während die Aare 
hauptsächlich Hechte, Brachsmen, Nasen, 
Karpfen , Weisstische und andere rauhe 
Fischsorten, dann aber auch Aeschen und Fo- 
rellen bietet, ist das dichte Netz von Bächen 
und Kl Ii« sehen hauptsächlich von der Forelle 
bewohnt. Von den Interessenten werden all- 
jährlich viele Tausende von jungen Edellischen 
in die Gewässer eingesetzt. Ganz besonders 
lischreich sind, trotz der vielfach vorgekom- 
menen und vom Volke den Fabrikabwässern 
zugeschriebenen Seuchen, die Dünnem mit 
ihren Nebenbächen, die überaus zahlreichen 
Wasseradern des Bezirkes Kriegstetten und 
ferner die LüBsel und Birs mit ihren Seitenbä- 
chen. Krebse sind zeitweilig ganz ausgestor- 
ben, werden aber durch Einsetzen da und dort 
wieder angesiedelt. Die Seen und Weiher von 
Aeschi, Seewen, Bellach u. a. f. weisen grossen Fi&ch- 
reichtum auf. Früher, d. h. bevor die fielen Stauwehre der 
Kraftwerke an der Aare sein Aufsteigen erschwerten, kam 
der Lachs ziemlich häufig zum Fang. DieSladt Solothurn 
hat alle Freitage (Fasttage der Katholiken» ihren Fisch- 
markt, auf welchem Fischer vornehmlich aus Altreu und 
Staad ihren Wochenfang lebendig zum Verkauf anbieten. 

Hantlet und huiuxlrte. Während der Kanton Solo- 
thurn noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein 
beinahe ausschliesslich agrikoler Kanton war, ist er in 
den letzten Dezennien in die Reihe der vorwiegend in- 
dustriellen Kantone übergetreten. Nach der Berufssta- 
tistik vom Jahr 1900 werden durch Land- und Forstwirt- 
schuft 29,5 °/ u . durch Handel und Industrie dagegen 58,5°/ v 
der Bevölkerung ernährt. Die Zahl der dem Fabrikgesetz 
unterstehenden Betriebe beträgt Ende 1907 : 250 mit etwa 
1HO0O Arbeitern. Im Handelsregister sind Ende 19071439 
Firmen und Einzelpersonen eingetragen. 

Das Charakteristikum der aolothurnischen Industrie 



Papier-, Kammgarn-, Zement- und Uhrenindustrie weist 
der Kanton Etablissements auf, die in erster Reihe der 





KaatoD Solothurn : Schlott WuMegg. 

ist die Vielgestaltigkeit. In gn»s-.erm oder kleinerm 
Masse sind beinahe alle Industrien vertreten. In 
mehreren derselben, wie in der Roheisen-, Schuh-, 



Ksnton Solothurn. Burgruine Neu Ftlkenilein. 

schweizerischen Betriebe stehen. Die hauptsächlichsten 
Industriezentren sind der obere Leberberg (Grenchen bis 
Solothurn) mit entschiedenem Vorherrschen der Uhren- 
Industrie, das Wasseramt (Bezirk Kriegstetten), wo sich 
am (lefälle des untern Emmenlaufes ein hervorragendes 
Industriezentrum gebildet hat (namentlich infolge des in 
den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts erbauten Fabrik- 
kanals von Biberist bis zur Emmeninündung in die Aare 
durch die Firma Locher und C". Zürich), ferner Ollen, 
wo infolge der günstigen Anschlussverhältnisse an das 
Eisenbahnnetz ein eigentliches Fabrikquartier entstanden 
ist, Schönenwcrd ala Sitz einer grossen Schuhfabrik und 
Balslhal mit bedeutender Eisen- und Holzstoftlndustrie. 
Auch im Solothurner Jura, z. B. in Dornach und Breiten- 
bach, sind in letzter Zeit aufblühende Industrien ent- 
standen. 

In ihren einzelnen Gruppen zeigt die solothurnische 
Industrie folgendes Bild : 
Die Uhrenindustrie hat, einige kleine Ableger aus- 

Eenommen. ihren Sitz ausschliesslich im 
eberberg und zeigt von allen aolothur- 
nischen Industrien die grösste Homogene- 
ität. Ihre Anfange gehen in die 60er Jahre 
des 19. Jahrhunderts zurück, wo sie sich vom 
Jura her in <1 renchen anzusiedeln begann. 
Anfangs der 70er Jahre fasste sie auch in Lan- 
gendorf und Solothurn festen Fuss. Sie befasst 
sich hauptsächlich mit der Erstellung der 
billigen, kuranlen, in ihren Einzelheiten den- 
noch gut gearbeiteten Dir. Die Jahresproduk- 
tion wird auf etwa 15 Mill. Fr. geschätzt. Der 
nach der gan/en Welt gehende Export geschieht 
teils direkt, teils durch die Uhrenengroshäuser 
in La Chaux de Fonds. Als besonderer Zweig 
der l'hrenfabrikation hat sich in der Stadl 
Solothurn die Fabrikation von Uhrenfourni- 
türen. namentlich feinern Uhrenschrauben. 
herausgebildet. Die gesamte Uhrenindiislrie 
beschäftigt etwa 5000 Arbeiter. 
Die Eisen.- Metall- und Maschinenindustrie 
schäftia! 
tuen K 

steht die Gesellschaft der L. von Rollschen 
Eisenwerke (mit Gesellschaflssitz in Solo- 
thurn I, deren Hauptanlage sich in Gcrlalingen. 
6 km s. Solothurn befindet. Dieses Werk allein 
beschäftigt über 1200 Arbeiter. Es besteht aus 
Walzwerk und Hammerschmiede und produziert haupt- 
sächlich Handels- und Faconeisen, grobe Bleche, Maschi- 
nenslücke, Eisenhahnmalerial und Kleineisenzeug. Die 

227 — OEOOR, LEX. V — 39 



beschäftigt über 4000 Arbeiter und ist über den 
ganzen Kanton verbreitet. An erster Stelle 



010 



SOL 



SOL 



Jahresproduktion beträgt etwa 30000 Tonnen. Das Roh- 
material ist meistens Alt-Eisen. Die Gesellschaft hat aus- 
ser diesem Werk bedeutende Giessereitllialen in der Klus 
bei Balslhal und in Ölten, die zusammen ebenfalls etwa 
1500 Arbeiter beschäftigen. Ausserdem betreibt sie meh- 
rere im Kanton Bern gelegene Eisenwerke, so den Hoch- 
ofen (mit Bergbau) in Choindez (Delsbergerlhal)und die 
Giesserei und mechanische Werkstätle Muesmatte in 
Bern. Das Unternehmen arbeitet mit einem Aktienkapital 
von 6 Mill. Fr. Die Anfänge der Gesellschaft gehen in das 
Jahr 1823 zurück. Ihr Gründer war Ludwig von Boll, 
Bauherr in Solothurn. 

Die Eisen,- Metall- und Maschineninduatrie weist im 
Kanton ferner noch folgende Zweige auf : In Solothurn 
2 Elablissemente für Türschlösser und Beschläge, eine 
Fabrik für Gaskochapparate und ein Etablissement für 
Mühlenbau. Ölten hat eine Maschinenfabrik, eine Fabrik 
für gelochte I perforierte) Bleche, eine Lampenfabrik, eine 




Kanton Solothurn: Burgruin« Alt Falkemtein. 



Werkstätle für Prazisionsmechanik und die grosse Kisen- 
bahnrcparaturwerkstätle des II. Kreises der Schweiz. 
Bundesbahnen. In Dornach besteht eine Fabrik fur Roh- 
messing (speziell Messingtafeln für l'hrenplatinen). 

Die Schuh- und Lederindustrie Finden wir ausschliess- 
lich im untern Teil des Kantons. Ihr Hauptvertretcr 
ist die Schuhfabrik C. F. Halb A. G. in Schonenwcrd, 
welche im Jahr 1851 durch Carl Franz Bally begründet 
wurde. Aus kleinen Anfängen hat sich das Etablissement 
zur grössten Schuhfabrik der Well entwickelt. Ausser 
der Fabrik in Schonenwerd besitzt es noch eine Anzahl 
kleinerer Betriebe im Kanton Aargau. DieFii ma produziert 
täglich etwa 8000 Paar Schuhe. Sie wurde 1907 in eine 
Aktiengesellschaft mit 8 Mill. Fr. GesellschafUkapital 
urage wandelt. Ausser diesem Unternehmen bestehen 
noch zwei Fabriken in Ollen. Die Jahresproduktion der 
gesamten solothurnischen Schuhindustrie beträgt etwa 
3 Vi Mill. Paar Schuhe. Die Absatzgebiete sind neben 
dem Inland namentlich England, Argentinien, Aegypten 
und Australien. In neuerer Zeit ist auch mit Deutschland 
und Frankreich das Geschäft aufgenommen worden. 

Die Gerberei ist im Kanton durch das grosse Etablisse- 
ment < Gerberei, A. G. • in Ölten vertreten, dessen Jahres- 
produktion gegen Mill. kg Leder (hauptsächlich Boden- 
oder Unterleder) beträgt. 



Die Gesamtzahl der durch die Schuh- und Lederin- 
dustrie im Kanton beschäftigten Arbeiter ist etwa 3500. 

Die Textilindustrie hat ihren Sitz namentlich im gros- 
sen Dorf Derendingen an der Bahnlinie Solothurn- 
Herzogenbuchsee. Hauptetablissement ist die Kammgarn- 
spinnerei Derendingen, welche im Jahr 1872 durch eine 
Gruppe Solothurner und Zürcher Kapitalisten gegründet 
wurde und sich durch grosse Anfängerschwierigkeiten 
zu einem prosperierenden Unternehmen (etwa aOOOOO 
Spindeln und 380 Webstühle i durchgearbeitet hat. Die 
Jahresproduktion hat einen Wert von rund 7 Mill. Fr. Im 
gleichen Dorf besieht eine mit etwa 30000 Spindeln ar- 
beitende Baumwollspinnerei (Emmenhofl. Beide Etablis- 
semente verdanken ihre Entstehung in erster Linie den 
günstigen Wasserkraftverhältnissen am Emmen-Fabrik- 
kanal, dessen Kraft allerdings heute nicht mehr ausreicht. 
Ausser diesen Betriehen weist die Textilindustrie im 
I Kanton noch folgende Zweige auf : Baumwollweberei 
(in Solothum), Tuchfabrikation (Langendorf). Filzfabri- 
kation (Ollen und Nieder Goagen), Trikotageweberei 
Schonenwerd i, llandfabrikalion (Schon«BW»jrd und Mum- 
iswiD. sowie als Ausläufer der Basler Seidenindustrie 
die Seidenzwirnerei Büsserach. 

Papier- und Zelluloseindustrie : Die Papierfabrikation 
ist im Kanton Solothurn durch 2 bedeutende Elablisse- 
mente vertreten, die Papierfabrik Biberist und die Zellu- 
lose- und Papierfabrik Halsthal. Die Jahresproduktion 
der beiden beträgt zusammen gegen 7 Mill. kg, die bei- 
nahe ausschliesslich im Inland abgesetzt werden. Die 
Gründung der erstem fällt in das Jahr 1862 und war die 
direkte Folge der Erstellung des Kanals von Biberist zur 
Kminenmündung. Ihre F.ntwicklung ist enge verknüpft 
mit dem Namen Oskar Miller, der dem Unternehmen 
von Anfang bis zum Jahr 1893 vorstand. Sie beschäftigt 
heule über 700 Arbeiter. Die Zellulose- und Papierfabrik 
Halsthal wurde anfangt der 70er Jahre gegründet ; ihren 
Aufschwung nahm sie vom Jahr 1883 an, wo sie in ein 
Kommanditunternehmen mit Robert Bareis« an der 
Spitze umgewandelt wurde. Im Jahr 1889 wurde sie 
Aktiengesellschaft. 

Beide Elablissemente haben eigene Anlagen für die 
Herstellung ihres Rohstoffes, der Zellulose, und zwar 
die Papierfabrik Balsthal am Orte selbst, Biberist in 
Bondchälel (Berner Jura), von wo her sie auch einen 
Teil ihrer motorischen Kraft durch eine elektrische Fern- 
leitung — die erste grossere der Schweix — bezieht. 
Eine weitere Zellulosefabrik, die zum grössten Teil für 
den Export (namentlich nach Frankreich) arbeitet, ist 
im Attisholz bei Luterbach im Betrieb. Im Besitz und 
Betrieb der Papierfabrik Biberist befindet sich die Papier- 
fabrik Worblaufen bei Bern, die hauptsächlich Zeitungs- 
druckpapier herstellt 

Zement, Steine, Tonwaren : Allberühmt ist die Gewin- 
nung des Solothurner Kalksteins in den Steingruben bei 
Solothurn, die leider stark zurückgegangen ist. Lommts- 
wil und Egerkingen haben ebenfalls grosse Steinbrüche. 
Wichtig ist die Portlandzementfabrikation in Luterbach. 
Die Fabrik wurde im Jahr 1871 durch B. Vigiergegründet 
und war das erste derartige Unternehmen der Schweiz. 
Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft erfolgte 1884. 
Die heutige Produktionsfähigkeit beträgt 1400 Wagen- 
ladungen per Jahr. Die Gesellschaft betreibt noch zwei 
Filialen im Berner Jura (Bondchätel und Reuchenettei. 
die an Leistungsfähigkeit die Stammanlage in Luterbach 
übertreffen. 

Gips wird in Günsberg, Nicderwil und Kienberg ge- 
wonnen. Tonwaren erstellt man in der Tonwarenfabrik 
Aedermannsdorf bei Balsthal, deren Spezialität die be- 
kannten Aedermannsdörfer Kachelofen sind. Ferner weist 
der Kanton zwei Bausteinfabriken in Solothurn und Ölten 
auf. 

Lebens- und Genussmittel : Dieser Zweig ist vertreten 
durch eine Teigwarenfabrik in Subingen (Jahrespro- 
duktion etwa 800 000 kg), eine Tabakfabrik in Solothurn 
(Jahresproduktion 400000 kg), 2 Kunstmühlen (Solothurn 
und Derendingen) und verschiedene Bierbrauereien in 
und bei Solothurn, in Ölten u. s. f. 

Elektrische Industrie: Im Kanton bestehen zwei Elek- 
trizitätswerke, welche elektrische Kraft abgeben, näm- 
lich die Gesellschaft des Aare- und Emmenkanala in 



SOL 

Sololhurn und das Elektrizitätswerk Olten-Aarburg. Der 
Kanton bezieht überdies bedeutende Kranmengen von 
den Elektrizitätswerken Winau, Wangen und llagneck. 

Ein Etablissement in Breitenbach befasst sich mit der 
Herstellung elektrotechnischer Isolationsmaterialien aus 
Glimmer (Mlcanitwaren). 

Die chemische Industrie ist ebenfalls durch zwei 
Elablissemente vertreten, nämlich eines in Schonen werd, 
das speziell Lederappreturwaren, Bleiwetss. Itleimennige 
und Glätte herstellt, und das andere in Attisholz, welches 
die Gewinnung verschiedener Chemikalien als Nebenpro- 
dukte der Zellulosefabrilntion betreibt. 

Als vereinzelte Industrien seien noch erwähnt die 
Kammfabrikalion in Mümliswil und Oensingen, dieSeifen- 
rabrikation in Ölten, die Tabakpfeifenfabrikalion in Klein- 
lutzel und die Uhrenglasachleiferei Derendingen. Zahl- 
reiche Ziegeleien, mechanische Schreinereien, Sägen und 
Mühlen. {Dr. P. Rkinhasd). 

13. Gebäudetlatittik. (jeschäftsbericht und Jahres- 
rechnung pro 1903 der Gebäude- Brandversicherungsan- 
stalt des Kantons Solothurn weist Tür die einzelnen Be- 
zirke folgende Zahlen auf: 

Anzahl der 

Bezirke Gebäude Schatzungswert 

1. Halsthal-Gäu . . 1 45» 7084830 

2. Balsthal-Thal . . 1 881 13 208 300 

3. Hucheggberg . . 1 790 9574 tX r » 

4. Dorneck .... 1 965 9635130 

5. Gösgen .... 1 927 10274 520 

6. Kriegstelten . . . 2651 28642 810 

7. Lebern .... 2209 25138300 

8. Ölten 3624 30 688 010 

9. Solothurn. ... 1 357 3233349p, 
10. Thierstein . . ■ 1945 . 7 40» 81 5 " 

Kanton Solothurn 20598 182826090 
Davon: 1. Klasse (Gebäude mit harter Bedachung) 
16 320 (79%) im Schätzungswert von 142839-785 Kr. 



(78 %|. 2. Klasse (Gebäude mit 



Hedacriiingi 



3293 (16%) im Schätzungswert von 11 413 780 Fr. <6%), 
3. Klasse (Gewerbegebäude) 853 14 %> im Schätzungs- 
wert von 22766240 Fr. (12,5%), ferner Kirchen und Ka- 
pellen 132 (1,5%) geschätzt auf 5806285 Fr. (3%). 
Hatte sich uer Versicherungsbestand im Jahr 1903 um 
etwa 5,4% oder 9 V* Mill. Fr. gehoben, so ist er bis 1. Ja- 
nuar 1906 um etwa 8% oder rund 26 Mill. Fr. weiter ge- 
stiegen, so dasser zu Beginn des Jahres 1906: 208778760 Fr. 
betrug. 

Die Stadt Solothurn mit 38, Ollen mit 26, G renchen 
mit 10 Mill. Fr. Gebäudeschatzung stehen an der Spitze 
der Gemeinden. Biberi.it folgt mit 7, Schönenweru mit 
6 V». Derendingen mit 5 Mill. ; Balgthal, Gerlafingen 
und Luterbach mit ie 4 Mill. ; Dornach, Selzach und 
Trimbach mit ie 3 Mill. Diese meist durch Industrie 
aufblühenden Ortschaften weisen zusammen mehr als 
die Hälfte des gesamten Gebäudewertes im Kanton Solo- 
thurn auf. 

i4. Militärwesen. Der Kanton Solothurn gehört dem 
2. Armeekorps und der 5. Division an. Das Infanterie- 
Regiment 17 mit den Bataillonen 49, 50 und 51 rekru- 
tiert sich nicht territorial, wie dies z. B. im Aargau der 
Fall ist, sondern jede Einheit setzt sich aus Mannschaften 
aller Bezirke des Kantons zusammen. Während bis 
vor etwa einem Jahrzehnt der Kanton nicht genügend 
Offiziere für seine Einheilen ausbildete und solche 
vielfach z. B. aus Basel Stadl bezog, sind seine Etats 
heute vollzählig, und zwar selbst in der Landwehr. 
Solothurn war bis Mitte der 70er Jahre des 19. Jahr- 
hunderts Waffenplatz. Die Kaserne, einst Ambassadoren- 
hof, wurde nach Verlegung der Militärkurse zur heutigen 
Kantonsschule umgebaut. Die Waffenplätze für die aolo- 
thurnische Infanterie sind jetzt Aarau und Liestal, für 
die Kavallerie Aarau und Zürich, für die Artillerie Frauen- 
feld, Thun und Biere. Es verdient Erwähnung, das» der 
freiwillige militärische Vorunterricht im Kanton Solo- 
thurn seit Jahren eingeführt ist und mit guten Erfol- 
gen arbeitet, sowie dasa die Stadt Ölten und die Kan- 
tonsschule in Solothurn je noch ein Kadettenkorps 
besitzen. Das letztere hat Kompagniestärke, bildet seine 
Kadres in Winterkursen aus und ist mit Ausnahme eines 
Zuges, der daa Kadettengewehr (Einzellader) hat, mit 



SOL 611 

dem Ordonnanzgewehr der schweizerischen Infanterie aus- 
gerüstet. Ausser einem sehrstark entwickelten freiwilligen 
Schiesswesen (Schülzenvereine in fast jeder Gemeinde, 
kantonaler Schützenverband mit 5000 Mitgliedern) ond 
vielen Turnvereinen hat der Kanton auch andere die Wehr- 
kraft und militärische Ausbildung fordernde Institutionen. 
Erwähnt seien davon die Offiziersvereine von Solothurn 
und Ollen, der kantonale Offiziersverein, die Unteroffi- 
ziersvereine von Sololhurn, Ölten und Grenchen, die ver- 
schiedenen Reitklubs, welche sich vornehmlich aus Ka- 
valleristen rekrutieren, die Pontonniervereine in Ölten 
und Solothurn und ganz besonders auch die freiwilligen 
Samaritervereine, die unter Leitung von Aerzten und Sa- 
nitätsunteroffizieren durch Kurse und praktische Hebun- 
gen eine fruchtbringende Tätigkeit entfalten. 

Kontrollbestand der Sololhurner Truppen auf 1. Ja- 
nuar 1908: 

a| Infanterie. 

Offi- Sol- 

1. Auszug ziere Unterofl. dalen Total. 
Stab der Brig. IX .... 1 — — i 

Stab des Reg. 17 5 3 4 12 

Füsilierbat. 49 30 148 860 1038 

» » 50 35 144 847 1026 

» > 51 33 148 842 1023 

Schützenbat. 5, Stab und 
3. Komp 6 41 219 266 

Total 110 484 2772 3366 

2. Landwehr. 

Stab des Reg. 36 .... 2 1 1 4 

Füsilierbat. 117 30 139 1067 1236 

Schützenbat. 10, Stab und 

V, Komp. IV 3 10 86 99 

Total 35 150 1154 1339 

Auszug 3366 Mann 

Landwehr 1339 » 

Total Infanterie 4705 Mann. 
h) Kavallerie. 

Offi- Sol- 

1. Auszug. ziere UnteroiT. daten Total. 
Maximgew.-Komp. 2 . . . 1 11 12 
Guidenkomp. 5 2 3 30 35 

» » 11 .... 3 1 48 
Dragonerschwadron 14 . 7 18 117 142 

Total 12 23 162 197 

2. Landwehr 

Guidenkomp. 4, 5, 11. . . - 9 35 44 

Dragonerschwadron 14 . . — 20 80 100 

Total ~- 29 115 144 

Auszug 197 Mann 

Landwehr 144 » 

Total Kavallerie 341 Mann. 

c) Artillerie. 

Ofn- Sol- 

1. Auazug. ziere Unteroff. daten Total. 
Keldbatterie 25 10 25 148 183 

» 26 10 24 136 170 

• 28 9 24 132 165 

Verpflegungstrain-Abt. 5.2 9 73 84 

Festungsartillerie-Abt. 2 . 1 9 7 1 81^ 

Total 32 91 560 683 

2. Landwehr. 

Positionskomp. 13 .... 5 6 62 73 

Sanitäta-Trainkomp. 2 . . - 6 70 76 

Trainkomp. 5 — 4 21 25 

Park-Komp. 10, 11, 12 . - 2 9 65 76 

Total 7 25 218 250 

Auszug 083 Mann 

Landwehr 250 » 

Total Artillerie 933 Mann. 
d\ Genie. 

Offi- Sol- 
1. Auszug. ziere Unteroff. daten Total. 

Sappeurkomp. 1 und 2 . . 1 5 61 67 
Pont.- u. Eisenbahnkomp. 2 1—14 
Uebertrag. . . T~ 5 



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642 



SOI. 



SOL 



l'ebertrag 
Telegraphen komp. 2 



ToUl 

2. Landwehr. 
Kriegsbrücken-Abt. 1 . . . 
Sappeurkomp. 9 und 10 . . 
I'onlonnierkomp. 2 . . . 
Eisenbahn- und Telegr.- 

Komp. 2 

Auszug .... 
Landwehr . . . 



a 
l 


e 
0 








1 


9 


10 


~ 


3 


0 


0 


2 


9 


87 


98 




i 


42 


46 




1 


13 


Ii 




1 


10 


11 




6 


65 


71 



Total 

98 Mann 

71 » 

Total Genie 169 
e) Sanitut. 

om 



Sol- 



ziere Unteroff. daten Total. 



87 



1. Auszug. 
Ambulanzen 21-2."» , . 

2. landwehr. 
Ambulanzen 21 u. 22 . . . — — — 
Transport-Kolonne 3 u. 4, 

Sanilätazug 1 1 14 

Total Sanität in Auszug und Landwehr 114 
f) Yerpflegungtlruppen. 

Ofli- Sol- 

ziere Unteroft*. daten Total. 



98 



16 



5 Ausz. 
Landw. 



3 2 
1 



Total Verpflegungstr. 3 3 
Landsturm. 
a) Bewaffneter Landsturm. 

om- 



37 
i7 

Sol- 



42 
11 

53 



ziere Unteroff. daten Total. 
Füsilierbat. 49, 50. 51 . . 68 216 1472 1746 
Schützenkomp. I .... 6 16 103 125 
Pobit.-Komp. I 5 14 102 121 

Total 69 248 1677 1992 
b) Hülfatruppen. 

Pionierbai. 1, 2. 3 .... 24 123 2616 2763 

Uebrige Hilfstruppen . . . - - — 5946 

Total 8709 
Total der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten des Kan- 
tons Sololhurn in Auszug, Landwehr, Landsturm auf 1. 
Januar 1908: 17016 Mann. 

1. r >. l'nterrieht$we$en. Der gesamte im Kanton Solothurn 
erteilte Unterricht steht unter der Aufsicht des Staates. 
Die vom Staat und den Gemeinden errichteten und un- 
terhaltenen Primarschulen und weitern Unterrichlsan- 
atalten stehen ausschliesslich unter staatlicher Aufsicht. 
Der Besuch der öffentlichen Primarschule ist unentgelt- 
lich und obligatorisch. 

Kinder, die in der ersten Hälfte des Schuljahres das 
7. Altersjahr vollenden, sind zum Besuch der Primar- 
schule verpflichtet. Die Primarschulpflicht dauert vom 
Schuleintritt an für Knaben acht, für Mädchen sieben 
Jahre, sofern die Schüler nicht vor dieser Zeit in eine 
Bezirksschule oder in die Kantonsschule übertreten. Im 
achten Schuljahr sind die Mädchen nur zum Besuch der 
Arbeitsschule verpflichtet. Im reformierten Bezirk Büch- 
elberg dauert die Schulpflicht 9 Jahre, d. h. bis zur 
Konfirmation. Die Schulinaterialien und Lehrmittel wer- 
den den Schülern der Primarschule und einiger Bc/irks- 
schulen ganz unentgeltlich verabfolgt. Arn Ende des Schul- 
jahres, jedoch nicht vor Beginn des Monats April, tindet 
alljährlich an sämtlichen Schulen eine Prüfung statt. Die 
Besoldung der Primurlehrer beträgt im Minimum Fr. 1000 
nebst Wohnung und Itürgerholzgabe oder entsprechenden 
Entschädigungen : dazu kommt eine Altersgehaltszulage 
von je Fr. 100 für je 4 Dienstjahre, im Maximum Fr. 500 
mit 20 Dienstjahren. Die meisten Gemeinden bezahlen 
jedoch eine höhere Ibuoldung. Im Jahr 1907 08 betrug die 
Durchschnittabcsoldung (Naturalleiatiing inbegriffen i Fr. 
2081. 

Alle im Gebiete der Schulgemeinde wohnenden, aus 
der Primarschule entlassenen Jünglinge, welche vor dem 
31. Dezember das 18. Altersjahr nicht erreichen, sind ver- 
pflichtet, die obligatorische Fortbildungsschule, wöchent- 



lich 4 
suchen. 

Der berufliche Unterricht wird vermittelt durch 
werbliche Fortbildungsschulen für Knaben, Haashalt 
schulen für Mädchen und landwirtschaftliche Kurse des 
Wanderlehrers für junge Landwirte. 

An die Primarschulen schliessen sich die Bezirksschulen 
an. In diese können nur Schüler auiger ommen werden, 
welche das 12. Altersjahr zurückgelegt und eine Auf- 
nahmsprüfung bestanden haben. Der Besuch ist auch 
Mädchen gestattet. Die meisten Bezirksschulen zählen 2 
Jahreskurse. 1908 zählte der Kanton 19 Bezirksschulen 
mit 47 Lehrkräften. 

Ueber den Bahnten der allgemeinen Volksschule hin- 
aus vermittelt eine höhere Bildung die Kantonsarhule in 
Solothurn. Dieselbe umfasst folgende Abteilungen : Gym- 
nasium (7 Jahreakurse), Gewerbeschule (6 '/t Jahreskurse), 
pädagogische Abteilung (4 Jahreskurse} und Handels- 
schule (3 Jahreskurse). Der Unterricht wird erteilt von 
34 Professoren und Hilfslehrern. Die Anstalt zählt über 
100 Schüler und Schülerinnen. Seit einigen Jahren sind 

und heute 
Vo der Ge- 



sämthche Abteilungen den Töchtern geöffnet. 



machen weibliche Zöglinge etwas mehr als 10 
samtfrequenz aus. 

Der nachmalige Bischof von Basel. Dr. Friedrich Fiala. 
hat in mehrern dem Programm der solothurnischen 
Kantonsschule mitgegebenen Beilagen die geschichtliche 
Entwicklung des solothurnischen Schulwesens eingehend 
besprochen, welcher Darstellung wir hier folgen wollen. 

Die ältesten erhaltenen solothurnischen Stiftsurkunden 
gehen zurück auf das Jahr 1181. Eine Urkunde von 1182 
nennt schon unter 7 Chorherren einen Magister Otto. 
1208 werden neben einem Magister Vivianus ein Schola- 
aticus Ludwig und als Zeugen vier Scholaren genannt. 
Von da weg linden wir im 13. Jahrhundert noch ver- 
schiedene Lehrer angeführt, und es kann aus wieder- 
holter gleichzeitiger Nennung zweier solcher angenom- 
men werden, dass auch bereits zwei Schulstufen errichtet 
waren. 1300 erscheint als reclor tckolarum im Solodom 
Johannes, ein Laie, dann wieder in einer Urkunde vom 
Jahr 1313 der Magister H., der auch tchola$ticus genannt 
wird. 1320-1330 erscheint häutig erwähnt Conrad Müsli 
von Granfelden (Grandvalk der Sohn eines in Solothurn 
Eingebürgerten, der abwechselnd reclor $cholarum, doc- 
tnr puerorum und in einer deutachen Urkunde ausdrück- 
lich der Schuotnteitter \-oti Soloturn geheissen wird. 
Seine Nachfolger in der Stiftsschule waren Magister 
Heinrich von Aarau und 1371 Meister Eberhard von 
Sii'delflngen, dann Magiater Marder* perg. Der jeweilige 
Schulmeister wohnte von 1355 an in einem Haus am Klo- 
sterplatz. Im 15. Jahrhundert ist die Sliftaschule auch zur 
Stadtschule geworden : der Bat von Solothurn nimmt 
sich ihrer an, er macht bei der Ernennung von Lehrern 
seine Stimme geltend und beansprucht ein Aufsichts- 
recht über die Schule. Der eifrige Stirispropsl Dr. Felii 
Hemmerlin hat 1424 in Ergänzung der Statuten von 1337 
die Pflichten des Lehrers genau umschrieben und unter 
anderm erklärt, die Nachlässigkeit der Schüler werde 
von Gott und den Menschen nicht diesen, sondern den 
Lehrern aufs schwerste angerechnet. Wie Felix Hem- 
merlin, der nachherige Kantor des Grossmünsters in Zü- 
rich, so ist auch sein Nachfolger Magister Jakob Hüglin 
ein für die Schule treu besorgter Mann gewesen. Die 
Namen von Schulmeistern erscheinen nun häutiger. Ein 
Förderer der Schule und aller Jungen Leute, die sich 
dem Studium widmen wollen, ist Hans Jakob vom Stall. 
Nach Empfehlungsbriefen zu schliessen. die er den eige- 
nen und den Söhnen anderer angesehener Solothurner 
Familien mitgegeben hat. müssen damals junge Leute 
in Sololhurn Gelegenheit gehabt haben, bis zum zurück- 
gelegten 16. Altersjahr zur Schule zu gehen. Von Solo- 
thurn aus scheint die Hochschule von Paris besonders 
gern aufgesucht worden zu sein. Von 1426 an datiert die 
atiftsbibliothek. die Felix Hemmerlin ihre Aufstellung 
und Katalogisierung verdankt und damals 78 Werke 
meist kirchengeschichtlichen Inhalts zählte. 

Zu Anfang des 16. Jahrhunderts war die Stiftsschule 
noch die einzige Schule in Solothurn. 15*0 errichtete 
dann die Stadt eine eigene Schule, die nun im Gegensatz 
zur ( lateinischen l Stiftsschule die . deutsche Schule » 



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hiess. An der Lateinschule wirkte, nachdem wegen Hin- 
neigung zur Reformation einige Lehrer entlassen worden 
waren, mit rühmlichem Eifer der auch als 
Dramatiker bekannte Johannes Wagner (Carpen- 
larius) von 1543-1585. Die deutsche oder Bürger- 
schule wurde nach dem Muster derjenigen in 
Bern eingerichtet und bald sehr stark besucht. 
Schon 15*5 eröffnete man eine eigene Mädchen- 
klasse, die zu Ende des Jahrhunderts unter der 
Leitung einer Lehrerwitwe, der sogenannten 
Schulfrau, stand. Der Unterricht an der Bürger- 
schule umfassle Schreiben und Lesen ; wer 
rechnen lernen wollte, musste den I'nterricht in 
diesem Fache selbst bezahlen. Die Aufsicht 
über die Stiftsschule war einem Chorherrn 
anvertraut. Eine Verordnung des Hau von 1583 
sieht auch schon eine Schulkommission vor, die 
aus drei Mitgliedern bestehen sollte. Streitig- 
keiten zwischen den Schülern der Latein- und 
Bürgerschule scheinen oft einen bedenklichen 
Charakter angenommen zu haben. Fröhliche 
Schulfestlichkeiten unterbrachen dca Alltags 
einerlei. I'mzüge und Schaustellungen, drama- 
tische SchulaulTührungen kehren häufig wieder. 
Ea sind uns solche solothurnische Originalwerke 
von Aal, Wagner, Schertweg. Jürg Gotthard, 
Stapfer Q. a. m. überliefert. 

Mit sechs Jahren traten die Kinder in die 
deutsche Schule und wenige Jahre nachher die 
dem Studium sich widmenden Knaben in die 
Lateinschule ein. Als Universitätsstadt kam zu dieser 
Zeit für die solothurnischen Jünglinge neben Baris 
hauptsächlich noch Freiburg i. B. in Betracht. Während 
der Hat zu Solothurn für die Ausbildung der städtischen 
Jugend wohl sorgte, hintertrieb er die Schulung der 
Landjugend recht eigentlich. Ölten besaaa zwar um die 
Mitte des 16. Jahrhunderts eine Schule, die von dem 
gleichzeitigen Sladtschreiber geleitet wurde, (irenchen 
und Kestenholz wurden aber direkt aufgefordert, sich 
des Schulmeisters zu begeben. 

In den ersten Dezennien des 17. Jahrhunderts drangen 
einsichtige Männer in Solothurn darauf, dass die Latein- 
schule zu einem 5klassigen Gymnasium ausgebaut werde. 
1616 schreibt der jüngere Slaal in das Tagebuch seiner 
Familie, dass zu dem üblichen Schulmeister und Pro- 
visor noch zwei Professoren ernannt worden seien, was 
doch wohl die Einrichtung von vier Klassen bedeutet, 
von denen freilich die beiden obersten noch zusammen- 
gezogen waren Da in dieser Zeit junge Leute vom Borro- 
mäum in Mailand als Lehrer an die Schule kamen, die 
alles Bestehende umzustürzen sich anschickten, entstand 
eine heftige Reaktion, die ihren Ausdruck in einer Ver- 
minderung des Lehrpcrsonals fand. Rhetorik und Huma- 
niora fielen ganz weg. Die Bürgerschaft bemühte sich in 
ihrer Verdrossenheit, dem Stift die Sorge für die Schule 
ganz aufzubürden. In diese für die solothurnische Latein- 
schule bösen Zeiten fällt die Gründung verschiedener 
Kollegien der Jesuiten auf Schweizerboden. Solothurn 
sandte junge Leute in die Jesuitenschulen zu Luzern, 
Freiburg und Pruntrut. Freundschaftliche Bande ver- 
knüpften bald die Leiter jener Erziehungsinstitute mit 
den angesehensten Mannern Solothurns. Hie Jesuiten 
brannten darauf, das seit den Tagen der Reformation 
her seines Glaubens wegen immer verdächtige Solothurn 
zu erobern. Ihr Einzug liess nicht lanv'e auf sich warten. 
Am 11. Juni 1646 wurde von Rat und Grossem Rat der 
Stadt die Aufnahme der Jesuiten beschloasen und darauf 
Mitte Oktober ihre Schule mit einem Kollegium von 7 
Lehrern und einer Schülerzahl von 150 Köpfen eröffnet 
Die Frequenz wuchs rasch, und der Wunsch, ein eigenes 
Kollegiumgebäude zu haben, drängte sich den Jesuiten, 
die freilich in der Bürgerschaft noch zahlreiche und 
zähe Gegner hatten, immer stärker auf. Das Stift weigerte 
sich energisch. Sliftsmittel zum Bau einer Jesuitenschule 
herzugeben. Die Freunde des Ordens und dieser selbst 
wandten sich an den h. Stuhl und setzten es bei diesem 
durch, daas dem Stift auferlegt wurde, einen Teil seines 
Vermögens zum Zweck eines Schulbaues auszuliefern. 
Am 11. Dezember 1668 wurde der Bau des Jesuitenkol- 
legiuma beschlossen. Benachbarte befreundete Städte, 



unter ihnen auch reformierte, schössen reichlich Gelder 
zu, und der König Ludwig XIV. von Frankreich griff 




Kanton Solulhuro: Bechburp. 

besonders tief in den Beutel. 1678 wurden im Zentrum 
der Stadt 11 Häuser, darunter ein grosses der Familie 
von Roll aufgekauft, um auf ihrem Areal das Schulgebäude 
mit der Kirche zu errichten. 1680 legte man den Grund- 
Btein zur Kirche, und 17(18 waren sämtliche Bauten voll- 
endet. Die Stiftsschule blieb bestehen und durfte dem 
Jesuilenkoilegium die Schüler vorbilden, da dieses keine 
Analphabeten aufnahm. Das religiöse Element durch- 
dringt den ganzen Unterricht; dem feierlichen, pomp- 
haften Gottesdienst wird besondere Sorgfalt zugewendet. 
Latein füllte fast die ganze Schulzeit : in den obern Klas- 
sen wtmle auch Griechisch gelehrt, bis plötzlich aus Rat 
und Bürgerschaft heraus dieser Sprache Gegner er- 
wuchsen. Die Disziplin hielt man, wenn notwendig, mit 
Hilfe von Rutenstreichen aufrecht. Charakteristisch für 
die Jesuitenschule sind die zahlreichen dramatischen 
Aufführungen auf öffentlichen Plätzen, in der Aula, in 
Klöstern u. s. f. : Zur Fasten- und Osterzeil voll frommen 
Ernstes, sind diese Spiele in der Fastnacht mit über 
mütiger Laune gewürzt. Von Anfang an hatte das Kolle- 
gium auch seine eigene Bibliothek, die im Verlauf der 
Jahre stalllich anwuchs. 1700 wurde von Abgeordneten 
des Rates verlangt, dass ein zweijähriger Kursus in 
Mathematik und Philosophie eingeführt werde. Dadurch 
kamen nun die Jesuiten In Konflikt mit den Franzis- 
kanern, die schon längst Philosophie und auch theo- 
logische Fächer lehrten. Die Jesuiten beriefen aber erst 
einen und bald nachher auch einen zweiten Professor 
der Philosophie. So wuchs sich das Jesuilenkoilegium 
allmählig zu einem Lyzeum aus, das in seinen Lehrplan 
Hebräisch, scholastische Theologie. Kasuistik etc. auf- 
nahm. 1726 erscheint dann als Schulfach auch die Ge- 
schichte. 1742 wurde wegen Ueberbürdung der Schüler 
gegen Geschichte und Griechisch Sturm Belaufen. Trotz 
der doch deutlich zu tsire tretenden Schuiverdrossenheit 
wagten die Jesuiten 1756 einen schüchternen Versuch, 
der deutschen Sprache, «laiin auch der Arithmetik und 
Kalligraphie ein Plätzchen im Unlerrichtsplan einzu- 
räumen. Damit nicht genug, führte man in den nächsten 
Jahren einen französischen Freikurs ein und verlangte 
man auch, dass Experimentalphysik gelehrt werde. In 
125 Jahren hatte »ich so das Jesuitenkollegium zu einem 
starken, mächtigen Baum ausgewachsen, als plötzlich der 
Blitzschlag ihn fällte. Das Schuljahr 1772.73 war das 
letzte der Jesuitenschule, indem ein Breve Clemens' XIV. 
vom 23- Juli 1773 den Orden aufhob. Im Herbst beschäf- 
tigte sich der Rat intensiv mit der Fortführung der 
Schule. Einige Lehrer, die an der Jesuitenschule unter- 
richtet hatten, also Ex-Jesuiten, wurden angewiesen, in 
weit priesterlicher Kleidung den Unterricht sich angelegen 



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sein zu lassen. Vorübergehend haben 1792 - 1797 die 
Klosterherren von Bellelay in Solothurn ein Pensionnat 
geführt, welche Schule einen ausgeprägt militärischen 
Anstrich hatte und von Schülern aus Frankreich, Savoyen, 
Holland, aber auch von Schweizern besucht war. Das 
Kollegium in Solothurn lirf 1805 Gefahr, neuerdings in 
die (lande der Jesuiten zu kommen. Weitere Versuche, 
die Jesuiten herzurufen, wiederholten sich noch 18U, 




Kanton Sololhurn: Burgruine Thienteln. 



nachdem Papst Pius VII. am 7. August 1814 die allgemeine 
Wiederherstellung des Ordens verfügt hatte. Die (geist- 
lichen) Professoren weigerten sich aber energisch, mit 
Jesuiten an der gleichen Schule zu lehren. 1832 hob man 
das Kollegium auf, wobei die bisherigen Professoren zum 
Teil pensioniert, zum Teil mit dem Hecht, in der Anstalt 
wohnen und ihren gemeinsamen Haushalt fortführen zu 
dürfen, an der neuen solothurnischen Mittelschule weiter 
beschäftigt wurden. 

Unsere Darstellung hat bisher besonders die Latein- 
oder Gelehrtenschule Derücksichtigl. Die deutsche Schule, 
eine Vorbereitungsschule der lateinischen, entwickelte 
sich ganz allmänlig zur Volksschule, die als selb- 
ständiges Institut neben Stifts- und Jesuitenschule, 
sowie Kollegium feste Wurzeln gefasst hat. Auch im 
Kanton war das Primarschulwesen in den ersten Dezen- 
nien des 19. Jahrhunderts geordnet worden. In der Stadt 
Solothurn belief sich die Schülerzahl 1840 auf 425. 1850 
auf 588, 1800 auf 492, 1870 auf 729, 1880 auf iHNt. 1890 aur 
1059 und 1900 auf 1321. Gegenwärtig beträgt die Anzahl 
der Schüler der städtischen Schulen rund 1500, die der 
Kantonsschule ungefähr 430 Schüler und Schülerinnen. 
An den städtischen Schulen wirken mehr als 40 I<ehr- 
kräfte. Wie andere Gemeinden hat die Stadt Solothurn 
für Jünglinge, die ihre nekrutenpmfung inachen müssen, 
freiwillige sog. Wiederholungskurse eingerichtet. Für die 
aus der Schule entlassenen Mädchen bestehen in der 
Stadt fakultative Fortbildungskurse und einellaushaltungs- 
achule ; den Handwerkslehrlingen dient eine eigene 
Lehranstalt, die zumeist in den Abendstunden besonders 
in Zeichnen, aber auch in andern Fächern unterrichtet. 
An berullichen Schulen besitzt Solothurn eine Uhrmacher- 
schule. Hervorgehoben zu werdpn verdient die l'nter- 
richtstätigkeit des kaufmännischen Vereins, der für die 
Weiterbildung seiner Mitglieder gewaltige Anstrengungen 
macht. 

Iii. Oeflentlirhe Getundheittnßege. An der Spitze des 
kantonalen Sanitätswesens Stent unter Vorsitz des dem 
Sanitalsdepartement vorstehenden Regierungsrates das 
Sanitätskollegium. Ks besteht jetzt aus drei Aerzten, einem 
Apotheker und einem Tierarzt. An Aerzten weist der 
Kanton Solothurn I '.»»"> bei rund 100000 Ew. 45, an Zahn- 
ärzten 10 und an Apotheken 7 auf. In fast allen Gemeinden 
zählen wir eine oder mehrere Hebammen, im ganzen 140. 



Als bedeutsame Institute im Dienste der Volksgesundheit 
sind zu nennen : der Kantonsspital in Ölten, die Heil- 
und Pflegeanstalt Rosegg bei Solothurn und der Bürger- 
spital in Solothurn. Siehe auch im Kapitel Wohltätigkeit 
die zum Teil schon grossen Fonds für Bezirksspitäler in 
Dorneck und Thierstein, die Aufwendungen von Gesell- 
schaften und Industriellen für Kranken- und Wöchnerin- 
nenpflege, für Kurbeiträge, Unterbringung in Sanatorien 
u. s. f. Der allgemeine Gesundheitszustand des Kantons 
darf als ein guter bezeichnet werden. Solothurn, Hägen- 
dorf und Ölten hatten bis zur rationellen Quell wasser- 
beschaffung verschiedene Typhusepidemien durchzu- 
machen. Poekenfälle sind selten ; der Impfzwang hat 
auch in Zeiten, während welchen benachbarte Gebiete 
pocken verseucht waren, den Kanton vor dem Ausbruch 
der Krankheit bewahrt. Der Lungentuberkulose, die auch 
im Sololhurnischen viele Opfer fordert, wird energisch zu 
Leibe gerückt. Ein Sanatorium wird, dank der raachen 
Aeufnung eines zu diesem Zwecke bestimmten Fonds, 
der heule gegen 300000 Fr. beträgt, in den Jahren 1908:09 
errichtet werden können. Die solothurnische Frauen- 
liga zur Bekämpfung der Tuberkulose weist nach mehr 
als dreijähriger Wirksamkeit 6000 Mitglieder auf, die 
es sich zur Pflicht machen, von der Krankheit be- 
drohte Familien durch kräftige Nahrung zu unterstützen. 
Erkrankten durch Lieferung von Kleidern und Geldbei- 
trägen den Aufenthalt in Sanatorien zu ermöglichen, die 
Familien von zur Kur Abwesenden zu erhalten, nach 
Sterbefällen gründliche Desinfektionen vorzunehmen, 
sowie durch Lieferung von Spuck verboten und rationellen 
Spucknäpfen an Schulen. Fabriken, öffentliche Lokale 
der Verbreitung der Schwindsucht entgegen zu treten. 
Zahlreiche Samaritervereine unterrichten ihre Mitglieder 
in der ersten Hilfeleistung bei Unglücksfällen, in der 
Krankenpflege u. s. f. 

17 .Finamuvtim. a'i Staatshaushalt. 1) AI I gemeine 
Staatsrechnung. Sie erzeigt auf Ende 1904 folgenden 
Vermögensbestand : 

Unproduktive Aktiven Fr. 2829086 

Produktive Aktiven » 9247 854 

Total der Aktiven Fr. 12076940 

Total der Passiven » 9533472 

Reines Staatsvermögen Fr. 2543468. 

Die Aktiven bestehen zu 2,2 Mill. in Grundslücken und 
Gebäuden, zu 1,1 Mill. in Wildungen, zu 7.2 Mill. in 
Kapitalien, im übrigen in Mobilien, Ausständen und im 
Saido der Generalbässe. Als Staatsschulden figurieren 
die vier Anleihen von 1888, 1889, 1894 und 1903, aowie eine 
Hypothekarschuld. Die Anleihen aind in Form 3 0 ',>-iger 
Obligationen kontrahiert; ursprünglich mit 105500U0Fr. 
erhoben, hat sich ihre Gesamtrestanz auf Ende 1901 auf 
9185000 Fr. beziffert. 

Im Jahr 1852, dem ersten Rechnungsjahr mit heutiger 
Währung, hat sich das reine Staatavermögen bei 4825000 
Fr. Aktiven und 680000 Fr. Paaaiven auf 4 145000 Fr. ge- 
■teilt. Die Folgezeit, bia zum Jahr 1875, steigerte trotz 
reicher Staats- und volkswirtschaftlicher Tätigkeit — die 
Slaatsausgaben sind im gleichen Zeitabschnitt von 1087001) 
Fr. auf 1875000 Fr. angewachsen — den reinen staat- 
lichen Vermögen »besitz unausgesetzt ; er stellte sich mit 
Ende 1875 auf 7461000 Fr. Mit dem folgenden Jahr aber 
grill, verursacht durch anhallendeerhebliche Verwaltung*- 
deflzite, eine starke Vermögensverminderung platz ; die 
Rechnung pro 1886 erzeigt noch ein Reinvermngen von 
5547 000 Fr. Dazu kam in gleicher Zeit die Liquidation 
zweier vom Staate garantierter Bankinstitute, wobei der- 
selbe für einen Liquidationskonto von 2 */ t Mill. Fr. 
einzustehen hatte, leberdies dotierte er die daraufhin 
neuerelandene jetzige Kantonalbank mit 5 Mill. Fr., so- 
dass die Staatsschulden mit Ende 1887 auf über 10 Mill. 
angelaufen waren, während die Aktiven bis zum gleichen 
Zeitpunkt sich nur auf 13200000 Fr. erhöht haben. Allein 
die erhebliche Schuldenlast erzeugte neue Verwaltungs- 
defizite, die ihrerseits den Vermögensbestand noch mehr 
dezimierten, so dass die Rechnung 1896 mit einem Rein- 
vermögen von nur noch 873000 Fr. schluas. Im gleichen 
Jahr wurde indessen mit der Erhebung einer direkten 
Staatssteuer eingesetzt, deren Ertrag auf Jahre hin die 
kontrahierte tV| %-'ge Schuldentilgung ohne Störung 



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des finanziellen Gleichgewichts in der Verwaltungsrech- 
nung ermöglichte, so dass das Heinvermogen mit Ende 
1904 wieder die eingangs erzeigte Summe von 2f)0UÜ00Fr. 
erreicht hat. 

Seit 1903 steht der Kanton aber neuerdings vor einem 
Uebergewicht der Ausgaben. Die Schuldenverzinsung 
und -amortisation mit jährlich rund */« Mill. wirken zu 
belastend auf die Verwaltungsrechnung, als dass es bei 
den vielen neu erstandenen Anforderungen der letzten 
Jahre — Besserbesoldung der Lehrer, Beamten und An- 

Sestellten ; Ilauten — möglich gewesen wäre, mit der 
escheidenen Staatssteuer auf längere Dauer Delizite 
auszuschliessen. 

Die Verwaltungsrechnung pro 1901 zeigt folgende Kilanz : 

Total der Erträgnisse Fr. 264") 729 

Total der Ausgaben > 2711)844 

Defizit *Fi\ 71 115. 

Die Kinnahmen haben sich seit 1869 verdoppelt. Ihre 
hauptsächlichsten Quellen sind : Ertrag des Staatsgutes 
330 827 Fr.. Ertrag der Regalien 218 397 Fr.. Ifand- 
änderungrigebühren 152 286 Fr., Alkohol inonopolertrag 
196 571 Fr., Konzessions- und Patentgehühren 187 410 Fr., 
Kanzlei- und Gerichtsgebühren 227592 Fr., direkte Slaals- 
steuer36518l Fr., Bankgewinn 200 000 Fr. 

Ihr Ausgaben verteilen sich im wesentlichen wie fötal : 
Allgem. Staatsausgaben (Räte, Bezirksverwaltungen, Be- 
dürfnisse der Amtsgebäudef 372 014 Fr.. Finanzen 238755 
Fr.. Landwirtschaft 83 412 Fr . Handel und Industrie 
10771 Fr., Armenwesen K8394 Fr., Forstwesen 58062 Fr., 
Bauwesen 281 277 Fr., Militärwesen 126163 Fr., Polizei- 
wesen 212829 Fr., Sanitalwesen 4 327 Fr., Erziehungs- 
wesen 594 212 Fr., Justizverwaltung 100 074 Fr., Ver- 
zinsung der Staatsschulden 319 462 Fr., Amortisationen 
199 000 Fr. 

Zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts 
in der Verwallungsrechnung sind in das Auge gefasst 
eine Reduktion der Schuldentilgung auf rund l°/ 0 und 
eine Erhöhung der Staatsateuer um einen Zehntel. 

2) Spezialfonds. Die 17 bestehenden Spezialfonds 
weisen in ihrer Gesamtheit ein Beinvermögen von 
6 270000 Fr. auf. Die wichtigsten unter ihnen sind der 
allgemeine Schulfonds mit 2369000 Fr. Nettovermögen. 
hervorgegangen aus dem Besitztum dreier im Jahr 1874 
aufgehobener geistlicher Korporationen, ferner der Irren- 
hausfonds Bosegg mit 997000 Fr., der Kantonsspital- 
fonds mit 716000 Fr. und die Gebäude- Brandversiche- 
rungsanstall mit 809000 Fr. Reinvermogen. Die letztere 
hat ihre Versicherungsobjekte in drei Gefahrenklassen 
ausgeschieden : Gebäude mit harter Bedachung, Gebäude 
mit Stroh- und Schindeldächern, Gebäude mit Fabrik- 
betrieb oder fabrikähnlichem Gewerbe. Vier Fünfteile des 
Risikos sind rückversichert. Zur Restreilungder darierigen 
Prämie, sowie des nicht rückversicherten Teils des Risi- 
kos und der Kosten der Anstalt sind Normalprämien von 
1.5 °/ m für die 1. Klasse, 3 für die 2. Klasse und 1,75- 
10 "/jp für die 3. Klasse vorgesehen. Diese Versicherungs- 
prämien haben im Jahr 1904, mit '/,» Zuschlag erhoben, 
Fr. 351931 ergeben. Die Summe der Brandentschädi- 
gungen hat im Jahrzehnt 1895,1904 bei einem Versiche- 
rungskapital von rund 150 Mill. pro Jahr durchschnitt- 
lich rund 20000O Fr. betragen. 

b) Gemeinde- und Privatfinanzen. Die letzte 
hierüber geführte Statistik betrifft das Jahr 1898. Damals 
haben an Verwaltungseinnahmen aufgewiesen : 

a) Die 132 Einwohnergemeinden . . Fr. 1 721 391 

b) Die 132 Bürgergemeinden ... » 1 441 431 

c) Die 83 Kirchgemeinden 330960 

Total Verwaltungseinnahmcn Fr. 3493782 
An Verwaltungsausgaben hatten : 

a) Die Einw. -Gemeinden Fr. 1 630694 

b) Die Bürgergenieinden . » 1343582 

c) Die Kirchgemeinden . » 336081 » 3309337 

Ueberschuss der Einnahmen Fr. 184445. 

Die erzeigten Totaleinnahmen setzen sich zusammen 
aus 1591000 Fr. Vermögenserträgnissen. 1093000 Fr. 
Steuern und 808000 Fr. anderweitigen Einkünften. . 

Die Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinden zusam- 
men haben im Jahr 1895 besessen : 



Immobilien im Betrage von .... Fr. 30084598 
Kapitalien im Betrage von .... * 16731297 

Summa Aktiven Fr. 46815 895 
Diesen haben an Passiven gegenüber- 
gestanden 

Fr. 2600 309 

Beinvermögen Fr. 44215586. 
Davon sind entfallen : 12,6 Mill. auf die Einwohner^e- 
meinden, 2-4,9 Mill. auf die Bürgergemeinden und 6,7 Mill. 









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Kaoton Solothurn : Rum« Gillenberg. 



auf die Kirchgemeinden. Ein grosser Teil dieses Ver- 
mögens liegt in Waldungen, die gut gepflegt sind und 
einen Minimalwert von 25 Mill. Fr. aufweisen. 

Hinsichtlich des Privatvermogens ist festzustellen, dass 
im Jahr 1898 zu handen des Staates ein Netlokapital von 
insgesamt 224,5 Mill. versteuert worden ist. Steuerfrei 
und mithin in dieser Verrnögenserzeigung nicht inbe- 
griffen sind aber 30 °: n der Schätzung der Grandstücke, 
der Wert der Hausgerätschaften und Vermögen unter 
3000 Fr. ; das hiermit umfassle Reinvermogen darf 
auf 100 Mill. veranschlagt werden. Das Privatverraögen 
liegt zum überwiegenden Teil im Grundbesitz. Die Liegen- 
schaften waren 1898 zu 141 Mill.. die Gebäude zu 
144,8 Mill. gewertet. Auf diesen Immobilien von zusam- 
men 285,8 Mill. hart, ten 136,1 Mill. Hypothekarschulden, 
bo dass 149.7 Mill. schuldenfrei gewesen sind; hiervon 
sind 120 Mill. als Privat vermögen zu betrachten. An 
Mobilien waren 1905 etwa 150 Mill. versichert. Die Spar- 
kasaaguthaben erreichten Ende 1898 die Höhe von 37.3 
Millionen. Das Einkommen der Privaten ist 1898 an Hand 
der Staatssteuertaxationen mit Einschluss der Kapitaler- 
trägnisse auf 36,1 Mill. berechnet worden. 

c) Steuerweten. Der Staat besteuert Vermögen und 
Einkommen ; Haushaltungs- und Kopf- oder Perxonal- 
steuern werden nicht erhoben. Die Vermogenebesteuerung 
erfolgt mit '/*%>; damit aber wird lediglich das Ver- 
mögen als solches betroffen, sein Ertrag fällt als Ein- 
kommen in Betracht. Die Steuer des Einkommens be- 
trägt 1%. Zum addierten Ergebnis aus Vermögens- und 
Einkommenssteuer tritt die Progression, die bis zu 100° „ 
dieses Ergebnisses ansteigt. Von der so ermittelten Jahres- 
steuer wurden bisher T / )0 erhoben. Dies ergab 1900 
Fr. 315 003 oder Fr. 3, 12 pro Kopf der Bevölkerung. 18118 
hatten 21 Kantone und Halbkantone höhere Staatssteuern 
als Solothurn. Das Steuerwesen der Gemeinden beruht 
auf Reglementen. die in ihrer Anlage grösste Mannig- 
faltigkeit aufweisen. Die weitaus uberwiegende Gemeinde- 
steuer erheben die Einwohnergemeinden ; sie war 189X 
mit rund 1 Mill. durchschnittlich 3 '/ 3 mal so hoch wie die 
Staatssteuer und hat sich pro Kopf der Bevölkerung auf 
rund Fr. 10. 60 gestellt. Die Steuer der Bürgergemeinden 



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hat im gleichen Jahr 33 333 Fr. und diejenige der Kirch- » 
gemeinden 59 27t Fr. betragen. Demgemäss haben die 
Gemeinden 1898 an Steuern insgesamt 1093 266 Fr. er- 
hoben, wahrend ihre Sleuereinnahme 1860 nur Fr. 30893, 1 
1870 Fr. 121455, 1880 Fr. 415595 und 1890 Fr. 696335 1 
betragen hat. |Finani-S«kr. Ohhücht] 

18 Wohltätigkeit und gemeinnützige Hettrebungen. \ 
1905 ist ein von der kantonalen Gemeinnützigen Gesell- 
schalt herausgegebenes und in ihrem Auftrag von Dr. J. 
Kaufmann-Hartenstein (in Solothurn) verfasstes Werk Die \ 
humanitären und gemeinnützigen Bettrelningen im 
KanUm Solothum erschienen. Wir folgen in unserer 
Darstellung dem verdienstvollen Buche, das in aeiner 
Gewissenhaftigkeit und Ausführlichkeit jedes Lob ver- 
dient : 

Im gleichen Jahr 1761, da in Schinznach die helve- 
tische Gesellschaft gegründet wurde, hat Solothurn auf 
Anregung des Kantors Hermann «zur Besserung der 
sozialen Verhältnisse und zur Hebung der Volkswohlfahrt» 
die • Oekonomische Gesellschaft • ins Leben gerufen. In 
der ersten Generalversammlung (19. Mai 1761) galten die 
Anträge des Gründers der Hebung der Landwirtschaft. In 



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Kanton SuMhtiro Bargruins Dorneck. 

den folgenden Jahren grub man nach Eisenerz im Matzen- 
dnrferthal, nach Kohle bei Kienberg (heute grosse Gips- 
gruben) und an der Hirs bei Dornach. 1770 schrieb die 
Oekonomische Gesellschaft Preise aus fur das best be- 
wirtschaftete Gut, die bestbesorgte Weide und die ratio- 
nellste Düngerbehandlung. 1778 verlangte der Präsident, 
Jungrat Glutz, den Volksschulunterricnt, ohne welchen 
die Landwirtschaft nicht vorwärts kommen könne. Kriegs- 
wirren erstickten dann erspriessliches Schaffen. Als die 
Schweiz 171*9 der Tummelplatz fremder Heere war und 
besonders die Inner- una Ostschweiz schwer zu leiden 
halten, sprang Solothurn durch private wie öffentliche 
Wohltätigkeit den Miteidgenossen bei. Aber es begnügte 
sich nicht mit ansehnlichen Geldspenden; in seinem Ge- 
biet fanden 1030 arme, verwahrloste und verwaiste Kinder 
aus den verheerten Gegenden Aufnahme und sorgfältige 
Pflege. Eine ganz hervorragende Wohltätigkeit zeitigten 
wie anderwärts auch im Kanton Solothurn die Hunger- 
jahre I8t6 und 1817. Solothurn und Ölten voran richteten 
Volksküchen ein; in der Hauptstadt, die damals 4000 Ew. 
zählte, ergab eine freiwillige Sammlung 13225 Fr. Der 
Staat wies hunderte von Jucnarten Land zur Repllanzung 
an, und im Kanton wurden damals an Gemeindearmen- 
londs — die Stadl Solothurn nicht eingerechnet - über 
7000- 0 Fr. festgelegt. Am 12. Oktober 1818 bildete sich 
in Solothum die ■ Oekonomische gemeinnützige Gesell- 
schaft«. In ihr wurden Fragen behandelt, wie die Schaf- 
fung einer zweckmässigen Hypothekarordnung , einer 



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kantonalen Ersparniskasse, die Befreiung des Grundes 
und Bodens von Zehnt- und Bodenzinslasten, die Grün- 
dung und die Aufgaben der Volksschule, die Hebung und 
Forderang der Handwerker- und Arbeiterklasse, die Ein- 
richtung von Gemeindekäsereien u. s. f. 1819 entstand die 
Ersparniskasse der Stadl und 1837 die kantonale Er- 
sparniskasse. Im April 1845 wurden 29000 Fr. zum Los- 
kau f der in Luzern gefangenen Freischärler gesammelt. 
Seit 1850 datiert der Armenverein Solothurn. Ins Jahr 
1858 fällt die Grundsteinlegung der Heil- und Pflegean- 
stalt Bosegg bei Solothurn. Nachdem schon 1882 ein An- 
laufgenommen worden war. gründete man 1889 die • kan- 
tonale gemeinnützige Gesellschaft'. Ihr Werk ist die Er- 
richtung einer Anstalt für schwachsinnige Kinder in 
Kriegstetten. Anlässlich der Bundesfeier 1891 wurden aus 
freiwilligen Beiträgen 10000 Franken für diese Anstalt 
zusammengelegt. Daneben beschäftigt sich die Gesell- 
schaft mit der Gründung einer Heilstätte fftr Lungen- 
kranke, eines kantonalen Armenasyls und eines Greisen- 
asyls, ferner mit Irrenschulz und der Aufsicht entlassener 
Sträflinge, mit Koch- und Haushaltungsschulen u. s. f. Die 
städtische Gemeinnützige Gesellschaft in Solothurn wurde 
1856 gegründet und 1879 neu konstituiert. Andere Sek- 
tionen des kantonalen Verbandes sind Grenchen, Krieg- 
stetten, Buchegg he r^, Thal und Gäu, Ölten, Gösgen, Thier- 
stein. Für alle tri III wohl zu. was Ölten von seinem 
Wirken sagt: « Aufruf und Ansporn zur gemeinnützigen 
Arbeit ist Hauptsache — das Geld hat sich dann immer ge- 
funden». Die Beteiligung Solothums an den Arbeiten der 
schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft war immer 
eine rege. Schon hei der Gründung im Jahr 1810 war 
Solothurn durch zwei Mitglieder vertreten. 

Für vorschulpflichtiges Alter sind zu erwähnen : die 1854 
gegründete Kleinkinderschule i Vermögen 210)10 Fr.) und 
der Fröbel'sche Kindergarten in Solothurn, eine von der 
Sektion Solothurn des schweizerischen Gemeinnützigen 
Frauenvereins 1908 zu gründende Kinderkrippe, die Kin- 
dergärten in Ollen und Schönenwerd, das Waisenhaus 
St. Ursula in Dettingen (seit 188T>i, das Marienheim in 
Bettlach | Kleinkindcrasyl. Kleinkinderschule und Ar- 
beiterinnenheim i. Für schulpflichtiges Alter : Ferien- 
kolonien Solothurn und Ölten; Solothurn hat Bekleidung 
und Speisung armer Schulkinder in einer Sup|w?nnnstalt. 
In Hiberist verabfolgt man Milch und Brut in den Mittag- 
pausen, in Gerlatingen Miltagsuppe und Brot. In Ölten 
besteht eine Schulkinder- und Arbeiler-Suppenanstall. 
in Kriegstetten die genannte Anstalt fur schwachsinnige 
Kinder mber 60 linden gleichzeitig Aufnahme). Be- 
sonders verdient machen sich auch die Armenerzie- 
hungsvereine in den Bezirken, die seit etwa ,'JOjahri- 
gem Bestehen 640000 Fr. eingenommen. 530000 Fr. ausge- 
geben und mehr als 1000 Kinder versorgt und zu irgend 
einem Berufe ausgebildet haben. Die Stadt Solothurn hat 
ausser dem bürgerlichen Waisenhaus für Knaben in der 
sog. Discheranstalt, welche ganz aus Zuwendungen edler 
Wohltäter gegründet wurde, ein Institut, in welchem 
gleichzeitig 30 verwaiste Mädchen aus dem ganzen Kanton 
Aufnahme linden. Die Pflege und Erziehung armer und ver- 
wahrloster Kinder, besonders aus Alkoholikerfainilien. 
lässt sich auch die St. Josephsanstalt in Danikeu angelegen 
sein. Ihre drei Heimstätten zu Däniken. Rickenbach (bei 
Hägendorf) und Nünningen haben 1899-1902 266 Kinder 
(Im Knaben, 113 Mädchen | aufgenommen. Die das Lie- 
beswerk leitenden Schwestern übernehmen auch Privat- 
k ranken pflege. Mit Schulsparkassen sind Ollen-Gösgen. 
ßiberist und Solothurn versehen, und auch Schönenwerd 
besitzt eine solche seil 1878. Ölten und Schönenwerd er- 
teilen Handfertigkeilsunterricht. 

Für das nicht mehr schulpflichtige Alter existieren im 
Kanton Solothum Haushallungsschulen für Madchen in 
Biberist und Schönenwerd seit 1891. in Kriegstetten seit 
1892, in Ölten und Busst-rach Beil 1893, Solothurn und 
Grenchen seit 1814. Schnoltwil (seither eingegangen) und 
Derendingen seit 1895. Seit der Subventionierung durch 
den Bund sind weitere gegründet worden, z. B. in Aeschi 
und ßalsthal. In den Dienst der beruflichen Bildung von 
Knalien und Madchen stellen sich die Gewerbevereine von 
Solothurn (gegründet 1844) und Ölten (1889) durch Einfüh- 
rung der Lehrlingsprufungen und die Sorge um Plazierung 
von Lehrlingen. Der freiwilligen Armenpflege dient inSolo- 



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thurn der städtische Armenverein (1850 gegründet). Seit 
seinem Bestehen sind ihm an Jahresbeiträgen der Mit- 
glieder etwa 190000 Fr., an Legaten etwa 100000 Fr. und 
an Schenkungen etwa 40 00t) Fr. für seine Zwecke ge- 
nossen. Für Anschaffung von Lebensmitteln (hauptsäch- 
lich Milch und Brot), Kleidungsstücken, Medikamenten, 
Holz u. s. f. sind in der gleichen Zeit über 250000 Pr. 
ausgegeben und ansehnliche Beträge auch an Kost- und 
Lehrgeldern ausbezahlt worden. Oer Verein besitzt heute 
ein Vermögen von 80000 Fr. Die altkatholische und die 
reformierte Kirchgemeinde Solothum haben eigene Unter- 
stützungsvereine ; ersterer hat in 25 Jahren etwa 14000 
Fr. verausgabt, der letztere hat eine jährliche Kinnahme 
von 9100 Fr., die den Armen der Gemeinde zu gute kom- 
men. Dero Happen-Verein wendetjährlich fürdieErziehung 
verwaister und verwahrloster Kinder 1200-1300 Fr. auf. In 
Grenchen besteht zur Unterstützung armer, kranker und 
arbeitsunfähiger Leute und kinderreicher Witwen ein 
Armenunlerstützungsverein miletwa 14000 Fr. Vermögen. 
Für Ollen und Umgebung übernimmt die Unterstützung 
Notleidender der llilfsverein Ollen, dessen Anfänge bis 
ins Jahr 1837 zurückgehen. Einnahmen und Ausgaben 
figurieren mit über 9000 Fr. in der Jahres- 
rechnung, und das Vermögen beträgt etwa 
16000 Fr. Auch Schönenwerd hat seinen 
Hilfsverein, der seit 1875 besteht und an die 
Hausarmen schon einen Betrag von etwa 
40000 Fr. verteilt hat. Kinnahmen und Ausga- 
ben jährlich etwa 4000 Fr., Vermögen etwa 
16000 Fr. Ein Verein für freiwillige Armen - 

f liege im Bezirk Thierstein macht sich die 
nterslützung Notleidender, die Bekämpfung 
des Haus- und Strassenbettels zur Aufgabe und 
lässl sich ganz besonders die Erziehung armer 
verwahrloster Kinder angelegen sein. Hilfe bei 
Erkrankungen und Unglücksfällen gewähren 
16 über den ganzen Kanton verteilte Vereine, 
z. B. die Samaritervereine von Sololhurn. 
Grenchen, Wasseramt. Bucheggherg (3 Sek- 
tionen), Hägendorf, Balsthal, das Bote Kreuz 
Ölten, die Krankenmobilien-Depols llessig- 
kofen, Messen, Aetigen, Ollen und Schönen- 
werd, die Vereine für Krankenpllege in Ölten 
und Schönenwerd. Einrichtungen zur Hebung 
der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung be- 
sitzt der Kanton Solothurn viele und gute. 1902 
waren 31 Sparkassen talig. Auf 31. Dezember 
1901 hatten bei einer Gesamtbevölkerungsuhl 
von 1 00 UJÜ Seelen 46 61 7 Einlegerein Guthaben 
von 42748102 Fr., M dass das Durchschnilts- 
guthaben 917 Fr. betrug. Auf 100 Familien 
222 Sparkassenbüchlein, auf 100 Einwohner 40. Im Ver- 
gleich mit den andern Kantonen steht Solothurn be- 
züglich desDurchschnitlsguthabens mit Bern im 5. Hang. 
Von Ölten ging 1S89 die erste Anregung zur Gründung 
von Heilstätten für unbemittelte Lungenkranke in der 
Schweiz aus. Sololhurn schreitet langsam aber unentwegt 
der Gründung eines eigenen Sanatoriums zu und 
schickt bis auf weiteres seine Kranken in die bernische 
Heilstätte Heiligenschwändi und in die baslerische nach 
Langenbruch Das bis heute für eine sololhurn ische Heil- 
slatte gesammelte Kapital betrügt gegen 300001) Fr. Seit 
1904 besteht im Kanton eine Frauenliga zur Bekämpfung 
der Tuberkulose, welche schon über 6000 Mitglieder z-ihlt. 
Solothurn und Biberist weisen Unlerstützungsveretne für 
arme Wöchnerinnen auf. An Abslinenzvereinen kämpfen 
gegen den Alkohol der Alkoholgegoerbund, der Verein 
vom blauen Kreuz, der Gullemplerorden und die katho- 
lische Liga in Ollen. Die Naturalverpflegung für bedürftige 
Durchreisende besitzt Stationen in Solothurn, Grenchen, 
Breitenbach und Ollen. In Solothurn und in Ollen be- 
stehen Sektionen des internationalen katholischen Mäd- 
chenschutzvereins, in Ölten ausserdem eine Sektion des 
Verbandesdes deutsch-schweizerischen Frauenvereins zur 
Hebung der Sittlichkeit. Unter den Auspizien der kan- 
tonalen Gemeinnützigen Gesellschaft entstanden der Irren- 
schutzverein und die Schutzaufsicht für entlassene Sträf- 
linge. 

Die Sorge für alte, schwächliche und arbeitsun- 
fähige Personen beschäftigt die gemeinnützigen Männer 



entfallen 



des Kantons Solothurn schon längere Zeit. Die kantonale 
Gemeinnützige Gesellschaft schlägt die Gründung eines 
Armenasyls in der Weise vor, dass die Bürgergemeinden 
des Kantons durch Uebernahme von Stammanteilen das 
für Landerwerbung und Bau notwendige Kapital zusam- 
menlegen, sowie der Staat mit einer Summe als Grün- 
dungsbeitrag sich beteilige und dann durch jährliche Zu- 
schüsse von 25-30 Fr. auf den Kopf der in der Anstalt 
aufgenommenen Pfleglinge sich des Betriebes annehme. 
Im Jahr 1902 hatten 74 Gemeinden sich mit 200 Anteil- 
scheinen zu je 1000 Fr. verpflichtet. Diese Slammanteile 
sollen mit J t ii°lo verzinst werden können. Durch die 
Schenkung von 100000 Fr. von Seilen des in Solothurn 
1905 verstorbenen Kaufmanns Munzinger-Hirt ist die 
Gründungeines weitern Wohltätigkeitsinstituls, des Grei- 
senasyls, der Verwirklichung nalie gerückt worden. In 
Solothurn besteht das Mägdeasyl Marienheim mit dem 
Zwecke, brave alte und arbeitsunfähige Dienstboten weib- 
lichen Geschlechts zu versorgen. Ea kann 30 Personen 
aufnehmen und will auch stellenlosen, dienstsuchenden 
oder erholungsbedürftigen Mädchen ein Heim sein. 
Ganz besondres Interesse wird im Kanton Solothurn 




Kaoton Solothurn: Altor Turm tu liö«g«o. 

auch den Einrichtungen zur Hebung der Volksbildung 
zugewendet. Ausser den Jedermann zugänglichen Biblio- 
theken der Stadt und des Kantons in Solothurn besitzen 
Ollen, Schönenwerd und Grenchen Jugend- und Volks- 
bibliolheken. Ollen besitzt eine 1817 von den Brüdern 
Josef und Ulrich Munzinger gegründete Lesegesellschaft 
und Solothurn eine liierarische Gesellschaft je mit Biblio- 
thek und Lesesaal. Den Schülern der Kantonsschule steht 
die sehr reichhaltige Studentenbibliothek zur Verfügung. 
Auch sämtliche Bezirks- und Primarschulen des Kantons 
haben ihre eigenen Bibliotheken, die alle Jahre nach 
Vorschlägen der vom Staat eingesetzten Jugendschriften- 
kommission mit einer Anzahl neuer Bücher geäufnet 
werden. Bei diesen Anschaffungen wird immer auch auf 
das Lesebedürfnis der Erwachsenen Rücksicht genommen. 

Grosses leistet der Kanton Solothurn durch populäre 
Vorträge. Die Töpfergesellschafl Solothurn hat vom Win- 
ter 1850 .77 an in Solothurn gegen 500 Vorträge gehalten, 
deren Einnahmen (im ganzen 12000-15000 Franken) 
künstlerischen, wissenschaftlichen und humanitären Be- 
strebungen zu gute gekommen sind. Die « Akademia » 
Ollen hat dem Publikum von 1865/66 an 200 Vorträge ge- 
boten. Die Dienstagsgesellschaft in Balsthal, die Donners- 
tagsgesellschafl in Schönenwerd, die Samstagsgesellschaft 
in Solothurn, die Kaufmännischen Vereine in Sololhurn, 
Grenchen und Ölten, sowie die Gewerbevereine veran- 
stalten seit Jahren ebenfalls öffentliche Vortragsabende. 
Ganz besonders erspriesaliches Schaffen weisen die Natur- 
forschende Gesellschaft Solothurn und die kantonale Ge- 
schichlsforschende Gesellschaft auf. Die gemeinnützigen 



018 



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Gesellschaften von Ollen und Sololhurn haben, entere 
schon im Jahr 1900/01 und letztere 1904/05, mit Vorträgen 
in grosseren Ortschaften auf dem Lande an Sonnlagnach- 
miltagen viel zur Volksbildung und -aufklärung beige- 
tragen. 

besondere Erwähnung verdienen die Wohlfahrtsein- 
richtungen für Angestellte und Arbeiter in den Fabri- 
ken. In dendreiaurSolothurnerGebiet liegenden Etablisse- 
menten Gerlatingen, Klus und Ollen der von Roll'schen 
Eisenwerke, wie auch in den Niederlassungen der Firma 
im Kanton Bern sind vornehmlich folgende Wohlfahrts- 
einrichtungen getroffen: 1) Arbeiterkranken-. Unter- 
stützung«-, Alters- und Sterbekassen (30. Nov. 1902 ein 
Vermögen von fast 70000 Fr.); 2) Arbeiterwohnungen. 
3) Speiseanstalten und Kantinen, 4) ^amariterstuben und 
Itadeeinrichtungen. 5) Vergütungen für versäumte Arbeits- 
zeit an Portbildungsschüler und Militärdienst leistende Ar- 
heiter, sowie Unterstützung bei Todesfällen. Es hatten I902 
Gerlafingen 175Arbeiterwohnungen mit."il6Zimmern, Klus 
117 Arbeiterwohnungen mit 440 Zimmern und Ollen 23 
Arbeiterwohnungen mit 71 Zimmern und 17 Estrich- 
kammern. - Die Krankenkasse der Kammgarnspinnerei 




Kanton Solothurn: Einsiedelei St. Verena. 

Derendingen besasg auf 1. Januar 189!) ein Vermögen von 
etwa 24000 Fr. und zahlte 1898 für ärztliche Behandlung. 
Medikamente und Spitalbehaiidluug 7i'2i> Fr., sowie ferner 
3100 Fr. für Lohuenlschadigungen aus. I)er nämlichen Fa- 
brik sind angegliedert : Speiseauslalt, linder. Kleinkinder-, 
Koch- und Maushaltungsschule. Konsumverein. — die Pa- 
pierfabrik Biberist leistete an den Arbeiterkrankenverein 
bis 1902 50000 Fr. Wohnungen stehen den Arbeitern 
bedeutend unter den ortsüblichen Mielpreisen oder auch 
unentgeltlich zur Verfügung. Badanslalt. Lohnvergütung 
während Militärdienst . Beschaffung billiger Milch , 
billiger Feldfruchte u. s. w. Uicnslprämien und Pensio- 
nierungen. — Zementfabrik Luterbach : Arbeiter-Kran- 
ken- Unlerstützungskasse; Unfallversicherung ganz zu 
tasten der Fabrik ; Invalidenfonds. - Die Langendorfer 
Uhrenfabrik besitzt eine Kranken- und Invalidenkasse 
mit einem durch Schenkungen von seilen der Fabrik 
und der Familie Kottmann geäufneten Kapital von 35000 
Fr. Das Vermögen wird vom Etablissement zu 5% ver- 
einst. In der Fabrik existieren Arbeiter-Schützen-, Tum-, 
Musik- und Gesangvereine. Ein von der Fabrik erstelltes 
Gebäude mit Bühneneinrichlung steht den Vereinen zur 
freien Verfügung. Bibliothek. Konsumgesellschaft. 52 Ar- 
beiterwohnungen bedeutend unter den sonst üblichen 
Mietpreisen. Kindergarten. 

Die Schuhfabriken Bally führen durch, dass sämtliche 
unverheirateten Arbeiter an jedem Zahltag 5% de* Lohnes 
in die Kantonalersparniskasse einlegen müssen. 1881-1901 
wurde so eine Summe von I 763056 Fr. und 1801 allein 



101 833 Fr. erspart. Die Zahl der Einleger beträgt rund 
1000. 1901 zählte die Krankenkasse 2234 Mitglieder, welche 
24 436 Fr. zusammenlegten ; Auslagen an Taggeldera, 
Arzt-, Apotheker- und Kurkosten 23 257 Fr., Vermögen 
32 835 Franken. Kosthaus. Zwei eigens gebaute Esswagen 
holen von Lostorfund Nieder Erlinsbach herden Arbeitern 
das Mittagessen ab. Badanstalten. Ausgedehnte Parkan- 
lagen stehen in der Nähe der Fabriken jedermann offen. 
Eine Einrichtung, die einem ganzen Landesteil zu grossem 
Nutzen geworden, sind die von der Station Ober Buch- 
siten weg in der Richtung nach Ölten (Linie Solothuro- 
Oltenl zirkulierenden Arbeiterzüge. An den Stationen 
Ober Buchsiten, Egcrkingen, Hägendorf und Wangen 
werden für diese Züge alltäglich an Arbeiter der Repara- 
turwerkstätten der S. B. lt.. Schuhfabriken und anderer 
industrieller Elablissemente von Ölten und Umgebung 
gegen 1000 Fahrkarlen ausgegeben. Auch Esswagen 
fahren aus Hägendorf und Dulliken nach Ölten. Die von 
Roll'schen Eisenwerke in der Klus haben solche Esswagen 
ebenfalls eingeführt. 

In Sololhurn wurde im Jahr 1846 von 16 Männern ein 
Männerkrankenverein gegründet, der 1862-1902 21267" Pr. 

einnahm und 174017 Fr. ausgab. Er hatte 
1009 ein Vermögen von 38104 rr. und zählte 
2U2 Mitglieder. Seit 1856 hat Sololhurn auch 
einen Frauen - Krankenunterstutzungsverein. 
der in den ersten 50 Jahren des Bestehens 77 573 
Fr. bezog, 87047 Fr. ausgab und dank zahlrei- 
cher Zuwendungen Ende 1901 ein Vermögen 
von 53035 Fr. aufwies. 

Die kantonale Krankenkasse « Wengia » 
Solothurn hat bis 1. Januar 1906 Fr. 80 000 
bezogen und Fr. 72000 an ihre Mitglieder 
oder deren Hinterlassene ausbezahlt. Der 
solothu mische Lehrerbund besitzt eine Sler- 
bekasse. die den [Unterlassenen eines verstor- 
benen Lehrers sofort 500 Fr. ausbezahlt. 
Sämtliche 322 Mitglieder leisten zu diesem 
Zweck einen Beitrag von je 2 Fr. An Sterbegel- 
dern wurden bis jetzt etwa 10000 Fr. ausbe- 
zahlt. Ferner sind zu nennen die 1889 gegrün- 
dete M, innerkrankenkasse des Mittel Leber- 
bergs, die Krankenkasse der Kirchgemeinde 
Oberdorf und diejenigen von Günsberg^ Krieg- 
stetten, Unter Gäu. Dorneckberg. Thierstein. 
Hofstetten und Witterswil-Bättwil. Der Bezirk 
Büchelberg hat einen 1870 gegründeten 
Manner- und einen 1878 entstandenen Frauen- 
krankenverein. die Stadt Ölten eine bis 1825 
zurückreichende Krankenkasse. Krankenun- 
terstützungsverein und Sterbekasse Ölten. 
Die von Roll'schen Eisenwerke in der Klus haben für 
ihre Arbeiter eine Krankenkasse, die dank zahlreicher 
Zuwendungen von seilen der Direktion ein rasch an- 
wachsendes Vermögen besitzt, das 1903 Fr. 43911 betrug. 
Die Fahrikkrankenkaase Büsserach hat ein Vermögen 
von 31)00 Fr., diejenige der Metallwerke Dornach ein 
solche« von 2300 Fr. 

Bei grossem ("riylucksralleu und Landeskalamiläten 
rings im Schweizerland steuerte der Kanton Solothurn 
1800-1900 etwa 250000 Fr. bei. Die Heil- und Pflegeanstalt 
Bosegg (kantonale Irrenanstalt) wurde 1848-191)1 mit 
150O0O Fr., der KanlonsspiUl in Ollen 1872-1901 mit 
lOOOM» Fr. bedacht. Die Bcttagskollekten ergaben 1842- 
1901 zu wohltätigen Zwecken 225195 Fr. An Stiftungen 
und Fonds, die vom Staat verwaltet werden, seien er- 
wähnt : Der Bucheggberger- Fonds (zur Unterstützung der 
buchegg bergischen Bezirksschulen). der Allemandi-Fonda 
Izur Aussteuer von alljährlich 1 Mädchen i, der Blinden- 
fonds, der llartmann'sche Stipendienfonds, der Kranken- 
pIlege-Fonds Dorneck, der Krankenpflege-Fonds Thier- 
slein, der Armenerziehungsverein Balslhal und die kan- 
tonale Winkelried-Stiftung mit 35838 Fr. Die Bürgerge- 
meinde Solothurn besitzt Fonds zu wohltätigen Zwecken 
in der Hohe von etwa 3500000 Fr. Ollen hat einen Hilfs- 
verein (1890 gegr.) mit einem Vermögen von 100 0U0 Fr. 
und einem Stipendienfonds von 20000 Fr.; Schönen werd 
einen Hilfsverein, Biberist den Oskar Miller-Fonds zur 
Bekleidung und Speisung armer Schulkinder und zur 
l'riterslutzung gewerblicher Fortbildungsschuler. Ver- 



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schiedenen Zwecken dienende Fond» bestehen endlich 
noch im Büchelberg, in Kricgstetlen und Thierstein. 



SOL 



619 



, Topferwaren (z. H. wohlerhaltene, mächtige Weinkruge), 
Waffen. Münzen, Bildwerke und Inschriften legen Zeug- 
nis ab von der langdauern- 

— ■ i ,h ' wi;in den Anwesenheit der Bo 




rner in unserem Gebiete, 
l'm 300 n. Chr. war Solo- . 
thurn Zeuge der durch den 
römischen Statthalter Hir- 
taeus verfugten Hinrich- 
tung eines Bestes der the- 
bäischen Legion, worunter 
sich auch die nachmaligen 
Schutzpatrone der Stadt. 
Ursus und Viktor, befan- 
den. 

Zur Zeit der Völkerwan- 

fiel die 



Gebietes an die Aleman- 
nen, die kleinere, westl. 
an die Burgunder. Beide 
Teile gerieten später mit 
den genannten Volkern 
unter die Herrschaft der 
Kranken. Nach dem Zerfall 
des Frankenreiches ent- 
stand 888 das neohurgun- 
dische Reich, zu welchem 
das ganze (iebiet lun So- 
lothurn während etwa 140 
Jahren gehörte. Solothurn 
war eine Residenzstadt des 
hurgundischen Reiches, 
«ah öfters Reichstage und 
wurde mit festen .Mauern 
umgehen. Hie Königin Her- 
tha ( v um '.W>\ erbaute die 
Peterskirche und erhöh 
das Kloster zu einem Kol- 
legialstift. dem sie vielen 
Landbesitz. und au 



Sta ll Solothurn und t 'mgobutig. 

i'J. (ieschtchtliche l'el>er$irht. Das Gebiet des Kanton- 
Solothurn hatte schon in den ältesten Zeiten mensch- 
liche Ansiedelungen. Dies beweisen in grosser Zahl zu 
Tage geforderte Fundglücke aus Landstationen und die 
Pfahlbau tenreste im Burgäschi- und Inkwilcrsee. Zahl- 
reich mögen die Bewohner schon zur Keltenzeit gewesen 
sein. Wahrend dieser entstand neben vielen antlern 
Niederlassungen indem heutigen Solothurner tiebiet auch 
der Ort Saldur, der unter den Römern Saltxlurunt hiess, 
die heutige Hauptstadt des Kantons. Vermutlich haben 
die Bewohner die Kriegszuge gegen Born mit den Cim- 
bern. Teutonen und Helvetiern (113-101 v. Chr.) mitge- 
macht und auch am mißglückten Kinfall der Helvetier 
in Gallien 158 v. Chr.) teilgenommen. Mit den übrigen 
Gebieten Helvetiens geriet hierauf auch Solothurn unter 
die Herrschan der Börner. Während derselben, also fast 
ein halbes Jahrtausend lang, bildete Salodurum eine 
wichtige Militarstation an der Strasse von Aventicum 
nach Vindonissa. Entsprechend der strategischen Be- 
deutung des Ortes an einem Aareühergang halbwegs 
zwischen den wichtigsten Römerstidten errichteten die 
Romer am linken l'fer des Kluses ein ausgedehntes 
Castrum, dessen fast unzerstörbare Mauerreste heute 
noch an verschiedenen Punkten der Stadt zu sehen sind. 
Sirassenstrecken ostl. und westl. derSta.lt, Gebäudereste, 



hoheit reg 
ringen üb 
wurde Soli 
mit Bern < 
sich im Tl 



ierten fast hunder 
■r die Schweiz 
thurn eine freie 
in Schutz- und 
ronstreit zwischen 



Wahrend Ja 
stand dem Chorherrenstift 
grösstenteils auch die well- 
liche Gewalt über Solo- 
thurn zu. Mit Burgund 
kam Solothurn 1032 an 
das deutsche Reich, bei 
dem es bis zum Schwaben - 
krieg oder bis zum west- 
fälischen Frieden in mehr 
oder weniger lockerem 
Verbände verblieb. 
Unter deutscher ( >ber- 
t Jahre die Herzoge von Zäh- 
Nach ihrem Aussterben 1"2I8 
Reichsstadt, als welche es I29T» 
l'rutzbündnis schloss. Weil es 
Friedrich von Oesterreich 



und Ludwig von Itaiern neutral verhielt, wurde es 1318 
von Herzog Leopold von Oesterreich belagert, zwang aber 
durch grossmülige Hilfe bei einem für das Heer Leopolds 
verhängniyvollen Rnickeneinbruch den Herzog zur Been- 
digung der Feindseligkeiten. Das von diesem den Solo- 
thurnern geschenkte Hanner wird heule noch in hohen 
Ehren gehalten. Im Guglerkrieg 1375 erlitt das Gebiet von 
Solothurn durch die fremden Mordbrenner eine solche Ver- 
wüstung, dass mehrere Ortschaften, wie z. B. Gurzelen, 
Oberwerd, Friedau u. a. m., ganzlich vom Kidhoden ver- 
schwanden. 1382 sollte Solothum in der Nacht vom 10. 
November dem rauhltisligen Grafen Rudolf von Kiburg. 
welchem Graf Ihebold von Neuenburg Hilfe zugesagt 
hatte, zum Opfer fallen. Her wackere Hans Roth von 
Rumisberg vereitelte aber den Plan, in welchen schänd- 
licher Weise Chorherren des Stifts der Stadt Solothurn 
selbst eingewilligt und Hin sogar gefordert hatten. 

SeU dem 12. Jahrhundert loste sich der heutige Kan- 
ton Solothurn in eine Menge von Herrschaftsgebieten 
auf, die unter Grafen. Freiherren, Bittern, Edelleuten 



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I 



620 SOL 

und xu einem guten Teil unter geistlichen Stiften standen. 
Die mächtigsten Adelshäuser waren die Grafen von Buch- 
egg, Proburg und Thierstein, sowie die Freiherren von 
Hechburg. Falkenstein und Göskon. Die gröaate Graf- 
schaft, der Buchsgau zwischen Aare und Passwangkette 
einerseits, Plumenthal und Erlinsbach andrerseits, war 
Eigentum des Fürstbischofs von Basel. Die weltlichen 
Herren Bassen in ihren Schlossern und Burgen, deren 
das jetzige Kantonsgebiet über dreissig zählte. Das Volk 
war leibeigen. Im Verlauf der Jahrhunderte fielen die 
Güter des verarmten oder ausgestorbenen Adels, sowie 
die Besitzungen des St. Ursus-Sliftes und des Fürst- 
bischofs von Basel an die Stadt Solothurn. 1363-1668 
kaufte diese um hohe Geldsummen das ganze Kantons- 
gebiet, mit Ausnahme von Grenchen, das sie während 
der Guglerkricge an sich gerissen halte. Die Stadt be- 
handelte die Bewohner der eroberten oder erworbenen 
Gebiete als Untertanen und teilte das Kantonsgebiet in 
elf Vogteien ein. 

An der Seite des befreundeten Bern nahm Solothurn 
öfters teil an den Kriegen der Eidgenossen, hauptsäch- 
lich an den Burgunderschlachten. Am 22. Dezember 1481 
wurde Solothurn auf der Tagsatzung zu Stans, dank der 
Vermittlung des Klaus von Flüe, gleichzeitig mit Freiburg 
in den Schweizerbund aufgenommen. Im Schwabenkrieg 
fand dann auf Solothurner Boden uijter Führung des 
Schultheissen Nikiaus Konrad von Solothurn die Ent- 
scheidungsschlacht von Dornach statt. 

Zur Zeit der Deformation traten fast ein Drittel der 
Bürgerschaft der Stadt Solothurn. sowie zahlreiche Land- 
gemeinden zur neuen Lehre über. In dem nun aus- 
brechenden Zwist zwischen den beiden Konfessionen 
verhinderte der Schultheis* Nikla«s W'engi 1533 durch 
seine Entschlossenheit das drohende Blutvergiessen in 
der Hauptstadt. In der Folgezeit kehrten die meisten 
Neugläubigen wieder zur alten Kirche zurück ; nur der 
Bezirk Bucheggberg, der fast ganz vom Berner Gebiet 
umschlossen ist, blieb der reformierten Kirche treu und 
steht heute noch in kirchlichen Dingen unter der berni- 
schen Synode. 

Im Bauernkrieg 16T>3 zeigte sich die solothurnische 
Regierung versöhnlich, indem sie den Landleuten diese 
und jene Zugeständnisse machte. Damit nicht zufrieden, 
beteiligten sich auch Solothurner Bauernam unglücklichen 
Kampf bei Wohlenswil. Der Untervogt Adam Zeltner 
aus der Schälismiihle zwischen Ober und Nieder Buch- 
siten büsste seine Teilnahme am Aufstand als fried- 
liebender Führer seiner Landsleute nach einem l'rteils- 
spruch des Kriegsgerichts in Zofingen, trotz der Fürsprache 
der Solothurner Regierung und des in Solothurn residie- 
renden französischen Ambassadors, mit dem Tode. Die 
Bauern mussten 4» 730 Kronen bezahlen, und Ölten, der 
Mittelpunkt der Bewegung im Solothurner Gebiet, verlor 
sein Stadtsiffill. 

Wie in Bern, Freihurg und Luzern, bildete sich auch 
in Solothurn im 1«. und 17. Jahrhundert eine streng 
aristokratische Begierungsform aus, indem eine Anzahl 
adeliger Stadtbürgergeschlechter die ganze Begierungs- 
gewalt an sich riss. Meist zum Schutz gegen die eigenen 
Untertanen wurden 1667-1727 die nach Vauban schein 
System errichteten Schanzen mit gewaltigem Aufwand 
an Kraft und Geld um die Stadt herum gelegt, die heute 
bis auf wenige Beste wieder geschleift sind. 

Auf die Leitung des Staates Solothurn, wie auf das 
bürgerliche Leben der Bewohner der Hauptstadt übten 
die franzosischen Gesandten in der Schweiz, die von 
1538-1792 in Solothurn ihre Besidenz hatten, einen sehr 
schädlichen Einllussauf. Glänzende Feste in wilder Flucht 
erzeugten den Hang zum Wohlleben, zu devoter Krie- 
cherei, zu Arbeitsverdrossenheit und leichten Sitten. Das 
wirkte lange nach. 

Der Schanzengürtel hinderte die französischen Revo- 
lutionsarmeen nicht, am 2. März 1798 als Sieger in die 
Stadt Solothurn einzuziehen. Während der Mediations- 
periode hatte Solothurn eine ziemlich freiheitliche Staats- 
einrichtung. Dann wurde aber sein Grundgesetz 1814 
durch die Anhänger der Aristokratie gewaltsam gestürzt 
und 1815 durch eine stark rückschrittliche Verfassung 
ersetzt. Es begann die Zeit der Bestauration (1815-1830». 
Die Begierungsgcwalt lag wieder uberwiegend in den 



SOL 

Händen der aristokratischen Familien der SUdt Solo- 
thurn. Das Landvolk hatte — trotz seiner übergrossen 
Mehrheit — nur eine geringe Vertretung und war über- 
haupt in seinen Hechten stark eingeschränkt. 

Durch Flugschriften, Gesang- und Schülxenvereine ge- 
weckt, regle sich während der Hestaurationszeit im Solo- 
thurner Volk je länger je mehr der Geist der Freiheit. 
Gebildete Männer zu Stadt und Land vereinigten sich zu 
einer demokratischen Volkspartei, an deren Spitze Josef 
Munzinger von Ölten und Joh. Baptist Beinert von Ober- 
dorf standen. Diese Partei strebte eine freiheitliche Um- 
gestaltung des Kantons an. Die französische Julirevo- 
lution und das Beispiel anderer Kantone, die für sich auf 
das gleiche Ziel hin arbeiteten, ermunterten sie in ihrem 
Vorhaben. Da die Begierung sich den Volkswünschen 
gegenüber ablehnend verhielt, ja die beginnende Bewe- 
gung mit Gewaltmassregeln zu unterdrücken suchte, ver- 
sammelten sich am 15. November 1830 in Ollen 79 der 
einflussreichsten Männer der Volkspartei und forderten 
in einer Zuschrift an die Begierung Ausarbeitung einer 
neuen Verfassung durch Ausschüsse von Urveraanimlun- 
gen. Volksherrschaft. Vertretung der Hauptstadt und des 
l-andes in den Behörden im Verhältnis der Bevölkerung, 
direkte Volkswahlen in den Bezirken und Beschränkung 
der bisher lebenslänglichen Amtsdauer der Behörden. 
Die Begierung verweigerte die Annahme dieser Zuschrift, 
berief dagegen auf den 25. November den Grossen Bat 
zusammen. Dieser beschloss die Abänderung der Ver- 
fassung und ernannte eine Kommission zur Ausarbeitung 

zur Beratung des Entwurfes neuerdings zusammen. Mit 
Entrüstung erfuhr inzwischen das Volk, das« darin seine 
Wünsche nur zum geringsten Teil berücksichtigt waren. 
Daher wählten die Gemeinden Abgeordnete zu einer 
grossen, allgemeinen Volksversammlung, die Mittwoch 
den 22. Dezember 1830 in Balsthal stattfand und an der 
etwa 3000 freiheilsbegeislerte Männer aus allen Gauen 
des Kantons teilnahmen. Mit beredten Worten erörterte 
Josef Munzinger, der nachmalige Bundespräsident, von 
der Treppe des Gasthauses zum « Bösali • aus der im 
Freien tagenden Versammlung die in 17 Artikeln zu- 
sammengcfasBten Bechte, die das Volk sich verfassungs- 
gemäss sichern wollte. Hier sprach er auch die durch- 
schlagenden Worte : « Die Volkssouveränität soll ohne 
Bückhalt ausgesprochen werden Am folgenden Tage 
überreichten 13 Abgeordnete dieser Versammlung der 
Begierung die Forderungen des Volkes. Der imponierende 
Vulkstag in Balsthal und der gleichzeitig drohende Land- 
sturm bewogen endlich die eingeschüchterten Behörden 
zur Nachgibigkeit. Der Grosse Bat entwarf nun eine Ver- 
fassung, in welcher die meisten Begehren der Balsthaler 
Versammlung Berücksichtigung fanden. 

Das neue Grundgesetz wurde am 13. Januar 183t vom 
Volke mit grosser Mehrheit angenommen. So war nun 
der Kanton eine demokratische Hepublik. Der Grosse Hat 
zählte 109 Mitglieder, wovon ■ ^auf die Hauptstadt und «/, 
auf das Land entfielen. Die Wahlen waren teils direkte, 
teils fanden sie durch W ahlmänner statt ; 13 Mitglieder 
wählte der Grosse Hat selber. Die Amlsdaiier betrug 
höchstens 6 Jahre. Der Kleine Bat bestand aus 17 Mit- 
gliedern und wurde vom Grossen Bat aus seiner Mitte 
gewählt. Im übrigen garantierte die Verfassung die 
katholische und reformierte Beligion. das Petitionsrecht, 
die Press-, Vereins-, Gewerbe- und Handelsfreiheit und 
jedem Kantonsbürger das Hecht, bei Erfüllung der gesetz- 
lichen Vorschriften sich in jedes Ortsbürgerrecht auf- 
nehmen lassen zu können. Mit der Einführung dieses 
Grundgesetzes begann die Degeneration (183l-lK48i. 

Da die damaligen Staatsmänner in einem gebildeten 
Volke die sicherste Gewahr für den Bestand der neuen 
Ordnung der Dinge erblickten, schufen sie 1832 ein treff- 
liches Schulgesetz. Im folgenden Jahre wurde in Ober- 
dorf ein Lehrerseminar gegründet und dessen Leitung 
dem vorzüglichen Schulmanne Jakob Roth übertragen. 
Schulgesetz und Lehrerseminar wurden nun die Aus- 
gangspunkte einer gedeihlichen Entwicklung des solo- 
thurnischen Schulwesens. Dazu gesellte sich bald eine 
mustergiltige Zivilgesetzgebung, die hauptsächlich das 
Werk des schon erwähnten, nunmehrigen Regierungs- 
rates J. B. Beinert war. 



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iTHE NEW YCKK 

FÜBUC LIBRARY 



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SOI- 



SOI, 



621 



1841 beschloss der Grosse Rat die Revision der Ver- 
fassung. Da stellte die konservative Gegenpartei ver- 
schiedene begehren, die durch die neue Verfassung be- 
willigt werden sollten. Als die freisinnigen Behörden 
diese Forderungen abwiesen, veranstaltete aie im ganten 
Kanton Gemeinde- und Bezirksversammlungen, welche 
ungestüm die Erfüllung ihrer Wünsche verlangten. Die 
Versammlungen von Mümliswil und Mariastein erliessen 
sogar Proklamationen an das Volk, worin dieses zur Ver- 
werfung der neuen Verfassung aufgefordert wurde. Da 
infolge dessen die Regierung Unruhen befürchtete, ver- 



legte sie unter Munzin^ers Leitung ihre Sitzungen in die 
Kaserne (alter Ambassadorenhof, jetzige Kantonsschule I, 
wo sie mehrere Tage unausgesetzt beisammen blieb, und 
berief aus den treuen Bezirken Truppen in die Stadt. 
Gleichzeitig Hessen die Amlsgerichtspnisidcnten von So- 
lothurn, Baisthal, Ölten und Dorneck die Hauptführer 
der konservativen Partei, besonders die Unterzeichner 
der Mümliswiler- und Mariasteiner-Proklamation, ver- 
haften. Am 10. Januar gelangte sodann die mittlerweile vom 
Grossen Rat festgestellte Verfassung zur Volksabstim- 
mung, in welcher aie mit einem Mehr von 2012 Stimmen 
angenommen ward. Nachher wurden die Inhaftierten, 
etwa 60 an der Zahl, aus dem Gefängnis entlassen, aber 
unter der Anklage, das Volk gegen die Behörden auf- 
gereizt zu haben, solidarisch zu einer Geldbusse ver- 
urteilt 

Die neue Verfassung brachte für den ganzen Kanton, 
den sie in die jetzt noch geltenden Oberamler einteilte, 
die Wahl der Kantonsräte nach der Kopfzahl der Be- 
völkerung, vermehrte die direkten Wahlen, erleichterte 
die Wahlfähigkeit für den Kantonsrat und führte die Be- 
zeichnungen Kantonsrat statt Grosser Rat. Regierungsrat 
statt Klemer Rat, I.andammann statt Präsident des 
Kleinen Rats ein. 

Nachdem der Kanton Solothurn 1847 bei der Nieder- 
werfung des Sonderbundes und 1848 bei der Einführung 
einer neuen Bundesverfassung mitgewirkt hatle. änderte 
er 1851 sein Grundgesetz wieder ab. Die revidierte Ver- 
fassung brachte das direkte Wahlsystem und die 5jährige 
Amtsdauer für alle Staatsbehörden, die Trennung der 
vollziehenden und richterlichen Gewalt, die Ausdehnung 
des Stimmrechts auf die Niedergelassenen und Aufent- 
halter, die Verantwortlichkeit der Beamten für ihre 
Amtsführung, die Gewährleistung aller christlichen Kon- 
fessionen und die freie Ausübung ihres Gottesdienstes. 

Allmählig erwuchs der Regierung im fortschrittlicher 
gesinnten Teil der liberalen Partei eine gefährliche 
Gegnerschaft in der sog. « jungen Schule». Von Dr. Simon 
Kaiser und besonders vom energischen und feurig bered- 
ten Advokaten Wilhelm Vigier geleitet, bekämpfte diese 
Partei verschiedene Uebelstände im Staatshaushalte und 
legte ihre eigenen Verbesserungsvorschläge in dem weit 
durch alle Volksschichten verbreiteten «roten Büchlein» 
nieder. Unter heftigen Parteikämpfen setzte sie 1856 eine 
Totalrevision derVerfassung durch. Infolgedessen unterlag 
bei den Wahlen die bisherige Regierung«- oder « graue » 
Partei, und es gelangte die Revision»- oder < rote* Partei 
ans Staatsruder. « Landammann » Vigier galt von da an 
bis zu seinem Tode (1886) als das geistige Haupt der 
Regierung. Nebst andern Verbesserungen brachte das 
neue Grundgesetz die Trennung der drei Staatsgewalten, 
erteilte dem Volk die Wahl der Amtsrichter und Ge- 
meindebeamten, sowie das Vorschlagsrecht für die Wahl 
der Bezirksbeamten und Pfarrer, garantierte das Vereins- 
recht und führte das Veto und die gemeindeweisen Ab- 
stimmungen ein. 

Mitten unter neuen heftigen Kämpfen der «roten • und 
«grauen» Partei fand 1867 und 186» je eine Partial- 
revision der Verfassung statt. Die erslere führte die 
direkte Wahl der Bezirksbeamten lOberamtmann. Amts- 
schreiber und Amisgerichtspräsident) ein, zog Erwerb 
und Einkommen in den Bereich der Besteuerung und 
machte dem Staat zur Pflicht, das Kreditwesen zu heben. 
Der letztern verdankte man das obligatorische Referen- 
dum, die Gesetzes-Initiative, die Wahl der Ständeräte 
durch das Volk, sowie das Recht des Volkes, den Kantons- 
rat und den Rejrjerungsrat abzuberufen. 

Infolge von Streitigkeiten, die anfangs der siebziger 
Jahre zwischen den staatlichen und kirchlichen Behöi 



entstanden waren und zur Aufhebung des Klosters Maria- 
stein und der Stifte St. Ursus in Solothurn und St. Leode- 
gar in Schönenwerd geführt hatten, ward 1875 neuerdings 
eine Abänderung des Grundgesetzes vorgenommen. Dahei 
wurde die Stellung des Staates gegenüber den Ansprüchen 
der Kirche genauer bestimmt, den Geistlichen da» Stimm- 
recht und den Gemeinden die Wahl der Pfarrer unter 
Vorbehalt staatlicher Bestätigung erleilt und endlich 
der Staat verpflichtet, alle Zweige der Volkswirtschaft 
zu fördern. 

Eine Verfassungsrevision im Jahr 1887 bestimmte für 
alle Staate- und Gemeindebeamten eine 4iährige Amts- 
periode, verlieh dem Volk die Wahl der Rezirksforster, 
Bezirksweibel und Zivilstandsbeamten, führte die gewerb- 
lichen Schiedsgerichte, das Institut des Erzieh ungsrates, 
die berufliche Fortbildungsschule und die Unentgeltlich- 
keit der Lehrmittel in der Primarschule ein und setzte 
für die Primarlehrer ein Resoldungsminimum von 
1000 Fr. fest. 

Die letzte Revision des Grundgesetzes endlich, die 1895 
stattfand, brachte für die Wahl des Kantonsrates und 
solcher Gemeinderäte, die wenigstens 7 Mitglieder zählen, 
das proportionale Wahlverfahren, ferner die Verfassungs- 
initiative und die direkte Staatsteuer. In der Form, in 
der 1895 die Verfassung festgesetzt wurde, besteht sie 
noch heute. Dadurch, dass seit 1830 alle wichtigen Rechte, 
über die der Kanton verfügen kann, auf das Volk über- 
tragen wurden, erweist sich der Stand Solothurn als ein 
in fortschrittlichen Bahnen wandelnder eidgenössischer 
Ort. Die einst am Ralsthaler Volksla^ geforderte Volks- 
souveränität ist Wahrheit geworden. 

In eidgenössische Hehörden hat der Kanlon Solothurn 
treffliche Männer geschickt, so Josef Munzinger, der im 
ersten Rundesrat sas» (1848 bis zu seinem Tode 1855} und 
ihn 1851 präsidierte ; Oberst Berhard Hammer, der die 
Schweiz beim norddeutschen Bund und nach derGründung 
des Reiches beim deutschen Reiche als Gesandter vertrat. 
1875-1800 Bundesrat. 1879 und 1889 Bundespräsident war 
und 1907 in Solothurn gestorben ist Ins Bundesgericht 
schickte Solothurn Bläsi und Dr. Affolter. Den Nationalrat 

S residierten die Solothurner Trog 1851/52, Dr. Kaiser 1868- 
»und 188:184. Brosi 1892/93; den Ständerat Vigier 1862/63 
und 1882/83, Oskar Munzinger 1803/94 und Cm. von Ars 
(1902/93). [Nach Prof. Pksi>imam> von asx". 

solothurn, französ. Soleihk. Italien. Solktta 
<Kt. und Bez. Solothurn). 442 m. Gem. und 
Stadt. Ilauplort des Kantons Solothurn.. 

Lage. Solothurn liegt zu beiden Ufern der 
Aare und am S.-Fuss der ersten Jurakette, 
von deren höchsten Erhebungen — Hasenmatte 
(1447 m), Weissenstein (1294 m) und Rötilluh 
(1H90 m) — die Stadt beherrscht wird. Der 
Nullpunkt des Aarepegels hat 426,69 und der 
Sockel der meteorologischen Säule auf dem Amthausplatz 
442.10 m üb. M. 47« 12' 30* NRr. und 7» 32' 10' OL. von 
Greenw. Ein bis zum linken Aareufer heranreichender und 
seillich von zwei vom Jura herabkommenden Bächen 
begrenzter Hügel bot die erste Veranlassung zur Anlage 
einer Siedelung, deren Entwicklung durch die Schiflbar- 
keit der Aare und die diesem Flusa folgenden Wege 
von Anfang an gegeben war. Die erhöhte Lage gestattete 
leichte Abwehr feindlicher Angriffe und bot Schutz vor den 
Hochwassern, die die ganie Ebene von Grenchen 
abwärts ofl überfluteten. Wie die heutigen Eisenbahn- 
linien Zürich-Olten-Solothurn-Genf und Lausanne- Lvss- 
Solothurn folgte auch die alte Römerslrasse aus der W.- 
Schweiz nach Vindonissa ( Windisch t dem Aarelauf und 
Jurafuss. Die Erstellung eines festen Plaues mit Mauern, 
Bollwerken und Türmen erleichterte die Nähe von Brü- 
chen auf ausgezeichneten Kalkstein. 2,5 km unterhalb 
Solothurn mündet von rechts her die Emme, deren Thal 
ohne Zweifel mehr als eine der vom zentralen und östl. 
Mitlelland gegen die Aare hinziehenden und von da über 
einen der Jurapässe (Hinter und Vorder Weissenstein, 
Balmberg, Schmiedenmatte. Klus. Oberer Hauenstein) sich 
fortsetzenden Strassen folgte. Die Notwendigkeit einer 
bequemen Verbindung mit dem Berner Jura und den 
Strassen nach Delle und Basel rief der in letzter Zeit 
vollendeten Durchtunnelungdes Weissenstein (Solothurn- 
Münsterbahn). Solothurn ist heute Knotenpunkt von sechs 



TU 



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SOL 



SOL 



Kisenbahnlinien. von denen zwei nach (>., zwei nach W., 
eine nach S. (längs der Kmme> und eine nach N. (durch 




Solcitburo, Walssaoslelti and Rölifluh, von der Aare her Renibea 



den Weissenstein) ausstrahlen, um nach Herzogenbuchsee 
und Ullen. Kiel und Lyss, Burgdorf und Münster zuführen. 
Eine elektrische Strassenbalin Solothurn - Wiedlisbach- 
Oensingen links der Aare wird in nächster Zeit in Angrill 
genommen werden. Von fast allen Seiten her reichen 
prächtige Tannen- und Kuchenwälder au das Weichbild 
der Stadt Solothurn heran, die von grossen Alleen einge- 
fasst und von auf den erhalten gebliebenen Hastionen 
stehenden Kaumgruppen weit überragt wird. Nordwärts 
reicht eine dem Jura vorgelagerte Hohe, die sog. Stein» 
grübe, an die Stadt heran, die im S.. rechts der 
Aare, durch die wellige Hügelkette dea Srhöngrün male- 
risch abgeschlossen wird. Gegen W. dehnt sich die mit 
Gehöften benale und von schonen Obstgarten beschattete 
Ebene aus, die sich zwischen der Aare und der Landstrasse 
Solothurn-Kiel bis nach Grenchen erstreckt. Uestl. nähert 
sich die Aare mehr und mehr der mit hübschen Villen 
bestandenen Hügelkette der sog. Steingruben. Aus linke 
Ufer des fast nordwärts gewendeten Flusses fällt hier ein 
steiles Kord jäh ab, wahrend am rechten Ufer das Zuch- 
wilerfeld llach und nach U. immer breiter gegen die 
Kmme und ihre Mündung in die Aare hin sich erstreckt. 
Von den nördl. der Stadt gelegenen, z. T. bewaldeten 
Hügeln streben mehrere Wasseradern der Aare zu. wie 
z. B. der Ubach, der jetzt unterirdisch durch die Stadt 
ziehende Mühlebach und der aus der Einsiedelei kom- 
mende, auf ansehnliche Strecken die O. -Grenze des Stadt- 
bezirks bildende St. Ka- 
Iharinenbach. Am rechten 
Ufer der Aare tritt aus dem 
liefen Einschnitt der Em- aHM 
menthalbahn (Solothurn- 
Hurgdorf) ein Bach aus, 
der unweit der Dreibeins- 
kreuz-Kirche mündet. 
Oestl.dernun abgebroche- 
nen Turnschanze vereinigt 
sich mit der Aare ein in 
trockener Jahreszeit oft 
versiegendes ftächlein, das 
im Zuchwiler « Kirchi • 
(einem prächtigen Bu- 
chenwald) und am Schön- 
grün (Engiweiher) sich 
bildet und quer unter der 
Bahuhofanlage Neu Solo- 
thurn durchilicsal. 

Dank einer vornehm- 
lich durch die Einführung 
der Uhrenindustrie in den 
letzten Jahren wachsenden 
baulichen Entwicklung ist 
fast der ganze Stadtbezirk 
Solothurn mehr oder we- 
niger dicht mit Häusern 
besetzt. Besonders nach W 



blühen dieser neuen Quartiere. Auch nördl. der Stadt, in 
der Steingrube, die eine wunderbare Alpenansicht gewährt, 
und dann wieder am rechten 
Aareufer in der Nähe des Bahn- 
hofs Neu Solothurn wird mehr und 
mehr gebaut. Am wenigsten Wan- 
del weist das östl. vom Kasel lor 
rechts und links der Baselstrasse 
gelegene St. Josephs-Quartier auf. 

Die Stadt ist offiziell in fünfüuar- 
tiere, das schwarze, blaue, gelbe, 
grüne und rote eingeteilt. Laut 
dem (ieschaftsberichl der Ge- 
bäude-Brand Versicherung«- Anstalt 
des Kantons Solothurn pro 1903 
zählte die Stadt Solothurn auf 
t. Januar 1904 1357 Gebäude, die 
mit 32 333 490 Fr. eingeschätzt 
waren. Darunter belinden sich 
nicht weniger als 12 Kirchen, 
nämlich 9 römisch-katholische, 
eine allkatholische, eine refor- 
mierte und eine Methodistenkapelle. Auf 1. Januar 1908 
waren im ganzen 1447 Gebäude im Schatzungswert 
von 377(3600 Fr. vorhanden. Den ältesten Kern der 
Stadt Solothurn bildet das von den Körnern errichtete 
Kastell, dessen Mauerreste an den Ilausern, welche die 
in der NO. -Ecke des Friedhofplatzes einmündende 
Gasse llankieren, und an der l.owengasse noch sichtbar 
sind. Es scheint, dass die in den Mauerresten an der 
Löwengasse zu Tage tretende S. -Flanke des Kastells zur 
Kömerzeit von der Aare bespült war, wahrend der Flusa 
heute 30 bis 40 m weiter südwärts in tiefem Bett vorbei - 
dienst. 

t>effentliche Bauten und Denkmäler. An geschichtlich 
interessanten, originellen oder architektonisch hervor- 
ragenden Bauwerken ist Solothurn sehr reich. Der fröh- 
liche Solothurner Chronist Kranz Hafner behauptet, der 
auf dem Marktplatz aufragende Zeitglockenturm datiere 
aus der Zeit des Patriarchen Abraham. Immerhin gehört 
er mit den in der Lowengasse und auf dem Friedhofplatz 
noch sichtbaren Kesten des römischen Castrums zu den 
ältesten Kaudenkmälern der Stadt. Auf seiner dem offenen 
Platz zugewendeten Seite steht des Glareanus Distichon : 
In Cellis nihil est Salodoro antiautus uni» 
Escevti» Trereri*. tfuaruni ego tiicta toror. 

Während die einen den Turm als frühburgundisches 
Bauwerk ansprechen und ihn als eine Art Wachlturm 
betrachten, behaupten andere, er sei erst um 1250 er- 





Sulothurn: Gesamtansicht aas Sadweiten. 



hin ist die Ausdehnung der 
Stadt eine sehr auffällige, und man verspricht sich von der 
Wcisscnstein (Sololhurn-Münster)-Bahn ein weiteres Auf- 



richtet worden. 1452 ist im Turm eine Schlaguhr ange- 
bracht worden, mit deren Werk damals schon der Mann 
oben bei der Glocke verbunden war, der heute noch die 



SOL 



SOL 



Stunde schlagt. Um« Jahr 1520 lies« der Rat von Solo- 
thurn durch den Winlerlhurer Lorenz Liechte die grosse 
Schlag-Halbuhr und das astronomische Werk bauen' 
welche« die 12 Tag- und 12 Nachtstunden zeigt und den 
scheinbaren Gang der Sonne und des Mondes durch den 
Tierkreis veranschaulicht. 1545 berief Solothurn den 
kunstfertigen SchalThauser Uhrenmacher Joachim Hah- 
recht, den Vater des nach der Sage nach Vollendung der 
Strassburger Münsteruhr geblendeten Isaak Ilabrecht, der 
daa jetzt noch viel bewunderte automatische Werk am 
Turme verfertigte: In einem eigenen Gehäuse befindet 
sich zwischen Tod und Kriegsmaun der aufseinein Trone 
sitzende König, der bei jedem Schlag den Mund öffnet 
und mit seinem Szepter die Schläge zählt ; der Kriegs- 
mann bewegt bei jedem Stundenviertel den Arm nach 
der Hrust ; beim vierten Streich wendet der Tod die Sand- 
uhr um und wackelt im Takte mit dem Kopf. Unterhalb 
dieser Figuren sind das Wappen der damaligen Ireien 
Reichsstadt Solothurn und die Daten der Erstellung 1545 
und der Renovation 1883 angebracht. Die Stadl liesssich's 
dann nicht verdnessen, zum Unterhalt der Turmuhr 
1566 mit grossen Kosten den berühmten Uhrmacher Ur- 
ban Kärler aus Memmingen kommen zu lassen, dessen 
Nachkommen als Meister ihres Fachs bis ins 18. Jahr- 
hundert in Solothurn lebten. 1583 wurde von zwei in 
hohem Ansehen stehenden solothurnischen Malern das 
grosse astronomische Zilferblatt gemalt, das heute 
noch die N. -Fassade des Xeilglockenlurms ziert und 
1880 von Heinrich Jenny, sowie 1904 von A. Ruelli 
renoviert ward. Am Fuss 'des Turmes befand sich bis 
ins 19. Jahrhundert hinein der Lasteralein mit dem Half* 
eisen. 

Das Rathaus wird in seinen ältesten Rauteilen in grau» 
Vorzeit zurückreichen. 1476 erhielt der Stadtbsumeister 
Späti vom Rat den Auftrag, da* Haus des Armbrusten) in 
ein Rathaus umzubauen. Dass dies gerade in den bösen 
Tagen der Rurgunderkriege geschah, mag als Reweis für 
da* Vertrauen auf den eidgenössischen Sieg gelten. Der 
Mittelturm der 0. -Fassade hat damals schon gestanden. 
Zu Knde de« 16. Jahrhundert« erhielt das Rathaus eine 
bedeutende Erweiterung durch den Anbau des Kanzlei- 
und Archivgebäude«. Die« machte aber auch eine neue 
Treppenanlage notig, welche in glücklichster und origi- 
neller Weise als Turm mit vielbewunderter Wendeltreppe 
in die Mitte der N. -Seite zu stehen kam und 1632 von 
Gibelin. einem Knkel des Basel lor-Krbauers, erstellt 
wurde. Aus 1622-1712 datiert der Ausbau des heute schön- 
sten Teils, der O. -Front, des Rathauses, das neuesten« 
(1904-1905) mit einer Rausummevon beiläufig 4ÜO0Ü0 Fr. 
erweitert und in einigen Partien hübsch renoviert wor- 



der in glücklichster Weise renovierte KantonsraUsaal ist 
besuchenswert. 

Schon von weither sichtbar ragt auf einer Anhöhe im 
O. der Stadt das Münster St. Ursus und Viktor auf, das 
•eit 1828 Kathedralkirclie des neuerrichteUjj-r Histums 
Rasel ist und an dessen Stelle in romiaprler Zeit ein 
Apollotempel gestanden haben soll. Ueb*r<lem Grabe der 





Solothurn : Eidg. Poitgvbaud«. 

den ist. Sehenswert ist der im ersten Stockwerk gelegene 
■ steinerne Saal|> seiner Glasgemälde, kriegerischen Tro- 
phäen und des ^künstlerischen Schmuckes wegen. Auch 



Solothurn : Rathaaa. 

thebäischen Soldaten und Rlutzeugen Ursus und Viktor 
wurde in burgundisch-fränkischer Zeit eine christliche 
Kirche, das alte St. Ursusmünster, errichtet, dessen Hau 
au« dem Anfang des 11. Jahrhunderts stammt und dessen 
an der W. -Seite stehender Turm im 18. Jahrhundert ein- 
gestürzt ist. Die au« Ascona im Te««in «tammenden Rau- 
meister Gaelano Matteo Pisoni (1713-178*2) und «ein Neffe 
PaoloAntonio Pisoni (173K-I804) erbauten 1762-1 / 7H die heu- 
tige Kathedrale, welche als schönstes Monument der italie- 
nischen Hochrenaissance in der Schweiz gelten kann. Zwi- 
schen zwei mehrschaligen Kunstbrunnen, welche die Stand- 
bilder de« Mose« und Samson tragen, führen dreimal elf 
Stufen zur Hohe der drei mit Reliefs geschmückten Portale 
hinauf. Die mit Heiligenstatuen und Steinkandelabern 
geschmückte Fassade ragt hoch über die umstehenden 
Häuser auf. Das Innere hat die Form eines lateinischen 
Kreuzes. Zehn gewaltige Pfeiler tragen das Gewölbe des 
Hauptschiffs und der Querschiffe. Die niedrigem Seilen- 
schiffe enthalten je drei Altäre. Ueber der 
Mitte des lateinischen Kreuzes wölbt sich eine 
imponierende Kuppel mit zwei Halbkuppeln. 
Die Kathedrale zahlt elf marmorne Altare. 
deren künstlerischen Schmuck Domen icoCorvi, 
Josef Fächer, F. J. Wirz, Guiribal und J. II. 
Treu geliefert haben. Die Fresken der Decke 
stammen von Domenico Pozzi und von Gott- 
fried Bernhard Goetz aus Augiburg. Die mit 
Relief« geschmückte Kanzel ist das Werk von 
Höret aus Vevey, der marmorne Hochaltar 
mit dem Sarkophag der Thebäer und die 
reichen Stukkaturarbeilcn dasjenige der Tes- 
«iner Francesco und Carlo Luca Pozzi. An 
der NO. -Ecke der Kirche ragt der etwa 60 m 
hohe St. Ursuslurm über das Raseltor auf. Kr 
enthalt ein überaus harmonisches Geläute von 
11 Glocken. Ein augezeichnete« Werk ist auch 
die neue Orgel des St. Ursusmünsters. 

Kaum einige hundert Schritte von der Ka- 
thedrale entfernt steht die in die Häuser- 
reihe der llauptgasse sich einschmiegende 
Jesuiten- oder Professorenkirche. Sie ist als 
Annex zum Jesuitenkollegium 1689 vollendet 
worden und im Roccocostil de« Ordens ge- 
halten. Die mächtige Fassade hat als Schmuck 
riesengrosse Steinbilder von Ordensheiligen, 
das Deckengewölbe, die Säulen und Lettner 
mit Stukkornamenten überladen sind. Den Haupt- 
altar ziert ein ausserordentlich grosses Gemälde des 



während 



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024 



SOL 



SOL 



Konstanzen Meuder, welches Maria in ihrer Glorie, um- 
geben von Chören der Heiligen, darstellt. Als Maler der 




Kilhi 



z. T. trefflichen Seitenaltarbilder seien erwähnt der kur- 
bairische Hofmaler Johann Kaspar Sieg und Johann An- 
dreas Wolf aus München. Die Totengruft barg einst die 
einbalsamierte Leiche des am 15. Oktober 1817 in seinem 
Hause an der Gurzelngaste zu Solothurn verstorbenen 
Polenhelden Thaddäus Kosziusko, bis sie dann in die 
Königsgruft von Krakau überführt wurde. 

Zu dem am N.-Rand der mittelalterlichen Schanzen 
Solothurns gelegenen aufgehobenen Franziskanerkloster 
(heute Konvikt der sololnurnischen Lehrerbildungsan- 
stalt) gehörte die Franziskanerkirche, welche den Alt- 
katholiken eingeräumt worden ist. Auf den Glazisinatten 
der geschleiften Schanzen haben die Reformierten in den 
60er Jahren des 19. Jahrhunderts ihre Kirche in neugoli- 
schem Stil gebaut. Unter den Kirchen des Visitanden-, 
de« Nominis Jesu-, St. Josephs- und Kapuziner-Klosters 
verdient die Kapuzinerkirche Erwähnung wegen des präch- 
tigen Hauplaltargeniäldes von Gerard Seghers, eine» 
Freundes und Mitstrebenden Rubens' und van Dyk s. Von 
den übrigen Kirchen und Kapellen sind l.orello und Drei- 
beinskreuz von Sulothurner Hörgern gestiftete Gottes- 
häuser; letzteres steht rechts der Aare an der Stelle, wo der 
Gegenpapst Felix V. auf seiner Reise von Lausanne ans 
Basler Konzil vom Solothurner Rat und von der Bürgerschaft 
feierlich empfangen wurde. Der heutige Hürgerspital in 
der Vorstadt und das einstige Sondersiechen-, jetzt Pfrund- 
haus St. Katharinen östl. der Stadt haben ihre eigenen 
Kirchen. In den neuen Quartieren nach \V. hin erhebt 
sich seit einigen Jahren auch ein (iotteshaus der Metho- 
disten. Wenn auch nicht in den Gemeindebann von Solo- 
thurn gehörig, verdient doch die St. Niklauskirche. die 
Pfarrkirche der benachbarten Dorfer Rüttenen, Riedholz, 
und Feldbrunnen, deshalb Krwahnung, weil ihr Friedhof 
eine Reihe von Grabstätten hervorragender Sulothurner 
birgt, liier ruhen u.a. der berümte deutsch-amerikanische 
Schriftsteller Charles Sealstieid (Karl Postel). der seine 
letzten Jahre in Solothurn verbracht hat: der eminente 
Geologe Amanz Gressly, der sololhurnische Dialektschrift- 
steller Fr. J. Schild ; der bedeutende Maler Frank Buchser, 



dessen Grab eine überaus lebensvolle Büste des Meisters 
aus der Hand Max Leu s trägt, welcher selbst in der Blüte 
seiner Jahre dahingerafft, nur wenige Schritte entfernt 
seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Auch die gewesenen 
Bundespräsidenten Josef Munzinger und Bernhard Ham- 
mer, sowie die tüchtigen Aerzte Kottinann und andere 
bedeutende Männer der Stadt sind hier bestattet. 

Im 19. Jahrhundert sind nebst den grösalen Partien 
des Schanzengürtels auch einige architektonisch hervor- 
ragende Tore gefallen, so das Berntor in der Vorstadt 
und das äussere Biel- oder Gurzelentor. Erhalten blieb 
nur und wird es hoffentlich bleiben das Basel- oder Eich- 
tor, von dem der bekannte süddeutsche Schriftsteller 
llansjakob sagt, dass es ihm unter allen auf seiner Reise 
durch die Schweiz gesehenen Baudenkmälern am meisten 
imponiert habe. Es war ein aus Brignolles im südl. 
Prankreich nach Solothurn eingewanderter Baumeister 
Hans Gibelin, der dieses prächtige Stadttor 1504-1508 um 
die Summe von 300-2 Gulden und die Gratifikation von 20 
Maltern Hafer errichtet hat. Sein Sohn Konrad vollendete 
1535 den Torbau, indem er die Türme mit einer auch für 
Kanonen genügenden Brustwehr versah. 

Zu den denkwürdigen Bauten älterer Zeit gehören 
sicherlich auch die beiden « Muttitürme» an der NO.- und 
NW. -Ecke der Stadt, zwei 1535 und 1548 errichtete unge- 
heuer feste und behäbige Mauerkolossr. sowie der 
• Krumme Turm • (1462) am rechten l'fer der Aare ober- 
halb der Eisenbahnbrücke. 

In der Stadt selbst fesseln das Auge des Fremden fünf 
monumentale Brunnen, deren polychrome Renovation 
alle Anerkennung verdient. Es sind dies : der St. Mauri- 
tiusbrunnen auf dem Zeughausplalz (1556); der Fisch- 
brunnen, eine mächtige, von dem Standbild des h. t'rsu» 
auf hoher Säule überragte monolithe Brunnenschale aul 
dem Marktplatz ; der (ierechtigkeitsbtunnen in der 
Hauptmasse (1561), der St. Georgsbrunnen mit dem 
kühnen Reiterstandbild des Heiligen auf dem Börsen- und 
der Simsonbrunnen auf dem Friedhofplatz (die beiden 
letztern von 
1548 stam- 
mend). 

Das Zeug- 
haus der Stadt 
Solothurn (er- 
baut 1610-1614 1 
enthält die be- 
deutendstc 
schweizeri- 
sche Samm- 
lung von Rü- 
stungen und 
Waffen, die na- 
mentlich 
durch die Man- 
nigfaltigkeit 
der Formen, 
die sie auf- 
weist, und 
durch eine 
grosse Zahl 
seltener und 
schöner Stük- 
ke bemerkens- 
wert ist. I'n- 
ter den 383 
vollständigen 
Rüstungen lin- 
den sich ei- 
gentliche 
Prunkstücke, 
so z. R. die 
der Familie 
vom Staat, so- 
wie diejenige 
des Ritters 
und General- 
oberster^ Wil- 
helm Frölich. Von den Pannern sind bemerkenswert die 
Fahne, wel-che von Leopold von Oesterreich den Sololhur- 
nern nach der Belagerung von 1318 geschenkt wurde, die 




Zeitpiorksiiturni In SololSurn. 



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SOL 



635 



von Papst Julius II. den Sololhurnern dedizierle gross« 
Fahne, ferner elf in den Burgunderschlachten und bei 
Dörnach und Rennedorf erbeutete feindliche Feldzei- 
chen, wovon zwei durch den berühmten Konservator 
Eigner aus Augsburg renoviert woiden sind. Erwähnung 
verdienen auch vier aus dem 1476 vor Grandson erbeu- 
teten I'runkzelt Karls des Kühnen hergestellte Kirchen- 
ornate. Trophäen der Schlachten bei St. Jakob (1444), 
Murlen (14"<6), Dornach (1499| und Marignano (1515) 
erinnern an wichtige Entscheidungsschlachten aus der 
eidgenössischen Heldenzeit. Eine Unmenge Waffen, wie 
Hellebarden, Spiesse, Schwerter, Schilde, Schiesszeug 
von zum Teil einzigartigen Typen, schmücken den mäch- 
tigen Saal. Eineseiner Hauptzierden bildet auch die nach 
den künstlerischen Intentionen Martin Üistelis gestellte 
szenische Wiedergabe der Tagsatzung von Stans (1481). 
Die in die Fenster eingelassenen, gemalten Glasscheiben 
verdienen aufmerksame Betrachtung. Zur Unterbringung 
des mo lernen Kriegsmaterials aller Art wird gegenwärtig 
mit einem Kostenuberschlag von 400000 Fr. in der Nähe 
des Bahnhofs Neu Solothurn ein den heutigen Anforde- 
rungen entsprechendes Zeughaus gebaut. Man geht mit 
dem Gedanken um, in dem zu einem guten Teil leer 
werdenden alten Arsenal die Kantonsbibliothek unterzu- 
bringen, welche bis jetzt in den vier Krdgeschosssälen im 
W. -Flügel des Kantonsschulgebäudes ihr Heim gehabt 
hatte. 

Auch das Kantonsschulgebäude verdient Erwähnung. 
In ihm wohnten 1538-1792 die franzosischen Gesandten 
bei der Eidgenossenschaft, weshalb das Gebäude im Mund 
alter Leute jetzt noch «der Hof» heisst. Spater wurde es 
eine Kaserne, und dann zog, nach gründlichen baulichen 
Veränderungen, 1883 die höchste Mittelschule des Kan- 
tons hier ein. Vor dem Hieltor erheben sich die Kantonal- 
bank und das nach den Plänen Tugginers erbaute statt- 
liche Amihaus. An der Aare zwischen Eiseiibahnbrücke 
und Wengibrücke steht am linken Flussufer das grosse 
eidgenössische Postgebäude, gegenüber am rechten Ufer 
der Bürgerspital und das ehemalige Waisenhaus. Aare- 
abwärU erhebt sich aus den Wellen des Flusses selbst 
das Landhaus, mit dem gegenüberliegenden Bollhafen, 
der an die Zeiten erinnert, da noch ein reger Verkehr zu 
Wasser stattfand. An das Landhaus stössl mit seinem an 
der Aare hochaufgemauerten Garten der bei der Kreuz- 
ackerbrücke stehende frühere Bischofspalaat. das heutige 
Konvikt der Kantonsschule. Jetzt residieren die Bischöfe 
von Basel in der südl. der Kathedrale gelegenen Propstei 
mit der St. Peterskapelle. Am O.-Enae der Stadt liegt 
am linken Aareufer das von herrlichen Bäumen be- 
schattete Schülzenhaus, Eigentum der Stadtschützenge- 
sollschaft Solothurn. 

Zu den schon bestehenden Schulhäusern wird nach 
Beschluss der Einwohnergemeinde vom 25. Mai 1906 an 
der Bielstr. sse noch ein neues mit einem Kostenüber- 
schlag von 775 000 Fr. errichtet. Als eigentliche Zierde 
der Stadt sind die in neuester Zeit nördl. der Stadl auf den 
Glazismatlen errichteten, Kunst und Wissenschaft dienen- 
den Gebäude, der Konzertsaal und das Museum, zu nen- 
nen. I>er Saalbau steht in der Nähe der protestantischen 
Kirche und dient mit seinen weiten Bäumen Konzert- 
aulTührungen und grossem Versammlungen. Der Haupt- 
saal hat 8U0 Sitzplätze und Baum für 3.rü Gedecke ; der 
kleinere Saal ist mit den Galerien des grossen Saals ver- 
bunden, fasat '250 Personen und hat Platz für 190 Ge- 
decke. Der Bau ist 1900 errichtet worden. 

Oesll. von ihm erhebt sich, der N. -Front der Kantons- 
schule gegenüber, des städtische Museum (1898-1900 er- 
baut). Seine einfach schöne, in florenlinischem Palaststil 
gehaltene Fassade ragt aus grosszügig erdachten Gartenan- 
lagen auf. Durch das nach S. gerichtete Hauplportal treten 
wir in einen Vorsaal, der mit Skulpturen von Leu, Chialtone 
und Peter geschmückt ist. Im Erdgeschoss sind die natur- 
historischen Sammlungen untergebracht. Unter ihnen 
belinden sich hochinteressante Jurafossilien, aus welchen 
wiederum als Unica von bedeutendem wissenschaftlichen 
Wert die fosBtlen Schildkröten aus den Solothurn nörd- 
lich einfassenden Kalksteingruben zu nennen sind. In 
der zoologischen Sammlung verdi< nen einige Pracht- 
exemplare, wie z. B. Eisbär, Krokodil, Vögel und Schmet- 
terlinge aus den Tropen, Beachtung. Hübsche ethnogra- 



phische Sammlungen sind z. B. die von H. Lüthy 
(Sumatra), H. Ackermann (Westafrika) u. a. m. In der 




Solothurn: Bailerlor mit dam Turm der Kalbedralkirche. 



antiquarischen Sammlung linden wir prähistorische, 
römische und alemannische Funde hauptsächlich aus dem 
Kanton Solothurn (z. B. Grenchen, Oensingen, Hohberg, 
Subingen). dann auch wertvolle mittelalterliche Schätze, 
wie silhertauschierte Gürtelschnallen aus der Zeit der 
Burgundionen, einen Abtsstab aus dem 11. Jahrhundert, 
einen prächtig geschnitzten Kapilelschrank mit kirch- 
lichen Geräten, nerrliche, in strahlenden Farben leuch- 
tente Slandessrheiben (Glasgemälde); bemerkenswert 
sind zwei Zimmer des 17. und 18. Jahrhunderts aus dem 
alten Kollegium und von Le Landeron ; Chorbücher und 
Miniaturen, Münzsammlung u. s. f. Die Gemäldesamm- 
lung ist nach Basel und Genf die reichhalt i«sle der 
Schweiz an ältern Bildern : Madonna von Holbein und 
Madonna in den Erdbeeren (oberrheinische Schule 14*20), 
Bilder von Bibera, Hans ABper u. s. f. Von den neuern 
Malern sind einige hervorragende Solothurner besonders 
gut vertreten : der Karikaturist Martin Disteli, der Land- 
schafter Otto Frolicher, der weitgereiste Frank Buchser, 
von dem das Museum an 60 Bilder aufweist etc. Hübsche 
Sammlungen von Aquarellen und Kupferstichen. 

Konzertsaal und Museum sind nach Plänen des städti- 
schen Architekten Edgar Schlatter und unter seiner Lei- 
tung ausgeführt worden. 

Die Umgebung der Stadt ist nicht nur reich an netten 
modernen Villen, sondern auch an alten, ihrer charakter- 
vollen und originellen Bauart wegen bemerkenswerten 
Landsitzen. Vor dein Baseltor sind erwähnenswert die 
einander gegenüberliegenden Ilauten des Schlosses Stein- 
hrugg und des Hallerhauses . weiter vor der Stadt Schloss 
Waldegg; andere linden sich in der Steingrube, am 
Werkhof. an der Bahnlinie nach Biel und auf den Hügel- 
ketten des rechten Aarufers. 

(Zum Teil nach Bischof Dr. Puls, nach Wilhelm Husr, 
V. A. /btikh u ■ ). 

lievölkernng. Die Einwohnerzahl der Stadt Solothurn 
betrug 1692: 3750. 1796: 3500, 1808: 3839. 1829: 4254. 
1837: 4647, 1850: 5370. 1860: 5916. 1870 : 7008, 1880 : 7534 
und 1888: 8317 Seelen. Am 1. Dezember 1900 belief sich 
die Gesarotwohnbevölkerung auf 10025 Seelen, wovon 
2250 Ortsbürger, 2859 Burger anderer Gemeinden des 

228 - lIEOOit. LKX. V — 40 



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SOL 




Solothuro: St. I'rsenbrunnon 



Kanton«. 39S1 Bürger anderer Kantone und 903 Ausländer. 
9077 Haushaltungen in 877 Häusern ; 4708 Ew. männ- 
lichen und 5317 
weiblichen 
Geschlechtes ; 
3814 Refor- 
mierte. 6098 
Katholiken, 81 
Israeliten und 
32 Andere; 

9486 Ew. 
deutscher. r>09 
französischer, 
109 italieni- 
scher, 8 roma- 
nischer und Ai 
anderer Mut- 
lersp räche. 
Slimmlwrech- 
ligte: Rund 600 
in bürgerli- 
chen. 2319 in 
kantonalen 
und 2355 in eid- 
genössischen 
Angelegenhei- 
ten. Interes- 
sant ist der 
Hinweis, dass 
die politische 
Gemeinde So- 
lothurn an Flä- 
che bloss 622,4 

ha umfasst, während die Bürgergemeinde im Kanton 
Solothurn und ausserhalb desselben (Neuenstadt, Le 
Landeron und Auvernier) an Wald, Weide und Kultur- 
land 2214,7 ha besitzt. 

Gesundheitliche Verhältnisse. Mehrere starke Typhus- 
epidemien haben, namentlich im Jahr 1873, die Uehürden 
auf die Verbesserung der Trinkwasserversorgung auf- 
merksam gemacht. Heute ist die Stadt ausreichend mit 
vor/.uglichem Trinkwasser versehen und sind eigentliche 
Epidemien, abgesehen von einigen Fällen von Masern, 
Scharlach und Diphtherie bei Schulkindern, völlig ver- 
schwunden, so das« der von der Stadt am rechten l'fer 
der Aare ö. der nun abgetragenen Turnschanze erstellte 
Isolierpavillon fast immer leer steht. Dank dem Impfzwang 
treten auch die Pocken nur noch sehr selten auf und haben 
die I9U1 im benachbarten bernischen Nieder Bipp und 
die 1907 in den nahen Gemeinden Luterbach und Deren- 
dingen ausgebrochenen Pockenepidemien nicht auf Be- 
zirk und Gemeinde Solothurn übergegriffen. 

Handel und Gewerbe. Die verschiedenen in den Nach- 
barorten Langendorf. Oberdorf, Bellach, Selzach, Belt- 
lach, Grenchen, Biberisl. Gerlaflngen, Derendingen, 
Luterbach und Attisholz installierten Industriebetriebe 
sind in mehrfacher Hinsicht auch der Stadt Solothurn 
zugute gekommen. Deren eigene Industrien sind nament- 
lich: die l'hrenmacherei und Herstellung von einzelnen 
l'hrenbe«landteilen, Ziegeleien und Herateilung von an- 
dern Baumaterialien, Steinbrüche, mechanische Säge- 
reien und Schreinereien, Herstellung von Malz, Zichorie, 
Likören. Bier, Kssig ; Mühlenbau. Bauschlossereien ; Her- 
stellung von Gasapparaten, Motoren. Fahrrädern, Bürslen- 
waaren und Lack. Lebhafter Handel in Kolonial-, Tuch- 
und Baumwollwaaren, Eisen- und andern Metallartikeln, 
Mobein. Getreide und Sämereien. Wein, Oel, Farben 
und Lack. Zucker, pharmazeutischen Produkten, Topfer- 
waaren, l.eiler etc. Samstag- Wochenmarkt, Messen und 
Viehmärkte je am zweiten Montag im Monat (besonders 
im Mai und Oktober). 

Hiwjergemeinde. Die Ausscheidung zwischen Ein- 
wohner- und Bürgergemeinde als besondere Verwaltungs- 
korper erfolgte im Jahr 1876. Aber noch heute sind die 
Eigentumsverhältnisse der Einwohner- und Bürgerge- 
meinde zum Teil unausgeschieden und streitig. 

Die Bürgergemeinde Solothurn besitzt laut Rechnung auf 
31. Dezember 1905 ein Gesamtvermogen von Fr. 7712519. 
Die Forstkasse allein weist einen Bestand von Fr. 4076802 
auf, der Bürgerspitalfonds beträgt Fr. 1 219 9-12. Aus einer 



ganzen Zahl kleinerer bürgerlicher Fonds mag der Gross- 
almoscnfonds mit Fr. 461 134 genannt sein, aus dessen 
Erträgnissen arme Bürger unterstützt werden ; wir nen- 
nen ferner eine Stiftung in der Hohe von Fr. 149688, 
deren Zinsen zur Bezahlung von Lehrgeldern, sowie zu 
Anschaffungen beim Hinaustreten ins Leben für Bürger- 
söhne und Bürgertochter Verwendung linden. 1904 be- 
schloss die Bürgergemeinde die Erstellung eines neuen 
Bürgersnitals. für den der vorhandene Baufonds bereits 
Fr. 381 852 beträgt. 

Die Bürgergemeinde besitzt zwei Pfrundanstalten mit 
zusammen gegen 50 Insassen: das Thüringerhaus und 
das alle Sondersiechenhaus zu St. Katharinen östl. der 
Stadt. Die Aufnahme erfolgt nach dem 60. Altersiahr bei 
t nhemitlelten unentgeltlich, sonst aber gegen Entrich- 
tung einer den Verhältnissen angemessenen Pfrundein- 
lage. Es werden, wenn Platz Olfen steht, auch Nicht- 
burger gegen Bezahlung in die Pfrundhauser aufgenom- 
men. Eine der Bürgergemeinde gehörige Waisenanstalt 
( in der Steingrube ) dient zur Aufnahme verwaister 
Bürgersohne und eventuell (gegen Bezahlung) auch an- 
derer alleinstehender Knaben. 

An Wald, Weiden und Kulturland besitzt die Bürger- 
gemeinde Solothurn 2214.72 ha. Der Bürgerwald ist in 
sechs Reviere eingeteilt. An der Stilze des Forstwesens 
stehen der Forstkommissär als Verwaltungsperson und 
ein Oberförster, welchem ein Forsudjunkt und acht 
Bann warte beigegeben sind. Der Ertrag des Waldes 
kommt den Bürgern in Form von Brennholz zu gute 
und zwar in abgestuften Mengen, je nachdem eine 
Burgerfamilie kinderlos oder mit Kindern gesegnet ist. 
Grosse Mengen Holz werden alljährlich verkauft Zu den 
Weiden der Bnrgergemeinde gehört auch die auf der 
südlichsten Jurakette liegende Weissensteinweide mit 
dem seit bald hundert Jahren als Kuranstalt weitbekann- 
ten Gasthaus Weissenstein. Von dem der Bürgergemeinde 
Solothurn eigenen Kulturland sind besonders zu er- 
wähnen die ausgedehnten Rebberge in Neuenstadt, 
Le Landeron und Auvernier. 190o wurden aus den 
Kellern des ßürgerspitals etwa 20000 Liter Wein ver- 
kauft. 

Die Behörden der Bürgergemeinde sind folgende : ein 
Ammann und zwei Kommissäre, welche zusammen die 
die Geschäfte vorbereitende Burgerrats-Kommission bil- 
den : dann der (inkl. Ammann und die beiden Kommissäre) 
aus 16 Mitglie- 
dern beste- 
hende Gemein- 
derat ; zwei 
Fondsverwal- 
ter und ein 

Gemeinde- 
schreiber. Die 
Rechnungs- 
führung wird 
durch eine 

fünfkoptige 
Rechnungs- 
Revision s- 
Kommission 
geprüft. Dazu 
kommt eine 
aus 7 Mitglie- 
dern beste- 
hende Waisen- 
behorde. wel- 
cher der Am- 
mann von 
Amtes wegen 
als l'r.isiilenl 
angehört. Das 
waisenamtlich 
verwaltete Ver- 
mögen beträgt 
4914090 Pr. 
Sämtliche 
Beamte und 

Angestellte der Rürgergemeinde werden auf eine Amts- 
dauer von vier Jahren ernannt und aind einer perio- 
dischen Wiederwahl unterworfen. 




Solothurn : Der Krumme Turm 



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027 



Einunhnergenteinrie. Die Stadtkassareehnune der Ein- 
wohnergemeinde der Stadt Solothurn pro 31. Dezember 
1906 erzeigt ein reines Vermögen von etwa 
Fr. 1 182000, d. h. an Aktiven Fr. 2 '255 000 und 
an Passiven Fr. 1 073000. Zwei Fonds zu Schul- 
zwecken weisen zusammen ein Vermögen von 
Fr.ö95000auf. Der Museums- und Saalbaufonds 
erzeigt bei Fr. 647000 Aktiven und Fr. 250000 
Passiven ein unproduktives Vermögen von Fr. 
397000. Hiebei sind nicht mitgerechnet Mobi- 
lien und Sammlungen im Gesamtbeirage von 
Fr. 1 mir. mm. Ausserdem besitzen 9 verschie- 
dene Spezialfonds, deren Verwaltung ebenfalls 
der Gemeinde obliegt, ein Vermögen von 
zusammen Fr. 198000. 

Die Gesamteinnahmen der Stadlkassarech- 
nung beziffern sich auf Fr. 507000 und setzen 
sich zusammen wie folgt : Kapilalzinse Fr. 
15000, Brunnenkonzessionen Fr. 32000, Markt- 
und Schlachlhausgebühren Fr. 30000, Bauamts- 
erträgnisse Fr. 2o000, Beitrag des Gaswerkes 
Fr. 5000, Gemeindesteuern inkl. Feuer wehr- 
enlhebungsgebühren Fr. 366(100 und diverse 
Einnahmen Fr. 34000. 

Die Gesamtausgaben belaufen sich auf 
Fr. 512000 ; davon entfallen auf Schuldenver- 
zinsung Fr. 45000, Schuldenamortisation Fr. 
52000, Verwaltungskosten Fr. 540110, öffent- 
liche Beleuchtun g Fr. 31)000, Baukosten 
Fr. 152000 und diverse Aasgaben Fr. 79000. 
Für Deckung der Rechnungsausfälle wurden aufgewendet 
für den Schulfonds Fr. 71 000, für die Real- und Hand- 
werkerschule Fr. l.'looo und für den Museums- und Saal- 
baufonds Fr. 26000. 

Die Gemeinde besitzt ferner mit gesonderten Ver- 
waltungen ein Elektrizität«- und ein Gaswerk, beide 



ihrer Aegide sind eine Reihe höchst verdienstlicher Publi- 
kationen erschienen die vornehmlich die solothurnische 




kürzlich umgebaut und neu eingerichtet. Im Rechnungs- 
jahr vom 1. Juli 1904 bis 1. Juli 1905 erzeigte jenes einen 
Reingewinn von Fr. 27000, wovon Fr. 15000 zu Abschrei- 
bungen verwendet wurden; das Gaswerk erzielte einen 
Gewinn von Fr. 47 000, von welchem Fr. 40000 zu Ab- 
schreihungen und Fr. 5000 zur Abgabe an die Stadtkasse 
bestimmt wurden. 

Die Behörden der Einwohnergemeinde sind: I) der 
Gemeinderat (30 Mitglieder); 2) die Gemeinderats- 
kommissioo (7 Mitglieder ) ; 3) der Gemeindeammann, 
welcher von Amtes wegen Vorsitzender der beiden erst- 
genannten Behörden ist. Gemeinderaiskommission und 
Ammann werden aus der Milte des Gemeinderates, erstere 
vom Gemeinderat und letzterer >on der Gemeinde ge- 
wählt. Die Amtsdauer für Behörden und Beamte betragt 
4 Jahre. Den Polizeidienst versehen 1 Wachtmeister und 
6 Polizisten. Fernere Kommisaionen sind: Steuerkommis- 
sion (7 Mitglieder), Bechnungsrevisionskommission (7), 
Vormundschaftsbehörde (7), Feuerschaukommission (3) 
und Marktkommission (5). Die Schulaufsicht wird von 
der Schulkommission (11) und der Schuldienst vom 
Schuldirektor mit etwa 45 Lehrern und Lehrerinnen be- 
sorgt. Die Aufsicht über Gas- und Elektrizitätswerk wird 
von zwei besondern Kommissionen von je 3 Mitgliedern 
ausgeübt. 

Geistige» und getelliget Leben. Die Stadt Solothurn 
genoss von jeher den unbestrittenen Ruf, in der Pllege 
der Wissenschaft, Geselligkeit und Gemütlichkeit mehr 
zu leisten als andere Städte gleicher, ja selbst ansehn- 
licherer Grosse. Unter den der Verbreitung von Bildung 
dienenden Gesellschaften seien in erster Linie erwähnt 
die Literarische, die Naturforschende, die Historische 
und die Vortragsgesellschaft der «Töpfer». Der Ge- 
schichtsschreiber Robert Glutz-Blotzheim, der Urkunden- 
forscher Dr. Peter Scherer und der Ratsherr Lüthy grün- 
deten 1807/06 die Literarische Gesellschaft. Zu ihren 
Lesesälen, die mit in- und ausländischen politischen, 
wissenschaftlichen und belletristischen Zeitungen und 
Zeitschriften reich ausgestattet sind, können Fremde von 
Mitgliedern jederzeit eingeführt werden. Ihre auch fremd- 
sprachige Literaturen umfassende Bibliothek enthält 
gegen 8000 Bände. Die 1823 gegründete Naturforschende 
Gesellschaft blickt auf eine 75 jährige Geschichte zurück 
und hält ihre Sitzungen im Winter jeden Montag. Unter 



Solothurn i Turnichanze (1906 abgetragen). 

Flora und Fauna, sowie die Schätze der Sammlungen 
im Museum beschlagende Arbeiten enthalten. Die Vortraga- 
gesellachaft der ■ Töpfer» hat ihren Namen von dem 
den Gründern befreundeten Professor Desor erhalten 
und schaut auf eine fünfzigjährige Tätigkeit zurück. 
Wenige Jahre ausgenommen, hat sie allwinterlich 10-15 
öffentliche Vorträge veranstaltet, deren Reinertrag zu 
wissenschaftlichen und künstlerischen Zwecken Verwen- 
dung findet. Jedes Jahr wird über die Tätigkeit der Ge- 
sellschaft ein kleines Gedenkbuch veröffentlicht oder 
einer der gehaltenen Vortrage zum Druck befordert. Die 
seit 1853 bestehende Historische Gesellschaft hält ihre 
Sitzungen allmonatlich einmal ab. Sie macht es sich 
vornehmlich zur Aufgabe, kantonale und lokale Geschichte 
zu pflegen und in Publikationen von ihrer Arbeil auch 
weitere Kreise zu unterrichten. Sie unterstützt ideell 
und materiell Ausgrabungen, Erhaltungsarbeilen u. s. f. 

Die Interessen der bildenden Künste lassen sich die 
uralte Lukasbruderschaft und ganz besonders der Kunst- 
verein angelegen sein. Letzterer hat als Vorortssektion 
des schweizerischen Kunstvereins 1883 die Einweihung 
der mit Stückelbergs Fresken geschmückten Tellskapelle 
geleitet. Seit der Gründung des städtischen Museums 
zeichnet sich der Kunstverein durch rege Tätigkeit aus, 
indem er temporäre Ausstellungen veranstaltet, Kunst- 
werke ankauft u. a. f. 

Solothurn besitzt ein Theater das nicht nur zu den 
ältesten, sondern in den Geographiebüchern der ersten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts auch zu den schönsten der 
Schweiz gezählt wird. Wenn einmal nicht eine Berufs- 
schauspielertruppe den Winter ganz oder teilweise in 
Solothurn verbringt, tritt die Liebhabertheater-Gesell- 
schaft. deren Gründung ins 18. Jahrhundert zurückgeht, 
auf den Plan. Ihr hat als Mime, Kostümzeichner una 
Dekorationsmaler auch der treflliche Karikaturist Marlin 
Disteli angehört. Als Kerntruppe der fast 1000 Mitspie- 
lenden in Adrian von Arx' Dornaclwr Fetttpiel (1899) 
hat die Gesellschaft gezeigt, was sie zu leisten im stände 
ist. 

An Gesangvereinen besitzt Solothurn eine reiche Zahl : 
Der gemischte und Damenchor « Zäzilienverein • feierte 
im Mai 1906 seine 75. Gründungsfeier und hat in dieser 
Zeil gegen 200 Konzerte gegeben. Der durch Vereinigung 
von Liederkranz und Liedertafel entstandene Männerchor 
Solothurn hat sich auch an schweizerischen Gesang- 
festen ehrenvolle Lorbeeren erworben. Dazu kommen 
zwei städtische Harmoniemusiken und zwei Orchester- 
vercine, sowie einige kleinere Männer- und Frauenge- 
sangvereine. 

Auch an Wohltätigkeilavereinen ist die Stadt reich 



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(vergl. den betr. Abschnitt im Artikel über den Kanton 
Solothurn). Von allgemein vaterländischen Verbänden 
bestehen in Solothurn rührige Sektionen der schwei- 
zerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, des schweizer. 
Gemeinnützigen Frauenvereins, des Gewerbevereins und 
des kaufmännischen Vereins, welch letztere zwei ganz 
besonders auch die Weiterbildung ihrer Mitglieder im 
Auge haben und durch berufliche Prüfungen das Ansehen 
ihres Standes zu heben sich alle Mühe geben. Ornitho- 
logische und Garlenbaugesellschaften , sowie Jagd- 
scnutzvereine wenden ihre Aufmerksamkeit mehr prak- 
tischen Zwecken zu. Eine Reihe religiöser Vereine, 
Brüderschaften, Kongregationen u. s. w., die z. T. in alle 
Zeit zurückdatieren, treten wenig an die Öffentlichkeit. 
Zahlreich sind Schützengesellschaften und Turnvereine. 
Im gemütlichen Solothurn ist auch die Zahl derjenigen 



die alemannischen Horden. Nun wurde das Castrum 
Solodorense wieder bezogen und innerhalb der Mauern 
die St. Stephans-Kapelle errichtet, die erst zu Ende des 
19. Jahrhunderts in ein Wohnhaus umgebaut worden 
ist. Ausserhalb des Castrum erhob sich zur Zeit der 
Karolinger ein zweites Gotteshaus auf einer östl. vom 
befestigten Platz aufragenden Anhöhe, die durch ein 
Bachbelt und eine Schlacht von jenem abgetrennt war. 
Es war dem Andenken der thebäischen Märtyrer L'rsus 
und Viktor und ihrer Genossen geweiht und stand am 
gleichen Fleck, wo heute das St. Ursusmünstcr sich be- 
findet. Nach 1200 wurde Solothurn freie Reichsstadt. 
Jetzt legte man um einen weit grössern Landkomplex 
herum Wall, Türme und Graben an, wodurch die Stadt 
Solothurn nach W., N. und O. zu der Grösse gebracht 
ward, die sie nachher Jahrhunderte lang beibehielt. Die 




Arntei Solothurn-Lebero. 



Vereinigungen nicht klein, die die Förderung von ge- 
selliger Fröhlichkeit zum Zwecke haben. Zu den belieb» 
testen zählt die Narrenzunft Honolulu, wie der selige 
o Postheiri » die Stadt Solothurn benannte, welche sich 
seit der Erbauung des Konzertsaales durch die Veran- 
staltung von ßallfesten grossen Stiles einen Namen 
gemacht hat. 

Getchichllicke l'ebersicht. Nach einer frommen Ueber- 
lieferung sind ums Jahr 300 die von Agaunum (Saint 
Maurice) im Wallis hierher geflüchteten Thebäer Ursus 
und Viktor mit ihren Genossen durch den römischen 
Statthalter Hirtacus ihres christlichen Glaubens wegen 
gemartert und schliesslich enthauptet worden. Die St. 
Peterskirche an der O. -Seite des Klosterplatzes soll die 
Stelle bezeichnen, wo die Märtyrer, die sich ihre Häupter 
wieder auf die Schultern gesetzt und von Dreibeinskreuz 
w. der Stadt auf der Aare schwimmend den langen Weg 
zurückgelegt haben sollen, ihre letzte Ruhe gefunden 
hätten. Im 5. Jahrhundert trieben die Alemannen die 
Römer aus ihrem helvetischen besitz. Ilie Urbewohner 
kämpften vereint mit den Burgundionen gegen die Ein- 
dringlinge, vermochten sieh ihrer aber nicht zu erwehren. 
Erst Chlodwig, der kraftvolle Frankenkonig, bezwang 



Kleine Stadt (Vorstadt) am rechten Ufer der Aare stand 
durch eine und später durch zwei Brücken mit der gros- 
sem linksafrigen Siedelung in Verbindung. Aus dieser 
Zeit bedeutender baulicher Entwicklung sind noch eine 
Anzahl von im Laufe der Zeilen stark veränderten Bauten 
erhallen, wie z. B. der Zeitglockenturm, das Fran/is- 
kanerkloster u. a. m. 

Im Jahr 1318 wurde Solothurn durch Herzog Leopold 
von Oesterreich vergeblich belagert. 1481 trat die Stadt 
in den Bund der Eidgenossen. Kurze Zeit nachher er- 
standen die heule noch vorhandenen, so überaus charakte- 
ristischen Mutlilürme an der NW.- und NO. -Ecke, sowie 
das Baslertor am O.-Eingang von Solothurn. 

Die Stadt erhielt eine besondere Bedeutung, als in ihr 
von Franz I. weg bis auf Ludwig XVI. Frankreichs stän- 
dige Ambassadoren residierten. Es hat dies auch auf den 
architektonischen Charakter der Stadt einen grossen Ein- 
fluss gehabt. Die Gotik musste vielfach dem jeweiligen 
Geschmack der französischen Herrscher weichen. Seit 
1667 wurden nach dem Vauban'schen System mächtige 
und hohe Schanzen um die Stadt herum gelegt, die seit 
den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts zum grossten Teil 
abgebrochen worden sind, sodass sich davon bloss noch 



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SOL 



SO.M 



629 



die lindengekrönte St. UrsenbaBtion am NO.-Ende der 
Stadt erhalten hat. 

Die von 1838 an erfolgende Erweiterung der Stadt über 
die fallenden Wälle and sich füllenden Gräben weg zei- 
tigte neue Quartiere besonders im W., N., S. und NO. 
Ringsum von Mauern eingefasste stattliche Landhäuser 
mit ausgedehnten Gärten, Wiesen und Parkanlapen sind 
im St. Josephs-Quartier seit Generationen im Besitz der 
nämlichen Familien. Kin Frauenkloster im (>., sowie 
zwei Frauenkloster und ein Männerkloster nördl. der 
Stadt bedecken gewaltige Komplexe und drängen die 
bauliche Entwicklung weiter an die Peripherie. 

Die in Solothurn immer festem Fuss fassende l'hren- 
industne hat die rasche Erweiterung der Stadt gegen W. 
und NW. nach Bellach und Langendorf hin zur Folge 
gehabt. 

Altertümer. Anlässlich der Abtragung der Wälle fand 
man eine Lanzenspitze aus Itronze und bei kanalisations- 
arbeilen Trümmer von Töpferwaren aus der ersten 
Eisenzeit. Fibeln aus der ersten La Tene Zeit und kel- 
tische Münzen deuten auf eine frühzeitige Siedelting vor 
der Zeit der Romerherrschaft. Die Römer erstellten das 
Kastell Salodurum, von dem man heute noch Mauerrestc 
sieht (z. R. in der Löwengasse). In der Mauer eines 
Hauses an der Schaalgasse hat man einen Stein gefunden, 
der vom Hermesbühl und dem dort siehenden Merkur- 
tempel stammen muss, und dessen Inschrift anzeigt, dass 
Opilius Restius, Soldat der 22. Antoninischen Legion, mit 
der Hut des Yicus Salodurum betraut war. Von den 
übrigen in Solothurn gefundenen romischen Inschriften 
nennen wir den zur Zeit von Caracalla errichteten Meilen- 
stein und die zahlreichen Votivtafeln, die bei der Restau- 
ration dea St. Ursusmünslers zutage gekommen sind. 
Reste von Römerbauten hat man auch ö. der heuti) — 



igen 

Sladt. nahe der Kathedrale, in der Hauptgasse, nahe der 
Hreibeinskrcuzkirche und am Schüngrün. sowie Römer- 
gräber bei der Kathedrale und bei Ureibeinskreuz auf- 
gedeckt. Die Steinbrüche von Solothurn wurden schon 
von den Romern ausgebeutet. Unter den zahlreichen 
Einzelfunden heben wir hervor einen Commoduskopf 
(nahe dem Dunantkippeli) und eine 75 cm hohe Venus- 
Ktatue in weissem Marmor. Germanengraher sind nahe 
der St. Stephanskapelle und auf dem Zeug hau »platz zum 
Vorschein gekommen. Nahe der Kathedrale fand man 
im Jahr 1762 etwa 200 Münzen aus der Zeit der Karo- 
linger und der Ottonen. 

Die etymologische Erklärung des Namens Solothurn 
hat zu mancherlei seltsamen llj pothesen geführt. Alte 
Formen sind : 219 (auf dem Epona-Monument) Salodu- 
rum ; im 9. und 10. Jahrhundert ebenfalls Salodurum, 
dann Salotarum, Soloturum, Salatarn, Solatren. Solauro 
(woher französ. Soleure), Soloturn. Der Name ist heute 
noch nicht befriedigend erklärt. 

SOLOTHURN-Lt Bern. Amtf.I des Kantons Solo- 
thurn. l*mfasst die beiden Bezirke Solothurn und Lebern 
(volkstümlich Leberberg genannt), von denen jener einzig 
aus Gemeinde und Stadt Solothurn besteht. Fläche: Bezirk 
Solothurn 622,4 ha, Bezirk Lebern 11782.5 ha, Amlei 
also 12404,9 lia. Einwohner: Bezirk Solothurn 10025. 
Bezirk Lebern 14 544. zusammen also 24569 Seelen. 5000 
Haushaltungen in 2329 Häusern. Während das Gebiet 
des Kantons etwa 6 Vi mal grosser ist als dasjenige der 
Amtei Solothurn-Lebern, zählt diese etwa den vierten 
Teil der Gesamtbevolkerung. Der Bezirk Solothurn be- 
steht einzig aus der Stadtgemeindc Solothurn ; Lebern 
umfasiil folgende 16 Gemeinden : Balm bei Gunsberg, 
Bellach, Bettlach. Feldbrunnen-St. Nikiaus, Flumenthal, 
Grenchen, Günsberg, Hubersdorf. Kammersrohr, Langen- 
dorf. Lommiswil, Niederwil, Oberdorf. Riedholz, Rüt- 
tenen und Selzach. Grenchen ist mit 5202 Ew. die grosste 
Oemeinde dea Bezirkes, Kammersrohr mit 51 Ew. die 
kleinste Gemeinde des Bezirkes und des Kanlona über- 
haupt. Bezirk Solothurn : 2250 Bürger der Wohngemeinde, 
•2x7.1 Bürger andrer Gemeinden dea Kantons, 3981 Bürger 
andrer Kantone und 935 Ausländer ; 6098 Katholiken, 
3814 Beformierte, 81 Israeliten und 32 Andre; 9286 Ew. 
deutscher, 509 französischer, 190 italienischer, 8 roma- 
nischer und 32 andrer Muttersprache. Bezirk Lebern : 
5673 Bürger der Wohngemoinde, 2817 Bürger andrer 
a, 5705 Bürger andrer Kantone 



und 349 Ausländer ; 9508 Katholiken, 5010 Reformierte, 
8 Israeliten und 18 Andre ; 13663 Ew. deutscher, 801 
französischer, 72 italienischer und 8 andrer Mutter- 
sprache. Die Gemeinden des Mittel-Leberbergs hatten 
während des Baues der Weissensteinbahn ziemlich starke 
italienische Einquartierung, sodasa von der Solothurner 
Regierung in Oberdorf eine eigene italienische Schule 
für die Kinder der Arbeiter eingerichtet war. Die S.- 
Grenze der Amtei bildet von Staad weg bis Flumenthal 
die Aare ; die rechtsufrige Vorstadl von Solothurn und 
eine der Mündung des Siggernbaches gegenüber liegende 
Parzelle der Gemeinde Flumentlial greifen jedoch über 
diese natürliche Grenze hinaus. Westwärts slösst die 
Amtei an den bernischen Amtsbezirk Büren, nach NW. 
an den Amtsbezirk Münster (Moutier), im N. an den Be- 
zirk Balsthal-Thal und im O. an den bernischen Amts- 
bezirk Wangen. 

Eine Ausscheidung des gesamten Gebietes des Bezirkes 
Lebern nach Kulturen gab für 1883 an 

Rebland 2.16 ha 

Ackerland 2347, 2 • 

Wiesland 3274.92 » 

Weideland 1368.00 « 

Wald . . . 4501.00 » 

Seither ist der Rebbau gänzlich verschwunden. Wäh- 
rend noch vor wenigen Jahrzehnten Landwirtschaft 
(Ackerbau und Viehzucht) die Hauptbeschäftigung der 
Amtei (die Stadt Solothurn natürlich ausgenommen) war, 
haben wir jetzt stark entwickelte Industrien, die von W. 
her Dorf nach Dorf erobern und diesem früher aus- 
schliesslich bäurischen Kantonsteil ein ganz anderes Aus- 
sehen und ganz andere Lebensverhältnisse bringen. Am 
bedeutendsten ist die Uhrenindustrie, die aus dem Neuen- 
burger und Herner Jura her zuerst in Grenchen sich an- 
siedelte und heute in fast allen Dörfern zu treffen ist. 
Die ersten Uhrenmacher waren in Grenchen wie in den 
übrigen Fabrikdorfern de« Leberbergs fast durchwegs 
welscher Zunge. Eine Verschiebung der Sprachgrenze 
ist aber nicht eingetreten ; die in der neuen Heimat auf- 
wachsende Generation spricht von Kindheit auf deutsch 
und besucht die deutschen Schulen, wenn auch die 
Eltern oder einzelstehcnde Arbeiter zäh an ihrer Mutter- 
sprache festhalten. Ferner verdienen Erwähnung die 
grosse Zellulosefabrik in Attisholz, die Tuchfabrik in 
Langendorf, die Parketterien in Grenchen und Solothurn ; 
bedeutende Sägen, Mühlen, Ziegeleien, Bausteinfabriken, 
Brennereien in Grenchen, Selzach, Oberdorf, Langendorf, 
Solothurn, Attisholz u. s. f., die Steinbrüche von Lom- 
miswil, Solothurn, Rüttenen, Riedholz und Balm, sowie 
die Gipsgriiben auf Niederweier und Günsberger Boden. 

Sekundärschulen in Grenchen, Selzach und Niederwil. 
Viele junge Leute besuchen die Kantonsscliule in Solo- 
thurn. Allen andern Gemeinden voran marschiert Gren- 
chen ; Selzach hat sich durch seine Passionsspiele einen 
Namen gemacht. Die Gemeinden dea Mittel-Leberberga 
(Oberdorf. Lommiswil, Langendorf undBellach) erwarten 
von der Weissensteinbahn einen bedeutenden Aufschwung, 
die Gemeinden des Untern Leberbergs an der Strasse 
Solothurn-Altiswil-Wiedlisbach-Oensingen ein gleiche« 
von der projekterten Strassenbahn Niederbipp- Solo- 
thurn. 

Dass bei dem Erblühen der Indusine die Landwirt- 
schaft nicht zurückging, beweisen die Viehzählungen: 

1886 18!»» 1901 

Rindvieh 5118 5447 5815 

Pferde 609 696 805 

Schweine .... 1844 2288 2197 

Schafe 471 263 194 

Ziegen 1767 1630 1284 

Bienenstöcke » . . 1477 1144 2144 
Erwähnung verdienen noch die auf Boden des Bezirks 
Lebern liegenden Bäder Bachtelen (Grenchen) und Attis- 
holz, die Kurhäuser Weiaacnstein (Hinter und Vorder), 
Balmberg, Glutzenberg, Althüsli und Grenchenberg ; mit 
Ausnahme des Weissenstein und des Balmberg, welche 
zahlreiche Fremde herbergen, sind sie besonders von 
Einheimischen besucht. 

• OM (Kt. Appenzell I. R.. Gem. Gonten). 906 m. 
Gruppe von 4 Häusern, am Rand einea Torfmoore« und 
1 km von der Station Gontenbad der Appenzellerbahn 



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690 



SOM 



SOM 



( Winkeln -Herisau -Appenzell) entfernt. 28 tathol. Ew. 
Kirchgemeinde Gonten. Handstickerei. Torfauabeute. 

SOM LA PROZ (Et. Wallis, Bez. Entremont, Gem. 
Or»ieres). 963 m. Kleines Dorf an der Ausmündung de« 
Val Ferret, 22 km »w. der Station Martinarh der Simplon- 
bahn und t«& km sw. Orsieres. Liegt am S.-Ende des 
Wiesengeländes, das sich von Orsieres links der Dranse 
aufwärts bis zum Hingang in die Vallee de Ferret er- 
streckt, wird vom Ablluss dea Lac de Champex durch- 
zogen und von den Steilhängen der Breya und des Plan 
y ßoeuf überragt. Ist durch eine über die Dranse de Fer- 
ret gespannte kleine Brücke mit dem Val d'Entremont 
verbunden. 32 Häuser, 186 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Orsieres. Mehrere alle Häuser, deren eine» die Jahres- 
zahl 1578 trägt Der Name entspricht dem franzos. 
«sommet du pn ; ». d. h. « Wiesenhsupt ». 

SOmascona (Kt. Tessin. Bez. Blenio, Gem. Oli- 
vone). liL'i"> n. Gemeindeabteilung und höchst gelegener 
Weiler der Gemeinde, am Eingang ins Val Santa Maria 
und am alten Saumweg von Olivone auf den Lukmanier. 
1 km über dei Poststrasse. 2.."» km w. Olivone. 21 Hnuser, 
87 kathol. Ew. Kirchgemeinde Olivone. 
Viehzucht. Alte Siedelung. Schöne Aussicht 
auf Olivone und Umgebung. 

SOMAZZO iKt. Tessin, Bez. Lugano, 
Gem. Lopagno). 820 m. Gruppe von 7 Häu- 
sern im Val Colla. 14 km n. Lugano, zwi- 
schen Boveredo und Bidogno an einem Fuss- 
weg mitten in Kaslanienselven gelegen. 31 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Bidogno. Vieh- 
zucht. Im Sommer wandern die Manner als 
Maurer in den Berner Jura aus. 

SOMAZZO (Kl. Tessin, Bez. Mendrisi », 
Gem. Salorino}. 567 m. Gemeindeabteilung 
und Dorf im Val Salorino. 2 km no. Men- 
drisio und 20 Minuten s. der Station San 
Nicoiao der Linie von Capolago auf den 
Monte Generoso. 2ti Häuser, 103 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Salorino. Acker- und 
Weinbau. Viehzucht. Periodische Auawan- 
derung der Manner als Maurer und Schrei- 
ner, besonders in den Kanton Neuenburg. 
Schöne Aussicht auf die Ebene von Men- 
drisio. 

SOMBAILLE (LA) (Kt. Neuenburg, 
Bez. und Gem. La Chaux de Fonds). 896 m. 
Gruppe von 2 Hausern mit 2 Ställen, über 
Che/. Guillaume am Band der den Steilhang 
zum Doubs hinunter bedeckenden Waldun- 
gen. Ausgedehnter Blick auf die Hochllächender Freigraf- 
schalt. Die Hausergruppe hat ihren Namen einem der 11 
historischen Viertel von La Chaux de Fonds gegeben. Es 
beginnt am N. -Ausgang der Stadt beim Gemeindewaisen- 
haus unmittelbar über Bei Air und umfasst das Gebiet des 
Point du Jour, der Joux Dessus und Joux Derriere, die 
ehemaligen Steinbrüche Jacky und den das Haus Chez 
Cappel tragenden Abschnitt des Pouillerel. Das Schulhaus 
La Sombaille steht an der Strasse nach Lei Planchettes 
bei der Hauptsiedelungsgruppe der Joux Derriere. Nach 
W. reichte das Quartier einst bis an den Doubs hinunter, 
während der zwischen Chez Guillaume und Chez Bona- 
parte gelegene Abschnitt der Cöte du Doubs heute Sous 
Sombaille genannt wird. Zusammen 60 Hauser, 3ttti reform. 
Ew. Kirchgemeinde La Chaux de Fonds. 

SOMBEVAL | Kt. Bern. Amtsbez. Courtelary, Gem. 
Sonceboz-Sombeval». 663 m, Kirche in 671 m. Pfarrdorf 
im O. -Abschnitt des Thaies von St. Immer und am linken 
Ufer der Schuss, 500 rn n. der Station Sonceboz der Linie 
Biel-La Chaux de Fonds und 1 km wnw. vom Dorf Sonce- 
boz. Liegt in der grossen Schlinge, die die Linie Biel- 
Delsberg vor dem Eintritt in den Tunnel der Pierre Pertuis 
beschreibt. Postablage. Telephon. 23 Häuser, 181 reform. 
Ew Kirchgemeinde Sonceboz-Sombeval. Die Pfarrkirche 
steht in Sombeval. das Schulhaus halbwegs zwischen 
Sonceboz und Sombeval. Die Gemeinde liegt im frucht- 
barsten Abschnitt des Thaies. Ackerbau und Viehzucht. 
Uhreniuduatrie, Holzhandel. Elektrisches Licht. 866: 
Summavaiiis; 11i8: Sunbavalle ; 1179: Someval ; 1228: 
Sunbaval. 

SOMEO (Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 369 m. Gem. 



und Pfarrdorf am linken Ufer der Maggia, halbwegs 
zwischen Maggia und Cevio und 19 km nw. Locarno. 
Station der Linie Locarnu-Uignasco. Postablage. Tele- 
graph. Zusammen mit Biveo: 122 Häuser, 368 kathol. 
Ew. : Dorf: 108 Häuser, 324 Ew. Weinbau und Viehzucht. 
Starke Auswanderung der Manner als Pächter und Hotel- 
angestellte nach Kalifornien, besonders San Francisco. 
Schone Villen, Eigentum von im Ausland zu Wohlsland 
gelangten (lemeindebürgern. Fund eines Steinbeiles. Ge- 
genüber dem Dorf rauscht der prachtvolle, an die 100 m 
hohe Wasserfall von Soladino zu Thal. Von Someo aus 
kann in 5 Stunden die Punta di Spluga (2209mi erstiegen 
werden, die eine sehr ausgedehnte Fernsicht bietet. 

SOMMAINO | Kt. Graubünden, Bez. Bernina, Kreis 
und Cem. Puschlav;. 1133 m. Gruppe von 8 Häusern am 
linksseitigen Gehänge des Puschlav; 1,5 km n. vom Dorf 
Puschlav und 17,5 km nnw. der Station Tirano der Velt- 
linerhahn. 39 kathol. Ew. italienischer Zunge. Kirchge- 
meinde Puschlav. Wiesenbau und Viehzucht. 

SOMMARTCL oder SONMARTKL [Kt Neuen- 
burg, Bez. Le Locle). 1339 m. Kette des Neuenburger 




Someo von Nordwesten. 



Hochjura mit zwei bewaldeten Gipfeln 4 km s. Le Locle ; 
zwischen den Thälern von Le Locle-La Chaux du Milieu 
einerseits und Lea Ponts-I,a Sagne andrerseits. Be- 
liebtes Ausflugsziel der Bewohner von Le Locle, zwi- 
schen den Strassen von Le Locle nach La Sagne und 
nach l.es Ponts. Am Gehänge stehen mehrere zerstreute 
Höfe. Aussicht auf den Hochjura und einige Alpengipfel. 
Aufstieg von Le l.ocle her in 1 *l 1 Stunden. Der O. -Gipfel 
hat 1330 m (trigonometrisches Signal i und heisst Grand 
Sommartel, der W. -Gipfel trägt den Namen Petit Som- 
martel und erreicht 1339 m. 

SOMMENTIKR (Kt. Freiburg. Bez. Glane). 912 m. 
Gem. und höchstgelegener Weiler des Bezirkes, 2 km 
sw. der Station Vuisternens der Linie Bulle-Bomont. 
Gemeinde, mit Au Päquier. Chez les Dumas und En 
Pramothaux : 49 Hauser. 274 kathol. Ew. französischer 
Sprache; Weiler: 9 Häuser, 32 Ew. Kichgemeinde Vui- 
sternens. Wiesen- und Obstbau, Viehzucht. Slrohllech- 
terei. 1248: Somentier. 

SOMMERAU (Kt. Basel Land, Bez. Sissach, Gem. 
Gelterkindenl. 450 m. Häusergruppe mit Erziehungsan- 
stalt für arme Kinder, Eigentum einer Gesellschaft ; im 
Homburgerthal 5 km so. Sissach. Station der Linie Olten- 
Basel. Postbureau ; Postwagen nach Zeglingen und l..m fei - 
fingen. 5 Häuser, 73 reform. Ew. Die Anstalt zählt etwa 
30 Zöglinge (Knaben und Mädchen). 

SOMMERAU (Kt. Zürich, Bez. Hinwil, Gem. Wetzi- 
kon). 577 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km nö. der Station 
Kempten der Linie Ell'retikon - Wetzikon - Hinwil. 21 
reform. Ew. Kirchgemeinde Wetzikon. Wiesenbau. 

SOMMERHALDEN (Kt. lauern. Amt Sursee, Gem. 



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Sl >.M 



SOM 



631 



Grosswangen). 700 m- Gruppe von 4 Häusern, in einer 
Waldlichtung am Leidenberg und 3 km iw. der Station 
Sursee der Linie Luzem-Olten. 23 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Grosswangen. Wiesenbau. 

SOMMERHAUS (»EU88ERE8 lind 

INNERES) (Kt. Bern, Amtabez. und Gern. 
Burgdorf). 580 m. Ehemaliges Heilbad, heute 
f.asihof und Hausergrappe; am Waldrand i 
km nö. der Station burgdorf der Linie Bern- 
( Ilten JM'hön gelegen. 4 Häuser, '26 reform. Kw. 
Kirchgemeinde Burgdorf. 

SOMMEAl (Kt. Thurgau, Bez. Arbon). 
Politische Gemeinde, aus den beiden Ortsge- 
meinden und Dörfern Nieder und Ober Som- 
meri bestehend. Zusammen: 86 Häuser, 418 
Ew., wovon 44 Heformierte. Kathol. Pfarrei. 

IOMMIRI (NIEDER) (Kl. Thurgau, Bez. 
Arbon. Gem. Sommeri). 470 m. Orlsgemeinde 
und Pfarrdorf ; 2,."> km Dnw. der Station 
Amriswil der Linie Zürich- Winterlhur-Bo- 
manshorn. Postablage, Telephon. 52 Häuser, 
387 Ew., wovon 20 Reformierte, Obst- und 
Wiesenbau, Wald. Her Turm der Pfarrkirche 
ist von weither sichtbar. Maschinen- und 
Handstickerei. Der Ort wird zum erstenmal 90."» urkund- 
lich erwähnt. Er war zunächst ein Lehen des Itihlums 
Konstanz und kam dann 1474 an die Abtei St. (iallen. 
1468 zählte er 166 Herdstätten. Konfessionelle Streitig- 
keiten und die Ausübung der hohen llerichtsharkeit brach- 
ten die Abtei häutig mit der Tagsatzung in hontlikt. Im 
Hungerjahr 1692 zählte man in Sommeri 132 Bedürftige 
und 233 Bettler. 

sommeri (OBER) {Kt. Thurgau, Bez. Arbon. Gem. 
Sommeri). 480 m. Ortsgemeinde und Dorf, 1 km nw. 
Nieder Sommeri und 3,5 km nw. der Station Amriswil 
der Linie Zürich-Winterthur-Romanshorn. 34 Häuser, 
181 Ew., wovon 24 Reformierte. Kirchgemeinde Sommeri. 
Obst- und Wiesenbau. Wald. Genossenschaflskaaerei. 
Etwas Stickerei. Ober Sommeri ist eine alte Siedelung 
und wurde 1345 von Johann von Heidelberg an Slenhan 
von Roggwil, Bürger zu Konstanz, verkauft. 908: in Sum- 
brinaro marcho. 

SOMMERIQKOPF (Kt. St. Gallen, Bez. Werden- 
berg). 1316 m. Breiter Bergrücken in der Kette Gulmen- 
Galterifirst, 4 km ö. Wildhaus im obern Toggenburg. 
Felaen und Alpweiden, am Weg auf Gulmen und 
Gatterilirst. Schöne Aussicht auf Vorarlberg, Liechten- 
stein und St. Galler Oberland. 

sommersberg (Kl. Appenzell A. R., Mittelland, 
Gem. Gais). 1180 m. Anhohe mit Alpweide. 4 km 6. der 
Station Gais der Slrassenbahn St. Gallen-Gais< Appenzell. 



Gem. Bourg Saint Pierre). 1930 m. Alpweide mit Hütten 
und Ställen am obern Ende des Plan de Prot ; 1,5 km s. 





Aonlalt Sommerau (Banel Land). 

4 Häuser. 7 reform. Ew. Kirchgemeinde Gais. Viehzucht. 
Gasthof. Schöne Aussicht auf Hhcinlhal und Vorarlberg. 
SOMMET DE PROZ (Kl. Wallis, Bez. Entremont, 



Sommeri von Sudan. 

der Gantine de Proz und 600 m ö. der Stelle, wo die 
Dranse aus dem Engpass von Marengo tritt. Die Alp- 
weide umfasst einen Teil des Thalboaens von Pro/, das 
Val de Menouve und den vordem Abschnitt des auf den 
Grossen St. Bernhard sich hinaufziehenden Thälchens. 
Wird von einer Genossenschaft bewirtschaftet und vom 
15. Juni bis 20. September mit etwa 20 Kühen und 10 
Stuck Kleinvieh (meist Ziegen) bezogen. 

SOMMET DE8 VIQNE8 (LI) (Kt. Wallis. Bez. 
Martinach, Gem. Martinach-Combe). 790 m. Weiler am 
obern Band der Weinberge von Martinach und unterhalb 
der die Basis der Terrasse von Ravoire bekleidenden 
Waldzone. 3 / t Stunden über der Station Martinach der 
Simploubahn. 8 Wohnhäuser, 22 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Martinach. 1906 erbautes kleine« Hotel für Kur- 
gäste. Die übrigen Bauten, die sich auf eine Strecke von 
fast 1 km Länge ninziehen, sind bescheidene Rehhäuschen, 
die von den hier Reben besitzenden Leuten aus dem 
Bergland zur Zeit der Arbeiten im Rebberg periodisch 
bezogen werden. 

80MVIX, romanisch Sl mvitc (Kt. Graubünden. Bez. 
Vorderrhein, Kreis Disentis). 1064 m. Gem. und Pfarrdorf, 
am linksseitigen Gehänge des Bündner Oberlandes sonnig 
gelegen; 7 km nö. Disentis und 22,6 km sw. der Station 
Banz der Oberlandbahn (Ghur-Ilanz). Postbureaii. Tele- 
graph. Telephon; Postwagen Ilanz-Disentis-Rueras (im 
Sommer über die Oberalp bis Andermalt und Göschenen). 

Gemeinde, mit Compadials. Laus, Rabius, Sogn 
Renedetg und Surrhein : 105 Häuser. 1205 ka- 
thol. Ew. romanischer Zunge ; Dorf: 41 Häuser, 
253 Ew. Die Kirche hat einen schlank auf- 
strebenden Turm mit schönem Geläute. Wie- 
senbau und Viehzucht. Bis zum Beginn des 
19. Jahrhunderts pflegte man in Somvix unter 
freiem Himmel ein altes P.issionsspiel aufzu- 
führen, das als interessantes Beispiel ehemali- 
ger Volkspoesie gellen darf. 766: Vicus; 1252: 
bummovico: Summus viau— obersler Weiler 
(des Thaies). In der Nähe die Burgruine llohen- 
balken, Sitz eines um Bünden verdienten 
erloschenen Geschlechtes. Die Familie Huonder 
aus Somvix hat dem Kloster Disentis seinen 
65. Abt gegeben. 

SOMVIX (VAL) oder SOMVIXER- 
THAL, nach der Kapelle St. Antoni in Teni- 
gerbad wohl auch Val Tenji genannt (Kt. 
Graubunden. Bez. Vorderrhein). 2500-892 m. 
Bechtsseitiges Nebenthal zum Vorderrheinlhal 
(Bündtier Oberlandi, auf welches es sich bei 
Surrhein (892 m) 3 km sw. Trans öirnet. Das 
Somvixerthal hat im ganzen nordl. Bichtung 
und ist ein ausgesprochenes Ouerlhal, das 
zum grössern Teil in kristallinen Formationen 
verlauft und bis zur Vereinigung seiner grössten Quell- 
stränge8.3 km lang ist. Begrenzt wird das Thal : im O. von 
der Kette Piz Miezdi (2742 m) -Piz Nadeis (2793 m) -Piz 



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639 



SOM 



SON 



Grein 12894 m) -l'.z Cavel 12944 m i-PizTgietschen(2858 m) 
und im W. vom Kundwall der Garvera (»71 m),dem Piz 



Somvix von Nordosten. 

Muraun (2899 ml und den über dem Valesagletschcr 
tränenden Spitzen (l'iz Cazirauns. l'iz Senteri und Piz 
Stavelatsch). Am N.-Hang der Garvera liegt auf einein mit 
erratischen Hlöcken ubersäten Plateau der von Forellen 
bevölkerte Alpsee Lau» (1GÜ0 m , der seine Entstehung 
der Stauung durch zwei Moränen verdankt und dessen 
Abflugs erst durch eine Kluft und dann über eine Felsen - 
stufe zu Thal eilt. Sudl. vom Thal ragen, schon vom Thal- 
eingang aus sichtbar, der Piz Vial |3I66 m), Piz Gaglia- 
nera (31 22 ml und Piz Valdraus auf, die alle mit bedeuten- 
den Gletscherfeldern geschmückt sind. 

Hinten spaltet sich das Thal in Val Lavaz und l.;i Greina, 
von denen jenes nach W. zieht und, grossartige Alpcn- 
bilder aufweisend, unter dem mehr als 2 km langen La - 
vazgletscher (dem grossten Kisfeld der Gaglianeragruppe) 
endigt. Der andere Thalarm fuhrt in die sog. Fronscha. 
einen auf hoher Stufe gelegenen Felsenzirkus mit steilen 
Wänden und losenden Wasserstiir/en. auf den das SVV. 
und \V. gerichtete, 2 Stunden lange, grüne Hochthal La 
Greina folgt. Abgeschlossen wird es von dem in richtiger 
Hochgebirgswell liegenden Greinapass (2360 in), der nach 
Val Carnadra und in das Obstgartenland von Olivone hin- 
unterführt (von der Alp Gamuna unterm Diesrutpass bis 
zur Passhöhe I ' ., und von da bis Olivone 5 Stunden). In 
neuester Zeit wird die Greina fur einen Alpendurchstich 
neben dem Splügen wieder viel genannt. 

Aus dem Somvixerthal leiten folgende Pässe in die be- 
nachbarten Alpen- und Thalgebiele hinüber: Der L'eber- 
gang von Surrhein und Val durch die Alp de Nauslgel s. 
tier Garvera in etwa2t00 m nach der Alp de Soliva. Soliva 
und Guraglia im Medelserthal <»ler durch die Alp Soliva 
direkt hinunter nach Disenlis ; die Fuorcla de Valesa aus 
der Alp Valesa im NW. -Richtung, s. vom aussichtsreichen 
Piz Muraun. nach Plattas und Guraglia; die Fuorcla 
Lavaz (2509 m) von Tenigerbad aus in 7-8 Stunden durch 
Val Lavaz und den Hintergrund des Thalchens von Plattas 
nach Guraglia (mit grossartigem Kinblick in die Gletscher- 
pracht des Piz Medel); die Fuorcla de Stavelatsch (2553m) 
vorn Hauptth.il durch die Alp Valesa nach Val Lata;, im S , 
der eben genannte GreinapaBs; der Diesrutpass i "2 .24 m 
aus dem Hintergrund des Somvixerthales und dem Greina- 
passthal nach Puzatach-Vrin-Lugncz ; die Fuorcla de Ra- 
musa |2650 ml vom obern Somvixerthal s. am Piz Gavel 
%'orbei durch Alp Ramosa nach Pu/atsch-Vrin ; das Cavel- 
joch (Fuorcla de Cavel ; 2536 ml n. vom Piz Cavel aus dem 
obern Soinvix nach Villa im Lugnez (Tenigerbad-Villa 
7 Stunden) und endlich der sanfte l'ebergang von Teniger- 
bad über den Culm und die Alp de Nadeis nach Rinken- 
berg und dem Vorderrhein. 

Der das Thal durchfliegende Somvixerrhein hat von der 
Stelle der Vereinigung der Rache aus dem Val Lavaz und 



aus dem Thal der Greina bis Surrhein ein Gefalle von etwa 
49 Jm oder 6% Nach Lauterburgi f 'eberstcht der schweizer. 

Wasserkräfte ; Vorltericht. Hern 1890) betragt 
die gesamte Fallhohe des Somvixrrrheins 
1331 m, diegesamte Rrullowasserkraft .Yi37 PS 
und die produktive Wasserkraft 277 PS. Das 
Thal ist eng und sowohl an seiner eigenen 
Ausmündung als an derjenigen der beiden 
grünsten (juellthäler durchschluchlet. Das Som- 
vixerthal ist meist in Serizitphyllite und -gneis, 
sowie auch in echten Gneis eingeschnitten, 
aus welch lelzterm zwischen der Alp Valtenigia 
und der Fronscha und auch im Val Lavaz ein 
aus dem Medelserthal herüber reichender gros- 
ser Stock von Granitgneis und Granit hervor- 
bricht. Am Piz Cavel sö. der Alp Valtenigia 
tritt Felsitfelt und -schiefer auf. In der Gegend 
des Tenigcrbades sc tili essen die Serizitphyllite 
und -gneise eine enge Mulde von Verrucano. 
Anlhrazilschiefer, Rötidolomit und dunkeln 
Liasschiefern ein, die über die Alp Nadeis quer 
durch das Thal zur Garvera hinreicht. In den 
semitischen Phyllitachiefern des Thalvorder- 
grundes zieht ein aus der Gegend s. I i an- 
kommendes schmales Rand von Talk- und 
Chlori .schiefern südwestwärts über den Som- 
vixerrhein. Oberhalb Val. auf der Alu Gargia- 
letach s. vom Piz Nadeis und w. vom l'iz Grein, 
sowie im Val Livaz sind noch bedeutende Morä- 
nenreste vorhanden, wahrend man im Thalhintergrund 
schone Cletschcrschliffe und Krosionskessel beobachten 
kann. Am Fuss der Schutthalden, besonders auf der rech- 
ten Thalseile der Gegend von II Run. fliessen reiche und 
schöne Quellen. Das Tenige>bad verdankt seinen Ursprung 
und Ruf einer bitlcrsalzhaltigen Gipsquelle, die im tria- 
dischen Rötidolomit entspringt I Analyse von Prof. Richard 
Meyer I877|. Viele Teile von Gebirg und Thal sind reich an 
Mineralien, besonders die Alp Nadeis, wo u. a. Bleiglanz. 
Zinkblende und Antimonglanz gefunden werden und Spu- 
ren eines frühern Rergbaues existieren. Die Liasschiefer 
am Greinanaas liefern Versteinerung-Mi. 

Der Thalweg geht über das wie das ganze Thal zur Ge- 
meinde Somvix gehörende Dorf Surrhein auf der linken 
Seite des Somvixerrheins hin, da die rechte Seite steile 
Felsen zeigt und oft durchschluchtet erscheint. Rald zeigen 
sich die Häuser und Rerghülten von Val mit einer Ka- 
pelle (1212 m , worauf man über die Höfe Clavadials und 
Salsa Pleuna nach dem Tenigerbad (Tenji, Hagn Sumvitg ; 
1273 m) gelangt. Dieser idyllische Ort mit alter Kapelle 
hat zwei Hotels (Kurhaus), grosse Waldungen und schone 
Spaziergänge und ist jetzt allsommerlich gut besucht. 
Hier erscheint der Thalboden erweitert und auch am 
stärksten bewohnt (Tenigerbad. die beiden Hofgruppen 
Rosas, weiter hinten II Run). Nachdem das Thal hinter 
Rosas Dado sich eingeengt hat. erweitert es sich hei der 
angenehm gelegenen Häusergruppe Run (1295 ml neuer- 
dings, um nun derart über die Alpen Valtenigia und Pleun 
Rurschina bis zur Thalgabelung sich zu erstrecken, wo- 
rauf es steil zur Fronscha einerseits und ins Val Lisa/ 
andrerseits hinaufgeht. Am Eingang des Somvixerthales 
pflanzt man noch Getreide und Kirschbäume, während 
das enge Thal weiter oben nur wenig Kulturboden auf- 
weist. Dagegen hat es ausgedehnte Wälder und im Hinter- 
grund und den Seitenlhälern schöne Alpweiden. Reich 
ist das Thal an Vogelarten, sowie an botanischen und ento- 
mologischen Seltenheiten. Viele und hübsche Sagen. Re- 
wohni ist das Somvixerthal nur wenig; Surrhein ist das 
einzige eigentliche Dorf dieses Teils des Ründner Ober- 
landes. 

Hihhoqraphie: Theobald, G. Das Hündner Oberland. 
Chur 1861. - Theobald. G. Saturbilder aus den rät. 
Alpen. 3. Aufl. Chur 1893. —Heim, Mh.Geolagie der Hoch- 
alpen zwischen Heuss und Rhein. (Beiträge zur genltxj. 
Karte der Schweiz. 25). Rern 1891. — Tarnuzzer, Chr. 
Itluslr. Hündner Oberland. (Europ. Wanderbilder. 256). 
Zürich 1903. [D-. Ci>r. T»Hsizz«a.| 

sona don (COL DU) (It Wallis. Bez. Entremont). 
3489 m. Passübergang in der vom Grand Combin zum 
Moni Velan ziehenden Kette, zwischen dem Grand Combin 
und dem Mont Sonadon (oder Amianthe; 3000 m). Ver- 



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SON 



SON 



im 



bindet Dourg Saint Pierre mitderChanrionhüttedes S. A. C. 
und Mauvoisin. Aufstieg von Bourg Saint Pierre zurValsorey- 
hülte de« S. A. C. (Nachtquartier) in 5 Stunden, von Ja 
tur Passhöhe 3 Stunden und Abslieg nach Mauvoisin in 
5 Stunden. Zum erstenmal 1881 überschritten, bildet einen 
der Pässe des sog. Mohenweges von /ermatt über die Glet- 
scher nach Chamonix. 

SONAOON (QLACtER DU) (Kt. Wallis. Uez. Enlre- 
mont). 3500-2547 in. 2 km breiter und 1,3 km langer Glet- 
scher auf dem Hochplateau zwischen Aiguille des Lui- 
settes, Aiguille« Vertes, Amianthc oder Moni Sonadon, 
Grand Combin und Aiguille du Dejeuner. Der Gletscher 
wird durch ein FelarilTin zwei Abschnitte getrennt, deren 
unterer von vom obern Teil abstürzenden Eishlöcken und 
Lawinen genährt wird (regenerierter Gletscher) und in 
9947 n mildern Glacierde Vaisorey verschmilzt. Entwässert 
sich unlerdem letztem durch zum Wi'dbach von Valsorey, 
einer der Ouelladern der Dranse des Entremonllhaleä. 
Der Gletscher liegt am Weg über die Passe von Sonadon, 
der Aiguille Verte deValsorey und von I.es Luiseltes. 

SONADON (MONT) i Kt. Wallis, Bez. Enlremont). 
In der alpinen Literatur hie und da üblicher Name Tür 
den Amianthe (3600 m), den die Siegfriedkarte und die 
italienische Generalslabskarte mit der Grande Tete de By 
identifizieren, wahrend der Name Tele de By (3422 in) 
auf der Üufourkarte demjenigen Gipfel beigelegt ist, 
der von den Italienern als Teata Bianca bezeichnet 
und mit 34X2 m kotiert wird. Die eingehendste und 
zuverlässigste Topographie dieses Gebietes hat Tupham 
(Alpine Journal. 18. 18m) gegeben, der den Amianthe der 
Siegfriedkarte, die Grande Tete de Bv und den Munt 
Sonadon als einen und denselben Gipfel erklärt. Die lie- 
steiger von 18U.*> fanden auf demGipfel eine um eine Slauge 
errichtete grosse Steinpyramide, die das Werk italienischer 
Ingenieur-Topographen sein muss. Die Bezeichnungen 
Sonadon und SobuIm (s folgenden Art.) bedeuten s.v. a. 

• kleine Glocke » (pelite sormaille). wie man sie den 
Kalbern, Ziegen etc. umhängt. 

SONALLON i Kl. Wallis, Bez. Enlremont, (•ein. 
Hagnes). 1762 m. Maiensäss mit etwa 15 Hütten. 2 km n. 
Verbier in der Mitte des hinter Akne m Dorf fächerförmig 
sich ausbreitenden kleinen Thaies. Wird im Frühjahr und 
Herbst von den Leuten aus Verbier, Villelle und Le Chäble 
bezogen. 

SoNCEBOZ (Kt. Bern. Amtsbcz. Courtelary. (iem. 
Sonceboz-Sombeval). 656 m. Dorf im (• -Abschnitt des 
Thaies von St. Immer und am linken t'fer der Schüas, 
am Ausgangspunkt der berühmten Strasse über die 
Pierre Perluis und 900 m ono. der Station Sonceboz der 
Linien Biel- La Ghaui de Ponds und Biel-Delsberg-Basel. 
Poslhureau, Telegraph, Telephon. 65 Häuser. 80i reform. 
Ew. Pfarrei. Elektrisches Licht und Wasserversorgung, 
[.and Wirtschaft. Holzhandel und Uhrenindustiie. Etwas 
s. vom Dorf eine Fabrik für L'hrenrohbestand- 
leile mit etwa 10 Gebäuden am rechten l'fer 
der Schüss und gegen den Eingang in die kurze 
Kluse, in der das Elektrizität*- und Wasserwerk 
steht. Sandgruben und Brüche auf ausgezeich- 
neten Baustein. Das an der Kreuzung des Sl. 
Immerthaies mit dem Vallon de da Heulte 
Thal der untern Schüss) und dem Thal der 
Pierre Pertuis gelegene Dorf war schon in 
alter Zeit ein bedeutender Verkehrsknoten, 
hat dann aber wie auch die Strasse über die 
Pierre Perluis seit dein Bau der Eisenbahn 
viel von der ehemaligen Belebtheit eingebüssl. 
Doch ist Sonceboz dank seiner zentralen Lage 
im Jura noch der bevorzugte Versammlungsort 
von jurassischen Vereinen und grossen poli- 
tischen Veranstaltungen geblieben. Auf der 
Boche de Chätillon (950 m) 1.3 km so. vom Dorf 
sieht man die Reste einer ehemaligen Burg, die 
wahrscheinlich auf den Grundmauern einer 
die S. -Flanke der Pierre Pertuis schützenden 
romischen Festungsanlage sieht. Funde von 
römischen Münzen aus der Zeit der Kaiser 
Caesar, Augustus und Diokletian. 1326 war 

• Suntzelbo » ein in der Hand der Edeln von Pe"ry liegendes 
Lehen der Kirche zu Basel, dessen Zehnten je zur Hälfte 
dem Fürstbischof von Basel und dem Kapitel Moutier- 



Grandval zukamen. Bis 1665 stand die niedere Gerichts- 
barkeit der Propstei Moutie* zu. Der Name ist nach 
Gatschel vom alemannischen Personennamen Sundalboli 

herzuleiten. 

8once BOZ SOMBEVAL (Kt. Bern. Amtabez 
Courlelary). Gemeinde mit den beiden Dörfern Sonceboz 
und Sombeval, sowie der Montagne du Droit und der 
Montagne de l'Envers. 114 Häuser. 1158 Ew. französischer 
Zunge, wovon 124 Katholiken. Pfarrei. 

bONCMAUX (Kt. Waadt. Bez. Vevey, Gem. Veylaux 
und Villeneuve). 1100-1400 m. Wiesen mit mehreren 
Hutten, auf dem SW. -Ausläufer der Hochers de Naye und 
2 Stunden o. der Station Veylaux- Chillon der Simplon- 
bahn. Am Fussweg von da über Plan Doran auf die Ho 
chera de Naye. Prachtvolle Aussicht auf den Genfersee 
und sein l'fergelände. Beliebtes Spaziergangsziel der Kur- 
gäste von Montreux. Nach NW. tiberliegende spitze Kreide- 
mulde im Malm. 

SONDER, SONDERI und 8CENDERLI. Orb. 

namen. 23 mal in Appenzell. 2 mal im Kanton St. Gallen 
und einmal im Kanton Zürich anzutreten. Bezeichnen 
einen nach S. exponierten Hang und leiten sich vom alt- 
hochdeutschen tunthar — Süden her. Entsprechen den 
Ausdrucken Sonnenberg. Endroit und Le Droit. Vergl. 
auch den Art. Nonn, Nüruu. 

sonder (Kt. Appenzell A. R., Hinterland. Gem. 
Hundwil). 780 m. Weiler 4 km ö. der Station Waldstatt 
der Appenzellerbahn ( Winkeln - llerisau - Appenzell). 16 
Häuser. 71 reform. Ew. Kirchgemeinde Hundwil. Vieh 
zucht. Maschinenstickerei. 

Sünde« (Kt. Appenzell A. B . Hinterland. Gem. 
Stein). 790-800 m. 12 an der Strasse Appenzell-Hundwil 
zerstreut gelegene Häuser, 4 km o. der Station Waldslalt 
der Appenzellerbahn | Winkelu-Herisau-Appenzell). 61 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Stein. Wiesenbau. Stickerei. 
Handweberei von Musslin. Eines der Häuser soll die ehe- 
malige Burg Hundstein. Sitz der Vogte der Abtei St. 
Gallen, sein. 

sonoer (Kt. Appenzell A. lt.. Vorderland. Gem. 
Wolfhalden). 800 m. Gemeindeabteilung mit den Häuser- 
Gruppen Augate, Höhe, Högli, Hub, Klus, Bis, Scheibe. 
Sommersberg. Sonder, Striland, L'nterach. Wasen und 
Zeig. Zusammen 87 Häuser. 482 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Wolfhalden. Weiler Sonder, auf einer sonnigen 
Hohe 3 km sw. der Station Rheineck der Linie Ror- 
schach-Sargans-Chur gelegen : 12 Häuser, 59 Ew. Post 
wagen Heiden-Rheineck. Seidenweberei. 

SONDE" iKt. Appenzell I. R.. Gem. Uberegg). 680 m. 
Gruppe von 9 Häusern, 3 km w. der Station Berneck der 
elektrischen Strassenhahn Altstätten- Berneck. 52 kathol 
Ew. Sl. Gallische Pfarrei Berneck. Übst- und Wiesenbau. 
Maschinenstickerei , 

SONDER Kl. Sl. Gallen. Bez. und Gem. Tablati 




Sonceboz von Nordwesten 



850 m. Gruppe von 4 Häusern, im obern Abschnitt des 
Thaies der Steinach am S.-Hang des Freudenberges ge- 
legen; 2 km 6. der Station Mühlegg der Drahtseilbann 



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634 SON 

St. Gallen-Mühlegg. 30 kathol. und reform. Ew. Kirch- 
gemeinden St. Gallen. Ackerbau und Viehzucht. Viele 
der Bewohner arbeiten in den industriellen Betrieben 
von St. Georgen und St. Gallen. 

SONDERBAD ( Kt. Appenzell A. R., Hittelland, 
Gem. Teufen). 916 m. Meilbad mit Eisenquelle und Kur- 
ort, am O.-Hang der Fröhlichsegg, eines bekannten Aus- 
sichtspunktes, schon gelegen; am Weg St. IIa Ken -Teufen 
und 1 km n. der Station Teufen der Slraasenbahn 
St. Gallen-Gais-Appenzeil. Schöne Wiesen. 

SON DER EOG {Kl. Appenzell I. H-, Gem. Oberegg). 
634 m. Gruppe von 6 Häusern, 2 km w. der Station Ber- 
neck der elektrischen Slraasenbahn Altstätten-Berneck. 36 
kathol. und reform. Ew. Kirchgemeinden Beroeck und 
Reute. Obst- und Wiesenbau; Stickerei und Weberei. 
Wahrscheinlich Wiege des Geschlechtes Sonderegger, 
das beiden Appenzell manchen verdienten Magistralen 
gegeben hat. 

SONDERHALDK (Kt. St. Gallen, Bez. Unter Tog- 
genburg). 800 m. Felsiger und bewaldeter Berghang über 
den Weilern Sonder, Neuhof, Ramsau und Rilzenhaus ; 
3,5 km s. der Station L'zwil der Linie Zürich-Wintorthur- 
St. Gallen. Trägt die Häusergrupne und Schlossruine 
Eppenberg. Am S.-Fuss liegt das Rindal (Weiler Ober 
und Unter Rindal) zwischen Lülisburg und Flawil mit 
der alten Poststrasse Flawil-Lütisburg. Schöne Aussicht 
ins Unter Toggenburg, sowie aur die Gegend von Wil 
und Gossau. 

SONLEMONT (Kt. Waadt. Bez. Pays d'Enhant, 
Gem. Chäteau d'(Ex). 1500-1530 m. Passscheitel mit 
einigen Hütten zwischen den Monts Chevreuils (1753 mi 
und der Pointe de Planachaux |1891 in). Der Uebergang 
verbindet das Thalbecken von Chäteau d'tEx mit dem 
mittlem Abschnitt des Thaies des Hongrin. Lea Moulins- 
Paashohe 1 '/» Stunden, Abstieg zur Säge von Le Päqueret 
am Hongrin in Vj Stunde. Man kombiniert diesen Pass 
zuweilen mit demjenigen von Chaude. um von Chateau 
d'OZz durch das Thal der Tinirre und dasjenige der 
Kau Kroide direkt nach Villeneuve oder Roche (5-6 Stun- 
den) zu gelangen. Der NO.-Hang des Sonlemont ent- 
wässert sich durch den Floraibach zur Saane, der SW.- 
Hang durch den Ruisseau du Päqueret zum Hongrin. 
Der Col de Sonlemont liegt zwischen dem Jurakamm von 
Planachaux und dem Flvsch der Monts Chevreuils und 
lässt rote Kreide und tertiäre Nagelfluh (sog. Mocausa- 
Gestein) zutage anstehen. 

SONLERTO (Kt. Tesain, Bez. Valle Maggia, Gem. 
Cavergno). 816 m. Sennberg mit Hüttengruppe im Val 
Bavona; 7,5 km nw. Cavergno und 36 km n. Locarno. 
Wird nahezu während des ganzen Jahres von einigen 
Familien bewohnt. Herstellung von Butter und Kase. 
Kleine Kirche mit einem ziemlich wertvollen Gemälde 
des Malers Rinaldi. 

80NLOUP (COL. DK) (Kt. Waadt. Bez. Vevey). 
1150 m. Breiter Passübersang zwischen dem Moni 
Cubly und dem Folly, von dem Strässchen Les Avants- 
Bains de l'Alliaz ( I '/^Stunden) überschritten. Im Früh- 
jahr färbt ein reicher Teppich von Narzissen die benach- 
barten Wiesen mit leuchtendem Weiss. Im Winter dient 
der Pass den Schlitten- und Skifahrern, denen hier 
richtige Gelegenheit zur Ausübung ihre« Sportes sich 
ietet. Schierer des obern und Kalke des untern Lias. 

SONNAZ (Kt. Waadt, Bez. Aigle. Gem. Ormont Des- 
sous). Ausgedehnte Alpweide mit Hütten in 1626. 1631 
und 1724 m; am SO.-Hang des Gros Van (2185 m) und 
der dem Mont d'Or nach NO. vorgelagerten Pointe de 
Dorchaux (2044 m), sowie w. vom Col des Mosses, dessen 
in 1660 m gelegene Hütten bloss V s Stunde von der Alp 
entfernt sind. Der alte Weg über den Col des Moeses soll 
einst durch die Alpweide von Sonnaz geführt haben. 
Rauhwacke und Gips der Trias. 

SONNAZ (LA) (Kt. Freiburg. Bez. See. Gem. Bar- 
bereche). 538 m. Gruppe von 3 Häusern, nahe der Mün- 
dung der Sonnaz in die Saane und 300 m s. der Station 
Pensier der Linie Freiburg-Murten-Ins. 24 kathol. Ew. 
französischer Zunge. Kirchgemeinde Harbereche. Acker- 
und Wiesenbau. Viehzucht. Käserei. Sagen und Mulden ; 
Holzhandel. 1609 Hess die Regierung hier eine Brücke 
aus Tuffstein erbauen, die 1802 verbreitert worden ist. 
Den Brückenzoll erhob man bis nach 1740. Eine Mühle 



SON 

| bestand in Iji Sonnaz schon in den Jahren 1401 und 1421. 
Der Weiler ist 1898 durch eine Feuerebrunst in Asche 
gelegt worden. 

80NNAZ <I_A> (Kt. Freiburg, Bez. Saane). 613-525 
m. Ruhiger und fast nirgends in nennenswertem Masse 
eingeschnittener Wasserlauf, linksseitiger Zufluss der 
Saane. Enlfliesst dem kleinen Seedorfsee. windet sich in 
so. und dann in no. Richtung um die Hohe von Pliamont, 
geht unterhalb Courtaney zwischen den grossen Waldun- 
gen von Verdi lloud und Courtaney durch, passiert Cheso- 
pelloz, oberhalb Antafond, Belfaux, unterhalb Lossy, La 
(lorbaz und Cormagens und mündet nach 10,7 km langem 
Lauf 1 km nö. Pensier. Erhält mehrere kleine Neben- 
adern und treibt die Mühlen von Chenaleyres, Autafond, 
Ilelfaux. La Sonnaz und Pensier. sowie zwei oder drei 
Sägen. Mittleres Gefälle 8«,_. 1315: Sonna ; 1329: Suna ; 
14& : Sonne. 00 

SONNBERQ (Kt. Schwyz, Bez. und Gem. Einsie- 
deln). 880-1160 m. Mit schönen Alpweiden und Wald- 
ungen bestandenes Gehänge des westlichsten Ausläufers 
der Kette Etzel-Fluhbrig, 4 km ö. Einsiedeln. Westl. 
davon die Strasse Wiilerzell - Egg -Etzel. 3 Häuser, 31 
kathol. Ew. Filiale Willerzell der Pfarrei Einsiedeln. 
Landwirtschaft. Sandsteinbruch. 

SONNI (GOLDENE) (Kt Graubünden, Bez. Im 
Boden, Kreis Trins, Gem. Felsberg). Ehemaliges Gold- 
bergwerk. S. den Art. Goldene Sonne. 

SONNINBtRO, SONNENBOHL, SONNEN» 
FEL8, 80NNEGG, SONNENHALB, SONNEN- 
THAL, SONNWBID, BONNHALDEN, SONNIN- 
RÜTI, SONNENSEITE etc. Ortsnamen der deutschen 
Schweiz; bezeichnen im allgemeinen einen zur Sonne ex- 
ponierten Ort. Finden sich mehr als 250 mal. während 
Sonnberg und Sonnenberg für sich allein nicht weniger 
als 92 mal auftreten. Diese Ortsnamen verteilen sich auf 
alle deutschen Kantone, sind aber in Appenzell eher 
selten, da hier der Ausdruck Sondir (Süden ) üblicher 
ist. 

SONNEN BERG (Kt. Aargau und Basel Und). 635 
m. Langgestreckter und bewaldeter Höhenzug sw. Zei- 
ningen und n. Maisprach. Kulminiert in der Kuppe des 
Grossen Sonnenbergs, der die Kantonsgrenze zwischen 
Aargau und Basel Land bildet. 1 km ö. davon liegt der 
Kleine Sonnenberg (580 m). Schöne Auasicht auf die 
Rheinebene um Mohlin-Riburg und den Schwarzwald. 

BONNS NBERQ ( Kt. Aargau, Bez. Kulm, Gem. 
Reinach). 590 m. Gruppe von 4 Häusern, 500 m no. der 
Station Reinach- Menziken der Seethalbahn (VVildegg- 
Emmcnbrücke). 44 reform. Ew. Kirchgemeinde Reinacn. 
Landwirtschaft. 

SONNENBER0 (Kt. Appenzell A R.. Hinterland, 
Gem. Herisaui. 767 m. Weiler am S.-Hang der Egger- 
höhen, 1 km s. der Station Herisau der Ajjpenzellerbahn 

iWinkeln-Herisau-Appenzell). 12 Häuser, 78 reform. Ew. 
iirchgemeinde Herisau. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

BONNE NBERQ, französ. Mont Solbii. (Kt. Bern, 
Amtsbez. Courtelary). 1290 m. Oberkante des südwärts 
gegen St. Immer abfallenden Steilrande« der Hochfläche 
der Freiberge. Das Gehfinge gegen St. Immer ist mit 
schönem Tannen- und Buchenwald bestanden, während 
das Gipfelplateau Sennberge trägt. Aufstieg von St. Immer 
aus über einen Weg, der sich oberhalb des Dorfes gabelt. 
Während der W.-Arm, Sentier de la Brigade genannt, 
nach La Chaux d'Abel führt, beschreibt der breitere, 
besser unterhaltene und bequemere O.-Arm zwei grosse 
Schlingen, um direkt den Mont Soleil tu erreichen. 
Trigonometrisches Signal. Sehr umfassende Aussiebt : 
nordwärts auf die Hochfläche der Freiberge und die Hügel- 
landschaften der Freigrarschaft, süd- und südostwärt« 
auf den Rücken des Chaaseral und die Weissenslein - 
kette, sowie südweslwärts auf die Hochalpen, von deren 
Gipfeln der Grand Combin, die Dent du Midi, das ganze 
Mont Itlancmsssiv und die Savoyer Alpen sichtbar sind. 
Reine und stärkende Bergluft. Die Sennberge tragen ein- 
zelne alte Tannen, die kühlen Schatten spenden. 1900 
begannen Behörden und Bewohner von St. Immer, den 
Sonnenberg zu einem klimatischen Kurort umzugestalten. 
Zunächst erstellte man die 1903 dem Betrieb übergebene, 
742 m lange elektrische Drahtseilbahn St. Immer-Sonnen- 
berg (Mont Soleil), worauf die Errichtung eines auf dem 



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Drahl««Jlbthn St. Iinmar-Sonnenberg. 



Sennbert; Lea I .luve« gelegenen grossen Reservoire« 
folgte, das die Hotels mit Hochdruckwasser versorgt. Es 

wird mit dem 
Quell wasser von 
St. Immer ge- 
Spiesen, das 
durch Pump- 
werke mit elek- 
trischem He- 
trieb auf die 

Hohe hinauf 

Sehoben wird, 
/eben einer 
Anzahl alter 
Meierhofe lin- 
den sich auf 
dem Sonnen- 
berg seit 1904 
ein grosses 
Kurhaus, ein 
unter der Ae- 
gide des Blauen 
Kreuzes er- 
stelltes Tempe- 
renzhotel und 
die Bahnstation 
mit Gastwirt- 
schafl. Ueberall 
ist auch die 
elektrische 
Beleuchtung 

eingerichtet. 
Eine malerische 
Kluhhütle ist 
Eigentum der 
Gruppe Chasse- 

ral iSt. Immer) der Sektion La Chaux de Fonds des 
S. A. C. Poslablage, Telephon. Neuestens hat sich der 
Sonnenberg auch zur Winterstatinn entwickelt, da 
er den Skifahrern weite Hochflächen, den Schlitten- 
fahrern günstig« Pisten und den Schlittschuhläufern 
ein eigens dazu eingerichtetes Eisfeld bietet. Abwechs- 
lungsreiche Flora. Dpr gegen St. Immer gewendete 
Berghang trägt den Namen Montagne du Droit (Sonnen- 
berg), wahrend die Oberkante mit den Kuranstalten heute 
zumeist mit dem pompösem Namen Mont Soleil be- 
zeichnet wird. 

SONNENBERG (Kl. Glarus). 2225 m. Gipfel in der 
Freiberggruppe; im südlichsten Teil der niedrigen Kette, 
die sich vom Unle.rkarpf nordwärts zwischen das Niede- 
renthal und das Thal des Auerenbaches hineinschiebt. Er 
besteht aus Melaphyr, der in Verruca im eingelagert ist. 
Der flache O. -Abhang ist mit Moränen und Felsblöcken 
besetzt, die der Gletscher, der einst die N. -Flanke des 
Kärpfstock bedeckte, abgelagert hat. 

SONNENBIRO (Kt. und Amt Luzern). 804 m. 2km 
langer, bewaldeter Höhenzug, der sich in der Richtung 
NO.-SW. zwischen Kriens und Littau erstreckt. Auf dem 
n. Abschnitt steht das durch eine Drahtseilbahn mit 
Kriens verbundene Hotel Sonnenberg, während sich am 
S.-Hang eine Rettungsanstall befindet. 

SONNENBIRO (Kt. und Amt Luzern, Gem. Kriens). 
602 m. Gemeindeabteilung mit Rettungsanstalt für Knaben, 
am S.-Hang des Sonnenberges und 1.5 km n. hriens. 
Telephon. Zusammen 2!) Hauser, 302 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Kriens. Getreide-, KartofTeln-, Gemüse-, I) »st- 
und Wiesenbau, Milchwirtschaft. Die • Schweizerische 
Rellungsanstalt für katholische Knaben > ist 1859 von der 
schweizer. Gemeinnützigen Gesellschaft begründet wor- 
den, der sie heute noch gehört. Sie bietet Raum für etwa 
50 Zöglinite im Alter von 7-15 Jahren und hat bis 1906 zu- 
sammen 548 Junglinge aufgenommen und ausgebildet. Die 
Liegenschaft umfasst 24 ha Land, wovon 2 ha Wald. Die 
Auslagen werden durch die Kostgelder, milde Beiträge, 
den Ertrag des landwirtschaftlichen Betriebes und die 
Zinsen von Kapitalien und Kulten gedeckt. 

Sonnenberg (Kt. St. Gallen, Bez. Gosaau. Gem. 
Gaiserwald). 480 m. Oruppe von 4 Häusern, auf einer 
Terrasse am N.-Hang des Tannenbergs und 4 km n. der 
Station Winkeln der Linie Zürich-Winterthur-St. Gallen. 



23 kathol. Ew. Kirchgemeinde St. Josephen. Ackerbau und 
Viehzucht. 

SONNENBERG (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Rhein- 
thal. Gem. Marbach). 556 m. Gruppe von 2 Häusern am 
Hang über dem Schloss Weinstein ; 2.5 km w. der Station 
Rebstein der Linie Rorschach-Sargans. 24 kathol. und 
reform. Ew. Kirchgemeinde Marbach. Wein- und Obst- 
bau, Viehzucht. 

sonnenberg ( Kt. St. Gallen, Bez. Wil, Gem. 
Nieder Helfentswil i. 600 m. Gruppe von 7 Häusern, 
mitten in Wiesen und Rebbergen gelegen; 6,5 km n. 
der Station Uzwil der Linie Zurich-\\ interthur-St. Gallen. 
46 kathol. Ew. Kirchgemeinde Lenggenwil. Ackerbau 
und Viehzucht. Stickerei. Schone Aussicht auf das Thur- 
thal und die Appenzeller Berge. 

sonnenberg (Kt. und Bez. Schwyz, Gem. Unter 
Iberg). 830-1230 m. Gemeindeabteilung mit 12 zerstreut 
gelegenen Höfen; an den vom Thal der Stillen Waag 
ostwärts gegen die Tierfedernegg i|5|5m) und den Faren- 
stock (1641 mi sich hinaufziehenden Hängen. 14 km bsö. 
der Station Einsiedeln der Linie Wädenswil-Einsiedeln. 
Neue Strasse. IUI) kathol. Ew. Kirchgemeinde Unter 
Iberg. Eine von der Familie Wiget gestiftete Kapelle in 

gotischem Stil. Wiesenbau und Viehzucht, Alpwirtschaft. 
.«idenweberei. Im Sonnenberg wohnte im 13. Jahr- 
hundert der Riese Hans Winz, von dem sich daa Volk 
heute noch mancherlei Sagen erzahlt. 

SONNENBERG (Kt. und Bez. Schwyz, Gem. Bolen- 
türm und Sattel l. 934 m. Gruppe von 8 Hausern, am 90.- 
Hang des Morgarten und an der alten Strasse Sattel- 
Biberegg; 2,5 km nö. der Station Sattel und 1,8 km aw. 
der Station Rotenturm der Südoslbahn ( Wadenswil-Arth 
Goldau). 57 kathol. Ew. Kirchgemeinden Sattel und 
Rotenturm. Obst- und Wiesenbau. Seidenweberei. 

SONNENBERG (Kt. Solothurn, Amtei BalsthaU. So 
hüi-st der S.-Hang der im Breilenberg (1094 m . einem 
Doggergewölbe, kulminierenden Kelle Probatberg-Breiten- 
berg n. der Gemeinden Laupersdorf und Aedermannsdorf 
oder an der «Sonnenseite» des Balalhaler Thaies. Voll- 
ständig mit Wald bedeckt, aus dem an einigen Stellen 
Sequanfelsen hervorstechen. Unter dem Namen des Son- 
nenberges fasst man auch noch die nordl. des Sequan- 
kammes auf Argovien gelegenen Wiesen und Weiden 
Wengi, Tannboden und Grossrieden zusammen, die sich 
bis zum S.-Hang des Doggergewölbes des Sangetel (1173 
m), zum Riedenberg w. vom Wengigraben zum Karlis- 




Schlo«* Sonnauberg von Otten. 

berg, zum Gross Riedenberg etc. hinziehen. Alle diese 
Hohen tragen schonen Wald. 

SONNENBERG (Kt. Solothurn, Amtei Baisthal). So 
heisst der S.-Hang der Passwangkette nordl. über dem 



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SOIN 



Guldenthal w. Mümliswil; über den Häusei-gruppen der 
Vordem und Hintern Säge und den zerstreuten Häusern 
von Guldenthal. Steiler, felsiger und /.. T. bewaldeter 
Hang aus Kimeridgekalken, über denen sich ein den 
Judenk-pf («70 in), die Kratlenegg (1040 ro) etc. tragender 
langer Sequankamm erhebt. Nordwärts unter dem Kamm 
liegen auf den Argovienmergeln im Gebiet des wilden 
und abgeschiedenen Lüaselthales die Hofe Vorderer und 
Hinterer Heinwilberg, über und Unter Kratten etc. 

sonnenberg (Kt. Thurgau, Bez. Krauenfeld. Gem. 
Steltfurt). 653 m. Schloss mit eigener Kapelle. Pächter- 
haus und Oekonomiegebäuden, auf der Hohe des Immen- 
berges über Steltfurt, 3 km nö. der Station Matzingen der 
Strassenbahn Frauenfeld-W il und 6 km so. Frauenfeld. 
Telephon. 12 kathol. Kw. Obst- und Weinbau, Milch- 
wirtschaft. Wiesen und Wald. Schloss Sonnenberg ist einer 
der schönsten Aussichtspunkte im Thurgau. Blick auf 
Stettfurt, Matzingen und Wängi, die Thäler der Lauche 
und Murg, die Hörnliketle und die Berge des Toggenburg* 
und Appenzellerlandes, die Vorarlberger Alpen. Säntis, 
Churfirsten, Glarner und L'rner Alpen etc. l'rkundlich 
wird das Schloss zum erstenmal 1240 genannt, zu welcher 
Zeit es einem Edeln von Sonnenberg gehörte. Nachdem 
im Jahr 1344 die Schlösser Schönenberg und Hohen- 
landenberg zerstört worden waren, erwarb 1357 Pfad 
Hermann von Landenberg neben Bichelsee auch den 
Sonnenberg. In der Folge wurde das Schloss zweimal zer- 
stört: in den Aopenzellerkriegen 1407 und im alten 
Zürichkrieg 1444 (zusammen mit den benachbarten Bur- 
gen Griessenberg und Spiegelberg). Der Besitzer war da- 
mals Beringer von Landenberg. Drei Tage lang hat bei 
diesem Aula-, die Besatzung von Wil in den zum Schloss 
gehörenden Weinbergen Ernte gehalten. Als sich 1460 die 
Eidgenossen des Thurgaues bemächtigten, übergab ihnen 
Hug Dietrich von Landenberg das Schloss. um den Fisch- 
teich zu reiten, den sie zu plündern im Begriffe waren. 
1577 ging Sonnenberg an Jost Zollikofer von St. Gallen 
über, dessen Familie einige Jahre später auch Alten- 
klingen erwarb. Sein Nachfolger war Thomas Gutersohn. 
Als Zürich 1614 Pfln und Weinfelden ankaufte, fürchteten 
die fünf katholischen Orte für den katholischen Glauben 
im Thurgau, weshalb sie in den Abt von St. Blasien dran- 
gen, dass er die Herrschaft Sonnenberg kaufe. Als dieser 
dazu nicht imstande war, erwarb sie das Stift Einsiedeln, 
das heute noch in deren Besitz ist. Es läset sie durch 
einen Pater Stallhalter verwalten, der sich auf dem Ge- 
biete der Landwirtschaft, namentlich des Rebbaues, um 
das Gedeihen des ausgedehnten Besitzes verdient ge- 
macht hat. 

SONNENBERG (Kt. Uri, Gem. 



Seelisberg Kulm od 
NieJrrbturnxt- 



Seelisberg). 845 m. 
Grosses Kurhaus 
und WallfahrU- 
kapeile, »/< Stun- 
den w. über der 
DampfschilT- 
station Bütli auf 



fahrtet, ii Regierungsrat Truttmann. der 1904 gestorbene 
Begründer der FremdensUtion Seelisberg- Sonnenberg, 
Hess das bescheidene Gasthaus 1852 verg rossern. worauf 
es bis 1875 dem Bedürfnis genügte. Nachdem 1870 die 
Strasse nach Schöneck und Treib hinunter gebaut wor- 
den war. nahm der Ort einen so raschen Aufschwung, 
dass 1875 das neue grosse Grand-Hotel und Kurhaus ent- 
stand. Prachtvolle Aussicht auf den See, das Reussthal und 
das Thalgelände von Schwyz. S. auch den Art. Seeus- 
herg. 

Sonnenberg (Kt. Zürich. Bez. Hinwil, Gem. 
Bubikon). 515 m. Gruppe von 5 Häusern, 500 m ö. der 
Station Wolfhausen der Linie Uerikon-Bautna. 22 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Bubikon. Wiesen. 

SONNENBERG (Kt. Zürich, Bez. Borgen, Gem. Thal- 
wil). 486 m. Gruppe von 5 Häusern, 500 m w. der Station 
Thalwil der linksufrigen Zürichseebahn und der Linie 
Zürich-Thalwil-Zug. 37 reform. Ew. Kirchgemeinde Thal- 
wil. Wiesenbau. 

sonnen berg (Kt. Zürich, Bez.Mcilen, Gem. Hom- 
brechtikon). 476 m. Gruppe von 5 Häusern: 1,5 km nw. 
der Station Feldbach der rechtsufrigen Zürichseebahn 
I Zürich-Meilen-Rapperswil). 34reform.e!w. Kirchgemeinde 
Homhrechtikon. Wiesen. 

SONNE N BERG (OBERER und UNTERER) Kt 
und Bez. Schwyz, Gem. Arth). 455 m. Gemeindeabteilung 
mit Hofen am sonnigen Hang des Klein Bossbergs, der 
sich vom Zugeraee im W. bis zur Rigiaa im S. und zum 
Ochsenboden (1168 m) im O. und N. erstreckt. 1.2 km ö. 




htirmMsljaa 
.«Cr. 



Geologische« Qusrprofll durch Sonnenberg-Seeltaberg. 

Cu. Urgoo(Scbr»tUnkilk); Chv. 



C Obere Kreide (Seeverksik) ; Cg. Mittlere Kreide (Gault); 

N«okom(rUuterivien and Vilm, 



i von Seelisberg-Sonnenberg gelegen; l'/ 4 Stun- 
den s. über der DampfschifTslation Treib (am linken Ufer 
des Vierwaldstältersees) und 3 km ssw. Brunnen. Im 
Sommer Postwagen nach Treib. Telephon. 4 Häuser, 38 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Seelisberg. 1840 stand hier 
noch eine blosse hölzerne Herberge für die Bedürfnisse 
der Pilger, die zur Kapelle von Maria Sonnenberg wall- 



der DampfschitTstation Arth und gegen 
berg (am Rigihang). Von der Bahnlinie Zug-Walchwil- 
Goldau durchzogen. Zusammen: 33 Häuser. 232 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Arth. Jeder der Hofe trägt seinen be- 
»ondern Namen. 

SONNE IMBERG VOR MÜHLFREN i Kt. St. Gallen, 

Bez. Gossau, Gem. Waldkirch). 590 m. Gruppe von 7 
Häusern, auf einem fruchtbaren Plateau 7 km o. der Sta- 
tion Hauptwil der Linie Gossau-Solgen. 29 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Bernhardszell. Acker- und Wiesenbau, 
Viehzucht. 

sonnenbühl (Kt. St. Gallen. Bez. Werdenberg). 
603 m. Aeusscrster nö. Ausläufer des Alvier, der sich bei 
Altendorf zur Rheinebene senkt. Zum grossen Teil be- 
waldet und von mehreren Felsbändern durchschnitten. 
Scharfer Grat. Schöne Aussicht ins Rheinthal. 

SONNENBÜHL (Kt. Zürich, Bez. Bulach, Gem. Ober 
Em brach). 630 m. Gruppe von 4 Häusern ; 2,5 km aw. der 
Station Wülllingen der Linie Winterthur-Bnlach. Tele- 
phon. 79 reform. Ew. Kirchgemeinde Em brach. Bettungs- 
anstalt für Kinder im Alter von 7-16 Jahren ; kann 30 40 
Zöglinge aufnehmen, die geschult und mit landwirtschaft- 
lichen und Handarbeiten beschäftigt werden. 

Sonnenfeld (Kt. Appenzell A.B., Hinlerland, 
Gem. Herisau). 774 m. Weiler bei der Kaserne '" 
an der Strasse Hensau-St. Gallen und 800 m ö. 
tion Herisau der Appenzellerbahn (Winkeln- 
Appenzell). 17 Häuser. 169 reform. Ew. 

Herisau. Zwei 
atickereien. 

SONNENOR4T (Kt. 
Uri). 2035 m.Oestl. Endpunkt 
der Krontenkette, der mit 
felsigem Steilhang links über 
der Reuse und wsw. Silenen 
aufragt. Kann von Amatäg 
her über die Terrasse der 
Arniberge in etwa 4 Stunden 
leicht er reicht werden. Präch- 
tige Aussicht mit Tiefblick 
ins Reusa- und Mad«.raner- 
thal. 

sonnenhalb (Kt. Ap- 
penzell I. R.,Gem.Schwendi). 
912 m. Gemeindeableilung mit 16 im Thal des Weiss- 
baches zerstreut gelegenen Häusern, 5 km s. Appenzell. 
79 kathol. Ew. Kirchgemeinde Appenzell. Kapelle. Vieh-, 
besonders Schweinezucht. Handslickerei. 



SONNENHALDEN oder SONN HALDEN (Kt. St. 
Gallen, Bez. All Toggenburg. Gem. Mosnang). 727 m. 13 
am NO -Hang der Hochwachl und an der St 



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nang-Bütswil zerstreut gelegene Häuser; 2.2 km w. 
der Station Bütswil der Toggenburgerbahn. 60 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Mosnang. Acker- und Obstbau, Vieh- 
zucht. Weberei. 

sonnenhalden (Kt. Schwvz, Bei. Einsiedeln). 
912-1200 m. Mit Wieden und Alpweiden bekleideter SO.- 
Hang des Satlei, 7 iläuaer, 56 kathol. Ew. Filiale Euthal 
der Pfarrei Einsiedeln. Obstbau, Viehzucht. Seiden- 
weberei. 

sonnen hof (Kt.Thurgau, Bez. Mflnchwilen.Gem. 
Fischingen). 589 m. Gruppe von 7 Häusern, zwischen 
Oberwangen und Dussnang.41 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Üuasnang. Säge. Landwirtschaft. Hier steht das Schul- 
haus Oberwangen. 

SONNINHORN (Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 2795 
m. Gipfel nahe dem Madone (2749 m) und mit diesem auf 
der Landesgrenze gegen Italien gelegen. Oestl. über dem 
Antigoriothal und zwischen denSeitenthälern von Campo 
und Bosco des MagKiathalea. Der Gipfel trägt einen deut- 
schen Namen, weil sowohl die Leute des italienischen 



i (Pommat) ala diejenigen von Bosco (Gurin) 
deutsche Mundart sprechen. 
SONNENRAIN [Kt. Zürich, Bez. Dielsdorf, Gem. 
Otelfingen). 460 m. Gruppe von 2 Häusern, 1 km n. der 
Station Oleinngen der Linie Oerlikon-Weltingen. 25 re- 
form Ew. Kirchgemeinde (Hellingen. Wiesenbau. 

SONNENRÜTi (Kt. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart, Kreis Luzein, Gem. St. Antönien-Rüli). 1472 m. 
Sennhütten und Gruppe von 3 Häusern, am SW.-Hang 
des Gafierthales und oberhalb der Mündung des Gafier- 
baches in den Schanielenbach ; 13,3 km nnö. der Station 
Küblis der Linie Landquart-Davoa. 6 reform. Ew. deut- 
scher Zunge. Kirchgemeinde St. Antonien. Alpwirtachaft. 
Sonnige Lage. 

sonnenrüti (Kt. Graubünden. Bez. Plesaur, 
Kreis Schanfigg, Gem. Langwies). 1440 m. Sennhütten 
und Gruppe von 4 Häusern, auf einer Terrasse am W.- 
Hang derMädrigerfluh und an derStrasse Langwies-Arosa; 
1,5 km s. Langwies und 25 km so. vom Bannhof Chur. 
Postwagen Chur-Arosa. 10 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Langwics. Alpwirtschaft. 

SONNENSEITE oder SONNSEITE (Kt. Schwyz. 
Bez. March, Gem. Vorderthal). 713-1027 m. G« 



teilung mit zerstreut gelegenen Höfen, an dem n. vom 
Dorf Vorderlhal von der Mündung dea Kralzerlibachea in 
dieWäggithaler Aa zum Spitzberg hinaufsteigenden Hang 
und nö. der Poststrasse Siebnen- Vorder! ha). Jeder der 
Höfe trägt seinen besondern Namen. Zusammen: 23 
Häuser, 143 kathol. Ew. Kirchgemeinde Vorderlhal. 
Acker- und Wiesenbau. Viehzucht. Wald. 

SONNENSEITE (Kt. und Bez. Schwyz, Gem. Ober 
Iberg). 1090 1261 m. Gemeindeabteilung mit 12 zerstreut 

Seiegenen Höfen, am S -Hans dea Guggeren und n. der 
lörfer Neu Seewen und Ober Ibers; 10 km so Einsiedeln. 
Jeder der Hofe trägt seinen beaondern Namen. 80 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Ober Iberg. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Seidenweberei. 

Sonnenthal (Kt. Appenzell A. R., Hinterland, 
Gem. Herisau). 726 m. Gruppe von 6 Häusern, an der 
Strasse Herisau-tiossau und 1 km nw. der Station Herisau 
der Appenzellerbahn (Winkeln-Herisau-Appenzell). 183 
kathol. und reform. Ew. Kirchgemeinden Herisau. Wird 
besonders von Fabrikarbeitern und italienischen Hand- 
langern bewohnt. 

Sonnenthal, (Kt. St. Gallen, Bez. Rorschach. Gem. 
Eggersrict). 836 DO, Gruppe von 6 Häusern ; 2,5 km w. 
der Station Heiden der Bergbahn Rorschach-Heiden. 26 
kalhol. Ew. Kirchgemeinde Grub. Acker- und Obstbau, 
Viehzucht. Ein Teil der Bewohner arbeitet in den Stein- 
brüchen von Wienachten. 

sonnenthal (Kt. St. (lallen, Bez. Tablat. Gem. 
Muolen). 489 m. Gruppe von 3 Häusern an der Strasse 
Muolen-Hagenwil, 3 km s. der Station Amriswilder Linie 
Zürich- Winlerthur-Romanshorn und 2 km von der Sta- 
tion Muolen der im Bau begriffenen Bahn Bodensee- 
Toggcnburg entfernt. 35 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Muolen. Ackerbau und Viehzucht. 

SONNENTHAI. (Kt. St. Gallen, Bez. Wil, Gem. Ober- 
büren). 510 m. Gemeindeabteilung und Dorf in der hier 
2 km breiten Thurebene, an der Strasse St. Gallen-Ober- 



büren-Wil und 6 km n. der Station Uzwil der Linie 
Zürich -Wtnterlhur- St. Gallen. Poalablage. Zusammen: 
49 Häuser, 238 kathol. Ew.; Dorf: 32 Häuser, 152 Ew. 
Kirchgemeinde Oberbüren. Schulhaus. Obstbau, Vieh- 
zucht. Streuland. Maschinenstickerei. Das Dorf hiess 
früher Thursluden. welche Bezeichnung der Volkamund 
in Thursludeln und Thurstrudeln umwandelte und viel- 
fach ins Lächerliche zog, sodass die Bewohner 1884 von 
der Regierung eine Namensänderung verlangten und be- 
willigt erhielten. 

sonnenwand (Kt. Aargau, Bez. Zofingen. Gem. 
Mühlethal). 565 m. Gruppe von 8 Häusern, am S.-llang 
der Hochwacht und 3,5 km nö. der Station Zofingen der 
Linie Olten-Luzern. 72 reform. Ew. Kirchgemeinde Zofin- 
gen. Obstbau, Viehzucht und Milchwirtschaft. 

SONNHALDE (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald, 
Gem. Lützelfluh). 618 m. Gruppe von 5 Häusern, 1 km 
so. Nieder Goldbach und 1.2 km s. der Station Gold- 
bach-Lützelflüh der Linie Burgdorf- Langnau. 5 Häu- 
ser. 24 reform. Ew. Kirchgemeinde LüUelflüh. Land- 
wirtschaft. 

SONNHALDEN (Kt. Bern, Amtsbez. Aarberg, Gem. 
Radelfingen I. 472 m. Gruppe von 5 Häusern, am rechten 
Ufer der Aare und 500 m sw. Radelfingen. 41 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Radelflngen. Landwirtschaft; Anbau 
der Zuckeirübe. 

sonnhalden (Kt. Bern, Amtabcz. Seftigen). 850- 
1033 m. S.-Abschnitt des Giebeleggwaldes, am Gehänge 
des gegen Rüti sich erstreckenden Thaies. 

SONNHALDEN (Kt. Luzern, Amt Suraee, Gem. 
Ruswilj. 712 m. Gruppe von 2 Häusern; 2.5 km sö. Rus- 
wil und 8 km nö. der Station Wolhusen der Linie Hern- 
Luzern. 28 kalhol. Ew. Kirchgemeinde Ruswil. Ackerbau 
und Viehzucht. 

SONNHALDEN (GROSS und KLEIN) ( Kt. 
Luzern, Amt Willisau, Gem. PfalTnau). 493 und 498 m. 
Zusammen 3 Häuser, 1 km voneinander entfernt; s. St. 
Urban, an der Strasse nach Altbüron und 6 km sö. der 
Station Roggwil der Linie Olten-Rern. 39 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde St. Urban. Ackerbau und Viehzucht. 
Gross Sonnhalden ist ein der Irrenheilanstalt St. Urban 
gehörender Hof. 

Sonnighorn (Kt. NidwaldenU 2271 m. So nennen 
die Bewohner von Engelbcrg das Nünalphorn der Leute 
des Mclchthales. S. den Art. NCNalpmokn. 

SONNIGHORN oder PIZZO BOTTARELLO 
(Kt. Wallis, Bez. Visp). 3492 m. Gipfel s. vom Weissmies 
(4001 m), 6 km ö. über dem Weiler Almageil im Saas- 
thal, s.i.ll. über dem Rotplattengletscher und auf der 
Ijindesgrenze gegen Italien. 

sonnig ST GE c k e (Kt. In. 2585. 2496, 2482, 2467 
und 2402 m. Fünf kühne Felszacken im Hauptkamm der 
Schlosabergkette, zwischen dem Vordem Getrsberg (2719 
m) und dem Grigeler (2075 m). Auf dem östlichsten der 
Sonnigslöcke steht ein Signal. «Nach W., S. und O. 
fallen diese Türme in mehr oder weniger steilen Wanden 
ab, gegen N. ist der Fels gestuft und von Gerollfeldern 
und Schutt bändern durchzogen. Risher (1905) dürfte nur 
der östlichste der Sonnigslöcke (2402 m) bestiegen worden 
sein. Die übrigen können wohl von N. ohne besondere 
Schwierigkeit erreicht werden •. Aufstieg auf den O.- 
Gipfel von der Vordem Waldnachtalp her in 3 Stunden. 
Vergl. den Führer durch die Urner Alpen. Bd II. 
Zürich 1905. 

SONN IG WICH EL (Kt. Uri). Gipfel. S. den Art. 
Wichel (Sonniü). 

SONNSIITK (Kt. Bern, Amtsbez. Aarwangen, Gem. 
LeimiswiK 630 m. 8 zerstreut gelegene Höfe ; 1.5 km w. 
der Station Lindenholz di r Linie Langenthal- Wolhu»en. 
56 reform. Ew. Kirchgemeinde Rohrbach. Landwirt- 
schaft. 

SONOGNO (Kt. Tessin, Bez. Locarnu). 909 m. Gem. 
und schon gelegenes Pfarrdorf im Verzascathal, an der 
Vereinigung von Val Vigornesso und Val Redorla; 7 km 
n. Brione und 26 km n. der Station Gordola der Linie 
Bellinzona-Locarao der Gotthardbahn. Postablage, Tele- 
graph: Postwagen nach Locarno. 76 Häuser. 293 kathol. 
Ew. Wiesenbau und Viehzucht. Fast alle Bewohner be- 
sitzen Häuser und Reben am Gehänge von Gordola. wo 
sie den Winter zu verbringen pflegen. Das Dorf Sononno 



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SON 



SON 



besteht aus durch Hauch und Alter geschwärzten Stein- 
häusern. Starke Auswanderung nach Kalifornien. 




^ m 



Sonogoo von Onton. 



8ONTEH8WIL oder BONTER8WILIN ( Kt. 

Thurgaii, Bez. Kreuzlingen. Gem. Waldi). 546 in. Orts- 
gcmeinde und Weiler auf dem Seerücken, an der Strasne 
Müllheim-Tägerwilen und 5 kin n. der Station Märstetlen 
der Linie Zurich-Winterthur-Romanshorn. Zusammen 
mit Gonterswilen. Häglishag und llohenrain : 41 Häuser, 
182 Ew., wovon 9 Katholiken; Weiler: 15 Mäuser, 70 Ew. 
Kirchgemeinde Lippersv.il. Wiesen- und Obstbau. Vieh- 
zucht. Etwas Maschinenstickerei. 

sontq, so ntg A, SONTOIA. Im Bundner Ober- 
land und seinen Seitenthälern übliche rätoromanische 
Bezeichnung Tür « Sankt, Sankta ». Vergl. auch den 
Art. Sog». 

SONTQ ANDREAS (Kt. Graubünden. Bez. Glenner, 
Kreis Lugnez, Gem. Lnmbrein). 1421 m. Gemeindeab- 
teilung und Weiler am SO. -Hang des Piz Sez Ner ; 2 km 
sw. Lumbrein und 16 km sw. der Station Banz der 
Bündner Oberlandbahn (Chur-Ilanz). 6 Häuser, 27 kathol. 
Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde Lumbrein. Alp- 
wirtschart. 

SONTQ ANTONI (Kt. Graubünden, Bez. Albula, 
Kreis ßelfort. Gem. Alvaneu). 1219 m. Kapelle am rechts- 
seitigen Gehänge des Albulathales, 600 m s. Alvaneu. 

SONTQ ANNA (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein, 
Kreis Disentis, Gem. Trans). 853 m. Kapelle 
im O. -Abschnitt des Dorfes Truns. 

SONTOIA BRIDA, deutsch St. BRIGITTE 
(Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein. Kreis Di- 
sentis, <iem. Tavelsch). 1475 m. Kapelle, am 
linken Ufer des Vorderrheins und an der Ober- 
alpstrasse , 1,5 km aw. Hueras. 

SONTOIA BRIDA, deutsch ST. BrICITTB 
(Kt. Graubünden. Bez. Vorderrhein, Kreis Di- 
sentis, Gem. Truns). 1940 m. Kapelle am YV.- 
Ilang des Piz Miezdi, auf der Alp Nadel« und 
am L'eberganK ««» dem Zavragia- ins Som- 
vixerthal. 

SONTOIA CATHARINA I Kt. Graubün- 
den, Bez. Glenner, Kreis Lugnez, (iem. Ters- 
naus). 1017 m. Kapelle im Lugnez, an der 
Straese nach Vals und 200 m w. Ters- 
naus. ' 

SONTOIA GADA, deutsch St. Agatha 
(Kt. Grauhünden, Bez. Vorderrhein, Kreis und 
Gem. Disentis». 1101 m. Kleine romanische 
Kirche, auf einer Terrasse links über dem 
Vorderrhein und 1 km s. Disentis. Gemälde 
der lom bardischen Schule aus dem 15. Jahrhundert. 

SONTOIA MARIA oder SANTA MARIA (Kt. Grau- 
hünden. Bez. Vorderrhein. Kreis Disentis, Gem. Medels). 



1842 m. Hospiz im Medelserthal, an der Strasse über 
den Lukmanier; 43,5 km nnw. Biasca uud 16 km s. 

Disentis. Postablage, Telegraph ; Postwagen 
Disentis-l.ukmanier- Biasca. 10 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Medels. 

SONVICO (Kt Tessin, Bez. Lugano). 
606 m. Gem. und Pfarrdorf, Kreishauptort; 
mitten in Weinlauben und Kastanienselven 
reizend gelegen; 8,5 km nö. vom Bahn- 
hof Lugano. Postablage; Postwagen nach 
Lugano. Gemeinde, mit Dino: 170 Häuser. 
815 kathol. Ew.; Dorf: 132 Häuser. 617 
Ew. Mais- und Boggenbau, Weinbau j 
Viehzucht. Etruskische Inschrift. Der 724 
urkundlich zum erstenmal erwähnte Ort 
Ä'tininim virus oder Summovicum ist das 
oberste Dorf am Gehänge der Denti della 
Vecchia. Alte Burgruine. Die dem h. Jo- 
hannes dem Täufer geweihte Pfarrkirche 
stammt aus 1527 und birgt einen pracht- 
vollen Altar aus weissem Marmor. Das die 
Poslablage bergende Haus ist der ehe- 
malige Silz der Landvögle und leigt heule 
Jf noch in seine Mauern eingefügte Ringe, 
£\ an denen man die Missetäter öffentlich zur 
Schau stellte. Sekundär- und Zeichenschule 
in Dino- 

80NVILIER (Kt. Bern. Amtsbez. Cour- 
telary ). 816 m, Bahnhof in 843 m. Gem. und 
Pfarrdorf im Thal von St. Immer; an der 
Schuss, sowie zwischen der Monlagne du Droit im N. 
und der Forit de l'Envera im S., 12 km nö. La Chaux 
de Fonds und 3 km wsw. St. Immer. Station der Linie 
Biel Sonceboz-La Chaux de Fonds. Poslbureau, Tele- 
graph, Telephon. 221 Häuser, 2341 Ew. (wovon 200 
Katholiken der Pfarrei St. Immer) französischer Zunge ; 
Dorf: 148 Häuser. 1884 Ew. Zahlreiche Uhrenfabriken. 
Ackerbau und Viehzucht. Muhle, Sägen, Holzhandel. Eine 
Käserei in La Ghaux d'Ahel. Sparkasse. Elektrische Be- 
leuchtung. Gas- und Wasserversorgung. Sonvilier ist ein 
schön gelesenes Dorf mit breiten Gassen, grossen und 
behäbigen Häusern und einer auf einer Hohe stehenden 
zierlichen Kirche aus dem Jahr 1831. Das mehrfach durch 
Feuersbrünste heimgesuchte Dorf ist heute einer der 
Mittelpunkte der jurassischen Uhrenindustrie. Lebhaft 
ist auch das geistige und gesellige Leben, das in zahl- 
reichen Gesellschaften und Vereinen mannigfaltiger Art 
eifrig gepflegt wird. 2 km w. vom Dorf befindet sich im 
Pre" au Bteuf die kantonale bernische Retturjfrsanstalt 
für Knaben französischer Sprache. 1,5 km osö. Sonvilier 
erhebt sich auf einem steilen, ein tiefes Tobel der Mon- 
lagne de l'Envera beherrschenden Felsen die heute noch 
imposante Burgruine Erguel (s. diesen Art.), nahe welcher 
eine mächtige, in ihrem Wasserhaushalt jedoch stark 




Sonvilisr von Outen. 



schwankende Stromquelle entspringt, die daa Dorf mit 
Trinkwasser versorgt. Eine von Sonvilier aus südwärts 
ziehende gute Strasse führt zunächst durch die Fortt de 



Google 



SON 



SDP 



639 



l'Envera und dann über Sennberge bis lur Strasse von 
Lea Pontins, die St. Immer mit dem Val de Ruz ver- 
bindet 1314: Sonvelier; 1337: Sumvellier; 1390: Sunvilie ; 
1384: Sonvellier. d. h. c oberster Weiler« (des Thaies). 
Der Ort halte seine eigenen Edeln, die wahrscheinlich in 
einer festen Borg hausten, von der man in halber Höbe 
der Montagne du Droit nw. vom Dorf noch einige Reste 
erkennen sann. Im 13. und 14. Jahrhundert finden wir 
diese Edeln in Pruntrut ansässig, wo sie ein festes Haus 
besaasen und eine ziemlich bedeutende Rolle spielten. 

•ONZIKR (Kl. Waadt, Bez. Vevey. Gem. Le Chäle- 
lard). 657 m. Gemeindeabteilung und Weiler, auf einer 
s. Vorschuller des Moni Cubly und über der Schlucht 
des Chauderon. Station der elektrischen Montreux-Ober- 
landbahn. Telegraph, Telephon. Zusammen: 21 Häuser, 
111 refonn. Ew.; Weiler: 15 Häuser, 76 Ew. Kirchge- 
meinde Montreux. Alte Siedelung. Neues Wasserreservoir 
des Elektrizitätswerkes und der Strassenbahn Vevey- 
Montreuz, das an die Stelle desjenigen getreten ist, 
welchen in der Nacht vom 5./0. November 1888 plötzlich 
barst und 10 Mill. Liter Wasser hervorbrechen liess. wo- 
durch 7 Personen den Tod fanden. 1215 und 1250: Sunsie: 
1317: Sionziex; 1457: Songy. 

SOOL (Kl. Giarus). 580-677 m. Gem. und Dorr im 
Winkel zwischen dem Linththal und dem Sernfthal, am 
SW.-r'uss des Schaflager und 1 km n<>. der Station 
Schwanden der Linie Giarus- Linthal. Strassen nach 
Millödi und nach Schwanden. Poslablage, Telephon. Ge- 
meinde, mit den Weilern Wart und Au und Jen Hofen 
Schlatt. Obersool. Eckli, Trogsite n und Bühl : 110 Häuser, 
461 Ew., wovon 34 Katholiken; Dorf: 85 Häuser, 333 Ew. 
Kirchgemeinde Schwanden. Sool bildet eine eigene 
Bürgergemeinde, ist jedoch mit den Gemeinden Millödi 
und Schwändi zu einer Wahlgemeinde (politischen Ge- 
meinde) vereinigt. Das Dorf liegt auf einem 150 m hoch 
über die Sohle des Linththales sich erhebenden welligen 
Hügel, der zum Ablagerungspebiet des grossen diluvialen 
Bergsturzes von Guppen am GUrnisch gehört. Eine auf- 
fällige, bis 40 m tiefe Rinne trennt den Hügel von dem 
benachbarten steilen Bergabhang, von dem der Bergsturz 
zurückgeprallt ist. Der südlichste Teil des Dorfes, die 
Häusergruppe Untersoo). sieht auf einer an den Üerg- 
sturzhügel angelehnten kiesterrasse, welche die durch den 
Bergsturz bewirkte Aufstauung des Sernf beweist. Hy- 
dranten. Sehr schönes, trefflich eingerichtetes, im Jahr 
1902 erbautes Schulhaus. Der grinste Teil der Einwohner 
arbeilet in den Fabriken von Schwanden und Millödi, 
der kleinere Teil beschäftigt sich mit Wiesenbau und 
Viehzucht. Im Gebiet der Gemeinde befindet sich die s. 
Mitlödi am rechten l.inthufer liegende Baumwollweberei 
Steg. Auf der « roten Platte », einer ö. über Sool bei etwa 
750 m liegenden Terrasse, geniesst man eine prächtige 
Aussicht auf das Groasthal und das Sernfthal und die sie 
einrahmenden Berge. Auf einem 700 m n. vom Dorf 
liegenden Hügel stand im Mittelalter die Burg Sola, auf 
der die Edelknechte von Sool als Lehensleute des Klosters 
Säckingen sassen. Nachdem diese Familie mit Konrad ran 
Sool ausgestorben war, zerfiel die Burg im Laufe des 14. 
Jahrhunderts. Heule sind keine Reste derselben mehr 
vorhanden; dagegen sieht man auf dem S.- und O.-Ab- 
hanic des Hügels noch deutlich den Graben, der einst 
die Burg umgab. Am 3. Februar 1713 ist ein grosser Teil 
des Dorfes wahrend eines Föhnsturroes abgebrannt. Der 
Name Sool ist vom althochdeutschen toi = Wasserlache, 
Sumpf herzuleiten und findet sich auch in den Zusam- 
mensetzungen Ebersol und Schweinsol (d. h. Lache, in 
der sich die Wildsfiue zu walzen pflegen). 

SOOl-BAD (Kl. Aargau, Bez. und Gem. Rheinfelden). 
290 m. Armenbad von Rheinfelden, 1 km nö. vom Städt- 
chen am Weg nach den Salinen. S. den Art. Rhunkklüen. 

SOORBRÜCKK (Kt. St. Gallen, Bez. Alt Toggen- 
burg, Gem. Bütswil). 5H0 m. Gruppe von 2 Häusern zu 
beiden Seiten der hier überbrückten Thür, 300 m s. der 
Station Bütswil der Toggenburger Bahn. 13 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Bütswil. Ackerbau und Viehzucht- 
Stickerei und Weberei. Links der Thür eine Farbweberei. 

SOPPEN8IE (Kt. Luzern. Amt Sursee). 598 ro. 
Kleiner See 3 km w. Huswil. 800 m breit, 28 m lief und 
25 ha Fläche. SO.- und NW.-Ufer sumpfig. Der See ist 
auf drei Seiten von Moränen umrahmt, von denen »ich 



diejenige im N., die Wald trägt, durch ihre Grosse aus- 
zeichnet. Reiche Flora mit zahlreichen Orchideen und 
den beiden Seerosen Nymphaea allia und Suphar lu- 
teum. Abfluss ist der Seebach, der sich zuerst nach N. 
wendet, dann im rechten Winkel gegen O. abbiegt und 
unterhalb Hetzligen in die Roth mundet. Der reizend ge- 
legene Soppensee ist reich an Fischen (besonders Hecht 
und Forelle) und gehört samt dem Fischrecht dem Schloss- 
gut Bultisholz. Seine ehemalige S. -Bucht ist jetzt ver- 
landet. Joh. Leop. Cvsat berichtet in seiner Betchreibung 
des Luzenier oder Vierwaldttätter Sees 1661, dass man 
1618 und 16*28 Hirschgeweihe aus dem Soppensee gerufen 
habe. 

SOPPENSEE (Kt. Luzern. Amt Sursee. Gem. Bultis- 
holz). 608 m. Gruppe von 5 Häusern, am O.-l'fer des 
Soppensees und l,.">km n.der Station Wolhusen der Linie 
Bern- Luzern. -Vi kathol. Ew. Kirchgemeinde Bultisholz. 
Ackerbau und Viehzucht. Käserei. Hier besass schon 1045 
das Kloster Beromünster zwei Höfe mit Fischrechl. L'm 
die Milte des 13. Jahrhunderts erscheinen die Edeln von 
Soppensec, die in der Schlacht bei Sempach auf oster- 
reichischer Seile fochten und deren Burg am 5. April 1388 
von den Eidgenossen zerstört wurde. 1408: Soppen«-, 
vom althochdeutschen »oppen — Weier, Sumpf. 

SOPPCNtTlQ (Kt. Luzern, Amt Sursee, Gem. Rus- 
wil). 602 oi. Gruppe von 4 Häusern ; 2,5 km nw. Ruswil 
und 6,3 km n. der Station Wolhusen der Linie Bern- 
Luzern. 37 kathol. Ew. Kirchgemeinde Ruswil. Ackerbau 
und Viehzucht. 1408: Soppensestige, d. h. Steig (Weg) 
nach dem Soppensee. 

8QPRA IL C4NT (Kt. Graubünden, Bez. Albula). 
2709 und 2849 m Nacktes Felsenplateau aus grauen 
Bündnerschiefern, Grünschiefer und Serpentin bestehend ; 
an der NW. -Seite des Septimerpasses im Oberhalbstein 
und 6,5 km nw. Maloja. Seine Abdachung ist nach N. ge- 
kehrt, während der Gratsich nach NO. in den niedrigem 
Bergrücken Cuolms fortsetzt. Hart an der S. -Seite fuhrt 
die Forcellina (2673 m) von Juf im Avers auf den Sep- 
timer hinüber, von welcher Route nach NO. die Fuorcla 
di Valetta (etwa 2610 m) nach Sulla abzweigt. Im N. des 
Plateaus liegt in grünem Alpenkessel der liebliche Lago 
Columban (2431 m). 

• OPRACCNIRI (Kt. Teesin). So nennt man allge- 
mein den nördl. vom Monte Ceneri gelegenen Abschnitt 
des Kantons Tesain, während der s. davon befindliche Ab- 
schnitt des Kantons als Soltoceneri bezeichnet wird. Der 
Monte Ceneri bildet den vom Camoghe (2232 m) ausge- 
henden und bis zum Passo di Monte Ceneri (554 m) sich 
senkenden Kamm, der sich jenseits des Passe in sc Im Utes 
wieder erhebt, um weiterhin an den Monte Tamaro 

i1967 m) anzuschliessen. Die Landschaft Sopraccneri (d. 
i. oberhalb des Ceneri) umfasst die sechs Bezirke ßellin- 
zona, Locarno, Valle Maggia, Riviera, Blenio und Leven- 
tina mit zusammen 136 Gemeinden, 14360 Häusern. 
17310 Haushaltungen mit 69315 Ew. 67032 Ew. italieni- 
scher, 1973 deutscher, 171 französischer, 72 romanischer 
nnd 67 anderer Muttersprache: 67 SK7 Katholiken, 1175 Re- 
formierte, 5 Israeliten und tiiö Andre. Der Sopraccneri 
bildet das eigentliche Bergland des T esain, in dem kri- 
stalline Felsarten durchaus vorherrschen. Seioe langen 
Thäler entspringen in der Mehrzahl am Gotthardmassiv, 
wenden sicii südwärts und senden ihre Wasser dem 
Langensee zu. 30 Ew. auf den km*. Die früher durch die 
Transportschwierigkeiten - Alpenwall imN., italienischer 
Zoll im S. — gehemmte industrielle Tätigkeit nimmt nun 
seit einigen Jahren einen sehr bemerkenswerten Auf- 
schwung, dank namentlich der den Sopra ceneri von N. 
nach S. durchziehenden Gotthardbahn und der reichen 
Wasserkräfte, die man in elektrische Energie umzuwan- 
deln begonnen hat. Jetzt wachsen sozusagen die Fabriken 
nur so aus dem Boden: Herstellung von Filz- und Stroh- 
hüten, Linoleum, Leinwand, Bürstenwaren, Papier, Ta- 
bak und Zigarren, Teigwaren. Parketterie waren. Dazu 
kommen Mühlen, eine Topferwarenfabrik und eineDarnnf- 
kesselfabrik. In den Bezirken Riviera, Leventina und Lo- 
carno nehmen die Brüche auf vorzüglichen Gneis samt 
dessen Bearbeitung zu Hausteinen einen immer grossem 
Aufschwung. Eine Folgediese* aufblühenden industriellen 
Lebens ist. dass die Auswanderung der jungen Leute nach 
Nordamerika und in die übrigen Kantone der Schweiz all- 



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SOR 



mählig abxunehmen beginnt. Vergl. auch den Art. Tessin 
(Kakton). 

SORAONO (Kt. Tessin, Bez. Lugano, Gem. Dsvesco- 
Soragno). 428 m. Dorf am W.-Fusa des Monte Boglia, 4 km 
nö. vom Bahnhof Lugano. Postwagen Lugano-Sonvico 
36 Häuser, 162 kathol. Kw. Kirchgemeinde Davesco-Sora- 
gno. Äcker- und Weinbau, Viehlucht. Auaaicht auf Lu- 
gano und den See. 

SOr * L (Kt. Genf, Linkes Ufer). 456 m. Gem. und 
Pfarrdorf; 10,5 km aw. Genfund 1,9 km s. der Halte- 
stelle Laconnex der elektrischen Trambahn Genf-Chancy. 
Postablage, Telegraph, Telephon. Die Gemeinde zerfällt 
in zwei durch die Gemeinde Laconnex voneinander ge- 
trennte Territorien. 72 Häuser, 329 Ew. (wovon 8 Refor- 
mierte |. Acker- und Wiesenbau. Ehemalige Molassebrüche. 
Sora! gehörte zum Besitz der Propstei Saint Victor und 
kam durch den Turiner Vertrag von 1816 zu Genf. 1236: 
Sorraz. Der Archäologe B. Beber hat in Soral eine keltische 
Goldmünze, zahlreiche Reste aus der Bomerzeil und meh- 
rere wahrscheinlich der selben Zeit angehörige Gräber 
aufgedeckt. 

SORBACH oder SOORBACM (Kt. Bern. Amtsbez. 
Signau). 1330-761 m. Wildbach; entateht aus zwei vom 
Wachlhubel herabkummenden und in 787 m sich verein- 
enden Quellsträngen, um dann auf eine Strecke von 
km sich nach N\V. zu wenden und 2 km so. Eggiwil von 
rechts in die Emme zu münden. 

•ORBACH oder SOOR BACH (Kt. Bern, Amtsbez. 
Signau, Gem. Eggiwil). 790 m. Gemeindeabteilung und 
Weiler im Winkel zwischen der Vereinigung des Sor- 
baches mit der Emme, 2 km so. Eggiwil und 11,5 km so. 
der Station Signau der Linie Bern- Luxem. Zusammen 
mit Innerberg und Niederberg: 25 Häuser, 109 reform. 
Ew.; Weiler: 7 Häuser, 42 Ew. Kirchgemeinde Eggiwil. 
Viehzucht. 

soroa <PIZ)(Kt. Graubünden und Tessinj. 3125 m. 
Gipfel ; bildet zusammen mit dem Pix Cassimoi (3126 m) 
den höchsten Punkt des breiten Gebirgsstockes zwischen 
Val Carasina, Val Scaradra und Lentathal ; 4 km n. vom 
Bheinwaldhorn. Während der SW.-Hang eine hohe Fels- 
wand bildet, tragen Ü.- und N.-Hang Firn und Eis. 

SOREBOIS (COL DC) (Kt. Wallis, Bez. Sidera). 
2825 m. Passübergang zwischen der Pointe de Sorebois 
12923 m) und der Pointe de Singline (3145 tn); nahe dem 
N.-Ende der vom Grand Cornier abzweigenden und das 
Zinal- vom Moirythal trennenden Kette. Dient in Ver- 
bindung mit dem Col de Torrent (Moirylhal-Eringerthal) 
als Uebergang von Zinal nach Evolena. Zinal- Co) de Sore- 
bois 3 Stunden und von da nach Evolena 6-7 Stunden. 
Etwas langer, aber leichter und angenehmer Weg mit 
prachtvollen Ausblicken ; von der Passhöhe aus bietet sich 
ein wundervoller Blick auf den Eiskamm zwischen Weiss- 
horn und über Gabelhorn. Der Pass wird von Touristen 
ziemlich stark begangen. 

SOREBOIS ICORNI oder POINTS DB) (Kt. 
Wallis. Bez. Siders). 2923 m. Nordl. Endgipfel der das 
hal trennenden und den mitüem Ab- 



Zinal 
schnitt des 



Moi 



thales beherrschenden Kette. Der un- 



schwierige Aufsiieg erfordert von Zinal aus 4 Stunden 
und wird von den dortigen Kurgästen häufig unternom- 
men. Prachtvolle Aussicht auf die Gruppen des Weiss- 
horn, Moming und Zinal Rolhorn, sowie auf das Firn- 
gebiet des Moirygletschers. 

SORIN (Kt. St. Gallen, Bez. Wil und Gossau, und 
Kt Thurgau, Bez. ßischofszell). 570-480 m. Bechtsseiliger 
Nebenbach der Thür; entspringt dem Horberweier und 
durchzieht der Reihe nach den Rüli-, Hochbacher- und 
Hauptwilerweier, um nach 10 km langem Lauf unterhalb 
der Hausenmühle zu münden. Treibt mehrere Mühleu 
und Sägen. 

SOR e NO NO (Kt. Tessin. Bez. Lugano, Gem. Ri- 
vera). 517 m. Kleines Dorf, am O.-Puss des Monte Tamara 
und 1,3 km s. der Station Bivera-Bironico der Gotthard- 
bahn (Hellitizona-Lugano-Chia&so). 22 Häuser, 102 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Rivers. Acker- und Weinbau, Vieh- 
zucht. Alte 
Zeichenschule. 

SORCNGO (KL Tessin. Bez. Lugano). 404 m. Gem. 
und Pfarrdorf auf dem fruchtbaren Rücken zwischen dem 

einerseits und dem Lago di 



Muzzano und Arm von Acno andrerseits; 2 km sw. vom 
Bahnhof Lugano. Postablage, Telephon ; Postwagen von 
.Lugano nach Agra, Novaggio und Sessa. Gemeinde, mit 
Cremignone und Cortivallo: 43 Hauser, 337 kathol. Ew. ; 
Dorf: 11 Häuser. 90 Ew Weinbau und Zucht der Seiden- 
raupe. Fremdenverkehr. Von der Kirche prachtvolle Aus- 
aicht auf Lugano und Umgebung. Nordetruskische In- 
schrift auf einer Grabplatte. 

SORENO (Kt. Graubunden, Bez. Albula, Kreis Ober- 
halbstein, Gem. Sulla). 1923 m. Gruppe von 3 Häusern, 
am O.-Hang der Montagnas dils Laieta und 1,8 km nw. 
Stalla (Bivio). 8 reform. Ew. italienischer Zunge. Kirch- 
gemeinde Stalls. Alpwirtschaft. 

soreno (AUA Oll (Kt. Graubünden, Bex. Albula). 
2880-1715 m. 4 km lanaer Wildbach; steigt vom Pix 
Scalotts (3003 in) gegen Ni >. hinab und mundet xwischen 
Slalla (Biviol und Marmels von links in die Julia (Ober- 
halbsteiner Rhein). 

SOREM (Kt. Freiburg, Bex. Greierx). 807 m. Gem. 
und Pfarrdorf mitten in fetten Wiesen, am O.-Hang des 
Mont Gibloux und 6 km n. der Station Bulle der Linie 
Bulle-Romont. Postablage, Telegraph, Telephon; Post- 
wagen Freiburg-Bulle. Gemeinde, mit Malessert, Plan du 
Maiais, Sur Groix, Sur Lya und La Vernaz: 163 Häuser, 
801 kathol Ew. ; Dorf : 61 Häuser, 278 Ew. Wiesenbau 
und Viehzucht, Sagen und Holzhandel. Slrohilechlerei. 
Ptarrkiiche zu St. Michel. 1229: Sorens, vom Personen- 
namen Sora herzuleiten. 1347 wurden die Streitigkeilen 
der Herren von Vuippens und von Everdes um den Besitz 
der Weiden von Vuippens. Gumcfens, Sorens und Kchar- 
lens durch einen Schiedsspruch beigelegt. 1829 hat man in 
der Umgebung von Sorens eine römische Goldmünze auf- 
gefunden. Fund von sehr alten Grundmauerresten. 1860 
wurde Sorens als eigene Pfarrei von Vuippens abgetrennt. 

BORE KTHAL oder SOR HTM AL (Kt. St. Gallen. 
Bez. Gossau. Gem. Waldkirch). 535 m. Gruppe von 5 
Häusern im Thal des Sorenbaches, sn der Strasse Haupt- 
wil-Niederbüren and 1 km »w. der Station Hauptwil der 
Linie Gossau-Sulgen. 47 kathol. und reform. Ew. Kirch- 
gemeinden Waldkirch und Hauptwil. Acker- und Obst- 
bau, Viehzucht. Eine Maschinenstickerei. Alemannen- 
gräber mit Schmucksachen in eingelegter Arbeit. 

SORENTMAL.ER Muhle (Kt. St. Gallen. Bez. 
Wil. Gem. Niederbüren). 504 m. Gruppe von 4 Hausern 
im Thal des Sorenbaches; 2.6 km w. der Station Hauptwil 
der Linie Gossau-Sulgen 69 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Niederbüren. Obstbau. Ehemalige Mühle, in der sich eine 
zeillang die jetzt nach Rheineck verlegte kantonale land- 
wirtschaftliche Schule befand. Käserei. 

s O R E 6 CIA (ALPS DI) ( Kt. Tessin, Bez. Leventina, 
Gem. Airolo; 1880-2550 m. Sehr schone Alpweide an der 
| S.-Flanke des St. Gotthard. 1 km ö. vom Hospiz. Wird 
mit 65 Kühen und 60 Ziegen bezogen. Herstellung von 
Fettkäse. 

SORESINA (Kt Tessin, Bez. Lugano, Gem. Rivers). 
558 m. Gemeindeableilung und Dorf mitten in alten Ka- 
stanienselven, 1 km sw. der Station Bivera-Bironico der 
Linie Bellinzona-Chiasto der Gotthardbahn. 36 Häuser, 
158 kathol. Ew. Kirchgemeinde Bivera. Ackerbau und 
Viehzucht. Viele junge Leute des Dorfes sind Angestellte 
derGotthardbahn : andere wandern als Maurer und Gipser 
periodisch aus. Im Monat Mai Handel mit Alpenrosen. 
Pfarrkirche vom h. Geist mit wertvollem architektonischen 
Schmuck. Sekundär- und Zeichenschule. Genossenschafts- 
käserei. 

SORf SSEX oder SUR LS SEX (Kt. Waadt. Bez. 
Aigle, Gem. Bex). 500 m. Steile Anhohe aus Iriadischem 
Gips, unmittelbar nordl. über dem Dorfplatz von Bex. 
Trägt ein schönes Landhaus, das 1906 in ein Pensionnat 
umgewandeil worden ist. 1307 : So res Saix. 

SORi usse x (Kl. Waadt. Bez. Aigle. Gem. Bex). 
1400-1550 m. Einige Heustadel am NW. -Hang der Grete 
de Bovonnax, über den Felsen des Sex ä I' Aigle und 1 
Stunden über Gryon. 

sorge. In der W. -Schweix xiemlich verbreiteter 
Ortsname; vom provenzal. sorger, latein. turgere — 
• quellen » herzuleiten. Bezeichnet also einfach s. v. a. 
« Quelle ». 

sorge (LA) (Kt. Neuenbürg. Bez. Val de Ruz). 845- 
630 m. Kleiner rechteseitiger Nebenbach zum Seyon. 



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SOR 

Knispringt w. Lei Geneveys Rur CotTrane, flies» t ostwärts, 
treibt 6 Sägewerke und mündet in Valangin. Der Bach- 
lauf hat bei Schneeschmelze und anhaltendem Hegen 
eine Länge von 4 km, während sein oberer Abschnitt 
sonst gewöhnlich trocken liegt. Der Unterlauf wird dann 
einzig von einer 600-5000 Minutenliter liefernden Quelle 

Eespiesen, die etwa I km hinter Valangin unterhalb des 
.andgutcs Mussy am südl. Thalrand entspringt und die 
man zur Trinkwasserversorgung von Peseux und der 
obern Quartiere der Stadt Neuenburg hat verwenden 
wollen. Das Wasser sammelt sich im Moränenschutt. 

SOROI (LA) (Kl. Waadt, Bez. Cossonay, Lausanne 
und Morges). 592-375 m. Dem Genfersee zufliessender 
Räch, der im Oberlauf auch Chamberonne und Fosse" du 
Marais heisst. Entspringt im Moor von Boussens nö. von 
diesem Dorf (502 m), wendet sich zunächst südwärts und 
durchmesst die Ebene zwischen Sullens und Cheseaux, 
um dann bis Crisaier, welches Dorf der Bach ö. liegen 
lässt, ein Tobel zu durchziehen. Dann folgt die Sorge dem 
Band des ßois d'Kcublens, gehl ö. von diesem Dorf und 
s. von Chavannes vorbei, um sich mit der ihr grössten- 
teils parallel fliessenden Mebre zu vereinigen, nun den 
Namen Chamberonne zu erhalten und nach weitern 1,2 
km zu münden. Die Sorge ist bis zur Vereinigung mit der 
Mebre 11.5 km lang und bildet streckenweise die Grenze 
zwischen den Bezirken Cossonay und Morges einerseits 
und Lausanne andrerseits, oberhalb Crisaier erhält 
sie von links die Petile Chamberonne. Treibt in Ecublens 
eine Dreschmaschine. 

SORüereux (LE) (Kt. Neuenburg. Bez. Val de 
Ruz, Gem. Valangin). 730 m. Landhaus und Bauernhof 
an der dem Seyon zumessenden Sorge; 1.5 km w. der 
Station Valangin der elektrischen Strassenbahn Neuen- 
burg- Valangin. 2 Häuser. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Valangin. Landwirtschaft. 

so RN ARD (Kt. Wallis. Bez. Conthey, Gem. Nendaz). 
1 180-1200 m. Gruppe von 8 Häusern, zwischen den Dorfern 
Haute Nendaz und Basse Nendaz und 1 km sw. der Kirche 
von Basse Nendaz. 59 kathol. Ew. Kirchgemeinde Nendaz. 
1250: Surnach. 

SOR NE (LA) (Kt. Bern. Amtsbez. Münster und Oels- 
berg). 1036-410 m. Linksseitiger Zulluss der ßirs. Entsteht 
auf der toriigen Hochfläche von Bellelay. Der bedeutendste 
Quellarm entspringt im Dorf Lea Genevez und wendet sich 
nach ONO., um zwei Weier zu durchmessen, worauf die 
Sorne an Bellelay und Chätelat vorbeigeht und so den 
W. -Abschnitt des Petit Val entwässert. Dann folgt siedetn 
N.-Fusa der das Dorf Sornetan tragenden Anhohe, tritt 
in die Gorges du Pichoux ein. wo sie einen schönen Fall 
bildet, erhält von rechts den Bach von Les Fontaines und 
biegt nun nach N. ab. Von Le Pichoux bia Undervelier 
erhält sie von rechts den Bach von Soulce und von links 
denjenigen von Mut; . Bei Berlincourt verlässt die Sorne 
ihren Schluchtenlauf und wird nun zum Längsthnllluss. 
Sie wendet sich in mannigfachen Krümmungen nach NO., 
erhält unterhalb Bassecourt von links den Bach von Boe- 
court (mit dem Tabeillon) und weiterhin, ebenfalls von 
links, die Bouge Eau, bespült die Dörfer Courfaivre und 
Courtetelle, trennt in Oelsberg das neue Bahnhofviertel 
von der Altstadt und nimmt dann von links noch die Go- 
latte (mit der Tide) auf, um endlich 800 m unterhalb 
Oelsberg nach 28 km langem Lauf zu münden. Die 7 km 
lange Strecke zwischen Le Pichoux und Berlincourt ist 
sehr malerisch und bietet als eine Folge von mehreren 
einzelnen Klüsen geologisches Interesse. Dem ganzen Lauf | 
der Sorne folgt eine schöne Fahrstrasse. Der Bach treibt ; 
eine grosse Anzahl von Sägen und Mühlen, sowie einige 
bedeutende industrielle Etablissemente. das Hammerwerk 
Undervelier und mehrere Wasser- und Elektrizitätswerke. 
Reich an Fischen, besonders ausgezeichneten Forellen. 
Die von der Sorne auf der Strecke Berlincourt bis zur 
Mündung in die Bin durchlloascne Landschaft bildete 
einst den sog. Sornegau. 

SORNETAN, deutsch SoiUtETBAt (Kt. Bern. Amtsbez. 
Münster). 851 m. Gem. und Pfarrdorf, auf einem Ausläufer 
des Moni Moron. im Petit Val rechta über der Sorne; 1,2 
km sw. vom S. -Eingang der Gorges du Pichoux, 8 km s. 
der Station Glovelier der Linie Oelsberg-Delle und 4 km 
onö. Bellelay. Postablage, Telephon. Der Postwagen Glo- 
velier-Le Pichoux-Chätelal-Deflelay geht unterhalb des 



SOR 641 

hoch oben gelegenen Dorfes Sornetan vorbei. 1.5 km ö. 
der Posthaltestelle Chätelat. 33 Häuser, 181 reform. Ew.. 
wovon 116 französischer und 65 deutscher Zunge. Acker- 
bau und Viehzucht, Käsereien; Holzhandel. Zur Pfarrei 
Sornetan gehören noch die drei Gemeinden Chätelat. 
Monible und Souboz. Waisenhaus und Altersasyl des 
Amtsbezirkes Munster in Chätelat. Spuren alten Kisenerz- 
baues. Einzclfunde aus der Homer- und Burgunderzeit. 
1161 und 1179: Sornetain; 1181 : Sornetan. Gehörte schon 
1161 dem Stift von Moulier-Crandval. Im 14. Jahrhundert 
erscheinen die Edeln von Sornetan. die im 15. Jahrhundert 
wieder verschwinden. Die Pfarrei bestand schon 1303 und 
wurde vom Kapitel zu Münster besetzt. Die dem h. Ger- 
manus geweihte erste Pfarrkirche stand bis 1707 in Sai- 
pran, einem neute verschwundenen Dorf. 1532 ging die 
Gemeinde samt dem Pfarrer zur Reformation über. 

SORNICO (Kt. Tessin. Bez. Valle Maggia, Gem. 
Prato-Sornico). 763 m. Dorf im Val I.avizzara, am linken 




Snrnico von Nordwesten, 



Ufer der Lavizzara und 8 km n. der Station Bignasco der 
elektrischen Bahn des Maggiathales. Postwagen Bignasco- 
Fusio. 13 Häuser, 36 kathol. Ew. Kirchgemeinde Prato- 
Sornico. Acker- und Flachsbau, Viehzucht. Auswanderung 
der Männer nach Kalifornien. Altes kleines Dorf mit wohl- 
habender Bevölkerung. 

SORNIOT (Kt. Wallis. Bez. Martinach, Gem. Fully). 
Hütten. S. den Art. Fri.i.v (Montaune de). 

SORREDA (ALPE DI) (Kt Graubünden, Bez. Glen- 
ner, Kreis Lugnez, Gem. Vals). 2006 m. Alpweide im hin- 
tern Valaerlhal, zwischen dem Gerenstock im W. und 
dem Zervreilerhorn im O., 3-4 Stunden sw. Vals. 10 
Hütten und Ställe. 

80RREDA (PASSO DO (Kt. Graubünden und 
Tessin). 2270 m. Paesübergang zwischen dem Plaltenberg 
(3041 m und dem Piz Casinell ; 6,5 km n. vom Rhein - 
waldhorn. Verbindet die Alpe di Sorreda im Lenlatha! mit 
der Alpe di Scaradra im Scaradrathal. Teilweise verglet- 
schert. 

SORTE (Kt. Graubünden, Bez. Moesa, Kreis Misox, 
Gem. Lostalloi. 402 m. Weiler am linken Ufer der Moesa, 
am Eingang ins Val Bebolgino und 2 km s. Lostallo. Sta- 
tion der elektrischen Dahn Bellinzona-Misox. 12 Häuser, 
45 kathol. Ew. italienischer Zunge Kirchgemeinde Lo- 
stallo. Acker- und Wiesenbau, Viehzucht. 

229 — r.EOfiR. lex. v — 41 



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soll 



sou 



SORVILIER, deutsch Si riiki.en (KL Bern, Amtsbez. 
Münster). 684 m. Gem. und Dorf an der Birs, im Thal 
von Tavannea zwischen dem Moni Morun im N. und dem 
Monto im S., an der Strasse Pierre Pertuis-Delsberg und 
t'i.j km hw. Munster. Puslbureau, Telephon. Station der 
Linie Biel* Oelsberg- Basel. 58 Hauser. 4.18 refonn. Ew. 
Kirchgemeinde Court. 313 F.w. französischer. 11") deut- 
scher und 10 italienischer Zunge. Ackerbau und Viehzucht. 
Uhrenindustrie; eine Fabrik von Uhrenrohbestandleilon. 
1148: Sorurvilier; 1308: Sororvilier; 1439: Survelier; 
1461 : Sorvelier. 

SOSSAU iKt. Bern, Amtsbez. Aarwangen, (iem. 
Rohrbach). 599 m. Gruppe von 9 Mausern, am Eingang in 
den Hohrbachgraben und I km »w der Station Rohrbach 
der Linie Langenthal- Wolhusen. 77 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Hohrbach. Landwirtschaft 

S08TO (Kt. Tessin. Bez. Blenio). 2221 rn. Gneisgipfel 
nno. über l Mivone. Fällt nach \V. »ehr schrolf ab, während 
NO. -Hang (Val Luzzone) und So. -Hang ,Val Carasinai 
sanft gehuscht sind und trockene Alpweiden (Monli Com- 
pielo 1580 rn etc.) tragen. Edel weiss. 

SOT CUORT (Kt. Graubünden, Bez. Albula, Kreis 
Uberhalbslein, Gem. Savognin). 1186 m. Gemeindeablei- 
lung und Quartier des Dorfes Savognin, am linken Ufer 
des Oberhalbsteinerrheins und 10,5 km ssö. der Station 
Tiefenkastel der Albulabahn. 15 Häuser. 64 kathol. Ew. 
romanischer Zunge. Kirchgemeinde Savognin. Wiesen- 
bau und Viehzucht. 

SOT TA8NA (Kt. Graubünden, Bez. Inn . Kreia. S. 
den Art. Ustkr Tasna. 

SOTS (ES) (Kt Freiburg. Bez. Broye, Gem. Chäbles). 
590 m. Gruppe von 4 Häusern; 1,8 km so. Chäbles und 
5 km sw. der Station Estavayerder Linie Freiburg- Yverdon. 
20 kathol. Ew. Kirchgemeinde Font. Ackerbau und Vieh- 
zucht. Sandsteinbruch. 

SOTTENS (Kt. Waadt, He/. Moudon). 758 m. Gem. 
und Dorf im zentralen Jorat, «m Eingang in das Tobel 
der Menne und an der Strasse Echallens-Moudon ; 5,2 km 
sw. der Station Moudon der Linie Lausanne- Payerne- 
Lyss. Postahinge, Telegraph, Telephon ; Postwagen 
Echallens-MouJon und Moudon-Thierren«. Automobil- 
wagenkurs Vverdon-Moudon. 39 Häuser, 195 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Saint (Herges. Landwirtschaft. Alte Ka- 
pelle, die seit 1843 nicht mehr für den Golteadiensl be- 
nutzt wird. Im Dorf sind einige alle Skelette aufgedeckt 
worden. 1147: Sotens; 1161 : Süthens; 1453: Soutens. 

SOTTOCEN ER i (Kt. Tessin). So heisst der südl. 
vom Monte Ceneri gelegene Abschnitt des Kantons Tessin. 
Der Monte Ceneri ist der vom Camoghe (2232 m) bis zum 
Passo di Monte Ceneri (554 in) sich senkende Kamm, 
der weiterhin wieder ansteigt und an den Monte Taniaro 
(1967 m) sich anschliesst. Zum Sopraceneri, dem Kantons- 
teil nordl. vom Monte Ceneri, gehören noch die dein Be- 
zirk Bellinzona angegliederten zwei Gemeinden Isone 
und Medeglia an der S. -Flanke des trennenden Kamme*. 
Der Sottoceneri (d. h. unter dem Ceneri) umfasst die 
beiden Bezirke Lugano und Mendriaio und zählt 129 Ge- 
meinden, 15952 Haushaltungen und 69 323 Ew.. wovon 



Die Bevölkerungsdichte ist mit 168 Ew. auf 1 km- eine 
sehr beträchtliche. Im Volkscharakter machen sich die 





Soubey von S0d«n. 

67742 italienischer. 1207 deutscher, 232 franzosischer. 
35 romanischer und 107 andrer Sprach«'; 67941 Katho- 
liken. 14131 Deformierte, 13 Israeliten und 335 Andre. 



Schlot« Souaillon. 

Eigenschaften der lateinischen Rasse schärfer bemerklicli 
als im Sopraceneri : die Männer sind lebhaft und geistreich 
und zeichnen sich durch künstlerische Neigungen aus. 
sodass fast alle Tessiner Künstler, die sich im In- uoil 
Ausland als Maler, Bildhauer. Baumeister etc. auhge- 
zeiclinet haben, aus dem Solloceneri stammen. Die Boden - 
beschalTenheit ist abwechslungsreich und weist neben 
schnitten und vielfach kahlen Kalkbergen zahlreiche an- 
mutige Hügelwellen und viel ebenes Land mit Weinlauben . 
Weizen. Mais, Tabak und einer stellenweise fast tropi- 
schen Fülle der Vegetation auf. Ein Uebelsiand ist da- 
gegen die starke Auswanderung der Männer, die siel ■ 
periodisch in die übrigen Kantone der Schweiz wenden 
und daneben auch dauernd nach Südamerika. Afrika. 
Italien etc. wegziehen. Ziemlich stark entwickelte indu- 
strielle Tätigkeit: Herstellung von Teigwaren. Schoko- 
lade; Parketlerien, Eiscngiessereien. Seidenspinnereien. 
Tabak- und Zigarrenfabriken etc. 

SOUAILLON < «b i SOAILLON Kl. und Bez. Neuen- 
burg, Gem. Cornaux). 450 in. Kleines Schloss mit Pächter- 
haus und Oekonomiegebäuden. nahe der Strasse Saint 
Illaise-Cornaux und zwischen diesen beiden Stationen der 
Linie ßiel-Neuenhurg gelegen. Ziemlich nasser Unter- 
grund. 6 reform. Ew. Kirchgemeinde Cornaux. Land- 
wirtschaft. Das um 1720 von Pierrede Chambrier erbauu* 
Herrenhaus ging in der Folge der Reihe nach an die de 
Pourlales und de Pury über. 1526: Suallon. Beim Bau 
der Eisenbahn deckte man eine fossil führende Schicht 
von Holomagien ab, die heute nicht mehr sichtbar ist. 

SOUBEV (Kt. Bern. Amtsbez. Freibergen i. 485 m. 
Gpm. und Pfarrdorf im SW. des Clos du Doubs, in dem 
hier engen Thal des Doubs und am linken Ufer des Flus- 
ses ; 14.3 km sw. der Station Saint Ursanne der Linie 
Delsberg-Delle und 8 km n. der Station Mont- 
faueon der Linie Glovelier-Saignelegier. Postbu- 
reau, Telephon; l'ostwagen durch den Clos du 
Doubs nach Saint Ursanne. Gemeinde, mit Le 
ChauiTour, C.tairbief, Froidevaux, Geneveret. Lo- 
lche/. I.es Moulins und Theureux : 64 Häuser. 352 
kalhol. Ew.; Dorf: 22 Ilauser, 125 Ew, Acker- und 
Obstbau, Viehzucht: Fischfang. Mühlen und Sägen. 
Sandgrube. Hauswasserversorgung und Hydranten- 
netz. Schone Stein- und Eisenbrücke über den 
Doubs. Mit Montfaucun auf dem Plateau der Frei- 
herge steht Soubey durch eine schone Strasse in 
Verbindung, die sich mit zahlreichen Schlingen 
den sehr steilen Hang hinauf windet. Dem Doubs 
selbst folgt dagegen nur ein sehr millelmässiger 
Fussweg. Die ehemalige Sichelfabrik besteht heute 
nicht mehr. 1310: Subeis. Heimat des Geschlechtes 
i. holl.it. dem mehrere verdiente Männer angehören. 
Soubey stand unler dem Stift Saint Ursanne und 
gehörte zur Pfarrei Chercenay. welches Dorf jetzt ver- 
schwunden ist. 1632 verlegte man die dem h. Valbert 
geweihte Kirche nach Soubev, das nun selbst Silz der 



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sou 

Pfarrei ward. Die Kollatur stand bis 1793 dem Stift Saint ] 
UrBanne zu. 

SOUBOZ (Kt. Dem. Amlsbez. Münster). 882m. Gem. 
und Dorf im Petit Val; am N.-Hang des Moni Moron, 
über dem Ruisseau de* Fontaines und gegenüber dem 
S. -Eingang in die malerischen Gorges du Pichoux ; an 
der Strasse Glovelier-Undervelier - Pichoux -Münster, i 
km o. Sornetan und 9,3 km sso. der Station Glovelier 
der Linie Delsberg Delle. 10.4 km w. der Station Münster 
der Linie Hiel- Oelsberg- Basel. Postablage, Telephon; 
Postwagen nach Munster. Gemeinde, mit Les Ecorctieres- 
)*es und Le Pichoux : 40 Häuser. 208 reform. L'w. : Dorf : 
23 Häuser. 1 14 Ew. Kirchgemeinde Sornetan. Ackerbau 
und Viehzucht. Holzhandel, l'hrenindustrie. Erscheint 
urkundlich seit 1398. 

SOUD (EN) und COL DE SOUD fKt. Waadt. Rez. 
Aigle. Gem. Ollon). I523 m. Alpweide mit zahlreichen 
Hütten und Sladeln, am WSW.- und S.-Hang der be- 
waldeten Teisa Joux (1766 ml und in nächster Nähe von 
Villars. Die kleine Senke und Ebene zwischen den Höhen 
von Teisa Joux und Le Uillioley (1500 m) heisst jetzt Co! 
de Soud (1523 m). Hier vereinigt sich ein von Villars 
direkt aufzeigender Fussweg milder kleinen Fahrstrasse, 
die Villars mit Hrelayes und dem I-ac des Chavonnes ver- 
bindet. 3 /, Stunden über der Station Villars der elektri- 
schen Balm Rex-Gryon-Ghesieres. Der Pass geht parallel 
zu dem n. der Tei»k Joux eingeschnittenen Col de Beau- 
cul (1750 m). Dogger mit leilwelser Decke von Moränen- 
schutt. 

BOULCI, deutsch Sri / (Kt. Bern. Amtsbez. Rels- 
berg!. 610 m. Gmi. und Pfarrdorf im Vallon de Soulce. 
der nw. der Montagne de Moulier liegt und sich bei 
l'ndervelier nach \V. zum Thal der Sorne öffnet; 0,1 km 
so. der Station Glovelier der Linie Delsberg-Delle. Post- 
ablage, Telegraph, Telephon ; Postwagen Glovelier-Under- 
velicr-SouIce. Gemeinde, mit La Roiraderie: 74 Häuser, 
394 kathol. Ew. : Dorf: 66 Häuser, 327 Ew. Ackerbau und 
Viehzucht. Holzhandel. Zucht und Export von Schnecken. 
Mühle und Säge. Seidenweberei. 1148: Sulza. Eigene 
Edle von Sulz ersehenen im 12. Jahrhundert. 1390 ge- 
hörte Sulz den Edeln von Cormondroiche und im 15. 
Jahrhundert den Edeln von Munchenslein, von denen 
die Herrschaft an die Edeln von Staal überging, die hier 
ein bis 1793 bestehendes Teste» Haus besagen. Die dem 
h. Lorenz geweihte Kirche stammt aus 1709, die Pfarrei 
aus 1802. 

80ULCe(RUI88E»UDl)(Kt. Bern, Amtsbez. Dels- 
berg). 960-530 m. Rechtsseitiger Zufiuss der Sorne ; ent- 
springt in der Combe du Folpotat am N.-Hang der Mon- 
tagne de Moutier und durchmesst in westl. Richtung ein 
enges und wenig fruchtbares Thälchen, dessen Hänge 
aber mit schönen Waldungen bekleidet sind. Nachdem 
er das Dorf Soulcc durchzogen, mündet der Bach nach 
9.3 km langem Lauf in L'ndervelier. Ihm folgt der ganzen 
Länge nach ein Fahrweg, der aber nur von Soulce bis 
Undervelier in gutem Zustand ist. 

SOU UZE (POINTE DE) (Kt- Wallis. Rez. Martinach). 
1838 m. Nö. Vorberg des Moni Arpille (2082 m). in der 
«las Thal des Trient von Martinach und La Forcia z tren- 
nenden Kelle. Schone Aussicht. Aufstieg von Martinach 
(über LeSommct des Vignes und Ravoirelund von Salvan 
her in je 4 Stunden. Der Berg wird aber nur sehr wenig 
besucht, da man ihm meist seinen grossen Nachbarn, den I 
aussichtsreichen Mont Arpille, vorzieht. 

SOUMV (Kt. Wallis. Bez. Herens, Gem. HeVemence). 
Weiler. S. den Art. S*t mvh. 

8OÜR8 (LAS), eigentlich Las Shl'ons (d. h. « die 
Schwestern»). (Kt. Graubünden, Rez. Maloja). 2982m. 
Gipfel in der Piz Languardkelte der Casannagruppe 
I Ofenpassalpen). 2 km nö. Pontresina. Nach SO. setzt 
sich der Gral zum Piz Muraigl (3159 m). nach NW. in 
den Krönen, sanfter geformten und viel niedrigeren 
Schafberg (Munt della Bes-cha) fort. Im N. liest das Val 
Muraigl und im S. das Val Languard. Der Bergstock 
weist drei Gipfel oder Zacken auf, von denen der west- 
liche vom Fussweg des Munt della Hes-cha her auf einem 
guten Pfad in '/»Stunde erstiegen werden kann (3 Stunden 
von Pontresina "her). Von hier gelangt man über einen 
Grat auf die mittlere Spitze und von dieser steil hinunter 
und wieder aufwärts zur drillen der Sours (von der ersten 



sou m 

I weg 1 Stunden). Ueber einen scharfen Gral lasst sich 
der Einschnitt zwischen den Sours und dem Piz Muraigl 
gewinnen, worauf man am felsigen Fuss der Schwestern 
entlang wieder auf den Fussweg des Munt della Bes-cha 
zurückkehrt oder auch ins Languardtlial hinunlersteigt. 
Doch bleibt der Rückweg über den Gral eigentlich der 
schönste. Während der westlichste der drei steilen Gipfel 
12982 m) unscltwierig zu ersteigen ist, sind die beiden 
andern nur Geübten zugänglich. Die Aussicht von den 
Sours auf die Rerninagruppc ist nach Dr, Ludwig (/'um- 
Irmina und »eine l.'mgchung\ die schönste und vollkom- 
menste, die man sich denken kann. Sie ühertrilft noch 
diejenige des Munt della Bes-cha und reicht bis zum 
Orller hin. Die Mergkelte besteht aus Gneis, dem gegen 
das Languardlhälchen hin eine ansehnliche Mulde von 
Glimmer 1 . Talk- und Serizitschiefern, Triaslalk und 
bunten Dündnerschiefern eingelagert ist. Im Val Gian- 
dains (Gandaun) unter den Sours sieht man grosse Rufen 
verbauungen. 

SOU« BOBSY (Kt. Genf. Linkes Ufer. Gem. 
Troinexl. Anderer Name für Cheneviere. S. den Art. 

ChKNKVIKHE. 

BOUS LA LIX oder BOUS LA LEZ (Kt. Wallis. 
Bez. Entremont. Gem. Oraleres). 1039 m. Kleines Dorf 
auf einer Terrasse am O.-Hang des Mont Catogne. zwischen 
Sembrancher und Orsieres. links der Dranse und 2 km 
n. Orsieres. 21 Häuser. 133 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Orsieres. Primarschule. Das Dorf ist im Juni 1892 teil- 
weise niedergebrannt. 

SOU* LA NEU VE VV (Kl. Bern. Amlsbez. Frei- 
hergen, Gem. Saignelegier). 960 m. 4 zerstreut gelegene 
lläuser, an der Poslstrasse Saigneleoier-Tramelan und 
1,8 km so. Saignelegier. 3t kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Saignelegier. 

SOUS LE BEMONT (Kt. Bern. Amtsbez. Frei- 
hergen, Gem. Le ßemont). 950 m. Gruppe von 5 Höfen. 
800 m s. der Station Le Ormont der Linie Glovelier- 
Saignelcgier. 37 kathol. Ew. Kirchgemeinde Saignelegier. 

SOUS LE MONT (Kt. Bern, Amtsbez. Freibergen. 
Gem. Les Bois). Weiler. S. den Art. Munt (Surs i.K). 

SOUS LE MONT oder FIN SOUS LE MONT 
i Kt. Bern. Amtsbez. Münster, Gem. Tavannes). 800 m. 
Wiesen, Weiden und 3 Höfe, am NW.-Hang des Monto 
und ö. vom Dorf Tavannes. 23 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Devilard 

SOUS LE MONT (Kt. Neuenbnrg. Bez. Val de Ruz, 
Gem. Sayagnier, Dombresson und Villiers). Köm. Gruppe 
von 4 Häusern, auf einer sumpfigen Terrasse am N.-Fusa 
des Chaumont. 18 reform. Ew. Kirchgemeinde Dom- 
bresson. Hier entspringt eine der Hauptquellen des 
Seyou. 

SOUS LE RANG (Kt. Rem, Amlsbez. Freibergen. 
Gem. Les Rois). Weiler. S. den Art. Rani; (Sors i.e). 

SOUS LE SEX (Kt. Waadt. Bez. Pays d Enbaut. 
Gem. Ghäteau d'Oex). 980-1100 m. Gemeindeabteilung 
mit zerstreut gelegenen Siedelungen, am rechten Ufer 
der Saane zwischen Ghäteau d'Oex und Rougemont und 
sw. Flendruz. Zusammen: 51 Häuser und Hütten, 230 
reform. Ew. Kirchgemeinde Ghäteau d'Oex. Viehzucht. 

SOUS LE TERREAU (Kt. Rem. Amtsbez. Frei- 
bergen. Gem. Le Noirmonl). Weiler. S. den Art. Tcnnm: 
(Sors i.Kf. 

I SOUS LES CRAUX (Kt. Rem. Amtsbez. Frei- 
herren, Gem. Le Noirmonl). Weiler. S. den Art. Ciurx 

iSlHS I.KS). 

SOUS LES RIVE8 (Kt. Rem, Amtsbez. Münster. 
Gem. Eschert). Weiler. S. den Art. Rives (Surs i p>>. 

SOUS TERRE (Kt. Genf, Rechtes Ufer. Gem. Le 
Petit Saconnex). 376 m. Ilruppe von 5 Häusern am 
rechten 1.7er der Rhone, am Fuss der aus Moränenschutt 
und Schottern aufgebauten Steilufer und 300 m w. Genf. 
31 reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden Le Petit 
Saconnex und Saint Antoine. 1H90 erbaute drucke über 
die Rhone. Mühlen. Resle der 1535 zerstörten Kirche zu 
Saint Jean waren in Sous Terre noch bis zum Jahr 1753 
sichtbar. 

SOUS VENT (Kt. Waadt, Rez. Aigle, Gem. Rex). 
415 m. liäusergrnppe und Landhaus am Fuss der Felsen 
von Ghietres. an der Strasse nach Saint Maurice und 2 
km sw. Rex. Telephon. 7 Häuser, 41 reform. und kathol. 



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SOU 



SUY 



Ew. Kirchgemeinden Hex. Schoner Gletscherschliff auf 
dem Neokomfels der Colline de Chietres. Steinbruch. 



Soyhi*re» von Nordosten. 

Riesen kessel und Glelscherlöpfe. ähnlich denjenigen im 
Gletschergarten zu Luzern. 

SOUSTE(LA). deutsch Sisikn ( Kl. Wallis, Bez. und 
Gem. Leuk). 634 m. Weiler hei der Station Leuk. Tele- 
phon. 10 Häuser, 1*20 kathol. Ew. Kirchgemeinde Leuk. 
Vor dem Bau der Sirnplonhahn standen hier einzig ein 
Gasthof für die Fuhrleute und eine Sust für die Waren, 
die sich als umto notwendiger erwiesen, als der Weg 
nach Leuk hinauf steil und noch lang war. Her Weiler 
liegt am linken Bhoneufer an der Stelle, wo der vom 
Scnuttkegel des lllgrabcns bis zu den Felsen von Leuk 
hinühergedrangle Thallluss sich tief eingeschnitten hat. 
Zwei Hochbrücken, eine für die Eisenbahn und die an- 
dere für die Strasse von der Station Leuk-Susten nach 
Leuk und Leukerbad Zwei Gasthofe. 

SOUVERAIN (JOUX DU) iKt. Waadt, Bez. Aigle, 
Gem. Bei). 48U-650 m. Schöner Huchenwald mit pracht- 
vollen Baumriesen, am O.-Hang des Montet und ganz 
nahe der Station Le Be\ieux der elektrischen Bahn ßex- 
Gryon - Villars. Ausflugsziel der Kurgäste von Bcx mit 
zahlreichen Spazierwegen. Der Wald war ehemals berni- 
sches Staatseigentum, worauf auch noch sein Name, der 
ihm aus jener Zeit geblieben ist. hindeutet. 

SOVAGLIA (Kt. Tessin. Bez. Lugano). 1300-275 m. 
Zufluas des Luganersees ; entspringt im kleinen Val Ca- 
moscia am NW. -Hang des Monte Generoso. Iliesst nach 
SW., hespult das reizende Dorf Rovio und stürzt sich 
unterhalb desselben mit einem prachtvollen, HO m hohen 
Fall in die durch sein eigenes Delta aufgeschüttete Ebene 
hinunter. 3.8 km lang. 

SOVASCO (Kt. Tessin, Bez. Leventina. Gem. Anzo- 
nioo'i. 1544 m. Maiensäss mit Hültengruppe, am SW.- 
Hang des Mi Erra und 7.5 km so. der Station Lavorgo 
der Gotthardbahn. Herstellung von Buller und Käse. 

SOVEILLAME (LA) (Kt. Wandt Bez. Cossonay. 
Gem. Senarclena). W r eiler. S. den Art. Saivkim-AME (La). 

SOVILTRA (PIZZO DI) (Kt. Tessin. Bez. Leven- 
tina). 2856 m. Gipfel; bildet zusammen mit dem Pizzo 
Barone i2M61 m i einen Teil des steilen Gneiskammes 
zwischen der Leventina einerseits und dem Val Broglio 
und Val Lavizzara andrerseits. Der Gipfel selbst erhebt 
sich w. vom Val Chironico und o. vom Val Prato. 

SOVENEDO (ALPE DI) (Kt. Tessin. Bez. Valle 
Maggia. Gem. Peccia). 1180-2200 m. Alpweide, am N.- 
Hang des Pizzo Matura in einer rechtsseitigen Ver- 
zweigung des Val Peccia. Wird mit 60 Stuck Rindvieh 
und 180 Ziegen bezogen. Herstellung von Butler und 
Fettkäse. 

sovrana (ALPE DI) ( Kl. Graubünden. Bez. 
Hinterrhein. Kreis und Gem. Avers). 2*250 m. Alpweide 
im obern Abschnitt des Madriserlhales, links vom Madri- 
serrhein und 12 km s. Cresta. 

SOVRANA ( CIMA DI ) ( Kl. Graubünden. Bez. 
Hinterrhein). 3000 m. Stark vergletscherter Grenzgipfel 
in der Kelle des Pizzo dell» Duana i Aversergruppe >; nw. 



vom doppelgiplligen Pizzo Gallegione (3135 und 3110 in) 
und 1.3 km n. der ebenfalls auf der Grenze gegen Italien 
stehenden Cima di Lago (3015 m>. Uestl. über 
dem italienischen Val di Lei und w. über Val 
Madris. Der Berg ist sowohl vom Madriserthal 
(Alpe di Sovrana) als von der Valle di Lei her 
leicht zu ersteigen (Aufstieg von Avers durchs 
Madriserthal und Abstieg durch die Valle di Lei 
in je etwa 6 Stunden I. doch wird die Cima di 
Lago. deren Stellung in der Grenzkette noch 
günstiger ist, von den Touristen vorgezogen. 
Die Cima di Sovrana besteht aus Glimmer- 
schiefern, die in der Alpe di Sovrana ziemlich 
genau N.-S. streichen und o. einfallen. 

SOVRANA (GMIACCIAJO DELL A) Kt. 
Graubünden. Bez. Hinterrhein). 3060-2700 m. 
Etwa 500 m langer und 1,4 km breiter Gletscher, 
am N.-Hang der Cima di Sovrana (in der Aver- 
sergruppe) und 6. von dem nordwärts /um 
Biesehorn ziehenden Kamm. Hängt zur Alpe di 
Sovrana irn Madriserthal hinab. 

SOYHIERES, deutsch BaOOBUI (Kt. Bern. 
Amtsbez. Delsberg). 403 m. Gem. und Pfarrdorf. 
am linken l'fer der Bin und am Eingang in 
die Klus von Soyhieres. 4 km no. Delsberg. 
Station der Linie Biel-Delsberg-Basel. Postbureau, Te- 
legraph, Telephon; Postwagen nach Roggenburg- Ge- 
meinde, mit Lea Riedes Dessus: 75 Häuser, 507 Ew. 
(wovon 54 Reformierte; 274 Ew. französischer und 195 
deutscher Sprache); Dorf: 50 Häuser. 401 Ew. Eigene 
Pfarrei seit 1329. Etwas Landwirtschaft, Viehzucht. 
Eine Kalk- und Zementfabrik. Säge und Holzhandel. 
Haushaltungsschule für Mädchen, von Oblatenschwe- 
stern geleitet. Das Dorf Soyhieres liegt nicht bloss 
längs der Birs und der Strasse Delsberg- Basel, sondern 
zieht sich nordwärts noch in ein romantisches Thälchen 
hinein, dem im untern Abschnitt die Strasse Soyhieres- 
Movelier-Roggenburg folgt. Der das Thälchen entwäs- 
sernde und das Dorf in zwei Abschnitte teilende Bach 
bildete einst die Gemeindegrenze zwischen Delsberg und 
Soyhieres, so dass also ein Teil des Dorfes Soyhieres zur 
Gemeinde Delsberg gehörte. Dies traf namentlich für 
Kirche, Pfarrhaus und Schulhaus zu, was zu endlosen 
Reibereien und Streitigkeiten Anlass gab, bis die Kantons- 
regierung diesem unhaltbaren Zustand im Jahr 1867 da- 
durch ein Ende machte, dass sie die Gemeindegrenze um 
etwa 100 m weiter westwärts verlegte. Soyhieres ist das 
letzte birsabwarls gelegene Dorf des französischen Sprach- 
gebietes. Die dem Märtyrer St. Stephan geweihte Pfarr- 
kirche ist 1714 neu aufgerichtet und 1721 geweiht worden ; 
sie enthält das Grab des Pater Blanchard, zu dem viel 
gewallfahrtet wird. Oberhalb des Dorfes steht eine rei- 
zende Kapelle, die das Chor der ehemaligen ersten Pfarr- 
kirche darstellt. Zur Pfarrei gehören noch die beiden 
Weiler Riedes Dessus (mit einer St. Josefskapelle) und 
Riedes Dessous. Auf dem Felskamm 600 m ssö. vom Dort 
Soyhieres sieht man die Ruine der Burg der ehemaligen 
Grafen von Sogern, die seit dem 11. Jahrhundert irn Be- 
sitz des Sornegaues und Kastvögte der Abtei Moutier- 
Grandval waren. Im 13. Jahrhundert ging der Sornegau 
mit der Burg Sogern durch Erbschaft an die Grafen 
von Plirt iFerrette) ulipr, die diesen Besitz am 15. Januar 
1271 an den Fürstbischof von Basel verkauften, um ihn 
sofort von letzterm wieder zu Lehen zu erhalten. Mit 
dem Tod Clrichs IL. des letzten Grafen von Pfirt. fiel das 
Lehen Sogern i Soyhieres) 1324 wieder an den Bischof 
zurück. Jonann von Chälons, der Verwalter des Bistums, 
gab darauf Soyhieres 1325 dem Prior Johannes des St. 
Albanklosters 'zu Basel. Dieser verzichtete aber auf das 
Lehen zu gunsten seines Bruders Richard, genannt 
Stocker, Burgherrn zu Delsberg. der 1337 Schloss und 
Dorf Soyhieres um 1000 Goldgulden dem Bischof abkaufte, 
unter der Bedingung, dass diesem letztern der Zugang 
in Kriegszeiten stets gewahrt bleibe. Die durch das grosse 
Erdbeben von 1356 umgeworfene Burg wurde .von Richard 
Stocker wieder aufgebaut und neuerdings bewohnt, wo- 
rauf sie der Reihe nach an den Ritter Jean Ulrich de 
Helle, den Grafen Diebold VI. von Neuchäte) (in Bur- 
gund; 1388) und in den gemeinsamen Besitz von Henri 
de Honcourt und Petermann von Tavannes (1408) über- 



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soz 



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645 



ging. Im Schwabenkrieg von 1499 wurde die Feile von 
einein österreichischen Streifkorps genommen und ver- 
brannt, um nun nicht wieder aufgebaut zu werden. 
Christoph von Hlarer, Fürstbischof von Basel, kaufte 
Soyhieres mit allen seinen Rechten 1576 wieder zurück, 
worauf die Herrschaft nun bis 17&3 dem Furslbislum 
verblieb. Üie während der Revolutionszeit als Staatsgut 
erklärte und verkaufte Burgruine kam um die Milte des 
19. Jahrhunderls in den Besitz des Ingenieurs Quiquerez. 
der sie einigermassen restaurierte und in ihr ein Kleines 
Museum lokaler Altertümer anlegte, das heule nicht 
mehr existiert, indem seine bemerkenswertesten Stücke 
an verschiedene schweizerische Museen verkauft worden 
sind. IIB: Sougere; 1136: Sohires; 1148: Soires; 1170: 
Sujeres; 1188: Soyris: 1388: Soieres. Deutsche Formen : 
1170. Sugron; 1207: Sogeron: 1212: Sogren ; 1885: 
Sougern. Die Elvmologie ist noch unsicher. Reste von 
prähistorischen Töpfer- und Gusswaren ; Einzelfunde 
aus der Zeit der Alemanncneinfälle. Römerstrasse und 
Fund einer römischen Statuette. 

SOZZO (Kl. Tessin, Bez. Leventina. Gem. ßedretto). 
1300-1390 m. Wiesen mit einigen Gruppen von Hütten, 
am linken Ufer des Tessin und 5 km w. Airolo. Nur im 
Herbst bewohnt. 

Spadla und spedla, Augmentativ SP ADL AT- 
SCH A. Rätoromanische Ortsnamen; bedeuten l. v. a. 
« Schulter, Bergschulter. Terrasse » etc. 

SPADLA (PID (Kt. Graubünden. Bez. Inn 2939 m. 
Schieferberg im Gebirgsstock Piz Minschun-Piz Cham- 
patsch der Silvrettagruppe (Unter Engadin) ; zwischen 
Val da Ruinas-Val Sineslra und Val Laver. dem w. Quell- 
thal von Val Sineslra. 1,4 km nö. vom Piz Soer (2920 m) und 
2,1 km vom Piz Champalacli (2925 m). Am SO. -Fuss liegt 
das Val Spadla mit der Alp Spadla (2320 ml. Die Basis 
des Berges besteht aus ranteinerungsleeren Kngadin- 
schiefern, während die höhern Gräte und der Gipfel 
gleich dem Piz Soer aus Kalksandsteinen und Breccien 
derselben von mesozoischem Alter aufgebaut erschei- 
nen.! 

SPADLA (FUORCLA) (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 
2726 m. Passübergang ; führt aus dem Val Spadla zwischen 
Fil Spadla und Piz Soer nordwestwärts ins Quellthal 
Tiral von Val Laver (Seitenthal von Val Sineslra) hinüber. 
Sent-Passhohe 4. Abstieg bis zum Hofe Zuort im Sinestra- 
thal 1 Vi Stunden. Prachtvolle Aussicht. Von der Fuorcla 
Spadla her kann der Piz Soer in ■'/, Stunden erstiegen 
werden. 

SPADLA (VAL) (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 2726- 
2010 tn. Nordost). Quellthälchen des unterhalb Sent von 
links zum Unter Engadin ausmündenden Val da Muglins. 
Vereinigt sich ö. vom Mot S. Peder mit dem Val Soer. 
Der Zwischenstrich am Ausgang beider SO. gewendeter 
Thalchen ist wasserzügig und x. T. sumpfig. Das auf 
Boden der Gemeinde Sent gelegene Val Spadla entspringt 
unter der Fuorcla Spadla, ist 2,9 km lang und hat ein 
Gefälle von 20" , Im Thal liegt die Alp Spadla i2320m). 

8PADLA BELLA (MOT) (Kt. Graubünden, Bez. 
Inn). 2435 m. Gipfel im Stock des Piz Pisoc lOfenpass- 
gruppet. im Hintergrund des unterhalb Remüs von rechts 
ins Unter Engadin ausmündenden Val d'Assa und 1,7 km 
nö. vom Piz Schalambert Dadaint (3034 mi. Er wird 
durch Val d'Assa erstiegen, aus welchem der Pfad eine 
Strecke weit an der linken Seite des Felsenthälchens 
S-chaletta verläuft, um dann zum Munt Bussena hinauf 
nach S. umzubiegen. Auf diesem Wege hat man einen 
vorzüglichen Ueberblick über die wilde Kette der 
Schalatnberts oder Schellenberge. Nach oben zu ist die 
Höhe flach plateauartig. Steinsberg- oder Liaskalk und 
l.iasachiefer, sowie in verkehrter Lagerung darüber fol- 
gender Haupt- und Arlbergdolomit setzen den kleinen 
Bergstock zusammen, dessen Sedimente vom Gneisgebirge 
des Spi Russena und Munt Russena überschoben er- 
scheinen. Der Kontakt der Schichtglieder liegt aber unter 
tiefem Schutt verborgen. 

SPADLA D'SURA ( Kt. Graubünden, Bez. Inn). 
Etwa 2600 m. NW. -Grat des Piz Foraz (3094 DD) in der 
PiBocgruppe der Ofenbergalpen. Oesll. über der Alp 
Plavna im Val Plavna und s. vom Paas Sur il Fosa 
1*2325 ml, der Val Minger-Scarl mit dem Plavnathal und 
Tarasp verbindet. 



SPADLATSCHA (PIZ) ( Kt. Graubünden. Bez. 
Albula». *2872 m. Nördl. Ausläufer des Piz d'Aela i3340m) 
der Bergünerslöcke (in der Albulagruppei ; 3,5 km sw. 
Bergün. Man sieht den Berg zusammen mit dem Piz 
d'Aela prachtig, wenn man. vom Berguner Stein her- 
kommend, in das Wiesenthal von Bergün eintritt. Da 
der Piz Spadlatscha nur Vorberg ist und in der Gruppe 
der durch ihre Aussicht berühmten Bergünerslöcke keine 
günstige Stellung einnimmt, wird er nur wenig be- 
stiegen. Gesteine sind, von der Basis an gerechnet : 
Arlbergdolomit, obere Rauhwacke. Ilaupidolomit, Rät und 
Liaskalke. Die höhern Gralpunkle 2970 und 2930 m ver- 
binden den Gipfel mit dem Piz d'Aela. 

SPADLATSCHA (VAL) ( Kt. Graubünden, Bez. 
Albula i. 2*240-942 m. Gebirgsthal an der N.-Seite der 
Bergünerslöcke (Albulaalpen) ; entspringt zwischen Tin- 
zenhorn und Piz d'Aela und zieht sich in NNW.- Richtung 
zum Albulathal hinab, wo sein Bach etwa 1 km hinter 
AUaneu Bad von links mündet. Auf der von Sela an fol- 
genden untersten Strecke hat das Thal WN W.- Richtung. 
Vom Ursprung seiner Quellbäche an hat es eine Länge 
von 6.5 km und ein Gefalle von etwa 1260 m oder 19,5%; 
die dazugehörige trockene Felsennische zwischen Tinzen- 
horn und Piz d'Aela ist 1,8 km lang. Nahe unterhalb der 
Bachquellen steht die 1879 errichtete Aelahütte des S. A. C. 
in 2201 m Höhe, die ineist als Standquartier für die Be- 
steigung der Bergünerslöcke dient. Val Spadlatscha ist 
das einzige eigentliche Alpenthal in dieser Gebirgsgruppe ; 
es hat schöne Wiesen und Weiden, Heuhülten und Alpen 
(Prosiitt 1789 und 1900 m, Pradatsch 2016 m und Spad- 
latscha 2124 m; alle zu Filisur gehörig). Der Wald 
reicht auf beiden Seilen in geschlossenen Beständen bis 
über die Milte hinauf und findet seine obere Grenze bei 
etwa 2100 ra. Oesll. vom Thal liegt das sanfte und freund- 
liche Plateau Chavagl Grond. westl. das kleinere und 
steilere von Cuolmatsch. Die zwischen Val Spadlatscha 
und dein Albulathal vom Aelastock nach NW. sich hinab- 
ziehenden Felsgehänge sind stark zerklüftet, zerrissen 
und durchschluchtet. An der Stelle, wo sich der Bach 
im Vordergrand plötzlich nach WNW. wendet, liegen 
die Maiensässe und das «chonc Waldgebiet von Sela 
(1433 m). Hier hatte die Sektion Rätia des S. A. C. Ende 
der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts einen Versuch zur 
Ansiedelung von echtem Steinwild (Steinbocken) gemacht, 
nachdem eine Probe mit Bastarden im Welschtobel von 
Arosa 1879-1880 missglückt war. Von der Landstrasse 
hinter Filisur und aus der Gegend von Alvaneu Bad 
führen gute Wege ins Val Spadlatscha hinauf. Dieses ist 
in Schierer, Kalke, Dolomite und Rauhwacken der Trias 
eingeschnitten, während die obersten Gehänge des hinter- 
sten Thalabschniltes noch etwas in die Formation der 
rätischen und Liaskalke hinaufreichen. 

8PCHNHORN oder PIZZO D'ANTIOINK (Kt. 
Wallis, Bez. Vispl. 3194 m. Gipfel in der Grenzkette 
gegen Italien, zwischen dem Mondellipass (2841 m und 
Ofenthalpass oder Code d'Antigine (2838 m). Der NW.- 
Grat endigt mit dem Galmenhorn ( 2850 m ) über der 
Distelalp, während der OSO. -Grat das Mondelli- vom 
Antronathal (Italien) trennt. Das Spähnhorn kann von 
Mattmark her über den MondellipaaB in 3 '/j Stunden 
sehr leicht bestiegen werden, wird aber weniger besucht 
als das benachbarte St. Jodorhom (3040 ml, das dem 
Touristen bequemer liegt. Prachtvolle Aussicht auf den 
Monte Bosa. die Mischabelhörner und in der Richtung 
nach dem Langensee. 

spjcniz (Kt. und Bez. Neuenburg). Deutscher Name 
für Epaomer. S. diesen Art. 

SPJERRA ( Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart, 
Kreis und Gem. Klosters). 1581 m. Alpweide mit Hütten, 
am rechten Ufer der Landquart und 8,5 km o. Klosters. 

SPATENBODIN (Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken. 
Gem. Grindelwald i. 1620 m. Alpweide und Waldung am 
linksseitigen Gehänge des Thaies von Grindelwald. Schon 
1357 genannt, l'eberreste eines vom Röttbon nieilerge- 
brochenen alten Bergsturzes, der bis zur Thalsohle hin- 
unter gereicht haben so|l. 

SPAEZ oder SP /ETZ (Kt. Zürich, Bez. und Gem. 
Hörgern. 530 m. Gruppe von 6 Häusern, 1 km w. der 
Station Borgen der linltsufrigen Zurichseebahn (Zürich- 
Horgen-Richterswil) und nahe der Station Horgen-Ober- 



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dorf der Linie Zürich-Thalwil-Zug. 22 rerorm. Ew. Kirch 
gemeinde Horben. Wiesenbau. 

8PALIMORN (Kl. Wallis, Uez. Westlich 
Raroni. M5I m. SO. -Ausläufer des Stuhhhorn-« 
(2709 m) in dem' von der Marwiglücke zwi- 
schen Schilthorn (oder Hockenhorn) und Sack- 
horn überschrittenen Kamm de* Pelersgrates' 
Uildet einen merkwüdigen Bergsporn zwi- 
schen den Thälchen den Tennbaches und des 
Mullerhorns und besteht aus zwei Felsen, die 
durch einen malerischen Miss voneinander 
getrennt sind. Der W. -Gipfel des Spallhorns 
wird aus dem Hoden dieses Risses in wenigen 
Minuten erstiegen, wahrend der O. -Gipfel bis 
dahin (1906) allen Versuchen, ihn zu bezwin- 
gen, getrotzt zu haben scheint. Aufstieg von 
Ried im Lolschenlhal bis zum Bergfu-s in !'/■ 
Stunden. Schöne Aussicht ins Lölschenthal 
und besonders aufs Bietschhorn. 

8PANNEGGSEE (Kt. Glarusi. 1458 m. 
Hübscher kleiner See auf der zwischen Fron- 
alpslock und Mürtschenstock eingesenkten 
obersten Stufe des engen Thaies, das sich 
vom Schild nordwärts tum Walensee erstreckt. 
Er hat eine Länge von 350 m, eine Breite von 
200 m und eine Tiefe von 6,5 m. Er wird 
durch kleine Bäche «espiesen, die teils vom 
O.-Fuss des Fronalpstock, teils von der 
Mürtschenfurkel herkommen, und besitzt kei- 
nen oberirdischen Ablluss. Wird durch eine 
quer über das Thal streichende Felsbarriere abgedämmt, 
nber die man in den 250 m tieler liegenden Kessel von 
Thalalp limuntersteigt. Hie mächtigen Schutthalden am 
W. -Fuss des Mürtschenstock» bedrohen ihn immer mehr 
mit Ausfüllung. Er ist vielleicht durch unterirdische Ero- 
sion, vielleicht auch durch Glazialerosion entstanden. 
'Vergl. Blumer, Samuel. Zur Enlttr/iunrj der glartiert- 
trhen Alpenteen Lausanne 1902). 

SPANNMATT (Kt. Uri, Gem. Andermatt). 1800 m. 
Alpweide im L'nteralplhal, s. vom Six Madun und 7 km 
sü. Andermatt. 

SPANNGERTER (Kt. I'rii. Bergstock; besteht aus 
dem Gross Spannokt und dem Klein Si>.\nnoiit. S. diese 
Art. Leber die Gruppe als Ganzes vergl. den rührer 
•lurch die l'rner Alpen ; verf. vom Akadem. Alpen Club 
Zürich, herausgeg. vom S. A. C. Bd IL Zürich 1905. 

8PANNCERTERJOCH (Kt. Uri). 2929m. Passuber- 
gang zwischen Gross und Klein Spannort in der Titlis- 
Spannortgruppe ; verbindet das Lrstfelderthal und die 



Stunden Wird von den Touristen ziemlich oft begingen, 
doch zieht man ihm im allgemeinen die benachbarte 





(IfiOM S|iannorl. »on der Schlo>ab<irglQck« am. 

Kröntenhutle mit der Spannorthutle und dein Engel- 
hergerth.il. Aufstieg von Kngelherg 7 Stunden, Abslieg 
zur Kröntenhutte 2 und nach Ersifeld ebenfalls noch 2 



SpaooOrter und Spanourljocb. 

Schlossbcrglucke vor. da sie weniger mühsam und kürzer 
ist. Häutig besteigt man vom Spannurterjoch auch das 
Gross oder das Klein Spannort. Erste l'ebersclireitung 
1864. Auf der Siegfriedkarte unbenannt. 

SPANNORT (GROSS) (Et Uri). 3202 m. Gipfel in 
der Titlis-Spannortgruppe ; höchster Gipfel der Umrah- 
mung des Krstfelderthals und die nach der Krönte wohl 
am meisten bestiegene Spitze dieses Gebietes. Steht 
zwischen Titlis und Schlossberg und bildet einen steil- 
wandigen Felsgrat ö. über dein Spannorlgletscher und w. 
über dem Glattenfirn. der drei Einzelgipfel trägt: den 
Hauptgipfel |3202 m). den (auf der Siegfriedkarte unbe- 
nannten und nicht kotiertem W. -Gipfel (etwa 3150 m) 
und den (auf der Siegfriedkarte unhenannten) N. -Gipfel 
oder Adlerspitze 1 3 1 IT m). Der 1867 zum erstenmal be- 
stiegene Hauptgipfel ist vom Spannorterjoch aus über den 
S.-Grat leicht zugänglich (Aufstieg von der Spannort- 
oder der Kröntenhutte in je V . Stunden i; den 1903 zum 
erstenmal bestiegenen W. -Gipfel erreicht man von den 
beiden genannten Hütten her in je 5 1 /« Stun- 
den, wobei jedoch die oberste Partie eine 
schwere Klettern rbeil erfordert. Die nach 
W.. N. und Oi in steilen Wänden abfallende, 
elegante Adlerspitze ist südwärts über einen 
gangbaren Grat mit dem N. -Abbruch des Gross 
Spannort verbunden und kann von den bei- 
den Hütten her in je V . Stunden erklettert 
werden, bietet aber ebenfalls bedeutende 
Schwierigkeiten. Erste Besteigung 18P8. Alle 
drei Gipfel gewahren eine prachtvolle und 
umfassende Aussicht. 

SPANNORT (KLEIN) (Kt. Uri). 3149 m. 
Mit einer Schneehaube gekrönter mächtiger 
Kalksleinklotz, der sich in westösll. Richtung 
langhinstreckt und nach allen Seilen in mäch- 
tigen Wunden abfällt. Steht in der Titlis- 
Spannortgruppe bw. über dem Spannorterjoch. 
s. über dem Spannortgletscher. n. uber dem 
Hossfirn. BÖ. uber dem Kühfadlirn und w. uber 
dem Glattenlirn. Die fast senkrechten S.- und 
\V.- Wände dürften kaum erkletterbar sein. 
Auf der N. -Seile ist der Fels gestuft und von 
Bändern durchzogen, so dasa von dieser Seile 
aus an vier Stellen eine Erkletterung möglich 
ist : ebenso kann das Klein Spannort über 
seine 0. -Kante und den Inngen Firngral bestie- 
gen werden. Alle Routen auf das Klein Spann- 
ort (von der Spannort- iwler der Krönteuhulle her je 
5 Stunden) bieten bei aperen Felsen ziemlich schwere 
kletterarbe.it. Sind die Kelsen vereist, so wird die lie- 



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SPA 



SPE 



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Steigung sehr schwierig, oft sogar unmöglich. Prachtvolle 
Aufsicht auf die Kunftingerstöcke und die llochgipfel des 
Berner Oberlandes. 

SPANNORT (kleinstes) (KL Tri). Etwa 3100 m. 
Etwa 150 m hoher, nach allen Seilen in senkrechten 
Wänden abfallender Felsturm, der iw. vom Stock des 
Klein Spannort losgelost steht ; zwischen dt m Kühfadppss 
i2952 m) und dem Klein Spannort (3149 m) in der Titlis- 
Spannortgruppe. Von einer Besteigung ist nichts bekannt. 
Auf der Sieglriedkarte unbenannt und ohne llohenkotc. 

SPANNORTGLET8CHER (Kt. IM) 2980-2480 m. 
Je 2 km langer und breiter Gletscher arn NW. -Gehänge 
der Spannorter; bildet drei durch mehr oder weniger 
scharf ausgeprägte Felskämme voneinander gelrennte, 
stark zerklüftete Kisbänder und sendet seine Schmelz- 
wasser durch zwei Wildbäche in den Stierenbach, den 
obersten Quellarm der Engelberger Aa. Der n. Abschnitt 
wird hie und da begangen, wenn man sich von der Spann- 
orthütte auf das Spannörterjoch begibt. 

SPANNORTHÜTTE (Kt. l'ril. 1981 rn . Klubhutte 
des S. A. Cm Eigentum der Sektion Uto 11880 erbaut): 
am W.-Fuss des Ilaupigipfels des Schlossherges (3133 m), 
l'/i Stunden unterhalb der Schlossberglücke und am 
nw. Ende der Gerollhalde, die sich von Punkt 2461 herab- 
zieht. 4 Stunden osö. Engelberg, auf den Höhen rechts 
ober dem Stierenbach unil Vi { Stunden über der StälTeli- 
alp. Die Hütte bietet Raum für 24-28 Personen und hat je 
einen separaten Damen- und Essraum. Nicht bewirtschaftet, 
aber mit Brennholz versorgt. Wasser in der Nähe. Im 
Siegfriedallas ist weder die Hütte noch der Weg zur Hütte 
vom Stierenbach ab eingezeichnet. Touren : Schlossberg- 
lücke (2631 m und hinunter nach Erstfeld (in 7 Stunden). 
Schlossberg , Gross und Klein Spannort, Adlerspilze. 
Schneehühnerstock, Z wachten und Bärenzähne ; leber- 
gang über den Gornerenpass nach Gurlnellen, sowie über 
den Grassen- und Kühfadpass ins Meienthal. 

SPAREN oder SPARREN (OBER und UNTER) 
i Kt. Zug. Gem. Menzingen). 778 m. Zusammen 3 Häuser, 
4 km n. Hütten und 5,5 km <i. Menzingen. 22 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Menzingen. Landwirtschaft. Wurde 1226 
vom Papst Honorius dem Klosler Kappel geschenkt. 

SPARREN (Kt. Wallis. Bez. Visp). 2916 m. NO.- 
Vorberg des Uber Rothorns (3418 m), hinten über dem 
Hochthalchen der Täschalp, von wo her der Gipfel in 2 
Stunden leicht erreicht werden kann. Interessante Aus- 
sicht auf den vergletscherten Kamm vom Täschhorn zum 
Himpllschhorn. 

SPARREN (Kt. Wallis. Bez Visp, Gem. St. Nikiaus). 
I81I8 m. Maientass mit etwa 10 Hütten, auf einer Tcriasse 
links über der Visp und 1 km nö. vom Dorf 
St. Niklaus. Vor dem Eingang ins Jungen- 
thal. 

SPARRHORN, SPARRENHORN oder 
BELALPHORN (Kt. Wallis, Bez. Brig). 
3026 m. Gipfel in dem Kamm zwischen dem 
Ober Metschglelscher und der Beialp oberhalb 
Brig. Steht mit dem Unterbächhorn über den 
den llohstock. die Bonne und Mauvaise Pou- 
peV, den Graf und die Witwe tragenden Grat in 
Verbindung. Senkt sich zum l.usgengrat ab, 
dem der Fussweg folgt. Prachtvoller und von 
den Gästen auf Bi-Ialp und Kiederalp haulig 
besuchter Aussichtspunkt, 2 Stunden vom 
Hotel Beialp. Snumweg bis nahe unter die 
oberste Spitze. Aussirhtauf Aletschhorn. Nest- 
horn, Gross Wannehorn, sowie die Hoch- 
regionen um das Saas- und Zermatterthal. 

SPARRHORN i Kt. Wallis. Bez. Vispi. 
2990 m. NO.- Eckgipfel der vom Ausser Stelli- 
horn 13404 m ; auf der Siegfriedkarte unbe- 
nannt) nach 0. abzweigenden und noch das 
Wasenhorn (3340 m) und Festihorn (3249 m) 
tragenden Kette. Hngt unmittelbar m. über 
St. Niklaus. von woher es über Sparren oder 
über Jungen und das Jungthal in 5 Stunden 
nnschwierig bestiegen werden kann. Inte- 
ressante Aussicht, besonders aufs Zermatter- 
thal. 

sparsa(OVA) (Kt. Graubunden, Bez. Inn). 2300- 
1460 m. Kleiner linksseitiger Zulluss zum Inn; steigt von 



der Wanne von Murleras nach NO. hinab und mündet 
nach 3 km langem Lauf 2.5 km nw. Zernez. 

SPAR8EUS (Kt. Graubünden. Bez. Inn. Kreis Ob- 
las.na. Gem. Tarasp). 1410 m. Weiler am O.-Fuss der die 
Burg Tarasp tragenden Anhöhe. 14 Häuser, 46 kathol. 
Ew. i omanischer Zunge. Kirchgemeinde Tarasp. Acker- 
bau und Viehzucht. 

SPICHBACH (Kt. Bern, Amlsbez. Pruntrut, Gem. 
Miecourt). 484 m. Alte Burg am Ausgang des Dorfes Mie- 
rourt links der Strasse Mierourt-Alle-Prunlrut. Der Kom- 
plex besieht heute aus zwei Wohnhäusern, Ställen und 
Scheunen und ist von Mauern umgeben, durch welche ein 
schönes Tor Zugang gewährt. Kerner sieht man noch die 
Reste von zwei nalbzetstörlen Türmen. Der den Eingang 
zur Burg beherrschende grosse viereckige Turm ist 1862 
durch Blitzschlag eingeäschert worden. Die breiten, ehe- 
mals mit Wasser angefüllten Burggrähen lassen sich noch 
wohl erkennen. Die den Grafen von Aarberg- Valangin ge- 
hörende Feste wurde 1410 dem Jean de Spechbach, einem 
elsässischen Edeln, zu Lehen gegeben, der zugleich gräf- 
licher Meier zu Miecouil ward und als solcher für sich 
und seine Nachkommen Ibis 1625) das Recht hatte, den 
NeuenburgischenGeneialständen beizuwohnen. Nachdem 
Graf Heinrich II. von Neuenburg- Valangin am 28. Januar 
1125 das Dorf Miecourt samt der Burg gegen einen Teil 
des Dorfes Lignieres über Le Landeron an den Fürst- 
bischof von Basel ausgetauscht hatte, erwarben sich die 
Edeln von Spechbach die Burg als Eigentum, welcher 
Besitz ihnen bis um die Mille des 19. Jahrhunderts ver- 
blieben ist. Das in Miecourt heute noch existierende Ge- 
schlecht hat im Fürstbislum Basel eine grosse Rolle ge- 
spielt. 

SPICK (Kt. Bern, Amlsbez. Thun, Gem. Höfe). 715m. 
Gruppe von 6 Häusern w. vom Amsoldingersee. an der 
Poststrasse Amsoldingen- Stocken und 6 km sw. vom 
Bahnhof Thun. 27 retorm. Ew. Kirchgemeinde Amsol- 
dingen. 

SPECK i Kt. St. Gallen. Bez. Unter Bheinthal, Gem. 
Thal). 402 m. Dorf am S.-Ufer des Bodensees. an der 
Strasse Borschach-Rheineck und 800 m ö. der Station 
Staad der Linie Rorschach-Sargans-Chur. 30 Ilauser. 168 
reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden Thal und Ru- 
chen. Obst- und etwas Weinbau, Viehzucht und Fischerei. 
Maschinenstickerei. Der Ausdruck • Speck» bezeichnet 
einen in Sumpfland verlaufenden, schlechten Fussweg. 

SPEER ■ Ki. St Gallen. Bez. Gaster). 1954m. Höchster 
Gipfel in der Nagelfluhkette, die sich von Ziegelbrücke 
am Linlhkanal nordoslwarts bis nach Nesslau im 'Poggen- 
burg erstreckt, zwischen dem Fideri (1865 m) und dem 




S|>corwirt«hau« mit Blick auf den Msttslock. 

S]>eerniiirli IT.'hi im; li km n. Weesen und 7 km sw 
Nesslau. Der Speer ist aus mächtigen Bänken von mio- 
znner Nagellluh aufgebaut, die durch mergelige Zwischen- 



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648 



SPJ 



lagen getrennt »ind und steil nach • SO. unter den I 
Flysch tauchen, der die nördlichste Kreidekette begleitet. I 

Gr.Spaer MsUstoJt 



Unnenberg 
Spitz 




Splefitl Otr Linth 



Nich H GuUmlltr 



Geologisches Qucriiroril dun-b den Speer. 

Mip Nafretduh luolere Sft»swasierinol»B»e) : El". Flvaeb und 
Nummulitenkalk: Ca. Obere und mittlere Kreide; Cg. Oault (AI 
biool: Cu. I rgon; Co. Neokora. 



Schichtatellung wegen ist der gegen die Käsernalp 
abfallende S.-Ilang massig steil und bis auf den Kamm 
mit Rasenflächen bedeckt, während der aus den Schichl- 
köpfen gebildete, gegen die Rossalp abstürzende N. -Ab- 
hang felsig und ungangbar »teil ist. Der Wechsel von 
Nagelfluhbänken mit Mergelschichten bedingt an den 
Abhängen eine regelmässige Aufeinanderfolge von vor- 
ragenden Felsrippen und dazwischenliegenden rinnen- 
förmigen Vertiefungen, welche Erscheinung namentlich 
im Gebiet der Käsernalp sehr augenfällig ist. Der Gipfel 
ist ein stark besuchtes Exkursionsziel. da er eine pracht- 
volle Aussicht auf das schweizerische Mittelland, das 
Zürichsee- Walcnseegebiet, den Säntis, die St. Galler-, 
Glarner- und Schwyzeralpen gewährt. Man erreicht ihn 
in 4 Stunden von Weesen aus über Bützalp und Käsern- 
alp, oder von Stein oder Xesslau aus durch das Thal der 
Weissen Thür. 

SPEER (KLEIN) (Kl. St. Gallen. Bez. Gasten. 1715m. 
Unbedeutender Bergvorsprung am N.-Fuss des Speer. 

SPEERMÜRLI iKt. St. Gallen. 1 •-/. Ober Toggen- 
burg). 1750 m. Gipfel in der Kette des Speer und l.o km 
nö. von diesem letztem. Er ist wie der Speer aus steil 
nach SO. fallenden Nagelfluhbänken aufgebaut und sinkt 
mit steilen Basenhalden südwärts gegen den Hintergrund 
des Thaies der Weissen Thür, nordwärts mit felsigen 
Hängen gegen die Brämacheralp im Hintergrund des Jen- 
thales und Elisalp auf der oibersten Stufe des Stein- 
thales ab. 

SPEICHER Kt. Appenzell A. R., Mittelland). 936 m. 
Gem. und Pfarrdorf am NO. -Fuss des Gäbris, an der 
Strasse St. Gallen-Trogen und 2,5 km nw. Trogen. Sta- 
tion der Strassenbahn St. Gallen-Speicher-Trogen. Poet- 
bureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach Teufen. 
Gemeinde, mit Allmenwcg, Au, Buchen, Bendlehn, Wat- 
ten, Bruggmoos, Einfang, Flecken, Gern. Hinterwies, 
Hohrüti. Holderschwendi. Kohlhalde. Oberwilen, Boh- 
rersbühl, Bütenen, Sägli, Schönenbühl, Schwendi, 
Steinegg, Sitz, l'nterbach, Unterwilen und Vogelisegg ; 
480 Häuser. 3041 Ew. (wovon 262 Katholiken); Dorf: 147 
Häuser. 988 Ew. Beform, und kathol. Pfarrei. Wiesenbau 
und Milchwirtschaft Baumwollindustrie (Weben, Sticken 
und Appretur). Seidenstickerei. Vieh- und Holzhandel. 
Bibliotheken. Armen-L'nteratützungsfonds. Musikvereine. 
Waisen- und Armenhaus mit landwirtschaftlichem Be- 
trieb und einem Webeiciatclier. Das von Bildhauer Stei- 
ger modellierte Denkmal auf der Vogelisegg erinnert an 
den Sieg der Appenzeller über die Truppen des Abtes von 
St. Gallen (15. Mai 1403). Der Name im vom althochdeut- 
schen ipihhari, mittellatein. »pica. spicarium s Korn- 
speicher herzuleiten. Unter dem Chor der Pfarrkirche 
hat man in den Sandstein eingehauene Grabstätten auf- 
gedeckt. 

Speicher (Kt. t ri. Gem. Gurtnelleni. 1289 m. Alp- 
weide mit Hütten im Gornerenthal, Stunden nw. über 
Gurtncllen. 

SPEICHER SCHWENDI i Kt. Appenzell A. B., Mit- 
telland. Gem. Speichen. 640-800 m. 14 Häuser n. Speicher, 
am N.-Hang der Höhe von Vogelisegg und an der Poat- 
I St. Gallen-Behetobel. Postablage, Telephon. 84 



zur Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemeinde Speicher. Vieh- 
zucht. Weberei und Stickerei. Schöne* Schulhau«. 

(Kt. Bern. Amtabez. Nieder 
1400 m. Nach N. schrotT abbrechender 
und überhangender Fels mit Höhle, im Wald über 
Oberstocken und am Weg nach der Aelpithalalp und 
aufs Stockhorn. 

speichstock (Kt. Glarus und Dri). Etwa 
2960 m. Gipfel in der Claridenkelte, zwischen dem 
Gemafayrenstock und den Teufelsstocken. Er erhebt 
sich etwa 200 m über den N.-Band de« Claridenfirns 
und fällt nordwärts mit steilen Felswänden gegen den 
s. über dem Urnerboden liegenden Teufelsfriedhof ab. 
Trägt seinen Namen zu Ehren von H. Speich von 
Ennenda, der den Gipfel 1863 zum erstenmal bestieg 
und zu den Gründern desS. A. C. gehörte. Oer Gipfel 
kann von derClaridenhütte aus in IV'4 Stunden erreicht 
werden. 

8PEI8ER8LEHN (Kt. Thurgau, Bez. und Gem. 
Arbon). 417 m. Dorf 2,2 km wsw. der Station Arbon 
der Linie Borschach- Bomanshorn. Telephon. 20 Häu- 
ser, 122 reform. Ew. Kirchgemeinde Arbon. Garten-, 
Obst- und Wiesenbau. Neues Schulhaus. 

Speispfad (Kt. Bern, Amlsbez. Inlerlaken!. 2000m. 
Begraster Hang an der N. -Flanke des Schwarz Mönch. 
Die Ueberlieferung will wissen, dasa an dieser Stelle ein 
Lämmergeier ein von ihm in Mürren geraubtes Kind ver- 
speist habe. 

SPENQELRIED (Kt. Bern, Amlsbez. Laupen. Gem. 
Mühlebergl. 594 m. Dorf zwischen der Saane und dem 
grossen Brambergwald ; 2.5 km sw. der Station Boas- 
Häusern der direkten Linie Bern-Neuenburg. Telephon. 
18 Häuser, 144 reform. Ew. Kirchgemeinde Mühleberg. 
Grosse Bauernhöfe. Käserei. 

8PERLET ( Kt. und Bez. Zürich, Gem. Seebach). 440m. 
Gruppe von 8 Häusern, Teil des Dorfes Seebach ; 1 km 
n. der Station Seebach der Linie Zürich-Oerlikon- Wet- 
tingen. 85 reform. Ew. Kirchgemeinde Seebach. Wiesen. 

S PESCH* (PORT* DA) i Kt. Glarus und Graubün- 
den). Etwa 3350 m. Scharte in dem Felsgrat, der sich 
vom Piz Busein (Tödi) nach S. erstreckt ; zwischen dem 
Piz Mellen (3379 m) und dem Stockgron (3418 m |. Eine 
steile Felskehle führt von dieser Gratlücke westwärts ins 
Val Busein hinunter. Durch diese Kehle gelangt man von 
der Alp Busein aus auf den obern Teil des Bifcrtenglet- 
schers und von dort auf den Todi. Die Porta da Spescha 
trägt ihren Namen zu Ehren des Pater Placidus a Spescha 
von Biseniis, der am 1. September 1824 mit zwei Ge- 
fährten. Placidus Curschellas und Auguatin Bisquolm. 
durch jene Kehle aufgestiegen war und von der Gratlücke 
aus beobachten konnte, wie die beiden Begleiter die erste 
Besteigung des Piz Busein ausführten. 

8PI DA RU88ENA (Kt. Graubünden. Bez. Inn). 
Felskamm. S. den Art. Bissena (Sri da). 

SPICH (Kt. Bern. Amlsbez. Wangen. Gem. Gehlen- 
berg). 606 m. Gruppe von 6 Häusern ; 1.7 km w. Gehlen- 
berg und 2.3 km no. der Station Rietwil der Linie Olten- 
Bern. 59 reform. Ew. Kirchgemeinde Herzogenbuchsee. 
Landwirtschaft. 

SPICH ER BERG ALP (Kt. Bern, Amlsbez. Ober Hasle, 
Gem. Gadmen;. 1430 m. Grosse Alpweide, im 
Gadmenlhal. sowie am N.-Fuaa von Mährenhorn 
Benzlauistock. 

SPICH ER MATT (OBER und UNTER) (Kt. Nid- 
walden. Gem. Stans). 449 m. Drei Häuser. 1 km nw. der 
Station Stans der elektrischen Bahn Slansstaad-Stans- 
Engelberg und der Slanserhornbahn. 15 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Stans. Viehzucht. 

spichiqwald (Kt. Bern, Amtsbez. Aarwangen). 
504 m. 2 km langer und 700 m breiter Wald links der 
Strasse Bützberg-Aarwangen. 

SPIEGEL, 8PIEQELBERQ Ortsnamen der deut- 
schen Schweiz. Vom latein. ipeeulum — Warte. Spiegel. 
Bezeichnet einen Berg oder eine Lokalität mit Aussicht, 
sowie auch einen Beobachlungsposten an einer solchen 
Stelle. Die französischen Synonyme sind Miroir, Mont 
Miroir, Mirail, Muriaux. 

SPIEGEL ; Kt. und Amtsbez. Bern, Gem. Köniz). 639 m. 
12 am N.-Fuss dea Gurten zerstreut gelegene Hauser. 
1 km sw. der Station Wabern der Gürbethalbahn (Buer 



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SPl 



SPl 



Wattenwil-Thuni. 137 reform. Ew. Kirchgemeinde Köniz. 
Landwirtschaft. Schöner Fussweg auf den Gurten. 

SPl CQ ELBER Q i Kt. Bern, AmUbez. Aarwangen, 
Gem. Bütschelen). 597 m. Gemeindeabteilung und Weiler, 
2 km w. der Station Madiswil der Linie Langenthal- Wol- 
thusen. 13 Häuser, 130 reform. Ew. Kirchgemeinde LoU- 
wil. Landwirtschaft. 

SPIEQELBERO oder MONT MIROIR (Kt. Kern, 
AmUbez. Preibergen). 1063 m. Bewaldeter Kamm auf dem 
Plateau der Freiberge ; 2.5 km ssw. Saignelt-gier und halb- 
wegs zwischen den Stationen Muriaux und Lc Noirmont 
der Linie La Chaux de Fonds-Saigneldgier. Indem Muriaux 
in 952 in und Le Noirmont in 980 m Höhe liegen, erhebt 
sich der Spiegelberg nur wenig über die Hochlläche, so- 
dass er, von da aus gesehen, ener einem niedrigen Hügel 
als einem wirklichen Berg gleicht. Sobald man aber auf 
dem Gipfel selbst steht, ändert das Bild wie durch einen 
Zauber: der Hügel verwandelt sich in einen O.-W. strei- 
chenden schmalen Felskamm, der mit mächtigen Wänden 
schroff zum Doubs hinunter fällt. Dieser Teil des Berges 
trägt den Namen Les So nie t res (oder Lea Sommelres) 
und fällt nordwärts zu der tiefen Waldschlucht ab, die 
bei Muriaux sich einschneidet und zum Elektrizitätswerk 
Le Theusseret am Doubs hinunterführt. Noch steiler ist 
die S.-Wand, die ebenfalls zu einer fast senkrecht gegen 
den Doubs sich öffnenden Schlucht hinabsteigt. Auf den 
gezackten und kaum einige Meter breiten Kamm führt 
von Muriaux und Le Noirmont her ein guter Fuss weg, 
der über eine in den Felsen gehauene Treppe die Burg- 
ruine Spiegelberg erreicht, von der aus man einen 
prachtvollen Blick auf den Jura, den Doubs und das 
französische Plateau von Maiche geniesst. Die Hochlläche 
der Freiberge kam durch Schenkung König Rudolfs III. 
von Burgund an das Bistum Basel, welches auf die in 
unbekannter Zeit erbaute Feste Spiegelberg einen Burg- 
vogt setzte, dessen Geschlecht sich in der Folge den 
Namen der Herren von Suiegelberg (oder von Muriaux) 
beilegte und dessen Wappen dasjenige der ganzen Land- 
schaft der Freiberge wurde, die man bis 1793 die * Franche 
Monlagne des Bois • nannte. Der Name rührt von dem 
Freibrief her, den der Basler Bischof Imer von Ramstein 
im Jahr 1381 den Kolonen verlieh, die sich hier nieder- 
lassen und den mit grossen Waldungen bedeckten Boden 
urbar machen wollten. Im 15. Jahrhundert zogen Bich 
die Spiegelberg nach Solothurn zurück, wo sie 1541 er- 
loschen. Der Basler Bischof Jean de Vienne verpfändete 
das Schloss 1382 an seinen Vetter, den Admiral Jean de 
Vienne. und 13K4 an die Stadt Basel, worauf es durch 
Imer von Ramstein ebenfalls als Pfand an den Grafen 
Diebold VII. von Neuchätel in Burgund kam, der es 
nicht mehr zurückgeben wollte, sodass es ihm Bischof 
Johann von Fleckenstein 1425 mit Gewalt nahm. Nach- 
dem es dann im 30jährigen Krieg gänzlich verwüstet 
worden war, verlegte man den Sitz des Burgvogtes nach 
Saignelegier. Während der Zeit der französischen Revo- 
lution zogen die Patrioten von Noirmont. Muriaux und 
Sainnel»?gier zur Burg Spiegelberg hinauf, deren stehen 
gebliebenen Reste sie niederrissen, um «jede Spur der 
Tyrannic zu vernichten ». Heute ist die Ruine im Besitz 
des Pfarrers von l>e Noirmont, der sich Mühe gibt, den 
Fremden den Zugang zu erleichtern, indem er Fusswege 
erstellen, einige Mauerreste verfestigen und die gefähr- 
lichsten Stellen mit einem Eisengeländer umgeben Hess. 
Der Spiegelberg ist der bemerkenswerteste Aussichts- 
punkt der Freiberge. Vergl. Daucourt, Abbe" A. Hittoire 
de la Seigtieurie de Spiegelberg im lies Franches Sloti- 
tagnet. Porrentruy 1902. 

SPIEQELBERO (Kt. Bern. Amtabez. Freibergen). 
Gem. und Dorf. S. den Art. Muwaijx. 

SPIEQELBERO { Kt. Bern, AmUbez. Trachselwald, 
Gem. Sumiswaldj. 810 tn. Gruppe von 5 Häusern am 
rechtsseitigen Gehänge des Hornbachgrabens, 500 m nö. 
Wasen und 9,5 km nö. der Station Ramsei der Linie 
Burgdorf-Langnau. 26 reform. Ew. Kirchgemeinde Su- 
miswald. Viehzucht. 

SPIEQELBERO (Kt. Bern, Amtsbez. Wangen. Gem. 
Seeberg). 530 m. Weiler ; 2.5 km sö. Seeberg und 2,3 km 
sw. der Station Rietwil der Linie Olten-Bern. 10 Häuser, 
72 reform. Ew. Kirchgemeinde Seeberg. Landwirtschart. 

SPIEQELBERO) Kt. und Bez. Schwyz, Gem. Steinen). 



797 m. Gemeindeabteilung am W.-Hang des Engelstocks 
und 2 km nö. der Station Steinen der Gotthardbahn. 
Zusammen mit Guggiloch und Steincrthal -Adelboden 
32 Häuser, 180 kathoL Ew. Kirchgemeinde Steinen. Wie- 
sen- und Obstbau (namentlich Kirschen). 

SPIEQELBERO (Kt. Thurgau, Bez. Frauenfeld, Gem. 
Lustdor(). tiOT> m. Burgruine auf dem Immenberg. Der 
Reihe nach Eigentum der Edeln von Spiegelberg, von 
Nuntprat und der Breitenlandenberg. Die baufällige Burg 
wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts niedergerissen. 

SPIEQELBERO (Kt. Zürich. Bez. und Gem. Hinwill. 
750 m. Gruppe von 4 Häusern, am W.-Hang des Bachtel 
und 3 km so. der Station Hinwll der Linie Effretikon- 
Wetzikon-Hinwil. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Hinwil. 
Wiesenbau. 

SPIEGELSEE (Kt. Wallis. Bez. Goms). 2417 m. 
Kleiner See. am SW.-Fuss des Thälistocks und hinten in 
dem Thal, das bei filitzingen ausmündet und dessen Bach, 
der Wilerbach, 500 m sw. Blitzingen sich von rechts mit 
der Rhone vereinigt. Höher oben liegen noch der Wirbel- 
und der Ijtngentee. Die Schmelzwasser der benachbarten 
Firnfelder sammeln sich zum Wilerbach, der alle drei 
Seen der Reihe nach durchmesst. 

8PIELAUSEELI (Kt. Uri). 1836 m. 400 m langes 
und 150 m breites Alpenseelein zuoberst auf der Zingeli- 
alp und in der Wanne zwischen dem Rossstock (244)3 m 
und dem Hundstock (2212 m) ; im Berggebiet zwischen 
Lirnersee, Riemenslaldenthal, Hürilhal und Schächenthal. 
Kann von Riemenstalden her in 2 Stunden erreicht 
werden. 

SPIELAUERSTOCK (Kt. Uri). 2308 m. Felsige 
SSW.-Schulter des Rossstocks ,2463 mj in der Kaiser- 
au* kkette der Urner Voralpen. Am Weg von Riemen- 
stahlen über das Spielausceh zum Kinzigkulm. Kann vom 
Spielauseeli in V, Stunden und vom Kinzigkulm her in 
50 Minuten leicht erreicht werden. 

SPIELOERTKN (Kt. Bern, AmUbez. Nieder und 
Ober Simmenthal). Bergstock und Pass. S. die Art. 
Spillgertem. 

SPIELHAUSEN (Kt. St. Gallen, Bez. Alt Toggen- 
burg. Gem. Mosnang). 613 m. Gruppe von 5 Häusern, 
recht* über dem wilden und romantischen Gonzenbach 
und 800 in n. der Station Lütisburg der Toggenburger- 
bahn. 19 kathol. Kw. Kirchgemeinde Mosnang. Ackerbau 
und Viehzucht. Stickerei und Weberei. 

SPIELHOF (Kt. Luzern, Amt Willisau, Gem. PfafT- 
nau). 512 m. Weiler und Quartier des Dorfes Pfallnau. 
400 ra sw. davon; 7 km sw. der Station Beiden der 
Linie Luzcrn-Olten. 12 Häuser, 80 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde PfatTnau. Ackerbau und Viehzucht. 

SPIELHOF (Kt. Schwyz. Bez. March, Gem. Reichen- 
burg). 460 m. Gruppe von 5 Häusern sö. der Kirche und 
I km s. der SUtion Reichenburg der linksufrigen Zürich- 
seebahn (Zürich-Richterswil-Ziegelbnicke) ; zwischen dem 
Rüti- und dem Hogglibach und am N.-Fuss des Melchterli- 
stocks. 25 kathol. Ew. Kirchgemeinde Reichenburg. Obst- 
und Wiesenbau. 

SPl ELLALMALP (Kt. Uri, Gem. Gurtnellen). 2383 m. 
Alpweide mit einigen Hütten, im obern Etzlithal. Trägt 
in 2227 m den schonen Spiellauisee. Uebergang über die 
Pörtlilücke ins Fcllithal. 

SPIELLAUIOOHLFIRN (Kt. Uri). 2800- 2500 m. 
600 m langer und 500 m breiter Hängegletscher, hinten 
über dem Etzlithal und am N.-Hang des Schallig Wichel 
oder Piz Giuf. Sendet seine Schmelzwasser zum Etzlibach, 
einem rechtsseitigen Zuflnss der Reuss. und liegt am 
Weg auf den Piz Giuf über dessen NO. -Flanke. 

SPIELLAU I FIRN (Kt. Uri). 2700-2400 m. 600 m 
langer und 400 m breiter Längeglelscher, am Grat zwi- 
schen dem Sonnig Wichel (2910 ml und Schattig Wichel 
oder Piz Giuf und unter der Wichellücke (2690 m). Hinten 
über dem Etzlithal. 

SPIELLAUISEE (Kt. L'ri). 2227 m. 300 m langer 
nnd 200 m breiter Bergsee auf der Spiellau mlp, zu ob erst 
im EUlilhal zwischen dem Piz Giuf und dem Bristen- 
stock. Am Weg über den Krüzlipass und 5 Stunden über 
Amstäg. 

SPIELMANNSWALD (Kt. Bern, AmUbez. Schwar- 
zen bürg. Gem. Wählern). 700-770 m. Wald am linken 
1 Ufer des Schwarzwassers. 4 km ono. Schwarzenburg. 



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65U 



SPI 



SIM 



In einer Lichtung über dem Klus« «tehen einige Ge- 
bäude. 

SPIELMATT iKt. Bern, Amtsbez Inlerlaken, Gem. 
Unterseen). 571 m. Quartier von Unterseen, auf einer 
Insel in der Aare. Hinige industrielle Betriebe. Im Mittel- 
alter hat man hier zur Erleichterung des sehr bedeuten- 
den FischTanges Stauwehre errichtet. 

SPIELSTATT (Kt Bern. Amts bez. Interlaken. Gem. 
Grindelwald i. 1050 m. Quartier des Bodes Grindelwald, 
nw. vom Hauptbahnhoram rechten Ufer der l.ülschine. 15 
(läuser. 1)6 reform. Kw. Kirchgemeinde Grindelwald. 
Wiesenbau. Hotels. Zum erstenmal vor 1350 erwähnt. 

3PIERT (Kt. Graubünden. Bez. Maloja, Kreis Ober 
Engadin, Gem. Pontresina). 1820 m. Quartier des Dorfes 
Pontresina. auf einer Terrasse am W.-Hang des Pix 
Muraigl und rechts über dem Berninabach ; 4 km so. der 
Station Celerina der Albulabahn. Postwagen Samaden- 
Bemina-Puschlav-Tirano. 24 Häuser. 158 reform. Ew. 
romanischer Zunge. Kirchgemeinde Pontresina. Wiesen- 
bau und Viehzucht. Hotels. 

8PIKSS i Kt. Schaflhausen, Bez. Stein. Gem. Barnsen». 
\\\ m. Haus an der badischen Grenze; 3,3 km n. Barn- 
sen und 2,5 km ö. der Station dottmadingen der badi- 
schen Bahnen. 8 kathol. Ew. Kirchgemeinde Barnsen. 
Landwirtschaft. 
SPIEZ Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmentbai). 631 
m. Gem. und Pfarrdorf am linken Ufer des 
Thunersecs ; an und über der gleichnamigen 
Bucht in geschützler und sonniger Lage. Ueber 
dem Dorf der hochgelegene Bahnhof der 
Linie Thun-Inlerlaken, in welchen die Linien 
Spiez-Frutigen und Spiez-Zweisimmen-Mont- 
bovon-Montreux münden und der mit dem 
Landungsplatz der SchifTe am See durch eine 
elektrische Trambahn verbunden ist. Post- 
bureau 2. Klasse, Telegraph, Telephon: Postwagen 
nach Aeschi. 181 Häuser, 12S*l» meist reform. Ew. Land- 
wirtschaft, Viehzucht. Obstbau. Fabrikation von Kirsch- 
wasser. Fremdenverkehr. Grosse Hotelbauatn und mehrere 
Fremdenpensionen. Privatheilanatalt für Nervenleidende 
■I Sonnen fels » am Spiezberg. Naturheilanstalt. Oberlän- 
dische Anstalt i Gottesgnad » für Chronischkranke. Stiftung 
der heroischen Landeskirche. Groasartiges Elektrizitäts- 
werk der Kander mit bemerkenswerten Kanalbauten 
und Turbinenanlagen. Im Dorfe Spiez elektrische Be- 
leuchtung. Seit 1901 eine mit einem Kostenaufwand von 
215000 Fr. durchgeführte Wasserversorgung mit Hydran- 





Spiez toi Süden. 

tennelz. Sekundärschule. Die Lage von Spiez gehört zu 
den eigenartigsten und schönsten der .Schweiz. Mit Recht 
berühmt ist der Ausblick vom hochgelegenen Bahnhof 



auf den See. das Schloss und das Hochgebirge. Von der 
Seeseite her imponieren besonders die majestätische 
Pyramide des Niesen, die eigentümlich verschobene Stock- 
hörnkette und die Berge des Kanderthales. Das Dorf ist 
von einem wahren Wald von'Obstbäumen umgeben. Be- 
sonders gut gedeiht der Kirschbaum ; auch der Hebbau 
wird noch immer betrieben i23 ha). Auf einem Ausläufer 
des Spiezberges erhebt sich über dem See und der Bucht 
das mittelalterliche Schloss mit gewaltigem Borgturm 
und malerischen Anbauten. Im nicht zugänglichen Innern 
reiches Täfelwerk und Stukkaturen. In unmittelbarer 
Nähe des Schlosses steht die aus dem 12. Jahrhundert 
stammende Kirche, eine dreischiffige Pfeilerbasilik» 
mit drei halbrunden Absiden. Im Inneren heraldische 
Malereien. Glasgemälde und Grabdenkmäler. Interessanter 
spätgotischer Kirchenstuhl. Unter dem Chor eine jetzt 
als Archiv benutzte Krypta. Auf einem Fels hart über dem 
See das malerische einstige Pfarrhaus. In der Nähe de» 
Landungsplatzes Ueberreste alter Befestigungen. Im See 
ist nahe den Hotels ein gewaltiger Springbrunnen ein- 
gerichtet worden, in der Umgebung, namentlich in der 
Nähe des Bahnhofes und gegen den Spiezberg, hübsche 
Spazierwege und Buhesitze. An der Strasse nach Faulen- 
see steht eine in alt-schweizerischem Stil erbaute romisch- 
katholische Kapelle. In nächster Nähe von Spiez bieten 
sich vorzügliche Aussichtspunkte, wie der llondrichhügel 
1 851 mi, den die Spiez-Frutigenbahn in einem Tunnel 
unterfahrt, ferner die sog. Bürg bei Faulensee i650 m> 
und der Spiezberg i683 ml. soweit nicht sein Betreten — 
weil Privateigentum — untersagt ist. Der Bau einer neuen 
Kirche mit Pfarrhaus im obern Teile des Dorfes ist kürz- 
lich vollendet worden, da die alte Kirche samt Pfarrhaus 
1905 als Eigentum an den Schlossherrn überging. Die 
Gemeinde und Kirchgemeinde Spiez zählt 44/ Häuser 
und 3(Ki~> meist reform. Ew. Sie umfasst die Ortschaften : 
Faulensee in schöner und milder Lage am See mit renom- 
miertem ßadeetablisement ; Hondrich am Fuss des llon- 
drichhügels. Spiezwiler nördl. vom Bahnhof, Spiezmoo« 
in der Ebene nördl. vom Spiezberg und Einigen an der 
Strasse nach Thun. Mit Ausnahme des 45 Minuten ent- 
fernten Einigen sind diese Ortschaften von Spiez in 20-30 
Minuten zu erreichen. Spiez ist wohl eine der ältesten 
Ansiedelungen der Gegend. Eine Urkunde vom 13. März 
763 meldet, dass Bischof Hatto die Kirchen von Spiez 
und Scherzligen dem Kloster Euenheim im Schwarzwald 
geschenkt hat. Im Jahr 1228 wird die Kirche von Spiez. 
unter den Kirchen des Bistums Lausanne genannt. Die 
Herrschaft Spiez gehörte im Mittelalter den 
Edlen von Strättligen und dann 1338-1516 
der Familie von Bubenberg, aus der nicht 
weniger als 11 bernische Scnultheissen her- 
vorgingen. Das ■ Zum goldenen Hof * ge- 
nannte Schloss war der Aufenthaltsort Adrians 
von Bubenberg, des Verteidigers von Murten 
1+ 1479i. mit dessen Sohn dieses Geschlecht 
1506 ausstarb. 1516-1875 gehörte das Schloss 
Spiez dem Hause von Erlach, das dem 
Staate Bern sieben Schultheissen gab. von 
welchen zwei. Franz Ludwig (f 1659i und 
Sigismund . 1099 . der heroische Anführer 
im Kriege gegen die aufständischen l -and- 
iente 1653, in der Kirche zu Spiez begra- 
ben liegen. Spiez war nebst Riggisberg, 
Oberdiessbach und Belp bis 1798 eine der 
vier Freiherrschaflen, die nicht nur mit 
der niederen sondern auch mit der hohen 
Gerichtsbarkeit ausgestaltet waren. Der 
Ort Spiez bestand ursprünglich aus dem s. 
vom Schlosse gelegenen Stadtchen, das sich 
verschiedener von Kaiser Budolfvon Habsburg 
1281) verliehener Privilegien und Freiheiten 
erfreute und 1611 durch eine Feuersbrunst 
zerstört wurde. Ein Teil der alten Befeati- 
^ungsmauer ist noch heute unmittelbar neben 
dem Hotel Spiezerhof wahrzunehmen. Der 
Aufschwung des Fremdenverkehrs nach dem 
Berner Oberland und der Bau der drei Linien 
Thun-Interlaken. Spiez-Frutigen und Spiez-Zweisimmen- 
Montbovon-Montreux haben das Gedeihen dieser Ortschaft 
ausserordentlich gefördert, deren Einwohnerschaft sich in 



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SPI 



SPI 



Ü51 



«len letzten 10 Jahren um 50 0 / 0 vermehrt hat. Als wichtiger 
Knotenpunkt und durch «eine günstige und prachtige l<age 
iit Spiez ein Zentrum geworden, das nicht nur 
Cur den Kremdenverkehr sondern auch für das 
wirtschaftliche Leben des Uberlandes von 
gTÖsster Bedeutung ist. Diese wird durch den 
vom Kerner Grossen Rat 1906 beschlossenen 
und bereits im Bau belindlichen Alpendurch- 
stich durch den Lnlschberg noch beträchtlich 
gesteigert werden. Zahlreiche prä- und frühhi- 
»lorische Funde zeugen dafür, dass die (legend 
schon seit den ältesten Zeiten besiedelt gewesen 
ist. Spuren von Giessereiwerkstätten aus der 
Bronzezeit beim Obergut: Bronzebeil in Gwalt 
und andere Dronzegegenstände in Kinigen, 
auf dem Riedli und bei der St. Kolumban- 
kapelle in Faulensee; zahlreiche Gräber aus 
der ersten La Tene-Zeit nahe Schönegg ; rö- 
mische Münzen und Graber aus der ersten 
AlemanneDzeit in der Umgebung von Spiez 
selbst; zwei Streitäxte auf der Einiger All- 
mend. Die l'mgebung von Spiez zeichnet sich 
durch das Vorhandensein von Kalkhügeln aus, 
die hauptsächlich aus Triasgesleinen (dolomi- 
tische Kalke mit Gips und Anhydrit, Rauh- 
wacke), sowie Kalken und Schiefern des Bät 
und FlyHch aufgebaut sind. '63: Spiels: 1226: 
Spiez. Der Name leilet sich vom althochdeut- 
schen ajriOf= in einen See vorragende, schmale 
Landzunge, « Spitz ». her. 

8PIEZBERQ Kt Bern. Amtsbez. Nieder Simmen- 
thal). 683 in. Zum Teil bewaldeter Höhenzug, der nord- 
wärts mit schrotTen Wänden zu dem hier tiefen Thuner- 
see abbricht und dessen O.-Ende das Schloss und die 
alte Pfarrkirche Spiez trägt. Die Spiezer Landzunge am 
S -Ufer des Thunersees hat als Gegenstück die am N.- 
Ufer vorspringende «Nase» und scheidet zusammen mit 
dieser den « Ubersee • vom « l'ntersee >. Der Spiezberg ge- 
hört zum Schlossgut Spiez und ist zum grossen Teil Privat- 
eigentum, sodass seine schönen Spazierwege und Aus- 
sichtspunkte dem Publikum nicht zugänglich sind. Am 
S.-Hang stehen Rehberge. Die l'eberlieferung erzählt, 
dass am Fuss der Felswände des Spiezerberges im 16. 
Jahrhundert eine von einer Hochzeitsgesellschaft be- 
mannte Barke mit allen ihren Insassen untergegangen 
sei, an welches oder ein ähnliches anderes Ereignis eine 
heute verschwundene Gedenktafel erinnerte. 

SPIEZM008 (Kt. Bern, Amtsbez. Unter Simmen- 
thal, Gem. Spiez). 621 m. Dorf beim Bahnhof Spiez, 1 
km w. vom Dorf Spiez. Haltestelle der Linie Spiez-Zwei- 
simmen-Montreux (Montreux-Überlandbahn). Telephon. 
30 Häuser, 278 reform. Ew. Kirchgemeinde Spiez. Hier 
zweigt von der dem linken Thunerseeufer folgenden 
Strasse Thun-Interlaken die Strasse von Spiez nach Pro 
li^en einerseits und nach Wimmis (Simmenthai | andrer- 
seits ab. Asyl für Chronischkranke auf dem Spiezberg. 
Neue Pfarrkirche samt Pfarrhaus der Kirchgemeinde 
Spiez. Schöne Wiesen. Wasserreservoir des grossen 
Kander-Klektrizitätswerkes. das GOUU HP liefert und zahl- 
reiche industrielle Betriebe, sowie die elektrische Burg- 
dorf-Thunbahn mit Kraft versorgt. Die günstige Lage 
nahe dem Bahnhof Spiez, in den drei Linien einmünden, 
sichert der Ortschaft eine grosse Zukunft. 1.5 km w. 
Spiezmoos erhebt sich der Rustwald itiyOmi mit schöner 
Aussicht und der unweit davon stehenden Häusergruppe 
La t tuen mit einem ehemals zur Herrschaft Spiez ge- 
höreinden kleinen Schloss. 

SPIEZWILER (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder Simmen- 
thal. Gem. Spiez). 652 m. Gemeindeabteilung und Dorf 
zwischen dem Laltigwald und Homlrichhugel, am rechten 
Ufer der Kander und an der Vereinigung der aus dem 
Simmenthai und dem Frutigland kommenden Strassen. 
1,5 km w. der Station Spiez der Linie Thun-Interlaken. 
Telephon. Zusammen mit Kinzelsiedelungen : 54 Häuser. 
i56 reform. Ew. j Dorf : 32 Häuser. 307 Ew. Kirchgemeinde 
Spiez. Viehzucht. Steinbruche über die Kander, oberhalb 
welcher der Zuleitungskanal des Kander- Elektrizitätswer- 
kes vom Fluss abzweigt und mit einem grossartigen Aquä- 
dukt das Thal der Kander überbrückt. 

S p I GGENB ACM, 8PIQQENKIENE oder BOCK- 



TE NB ach (Kt Bern. Amtsbez. Fruligen). 2700- 
900 m. Rechtsseitiger Zultus» zum Kienbach , entspringt 




Spillgert«n (Ni>r<Jn«igrali. 

mit mehreren Ouellarmen am sog. Roten Herd (2700 mi 
und dem die Hohkien- und Glütscnalp im obersten Spig- 
gengrund umrahmenden Kelsenzirkus. Nach der Vereini- 
gung der Ouellwasser unterhalb einer mächtigen Thal- 
stufe durchzieht der Wildbach in nw. Richtung den 
Spiggengrund, um dann 1 km oberhalb des Dorfes Kien- 
thal nach 6 km langem Lauf zu münden. Bildet in der 
Mundungssrhluchl mehrere schone Wasserfälle. 

8PIOQENQRUND Kl. Bern, Amtsbez. Fruligen . 
2500-000 tu. BechDuertiges Nehentsud -des Kienthaies. Es 
öffnet sich 1 km hinter dem Dorf Kienlhal zwischen dem 
Dreispilz und dem Abendberg, dem nördlichsten Aus- 
läufer des Hundshoms. Seinen obern Abschluss bilden die 
gewaltigen Felswände der Schwalmeren. des Drelten- 
horns. der Kilchfluh und des Hundshorns. Die Felswände 
von Hohkien bilden eine bei 500 m hohe Tlialstufe. 
über welche der Weiss-, Ferrich- und Hengsibach, die 
Ouellwasser der Spiggenkiene, in prächtigen Fällen 
sich hinunterstürzen. Unterhalb dieser Stufe liegen im 
eigentlichen Spiggengrund die Alpen Margofcl und Stein- 
wangen, oberhalb derselben die Alpen Glütsch und Hoh- 
kien. Vom untern Spiggengrund führen AIpwege über 
die Egg (1995 m) zwischen Dreispitz und Schwalmeren 
nach dem Suldthal und über das Joch 1 1900 ml zwischen 
Abendberg und Zahm Andrist ins Kienthal, während man 
von Hohkien über den Kilchfluhpass (2157 m) zwischen 
Kilchfluh (2831 m) und Dretlenhorn (2806 mi durch das 
Sausthal und über die südlicher gelegene kleine Hoch- 
ebene des « Roten Herd • (2700 m) zwischen Kilchfluh um! 
Hundshorn (2932 rn > durch das Selinenlhal nach Lauter - 
hrunnen gelangen kann. Der Spiggengrund und seine 
Alpweiden waren schon im Mittefalter befahren. Auf der 
Alp Hohkien hielt sich Albrechl von Kaller in seiner Ju- 
gend längere Zeit zum Studium der Alpenflora auf. Trotz 
seiner Naturschönheiten werden das wilde, einsame I h;-l 
und seine (üpfel nur selten besucht. 

SPIQNA8 i Kl. Graubünden, Bez. Maloja. Kreis Ober 
Engadin. Gem. Bevers). Häusergruppe. S. den Art. 
Sijnas. 

SPILLGERTEN (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder und 
Ober Simmenthali. 2479 und 2251 m. Gipfelpunkte eines 
auf Flysch ruhenden Kalkgebirgsslockes im Berner Ober- 
land; zwischen Zweisimmen, dem Fermellhal. dem 
Grimmialppass. dem Filderichthal und dem Spillgerten- 
pass. Die rauhe und felsige .Iiiniere Spillgerte (2179 mi 
bildet die auffallendste Gipfelgestalt de* ganzen Gebietes 
und galt lange Zeit für unzugänglich. Nach der Sage soll 
einst ein Gemsj;iger hinaufgelangt, hier aber verhungert 
sein, weil er den Rückweg nicht mehr linden konnte. 
Ein später den Gipfel ebenfalls erkletternder Mann aus 



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652 



SEM 



SP! 



Bettel ried hab« dann droben noch das Gewehr des Gems- 
jägers gefunden. Die erste authentische Besteigung fand 
am 17. August 1877 durch Markus von Steiget' und drei 
Brüder Muller von der (iriinmialp her über den Wild- 
grimmi, Spillgertenpass und den NW -Grat statt. Die Be- 
steigung ist ausserordentlich schwierig und wird daher 
nur selten ausgeführt. Auf dem Gipfel hat man ein Klub- 
buch niedergelegt, in welches die KL-1 lerer ihre Namen 
eintragen. Aufstieg von der Grimmialp her in 4 und von 
Zwcisimmen aus in 5 Stunden. Prachtvolle und umfas- 
sende Aussicht. Auch die weniger schwierige und nie- 
drigere Vordere Spillgerte (2254 m) erhält wenig Besuch. 



Vom Frohmattgrat sind die Spillgerlen durch das Thäl- 

man über den 
inn. Der Berg- 



chen von Alpetli getrennt, von dem ai 
u Pfad ■> bequem die Frohmatt erreichen 
stock wird durch drei tiefe Scharten gegliedert: den 
Wildgrimmi zwischen Kalberhorn- Hothorn und Anken- 
stock, den Schafaattel zwischen der Vordem Spillgerte 
und dem Brunnenhorn, den Viehsattel zwischen Gant- 
horn-Geiershubel und Brunnenhorn. Die Formen Wildheit 
der Spillgerten ist eine Folge ihres geologischen Aufbaues 
und der hier wirkungsvollen Arbeit der zerstörenden 
Kräfte der Verwitterung und Erosion. Der Bergsockel be- 
steht aus schwarzen dolomitischen Kalken der Trias, auf 
denen, nur durch Hin schwaches, mehr oder weniger mer- 
geliges Band von Mytilusschichten (Dogger) getrennt, ein 
mächtiger Klotz aus Malmkalk sitzt. Lias fehlt. Unter 
dem Schafsattel stehen schöne Arven. Der Name des 
Bergstockes wird oft fälschlich « Spielgerten • geschrieben 
und als «Spielgärten * für Gemsen oder Gestalten der Sage 
gedeutet, während er sich in Wirklichkeit von tpitle — 
Spindel, Nadel, Finger und gerle = Bute herleitet und 
somit s. v. a. • die spitzen Buien * bedeutet. (Vergl. Gern- 
peler-Schletti , D. Heimatkunde de* Simtnenthalet. 
Bern 1904. 

SPILLQERTENPAS8 (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder 
und Ober Simmenthal). Etwa 1950 m. Einschätzung zwi- 
schen der Hintern Spillgerte (2479 m) und dem Pfad 
(2090 m) in der das Diemtigthal vom Simmenthai tren- 
nenden Kette; verbindet das Kurhaus Grimmialp mit 
Zweisimmen. Aufstieg in 1 3 /, Stunden, Abstieg über 
Bettel ried nach Zweisimmen in 1'/, Stunden. Die Passhöhe 
wird von den mächtigen Wänden der Spillgerte be- 
herrscht. 

SPILLMETTLEN {Kt. und Bez. Schwyz). 1507 m. 
Letzter n. Ausläufer der Kette Mythen-Haggen-Hochstuckli- 
Bannegg; zwischen dem Hundskottentobel im <).. der 
Schlucht der Steiner Aa im N. und dem Lauitobel im W. 
Bewaldeter Gipfel, an dessen Hängen einige Höfe (Bären- 
fang. Mäderen etc.) stehen. 

SPIN. SPINA. SPION A. Ortsnamen der rätoromani- 
schen Schweiz. Bezeichnen eine mit Dorngebüsch be- 
standene Gegend. 

SPIN DADAINT und SPIN DADORA (OVA D ) 
(Kt. Graubünden, Bez. Inn). 2600-1850 m. Zwei annähernd 
je 1,7 km lange felsige (Juelllhälchen des wilddurch- 
schluchteten Tobels der Ova d'Spin, die sich unterhalb 
Sprh an der Ofenbergstrasse und 6 km oso. Zer- 
Laschadura und Val Fturvon rechts in 
den Spölbach ergiesst. Kurz vor der Strassenbrücke über 
die reissende Ova d'Spin sieht ein Wegerhaus. Die bei- 
den Felsenthälchen entspringen im Kalk- und Dolomit- 
gebirge des Piz d'Ivraina (2803 m)und Piz LaschadnreÜa 
(3054 m). Die vereinigte Ova d'Spin ist 1.6 km lang und 
hat ein Gefälle von 13%. In der Strassengegend der Ova 
d'Spin tritt in der obern Hauhwacke der Trias ein von 
Champ Sech herreichendea ansehnliches Gipslager auf. In 
dieser wilden Gegend werden alljährlich noch Spuren des 
braunen Bären gefunden. 

SPINA (Kt. Graubünden, Bez. Albula, Kreis Aka- 
«chein. Gem. Mutten). 1560 m. Alpweide mit etwa zehn 
Hütten, am SO.-Hang der Mullner Höhe (2003 m) und w. 
über dem Muttner Tobel : 1 km ssw. Unter Mutten. 

8 PI NA (Kt. Graubünden. Bez. Ober Landquart, Kreis 
und Gem. Davos). 1430-1800 m. Wiesen und Alpweiden 
mit zerstreut gelegenen Häusern und Hütten, am W.-Hang 
des Rinerhorna und ösü.. links, über Davos, gegenüber 
Davos Glaris. Die Hauptgruppe steht auf einer Terrasse 
in 1588 m Höhe; 5,5 km s. der Station Davos Platz der 
Linie Landquart-Davos. Postwagen Alvaneu Bad- Davos 



Champ Sech an 
nez zwischen Va 



Dorf. 18 Häuser, 54 reform. Ew. Kirchgemeinde Davos 
Glaris. Alpwirtschaft, Viehzucht. 

SPIN AB AD (Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart. 
Kreis und Gem. Davos). 1468 m. Klimatischer Kurort 
und ehemalige* Schwefelbad, am linksseitigen Gehänge 
der Thalschalt Davos und links vom Landwasser, 300 m 
n. Davos Glaris und 6,4 km sw. der Station Davos Platz 
der Linie Landquart-Davoa. Postablage, Telephon: Post- 
wagen Alvaneu-Alvaneu Bad- Davos Dorf. Kurhaus mit 8 
Ew. Schöne Lage. Die am Bergbang in 1790 m Hohe ge- 
faxsle Schwefelquelle wird heute nicht mehr zu Kur- 
zwecken benutzt. 

SPINADASCIO (Kt. Graubünden, Bez. Bernina. 
Kreis und Gem. Puschlav). 970 m. Gruppe von 4 Häusern 
am rechten Ufer des Puschlaverbaches, 3 km unterhalb 
des Dorfes Puschlav und 13 km nw. der italienischen 
Station Tirano der Veltlinerbahn. Postwagen Samaden- 
Bernina-Tirano. 33 kathol. Ew. italienischer Zunge. 
Kirchgemeinde Le Prese. Wiesenbau und Viehzucht. 

SPiNAS oder SPIONAS < Kt. Graubunden, Bez. 
Maloja, Kreis Ober Engadin. Gem. Bevern). 1818 m. 
Gruppe von 3 Häusern, im obern Abschnitt des Val Beyers 
und vor dem SO. -Eingang des Albulalunnels. Station der 
Albulabahn. Die 1900 hier gezählten 231 Ew. waren 
italienische Tunnelarbeiter, die seither weggezogen sind. 
Heute werden die Häuser von Bahnangestellten bewohnt. 
Gasthof. 

8PINKN (Kt. Graubünden, Bez. Plessur, Kreis Chur- 
walden, Gem. Malix). 1290 m. Gruppe von 5 Häusern : 
1.7 km sw. Malix und 7,8 km ssw. vom Bahnhof Chur. 
22 reform. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Malix. 
Wiesenbau und Viehzucht. 

SPINEO (Kt. Graubünden. Bez. Bernina. Kreis und 
Gem. Puschlav). 1010 m. Weiler am rechten l'fer des 
Puschlaverbaches, 500 m s. Puschlav und 16,5 km nw. 
der italienischen Station Tirano der Veltlinerbahn. 11 
Häuser, 55 kathol. und reform. Ew. italienischer Zunge. 
Kirchgemeinde Puschlav. Wiesenbau und Viehzucht. 

8PINNELIN oder SPINDELN (Kt. Graubünden. 
Bez. Ober Landquart, Kreis und Gem. Davos). 1521 m. 
Gruppe von Hütten, am linken l'fer des I<andwassers 
und 2 km s. der Station Davos Platz der Linie Landquart- 
Davos. Wiesenbau und Viehzucht. 

SPINNEREI (Kt. Zug. Gem. Unter Aegeri). Grosse 
Spinnerei. S. den Art. Aet.eki iUntrki. 

SP1NO (Kt. Graubünden, Bez. Maloja, Kreis Bergeil, 
Gem. Soglio). 802 m. Weiler am rechten Ufer der Maira 
und an der Stelle, wo die Strasse nach Soglio hinauf < 
der Thalstraase abzweigt ; 14 km o. der Station Chiav« 
der italienischen Bahnen. Postwagen Samaden-Maloja- 
Chiavennaund Promontogno-Soglto. 10 Häuser, 46 reforni 
Ew. italienischer Zunge. Kirchgemeinde Soglio. Wiesen- 
bau und Viehzucht. 

SPINS (Kt. Bern. Amtsbez. und Gem. Aarberg). 491 
m. Dorf 1,8 km nö. der Station Aarberg der Linie 
Lausanne-Payerne-Lyss. Telephon. 17 Häuser, 112 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Aarberg. Käserei. Ackerbau (Zucker- 
rüben). Spins ist die Heimat einca um die Mitte des 15. 
Jahrhunderts erloschenen Ministerialenceschlechtes der 
Grafen von Aarberg, das nicht mit den Freiburger Edeln 
von Spinz (Ependea) verwechselt werden darf. 

SPINZ (Kt. Freiburg. Bez. Saane). Gem. und Dorf. 
S. den Art. Epkndes. 

SPINBERO oder SPIRBergli (Kt. Luzern, Amt 
Entlebuch, Gem. Flühli). 871 m. Gemeindeabteilung und 
Weiler am |linken Ufer der Kleinen Emme: 1,5 km n. 
Flühli und 8 km s. der Station Schüpfheim der Linie 
Bern-Luzern. Zusammen mit Egghütten und Thorbach : 
31 Häuser, 166 kathol. Ew.; Weiler: 9 Häuser. 61 Ew. 
Kirchgemeinde Flühli. Acker- und Wiesenbau, Vieh- 
zucht. 

SPIRENWALD ( Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken, 
Gem. St. Beatenberg). 1183 m. Gemeindeabteilung und 
Dorf an der nahezu 5 km langen Strasse, welche die ver- 
schiedenen Siedelungsgruppen der Gemeinde St. Beaten 
berg miteinander verbindet; 4 km nö. der Drahtseilbahn- 
station Beatenberg. Hier verbreitert sich die meist nur 
schmale Bergterrasse und gibt einer grossem Siedelungs- 
gruppe Baum. Aeusser und Inner Spirenwald zusammen : 
27 Häuser, 180 reform. Ew. Kirchgemeinde St. Beaten- 



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SIM 



653 



berg. Viehzucht. Mehrere Hotels und Pensionen. Angli- 
kanische Kapelle. Auf Spirenwald oflnet aich das den 
Oberlauf de« Sundgrabens darstellende Hit- 
scherenthälchen. in dem das Wasserreservoir ( 
der Beatenberg-Drahtseilbahn liegt. 

spir INGEN (Et Uri). 926 m. Gem. und 
Pfarrdorf im Schachenthal, am Gehänge rechts 
über dem Schächenbach und sw. der Schächen- 
thaler Windgällei2752 m) ; 7 km n. der Station 
Altorl der Gotlhardbahn. Postbureau. Tele- 
phon: Postwagen Altorf-Klausen-Linthal. Ge- 
meinde, mit dem Urnerboden (oder Ennet- 
inärchti: 195 Häuser, 9V5 kathol. Ew.; Dorf : 
.'U> Heuser, '23,1 Ew. Alpwirlschaft. Viehzucht. 
Das Gehänge, an dem das Dorf *teht, ist zu 
Hulschungen geneigt und wird bald die Anord- 
nung von Schutzmaisregeln erfordern, wenn 
man grossen Schaden oder gar eine wirkliche 
Katastrophe verhüten will. Vom gegenüber- 
liegenden Hang ging 18K7 ein Bergsturz in den 
llach nieder, der 7 Personen verschüttete 
iTotentafel). 1290 wird zu Spiringen (vom 
alemannischen Personennamen Spiro herzu- 
leiten) eine Kapelle genannt, die zur Pfarrei 
Hürglen gehörte. Spiringen ist seit 1591 eigene 
Pfarrei, von der sich Unterschächen 1685 
loslöste. Im Kirchenarchiv liegen zahlreiche 
wertvolle erkunden, sowie eine Inkunabel 
Miraduale >. Zahlreiche alte Häuser, von denen mehrere 
aus dem 15. und 16. Jahrhundert datieren. Der spitze 
Kirchturm ist von weither sichtbar. •• Welch ein ausge- 
suchtes Bild! Es scheint, als ob ein Comite von Malern 
die Häuschen und Bäume ausgesucht und zusammen- 
gestellt hätte, um eine schiine Gruppierung zu bekommen 
und mit dem Sammtbraun der Häuser in hell leuchtendem 
Grün Farben kontraste zu wecken ■ (F. Becker;. Vergl. 
auch Jos. Müller im L'mer Neujahrtblail 1V01. 

8PI88 iKt. Hern, Amtsbez. Interlaken, Gem. Lauter- 
brunneni. 803 m. Gruppe von 4 Häusern, am linken 
Ufer der Lütschine und 2 km oberhalb der Station 
Lauterbrunnen der Linie Interlaken-Laulerbrunnen. 22 
reform. Ew. Kirchgemeinde Lauterbrunnen. 

■ PISS (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder Simmenthai, Gem. 
Wimmis). 770 m. Wiesen auf der Wimmisailmend 
zwischen Niesen und Burgtluh. Spuren alter Festangs- 
werke, die das Simmenthai s. der Burgfluh abschlössen. 

SPIS8 (MITTLER, OBER und UNTER) I Kt. 

Tri, Gem. Bürgten i. 787 m. Vier Höfe auf einer schönen 
Terrasse rechts über dem Schächenbach. 1 km n. Bürglen 
und 4 km ö. der Station Altorf der Golthardbahn. 32 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Bürglen. 

SPISSACHEN (Kt. Bern, Amtsbez. Trachsclwald. 
Gem. Kriswib. 815 m. Gruppe von 6 Häusern: 1,2 km 
•ö. Eriswil und 6 km so. der Station Huttwil der Linie 
Langenthal - Wolhusen. 40 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Eriswil. Viehzucht. 

s pissbach i Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken, Gem. 
I^iuterbrunnen). 2100-800 m. Linksseitiger Zulluss der 
Lütschine; kommt wie der Staubbach vom O. -Hang des 
Schwarzbirg herab, durchmesst mit steilem Gefälle die 
Winlercggalp, geht unter einer Brücke der elektrischen 
Bahn Grütscham-Mürren durch und stürzt sich 500 m 
s. vom Staubbarn über die nämliche Felswand ins Lauter- 
brunnenthal hinunter. Während er meist nur wenig Was- 
ser führt, schwillt er bei Gewitterregen zu einem ver- 
heerenden Wildbach an. 

8PIS8CN (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen). 1200-1500 m. 
Berggegend s. hinter Frutigen über dem linken l'fer der 
Engstligen. Die Spissen sind dasjenige Stück de« O. -Hangs 
der Niesenkette, das in einer Länge von 7 km und einer 
durchschnittlichen Breite von 3 km südl. vom Olternbach 
und nordl. vom Gantenhach begrenzt wird. Das gante 
Gebiet lässt sich in 3 Zonen einteilen, deren oberste vom 
Grat der Niesenkette bis auf etwa 1500 m hinunter reicht, 
Alpen und Weiden umfasst und auf dem Kamm in eini- 
gen pyramidenförmigen Gipfeln kulminiert. Von diesen 
Gipfeln gehen Bippen oder sogenannte «Eggen» aus. die 
sich weiter unten verbreitern und zwischen welchen das 
Wasser trichterförmig in Runsen herunter fliesst. Alle 
Runsen vereinigen sich dann zu einem Graben, der sich 



immer tiefer in das weiche schiefrige tiehänge eingräbt 
und als wilde, geschiebereiche Schlucht gegen den Thal- 





Spiringeo yod Osten. 

grund der Engstligen ausmündet, l'nter dieser Alpen- 
zone folgt das bewohnte Gebiet mit den grnppen weise 
hingest reu ten Spissendörfchen. Diese Zone ist weniger 
steil und weist schöne Bergwiesen auf, inmitten welcher 
sich die unansehnlichen braunen Häuschen lagern. Ausser 
eingezäunten Kartollel- und Gemüsepflanzungen kommen 
hier keine Kulturen vor. Die Naturgraswieaen gewähren 
nach ihrer Abätzung im Frühjahr immerhin noch zwei 
Ernten, von welchen aber die letzte oft erst in den Okto- 
ber fällt. Die dritte Zone umfasst den waldigen und felsi- 
gen Absturz nach dem Thal hinunter. Die durch tiefe 
Gräben voneinander getrennten Spissendörfchen sind, 
von S. nach N. gezählt: Rinderwald, Ladholz, Linter. 
Kratzeren, Gempelen und Ried mit zusammen 135 Häusern 
und 739 reform. Ew. Kirchgemeinde Frutigen. Haupt- 
beschäftigung der Bewohner ist Viehzucht, sowie (in 
weit geringerem Mass) die Ausbeutung von Schieferberg- 
werken. Die Bevölkerung ist ein ernster, nüchterner und 
arbeitsamer Schlag mit Neigung zu kirchlicher Separa- 
tion. Die Wegverbindungen der Dorfer untereinander 
sowie mit der der Engstligen entlang führenden Thal- 
strasse sind sehr mangelhaft und im Winter nicht ohne 
Gefahr. Seit längerer Zeit gilt hier im Schulwesen ein 
Minimalunterrichtsplan, weil der regelmässige Schulbe- 
such infolge der lokalen Verhaltnisse beneutend erschwert 
ist. Näheres über dieses isolierte Berfgebiet und seine 
Bewohner lindet sich in Karl Stetller: Das Frutigland. 
Bern 1887. 

SPISSEN (Kt. und Amt l.uzern. Gem. Meggen i. 4.4 
m. Gruppe von 2 Häusern am Vierwaldstältcrsee, 1 km 
w. der Station Meggen der Gotthardbahn. 20 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Meggen. Acker- und Obstbau, Viehzucht. 

SPI88THAL oder VAU DKL TBCHERA ( Kl. 
Graubünden, Bez. Ion), l'nterer Abschnitt des Samnai s. 
S. diesen Art. 

SPITAL (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald, Gem. Su- 
miswald). 728 m. Ehemalige Komthurei des Deutsch- 
ritterordens und jetzt Armenanstalt der Gemeinde Sumis- 
wald; auf einem Nagellluhfelsen links über der Grünen j 
1.5 km nö. Sumiswald und 6 km no. der Station Ramsei 
der Linie Burgdorf-Iangnau. 3 Häuser, 110 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Suiniswald. Die Gründung dieses Ordens- 
hauses geht auf das Jahr 1225 zurück. Damals schenkte 
der Edle Lüthold von Sumiswald dem Deutschordenshaus 
in Jerusalem seine Besitzungen in der Gemeinde Sumis- 
wald und den Kirchensatz von Sumiswald und Dürren- 
roth unter der Bedingung, dass es in der Gemeinde Su- 
miswald beständig zwei Priester unterhalte und in einem 
daselbst zu erbauenden Spital Arme und Reisende gast- 
lich aufnehme. Im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts 
kam das Ordensbaus in den Besitz des ganzen Gebietes 
der Grünen und des KirchensaUes von Aflollern und 



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054 SN 



Trachselwald. Es stand unter dem Oberkomthur von 
Elsass und Burgund, der »einen Sit/ im Württembergi- 




D«r « Spital i (Kanton B«ro) von \V«it<n 



sehen hatte, weshalb die Komthurn von Sumiswald vor- 
zugsweise aus schwäbischen Geschlechtern genommen 
wurden. 1243-1527 waren es deren 24. Bei der Reforma- 
tion 1Ö27 wurde die koinlhurei Sumiswald unter die Ver- 
waltung des Staates Bern gestellt. Infolge von fort- 
währenden Beklamationen des lleutschordens kam 1552 
ein Vertrag zustande, wonach die Besitzungen der Kom- 
Ihurei dem Orden wieder zugestellt, aber durch bernische 
Vogte verwaltet werden sollten. Wegen der weilen Ent- 
fernung verkaufte 1Ö9H der Deutschorden die Komthurei 
an Bern, das daraus eine eigene Vogtei machte. Im Jahre 
1 796 wurde diese aufgehoben und 1803 dem Amtsbezirk 
Trachselwald einverleibt. 1812 kaufte die Gemeinde Su- 
miswald das Schloss und machte es zu einem Gemeinde- 
armenhaus ( • Spittel » ). Das jetzige Gebäude stammt aus 
den Jahren 1731 und 1732. 

SPITAL. (Kt. Schwyz, Bez. Kinsiedeln und Schwyz). 
1377 m. Gipfel in der von den Mythen zwischen dem Thal 
der Minster im <). und dem Amselthal im W. nach NO. 
ziehenden Kette. Flyschgebiet mit bis zu den Gipfeln hin- 
aufreichenden Alpweiden. Der eine schöne Aussicht bie- 
tende Spital wird von allen Seiten her häutig bestiegen 
und auch von Schulen gerne besucht. Nach (). ist ihm 
die Schräh (1480 inj, nach N. der Hummel (1421 m) und 
nach W. die Üogliegg (1552 im vorgelagert, zwischen 
welchen Höhen der Nidlauibach ostwärts, der Sleinbach 
nordoetwärts und der Jenl>ach nordwestwärls der Sihl 
znfliessen. Der Spital bildet seit 1351 die Grenze zwischen 
Kinsiedeln und dem «alten Laude« Schwyz. 

SPITAL (ALTER) (Kt. Wallis, Bez. Brig, Gem. 
Simpeln). 1872 m. Heule von Hirten bewohntes Gebäude, 
das ehemals der Aufnahme und Verpllegnng von Durch- 
reisenden diente; an der S. -Flanke des Simplonpasses 
2 km s. vom heuligen Hospiz, auf ebener Fläche zwischen 
der Simplonstrasse im O. und der Doveria im W. ge- 
legen. Das 1235 /.um erstenmal genannte St. Jakobs- 
Spital der Johannilerritter, das am Scheitelpunkt des alten 
Pissweges nahe dem Hobschensee lag, wurde 1 470 auf- 
gehoben, worauf Kaspar Stockalper aus Brie um 1665 
das tiefer unten stehende heutige Gebäude erstellte, dessen 
obere Stockwerke er für sich und seine Familie reservierte, 
während er das unterste Stockwerk den Durchreisenden 
zur Verfügung stellte, (las lurmarlige. quadratische Ge- 
bäude trägt ein Glockentürmchen und umschliesst eine 
Kapelle. Ks wurde nach dem Bau des Hospizes auf der 
Simplonpasshöhe ziemlich vernachlässigt. Vcrgl. den 

Art SlMPI.OM'ASS. 

SPITAL, oder SPITTEL (IM) (Kt. FreiburK. Bez. 
Sense. Gem. Tenllingen i. 743 m. Gruppe von 3 Häusern, 
' 'i' 1 m nw. Tentlingen und am \Ve_ nach Marly le Grund. 
.'17 kathol. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Gitters. 
Obst- und Wiesenbau, Viehzucht. Strohllechtcrei. 

SPITALHOF, SPITALMATTE und SPITAL- 
WEIHER (Kt. Sotothurn. Bez. Kriegstetten, Gem. 
Biberistl. 460 m. Grosser Hof mit Schiessplatz und F.is- 
wi'iher. an der Strasse von Sololhurn über Dreibeins- 
kreoi nach Lüterkofen, o. vom lliinuenherg und 1.5 km 
ssw. Sololhurn. Eigentum der Bürgergemeinde Solo- 



SIM 

thurn. Die Spitalmatte liegt zwischen prachtvollen Bu- 
chenwaldungen und dient im Winter dem Schlittschuh- 
sport. Sehr beliebter Spaziergang der Bewohner von 
Sololhurn. 

SPITALLAMM (Kl. Bern. Amtsbez. Ober Hasle. 
Gem. Guitannen). Etwa 1800 m. Von der Aare durcli- 
rauschte enge Schlucht, unmittelbar unter dem Grimsel- 
huspiz zwischen den schroffen Wänden des Brunberg 
und Spilalnollen eingeschnitten und von der Grimsel- 
stra-.se durchzogen. Die Aare bleibt hier bis spät in den 
Sommer von Schneebrncken, Besten niedergegangener 
Lawinen, uberdeckt. Ob der Schlucht liegt der Spital- 
boden. 

SPITAL MATTE (Kl. Bern, Amtsbez. Frutigen, Gem. 
Kandergrundi. 1902 m Mit Moränenhügeln bedeckte» 
Plateau in dem vom Gemmiweg zwischen Kanderste-.' 
und Schwarenbach durchzogenen Hochthälchen, am W.- 
Fuss der Allels. Wird von dem aus dem Schwarzgletscher 
kommenden Schwarzbach durchflössen. Einige Arven- 
gruppen. Der obere Abschnitt der Spitalmatte gehört 
zum Kanton Wallis, der an dieser Stelle ziemlich weil 
auf die N.- Flanke der zentralen Kette der Hochalpen hin- 
übergreift. Auch der bernische Anteil an der Alpweide 
wird von Walliser Sennen bezogen. Hie kahlen Gehänge 
de- Gellihorngrates links und der Allels recht», sowie die 
auf der AI» liegenden Bes'e von prähistorischen Berg- 
stürzen nahen der Gegend schon früher einen öden und 
trostlosen Charakter, der sich dann noch verschärft hat. 
als die am 5. September 1895 von der Allels niederge- 
gangene Glelscherlawine hier ihre Schullmassen nieder- 
schlug. An dieses Ereignis, das 6 Personen den Tod 
brachte, erinnert eine in einen Felsblock eingehauene 
Inschrift. Eine ähnliche Katastrophe hatte sich an der 
selben Stelle schon 1782 ereignet Heute beginnt sich das 
Trümmerfeld wieder mit einem Pflanzenkleid zu überzie- 
hen. Zwei Hütten. Das Uebergreifen der Walliser Grenze 
über die Wasserscheide erklärt die Sage ahnlich wie die 
analoge Erscheinung auf dem Onerboden zwischen Uri 
und Glarus. Vergl. Heim, Alb. Die Glettcherlawine an 
(Irr Allel*. (Xaviahrtblatt der Xaturfortch. Getelltch. 
Z Strich. 18516 ). S. auch die Art. Ai tki.s und Ennet- 
MAftCMT. 

SPITALSENSE oder M LISCHERENSENS E kl 

F'reiburg, Bez. Sense). 1643-970 m. Quellfluss der Sense. 
Entspringt auf der Geissalp und scheint den Ablluss eines 
am N.-Hang der Kaiseregg Belegenen kleinen Sees dar- 
zustellen; wendet sich nach NO., erhält einen Nebenarm 
vom Spilalgantrisch her. umzieht den «Spitz» und lliesst 
nun bis zur Vereinigung mit der Kalten Sense nordwärts, 
um auf dieser letzten Strecke im tiefen und düstern 
Muscherenschlund die Kanlonsgrenze zwischen Bern und 
F'reiburg zu bilden. Die rechtsseitigen Nebenadern kommen 
alle vom Aettenberg herab, von den linksseitigen ist der 
die Alp Muscheren entwässernde Muscherenbach beson- 
ders zu nennen. 8,2 km lang. Von dem dem Wildbach 
folgenden Weg zweigt bei den Spitalhütten der über den 
Känelgantrisch (1792 in) nach Waldried im Simmenlhal 
fuhrende Pfad ab. Vergl. den Art. Sen>e. 

SPITTELWEID (OBER und UNTER) (Kt. Bern. 
Amtsbez. Thun, Gem. Pohleren). 913 und 820 m. Berg- 
wiesen am rechten Ufer des Kallbaches, am N.-Hang der 
Stockhornkette und am Weg von Blumenstein auf das 
Stockhorn. 

SPITTLISBACH Kt. Luzern. Amt Hochdorf). 750- 
467 m. Bach; entspringt n. Ibenmoos, wendet sich nach 
SO. und mündet nach 4 km langem Lauf etwas n. Baldegg 
in den Baldeggersee. 

SPITZ (Kt. Thurgau, Bez. Arbon, Gem. Homanshorni. 
436 m. horf an der Strasse Bomanshom-Amriswil ; 2,7 
km sw. der Station Romanshorn der Linien Zürich-Win- 
lerthur-Homanshom und Rorschach-Romanshorn-Kon- 
stanz. Postablage. 26 Häuser, 147 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Bomanshorn. Wiesen-, Obst- und Gartenbau. 
Wald. 

SPITZ alpeli FIRN (Kt. Glarusi. 2900-2550 m. 
Steiler, von zahlreichen Spalten durchkreuzter Hänge- 
glelscher von I km Breite und 000 m Lange, der sich vorn 
O.-Rand des Glaridenlirns aus zwischen dem Vorder 
und Hinter Spitzalpelistock gegen den Hintergrund der 
I Obern Sandalp hinuntersenkt. 



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.-PI 

SPITZALPELISTOCK (HINTER und VORDER) 

iKl. Glarusi. 3003 und 2918 m. Zwei Gipfel in> <>. Teil der 
-Clandenkelte, am O. -Rande des Claridenlirns. Sie steigen 
nur wenig über das Eis dieses Gletschers empor und fallen 
nach S. und O. mit steilen Wänden ab, der Vorder Spitz- 
alpelbtock gegen den s. Teil der Obern Sandalp, der 
Hinter Spitzalpelislock gegen den Sandlirn. Einen hüb- 
schen Anblick bietet von der Obern Sandalp aus nament- 
lich die schon geformte Pyramide des Vorder Spitzalpeli- 
slock mit den zu seinen beiden Seiten vom Claridenlirn 
herunterhängenden, wild zerrissenen Gletscherzungen, 
dem Geissbülzilirn und dem Spitzalpelifirn. (Siehe die 
Illustration zum Artikel Samialp). 

Spitzberg k: Hern. Amlsbez. Xeuenstadti. Jura- 
kette. S. den Art. Suet iMont). 

SPITZBERQ (Kt. Schwyz, Oez. March). 1093 m. Mit 
Wald und Alpweiden bekleidete Höhe zwischen Wäggi- 
und Trebsenthai Am W.-Hang stehen mehrere zur üe- 
meinde Vorderthal gehörende llofe mit Wiesland. 

SPITZBERG (Kt. Uri). m. Gipfel der Glelach- 
horn-Spitzbergkette zwischen dem Ur»eren- und dem 
Goschenerthal. Steht da, wo der Kamm aus der O. -Rich- 
tung scharf nach NO. abbiegt, bildet eine deutliche drei- 
seitige Pyramide und ist der letzte von Andermatt aus 
sichtbare Gipfel der Kelle. Prachtvoller Aussichtspunkt. 
Aufstieg von der Güscheneralp her in 5'/j oder von Realp 
aus in 5 Stunden. Erste touristische Ersteigung 1901. 

spitz berge (Kt. Uri). Gipfelgruppe in der Glelsch- 
horn-Spitzbergkelte, die das Göschenertlial vom Urseren- 
ilia' trennt; zwischen Blaubergstock und Lochstock. Der 
höchste Punkt der Spitzberge ist das Miitlerlishornj 3063 m), 
ein ohne künstliche Hilfsmittel nicht erkletterbarerGipfel- 
lurm. der nach NW. und NNO. je einen Kamm aussendet. 
Jener trägt die Hintere t-'eldschynlücke (etwa 2880 m), den 
einen bizarrenGipfelturm bildenden Hinter Keldschvn(etwa 
9000m), die Vordere Feldschvnlücke (etwa 2850 m) und 
•den Vorder Feldschvn (etwa 2910 ml. einen kristallreichen 
lterg mit kleinem Gipfellurm. Im NNO.-Grat linden wir: 
die Mutterlislücke (etwa 2800 m), die phantastischen 
Granitnadeln des sog. iZahn » letwa 2900 mj. die Zahn- 
lücke letwa 2800 m), den langen Gratrücken des Mittag- 
>tock oder Nünislock (etwa 3000 m mit 8-IOzackigen Er- 
Jiebungen. die Mittaglucke (etwa 2750 m). den Spitzberg 
(2838 m) und die Spil/berglücke i etwa 2840 m), die d ie ganze 
(iruppe vom Lochstock trennt. Zwischen den beiden Grälen 
des Multerliahorns breitet sich der Feldschyngletscher 
aus. Die meisten Gipfel und l'ebergänge sind sowohl vom 
Urserenthal als auch von der Goscheneralp her in je 4-5 
Stunden leicht zugänglich und schon seit langer Zeit, be- 
wundere von Strahlern, häufig besucht worden. Vergl. den 
Führer durch die Urtier Alpen ; verfasst vom Akademi- 
schen Alpen Club Zürich, herausgeg. vom S. A. C. Bd 11. 
Zürich 1905. 

SPITZBERQLUCKE (Kt. Uri). Etwa 2840 m. Pass- 
übergang in der Gletschhorn-Spitzbergkette; zwischen 
dem Spilzberg (2938 m) und dem lx>chslock, am O.-Ende 
der Spitzberge und üsll. vom Punkt 2852 m. Verbandet 
die Goscheneralp in 6 Stunden mit Zumdorf im Urseren- 
thal. Bietet keine besondern Schwierigkeiten, wird aber 
nur selten überschritten. 

SPITZE I Kt. Uri). 1871 m. NO.-Schuller des Jakobiger 
«2508 rn> in der Kroitetkelle, unmittelbar sw. über dem 
Itorr Erslfeld. von wo aus der Berg über Riedstafel in 4 
Stunden erreicht werden kann. Schöner Tiefblick ins 
Reussthal. 

SPITZE oder B/EZSPiTZE (Kt. Tri). 2388 m. NO.- 
Ende der Gletschhorn-Spitzbergkette zwischen dem Ur- 
tieren- und dem Goschenerthal, unmittelbar w. über der 
wilden Schlucht der Schöllenen. Kann von Göschenen 
längs dem Rand der Schöllenen in etwa 3 Stunden, von 
Andermatt in 2'/, Stunden und von Abfrutt über die 
Bördlialp in 3'/, Stunden leicht erreicht werden. 

SPITZE (GROSSE und KLEINE) (Kt. Uri). 2403 
und 2312 m. Gipfel in der Hoch Kaulenkelte zwischen 
Heus-, Schachen-. Brunni- und Evithal. Hie ausTaveyan- 
nazsandatein besiehenden « Spitzen », von deren steilem 
N--Hang IHK? der Bergsturz von Spiringen niederging, 
bilden das NW. -Ende des von Rlinzi nordwärts auszwei- 
genden Kammes. Die Grosse Spitze, der nach SW. das 
niedrigere ßlauhornli vorgelagert ist. steht sw. über dem 



SPI 655 

Dorf Unterschächen, von woher sie über die Obsaumalp 
in 3'; t Stunden leicht erstiegen werden kann, und ist ein 
prächtiger Aussichtsberg (Blick auf Ruchenwand und 
Scheerhorner, ('eberblick übers Schächenthal). Die Kleine 
Spitze bildet eine 0. -Schulter der Grossen Spitze, wird 
wie diese von Unterschächen her (in 3 Stunden) voll- 
kommenleicht erreicht und ist ebenfalls ein schöner Aus- 
sichtspunkt. 

SPITZE (HOHE) (Kt. Graubünden, Bez. Inn). Gipfel. 
S. den Art. Or (Piz). 

SPITZEFLUH (Kt. Bern, Amtsbez. Thun). 1682 m. 
SW.-Ende des Signswilergrates. unmittelbar no. über 
Merligen am Thunersee. Das Giprelplateau bildet einen 
Teil der Unter Berglialp. Kann von Gunten. Sigriswil 
oder Merligen her über die Wilerallmend in 3'/, Stunden 
erreicht werden. Sehr schone Aussicht aurden Thuner- 
see und die Riesen des Oberlandes. 

SPITZEN (Kt. Uri). Zwei Gipfel. S. den Art. Spitze 
(Grosse und Kleine). 

SPITZEN (Kt. Zürich. Bez. Harpen. Gem. Hirzel). 
659 m. Weiler, 1 km sö. der Kirche Hirzel und 3 ktn ö. 
der Station Sihlbrugg der Linie Zürich-Thalwil-Zug. 17 
Häuser, 101 reform. Ew. Kirchgemeinde Hirtel. Wiesenbau. 

SPITZEN (AUF) (Kt. Bern, Amlsbez. Interlaken). 
2351 m. Von mehreren kleinen Spitzen überragter Pass 
zwischen dem Rotihorn (2759 m) und Furggenhorn (2583 
m) in der Gruppe des Grindelwald Faulhorns. Verbindet 
die Spiel mattenalp mit dem Thälchen der Bachalp und 
liegt am Weg auf das Rotihorn. Grindelwald-Passhöhe 3 
Stunden, Abstieg zum Bachalpsee J ; ( Stunden. Von der 
Passhöhe gelangt man in 1 Stunde aufs Rotihorn und in 
V« Stunde aufs Furggenhorn. 

SPITZENBÜHL (OBER und UNTER) i Kt. und 
Bez. Schwyz, Gem. Arth). 958 und 865 m. So heissen die 
zwei höchst gelegenen Höfe am Hang des Rossberges über 
Arth; 2.5 km n. der Station Goldau der Gotthardbahn. 
12 kaihol. Ew. Kirchgemeinde Arth. Die Hofe Spitzenbühl 
sind vom Goldauer Bergsturz 1M06 z. T. zerstört worden. 

SPITZENRUTI (Kt. St. Gallen, Bez. Wil. Gem. Ober- 
büren). 584 m. Gruppe von 8 Häusern am Steilhang des 
Thaies der Glatt, am Weg Niederglatt-Oberbüren und 
3 km ö. der Station Uzwil der Linie Zürich-Winterthur- 
St. Gallen. 29 kathol. Ew. Kirchgemeinde Oberbüren. Obst- 
bau und Viehzucht. Stickerei. 

SPITZENRUTI l Kt. Thurgmu. Bez. Bischofszell, Gem. 
Amriswil). 513 m. Gruppe von.*» Häusern; 2.5 km sw. der 
Station Amriswil der Linie Zürich- Winlerthur-Romans- 
horn. 32 reform. Ew. Kirchgemeinde Amriswil-Sommeri. 
Obstbau. Grosse Geflügelzucht. 
SPITZEN WIES (Kt. St. Gallen, Bez. See. Gem. 
i Jona). 51<l m. Gruppe von 4 Häusern, auf einer mit Obst- 
I bäumen und Weinreben bepflanzten Anhohe 2.5 km n. vom 
Bahnhof Rapperswil (rechtsufrige Zürichseehahn und 
Linie Zürich- Uster- Rapperswil). 24 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Jona. Obst- und Weinbau. Viehzucht. 

SPITZFLUH (Kt. Freiburg, Bez. Greierzj. 1952 m. 
Endgipfel des von der Schopfenspitze nach NW . auszwei- 
genden Kammes zwischen dem Breccaschlund (Vallee 
des Cerniet«) und dein Plateau der Neuschels. Eine 
Scharte im N.-Grat der Spitztluh heisst Bärenloch. Auf- 
stieg vom Schwarzsee her über den Neusehelspass oder 
von Jaun (Bellegarde) her in je 3 Stunden ohne besondere 
Schwierigkeiten. Schone Aussicht auf den Schwarzsee 
und Umgebung. 

SPITZHOF (HINTER und VORDER) (Kt. und 
Amt l.uzern. Gem. Littau und Malters). 567 und 562 m 
Drei Hofe. 2 km so. Hellbühl und 4 km nw. der Station Lit- 
tau der Linie Bern-Luzern 32 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Hellbühl. Viehzucht und MilchwirtschaR. Kapelle. 

SPITZHORN i Kt. Bern, Amlsbez. Interlaken). 2214m. 
Endgipfel des das Sefinenthal vom obern Lauterbrunnen- 
thal trennenden ONO. -Grates des Gspaltenhorns ; w. über 
Trachsellauenen, von wo aus der Berg in 3 Stunden er- 
stiegen wenlen kann. Aufstieg von der Ober Steinbergalp 
her in 2 Stunden. Zum erstenmal 1810 von G. und C. 
Sluder bestiegen. « 

SPITZHORN oder HORENGUOQER (Kt. Bern, 
Amtsbez. Nieder Simmenthal). 1886 rn. Mit Alpweiden 
und Tannen bestandener Gipfel, n. vom Bunschlergrat 
(2008 m) im Stock des Niederhorns ; 3 Stunden oso. der 



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056 



SPI 



SPL 



Station Weissenbach der Thunerseebahn iSpiei Zwei- 
simmen). 

SPITZHORN (Kt. Bern und Wallis). 2807 in. End- 
gipfel des vom Arpelistock (Wildhorngruppe) nach N. 
auszweigenden und zwischen Gsteig und Lauenen sich 
einschiebenden Kammes. Bildet eine stolze Pyramide, die 
vom Col du Pillon und verschiedenen Stellen des Ormonts- 
Ihales her sofort in die Augen sticht. Nach N. ist dem 
Spitzhorn das Klein Hurnli 12215 m und nach NU. das 
Mu Ilhorn (2317 m) vorgelagert, während am W.-Hang der 
schwindlige Gaggenpfad hinführt, der die auf Herner 
Boden gelegenen, aber von Walliser Sennen bezogenen 
Alpen der Wallis-Windspillen direkt mit dem Sanetsch- 
pass und Saviese verbindet. Besteigung ziemlich schwierig 
und nur selten ausgeführt; erfordert von Gsteig oder von 
Lauenen her je 5-6 Stunden. Prachtvolle Aussicht. Besteht 
aus Neokom und gehört der liegenden Deckfalte des Wild- 
strubel an. 

SPITZHORN (Kt. Wallis, Bez. Brig und Vispj. 2731 
m. Kleiner Gipfel in der Kette zwischen dem Nanzthal 
und der Simplonstrasse; steht über den Schönbühlgrat 
<2565 mi mit dem Faulhorn (2675m) und über den Beien- 
grat (2730 m i mit dem Krizhorn I2ÖW6 ml in Verbindung. 
Schoner, aber selten besuchter Aussichtsberg, der von 
der Simulonpasshnhe her in 2 oder vom Schutzhaus 
Schalbet ner in 4 Stunden leicht bestiegen werden kann. 
Besteht aus Monte Leonegneis. 

8PITZIQQR/ETLI (Kt. Graubünden, Bei. AlbulaK 
Gipfel. S. den Art. Grati.i. 

SPITZIGSTE IN I Kt. Appenzell LB., Gem. Schwendi). 
1140 m. Felsblock auf der Seealp. 3 Stunden «w. Appen- 
zell. Die Sektion St. Gallen des S. A. C. hat hier 1«Ö eine 
Gedenktafel an den Naturforscher Friedrich von Tschudi 
[t 1886). den Verfasser des Tierleben* der Alpenu-ell, an- 
bringen lassen, 

8 PITZKAP ELLE (Kt. und Amt Luzern, Gem. Mal- 
ters). 581 m. Kapelle 2 km so. Hellbühl. 

SPITZLI (Kt. Uri). 3022 m. Nordost!. Vorberg des 
Kühplankenstockes i.'t223 ml in der Fleckistockkette der 
Dammastock-Sustenhorngruppe ; zwischen Bohrlirn und 
Kartigelfirn. Setzt sich gegen NO. mit dem Schwanen- 
stock (2637 m> und Mittagstock (2500 m) fort. Der schwie- 
rige Aufstieg erfordert vom Meiendortli her 6 Stunden 
und von Wasscn aus 7 Stunden. Krste Ersteigung 1880. 

SPITZMANN (Kt. Uri). 2570 m. Gipfel in der t'rirot- 
stockgruppe, w. vom Hngelber^errotslock und zwischen 
Scheyeggstock (2568 m) und Bigidalstock 12595 m). Bildet 
zusammen mit dem Scheyeegstock einen w. Ausläufer 
des Sättelistocks (2644 m i und kann von der Bannalp her 
in 3 oder von Engelberg aus in 6 Stunden bestiegen wer- 
den. Auf der Siegfriedkarte unbenannt. 

Spitzplankfirn (Kt. Uri). Etwa 2650-2500 m. 
.100 m breiter und 300 m langer Hangegletscher am Fuss 
der NO. -Wände des Breitplankstockes 12823 m) und Spilz- 
■ilankstockes (2875 mi, welche beiden auf der Siegfried- 
karte unbenannten Gipfel zwischen den Bächlistöcken und 
dem Muesplankenstock in der das Gornercn- vom Meien- 
thal trennenden Kette stehen. Das Eisfeld sendet seipe 
Schmelzwasser in den Gornerenbach. 

spitzplankstock (Kt. Uri). 2875 m. Auf der 
Siegfriedkarte unbenannter Gipfel, zwischen dem Breit- 
plankstock (2823 m) und dem Muesplankenstock (2850 m) 
in der das Gorneren- vom Meienthal trennenden Kette. 
Wird von der Alp Büti im Meienthal über den Seewen- 
lirn und durch das Hauptcouloir der NW. -Flanke in 5 
Stunden erstiegen. Leichte Kletterei. 

Spitzmeilen (Kt. Glarus und St. Gallen). 2505m. 
Gipfel in der Kette, die sich von der Sardona nordwärts I 
bis zum Magereu erstreckt, zwischen den obersten Thal- 
stufen des Mühlebachthaies und des Schilzbachthales. Er : 
besteht aus braun anwittemdem Liaskalk und stellt einen | 
sehr auffälligen, isolierten Felsturm dar, der auf einem 
breiten, mit Trümmerhalden bedeckten Sockel ruht und 
sich 300 m hoch über die ausgedehnten Terrassen von 
Mad und Schonbühl erhebt. Sein O.-Grat setzt sich als 
niedriger Felskamu, der die Terrassen von Mad und Vans- 
alp trennt, nach NO. bis zur Schonegg (2250 mi fort. Ueber 
die Hache Einsenkung, welche den Spitzmeilen von den 
s. davon liegenden Binderhörnern trennt, führt der 
Schoneggpass. Der Gipfel kann durch ein Couloir auf der 



O.-Wand erklettert werden und wird ziemlich häufig be- 
sucht. Man erreicht ihn von der Spitzmeilenhütte aus in 
l'/j Stunden. 

8 PITZMEILEN HÜTTS Kt. St. Gallen). Etwa 2070 
m. Klubhütte des S. A. C. Sie steht auf dem äusseraten 
NO. -Rand des grossen Plateaus von Mad, das sich am N.- 
Fuss des Spitxmeilen ausbreitet und zur obersten Thal- 
Stufe des Schilzbachthales gehört. Sie ist im Jahr HXÖ von 
der Sektion Pix Sol des S. A. C. in Holz erbaut worden 
und hat in erster Linie als WinterschuUhütte für Ski- 
fahrer zu dienen, für welche die ausgedehnten Terrassen, 
die das Schilzbachthal, das Krauchlhal und das Mühle- 
bachthal umsäumen, ein ausgezeichnetes l'ebungsfeld 
bilden. Die Hütte wird aber auch im Sommer von den 
Touristen, welche den Spitzmeilen oder andere Gipfel 
dieser Gegend besteigen wollen, ziemlich häufig besucht. 
Man erreicht sie von Flums aus durch das Schilzbachthal 
und die Alp Matossa oder über die Terrassen von Brod 
und Fursch in 5 Stunden. 

■ PITZRÜTI (Kt. Solothurn. Bez. Ölten, Gem. Hägen- 
dorf). 565 m. Gruppe von 5 Häusern am S.-Hang der 
ersten Jurakette: 1,5 km nnw. der Station Hägendorf der 
Linie Ülten-Solothurn-Biel. 25kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Hägendorf. Landwirtschaft. 

SPITZSTEIN (Kt. Bern, Amtsbez. F rutigen). 2973 m. 
Felsiger N. -Ausläufer des Doldenhorns, zwischen Dolden- 
horn- und Biberggletscher. Eine Stunde über dem Dolden- 
horngletscher und an der gewöhnlichen Aufstiegsroute 
zum Doldenhorn. Am N.-Hang des Spitzstein sieht man 
die halbkreisförmige Abrissnische des grossen prähistori- 
schen Bergsturzes, der den Oeschinensee aurgestaut hat. 

" iterlhur. 



SPITZWIES iKt. Zürich, Bez. Wint 
Turbenthal). 772 m. Gruppe von 5 Häusern. 3 km ö. der 
Station Wila der Tosathalbahn . Winterthur-Wald). 27 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Turbenthal. Wiesenbau. 

SPITZWIESEN (Kt. Zürich, Bez. Andelfingen, Gem. 
Laufen-Uhwiesen). Ostabschnitt des Dorfes Uh wiesen. 2 
km oso. der Station Laufen der Linie Zürich-Winlerthur- 
SchafThausen. 7 Häuser, 50 reform. Ew. Kirchgemeinde 

Lauten. 

SPLE oder SPLEE (Kt. St. Gallen, ßez. und Gem. 
Sargansi. 485 m. Gruppe von 8 Häusern an der Vereini- 
gung der Strassen und Eisenbahnlinien Rorschach-Sar- 
gans und Zürich-Sargans zur Strasse und Linie nach 
Ghur. 31 kathol. Ew. Kirchgemeinde Sargans. Obst- und 
Weinbau, Viehzucht. Schone Aussicht auf das Sarganser- 
land und dieGlarner und Liechtensteiner Alpen. Auf der 
Anhöhe hinter der Siedelung steht eine alte Kapelle. 

SPLiOiAS , spluq A , 8PRUG A Ortsnamen 
der rätoromanischen Schweiz; vom latein. tjtelunca, 
Italien, spetonra = Hohle, Schlucht. Bezeichnen eine 
Schlucht, Klamm oder Klus. 

SPLIOIAS (Kt. Graubünden. Bez. Vorderrhein. Kreis 
Disentis, Gem. Somvix). 1100 m. Alpweide mit einigen 
Ställen, über der Strasse Somvix-Disentis und 750 m w. 
Somvix. 

SPLUDATSCH oder spliatsch (Kt. Graubün- 
den, Bei. Albula, Kreis Oberhalbstein. Gem. Sun. 1603 m. 
Burgruine über dem rechten L'fer der Julia. 700 m sw. 
Sur. Inden Urkunden auch Splux geheisaen. 1160 wird 
ein Werner de Pludasches genannt. Noch im 16. Jahr- 
hundert lag den Herren von Splux die Pflicht ob, den Ju- 
lierpassweg offen zu halten. 

SPLUGEN, romanisch Spi.I'ga (Kt. Graubünden, 
Bez. Hinterrhein. Kreis Bheinwaldi. 1450 m Gem. und 
Pfarrdorf in der Thalsohle des Rheinwald, am S.-Fusa 
des Teurihorns und 26.7 km so. der Station Thusis der 
Albulabahn. Postbureau. Telegraph. Telephon ; Postwagen 
Thusis-Splügen-Ghiavenna und über den St. Bernhardin 
nach Misox-Bellinzona. Zollamt. 65 Häuser. 373 reform. Ew. 
deutscher Zunge. Wiesenbau und Viehzucht. Sommer- 
frische. Vor der Eröffnung der Gotthardbahn war Splügen 
dank dem starken Verkehr, der damals über den Splügen- 
pass ging, eine sehr belebte Ortschaft. Mit der Abnahme 
dieses Verkehrs sind zahlreiche junge Leute aus der gan- 
zen Thalschaft in überseeische Lander ausgewandert. 1834 
hat ein Hochwasser des Hinlerrheins 12 Häuser des Dorfes 
Splügen zerstört. Grosse und Bchöne neue Kirche, die an 
die Stelle der ehemaligen St. Bochuskirche getreten ist. 
Gegen Sufers zu steht an der » zur Burg - genannten 



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SPL 



SPL 



657 



Stelle ein Turm als letzter Rest einer ehemaligen festen 
Burg. Brüche auf Marmor und Alabaster. 




Dorf SplQgsa mit dem Teurihorn. 



8PLÜOENP488 (Kt. Graubünden. Bez. Hinter- 
rhein). 2117 m. Wichtigster Passübergang von Graubün- 
den nach Italien, speziell vom Rheinwaldthal nach dem 
Val San Giacomo - Chiavenna -Comersee ; Parallel pass 
zum St. Bernhardin (Rheinwald-Misox) und gleichzeitig 
mit diesem 1818-1823 als schöne grosse Kunstatrasse ge- 
baut. Beide Uebergänge waren schon den Römern be- 
kannt und weisen jetzt noch Spuren und zum Teil noch 
benutzte Reste der alten Römerstrassen auf. Die wahr- 
scheinlich anfangs des 3. Jahrhunderts entstandene römi- 
sche Militärkarle, die sog. Tabula Peut'tngeriana, und 
das etwas später erschienene Itinerarium des Antonin 
nennen einige Stationen an der SplügenstrasBe, so Cla- 
venna (Chiavenna, deutsch Cleven), Tarveasede (wahr- 
scheinlich des jetzige Madesirno), Cunus aureus (wahr- 
scheinlich an der Stelle der jetzigen Dogana süal. der 
Passhohe;. Curia (Chur. Coira). Ist nun auch der Verlauf 
der alten Strasse im allgemeinen bekannt, so lässt er 
sich doch im einzelnen nicht leicht verfolgen, da von den 
Stationen zwischen Chiavenna und Chur keine einzige 
ganz sicher festgestellt ist. Von Chiavenna bis Splügen 
muss sie in grossen Zügen, wenn auch mit manchen und 
zum Teil beträchtlichen Abweichungen im einzelnen, un- 
gefähr mit der jetzigen Strasse übereinstimmen, da die 
Römer ihre Ber^strassen nach den jetzt noch als die 
besten und zweckmässigsten anerkannten Methoden 
bauten. Schon sie schmiegten diese Strassen dem Terrain 
an. suchten sonnige und möglichst lawinensichere tagen 
aus und vermieden finstere Schluchten und Rutschpar- 
tien. Sie wichen dagegen grösseren Steigungen nicht aus 
und legten darum weniger Serpentinen und weniger 
kostspielige Kunstbauten (Viadukte etc.) an als es heut- 
zutage geschieht. Danach war für die Römer das Trac^ 
durch das meist enge Thal von Chiavenna 1317 m) bis 
(sola (1277 m) so ziemlich gegeben. Von da ging es 
steil über die Terrassen und Abhänge o. der Schlucht 
des Kardinell (Val del Cardenello) hinauf nach dem Piano 
della Casa (Dogana, 1900 m) und dann fast gerade 



weiter zur Passhöhe (2117 m). Diese noch gut erhaltene 
na ttrala von Isola aufwärts wird von den Anwohnern 
für die romische gehalten. Kin anderes, vielleicht mit 
mehr Recht für römisch gehaltenes und jetzt noch als 
Saumweg nutzbares Strassenstück zog sich von oberhalb 
Campodolcino ins Val Madesirno ( das alte Tarvessede '.' ) 
hinein und dann längs den Hängen des s. Ausläufers des 
Surettahorns nach der Dogana. Eine dritte, jetzt eben- 
falls aufgegebene Route führte später (seit 1643i durch 
die Schlucht des Kardinell und war der grossen Lawinen- 
gefahr wegen auf langen Strecken mit Schirmdächern 
versehen. Von der Passhohe nach Splügen hinunter 
folgte die Römerstrasse ungefähr der jetzigen Route, 
doch mit weniger Serpentinen im obersten und unter- 
sten Teil. In der Schlucht des Splügenbergbachs linden 
sich noch Spuren der alten Strasse. Von Splügen bis 
Chur weichen die beiden Strassenzüge dagegen vollständig 
voneinander ab. Die Romerstrasse ging links des llinter- 
rheins längs dem Fuss des Kalkborges nach Sufers und 
von da no. hinauf über die Alp Perfila zum Lai da Vons 
und zu Punkt 2079 m, dann ö. und n. um den Piz Vizan 
zur Alp Annarosa und von da oberhalb VVergenstein, 
Malhon und Lohn nach dem Maiensäss Saissa und durch 
den Dürrenwald zur Noll«, dann hinauf nach Urmein 
und über den Heinzenberg (Flerden-Sarn-Präz). endlich 
über Balvcins-Foppas-Runcaglia hinab nach Räzüns und 
iiber Brühl und Vogelsang rechts des Rhein* (nicht über 
Bonaduz und Reichenaul nach Ems und Chur. Ub das 
eben genannte Saissa identisch ist mit dem sprachlich 
gleichsinnigen Lapidaria der Peutingerschen Tafel, er- 
scheint sehr fraglich. Nach Baviers spezieller Forschung an 
Ort und Stelle kann die Bomerstrasso nicht überSaissa ge- 
führt haben, sondern muss im Bogen ö. und n. unter 
diesem Punkt durchgegangen sein, da es keinen Zweck 
gehabt hätte, aie von Lohn (etwa ifiOO m) erst weil hinauf 
(bis über 2000 m) und daon wieder steil hinunter zur 
Nolla zu führen. Lapidaria = «Steint oder «Fels» 
kann sich recht gut aur irgend eine andere Stelle zwischen 
dem Dürrenwald und Lohn beziehen, da es dort steinige 
Halden und Felspartien genug gibt, die den Namen 
rechtfertigen wurden. Nach Kavier hätte übrigens die 
Splügenstrasse wie auch die benachbarte Bernhardin- 
strasse zur Römerzeit nicht für Wagen, sondern nur für 
Saumtiere und Fussgänger gedient, da nirgends von 
Wogen die Rede ist und die Strasaenbreite an allen be- 
kannten Stellen nur 1,5 m beträgt und keine Ausweich- 
plätze vorhanden sind. Die fahrbaren Strassen jener Zeit, 
z. B. Septimer und Julier, waren 2,7 bis 3 m breit. Die 
Römerstraasen in den Alpen haben dann durch das ganze 
Mittelalter in wenig verändertem Zustand bestanden und 
gegen zwei Jahrtausende dem Verkehr gedient, der je 
nach den Zeitläufen mehr oder weniger rege war. Der 
Zustand der Strassen war meist ein schlechter ; für den 
Unterhalt geschah wenig. Oft dienten sie dem Wasser 
als Abftussrinnen, waren mit grobem Gesteinsschutt und 
im Winter mit Schnee erfüllt. Da dazu noch grosse Stei- 
gungen (bis zu 30%), gelegentliche Verheerungen etc. 
kamen, waren sie nur mit grossen Mühen zu passieren. 
Erat mit dem 19. Jahrhundert brach für die Alpenstraasen 
ein neues Zeitalter an. Die neue Kunststrasse Chur- 
Splügendorf wurde 1818-1823. gleichzeitig mit derjenigen 
über den St. Bernhardin (1818-1821) und mit derjenigen 
über den Splügenberg (Chiavenna -Passhohe I8IK-1820. 
Passhohe-Splügendorf 1822) gebaut. Die Strecke Chur- 
Splügendorf ist 52 km, die Strecke Splügendorf- Chia- 
venna 40 km lang, die ganze Strasse durchschnittlich 
6 m breit. Nur eine kurze Strecke erreicht die Maximal- 
steigung 9 n /o- Die ganze Strecke Chur-Splügen-Chiavenna 
kostete I 943 200 Fr., ungerechnet die unentgeltliche Ab- 
tretung des benotigten Rohmaterials an Holz, Steinen 
und Kies und der kiesfuhren von Seite der Gemeinden. 
In die Kosten teilten sich die Staaten Graubünden, Sar- 
dinien und Oesterreich, die anliegenden Gemeinden und 
die Churer Kaufmannschaft. Die Strecken durch die 
Schluchten der Viamala und Rofna. dann die Splügen- 
slrasae im engern Sinn von Splügen bis Chiavenna ge- 
hören zu den grossartigsten und kühnsten Strassenbauten 
der Alpen überhaupt. Von Splügen weg steigt die Strasse 
in einigen Windungen etwa 200 m in die Höhe, dann 
folgt eine sanfter ansteigende, annähernd geradlinige 

230 — geocr. lex. V — 42 



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658 



SPL 



SPL 



Strecke, endlich gegen die Pauhöhe hin wieder eine 
solche mit engern Windungen. Etwas unterhalb der Pasa- 




f4ttinger sc. 



SplOgenilraiae 



höhe bieten ein Bergbau* (2<Xi"> m) und eine längere 
Gallerie Unterkunft und Schutz. Etwa halbwegs zwischen 
Splügen Dorf und Paashöhe wird etwas ö. über 
der Strasse in der Räzünseralp ein schöner 
weisser Marmor gebrochen, dessen Abfalle man 
als Strassenmaterial benutzt. Die Paashöhe, ein 
kahler Sattel zwischen Tambo- und Surettahorn, 
bildet die Wasserscheide zwischen Hinterrhein- 
und Addagebiet und die Grenze zwischen der 
Schweiz und Italien. Ausgegrabene Stücke und 
Wurzeln beweisen, dass einst der Wald bis auf 
diese Höhe reichte. Jenseits wenig unterhalb 
der Passhöhe findet sich die dritte italienische 
Cantoniera (2067 m) und 2 km unter der Pass- 
höhe (12 km von Splügen Dorf) das italienische 
Zollamt, la Dogana del Monte Spluga, und 
mehrere andere Wirtschaft*- und l nterkunfts- 
gebäudc im aog. Piano della Casa (etwa 1'JOO in). 
Von da kann man westwärts durch das Val Loga 
und über den Curciusaglelscher ins Areuethal 
und weiter nach Nufenen im Rheinwald oder 
direkt nach San Bernardino (über die ßocca di 
Curciusa) steigen oder auch ustlich am Lago Nero 
und Lago d'Kmet vorbei zum Passo di Kmcl und 
nach Inner Ferrera-Avers gelangen. Die Splü- 
genslrasse selbst führt sudostwärts über den 
Liro und zur 2. Cantoniera (1870 m), einem 
stattlichen (Gebäude mit Glockentürmchen am 
W.-Abhang des Rückens von Madeaimo. welches Dorf man 
von hier aus auf gutem Weg in 2 Stunden erreicht. Die 



Cantoniera, auch la Stuetta genannt, bietet gute und 
billige Unterkunft und einen letzten umfassenden l'eber- 
blick iiber die Bergwelt am Splugenpass. Dann geht 
es weiter, immer hoch über dem Liro und durch 
mehrere Gallerien an der 1. Cantoniera (Wirtschaft) 
vorbei nach Pianazzo 1 1400 m), dem ersten Dorf der 
S. -Seite. Zweigstrassen fuhren von da einerseits hinun- 
ter nach (sola, andrerseits hinein nach Madesimo 
( 1660 m) im gleichnamigen Seitenthal, einem von 
Italien aus stark besuchten Kurort mit gross ange- 
legten Hotel- und Badeinrichtungen. Der Passo di 
Madeaimo (22W0 m) verbindet den Ort mit dem schwei- 
zerischen Ferrera- und Averserthal. Gleich unterhalb 
Pianazzo bildet der Bach des Yal Madesimo einen 
prachtvollen, 260 m hohen Wasserfall. Dann folgt 
das kühnste Stück der Splügenstrasse, eine Strecke 
mit Gallerien, mächtigen Stützmauern, in Fels ge- 
hauenen Partien und mit Windungen, die wie die 
Gallerien eines Theaters fast senkrecht übereinander 
liegen. Hasch geht es nun in die Tiefe, und bald 
ist der Wiesengrund von Campodolcino ilOöO ml mit 
seinen schönen Ahorn-, Buchen- und Eschengruppen 
und den zerstreuten Weilern erreicht 1 15 km von der 
Passhohe <. Die erste Anlage <ler Strasse ging von 
Campodolcino nach lsola hinein und von da in Win- 
dungen hinauf nach Pianazzo. Verheerende lebe r- 
schwemmungen des Jahres 1834 veranlassten die Ver- 
legung der Strasse an die jetzige Stelle am ö. Ge- 
hänge des Thals mit Beiseitelassung von lsola. Fuss- 
gänger aber können immer noch von der Dogana im 
Piano della Casa durch die Schlucht des Kardinell 
nach lsola und Campodolcino gelangen. Von da fuhrt 
die Strasse immer am u. Thalgehänge und in einiger 
Höhe über dem Thalgrund durch den untern Teil 
des Liro- oder Giacomothals. Der Thalgrand ist uftern 
Ueberschwemmungen ausgesetzt und darum meist 
baumlos und mit gewaltigen Trümmermassen bedeckt, 
während die Gehänge zu beiden Seiten im Schmuck 
der Kastanienwälder prangen. Man passiert zahlreiche 
Weiler und kleinere, mehr malerische als schöne 
Häusergruppen und der Reihe nach die zerstreu- 
ten Dörfer Prcstonc, Gallivaggio und San Giacoino. 
Andere Dorfer. Weiler, Kirchen und Kapellen griissen 
von den Höhen herab, und brausende Wasserfälle 
stürzen aus zahlreichen Seitenschluchten hervor. Die 
warme insubrische Hegion mit italienischem Land- 
schafts- und Vegetationscharakter ist erreicht. Bald 
unterhalb San Giacomo öffnet sich das enge Thal in 
die weite Ebene von Chiavenna 1 30 km von der Pass- 
höhe, 300 m über Meer), wo die herrliche Bergstrasse 
des Splügen zu Ende geht. 
Von der Hömcrzeit bis zum Bau der neuen Strassen. 




SplOgcnpaashOhe mit Tambohorn. 

also bis etwa t820, standen Splügen- und Berahardin- 
strasse an Verkehrsbedeutung hinter dem Septimer und 



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SPL 



SPO 



G59 



dem Julier zurück, da diese fahrbar, jene aber nur für 
Saurotiere gangbar waren. Immerhin bekamen iene Fahr- 
strassen die Konkurrenz dieser Saumstraasen deutlich zu 
spüren, was unter anderm in Herabsetzung der Trans- 
port- und Lagergebühren, in vermehrter Sorge für die 
Sicherheit der Leute und Güter etc., sowie auch in Strei- 
tigkeiten zwischen den beteiligten Thalschaften und sog. 
Portgemeinden sich äusserte. So klagten 1407 die Ge- 
meinden an der Septimerstrasse beim Bischof von Chur 
gegen diese Stadt und verlangten, sie sollte gehalten sein, 
fremde Kaufmannsgüter nur über den Septiroer zu leiten. 
L'nd der Bischof gewährte die Bitte. Allein bald darauf 
(1473) bauten die Gemeinden Thusis. Cazis und Masein 
im Einverständnis des Grafen von Werdenberg-Sargans 
und der Gemeinden des Domleschg linker Rheinseite 
einen wagenbreiten, in Fels gesprengten Weg durch den 
innern Teil der Viamalaschlucht vom Hof Rongellen nach 
Zillis, wobei sie von den Clevnern und Misoxern unter- 
bildeten sie eine Portgenossenschaft, 



Iche gleich auch in Räzüns, Schams, Rheinwald, 
und im San Giacomothal entstanden. Die 



mehr in Aufnahme. Einen voll- 
ständigen Sieg errang sie aber erst durch den Neubau 
1818-1823). Seitdem kam der Seplimer in Vergessenheit) 



SuretU- 
-/idmer 




und Verfall. Der ganze transalpine Verkehr. » 
überhaupt durch Graubünden ging, bewegte sich nun 
über Splügen und St. Bernhardin. Aber auch diese 
Strassen wurden durch die 1820-1830 gebaute St. Gott- 
hardstrasse und dann durch die Gotthardbahn immer 
mehr in Schatten gestellt. 1880 gingen 18 796 Reisende 
über den Splügen und 80*23 über den St. Bernhardin, 
1890 nur noch 10000 über den erstem und 3703 über 
den letztern. Vor Eröffnung der Gotthardbahn betrug die 
Zahl der Reisenden über Splügen und Bernhardin jähr- 
lich 25 000 - 30 000 und darüber, nachher nur noch um 
15 000. Ein vollständiger Umschwung ist im Güterverkehr 
eingetreten. Nur wenige Posten, wie Kastanien und Mehl, 
sind sich vor und nach Eröffnung der Gotthardbahn 
annähernd gleich geblieben. Der Weintransport aus Ita- 
lien aber fiel von etwa 14000 auf 7000 Zentner, die 
Seide gar sank von rund 10000 Zentnern auf 0. Aehnlich 
hat die Ausfuhr schweizerischer Baumwollfabrikate über 
die zwei genannten Pässe, die früher 2000-4000 Zentner 
per Jahr betrug, gänzlich aufgehört. Diese und noch viele 
andere Dinge gehen nun alle durch den Gotthard. Eine 
Splügenbahn aber, so sehr ersehnt und umstritten, will 
noch immer nicht kommen. 

Längs dem Splügenweg hat man verschiedene lateini- 
sche Inschriften entdeckt, so z. B. in Vö zwischen Cima- 
ganda und Campodolcino. Die Strassenbrücke über den 
Pigneuerbach auf Schweizerseite trägt die Inschrift. 
Jam via patet hostibus et amicis. Cavete Räti ! Simpli- 
citas niorum et unio servabunt avitam libertatem. Eine 
andere, aus 1838 stammende Inschrift unterhalb Piana/zo 
(auf der italienischen Seite» ist von der Kaufmannschaft 
von Chiavenna zu Ehren des Kaisers Ferdinand I. ange- 
bracht worden, der die Strasse nach den Hochwassern 
von 1834 zum Teil neu anlegen lieBs. 



Bibliographie : I lavier, S. Die Streuten der Schweiz. 
Zürich 1878. — Schulte. Aloys. Geschichte des mittel- 
alterlichen Handels und Verkehrs zwischen West- 
deutschland und Italien. Leipzig 1900. — Reinhard, R. 
Topographisch-hislor. Studien üliev die Passe und 
Strassen in den Walliser-, Tessiner- und Bündner- 
alpen. Luzern 1901. — Gilli, G. Das Strassennetz des 
Kantons Graubünden ( im Jahresbericht der natur- 
forschenden Gesellschaft Graubün'iens). Chur 1898. — 
Die schweizerischen Alpenpässe; offizielles Posthand- 
buch. 2. Aull. Bern 1893. [Dr. Ed. ImhohJ. 

8PLUQNER KALKBERQE (Kt. Graubünden. Bez. 
Hinterrhein). Sehr interessante Berggruppe, auch Splüg- 
ner Dolomiten geheisaen. Grenzen : tm S. und 0. 
das Hinterrheinthal von Splügen bis unterhalb Andeer, 
im N. der Annarosabach und die Fuorcla dil Lai Grond, 
im W. der das Satienthal mit Splügen verbindende Safier- 
oder Lochliberg. Hauptgipfel sind das Weisshorn (2992 m) 
am Lochliberg, das Alperschellihorn (3045 m), Steilerhorn 
12983 m), Teurihorn (2975 m) mit dem Kalkberg (2565 m) : 
dann die Pizzas d'Annarosa oder Grauhörner (3002 m) 
i Cufercalhorn (2801 ml. sowie endlich der PizCa- 
(2543 m) und Piz Vilan (2472 m). Der Bergsockel 
aus grauen und dunkeln Bündnerschiefern, auf 

welchen 
weisse, hell- 
graue oder 
gelbe Kalke, 
Marmore oder 
auch Dolomi- 
te ruhen. Die 
Gipfel zeigen 
zerrissene und 

Phantastische 
'orroen und 
e rschein en 
von weitem 
her, besonders 
bei Sonnen- 
u ntergang, 
von blenden- 
dem Weiss 
mit verschie- 
denfarbigen 
Bändern. 
Diese aut 



Geologischen Querpronl durch die Spln g n w KaHUarge. 

; r. ROtidolomil ; k. Kalke und Dolomite ; g. ÖDei» und krist.lline Schiefer. 



j Splügner Kalkberge ur 
eine Fläche von etwa 18 km* und bestehen hauptsächlich 
aus weissen, grauen, gelben oder rosaroten Marmoren, 
aus grobkörnigen dichten Kalksteinen. Zellendolomiten 
und Kalkbreccien. Eingelagert sind Gips, dem Verrucano 
entsprechende Grünachiefer, verschiedene Konglomerate 
und sog. Taspinit (von der Alp Taspin am Piz Curver ge- 
nannt), ein grobkörniges Eruptivgestein. Das ganze bildet 
den letzten Ueberrest einer von der Erosion zum grössten 
Teil zerstörten Deckscholle. Der den Bündnerschiefern 
direkt aufgelagerte Rotidolomit erscheint aul den geo- 
logischen harten als ein rund um die Gruppe der Kalk- 
berge herumreichendes Band. Es stellen somit die Splüg- 
ner Kalkberge jurassische und triadische Gesteinsfetzen 
dar, die in abnormaler Lagerung auf den zum Teil dem 
tertiären Flysch entsprechenden Bündnerschiefern ruhen, 
l eher die Anordnung und Herkunft dieser zerstückelten 
Deckseholle werden uns noch genauere Untersuchungen 
zu belehren haben. Vergl. Heim, Alb. Geologie der Hoch- 
alpen zwischen Reuss und Rhein. (Beiträge zur geolog. 
Karte der Schweiz. 25). Bern 1891. 

8PLUO* (ALPE) (Kt. Tessin. Bez. Valle Ma^gia, 
Gem. Giumaglio). 1500-20 10 in. Alpweide im obernVa) 
Giumaglio, am Fuss des Sasso Bello und Pizzo Pegro und 
iinden n. 



4 Stunden n. vom Dorf Giumaglio. Gehört zum Teil der 
Kirche Giumaglio und wird mit 60 Stück Rindvieh und 
150 Ziegen bezogen. Herstellung von Butler und Käse. 
Ein Fussweg führt über den Passo Sasso Bello und durch 
Val Chignulascio nach Bignasco hinüber. 

SPöl (Kt. Graubünden). Bedeutendster Zullus* des 
Inn auf Schweizerboden. Entspringt auf italienischem 
Boden an der Forcella, (2328 m), die von Livigno zum 
Bcrninapass hinüberrührt, und durchmesst dann auf eine 
Strecke von 23 km Länge das italienische Livignothal, das 



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66U SPO 

im untern Abschnitt stark durchschluchtet, zwischen dem I 
Piz Murtarus und dem Monte del Ferro eingeengt und 
Lawinen und Steinschlag ausgesetzt ist, so dass es leich- 
ler von S. her über die gegen das Veltlin hin stehenden 
Berge als von -V, d. h. vom Engadin her erreicht werden 
kann. Auf Schweizerboden tritt der Spöl beim Ponte del 
Gallo, der über die ihm von rechts zulüessende und auf 
'2 km Länge die Landesgrenze bildende Acqua del Gallo 
führt. Dieses ganze Dolomitgebiet, d. h. das vom Ober- 
lauf der Acqua del Gallo durchllossene Val Mora, das Val 
del Gallo im engern Sinn und die sich mit ihm vereini- 
genden Arme des Vat dell'Orao und Val Ciasabella, hat 
einen öden und wilden landschaftlichen Charakter und 
trägt nur magern Rasen, sowie Legfohrengestrüpp. Da- 
gegen findet sich Edelweias in Menge. Vom Ponte del 
Gallo an schneidet sich der Spöl in immer tiefer wer- 
dende Schluchten aus mesozoischen Gesteinen ein. Die 
an den Hängen dieses Schluchlensystems stehenden gros- 
sen Lärchen-, Föhren- und Arvenwälder sind aber zu ab- 
gelegen, um von der Gemeinde Zernez, deren Eigentum 
sie sind, rationell bewirtschaftet werden zu können. Der 
Weg von Livigno nach Zernez, der bis zur Landesgrenze 
den Spöl bald auf dem rechten und bald auf dem linken 
Ufer begleitet halle, sieht sich nun genötigt, die Höhe des 
rechtsseitigen Gehänges zu gewinnen, um sich dort unter- 
halb II Fuorn (1710 m) mit der Ufenpassstrasse zu ver- 
einigen, die sich selbst hoch über dem in seiner Schlucht 
tobenden Wildbach hält. Der vom Ponte del Gallo bis Zer- 
nez 12 km lange Schluchtenlauf bildete die grosse Schranke, 
die eine Besiedelung des Livignolhales von unten her und 
nähere Beziehungen des Engadin mit diesem seinem 
Seitenthal verunmöglicht hat. Heute liegt das Val Livigno 
auaserhalb der italienischen Zollschranken, sodass es eine 
ähnliche Stellung einnimmt wie etwa die zollfreie Zone 
von Savoven. Seine Bewohner kaufen die zum Leben 
nötigen Waren hauptsächlich in Zernez ein. Bei Zernez 
tritt der Spöl ins Innthal ein, wo er sich zunächst mit 
Serpentinen durch eine kleine Anschwemmungsebene 
windet, um dann eine Säge zu treiben und oberhalb 
Zernez von rechts zu münden. Man trägt sich mit dem 
Gedanken, den untersten Abschnitt des Spöl einzudäm- 
men und so zu verhindern, dass das wildere und an Ge- 
schieben reichere Wild wasser das ruhiger niessende und 
weniger mit Geschiebe belastete Wasser des Inn zurück- 
staue und zum Austritt in die anliegenden Wiesen und 
Felder zwinge. Auf Schweizerboden fliesaen dem Spöl 
neben der schon erwähnten Acqua del Gallo noch zu : 
von rechts der vom OfenpasB und den Buffaloraalpen 
kommende Ofenbach (Ova del Fuorn;, die Ova d'Spin 
und der Laachadurabach, von linka die Wildbäche des 
Val dell' Acqua und des Val Cluozza. 

SPONBACH oder osponbach (Kt. Glan» und 
St. Gallen). 1900-1100 m. Linksseitiger Zufluss des Murg- 
baches. Er entstellt auf dem obern Stafel der Mürtschen- 
alp aus der Vereinigung vou mehreren kleinen Bächen, 
die vom O. -Abhang der Schildkelte herkommen, durch- 
messt, zwischen Rundhöckern, Moränen und Bergslurz- 
trümmern sich durchwindend, in nordöstl. Richtung das 
Thal der Mürtschenalp, wobei er durch einige kleine 
Bäche, die von S.. vom Abhang der Silberspitzkelte her- 
kommen, verstärkt wird, steigt über eine Felsschwelle, 
in die er eine Erosionskesselrinne mit schon geglätteten 
Uferwänden eingeschnitten hat, auf die unterste Thal- 
stufe der Mürtschenalp. «im Gspon» genannt, hinunter 
und stürzt sich dann, hübsche Wasserfälle bildend und 
sich in mehrere Arme auflosend, ins Murgthal. wo er 
nach 5 km langem Lauf auf der Alpweide Merten sich 
mit dem Murgbach vereinigt. 

8POINA (Kt. Graubünden, Bez. Albula. Kreis Alva- 
schein. Gem. Obervaz). Alpweide. S. den Art. SPORI. 

SPONDAT8CHA (Kt. Graubünden, Bez. Unter Land- 
quart, Kreis Fünf Dörfer. (.lern. Sayis). 1645 m. Alpweide 
am W.-Hang der ö. vom Rhein nordwärts sich ziehenden 
Ausläufer des Hochwang. Vom roman. »uunda, spuontla, 
Italien, sponda — Gehänge, Flanke herzuleiten. Die gleiche 
Etymologie gilt noch für die urnerische Alp Spunn am 
Badus und den Spon- oder Gsponbach des Murggebieles 
am S.-Ufer des Waleniees. 

Sporrenfurka (Kt. Graubünden . Bez. Unter 
Undquarl/. Passübergang. S. den Art. Diu senthor. | 



SPR 

•PORZ, roman. Spoina(Ki. Graubünden, Bez.AIbule. 
Kreis Alvaschein, Gem. Obervaz). 1683 m. Alpweide, Wis- 
sen und Hütten am O.-Hang des Piz Danis und 300 m über 
dem Heidseeauf der Lenzerneid« < 750m w. davon gelegen). 

8PRADENEQQ (Kt. Schwyz, Bez. und Gem. Ein- 
siedeln). 1175 m. Alpweide und Torfmoor zwischen dem 
Ricken- und dem Dimmerbach, 5 km ö. Einaiedeln und 
2,5 km so. Willerzell. 300 m über derSihlebene gelegen. 
Bietet eine 3,6 m mächtige, abbauwürdige Torfschicht. 
Wesll. vom Torfmoor liegen die Hofe Fuchsberg. 

•PRKQHITTO (Kt. Tessin, Bez. Locarno, Gem. Co- 
molognoi. 1314 m. Maiensäss mit Hütten am S.-Hang des 
Monte Zucchero, a / t Stunden n. Comologno und 28 km 
nnw. Locarno. Herstellung von Butter und Käse. 

SPR El TEN BACH (Kt. Aargau, Bez. Baden). 424 m. 
Gem. und Pfarrdorf, am O.-Fuss des Heltersbergs und 
8,5 km so. der Station Killwangen der Linie Zürich- 
Baden - Brugg. Postburr.-o] . Telegraph, Telephon. Ge- 
meinde, mit Heitersberg und Kessel : 94 Häuser, 913 Ew. 
(wovon 236 Reformiertet: Dorf: 83 Häuser. 799 Ew. Acker- 
und Obstbau, Viehzucht und Milchwirtschaft. Käserei, 
Brennerei, Mühle, Säge, Ziegelei. Eine Seidenfabrik. Auf 
den Sucheren hat man einen Schatz von 180 römischen 
Münzen aufgedeckt. Den Namen trägt das Dorf von einem 
kleinen Bach, der dem auf dem Heitersberg liegenden 
Egelsee enlfliesst. An einigen Stellen hat man kleine 
Schieferkohlenflöze mit fossilen Tierresten entdeckt. 1179: 
Sprettembach. 

SPREITEN BACH oder RUTZENMATTLI (Kt. 
Nidwaiden, Gem. Emmetten). 709 m. Wiesen mit 4 zer- 
streut gelegenen Häusern, am NW. -Hang des Seeiisbergs 
und links über dem Vierwsldstätlersee, 2 km sw. der 
Dampfschiffstation Treib-Seelisberg. 33kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Emmetten. Viehzucht. Da die Häuser nur 
durch schwierige und gefährliche Fusswege mit Emmet- 
ten in Verbindung stehen, ziehen es die Bewohner vor, 
die näher gelegene Kirche zu Seelisberg zu besuchen, 
wohin sie auch ihre Kinder in die Schule schicken. Ein 
die Hoheitsrechte zu Spreitenbach betreffender Konflikt 
zwischen Uri und Nidwaiden ist 1890 vertraglich beige- 
legt worden. 

SPREITENBACH (Kt. St. Gallen. Bez. Neu Toggen- 
burg. Gem. Brunnadern I. 667 m. Weiler im Neckerlhal, 
an der Strasse Lichtensteig-St. Peterzell und 11 km ö. 
der Station Lichtensteig derToggenburgerbahn. Telephon. 
14 Häuser, 77 zur Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemeinde 
Brunnadern. Ackerbau und Viehzucht. Stickerei und 
Weberei. 

SPREITENBACH (Kt. Schwyz, Bez. March). 1320- 
409 m. Wildbach, der sich aus der Vereinigung des vom 
Rinderweidhorn herabkonimenden Zauggenbacnes (oder 
Mutzenbaubaches) mit dem am Sommerig (1270 ml ent- 
springenden Stollenholzbach bildet. Quellarme und Haupt- 
bach sind verbaut. Der Spreitenbach wendet sich zwi- 
schen Galgenen im O. und Altendorf im W. zur Ebene 
der March Hinunter, die er unter dem Namen der Kleinen 
Aa durchlliesst. um nach 7 km langem Lauf ö. Lachen 
von links in den Zürichsee zu münden. Er treibt eine 
Baumwollspinnerei und wird von den Strassenbrücken 
Lachen-Galgenen und Lachen- Wangen, sowie von der 
Bahnlinie Zürich-Richterswil-Ziegelbrücke überschritten. 
Da? 7.1 km 1 umfassend.- Einzugsgebiet trägt zu oberst 
Weiden und wenig dichten Wald, weiter unten Weiden 
und Wiesen, sowie in der wohlangebauten Ebene Felder 
und Wiesen mit zahlreichen Obstbäumen. Süsswaaser- 
mo laste mit Erratikum. Maximale Wasserführung etwa 
21 m 3 per Sekunde. Grosse Hochwasser mit Ueberschwetn- 
mungen (z. R. 1860 und 1882) haben zu einer rationellen 
Verbauung des gefährlichen Wildbaches (11 Thalsperren 
im Mutzenbaubach. 35 im Stollenholzbach und 13 im 
eigentlichen Spreitenbachi geführt. Von der letzten Thal- 
sperre an führt ein gepflasterter Kanal das Wasser zu 
einem von der Bahnlinie und der Kantonsslrasse über- 
brückten doppelten Ahlagerungsplatz für das Geschiebe, 
worauf der Bach in ebenfalls kanalisiertem Bett dem 
Zürichsee zufliesst. Neuestens ist die Verstärkung der 
Verbauungen am Mutzenbau- oder Zauggenbach beschlos- 
sen worden. Die bis jetzt ausgeführten Arbeiten haben 
eine Auslage von 350000 Fr. verursacht und sind von 
vollem Erfolg begleite! gewesen. 



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SI'K 



STA 



Otvl 



8PREITLAUI Kl Hern, AmUbez. Uber Hasle). 2872 
m. Gipfel der Gallauistöcke in der Gruppe des Bitzlihorns, 
zwischen der Mattenlimmi und der Thureggen gelegen 
und auf der Siegfriedkarte imbenannt. Nach dem grossen 
i.awinenzug der Spreillauinen genannt. Kann von Gut- 
tannen oder der Gaulihütte her wahrscheinlich in 
1 — Stunden erstiegen werden. 

8PREITLAUINEN oder SPREITLAUENE N Kt 
Kern. AmUbez. Ober Haslei. 2000-1000 m. Den Be- 
wohnern von Guttannen wohl bekannter breiter Lawinen- 
zug, der den Schnee und die Schmelzwasser der NO. -Flanke 
des vom Hitzlihorn zu den Gallauistöcken gehenden Kam- 
mes sammelt und I km unterhalb Guttannen, wo er von 
der Grimselstrasse überschritten wird, von links zur Aare 
ausmündet. Die hier meist im Mai zu Thal fahrende 
grosse Irwine pflegt den Verkehr auf der Strasse jeweilen 
für einige Zeit zu hemmen. 

SPRCNQI Kt Luzern. Amt llochdorf. Gem. Emmen). 
490 m. Gemeindeabteilung und Weiler, an der Strasse 
Luzern-Neuenkirch und 1,5 km nw. der Station Kmmen- 
brückeder Linie Luzern-Olten. Postwagen Emmenbrücke- 
Münsler. Zusammen: 154 Ilauser, 21(19 kathol. Kw. der 
Pfarreien Emmen und Bolenbure ; Weiler : 7 Häuser. 
13-1 Kw. Acker- und Wiesenbau. Viehzucht. Kin Teil der 
Bewohner arbeitet in den Giessereien von Emmenbrücke. 
Am 8. Dezember 1814 vereinigten sich die vom Kulm-, 
Sohren-, Winen- und Wiggerthal herkommenden Frei- 
scharenkolonnen bei Sprengi. um gegen den bei Em- 
menbrücke liegenden Feind vorzugehen. Der Ausdruck 
• Sprengi • bezeichnet einen rasen zu Thal führenden 
Weg. 

sprengibrüCKE Kt. I ii. Gem. Goscheneni. 
1234 m. Schöne Brücke über die Heuss, in der Schlucht 
der Schollenen 20 Minuten hinter Goachenen. Steinbogen 
von 17 m Spannweite. Hier befindet sich die Wasser- 
fasaung des Elektrizitätswerkes Goschenen. 

8PREURMÜHLE [Kt /mich. Bes. Borgen, G*B. 
Hirzel). 640 in. Gruppe von 4 Häusern ; 1,5 km so. der 
Kirche Hirzel und 3 Inno. Sil.lbrugg. 28 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Hirzel. Wiesenbau. 

SPRINGS (Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg, Kr> i- 
Domlcschg, Gem. Scheid). 1270 m. Alpweide am SW.- 
Bang des hreibundensteins. 500 m nö. Scheid. 

8PRUQA ( Kt. Tessin. Bez. Locarao.Gem. Comologno;.. 
MIT m. Gemeindeabteilung und Dorf im Onsernoncthal ; 
28.5 km nnw. Locarno. Postahlage, Telephon ; Postwagen 
Locarno-Husso-Spruga. 55 Häuser, 224 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Comologno. Wiesenbau und Viehzucht. Die 
ehemals blühende Strohflechterei hat an Bedeutung be- 
trächtlich abgenommen. Auswanderung der jungen 
Mannerais Flachmaler und Gipser in die welsche Schweiz. 
Spruga ist das höchst gelegene Itorf des 
Val Onsernone. Von hieraus führt ein guter 
Fussweg an dem 50 m hohen, prachtvollen 
Wasserfall der C.amana vorbei in 40 Minu- 
ten nach den an der Lindesgrenze zwischen 
Italien und der Schweiz befindlichen Bagni 
di Craveggia. 

SPRUNG Kl St Hallen. Bez. Ober 
Toggenburg, Gem. Krummenau i. 725 m. 
Naturbrücke über die Thür, 800 tu a. vom 
Dorf Krummenau. Die Thür hat sich hier 
in die .Nagelfluh ein I0U m langes und 
8 m breites Tobel eingeschnitten, das von 
ihres Haltes beraubten und zurückgesun- 
kenen Blöcken uberdeckt wird. Beliebtes 
Ausflugsziel. Kaskaden. Vergl. auch den 
Art. Tiii'R. 

SPÜHLBACH Kl Hern. Amtsbez. 
Interlakeni. 587 bis 5H6 m. Gewerbekanal, 
der sich I km unterhalb Gsteig von der 
Lütschine abzweigt, nordwärts schief das 
Bodeli durchzieht, mehrere industrielle 
Etiblissemente treibt und nach :i km lan- 
gem Lauf oberhalb des Ostbahnhofes In- 
terlaken von rechts in die Aare mündet. 
Der Ka tal Iiiesst vielleicht in einem ehe- 
maligen Bett der l.utschine, bevor diese 
durch den grosse Schuttkegel des Bodeli gegen den Brien- 
zersce abgelenkt worden ist. 



SPÜRLERGUT (Kt. Luzern. Amt Kntlebuch. G 
Marbach). Häusergruppe. S. den Art. Farrerhacser. 

RPUNTISKfXPFE (Kt. Craubunden.Be/. Imboden). 
1839 tn. Vorberg der Kette Stätzerhorn-Dreibündenslein ; 
setzt aich nach NO. in den bei Chur abfallenden Pizokel 
fort und besteht aus Ton- und Kalktonschiefern (« butid- 
nerschiefern », die wohl den oligozänen Flvsch darstellen). 
Bietet eine prächtige Aussicht auf das Bheinthal. Dom- 
leschg. Schanflgg, Oberland und ihreGebirgsumrahmung. 
Wird über dieChurer Maiensässc am Pizokel in 3 Stunden 
erstiegen. Abstieg auf der gleichen Boute oder über das 
aussichtsreiche Plateau von Juchs lelwa 1400 in) auf die 
Maiensässwege am Pizokel. 

STAAD, STAD oder GSTAAD. GSTAD. Orts- 
namen der deutschen Schweiz, bezeichnen eine Lokalitat 
an einem See- oder auch Flussufer, wo sich eine Schiff- 
lande befindet. Finden sich in den Kantonen Luzern, 
Schwvz, Solothurn, Basel, Freiburg St. Gallen, Thurgau 
und Zürich. Auch in Zusammensetzungen gebräuchlich : 
Stausstaad. Walenstadl (für Walenstaad), Alpnachstaad 
etc. 

STAAD Kt. Freiburg, Bez. Sense, Gem. Büdingen). 
530 m. Gruppe von 3 Häusern, gegenüber der Mündung 
der Sonnaz in die Saane und 3,o km w. der Station Bü- 
dingen der Linie Bern-Freiburg-Lausanne. 26 kathol. Ew. 
deutscher Zunge. Kirchgemeinde hu. linken. Acker- und 
Wiesenbau, Viehzucht. Fähre über die Saane. 

STAAD (Kt St. Gallen, Bei. Sargans. Gem. Walen- 
stadl). 430 m. So heisat das am O.-Ende des Walensees 
gelegene Viertel des Städtchens Walenstadt, wo sich die 
Schifflände befindet. Ist mit dem Städtchen durch eine 
600 m lange schone Strasse verbunden. Liegt n. der 
Mündung des Seezkanales und des Exerzierplatzes : 1,5 km 
nw, der Station Walenstadt der Linie Weesen-Sargans- 
Chur. 25 Häuser. 148 kathol. Ew. Kirchgemeinde Walen- 
stadt. Acker-, Obst- und Weinbau, Viehzucht. Fischerei. 

STAAD (Kt St. (lallen, Bez. Unter Bheinthal, Gem. 
Thal, und Bez. Borschach. Gem. Rorschacherherg). 401m. 
Gemeindeabteilungen und Dörfer am S. -Ufer des Boden- 
sees, an einer weiten Einbuchtung und an der Strasse 
Borschach-Bheineck. Neu eingerichteter Hafen. Station 
der Linie Borschach-Sargans. Post- und Zollbureau. 
Telegraph. Telephon. Die zu Thal gehörende Abteilung 
zählt, zusammen mit Brunnenacker. Schönenbach, Speck 
und Windegg: 95 Häuser. 647 Ew. ; Dorf: 59 Häuser. 447 
Ew. Die Fraktion der Gemeinde Rorschacherberg umfasst 
Neuseeland. Sandbühl, Schönberg, Seebleiche, Seeburg, 
Wiesenquelle und Wilen, mit zusammen 42 Häusern. 
173 Kw. ; Dorf: 8 Häuser, 95 Ew. ToUl: 137 Häuser. 112i> 
reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden Borschach und 
Thal-Buchen. Fruchtbare und an Obstbäumen reiche Ge- 




Sprug» von Osten. 

gend. Wein- und Gartenbau. Seebäder. Bierbrauerei. 
Glockengieaserei. Brüche auf Molassesandstein. Stickerei. 



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STA 



STA 



Die beiden Staad ziehen sich recht« und links der Strasse 
auf eine Strecke von 1 km Länge hin. Südl. darüber das 
Schloss Wartegg mit der Kapelle von Wilen. 

STAAD (Kt. Solothurn, Bez. Lebern, Gem. Grenchen). 
432 m. Kleines Dorr am linken l'fer der Aare, je 2 km 
s. bezw. sw. der Stationen Grenchen der Linie OKen-Iliel 
und Arch-Rüti der Linie Solothurn -Lyss. Postbureau, 
Telephon. 18 Häuser, 124 kathol. und reform. Ew. Kirch- 
gemeinden Grenchen. Druckwasserversorgung. Milchwirt- 
schaft. Anbau di>r Zuckerrübe. 

STAAD (Kt. Thurgau, bez. Kreuzlingen, Gem. Er- 
matingen). 402 m. Harenviertel von Ermatingen fs. diesen 
Art.). Die am Seeufer zerstreuten Häuser stehen mitten in 
Obstbäumen. Die Bewohner beschäftigen sich hauptsäch- 
lich mit Fischfang und haben sich noch mancherlei alte 
Sitten und Hräuche (Groppenfesl in der Kastnachtzeit etc.) 
bewahrt. Der Ort gehörte mit Ermatingen ursprünglich 
zur Reichenau, kam dann an den liischof von Konstanz 
und wurde im Schwabenkrieg am 11. April 1499 in Brand 
gesteckt. Pfahlbau aus der Steinzeit. 

STAAD (Kt. Thurgau. Bez. Steckborn, Gem. Eschenz). 
405 m. Gruppe von / Häusern, links vom Ausfluss des 
Rheins aus dein l'ntersee und 700 m n. der Station 
Eschenz der Linie SchatThausen-Etzwilen-Konslanz.32 ka- 
thol. und refonn. Ew. Kirchgemeinden Eschenz und Hurg. 

STAAD (NIEDER) (Kt. Obwalden, Gem. Alpnach). 
Gemeindeabteilung und Dorf. S. den Art. Nikoehstad. 

8TABBIELLO (ALPS DI) (Kt Tessin. Bez. Leven- 
tina, Gem. Airolo). 2160 m. Alpweide im Val Canaria. 
3 Stunden nö. über Airolo. Bildet den Oberstafel der 
Alpe Froda und wird von Airolo aus mit 400 Schafen 
bezogen. 

STABBIELLO (ALPS DI) (Kt. Tessin, Rez. Leven- 
tina, Gem. ßedretto). 1590-2280 m. Alpweide, im Val He- 
dretto und am N.-Hang des Pizzo Folera. Eigentum der 
Korporation i « patriziato » ) Cavagnago, die hier 65 Kühe 
und 120 Ziegen sommert. Herstellung von Fettkäse. 

STABBIO und STABIO. Ortsnamen des Kantons 
Tessin und des italienisch sprechenden Abschnittet von 
Ründen ; vom latein. stabulum — Stall herzuleiten. Auf 
der Mehrzahl der Tesainer Alpweiden bezeichnet man 
mit dem Ausdruck Stabbio (oder auch Gorte) die ver- 
schiedenen Alpstäfel. 

STABBIO (Kt. Graubünden, Bez. Moesa. Kreis Ca- 
lanca, Gem. Braggio). 1320 m. Grössler Weiler der Ge- 
meinde Rraggio, am linksseitigen Gehänge des Calanca- 
thales und an der W. -Flanke des Pizzo della Molera ; 
26,5 km nö. der Station Castione der Gotthardbahn. 11 
Eli user, 46 kathol. Ew. italienischer Zunge. Kirchge- 
meinde Rraggio. Wiesenbau und Viehzucht. Hier be- 
finden sich eine Kapelle, das Pfarrhaus, Schulhaus und 
Rathaus, während die Pfarrkirche tiefer unten steht. 

STABBIO (Kt. Tessin, Bez. Blenio, Gen. Dongio). 
1170 m. Grosses Maiensäss mit Hutten im Val Dongio, 
einer linksseitigen Verzweigung des Bleniothalea ; 2 
Stunden ö. Dongio und 10 km n. der Station Biasca der 
Gotlhardbahn. Herstellung von Rutter und Käse. 

STABBIO (ALPE DI) (Kt. Graubünden. Rez. Moesa, 




SUbio von Sod«'«aUo 

KreiB Calanca. Gem. Rostal. 2009 m. Alpweide im obern 
Calancathal, am W.-Hang des Pi/.zo Rotondo und 2 km 
s. vom Zapport hörn. 



STAB BIOO RAT < Kt. Graubünden. Rez. Hinter- 
rhein i. 2712 m. Feiskamm zwischen Zapporthorn i3149mi 
und Pizzo di Muccia (2963 m) ; bildet den SVV.-Rand des 
Mucciagletschera und fällt mit steiler Wand zur Alpe di 
Stabbio ab. 

STABBIORELLO (ALPE DI) (Kl. Graubünden. 
Bez. Moesa, Kreis Calanca, Gem. Rossa). 1765 m. Alp- 
weide am n -Hang des Pizzo delle Streghe. 2 km nw. 
Rossa. 

STABBIUCCO (ALPS Dl) (Kt. Graubünden. Rez. 
Moesa. Kreis Misox, Gem. Lostalloj Schafweide im Mon- 
tognolhal, einer reehfjsieitigrn Verzweigung des Misoxer- 
thales; am S.-Hang des Pizzo di Campello (2100 m). 

STABBIUCCO (MONTE DI) ( Kt. Graubünden. 
Bez. Moesa, Kreis Calanca, Gem. Buseno). 1020 m . 
M.'tiensäss mit 6 Hutten und Stallen ; 1.4 km s. Buseno. 

STABBIUCCO (PIZZO DI) (Kt. Graubünden. Bez. 
Moesa i. 2180 m. Gipfel zwischen dem Montognothal und 
dem Val di Korcola, zweier Verzweigungen des Misoxer- 
thales. 4 km ssn. vom Dorf Soazza. 

STABIASSO (MONTI DI) (Kt. Tessin, Bez. Bellin- 
zona. Gem. Sant' Antonino). 830-1030 m. Maiensäss mit 
Hütten am N.-Hang der Kämme des Monte Ceneri und 
der Cima di Medeglia; 1 '/. Stunden über dem Dorf Sani' 
Antonino und 4.5 Tim sö. der Station Gadenazzo der Linie 
Bellinzona-Locarno der üotthardbahn. Herstellung von 
Butter und Käse. 

STABIELLO (MONTE) (Kt. Tessin. Bez. Bellin- 
zona). 2071 m. Cipfel auf der Landesgrenze gegen Italien, 
in der vom Monte Garzirola nordostwarts gegen den Passo 
di San Jorio ziehenden Kette. Am NW. -Hang liegt die 
Alpe Hivolle im Val Morobbia. Kann von Sant' Antonio 
her durch das Val Maggina in 4 Stunden erstiegen 
werden. 

STABIO (Kt. Tessin. Be/. Mendrisio). 355 m. Gem. 
und Pfarrdorf im Mendrisiotto, 5 km sw. der Station 
Mendrisio der Linie Rellinzona - Ghiasso der Gotthard - 
bahn. Postbureau. Telegraph, Telephon ; Postwagen 
Mendrisio-Slahio. Gemeinde, mit San Pietro; 288 Häuser, 
2255 kathol. Ew.; Dorf: 232 Häuser. 1811 Ew. Getreide-, 
Mais- und Weinbau. Der Kreishauptort Stabio ist ein 
grosses Dorf ganz nahe der Landesgrenze gegen Italien 
und lehnt sich an zwei Hügel an, von denen man einen 
schönen Ueberblick über die Ebene des Mendrisiotto hat. 
Kurort mit kalten Schwefelquellen, die gegen alle Haut- 
krankheiten empfohlen werden. Kuranstalten und Pen- 
sionen. Sekundärschule und Kindergarten. Tabak- und 
Zigarrenfabrik. Herrenhemdengeschäft. Stabio soll da» 
römische Slabutum sein, wo unter Caesar eine Abteilung 
Kavallerie lag. Verschiedene Funde aus der Homerzeit, 
wie z. B. ein Grabstein mit der Inschrift: Mercurio V. 
S. L. M C. Capettinut Sora. Am 22. Oktober 1*76 fand 
in Stabio anlässlich eines Schützenfestes eine blutige 
Rauferei zwischen Liberalen und Klerikalen statt, die zu 
einem grossen politischen Prozess Anlass gab. 

STACH ELBER Q (Kt. Glarus. Gem. Linthal). 664 m. 
Weitbekanntes und stark besuchtes Heilbad und klima- 
tischer Kurort, auf dem linken Ufer der Linth und am 
O.-Fuss des Ortstocks, 300 m n. der Station 
Linthal der Linie Glartis-Linthal. Prächtige 
Ahorngruppen und ausgedehnter Waldpark . 
Sehr schone Aussicht auf die Todikette. 
Nahe bei Stachelberg liegt die Anfangs- 
station der elektrischen Drahtseilbahn 
Linihai - Rraunwald. Das Rad verdankt sei- 
nen Ruf einer alkalischen Schwefelquelle, 
die in 930 m Höhe in der Schlucht des von 
der Terrasse von Braunwald herkommen- 
den und am Bade vorbeilliessenden 
Brummbaches aus dem Flysch entspringt. 
Die Quelle war schon zu Anfang des 18. 
Jahrhunderts bekannt ; aber erst seil 
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das 
Schwefelwasser in ausgedehnterem Masse 
zu Heilzwecken verwendet, nachdem der 
Claraer Arzt Johann Marti eine Reihe 
glücklicher Kuren damit ausgeführt und 
Schrift darauf aufmerksam gemacht halle, 
rins Wasser an den Fuss des Herges ge- 
leitet und 1K4Ü dort das erste Kurhaus gebaut. Dieses 



durch eine 
1812 wurde 



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STA 



STA 



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ist seither wiederholt erweitert worden, zum letzten Male 
1902, und besteht gegenwärtig aus 4 Hauptgebäuden, die 
durch (Valerien miteinander verbunden sind. 
Es enthalt 150 Zimmer und ist mit den mo- 
dernsten Einrichtungen für alle Zweige der 
Wasserbehandlung ausgestattet. Das Bad ist 
gegenwärtig Eigentum einer Aktiengesell- 
schaft. Das Stachelberger Wasser zeichnet 
sich durch einen starken behalt an Verbin* 
düngen von Schwefel mit Calcium und Na- 
trium aus und wirkt besonders bei Haut- 
krankheiten, chronischen Katarrhen, chroni- 
schem Rheumatismus und Schwächezusländen 
heilkräftig. 

Vergl. Simmler. R. Physikalisch - che~ 
mische Untersuchung des alkalischen Schwe- 
felicassers vom Stachelherg im Kant. (Harun. 
1859. — König. Das Bad Stachelherg im Kant. 
Glarus. Zürich 1861. — Schönemahn, A. liad 
Stachelherg und seine. Hrdouelle. Bern 190i. 

STACHEN (Kt. Thurgau, Bez. und Dem. 
Arbon). 415 m. (iruppe von 8 Hausern, 2 km 
sw. der Station Arbon der Linie Homanshorn- 
Rorschach. I'ostablage ; Postwagen Arbon- 
Roggwil. 63 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Arbon. übst-, Wiesen- und Gartenbau. 

STACHER (Kt. Basel Land. Bez. Waldenburg, Gem. 
Reigoldswil i. 556 m. Gruppe von 2 Häusern, I km s. 
Reigoldswil. 27 reform. Ew. Kirchgemeinde Reigoldswil. 

STACH ER HOLZ (BLEICHE-) (Kt Thurgau, Bez. 
und Gem. Arbon). 402 m. Weiler, an der Strasse Arbon* 
Berg (Kt. St. Gallen) und 1,5 km sw. der Station Arbon 
der Linie Romanshorn - Rorschach. 13 Häuser. 178 zur 
Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemeinde Arbon. Wiesenbau. 
Vergl. auch den Art. Bleiche. 

8TAD. S. die Art. Staad. 

STADEL ( Kt. Graubünden, Bez. Uber Landquart, 
Kreis und Gem. Bavos i. 1690 m. Hütten mit einem 
Wohnhaus am rechtsseitigen Gehänge des Sertigthales, 
5 km s. der Station Bavos l'latz der Linie Landquart- 
Davos. 

STADEL (Kt Zürich, Bez. Dielsdorfi. 446 m. Gem. 
und Pfarrdorf, am O.-Hang dea Stadlerbergs und 5 km 
w. der Station Bülach der Linie Zürich-Bulach-Eglisau- 
Schatrhausen. Postbureau, Telegraph, Telephon; Post- 
wagen nach Niederglatt. 102 Häuser, 509 Ew. (wovon 9 
Katholiken). Zur Pfarrei Stadel gehören noch Raat und 
Windlach. Ackerbau und Viehzucht. Stumpf nennt ein 
Geschlecht und eine Burg Schüpfheim hei Sudel, die 
aber beide nicht nachweisbar sind. 1424 wurde der Ort 
neben andern mit der Grafschaft Kiburg von der Stadt 
Zürich erworben und deren Obervogtei Neuamt zugeteilt. 
Vorher eine Filiale von Stcinmaur, wurde Stadel mit der 
Reformation selbständig ; die Kollatur besass der Rat von 
Zürich. Stadel , althochdeutsch ttadel — Scheune, 
Herberge. 

STADEL Kt:. Zürich, Bez. Winterthur, Gem. Ober 
Winterthur i. 475 m. Gemeindeabteilung und Dorf, 3 
km n. der Station Ober Winterthur der Linie Win- 
terthur- Etzwilen-Singen. Postablage. Telephon. Zusam- 
men : 48 Häuser, 221 reform. Ew.; Dorf: 44 Häuser, 
197 Ew. Kirchgemeinde Ober Winterthur. Weinbau, 
Viehzucht. 

STADELMATT (Kt Zug. Gem. Hünenberg». 395 m. 
Weiler, am rechten Ufer der Reusa und 2 km o. der 
Station Muhlau der Linie Aarau-Lenzburg- Rotkreuz. 11 
Häuser, 80 kathol. Ew. Kirchgemeinde Cham. Ackerbau 
und Viehzucht. Gehörte vor der Reformation zur Pfarrei 
Maschwanden. 

STADION (Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart, 
Kreis und Gero. Luzein). 975 m. Ehemalige Burg auf 
einer Anhöhe beim Dorf Luzein, deren letzte Reste erst 
seit wenigen Jahren verschwunden sind. Wiege des Ge- 
schlechtes derer von Stadion, dem der in der Schlacht 
bei Näfels 1352 getötete Walter von Stadion, österreichi- 
scher Vogt in Glarus, angehörte und von welchem die 
Freiherren von Stadion abstammen, die in Augsburg ver- 
bürgert waren und in der deutschen Ritterschaft einen 
angeschenen Rang einnahmen. 

8TADLEN und ZEN8TADLEN (Kt. Wallis. Bez. 



Visp, Gem. Zeneggen |, 1350-1377 m. Zwei Hutleiigruppen 
im KO. -Abschnitt der Terrasse von Zeneggen, links über 



■■■■■Li 



Stadel (K.iii. Zörieh, Bez. Dielsdorfi von Wetten her. 



der Ausmündung der Visp ins Rhonethal. Vergl. den Art. 

ZEMBbonr. 

STADLER BERG ;Kt. Zürich, Bez. Dielsdorf). 624 m. 
Breiter und bewaldeter Tafelberg zwischen dem Glatt- 
thal und dem Wehnthal. Besteht aus horizontalen 
Schichten von oberer Süsswassermolasse, die eine 30-40 
m mächtige Kappe von Deckenschottcr trägt. Die Hoch- 
wacht auf dem Stadlerberg war ein Refugium der 
Steinzeit. 

STADLERSEE (Kt. Zürich. Bez. Dielsdorfi. 420 m 
Kleiner See; 1.5 km ö. Stadel, Durch eine Moräne des 
diluvialen LinthgleUchers aufgestaut. 

stadcenz | Kt. Bern. Amlsbez. Wangen. Gem. 
Graben). 425 m. Gruppe von 4 Häusern, an der Mundung 
der Oenz in die Aare und 4.5km nw. der Station llerzogen- 
buchsee der Linie Ollen-Bern. 25 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Hcrzogcnbuchaee. Eine Baumwollenspinnerei. 
Die ehemalige Burg der Ritter von Sladonz ist jetzt voll- 
ständig verschwunden. 

8TADT (Kt. Bern. Amlsbez. Signati. Gem. Trub). 
810 m. Gruppe von 4 Häusern am linken Ufer des Trub- 
baches, 500 m ö. Trub und 4 km nö. der Station Trub- 
achachen der Linie Bern-Luzern. 38 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Trub. Viehzucht. 

STADTBACH [Kt. und Amtsbez. Bern >. Bach; bildet 
sich aus zwei Quellarmen, deren einer bei Riedbach und 
deren andrer bei Thörishaus 8 km w. Bern entspringt 
und die sich bei Bümpliz vereinigen, von wo der Sladt- 
bach gegen die Stadl Bern lliesst, innerhalb welcher er 
in gedecktem Lauf nahe der Nideckbrücke von links in 
die Aare mündet. Nach ihm trägt das w. vom Bahnhof 
gelegene Quartier Stadtbach der Bundesstadt seinen 
Namen. 

stadtbrücke (Kt. St. Gallen, Bez. Neu Toggen- 
burg, Gem. Lichtensteig und Wattwil). 634 m. West- 

auartier des Städtchens Lichtensteig, zu beiden Seiten 
er Thür, gegenüber der Station Lichlensteig der Toggen- 
hurgerbahn und an der von hier zum Städtchen führen- 
den Brücke. 3 Häuser. 37 reform, und kathol. Ew. Kirch- 
gemeinden Wattwil und Lichtensteig. Landwirtschaft. 
Eine hier stehende Fabrik ist durch eine Bodenrutschung 
zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. 

STADTBOHL (Kt. St. «.allen. Bez. und Gem. Gos- 
sau). 650 in. Weiler. 3U0 m sw. der Station Gossau der 
Linie Zürich - Winterthur - St. Gallen. 17 Häuser, 124 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Cossau. Acker- und Obstbau, 
«•rosse Stickereifabrik. Viele der Bewohner arbeiten in 
den Fabriken von Gossau. 

STADTFELD (Kt. Bern. Amlsbez. Intcrlaken, Gem. 
Unterseen i. Häusergruppen. S. die Art. Feld (Omer und 
UxTEn ). 

STADTHOF 1 Kl. Bern, Amtsbez. Wangen, Gem. 
Wangen und Wiedlisbach I. 422 m. Weiler am linken 
Ufer der Aare gegenüber Wangen, 700 m n. der Station 
Wangen der Linie Ülten-Solothurn. 10 Hauser, 115 reform. 



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ST.K 



ST.K 



Ew. Kirchgemeinden Wangen und Oberbipp. Handel mit 
Baumaterialien. 

8TCDELI Kt Appenzell A. R., Yorderland, Gem. 
Reute). 885 m. i .nippe von il Häusern, an der Strasse 
Oberegg-Reule und 3 km sö. der Station Helden der 
Bergbahn Horschach-Ileiden. 4'2 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Heute. Seidenweberei. 

ST4CDELI (Kt. St. «lallen. Bez. Unter Toggenburg, 
Gem. Oberuzwil). 634 m. Gruppe von 8 Häusern, an der 
Strasse Flawil-Oberuzwil und 3 km w. der Station Plawil 
der Linie Zürich- Winterthur-St. Gallen. 46 reform, und 
kathol. Ew. Kirchgemeinden Oberuzwil und Bichwil. 
Obstbau und Viehzucht. Stickerei. 

8T4DELI (OBER und UNTER) (Kt. Appenzell. 
A. R., Yorderland, Gem. Rehetobel i. 950 und 900 m. 
Quartier des Dorfes Rehetobel. 4 km sw. der Station 
Heiden der Bergbahn Rorschach-Heiden. 11 Häuser, 83 
reform. Ew. Kirchgemeinde Rehetobcl. Wiesenbau. 

•TiKDELI (OBER und UNTER) (Kt. St. Gallen. 
Bez. Unter Toggenburg, Gem. Plawil). 7*20 und 670 m. 
Zwei Gruppen von zusammen 9 Hausern, an der Strasse 
Plawil- Herisau und 3 km so. der Station Flawil der Linie 
Zürich - Winterthur- St. Gallen. 28 re form, und kathol. 
Ew. Kirchgemeinden Oberglatt und Flawil. Obstbau und 
Viehzucht. Stickerei. 

8T£DTLI (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmenthai, 
Gem. Spiez). 562 m. So nennt man den zwischen dem 
Schloss und dem Seeufer gelegenen Abschnitt des Dorfes 
Spiez. Der Name und einige Mauerreste erinnern daran, 
dass Spiez einst ein befestigtes Städtchen war, das dann 
zu Beginn des 17. Jahrhunderts durch eine grosse Feuers- 
brunst in Asche gelegt worden ist. Vergl. auch den Art. 
Spie/. 

8T/EOTLI ( Kt. Graubünden. Bez. Plessur, Kreis 
Churwalden, Gem. Churwalden und Parpan). 1358 m. 
Gruppe von 3 Häusern, am W. - Fuss des Parpaner 
Schwarzhorns und am rechten Ufer des Städtlibaches, 
12 km s. Ghur. Postwagen Chur - Lenzerheide- Tiefen- 
kastel. 9 reform. Ew. Kirchgemeinden (Churwalden und 
Parpan. Zu Parpan gehört das am linken L'fer des Städt- 
libaches stehende Haus. Wiesenbau und Viehzucht. 

8TÄDTLI (Kt. Nidwalden, Gem. Dallenwili. 487 m. 
Häusergruppe um die St. Katharinenkapelle zu 1 »allen- 
wil, am O.-Fuss des Slanserhorns und wenig n. der 
Station Dallenwil der elektrischen Bahn Stansstaad-Stans- 
Engelberg. Telephon. 13 Häuter, 80 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Staun. Die Kapelle wird schon 1460 genannt, 
während der jetzige Bau aus 1865 stammt. Viehzucht und 
Milchwirtschaft. Seidenweberei. Säge. Ehemalige Gips- 
mühle. Im Städtli ■> soll das Kdelgeschlecht derer von 
Niederwil gewohnt haben, dem der in der Schlacht 
von Sem paed 1386 getötete Arnold von Niederwil an- 
gehört hat. 

8TEDTLI (Kt. Zug, Gem. Cham). Schloss. S. den 
Art. Sankt Andreas. 




8TEDTLI (IM) 

Kreis und Gem. Avers) 



Stafa vom See her. 

kt. Graubünden, Bez. Hinterrhein, i 
1762 m. Gruppe von 3 Häusern I 



im Madriserthal. am O.-Fuss des Pizzo Rosso und 35 km 
h. der Station Thusis der Albulahahn. 13 reform. Ew. 
deutscher Zunge. Kirchgemeinde Avers. Wiesenbau und 
Viehzucht. 

STXCFA (Kt. Zürich, Bez. Meilern. 409-625 m, Kirche 
in 442 m. Grösste Gemeinde am rechten Ufer 
I 1 des Zürichsees, 20 km so. Zürich und 8 km 

twnw. Rapperswil. Sie umfasat mehr als 30 
am Gehänge über dem See zerstreut gelegene 
SiedelunRKgruppen. Während man früher 
ein Dorf « Stäfa • nicht kannte, überträgt man 
nun seit einiger Zeit diesen Namen auf das 
Dorf Oetikon (Bahn- und DampfschifTsU- 
tion «Stäfa»), das mit seiner nähern l'mgebung im- 
mer mehr zum Mittelpunkt der Gemeinde wird. Sta- 
tionen Stäfa, Uerikon und Feldbach der rechtsufrigen 
Zürichseebahn ( Zürich-Meilen-Rapperswil), von der in 
Uerikon die Linie Uerikon-Bauma abzweigt; Station 
Mühlehölzli-Stäfa der elektrischen Strassenbahn Meilen- 
Wetzikon. Dampfschiflstationen Stäfa, Uenkon und Schir- 
mensee. Postbureau in Stäfa und in Uerikon; Telegraph 
und Telephon. Die politische Gemeinde Stäfa zerfällt in 
die drei Schulgemeinden Kirchbühl, Uelikon und l'erikon, 
von denen umfassen a) Kirch l.uhl : Abern. Binz. Blatt, 
Dorf. Oberund Unter Grund, Grundhalden. Ober und Unter 
Haslenbach, Kapf. Kehlhof, Kerngerten, Unter Kessibühl, 
Dorf Kirchbühl, Kreuz, Lanzelen, Laubismti. Mies, Ober- 
hausen, Oetikon, Ober und Unter Redlikon. Hied, Schwi- 
ler. Sternen. Strick. Unter Träubel und Zehntentrotte; 
b) Uelikon: Bauertacker. Beewies. Eichtlen, Lattenberg. 
Mutzmahlen, Hinterer und Vorderer Puntacker, Ober und 
l'nter Rain, Ober Träubel und Dorf Uelikon ; ci Uerikon : 
Brünishausen, Fangen, Gsteig, Ranghausen, Töbeli und 
Dorf Uerikon. Zusammen : 1086 Haushaltungen in 763 
Häusern; 4228 Ew., wovon 3906 Reformierte und 318 Ka- 
tholiken. Dorf Oetikon: 131 Häuser und 847 Ew. ; zu- 
sammen mit Oberhausen : 20i Häuser und 1329 Ew. Kirch- 
gemeinde. Hauptbeschäftigungen der Bewohner sind Wein- 
bau I über 150 ha Rebberge ; sehr gute Lagen am Lattenberg 
und an der Sternenhalde). Obstbau und Viehzucht. Rege 
industrielle Tätigkeit : zwei Seidenwebereien, eine Seiden- 
färberei, eine Treibriemen- und^chlauchfabrik, ferner je 
eine Gerberei. Buchdruckerei (Verlag des Wochenblatte* 
de* Beiirk* Meilen) und Maschinenfabrik. Elektrizitäts- 
werk. Apotheke. Sitz des Notariatskreises Stäfa-Hombrech- 
tikon. Leihkasse. Sparkasse, Kinderheim. Allersasvl, Se- 
kundärschule, Knabeninslitut. Die Gemeinde zählt ver- 
schiedene schöne Aussichtspunkte. Sehenswürdigkeiten 
sind das Patriotendenkmal und das Goethehaus. 

Im Obertilli ein Refugium aus der Eisenzeit. Der Kessi- 
bühl ist ein Grabhügel aus der Hallstattperiode. In Ober 
Redlikon Flachjjräber aus der La Tenezeit. Kimelfunde 
aus romischer Zeit. 940: Stevein ; 1027 : Stevia. Der Name 
bedeutet wahrscheinlich wie StäfTis (Estavayer) i Anker- 
platz, Schifflände» (ttara mittelalterliche latein. Plural- 
form von ttadiiiim). 965 schenkte Kaiser 
Otto 1. die vom Kloster Säckingen ein- 
getauschte Ufenau mit den dazugehörigen 
Orten Pfäfllkon, Uerikon und der Kirche 
von Meilen dem Kloster Finsiedeln. Otto 
II. bestätigte diese Schenkung und fügte 
ihr unter anderm auch Stäfa hinzu (972 1. 
Das Kloster besass auch den Zehnten und 
einen Teil der niedern Gerichtsbarkeit, die 
es bis 1798 ausübte. Der Ort hatte seine 
Edeln. Von 1229-1320 werden Herren von 
Uerikon genannt als ritterliche Dienstleute 
der Grafen von Rapperswil und Meier des 
Gotteshauses Kinsiedeln. Drei derselben 
fielen 1314 in der Schlacht am Morgarten. 
Sie scheinen Pannerherren von Einsie- 
deln gewesen zu sein, dessen Kastvogtei 
denen von Rapperswil zustand. Auf der 
topographischen Karte ist das stattliche 
ehemalige Amlshaus als « Burgstall » ein- 
gezeichnet ; nach /.eller- Werdmüller / <- 
rirher Burgen) ist es vorn Kloster Ein- 
siedeln im 15. Jahrhundert wahrscheinlich 
an Stelle der allen Burg, eines Wasserhauses, errichtet 
worden. Die Amtleute Wirz erhielten 1492 vom Pfalzgrafen 



aBwJ 



ST.E 



ST.E 



6«5 



Dekan Albrecht von Bonstetten zu Kinsiedeln einen Wap- 
penbrief mit denn Wappen des alten Rittergeschlechtes, 
das von einem Pannerherrn getragen wird. In Uelikon lägst 
sich kein ßurgstall nachweisen; das von den Chronisten 
den angeblich hier ansässigen Edeln zugeschriebene Wap- 
pen ist dasje- 




nige der von 
Uelingen im 
Klettgau. Stäfa 
kam »ls I.ehen 
von Einsiedeln 
an die nach- 
maligen Gra- 
fen von Rap- 
perswil, die 
zur Zeit ihrer 
Verarmung 
ihren 



besitz an 
Oesterreich 
verkauften 
(1354). So kam 
der Ort an die 
Land vogtei 
Grüningen, 
die von 1371 
an unter den 
Rittern Gess- 
ler stand. Als 
1408 die Brü- 
der Hermann 
und Wilhelm 

Gessler die 
Landvogtei an 
Zürich ver- 
kauften, ge- 
langte Stara 
mit Horn- 
brechlikon 



torf in den 
Besitz dieser 

Stadt. 1450 wurde Stäfa von der Herrschaft Grüningen 
abgetrennt und zu einer Obervogtei gemacht, der man 
u. a. auch Oetwil, Hombrechtikon und Egg einver- 
leibte, ihr Kollatur gehörte dem Kloster Einsiedeln und 
ging von diesem 1824 an Zürich über, nachdem die Stadt 
18I0 den Zehnten vom Kloster losgekauft hatte. Wenn 
auch Stäfa im alten Zürichkrieg (1436-1450) nicht direkt 
materiellen Schaden litt, verlebte es doch wegen seiner 
vorgeschobenen Lage unruhige Zeiten. Seit den Tagen 
des grossen Zürcher Bürgermeisters Wald mann hatten die 
Zürichseegemeinden dem Streben der Obrigkeit nach Zen- 
tralisation und Ausbildung einer starken Staatsgewalt 
immer energischen Widerstand entgegengesetzt. So auch 
Stäfa. Am Ende des 18. Jahrhunderts besprach man hier 
während der revolutionären Vorgänge in Frankreich in 
einer sog. Lesegesellschaft eifrig die politischen Miss- 
atände auf der Zürcher Uindschaft. Der junge Hafner 
Heinrich Neeracher verfasste unter dem Beistand von 
Freunden, wie Chirurg Pfenninger und anderen, ein 
Memorial, in welchem er gleiche Stellung der Stadt- und 
Landbürger, allgemeine Erwerbsfrei heil, Loskäuflichkeit 
der Grundzinsen etc. verlangte. Die Folge davon war. dass 
Neeracher und seine Mitarbeiter verbannt, andere Stäfner 
aber schwer gebüsst wurden («Memorialhandel» 1791- 
1794). Als man darauf in Küsnacht und Borgen die Wald- 
mannischen Spruchbriefe und den Kappelerbrief fand, 
in welchen Dokumenten von Rechten der Landschaft die 
Rede war. gelangte Stäfa an die Regierung in der Stadt, 
um diese Rechte zurückzuerhalten. Da verhängte Zürich 
die Sperre über die Gemeinde und besetzte diese mit 1700 
Mann Militär. Die Häupter der Aufständischen wurden nach 
Zürich geführt, darunter der angesehene Säckelmeister 
Bodmer; ihr Vermögen zog man ein; ausserdem wur- 
den 250 Männer gefangen gesetzt oder mit Bussen oder 
Ehrenstrafen bedacht. Dieser • Stäfnerhandel » (1795-1798) 
war eine der Bewegungen, welche die helvetische Revolu- 
tion einleiteten , die auch den gemassregelten Stäfnern 
brachte. Im Bockenkrieg (1804) zeigten sich die 



Bewohner von Stäfa zurückhaltend, während sie mit der üb- 
rigen Seebevölkerung zur Zeit der Regeneration (1830 (T.) 
kräftig für die freiheitliche Gestaltung des Staatswesens ein- 
traten ( Dr. Hegelschweiler u.a.). Von Stäfa gebürtig waren 
die beiden Maler Kölla und der Antikenzeicnner Jon. Pfen- 
ninger, mildem Dorfe engverknüpft Heinrich Meyer, der 
Herzoglich Weimarische Hofrat und Direktor der Zeichen- 
akademie, ein bedeutender Altertumsforscher und Kunst- 
kenner, gewöhnlich Meyer vod Stäfa genannt. Sein Freund 
Goethe besuchte Stäfa auf einer seiner Schweizerreisen. 
Noch heute zeigt man dort das Goethehaus, die t alte Krone >, 
die im Jahr 1888 mit einer Gedenktafel geschmückt 
wurde. Goethe weilte hier im Oktober 1797 nach seiner 
Rückkehr vom Gotthard, auf dessen Höhe ihn eine Fuss- 
tour vom Zürichsee aus geführt hatte. In die Zeit dieses 
Aufenthaltes fällt das Studium der Schweizer Chronik von 
Tschudi. in das Goethe sich vertiefte, um sich mit der 
Geschichte von Teil vertraut zu machen. Er trug sich 
nämlich damals mit dem Gedanken, dieselbe für ein 
Epos zu verwerten. In der richtigen Erkenntnis, dass es 
der Schillerschen Gestaltungskraft beschieden sei. dem 
Stoffe eine reichere und wirkungsvollere Form zu geben, 
trat Goethe alle genauen Beobachtungen über Land und 
Leute und die Frucht seiner Quellenstudien an seinen 
Freund ab, dessen Genius dann der Menschheit jenen un- 
sterblichen Freiheitasang und den Schweizern das Na- 
tionaldrama Wilhelm Teil schenkte. Stäfa darf gewisser- 
massen die Ehre beanspruchen, die eigentliche Geburts- 
stätte dieser unvergänglichen Dichtung zu sein. 

Vergl. Bodmer, G. Chronik der Gemeinde Stäfa. Stäfa 
1894. — Hunziker, O. Der Memorial- und der Stäfner- 
handel. Stäfa 1895. — Hunziker, 0- Zeitgenössische Dar- 
stellungen der Vnruhen tn der Landschaft. Zürich 1794- 
1798 (in den Quellen zur Schweiiergeschichte. 17, 1897). 

8T/EFELQLET8CHER (Kt.Uri). Etwa 2800 2360m. 
2 km langer und 1,2 km breiter Hängegletscher an der 
Grossen Windgälle, dessen unterer Abschnitt durch den 
felsigen Schwarzberg in zwei Zu 
wird. Liegt über den Stäfelalpen 
route auf die Grosse Windgalle über die O.-Wand. 
seine Schmelzwasser zum Kärstelenbach des Maderaner- 
lhals. 

STAFFEL oder 8T/CFEL (Kt. Graubünden, Bez. 
Ober Landquart, Kreis und Gem. Luzein). 1752 m. Alp- 
weiden und Wiesen mit Hütten, am O.-Hang des Steyer- 
bergs. Umfassen noch einen Teil der Alp Valpun. Eigen- 
tum der Gemeinde Luzein. 

STiCPFCLI (HINTER, MITTLER und VORDER) 
(Kt. Luzern, Amt Entlebuch, Gem. Schwarzenberg). 1329- 
1299 in. Alpweide mit Hütten am W.-Hang der Pilatus- 
kette, 5 km s. Schwarzenberg. 

STiCFFELIFLUH oder WANGENQRAT (Kt. Lu- 
zern, Amt Entlebuch). 1846. 1781 und 1831 m. Zum Teil 
begraster Felskamm, der sich vom Gnepfstein (1920 m) 
im Stock des Pilatus gegen WSW. zieht. Kann von der 
StäfTelialp im obern Abschnitt des vom Langerle nbaches 
entwässerten Thaies oder noch bequemer von der Wan- 
genalp her in 2 Stunden erreicht werden. 

ST/EFFis AM gibel (Kt. Freiburg. Bez. Saane). 
Gem. und Dorf. S. den Art. Estavayer i.e GtBlOCX. 

8T/EFFIS AM SEE (Kt. Freiburg, Bez. Broye). Gem. 
und Dorf. S. den Art. Estavayer le Lac. 

STäFFLIGEN {Kt. Luzern , Amt Hochdorf, Gem. 
Relawil). 472 in. Gruppe von 7 Häusern am NW.-Ende 
des Baldeggersees ; 2,3 km nw. Betswil und 1,8 km sw. 
der Station Richensee der Seethalbahn (Wildegg-Eimuen- 
brücke). 44 kalbol. Ew. Kirchgemeinde Hitzkirch. Ehe- 
malige Ziegelei. 1306: Steveningen ; vom Personennamen 
Stefan herzuleiten. 

STtFLEN (VORDER) (Kt. Schwyz, Bez. March). 
800-1200 m. Mit Wiesen, Weiden und Wald bestandener 
Hang links vom Kratzerlibach und nördl. vom Klein 
Aubrig; er zieht sich zur Sattelegg hinauf, über die ein 
Fussweg von Vorderthal (Wäggithal) nach Willerzell und 
Einsiedeln führt. Boden sumplig und daher wenig ergibig. 

ST/EQEN oder STEGEN (Kt. Zürich, Bez. Hinwil, 
Gem. Wetzikon). 540 m. Dorf 1 km n. der Station Wetzi- 
kon der Linie Zürich - Uster - Rapperswil. Telephon. 33 
Häuser, 308 reform. Ew. Kirchgemeinde Wetzikon. Baum- 




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DUO 



ST.E 



STA 



STCQQELENBERQ (Kt. Appenzell A. R.. Hinter- 
land). 996 m. Bewaldete Anhöhe 3 km sw. Herisau. An 
■einen Hängen entspringen zahlreiche kleine Räche, die 
alle zur Glatt gehen. 

STiCLDELI (AUSSER, INNER, MITTLER und 
OBER) (Kt. Luzern. Amt Enllebuch. Gem. Eacholzmatt). 
875-956 m. Fünf Höfe in einem geschützten Thälchen 
1 Stunde sö. der Station Trubschachen der Linie Bern- 
Luzern. 27 kathol. Ew. Kirchgemeinde Kicholzmatt. Vieh- 
zucht. 

8TEMPFLI (Kt. St. Gallen. Bez. See, Gem. Jonaj. 
415 m. Zwei Häuser in fruchtbarer Gegend, nahe der 
Mündung der Jona in den Zürichaee una 1,1 km o. vom 
Bahnhof Bapperswil. 56 kathol. Ew. Kircligemeinde Ituss- 
kirch. Landwirtschaft. 

ST/CRKLISNIEDERWIL iKt. St. Gallen. Bez. Gos- 
sa u. Gem. Waldkirch i. 606 m. Gruppe von 3 Häutern, 
auf einer geneigten und fruchtbaren Hochfläche 1,6 km 
so. der Station llauptwil der Linie GoBsau-SuIgpn. 25 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Waldkirch. Ackerbau und 
Viehzucht. 

8T/ETZ (ALP) (Kt. Graubünden. Bez. Albula. Kreis 
Alvaschein, Gem. Obervaz). 1831 m. Alpweide, am O.- 
Hang de« Stätzerhorns und am rechten Ufer des Stätzer- 
baclies. 

•TETZERBACH (Kt. Graubünden, Bez. Plessur). 
2130-1358 m. Linksseitiger Zufluas der zur Plessur gehen- 
den Rabiusa ; entspringt über der Alp Stätz (1831 m) am 
O.-Hang der Stätzerhornkette zwischen Faulenberg und 
Stätzerhorn. nimmt zuerst o., dann n. und zuletzt nnw. 
Richtung, flieast In hübschen kleinen Schluchten unter 
dem « Städtli » ((iemeindc l'arpani nach Churwalden und 
mündet vor diesem Dorf unterhalb des Klosters. Seiten- 
bäche sind die aus dem Uchsentobel, der Ochsenalp und 
aus der Gegend des Tschuggen kommenden Wasser, dann 
weiter vorn (ebenfalls von U. her) die Wasser aus dem 
Uberberg und Gotzigerberg, sowie von links das Alp- 
bächli von Churwalden. Der Stätzerbach hat eine Länge 
von etwa 5,5 km. 

STJCTZERHORN (Kt. Grauhünden. Rez. Heinzen- 
berg und Plessur). 2579 m. Höchster Gipfel in der S.-N. 
streichenden Stätzerhornkette zwischen dem Domleschg 
und «lern Trockenthal der Lenzerheide einerseits, sowie 
dem vereinigten Rhein und der Albula andrerseits. 3,4 km 
wsw. Parpan. Der Berg zeigt den Steilabfall seiner Ge- 
hänge im X. und auf der Domleschgerseite. Vermöge 
seiner weit vorgeschobenen Lage ist das Stätzerhorn, der 
sog. Rigi Graubündrns, ein berühmter Aussichtspunkt. 
1(1 km nö. vom Gipfel liegen die Alphütlen von Statz. 
über welche man von Parpan her aufsteigt. Reitweg bis 
zum Gipfel. Aufstieg von Cliur her in 5-6, von Parpan in 
3 Stunden. Auf der Domleschgerseite führt von Almena 
aus ein neuer Weg über die Alpen Schall und Raachil 




Sbitxvrhorn von Ostan. 

(2330 m) in 5 Stunden auf den Berg. Die Aussicht ist 
überraschend grossartig : man blickt in das Schanligg, 
das Churwaldner-, Oberhalbsteiner- und Schamaerthal, 



das Domleschg und das Vorderrheinthal bis Ranz und 
über Rälikon, Calanda. Tödi. St. Gotthard, Piz Beverin, 
Hheinwaldgletscher. Tambohorn. Bernina. Albula etc. 
I Panorama von Prof. Alb. Heimi. Reiche Alpenflora. Das 
Stätzerhorn besteht aus « Bündnerschiefern», die nach 
den neuern Untersuchungen zur Hauptsache eozänen 
Plyach darstellen. Auf der Spitze finden Bich aber noch 
Kalke, die mit Basischen Crtnoidenkalken übereinstim- 
men und als L'eberschiebungadecke auf das baaale Ge- 
birge hinühergeschoben worden sind. 

STAUBENDEN (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Hasle). 
1321 m. Thalboden der Aare unterhalb der llandeck, wo 
der Fluts mehrere kleine Schnellen bildet. 

8TCUBI (Kt. Uli), Wasserfall des Stierenbaches, 
de» bedeutendsten Ouellarmea der Kngelberger Aa; am 
O.-Fuss des Surenenpasses. Hierher verlebt die von 
Friedrich 11. am 2. Januar 1213 ausgestellte Lrkunde die 
Grenze zwischen Engelberg und Uli : Praeilium . . . ten- 
dent usi/ur tut rupewi Sloubm. Vergl. auch die Art. 
Stierenhai ii und Si henen. 

8TEUBLEREN Kt. Bern. Amtsbez. Trachselwald, 
Gem. WisBachengraben). 745 m. Gruppe von 6 Häusern; 
am linksseitigen Gehänge des Wissacliengrabena und 5 km 
bw. der Station Huttwil der Linie Langenthal-Wolhusen. 
31 reform. Ew. Kirchgemeinde Kriswil. Viehzucht. 

STAEUBLISEQQ (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken, 
Gem. Lauterhrunnen). Ii" 0 m. Teil des Dorfes Wengen. 
4 Häuser, 29 reform. Ew. Kirchgemeinde Lauterbrunnen. 

STAFEL, STAFFEL, STAFFELN ; STÄFFELI, 
st/efflen, STOFFEL. Ortsnamen der deutschen 
Schweiz. Vom althochdeutschen utaffal — Bergterrasse. 
Platz vor einer Alphütte und dann Alphütte kurzweg. In 
Luzern hiess der Platz vor der Kirche, wo der Abt von 
Murbach Gericht zu halten pflegte, • ml den Staffel », 
Diese Bezeichnungen finden sieh namentlich in den Kan- 
tonen Glarus (35 mal). Nid- und Obwalden, Schwvz. Bern 
und Wallis, seltener dagegen in den weniger gebirgigen 
übrigen Teilen der deutschen Schweiz. Auf den Alpweiden 
unterscheidet man oft zwischen dem l'nter und dem Ober 
Stafel. 

STAFEL (Kl. Graubünden. Bez. Albula. Kreis Alva- 
schein, Gem. Mutten). 1740 m. Wiesen und Alpweide 
mit einigen Ställen, am W.-Ilang des Muttnertobels und 
7U0 m bw. l'nter Mutten. 

STAFEL (Kt. Wallia, Bez. Görna, Gem. Biel >. 1440 m. 
Alpweide mit llutlengruppe im Bielerthal, dem links- 
seitigen Abschnitt des Selkingerthales. 

STAFEL (Kt. Wallia, Bez. Westlich Baron. Gem. 
l'nterbäch). RKJO-2400 m. Alpweide im obern Ginanzthal, 
zu beiden Seiten des Mühlelmche*. Wird von einer Korpo- 
ration bewirtschaftet und von Anfangs Juli bis Mitte Sep- 
tember mit etwa 30 Stück Grossvieh bestossen. Im Unter 
Stafel stehen zahlreiche Alphülten, im Ober Stafel deren 6. 

STAFEL (QLURINOIR und RITZIN- 
GER) (Kt. Wallis, Bez. Görna, Gem. Gluringen 
und Ritzingen). Alpweiden am mittleren Gehänge 
des Rilzenhorns, n. über dem Dorf Ritzingen 
und nö. vom Dorf Gluringen. Der von der 
Bürgergemeinde Gluringen bewirtschaftete 
Gluringer Stafel hat seine tiefst gelegenen 
Hullen in einer Lichtung des Banuwaldea in 
16X3 m und reicht von da an der rechten Seite 
des Reckingerthaies bis zu 2300 m hinauf. Der 
Kitzinger Stafel. dessen untere Hütten in 1850 
m stehen, umfasst ein langes Rand an dem 
daa Ritzinger- vom Selkingerthal trennenden 
Bergaporn und reicht bis zu den Felsen des 
Ritzenhorna hinauf. Er grenzt im NO. an den 
Gluringer Stafel und im SW. an die Alpweide 
Stafel der Gemeinde Biel. 

STAFEL (IM) (Kt. Wallis, Bez. Brig, Gem. 
Ried und Thermen). 2006 m. Maienaäas mit 
Kapelle im Ganterthal, gegenüber und nahezu 
50Ö m über Reriaal. Liegt auf einem von 
grossen Waldungen umrahmten Bergvor- 
sprung und bietet eine prachtvolle Aussicht auf 
die Thaler und Berge des Simplongebietes. 
STAFEL (OBER, UNTER und VORDER) (Kt. 
Bern, Amtsbez. Ober Ilaale, Gem. Meiringen). Alpweide 
mit Hüttengruppen am schonen Ilasleberg, 3 km nw. Mei- 



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STA 



STA 



06: 



ringen. Vorder Stafel 1 1645 ml liegt über der llohfluh 
und L'nter Stafel (1670 m) im obern Abschnitt des Alp- 
baches. Ober Stafel umfasst zwei Gruppen in 1800 und 
IHM in. die am W. -Hang der Planplatte stehen. Eine wei- 
tere Gruppe des Namens l'nter Stafel (1410 m) befindet 
sich am jenseitigen Thalgehänge links vom Eingang ins 
Thal von Hosenlaui. 

STAFEL (OBER und UNTER) (Kt. Graubünden, 
Bez. Glenner, Kreis Lugnez, Gem. Vals). 2052 und 191)0 m. 
Alpweide mit Hutten, am O.-Hang des Piz Aul und 1,2 km 
wsw* V'filu l'ttit/ 

stafel (OBER und UNTER) (Kt. St. Gallen, B«z. 
See, Gem. Jona). 420 m. Zwei Gruppen von zusammen 
6 Häusern am N.-Ufer des Zürichst-es. an der Strasse 
L'znach-Happerswil und zwischen den Stationen Rappers- 
wil und Schmerikon der Linie Rapperswil - Weesen. .'14 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Bollingen. Landwirtschaft. 

STAfelqletscmer < Kt. Tri). Gletscher. S. den 
Art. ST^crixGi.rrscitER. 

8TAFELTEN (Kt. Graubünden, Bez. Glenner. Kreis 
Lugnez, Gem. Vals). 2000 m. Alpweide mit 8 Hütten, am 
SO.- Hang des Piz Aul und 1,5 km w. Vals Platz. 

STAFFEL (Kl. Graubünden. Rez. Ober Landquart, 
Kreis und Gem. Bavo«). 1896 m. Alpweide mit Hütten, am 
SO. -Hang der Mädrigeriluh und 1 km nw. Bavos Frauen- 
kirch. 

STAFFEL (Kt. und Rez. Schwyz, Gem. Arth). Alp- 
weide und Kurort mit Gasthöfen auf dem Rergslock des 
Rigi. S. den Art. Rigi. 

STAFFEL (OBER und UNTER) { Kt. Graubünden. 
Rez. Ober Landquart, Kreia und Gem. Luzein). 1970 und 
1765 m. Etwa 30 Hütten und Ställe der Alp Valpun, am 
N.-Hang des Kreuz und 2,5 km w. St. Antönien-Ascharina. 

STAFFEL (UNTER) Kt. Uli). 1660 m. Alpweide 
mit Hültengruppe zwischen dem Langgrat unddemGalten- 
ebnet am SO. -Hang des Wasserbergs. 

STAFFELALP (Kt. Bern, Amtsbez. Seftigen, Gem. 
Wattenwil). 1000m. Kurort mit Hotel auf einer Ttrrasse 
am O.-Hang des Gurnigelberges, s / 4 Stunden über Watten- 
wil und 5 km sw. der Station Burk' istein- Wattenwil der 
Gürbethalbahn. Schöne Aussicht auf die Stock hörn kette 
und die Alpen. 

STAFFELALP (Kt. Wallis, Rez. Visp). 2146 m. Alp- 
weide mit Hütten, unter der Zunge des Zmutlglelschers 




SUffelalp und Matterbora. 

und am NO. -Fuss des Matlerhoms; 1 Stunde w. über 
Zermatt, von woher man die Alp oft besucht. Pracht- 
volle Aussicht auf Matterhorn und Umgebung. 

STAFFELBACH (Kt. Aargau, Rez. Zotingen). 486 
m. Gem. und Dorf im Thal der Suhr, 3 km sw. der 
Station Schottland der elektrischen Strassenbahn Aarau- 
Schöftland. Poslbureau, Telegraph, Telephon. 86 Häuser, 



684 Ew. (wovon 7 Katholiken). Kirchgemeinde Schott- 
land. Acker- und Obstbau, \iehzucht und Milchwirt- 
schaft. Käserei, Säge und Muhle. Brüche auf Molasse- 
sandsteine. 

STAFFELEGQ oder STAFELEQQ (Kt. Aargau. 
Bez. Aarau i. 624 m. Jurapass zwischen Aarau und dem 
Frlckthal. Die vom Kanton Aargau 1810 erbaute Post- 
slrasse iStalTelcggstrassel steigt vom Dorf Küttigen her 
gegen NO. an, uberschreitet den Aabach am Fwss des 
Hombergs mit der Schellenbrücke (476 m) und zieht sich 
dann nordwärts mit starker Steigung bis Steglimalt 
(566 m), um hierauf in ostl. Richtung die 5 km n. Aarau 
gelegene Passhöhe zu erreichen, wo grosse Gipsgruhen 
geölJnct sind. Abstieg mit Schlingen gegen Asp und Pens- 
büren (484 mi, worauf sich bei Herznach das Thal weitet 
und hier mit seinen durch Eisenoxvd braunrot gefärbten 
Feldern einen eigentümlichen Anblick gewährt. 1 km sü. 
Frick mündet die Stallcleggstrasse (Aarau-Frick 18 km) 
in die grosse Rötzbergstrasse ein. Man plant den Bau 
einer schmalspurigen elektrischen Strassenbahn über 
den Päse. Auf der l'asshohe 6 Häuser mit 35 reform. 
Ew. der Gemeinde und Pfarrei Bensbüren. 

STAFFELGRAT Kt. Wallis. Bez. Bris und Visp). 
2645 m. Gipfelpunkt in dem das Ginanztha) vom Pass- 
acheitel des Simplon trennenden Kamm, zwischen der 
Aeusaern und der Innern Nanzlürke und vom Simplon- 
hospiz her in 2 Stunden zu erreichen. Ohne besonderes 
Interesse. 

staffelhgehe (Kt. und Amt Luzern). 1570 m. 
Westgipfel des Rigi und Station der Vitznau - Kaltbad- 
Rigibahn; w. vom Hotstock (1662 m) und n. Rigi Kalt- 
bad. Vergl. den Art. Rigi. 

STAFFELN (Kt. Aargau, Rez. Rremgarten. Gem. Iler- 
metswil). 439 m. Gemeindeabteilung und Borf, 200 m w. 
Hertnelawil und 2 km s. der Station Bremgarten der 
Linie Brugg- Wohlen-Rremgarten. 25 Häuser, 168 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Hermelswil. Viehzucht und Milch- 
wirtschaft. 

STAFFELN ( Kt. und Amt Luzern. Gem. Littau . 
462 m. Gemeindeabteilung und Weiler, 300 m sw. Heuss- 
bühl und 1 km ssw. der Station Emmenbrücke der Linie 
Luzern-Olten. Zusammen: 15 Häuser, 223 kathol. Ew.; 
Weiler: 3 Häuser, 20 Ew. Kirchgemeinde Beussbuhl. 
Landwirtschaft. 

STAFFELE (UNTER und VORDER) 
(Kt. Freiburg, Bez. Sense, Gem. Bögingen). 
577 und 611 m. Zwei Gruppen von zusammen 
14 Mausern; 2,5 km nw. Wünnenwil und 3,5 
km nö. der Station Schmitten der Linie Bern- 
Freiburg- Lausanne. 116 kathol. Ew. deutscher 
Zunge. Kirchgemeinde Wünnenwil. Ackerbau 
und Viehzucht. 1148: Subulis. 

STAFINELLEORAT (Kt. St. Gallen. Bez. 
Sargan* 1 . 2402 in. Gipfel im s. Teil des 
Kammes, der w. vom Wildsee vom llaupl- 
kamm il er Grauen Börner abzweigt, sich nach 
NW. zieht und die Thäler von Vermol und 
I.avtina voneinander scheidet. Der Gipfel trägt 
eine Mütze von Lochseilenkalk, Bötidolomit 
und Verrucano, die mit der Verrucanomasse 
der Grauen Hörner zusammenhängt und über 
den Klysch hinubergeschoben ist. Kr fällt mit 
steilem, von vielen Bunsen durchschnittenem 
Abhang westwärts gegen die Alp Unter Lav- 
lina ab. Der gegen Ober Lavtina gerichtete 
S. -Abhang und der gegen die Alp Vermol ab- 
fallende N. -Abhang sind massiger steil. 

8TAGEL8 (PIZ DA V AL D ' ) (Kl. Grau- 
bünden, Bez. Münsterthal). 2955 m. NW 
Ausläufer der an der schweizerisch -österrei- 
chischen Grenze stehenden Bötlspilz (3028 in) 
in der Gruppe des Piz Umbrail (Ofenberg- 
alpen) ; 2,1 km n. der Dreisprachenspitze über 
der Slilfserjochslrasse. Die n. Ausläufer der Zweigkette 
Bötlspitz-Piz da Val d'Stagels sind der Piz da Val lirouda 
und Punkt 2700 m. Im W. ist die Kette von Val Muranza, im 
O. von Val Gostainas begrenzt. Der wenig genannte Berg 
kann von Santa Maria her durch Val Gostainas leicht er- 
stiegen werden. Gesteine sind Hornblendeschiefer und 
Gneis, die ungefähr NO. streichen und nach NW. ein- 



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m 



STA 



STA 



fallen, her dem Val Muranza zugekehrte linke Hang der 
Kette heisst Las Piaita». 

STAGIAS DE PLATT* 8 kt Grnubunden, Bez. 




SUldeo von Sbdan her. 

Vorderrhein ). Bergkarom. S. den Art. Plattas (Sta- 
oias DE). 

8TAQNO (PONCIONK) kl. Graubünden. I .v 
Moesai. 43211 in. Felsgipfel auf der Landesgrenze gegen 
Italien, zwischen Val Travemgoa und Val Grono und 0 
km bö. Boveredo. 

STAUDEN, ST/ELDELI, STAUTEN. Ortsnamen 
der deutschen Schweiz ; bezeichnen einen steilen und 
rauhen Weg. Finden sich mehr als 900 mal. Fehlen im 
Kanton Appenzell ganz, sind in Basel, SchafThausen und 
Thurgau selten und treten am häufigsten in Luzern und 
Bern auf. 

STAUDEN ( Kt. Aargau, Bez. Baden, Gem. Unter 
Siggenthal i. 450 m. Weiler 500 in n. Unter Siggenthal 
und 2 km n. der Station Turgi der Linie Zürich-Baden- 
Brugg. 16 Häuser, 112 kathol. Ew. Kirchgemeinde Kirch- 
dorf. Ackerbau und Viehzucht. 

STAUDEN (Kt. Aargau. Bez Kulm, Gem. Dürren- 
aach). 500 m. Gruppe von 9 Häusern, 4 km 6. der Station 
Teufeuthal der elektrischen Winenlhalbahn (Aarau-Bei- 
nach-Menziken) und 3 km w. der Station Nieder Hallwil 
der Seethalbahn (Wildegg - F.mmenbrücke). 46 reform. 
Kw. Kirchgemeinde Leutwil. Landwirtschaft. 

STAUDEN (Kt. Bern. Amlabez. Aarwangen. Gem. 
Bannwil). 455 m. Gemeindeabteilung und Dorf an der 
Strasse Bannwil-Aarwangen, 5 km nw. der Station Lan- 
genthal der Linie Olten-Bern und 2,5 km w. Aarwangen. 
Zusammen : 39 Häuser. 326 reform. Ew.; Dorf: 28 
Häuser, 242 Ew. Kirchgemeinde Aarwangen. Landwirt- 
schaft. 

STAUDEN ( Kt. Bern. Amtsbez. Burgdorf, Gem. 
Hasle ). 626 m. Gruppe von 7 Häusern, im Biembach- 
graben und 3 km sw. der Station Hasle- Hüegsau der 
Linie Burgdorf-Lanenau. 38 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Hasle. Biembachbad mit Eisenquelle. Käserei. 

STAUDEN (Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken, Gem. 
Lütschenthal). 800-900 m. Bergterrasse etwa 100 in über 
der Sohle des Thalea der Grindel walder Lütschine. 500 m 
w. der Station Burglauenen der Linie Zweilütschinen- 
Grindelwald. Auf dem Stalden sollen einst eine Burg 
Wartenberg und ein durch einen Bergsturz zerstörtes 
Borf Schillingsdorf gestanden haben. 

STAUDEN (Kt. Bern, Amtsbez. Konollingen). 667 m. 
Gem. und schönes Borf. am NW. -Fuss dea Kurzenberges 
und 9 km sw. Signau. Station der elektrischen Bahn Burg- 
dorf-Thun. Postbureau. Telegraph, Telephon. Gemeinde, 
mit Acmligen : 54 Häuser, 447 reform. Ew. ; Dorf (Ober und 



Unter Stalden): 34 Häuser, 246 Ew. Filiale der Kirchge- 
meinde Münsingen. Neue Kirche in gotischem Stil. Grosse 
Fabrik von kondensierter Milch und Kindermehl, Eigen- 
tum der Berner Alpenmilchgeaellschaft. In 
der Nähe das Schloss Hüningen und an der 
Kreuzung der Strassen Bern-Signau und 
Burgdori-Thun das wohlbekannte Gasthaus 
des Schw ingerkonigs Hana Slucki. 

STAUDEN (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder 
Simmenthai. Gem. Erlenbach). 676 m. 
Gruppe von 7 Häusern, am linken Ufer der 
Simme und I km nö. der Station Oei der 
Montreux- Überlandbahn. 60 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Erlenbach. Viehzucht. Auf 
einem schwer zugänglichen Fels über den 
Häusern steht die Burgruine Gavertsching- 
gen (900 m). 

STAUDEN Kt. Bern. Amtsbez. Ober 
Simmenthai, Gem. Lenk). 1290 m. Alpweide 
mit Hütten, hinter Oberried am rechten 
Ufer der Simme und am Weg auf den 
Häzliberg. 

STAUDEN Kt. Bern, Amtsbez. Ober 

Simmenthai. Gem. St. Stephan). 1370 m. 
(•nippe von .( Haii«ern. im Fermelthal 3 km 
oberhalb dessen Mündung ina Simmenthai. 
18 reform. Ew. Kirchgemeinde St. Ste- 
phan. Viehzucht. 

STAUDEN Kt. Bern, Amtsbez. Sefti 
sen. Gem. Higgisberg). 750 m. Gruppe von 
o Hausern, 700 m o. Higgisberg. 24 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Higgisberg. 
STAUDEN Kt Bern. Amtsbez. Thun. 
Ober Langenegg). 919 m. Gruppe von 6 Häusern. 
Gabelung der St rasen von Thun nach Enz etner- 
nach Schwarzenegg-Hötenbach andreraeita, 1 
2 reform. Ew. Kirch- 



Hern, 
an der 
seits und 

km ö. der Kirche Schwarzenegg 



gemeinde Schwarzenegg. Viehzucht. 

STAUDEN i Kt. Hern. Amt* bez. Thun, Gero. Sigria- 
wil|. 1020 m. Gruppe von 6 Häusern, unter dem Dorf 
Schwanden und an der Fahrstrasse Schwanden-Sigriswil- 
Oberhofen. 28 reform. Kw. Kirchgemeinde Sigriswil. 

STAUDEN Kt. Bern, Amtsbez. Trachsefwald, Gem. 
Wissachengraben . 735 m. Gruppe von 9 Häusern, 500 m 
nö. Wissacben und 4 km sw. der Station Huttwil der 
Linie Langenthal - Wolhusen. 48 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Eriswil. Landwirtschaft. 

STAUDEN Kt l'.larus. Gem. Matti. 850 m. Weiler 
am rechten Ufer des Sernf und im Winkel zwischen ihm 
und der Mündung des Krauchbaches. 300 m a. Matt. 13 
Häuser. 09 reform. Kw. Kirchgemeinde Matt. Wiesenbau 
und Viehzucht. Arbeit in den Fabriken von Matt und Engi. 

STAUDEN Kt. Oliwaldcn, Gem. Sarnen). Weiler.S. 
den Art. Schwemu. 

STAUDEN | Kt. Schwyz, Bez. Hofe. Hein. 1-, u- 
sisberg). 575 m. Zwei Höfe an der Strasse Schindellegi 
Pfäfllkon. 3 km nö. der Station Pfäfflkon der Linie Rap- 
perswil-Goldau. 22 kathol. Ew. Kirchgemeinde Peuaisberg. 
Sandgruben. 



, STAUDEN (Kt. Schwyz, Bez. March. Gem. Galgenen). 
680 in. Gruppe von 4 Häusern am alten Weg von der March 
ina Wäggilhal, 3 km saw. der Station Siebnen- Wangen 
derlinksufrigen Zürichseebahn (Zürich-Richlerswil-Ziegel- 
brückei.26 kathol. Ew. Kirchgemeinde Galgenen. Strusen 
nach Galgenen und Siebnen. Schöne Wiesen. Wald. 

STAUDEN (Et und Bez. Schwyz, Gem. Muotathal). 
660 m. Gemeindeabteilung, den untern Abschnitt dea 
Starzlenlhales umfassend und 2 km o. vom Dorf Muota- 
thal. 24 Hauser, 164 kathol. Ew. Kirchgemeinde Muota- 
thal. Acker- und Wiesenbau. Seidenweberei. Liegt an der 
künftigen l'ragelstrasse. 

STAUDEN iKt I Irl . I .ein. ( iurtnellen). 875 m. Gruppe 
von 11 Hausern, am linken Ufer der Reusa nahe dein 
Reservoir von Gurlnellen. 52 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Silencn. Auf der Siegfriedkarte unbenannt 

STAUDEN Kt Wallis. Bez. Brig. Gem. Ried). 1988 
m. Maiensäas 1 km n. vom Simplonhospix, im untern 
Abschnitt des den Hobschensee bergenden Thalchens. 
7-8 Hütten. 

STAUDEN Kt Wallis. Bez. Visp). 795 m. Gem. und 



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STA 



STA 



660 



Pfarrdorf w. über der Vereinigung der Saaser Visp mit 
der Matter Visp und damit über dem Eingang ins Saas- 




Kirch« SlaMcn 



thal einerseits und ins Nikolaithal andrerseits ; 7.5 km 
s. Visp und 27,5 km nnö. Zermatt. Station der 1890 er- 
stellten Bahn Visp - Zermatt. Postbureau, Telegraph, 
Telephon. Gasthof. Bemerkenswerte Brücken: Neubrücke 
über den Unterlauf der vereinigten Visp; 65 rn hohe 
Kinnbrücke über die Matter Visp i Weg ins Saasthal) ; 
kühne Mühlebachbrücke über die Matter Visp ( Bahn- 
brücke der Linie Visp - Zermatt), tiemeinde. mit Neu- 
brücke, Blas und Besti: 88 Ilauser, 443 kathol. Ew.: 
Üorf: 47 Häuser, 230 Ew. Üie romanische Kirche mit 
ihrem spitzen Glockenturm steht auf einsamer Höhe und 
beherrscht weithin das ganze Thal. Mildes Klima und für 
die Höhenlage üppige Vegetation. Gegenüber liegen am 
Eingang ins Saasthal noch Hebberge. Im Dorf selbst zieht 
man die Hebe am Spalier, wo sie sehr gut gedeiht und 
von überraschender Fülle erscheint. Erwähnt sei, dass 
der einst den Dorfbrunnen beschattende Bebetock, der 
im strengen Winter 1879/80 zugrunde ging, einen Stam- 
mesdurchmesser von etwa 30 cm erreicht hatte. Man 
lindet hier auch den Nussbaum und damit die Mehrzahl 
der im Wallis gedeihenden Obstsorten. Mehrere interes- 
sante Häuser, darunter die ehemalige Wohnslätte des 
Ingenieurs Venetz, des Vaters der heutigen GleUcher- 
theorie, und das Stammhaus der seit dem 15. Jahrhundert 
erwähnten und heute noch blühenden Familie Sterren 
oder Stella. Am steilen Gehänge über der alten Strasse 
nach St. Nikiaus sieht man einen die Jahreszahl 1346 
tragenden Turm, der mit Inbegrilf des ebenerdigen Kel- 
lergeschosses fünf Stockwerke zahlt und Sitz eines ein- 
stigen Herrengeschlechtes war, das dann nach Verkauf 
seiner hiesigen Hechle und Guter nach Aosta übersiedelte. 
1224. 1309 und 1338: Maldun . 1264: Slalden. 

8TALDEN ( Kt. Zug, Crem. Menzingen ). 811 m. 
Gruppe von 3 Häusern ö. vom Dorf Menzingen. 29 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Menzingen. Eine dem h. Wendelin 
1579 erbaute, aber erst 1601 geweihte Wallfahrtskapelle, 
die 1862 restauriert worden ist. 

8TALDEN ( ALT und NEU > « Kt. Aargau, Bez. 
Rrugg, Gem. Unter Bützberg'!. 593 und 573 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 19 Häusern an der alten und 
der neuen Strasse über den Botzherg, 5 kin w. Brugg 
und 3 km ö. der Station Edingen der Linie Zürich-Brugg- 
Basel. Postablage, Telephon. 106 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Bützberg. Wiesen- und Weinbau. Viehzucht. Als 
der Verkehr noch über den Bützberg ging, war Neu 
Stahlen (800 m von Alt Slalden entfernt) ein grosser und 



bedeutender Landgasthof, der heute zu einer einsamen 
Sommerfrische geworden ist. Grosse Tannenwälder. 

STAUDEN ( AUSSER, GROSS, KLEIN und 
OBER) (Kt. Luzern, Amt Willisau, Gem. Alberswil und 
Geilnau). 539-556 m. Vier Höfe: 1.5 km o. der Station 
Geilnau der Linie Langenthal- Wolhusen. 38 kalhul. Ew. 
Kirchgemeinde Alberawil. Ackerbau und Viehzucht. 

STAUDEN (HINTER, OBER, UNTER und 
VORDER) (Kt. Freiburg, Bez. Greierz. Gem. Jaun). 
1056 -1432 m. Alpweiden mit Hütten, am O.-Ufer des 
Schwarzsees und am W.-Hang des Staldenhubel, eines 
Ausläufers der Kaiseregg. Werden von dem von der Gip- 
sen am N.-Ende des Schwarzsees über den Neuachels- 
pass nach Jaun (Bellegarde) führenden W r eg durchzogen. 
Zwei der untern Hütten sind sländig bewohnt: 6 kathol. 
Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde Jaun. 

ST AL DE N (HINTER, OBER und UNTER) I Kt. 
Wallis, Bez. Visp, Gem. Visperterminen). Gemeindeab- 
teilung mit zwei Siedelungsgruppen, zwischen dem Stahl- 
bach im N. und dem Hiedbach im S. und 5 km so. Visp. 
Unter Slalden (915 m) und Ober Stahlen (1014 ni) haben 
je eine Kapelle. Hinter Slalden liegt weiter südwärts in 
1074 m. Zusammen 6 Häuser. 19 kathol, Ew. Kirchge- 
meinde Visperterminen. 

STAUDEN (IM) (Kt. Bern, Amlsbez. Seftigen, Gem. 
Rüti). 860 m. Gruppe von 5 Häusern, an der Strasse Hüti- 
Biggisberg und 3 km rsw. vom Dorf Higgisberg. 28 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Thurnen. 

STAUDEN (NID und OB) (Kt. Glarus, Gem. Keren- 
zen). Weiler S. die Art. Nidstalden und Ühstai.kkn. 

STAUDEN (OB) (Kt. Nidwaiden, Gem. Samen). S. 
den Art. Obstaldin. 

STAUDEN (OBER und UNTER) (Kt. Bern, Amta- 
bez. Saanen, Gem. tauenen). 1936 und 1900 m. Alpweiden 
mit Hütten und 4 Wohnhäusern, am S. -Hang des Meiels- 
grundes und 1.5 km unterhalb 1-auenen. 19 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Lauenen. 

STAUDEN oder STAUTEN (OBER) (Kt. Luzern, 
Amt. Sursee. Gem. Buswil). 585 m. Gruppe von 4 Häu- 
sern an der Strasse Buswil-Buttisholz, 3 km nw. Buawil 
und 7,5 km sw. der Station Nottwil der Linie Luzern- 
Olten. 94 kathol. Ew. Kirchgemeinde Buttisholz. Acker- 
bau und Viehzucht. Armenhaus der Gemeinde Buttis- 
holz. 

STAUDEN (OBMOOS-) (Kt. Glarua, Gem. Elm). 
Teil von Gemeinde und Dorf Elm. 21 Häuser, 130 Ew. S. 
den Art. Elm. 

8TALDENALP (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmen- 
thal). 1500-1800 m. Alpweide im obern Slaldengraben. 
am W.-Hang des Nieeen und am Weg von Wimmis auf 

diesen Gipfel. 

STAUDENBACH (Kt, Schwyz. Bez. Höfe). 900-400 
m. Linksseitiger Zufluss des Zurichsees ; bildet sich aus 
den vom Etzel herabkommenden, bei der Kirche Fensis- 
berg vorbeilliessenden und nahe Stahlen sich vereinigen- 
den Bäche, fliesst bis Pfäflikon nach NO., wendet sich 
dann nordwärts, treibt im Oberdorf eine Säge und Mühle 
und mündet nach 4,5 km langem Lauf in den Frauen- 
winkel. 

STAUDENBERQ (Kt. Luzern. Amt Suraee, Gem. 
Grosswangen). 620 m. Häusergruppe an der Bergs trasso 
Grosswangen-Leidenberg-Sursee und 4 km sw. der Station 
Sursee der Linie I.uzern - Ölten. Zusammen mit Ober- 
feld : 5 Häuser, 3"> kathol. Ew. Kirchgemeinde Gross- 
wangen. Wiesenbau. 

STAUDEN BUHL (Kt. Wallis. Bez. Goms, Gem. 
Reckingen). 1468 m. Schöne Kapelle mit interessanten 
Freskomalereien, am Eingang ins Blindenlhal, links der 
Bhone und gegenüber dem Dorf Beckingen. 

STAUDENORABEN (Kt. Bern. Amlsbez. Nieder 
Simmenthall. 1900- 700m. 5 km langes Thal am NW. -Hang 
der Niesenkette. 4 km t, Wimmis. Wird oben von der 
mächtigen Bettlluh am N.-Hang des Fromberghorna 
(2397 m) beherrscht und vom Slaldenbach durchflössen, 
der bei der Oeiallmend von rechts in die Simmc mündet. 
Dem in Flysch eingeschnittenen und unten eingeengten 
Thalchen folgt der von Wimmis auf den Niesen führende 
Fussweg. In der Thalmitte die Berglialp (1200 m) mit einer 
im Sommer geöffneten Gastwirtschaft. 

STAUDENHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Saanen). 2265 



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670 



STA 



STA 



in. Zentraler Gipfel eines felsigen Gebirgsstockes. dem 
noch der Purggenspitz i2300 mi, die Doggeligfluh und da» 
Ammertenhorn i22o2 ml angehören; no. vor 
dem Witenberghorn (2353 m(. Schiebt sich 
zwischen dasTscherzislhal und den Meielsgrund 
ein. Kann von Gsteig her über den Arnensee 
in 4 Stunden erstiegen werden. Prachtvolle 
Aussicht auf die ßcrner Alpen. 

8TALDENMATT Kt Bern, AmUbez. 
und Gem. Signau). 690 m. Gruppe von 3 Häu- 
sern, 250 m o. der Station Signau der Linie 
Bern-Luzern. 39 reform. Ew, Kirchgemeinde 
Signau. Landwirtschaft. 

8TALDKNMOOS (Kl. Luzern. Amt Ent- 
lebuch, Gem. Marbach). 852 m. Gruppe von 3 
Häusern am linken I'fer des Steiglenbaches ; 
1,5 km n. Marbach und 5 km s. der Station 
Wiggen der Linie Bern-Luzern. Postwagen 
Wiggen-Marbach. 19 kathol. Kw. Kirchge- 
meinde Marbach. Ackerbau und Viehzucht. 

8TALDENRIED (Kt. Wallis. Bez. Visp). 
1057 rn. Kleine Gemeinde mit gruppenweise 
zerstreuten Siedelungen, rechts über der Ver- 
einigung der Saaservisp mit der Mattervisp 
und 1 km ö. gegenüber Stalden. Postablage. 
Etwas unterhalb der Hauptgruppe mit der 
weithin sichtbaren Pfarrkirche steht am trok- 
kenen Steilhang ein Hebberg, der »ich bis in 
die Mündungsschlucht der Saaserviap hinein 
erstreckt. An den sonnigen Hängen gedeihen 
ferner Obstbäume in Pulle. Hauptsiedelung&gruppen sind 
Staldenried, Niederried und Zertannen. 65 Häuser, 281 
kathol. Ew. 

STALDER8HÜ8ER (Kt. Bern, Amtsbez. Aarwangen, 
Gem. Gondiswil). 675 m. Gruppe von 8 Häusern, 700 m 
sw. Gondiswil und 4 km nno. der Station Huttwil der 
Linie Langenthal-Wolhusen. 62 reform. Kw Kirchge- 
meinde Melchnau. Landwirtschaft. 

8TALDHORN i Kt. Wallis. Bez. Brig). 2473m. On«>. Vor- 
berg des Schienhorn* i -2649 ml, zwischen dem Tafenienth.il 
und dem Nesselthal und 1 Stunde nw. vom Sirnplonhospiz. 

8TALDI (Kt. Bern, Amtsbez. Über Hasle, Gem. Gad- 
men). 1132 m. Gruppe von 3 Häusern, am rechten Ufer 
des Gadmenwassers und am Eingang in eine enge 
Schlucht. 5 km sw. Gadmen. 15 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Gadmen. Viehzucht. 

STALDIQ (MITTEL. OBER und UNTER) (Kt. 



Bern- Luzern. 101 kathol. Ew. Kirchgemeinde Werthen- 
slein. Ackerbau und Viehzucht. 





Sulilenned gsgeo «lau itiatiebhorn 

Luzern. Amt Kntlehueli, Gem. Werthensteim. 845-945 m. 
Drei Gruppen von zusammen 15 Häusern, 2 km s. Wer- 
thenstein und 5 km so. der Station Wolhusen der Linie 



SUlla von SQdofU>D. 

STALL*, iulien. Bivin (Kt. Graubunden, Bez. Albula, 
Kreis Oberhalbstein). 1776 m. Gern und Pfarrdorf zu 
oberat im Oberhalbslein, am Fuss von Julier, Seplimer 
und Stallerberg; 27,4 km sso. der Station Tiefenkastel der 
Albulabahn. Hier vereinigen sich die vom Julier und vom 
Septimer herabkommenden Wege, woher der italienische 
Name Bivio = Zweiweg, während die Bezeichnung Sulla 
vom latein. ttabulum = Stall oder Herberge herzuleiten 
ist. Postbureau, Telegraph ; Postwagen Tiefenkastel-Ju- 
lier-Silvaplana (Engadin). Gemeinde, mit Allago, Ca vre - 
ccia, Julierberg (Hospiz) und SUlvedro-Soreno : 39 Häu- 
ser. 141 Ew. (wovon 85 Beformierte und 56 Katholiken; 
52 italienischer. 88 romanischer und 1 deutscher Zunge); 
Dorf: 20 Häuser. 91 Ew. Kathol. und reform. Kirche. 
Wiesenbau und Viehzucht, Alpwirtschaft. Der früher be- 
deutende Warenverkehr über den Septimer und dann 
über den Julier ist seit dem Bau der Alpenbahnen einge- 
gangen. Einsame und holzarme Gegend. Fanr- 
strasse über den Julier ins Engadin, Saumwege 
über den Septimer nach dem Bergell und über den 
SUllerberg nach Avers. 

STALLIRBIRQ (Kt. Graubünden. Bez. 
Albula und Hinterrhein l. 2584 m. Passübergang 
zwischen dem Hochthal von Avers und dem obern 
Oberhalbstein ; leitet von Juf in nö. Richtung nach 
Stalla (Bivio) hinüber (3% Stunden). Von Juf führt 
der Saumweg erst über Matten und dann über 
ein mit Trümmern belegtes Hochthälchen zur 
Passhöhe, die einen prächtigen Ausblick, nament- 
lich auf die Berge des Julierstockes, darbietet. Viel 
benutzter l'cbergang. 1894 kam der grössere 
Teil dei Viehs, das zur Sommerung auf die 
Averser Alpen getrieben wurde, über den SUller- 
berg, und 1887-1892 existierte da sogar im Winter 
ein von Privaten offen gehaltener Schlittweg für 
den Heutransporl. Seit dem Bau der Averser- 
strasse hat der Touristenverkehr über den SUller- 
berg und den Forcellinapasa sehr eUrk zugenom- 
men. 

STALLFLUH oder 8TALFLUM (Kt. So- 

lothurn. Bez. Lebern). 1412 m. Gipfel in der Weis- 
sensteinkette. nahe der Hasenmatt und l 3 / t Stunden 
über Selzach. Meierhof mit GastwirLschaft. Aus- 
' gedehnte Sennberge, auf denen viel Vieh gesom- 
mert wird. Schöne Aussicht aufs Mittelland | Aare- 
thal). Grosses und von weither sichtbares Kreuz 
zum Andenken an einen einstigen Hergsturz. 
8TALLIKERTHAL i Kt Zürich. Bez. AITültern). 646- 
491 in. Oberer Abschnitt des Beppischthales, vom Türler- 
see bis I^ndikon reichend und 10,5 km lang. Stilles 



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Wiesenthal zwischen der Albiskette und dem Aeugsterberg. 
Vergl. den Art. Rewisch. 
STALLI KON K:. Zürich, Bei. AIToltem). 560 m. Gem. 




SUlhkoo von Südwesten. 

und Pfarrdorf in dem von der Reppisch durchllossenen 
Slallikerthal, am W.-Fuas der Albiskette und 2 km <>. der 
Station Bonsletten der Linie Zürich-Afloltern-Zug. Post- 
ablage. Gemeinde, mit Buchenegg, Dägerst, Gamlikon, 
Medikon-Raldern und Sellenbüren: 107 Häuacr, 579 re- 
form. Ew. ; Dorf : 16 Häuser, 81 Ew. Wiesenbau. Von 
einer Burg in Stallikon ist nichts bekannt. Nach den 
Xfentorabtlia Tigurina gehörte der Ort im Mittelallerden 
Freiherren von Sellenbüren, die Gerichtsbarkeit dem 
Kloster Engelberg, der Zehnten dem Kloster St. Blasien 
(im Schwarzwald) bis auf einen Achtel, der dem Gross- 
münster von Zürich zustand. 1466 kam der Ort an die 
Stadt Zürich, die aus ihm und Orten der Umgebung die 
Übervogtei Bonstetten und Wettewil formierte. Die holla- 
tur gehörte St. Blasien. Nach Aufhebung dieses Stifts kam 
sie an die hadische Regierung und 1812 durch Vertrag an 
die Stadt Zürich. 1173: Slalhuchovin ; 1179: Stallincnon 
= bei den Höfen des Slalling. 

STALTEN (Kt. Luzern. Amt Willisau. Gem. Altbüron). 
683 m. Gruppe von 7 Häusern no. Altbüron, 9 km w. der 
Station Nebikon der Linie Luzern-Olten. 51 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Grossdietwil. Ackerbau und Viehzucht. 

8TALVEORO (Kt. Graubiinden, Bez. Albula, Kreis 
oberhalbstein, Gem. Stalla). 1778 m. Alpweide mit 3 Häu- 
sern, von denen im Winter nur eines bewohnt ist; am 
rechten Ufer des Oberhalbsteiner Rheins und 25,5 km ss<>. 
der Station Tiefenkastel der Albulabahn. 8 kathol. und 
reform. Ew. Kirchgemeinden Stalla. 

STAlvedro (GOLA DI) (Kt. Tessin, Bez. Leven- 
tina, Gem. Airolo). 1119 m. Prachtvolle Schlucht mit aben- 
teuerlich zerklüftetem Gestein; 1 km oaö. der Station 
Airolo der Gotthardbahn und nahe der Stelle, wo der Bach 
des Val Canaria sich mit dem Tessin vereinigt. Die 1820- 
1830 erbaute Poststrasse führt dem linken Ufer der Schlucht 
entlang, wo sie den Fels in zwei Gallerten durchbricht. 
Oberhalb der Schlucht führt die Bahn auf schöner Brücke 
über den Tessin, worauf in der rechtsseitigen Felswand 
ein 196 m langer Tunnel folgt. Auf einem der senkrecht 
zum Tessin abstürzenden Felsen steht die Ruine einer 
vielleicht noch aus der Langobardenzeit stammenden 
Burg mit Turm und Mauerresten, von den Bewohnern der 
Gegend Gasa dei Pagani (Heidenhaus) genannt. 

STAMBACH iKt.und Amtsbez. Bern, Gem. Bolligen). 
630 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km nnw. Bolligen und 
4 km DDÖ. der Station Ostermundigen der Linie Bern- 
Thun. 28 reform. Ew. Kirchgemeinde Bolligen. Land- 
wirtschaft. 

STAMMS SRO (Kt Zürich. Bez. AndeWngen). 516 
in. Tafelberg zwischen Buch und Dorf, 4 km w. der Sta- 



tion Henggart der Linie Zürich- Winterthur-SchalTnausen. 

STAMMERSPITZ oder Piz TschCtta (Kt. Grau- 
bünden, Bez. Inn). 3258 m. Gewaltiger Felsstock in den 
Samnaunerbergen der Silvretlagruppe ; 1,7 
km w. vom Muttier (3298 m». Fallt nach N. 
zu den Seitenthälchen Val Maisas und Val 
Ghamins des Samnaun, nach S. und SW. zu 
Val Tiatscha (Griosch), Val Trammas und 
Val Bolscheras, Seitenzweigen des Val Chüglias 
(Val Sinestral ab. Im 0. fuhren die Fuorcla 
Mainas (2852 m) von Griosch ins Val Maisas und 
im NW. der Passübergang 2903 m und die 
Fuorcla Chamins (2820 mj aus Val Roz-Ghö- 
glias ins Val Ghamins und nach Samnaun 
hinüber. Scharf gezackter, malerisch-grossar- 
tiger Gebirgsstock mit einem im NO. gegen 
Val Maisas herunterhängenden kleinen Eis- 
feld. Nur tüchtigen Kletterern zugänglich. 
Aufstieg von Val Sinestra aus durch Griosch, 
über die Alp Pradgiant und begraste Hänge 
zur Felswand des Gipfelmassivs und zuletzt 
durch ein Gouloir am O. -Gipfel. Ein anderes 
Couloir leitet auf der W. -Seite der w. Spitze 
nach Val Glmglias-Sinestra hinab. Grossartige 
Fernsicht. Der geologische Bau des Berg- 
stockes wurde bis in die jüngste Zeit für 
weit einheitlicher gehalten, als er sich nach 
Paulcke's Untersuchungen (1904) herausgestellt 
hat. Die Bergmasse setzen zunächst verstei- 
nerungsleere Engadinschiefer unbestimmten 
Alters.Grün- oder Spilitschiefer, unter! iasische 
und Allgäuschiefer, sowie Schiefer der untern Kreide zu- 
sammen, über welchen als die ältere Formation eine 
mächtige überschobene Triasscholle mit Arlbergdolomit, 
Hauptdolomit und Kalken des Bat ailzt. 

STAMMHEIM (Kt. Zürich, Bez. Andelflngen). 448 
und 447 m. Reformierte Kirchgemeinde mit den beiden 
politischen Gemeinden Ober Stammheim und Unter 
Stammheim. Station Stammheim der Linie Winterthur- 
Etzwilen-Singen. Postwagen Frauenfeld-OberStammheim- 
Unter Stammheim. Gemeinde Ober Stammheim, mit Wi- 
len: 156 Häuser. 818 Ew. (wovon 16 Katholiken) ; Dorf, 
(am S.-Fuss des Stammheimerbergs gelegen) : 140 Häuser, 
756 Ew. Postbu reau, Telegraph, Telephon. Acker- und 
Weinbau, Viehzucht. — Gemeinde Unter Stammheim, mit 
dem am W.-Fuss des Stammheimerbergs und 1 km nw. 
Ober Stammheim gelegenen Pfarrdorf Unter Stammheim : 
136 Häuser, 645 Lw. (wovon 21 Katholiken). Postbureau, 
Telephon. Acker- und Weinbau, Viehzucht. — Am Blut- 
büchel und in Ober Stammheim Urnengräber aus der 
Bronzeperiode. Einzelfunde aus römischer Zeit. Alemanni- 
sche Ansiedelung; 761 : Slam ha im. Beim Sekundarschul- 
haus und in Ober Stammheim alemannische Gräber. Die 
Hoheitarechle besaasen die Herzoge von Schwaben. Die 
Klöster Rheinau und St. Gallen hatten in der Gemeinde 
Besitzungen und allerlei Einkünfte ; dem letztern gehörte 
überdies die Kollatur. Nach Aufhebung des Stiftes traf 
die Regierung von St. Gallen 1808 mit Zürich eine Ueber- 
einkunft, wonach alle Rechte an diesen Kanton übergin- 

Sen. Ober Stammheim und Waltalingen besassen vorder 
ieformation eigene Kapellen und waren Filialen von 
Stammheim. 1828 wurden die hierher kirchgenössigen 
thurgauischen Gemeinden Nussbaumen und Uerschhausen 
abgelöst. Nach Ekkehards Catut Sonett Galli wurde von 
den königl. Kammerboten Erchanger und Berchtold im 
Anfang des 10. Jahrhunderts auf dem Schlossberg zwi- 
schen Ober und Unter Stammheim. der Fiskalgut war, 
eine Burg erbaut. Als König Konrad I. die Fiskalleute von 
Stammheim an St. Gallen schenkte, entstand ein Streit, 
in welchem die genannten Kammerboleii den Bischof Salo- 
mon von Konstanz gefangen ■ ahmen. Nach dem Unter- 
gang der Kammerboten schenkte der Konig die Burg dem 
Kloster St. Gallen, das sie abtragen liesa. Noch 1517 sollen 
Steine derselben für den Neubau der Kirche zu Stamm- 
heim verwendet worden sein. Die niedere Gerichtsbar- 
keit kam im Laufeder Zeit an die Fidlen von Klingenberg, 
dann aber 1464 an die Stadt Zürich, welche daraus und 
aus den Nebengemeinden St. Anna und Wilen, sowie der 
1581 erworbenen Herrschaft Steineg^ eine besondere Ober- 
vogtei machte, die einem zürcherischen Obervogt auf 



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Schlou Steinegg im Thurgau unterstellt war. Die hohe 
Gerichtsbarkeit übte die Landgrafschaft und spätere eid- 




Ober Stimmbelm von Oileo. 

genossische Vogtei Thurgau bia 1798 aus. Als die Refor- 
mation aufkam. warStammheim dem neuen (Hauben leiden- 
schaftlich zugetan. Der Untervogt Hans Wirtli dast-lbst und 
seine beiden Sohne, die Geistlichen Adrian und Johannes 
Wirtli, sowie der Untervogt Hültimanu in Nussbauinen wur- 
den die Häupter einer eifrigen Heformpartei, die Bilder und 
Kruzifixe beseitigte. Der damalige thurgauische Landvogt, 
schon als Schwyzer ein Feind der Reformation, ging im 
Auftrag der katholischen Orte gegen die Vertreter der 
neuen Lehre vor. Pfarrer Oechslin auf Rurg bei Stein 
wurde von ihm gefangen gesetzt. Die Reformierten von 
Stein, Slammheim und Umgebung versuchten diesen zu 
befreien, und als es ihnen misslang, stürmten sie die 
Karthause Illingen und steckten sie in Brand (1524). Auf 
Verlangen der katholischen Stände muHste Zürich den 
Hans Wirth und seine Söhne, sowie Rüttimann ausliefern • 
Obwohl sie nach^ewiesenermassen zur Ruhe gemahnt 
hatten, wurden sie mit Ausnahme von Adrian Wirth zn 
Baden als Ketzer zum Tode verurteilt. Vergl. Kradolfer, 
J . J. Getchichte der Kirchgemeinde Slammheim. 1866. — 
Mitteilungen der Antiguaritchen Ge*ell*chaft Zürich. 62 
und 63. — Durrer, Hob. Der mittelalterliche Wand- 
xchmuck der Kapelle zu Waltalingen bei Stammheim. 
1899. — Durrer, Hob., und Rud. Wegeli. Zuvi $eh%eeistri- 
iche Bilderzyklen au* dem Anfang de* 14. Jahrhundert*. 
Zürich 1900. 

STAMM HEIM (OBER) (Kt. Zürich, Bez. Andeltin- 
gen). Gem. und Dorf. S. den Art. Stammheim. 

STAMM HEIM (UNTER) (Kt. Zürich, Bez. Andelfln- 
gen). Gem. und Pfarrdorf. S. den Art. Stammheim. 

STAMMHEIM ERBERQ (Et Zürich, Bez. Andel- 
fingen |. 623 m. Breiter, bewaldeter Tafelberg, novStamm- 
heim an der Grenze gegen den Thurgau. Am S.- und W.- 
Ilang stehen Reben. Besteht aus horizontalen Schichten 
der obern Susswasaermolasse. denen eine etwa 40 m 
mächtige Kappe von Deckenschottern aufsitzt. 

STAMMHEIM ERTHAL. i Kt. Thurgau. Bei Steck- 
born, und Kt. Zürich, Bez. Andelfingen . Grosses Trocken- 
thal (aller, von seinem fruhern Flusse verlassener Thal- 
wegl, das sich von llüttwilen (Kt Thurgau i über Slamm- 
heim (Kt. Zürich i in nordwestl. Richtung gegen Diessen- 
hofen (Thurgau) hinzieht. Es ist ein breites, offenes 
Thal, das von einem grossen Fluss, oflenbar der Thür, 
in der 1. oder 2. Interglazialzeit ausgespült worden ist. 
In der 3. (letzten) Fiszeit wurde das Thal durch bogen- 
förmige Endmoränen zwischen Nussbaumen (Thurgau | 
und Stammheim abgedämmt; dadurch entstanden dahin- 
ter reizende Moränenseen ( Nussbaumer-, Hasen- und 
Steineggersee) und zahlreiche Torfmoore. Auch ist dieser 
Teil des Thaies rückläufig geworden : der Seebach Iiiesst 
thalaufwärts, der Thür zu. Im untern Teil de* Thaies 
linden sich deutliche «Drumlins», d. h. isolierte rund- 
liche Hügel aus Grundmoräne ; auf solchen stehen z. B. 
die Schlosser Schwandegg (430 mi und Girsberg (456 mi. 
Die N. -Seite eines bewaldeten Moranenhügels am Hutt- 
wilersee beherbergt eine interessante alpine Orchidee 
(Hcrminium monorcht*}, die erst wieder um Bischofszell 



und am Hörnli gepflückt werden kann. Dieses Vorkommen 
auf einer Moräne und in einem toten Thal beweist, dasa 
die Pflanze als Rest der Glet- 
scherzeit aufgefasst werden muss 
und nicht alsalpinc Ausstrahlung 
angesehen werden kann. Auf 
jenen Moränen begegnen uns 
noch die Barentraube (Arcto- 
ttaphylo* uva urti) und eine 
Carexart (Carex ericetorum), 
zwei glaziale Ueberbleibsel, die 
nun aber den veränderten Be- 
dingungen sich offenbar so gut 
angepasat haben, dass aie viel- 
mehr in Ausbreitung als am 
Erloschen sind. Die zirkum- 
polare Bärentraube ist in der 
Schweiz durchaus Alpenpflanze, 
höchstens dass sie am Fuss der 
Berge etwas hinabsteigt ; sie 
bewohnt aber reichlich die Mo- 
ränen um Hüttwilen und Nenn- 
forn, sonst noch den N. -Abhang 
des Seerückens. Die N. -Flanke d»s Thaies zeigt von 
Nussbaumen bis Slammheim Rebberge, die einen ge- 
schätzten Wein erzeugen. Das bis 1798 zur Land vogtei 
Thurgau gehörige Thal wurde dann in der Weise geteilt, 
dass der untere Abschnitt mit Stammheim an Zürich, 
der obere mit Nussbaumen dagegen an den neuen Kan- 
ton Thurgau kam. 

STAMPA Kt. Grauhiinden, Bez. Maloja, Kreis Ber- 
ge!)). 1005 m. Gem. und Dorf im Bergeil, am linken Ufer 
der Maira, 35 km sw. der Station St. Moritz der Albula- 
bahn und 17 km ö. der italienischen Station Chiavenna 
der Veltlinerbahn. Postablage, Telegraph, Telephon; 
Postwagen Samaden- Maloja -Chiavenna. Gemeinde, mit 
Borgonuovo. Goltura, Montaccio, Gacciorre und der Ex- 
klave Maloggia (Maloja): 95 Häuser, 445 reform. Ew. 




SUrapa von Weateo. 

i wovon .'$75 italienischer. 12 deutscher und 28 romanischer 
Zungei; Dorf: 22 Häuser. 112 Ew. Kirchgemeinde Slam- 
pa- Borgonuovo. Wiesenbau und Viehzucht. Heimat des 



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berühmten Geschlechtes gleichen Namens, das im Mila- 
nesischcn heute noch blüht. Anlässlich des Hochwassers 
vom 27. August 1834 riss hier die Maira die Strasse samt 
einem Haus mit sich. In der Nähe fliesst der Thalfluss 
unter einem aus zwei Granitblocken von je 17 m Hohe 
gebildeten Gewölbe durch. 

STA MP BACH (Kt Bern. Amtsbez. Thun, Gem. Si- 
griswih. 120O-."i6O m. Wildbach ; entspringt am W.-Ilang 
des Sigriswilergrates. durchlliesst eine zwischen den 
Weilern Endorr und Wiler eingeschnittene Schlucht und 
mündet nach 3 km langem Lauf nahe dem ScMobs Halli- 
gen und zwischen Merligen und Gunten von rechts in den 
Thunersee. 

STAMPFBACH oder STAMPACH ( Kt. Hern. 
Amtsbez. Frutigen, Gem. Aeschil. 5100 m. Gruppe von 9 
Häusern, 800 m ö. Aeschi. 45 reform. Kw. Kirchgemeinde 
Aegchi. Landwirtschaft. Nach dem hier entspringenden 
Stampfbach benannt. Im Mittelalter residierte hier ein 
Edelgeschlecht gleichen Namens. 

STAMPFE, STAMPFL Ortsnamen der deutschen 
Schweiz ; bezeichnen ursprünglich einen Ort, an dein 
sich eine KnochensUmpfe ( Knochenmühle i befand. 

STAMPFE (Kt. Bern. Amtsbez. Aarwangen, Gem. 
Rutscheleni. 565 in. Gruppe von 4 Häusern ; 2,5 km sw. 
der Station Lotzwil der Linie Langenthal- Wolhuaen. 32 
reform. Ew. Kirchgemeinde Lotzwil. 

stampfe (OBER und UNTER) (Kt. Bern, Amts- 
bez. Burgdorf. Gem. Haslej. 610 m. 3 Häuser, am linken 
Ufer des Riemhachgrabcns und 2 km sw. der Station 
llasle-ßüegsau der Linie Burgdorf-Langnau. 24 reform. 
Ew. Kirchgemeinde llasle. 

STAMPFEBACH (Kt Solothurn, Bez. Balsthalj. 
'.KKWvt'i m. Bach ; entspringt am S.-Hang des Thaies von 
Hamiswil, fliesst nordwärts und mündet nach 2 km 
langem Lauf in Hamiswil von rechts in den Ramis- 
wilbach. 

stampfe haus ( Kt. Hern, Amtsbez. Burgdorr, 
Gem. Haslei. 685 m . Gruppe von 4 Höfen, am rechts- 
seitigen Gehänge des Biembachgrabens und 2,5 km sw. 
der Station Hasle-Rüegsau der Linie Burgdorf-Langnau. 
35 reform. Ew. Kirchgemeinde Hasle. 

STAMPFHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Hasle). 
2553 m. Oso. Vorberg des Hitzlihorns und mit diesem 
durch das Aerlengrätli verbunden ; fällt mit steilen und 
kahlen Felshangen zum linken Ufer der Aare ab und ist 
von der Handeck aus sichtbar. Der Name erscheint zum 
erstenmal auf den Karten von Wyss und Hugi, sowie auf 
dem von Goltlieb Sludcr aufgenommenen Panorama des 
Juchlistocks (erste Hälfte des 19. Jahrhunderts!. 

STAMPFI I Kt. Aargau, Bez. Zoflngen. Gem. Of- 
tringen). 500 m. Gruppe von 5 Häusern in einer Wald- 
lichtung am W.-Ilang des Buhnenberges; 2,5 km n. der 
Station Zolingen der Linie Luzern-Olten. 66 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Zotingen. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

STAMPFI |Kt. Aargau, Bez. Zofingen, Gem. Hothrist). 
420 in. Gruppe von 4 Häusern, am linken Ufer der Pfalf- 
nern und 2 km sö. der Station Hothrist der Linie Oltcn- 
Bern. 32 reform. Ew. Kirchgemeinde Hothrist. Ackerbau, 
Viehzucht und Milchwirtschaft. 

Stampfseeli (Kt. Bern. Amtsbez. Ober llasle). 
2221 m. Kleiner Bergsee am S.-Hang des Stampfhorns. 

8TAMS (Kt. Graubunden. Bez. Unter l-andquart. 
Kreis Fünf Dörfer, Gem. Sayis). 1651 m. Alpweide mit 
10 Hutten und Ställen, auf der Höhe des von Trimmis 
nach Valzeina im Bündner Rheinthal führenden Passes. 

STAND. Bergname der Kantone Bern und Wallis. 
Hie Bedeutung ist unsicher und lässt sich vielleicht da- 
rauf zurückfuhren, dass solche Stellen einst ein beson- 
ders wildreicher Standort waren. In den Kantonen Neu- 
enburg und Waadt bezeichnet man mit dem Ausdruck 
• SUnd » den Schiessplatz oder das Schützenhaus. 

STAND (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen). 2325 m. Gipfel 
in der Kette des Lohner zwischen hander- und Engst- 
ligcnthal. Steht zwischen dem llohwang (2525 im. einem 
Vorberg des First, und dem Kirchhorn. Kann von Kan- 
dersteg her in 4 und von Adelboden aus in 4 Stunden 
unschwierig erstiegen werden. Schone Aussicht. 

STAND (Kt. Bern. Amtsbez. Saanenl- 1940 m. Höch- 
ster Punkt des mit Aipweiden (Bödmen- und Grünholz- 
alpi bestandenen Bergrückens zwischen den Th.ilern von 



Lauenen und Gsteig. Kann von Grund an der Poststrasse 
Gstaad-Gsteig oder von Gataad (Station der Montreux- 
Oberlandbahn) her in je 2 Stunden leicht erreicht 
werden. Schöne Aussicht. 

STAND (Kt. Wallis, Bez. Goms). 2459 m. Zur Alp- 
weide Ettria gehörender Bergkopf in dem vom Kamm 
der Aernergalen nach NW. abzweigenden und das Bettel - 
hachthal vom Thal des Krümpenbachs trennenden Hucken. 
Kann von Blitzingen aus in 3 Stunden bestiegen werden. 
Ohne besonderes Interesse. 

STAND 'Kt. Wallis. Bez. Goms). 2362 in. Gipfelpunkt 
der Schornenalp, zwischen dem Bettel bachthal unu dem 
Thal des Bulibaches, am NW. -Hand des Rückens von 
Aernergalen und 3 Stunden über Steinhaus. 

STANDBACH QLET8C HER (EU88ER) ( Kl. 
Wallis. Bez. Westlich Itaron . 3300-2423 m. Sehr steiler 
und stark zerklüfteter kleiner Gletscher am Baltschieder- 
ioch. 1,5 km lang und 200-300 in breit. Sendet seine 
Schmelzwasser zum Standbach, der gegenüber Kühmatt 
im Lölschenlhal von links in die Lonza mündet. 

ST AN DB ACH QUETSCH ER (INNER) (Kt. Wal- 
lis, Bez. Westlich Raroni. 31100-2550 m. 1.5 km langer 
und 300 m breiler Gletscher am NW. -Hang des Elwer- 
ruck. Sendet wie der Aeusser Stand bachgletscher seine 
Schmelzwasser zum Standbach, der gegenüber Kühmatt 
im Lötschenthal von links in die Lonza mündet. 

STANDELSTOCK i Kt. Uri). 2178 m. Wsw. Vorberg 
des Rienzenslocks i2964 m) in der das Fellithal vom Reuss- 
thal trennenden Kette; so. über dem schluchtartigen 
SUndelthal. Kann von Wassen her über Hüti in 3«/» 
Stunden bestiegen werden. 

STANDELTHAL l Kt. Uri i. Steiles und schlucht- 
artiges kleines Thal, dessen Bach am NW. -Hang des 
Rienzenslocks entspringt und bei der Schönibrücke, halb- 
wegs zwischen Wassen und Güachenen, von rechts in 
die Iteuss mündet. 

STANDFLUH (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen). 1979 
m. Gipfel in der felsigen und zum Teil mit Alpweiden 
l>eslandenen Bergmasse zwischen dem Kienlhal, dem 
Suldlhal, den Ober Suldalpen und dem Ertibach. Bildet 
einen Teil der Faulenmatlalpen und ist von Kienthal aus, 
welches Dorf er im N. unmittelbar beherrscht, in 3 
Stunden zu erreichen. NW. - Schulter de« Dreispitz 
12522 m;. 

STANDHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen und 
Nieder Simmenthalt. 2340 m. Gipfel in der Kette des 
Niesen, zwischen dem Drunengalm und dem Steinsclilag- 
horn (2322 m i. Am W.-Hang liegt die Standalp mit Hütte 
in 1790 m. Der SO. -Kamm heisst Plaltenegg und Burat- 
egge. Kann vom Hotbad im Diemtigthal in J 1 /* oder von 
Frutigen her in 4 Stunden leicht erstiegen werden. 

STANDEN (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggenburg. 
Gem. Ebnati. 1053 in. Acht am linksseitigen Gehänge des 
Steinthaies zerstreutgelcgcne Höfe ; 2,4 km s. der Station 
Ebnat-Kappel der Toggen burgorba Im. 28 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Ebnat. Wiesenbau und Viehzucht. 

8TANS (Kt. Nidwaiden). 455 in. Gem. und Flecken, 
llauptort von Nidwaiden; am N.-Fuss des Stanserhorns, 
11 km ssö. Luzern und 2,5 km so. Stansstaad, seinem 
Hafenort am Vicrwaldstättersee. Station der elektrischen 
Bahn Stansstaad-Stans-Engelberg; Kopfslation der Draht- 
seilbahn auf das Stanserliorn. Postbureau. Telegraph, 
Telephon; Postwagen nach Buochs. Gemeinde, mit Kniri, 
Mettenweg, Niederdorf und einem Teil von Botzberg : 
263 Häuser, 2798 Ew. (wovon 49 Reformierte! ; Flecken : 
167 Häuser, 1297 Ew. Zur Pfarrei Stans, die 6077 Ew. 
zählt, gehören neben Stans noch die Filialen Ennelmoos, 
Dallenwil, Wiesenberg. Stansstaad, Obbürgen, Kehrsiteu 
und Büren, während sie früher auch noch Engelberg, 
Wolfenschiessen (bis 1438) und Hergiswil (bis 1621) um- 
fassle. Viehzucht und Milchwirtschaft, Viehhandel. Be- 
trächtlicher Käseexport und Holzhandel. Seidenweberei 
und Strohhutfabrikation als Hausindustrie. Seit 1893 
lührt eine Drahtseilbahn auf das aussichtsreiche Slanser- 
horn. Stans ist ein stattlicher, stadtähnlich gebauter 
Flecken in einer grossen und fruchtbaren Ebene, mitten 
in einem Walde von Obstbäumen. Walnussbäume bilden 
Alleen zu beiden Seiten der Landstrassen, welche sich da 
kreuzen. Stans hat gute Quellwasserversorgung und 
Hydrantenanlage, sowie seit 1905 auch elektrisches Licht. 

231 - GEOtiR. lex. v - 43 



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Mittlere Temperatur im Juli und August 18 und 19 c C. 
Oeffentliche Gebäude sind folgende: l Die Pfarrkirche, 
geweiht dem Apostel Petrus, der zugleich Landespatron 
von Nidwaiden ist. dessen Schlüssel das Landeswappen 
schmücken und der im Landessiegel abgebildet ist. Die 
Kirche hat einen Turm aus dem 12. Jahrhundert, vielleicht 
den schönsten romanischen Turm der Schweix. Sie selbst 
ist ein grosser, dreischiftiger, mit zwei Reihen Marmor- 
säulen und majestätischen marmornen Altären geschmück- 
ter Bau im italienischen Renaissancestil und stammt aus 
dem Jahre 1647. Eine Inschrift erinnert an die verheerende 
Feuersbrunst von 1713. 2) Das Rathaus, erbaut 1756 an 
der Stelle, wo das alle Rathaus gesunden, in welchem 
1181 Nikiaus von Flüe den entzweiten Fidgenoasen den 
Frieden brachte. Die beiden Ratsäle des Hauses schmük- 
ken alte Fahnen aus den Burgunderkriegen und italieni- 



Privatgeaellschaft für etwa 40 Kranke erstellt. 10) Der 
alle Spital, eine uralte Stiftung für die Kirchgenoasen von 
Stans, jetzt nur mehr Pfründnerhaus für arme, arbeits- 
unfähige Bürger. 11 1 Folgende Kapellen: Maria unter der 
Frde, Obere und l'ntere Beinhauskapelle, Kapelle in der 
Kniri und die Friedhofkapelle. 12) An Denkmälern hat 
Stana: das Winkelrieddenkmal von Schlöth, das Denkmal 
für die Gefallenen vom 9. September 1796 um Beinhaus), 
das 1724 errichtete W>nkelriedstandbild auf dem untern 
Dorfbrunnen und das Denkmal für die 1871 in Stana ver- 
storbenen Franzoaen der internierten Oatarmee auf dem 
Friedhof)- Von privaten Gebäuden nennen wir das Hofli- 
Rosenburg und das Winkelriedhaus, die beide au» dem 
16. Jahrhundert stanm en und sowohl architektonisch als 
durch die in ihnen aufbewahrten Altertümer interessant 
sind. Urkundliche Namensformen : 1036 Stantium : 1090 




l,»B*e[ilan von SUna. 



sehen Feldzügen, sowie vom französischen Ueberfall 1798, 
dann Gemälde von Vollmar und Wyrsch und die Porträts 
von über 70 Landaminännern des Landes. In einem 
Seitenbau befindet sich die kantonale Spar- und l.eih- 
kasse. 3) Das Kapuzinerklosler. 1583 von Ritter Melchior 
Lussi gegründet Der jetzige Bau datiert aus 1668. Die 
Kapuziner leiten und besorgen ein Gvmnasium mit einem 
Internat für etwa 100 Studenten. Ansehnliche Bibliothek. 
4) Da* Frauenkloster zu St. Klara, gestiftet 1621. Hier be- 
sorgen Kapuzinerinnen die Primarschulen für die Mad- 
chen der Gemeinden Staus und Oberdorf unentgeltlich 
und leiten ein höheres Tochternpensionnat. Im Fraiien- 
kloster zu Stans gründete Heinrich Pestalozzi 1798 das 
Waisenhaus, wurde aber schon im Juni 1799 von der llel- 
vetik daraus vertrieben. 5, Zwei grosse Gemeindeschul- 
häuser. 6i Das Museum, in dem die Sammlungen des 
historischen Vereins von Nidwulden untergebracht sind, 
n.imlirh Altertümer, Gemälde. Bibliothek, naturliistori- 
srhe und ethnographische Gegenstände. 7i Zeughaus. 
8) Theater, Kigentum einer Liebhabergesellschaft von 
Slanser Bürgern. 9i Der Kantonsspital. 1860 von einer 



Stans; 1148 Stagnes ; 1188 Stanncs. Stans war früher 
der Sitz der Meier des Gotteshauses Muri, der Herren von 
Tottikon und von Turn. Versöhnung zwischen den Eid- 
genoBsen der Städte und Länder durch Bruder Klau* 
von Flüe am 22. !>ezember 1481 und Aufnahme von Frei- 
burg und Solothurn in den Bund. 1713 Zerstörung eines 
grossen Teiles des Fleckens durch eine Feuersbrunst. Am 
9. September 1798 Zerstörung zahlreicher Häuser der 
Umgebung von Stans und Ermord 
losen Frauen, Kindern und Greisen, sogj 
Priesters am Alter in der Pfarrkirche durch die 
reichen Franzosen. Von hervorragenden Bürgern 
Stans seien genannt: Ritter Melchior l.ussi f1529-1606i, 
Gesandter der Eidgenossen ans Konzil von Trienl : die 
Kunstmaler Paul von Deschwanden (1811 -1881 i. Theodor 
von Deschwanden (1826-1861). Heinrich Keyser 41813- 
190iii, Karl Georg Keyser (geb. 18i3) und Emil Keyser 
igeb. 1847); die Bildhauer Franz Keyser (1804-1883! und 
Eduard Zimmermann igeb. 1873). der Landschaftsmaler 
Joseph Zeiger 1 1812-188T.I, der Musiktheoretiker Malhis 
l.ussy igeb. 1828,. 



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075 



Vergl. Deschwanden. Konst. v. Der klimatische Kur- 
ort Stnni. 1862. - Odermatt, Anton. Die Pfarrkirche in 




SUnt und SUuxtrhuro. 

Staut (in den Beitrögen zur Geschichte Nnlwaldens. IF88- 
1900)- — Segesser. J. P. Iter Kirchturm in >lanstn bau- 
licher Beziehung lim tieschiehlxfreumi . 1853i. — Üurrer, 
Mob. Die. Kunst- nml Archilrktuiilenkmälec liiteneal- 
<lrns. Zunrh ISIU. 

STANSERHORM Kl Nidwaiden), im Schöne 
Bergpyramide. X.-Eode der das Engelbergerlhal vom 
Melclithal trennenden Kelle, unmittelbar aw. über Stans 
uml mit diesem Flecken durch eine Drahtseilbahn ver- 
bunden. Bemerkenswerte und umfassende Aussicht, die 
derjenigen vom Rigi und Pilatus ernsthafte Konkurrenz 
macht: llerner llochalpen. Titita. liebtet von obwalden, 
Vierwaldstättersee mit »einer l'mrahmunK. Schweixer 
Mi Mi Hand und zahlreiche Seen. Die 1893 erbaute elektri- 
sche Drahtseilbahn ist 3.6 km lang und setzt sich aus drei 
Teilstücken mit zwei Kraflslatinnen zusammen, deren 
Motoren von der Zentralstation in Buochs aus gespiesen 
werden. Die Hahn ist einspurig, mit Ausnahme der Kreu- 
zungen, die in der Mitte jedes Teilstückes staltlinden. Die 
Sicherheit des Betriebes wird ohne Zahnstange durch 



mächtige automatische Bremsen bewirkt. Das erste Teil- 
slück hat eine Steigung von 12-27,5 <V n und endigt an der 

Station Kälti (714 m), wo 
man in einer gedeckten Gal- 
lerte den Wagen wechselt. 
Das zweite Teilstück hat eine 
Steigung von 40-63 °/ 0 und 
fuhrt zur Station Blummalt 
1221 mi hinauf. Dann zieht 
»ich die Bahn mit der selben 
starken Steigung durch einen 
1 10 m langen Tunnel und 
über einen langen Viadukt 
zur Endstation Stanserhorn 
Kulm H849 m). die 1398 m 
über der Kopfstation Stans 
|451 m) liegt und wo sich, 
rund 50 m unter dem Gipfel, 
ein grosses Hotel befindet. 
Das Stanserhorn ist eine aus 
Kreidekalk, Malm. Dogger 
und Liaa aufgebaute Klippe, 
die mit ihrer au- Trias 
(Gips und Rauhwacke) be- 
stehenden Basis auf Flvsch 
sitzt. Sämtliche Schicfiten 
liegen in Gestalt einer schie- 
fen Mulde nach N. über. 
Die Stanserhornklippe steht 
in Verbindung mit der Klippe 
des Arvigrales und hat ihr 
Gegenstück in der Klippe des 
Buochserhorns, des gegenü- 
berstehenden ö. Felspfeilers 
am Eingang ins Engelber- 
gerthal. 

STANSSTAAD (Kl. Nid- 
waldeni. 439 m. Gem. und 
Dorf, am linken l'fer des 
Vierwaldatäftersee» und am 
W'.-Fuss <fes Bürgenstocks. 
Dampfschiffstation und Kopf- 
stalion der elektrischen Baun 
Slansslaad -Stans- Fngelberg. 
I'oslbureau. Telegraph. Tele- 
phon. Gemeinde, mit Kehr- 
silen, Übbürgen und einem 
Teil von Hotzloch : 116 Häu- 
ser, 851 Ew. (wovon 33 Re- 
formierte); Dorf: 35 Häuser. 
815 Ew. Filiale der Pfarrei 
Stans Die Ortschaft liegt an 
der Seeenge, die das Haupt- 
becken des Vierwaldstatter- 
aees von der Alpnacherbucht 
trennt und über welche eine 
Drehbrücke zum Lopperherg 
in die Drünigslrasse hinüber 
führt. Hafen von Stans und 
Eingangstor für Nidwaiden 
und Engelberg. Hotelwesen und Fremdenverkehr. Vieh- 
zucht. Käserei. Mechanische Schreinerei. Viele der Be- 
wohner arbeiten in den Zementfabriken von Holzloch. 
Fisclifang. Holzhandel Im Mittelalter war Stansslaad 
durch Palhsaden im See und einen gegenüber dem 
Lopperherg siehenden festen Turm vor Ueberfällen ge- 
schützt. Die Ruine eines zweiten Turmes ist o. vom Dorf 
heute noch zu sehen. Die L'eberheferung erzählt, dass 
die l'nterwaldner im Jahr 1315 von diesem Turm aus 
einen machtigen Mühlstein auf eine mit österreichisch 
gesinnten Luzernern besetzte Barke herabgestürzt hätten. 
Vom 7.-9. September 1798 griffen die Franzosen Slans- 
staad von der Seeseite her an und nahmen dann am 9. Sep- 
tember nach heldenmütiger Gegenwehr den Ort. den sie 
in Brand steckten und plünderten. Das SchilTrecht auf 
dem See gehörte hier bis 1881 Privatpersonen, um dann 
vom Siaat und der Dampfboolgesellschafl zurückgekauft 
zu werden. Fund eines Steinbeilea in Kehrailen. eines 
Bronzeheilos auf der Acheregg und einer Lanzenspilze 
aus Bron/e am Burgenberg. 



Altinytr *c 



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G7ti 



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8TANS9TAADER RIED Kl Ni.hvalden). 440 m. 
Sumpfwiesen zwischen dem Bürgenslock und dein 




SUm and gUnserhorn 



bahn Rorschach-Ileiden. 15 Häuser. 88 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Heiden. Wiesenbau. 

STARTEN Kt. ilern. Amtsbez. Ober 
Ilaale, Gem. Innerlkirchen). 630 m. Teil 
des Dorfes Innertkirchen, am linken L'fer 
der Aare. 11 Heuser, 84 reform. Kw. Kirch- 
gemeinde Innertkirchen. 

STAPFEN iht Schwyx. Gem. Itiemen- 
slalden). 1300 m. Gruppe von 3 Häusern, 
am rechten Ufer des Biemensialde nbaches 
und am S.-Kuss des Hengst, am Weg über 
üen Katzentagel ins Muotathal und 2 km 
ö. der Kirche lliemenstalden. 21 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde ttiemenstalden. 

STAPFETEN Kt. St. «lallen. Bez. See, 
Gem. l'znach). 460 m. Gruppe von 6 Häu- 
sern. 1 km ö. l'znach. 28 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde l'znach. Ackerbau und 
Viehzucht. 

STARENBERG Kl St. Gallen. Dez. 
(lasier. Gem. Henken). 420 tn. Gemeinde- 
abteilung und Häusergruppe bei der Sta- 
tion Kallbrunn-Benken der Linie Rap- 
perswil-Ziegelbmcke- Weesen ; am N\\.- 
Kuss des Übern Üuchberges und in der 
Linthebene. 20 Häuser, 160 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Benken. Ackerbau und 
Viehzucht. Eine Zuckerwarenfabrik. 

STARETSWIL. oder STARRET8- 
WIL i Kt. Aargau, Bez. Baden, Gem. Ober 
RohrdorP. 520 m. Gemeindeabteilung und 



Stanserhorn Gummen 

W/oscnberg 



Muetterschwan- 
derberg einer- 
seits, dem See 
und Stans an- 
drerseits. 2 km s. 
Slansslaad. Ei- 
gentum der Bür- 
gerkorporation 
Slansslaad. Ein ' - 
Teil des Ertraget »; 
kommt den 
Schulen von 
Stansslaad, Ob- 
bürgen und 
Kehrsilen zu - 
Kule. 

STAPFEN cb Srl,utl - Kf.Klyach und NumraulitTikalk; C». Obers Kreide; V. t'rgon (Schraltenkalki; N. Neokom; B. Berrias 
(Valangieu); Malm; D. »ogger; L. Um; T. Tritt; X -> — leberachiebungeplan der Klippe. 




s 

f 



Hjoh Tob/er £ du xtorf. 



(jeologiai-hes Querprorll dareb da* Stanaerhoro. 



(Kt. Appen/eil 




Oipfel dea 8Umerhorn*. 

A. R.. Vorilerland, Gem. Heiden i. 780 m. Weiler an der 
Strande Thal- 1 leiden, 5'.K)m n. der Station Heiden der Berg- 



Dorf am SW.-Hang des Heitersbergs, 500 m 
ö. Ober Bohrdorf und 3 km 6. der Station 
Mellingen der Linie Aarau - Suhr - Wettingen. 
Postwagen Dättwil-Kellikon. 41 Häuser, 200 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Bohrdorf. Ackerbau 
und Viehzucht. 1184 : Starcholfeswilere. 

STARKENBACH (HINTER und VOR- 
DER) Kt St Gallen, llez. Ober Toggenburg, 
Gem. Alt St. Johann l. 860 m. Zwei Dorfer im 
obern Toygenburg, am linken Ufer der Thür 
und an der Strasse von Ebnat nach Bucha im 
Bheinthal. 3 km waw. Alt St. Johann und 13 
km so. der Station Ebnat-Kappel der loggen - 
burgerbahu. Zusammen : 57 Häuser, 240 kathol. 
und reform. Ew. Kirchgemeinden Alt St. Jo- 
hann. Wiesenbau und Viehzucht. Gut besuchter 
Gasthof. Standquartier für Gipfeltouren in den 
Churllrslen. l ebergang über die Amdener 
Höh* nach Amden und Weesen. Etwas unter- 
halb der Dorfer steht auf einem Fclsvor- 
«prung des ll.iderenberges die Ruine der aus 
dem 14. Jahrhundert stammenden Burg Slar- 
kenstein. 

STARK EN BACH (OBER und UNTER) 

(Kt. St. Gallen. Bez. Neu Toggenburg, Gem. 
Hemberg). 800 und 830 m. Zwei Gruppen von 
zusammen 5 Häusern, am linken Ufer des N'ek- 
ker und 7 km no. der Station Ebnat-Kappel 
der Toggenburgerbalm. 20 reform, und kathol. 
Ew. Kirchgemeinden Hemberg. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Holzhandel. Stickerei. 1178: Starchembach. 



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077 



STAR KEN BACH ER WALD ( Kt. St. Gallen, Bez. 
Ober Toggen bürg l. 900-1100 m. 1,3 km langer und I km 
breiter Wald, am NO. -Hang des llader- 
enbergs und a. Surkenbach. ~ "~ 

STARKENSTEIN ( Kt. St. Gallen. 
Bez. Ober Toggen bürg. Gem. Alt St. Jo- 
hann). 870 m. Burgruine über dem linken 
Ufer der Thür, in der malerischen Schlucht 
von " In der Burg • und an der Strasse Alt 
St. Johann-Stein im Toggenburg. Die 1329 
genannte Burg wurde von den Herren von 
Montfort (Starkenstein = Montfort) er- 
richtet und vom Volk kurzweg « Stein » 
genannt, welcher Name später auf einen 
tiefer unten gelegenen Hof und dann auf 
das darum sich ansiedelnde Dorf Stein 
uberging. Die Burg wurde wahrscheinlich 
um das Ende des 15. Jahrhunderts zerstört. 

8Tarlera (Kt. Graubänden, Bez. 
Hinterrhein. Kreis Schams. Gem. Inner 
Ferrera). 1833-2072 m. Alpweide mit Hüllen, 
am S.-Hang des Piz Starlera und am 
rechtsseitigen Gehänge des Val Starlera. 

starlera <Piz> (Kt. Graubünden. 
Bez. Hinterrhein). 2727 m. Sw. Vorgipfel 
des Piz Grisch oder Fianell (3048 m) in den 
Oberhalbsteinerbergen der Albulagruppe. 
Unter den steilen Felsterrassen des 900 m 
vom Piz Grisch entfernten Piz Starlera 
wälzt sich in tiefen Schluchten hinter dem 
Dörfchen Canicül (Inner Ferrera) der Aver- 
ser Bhein, der in dieser Gegend von O. 
her das Wasser des Val Starlera und den Ausser Star- 
lerabach erhält, welch letzterer auf der untersten Fels- 
wand des Berges einen schonen Wasserfall bildet. Der Piz 
Starlera erhebt sich etwa 1.7 km nö. Canicül und zeigt auf 
seiner S. -Seite in 2400 m Höhe alte Eisengruben, in denen 
einst schuppiger bis schiefriger Boteisenstein aus einer 
Krzlinse von etwa 30 m Länge und 6 m Mächtigkeit ausge- 
beutet wurde, um mühsam nach den Hochofen in Fer- 
rera geschleppt zu werden. Das in halbmarmoriaierten 
Kalken und Dolomit der Trias (oder Jura '.') auftre- 
tende Erz enthielt zuweilen bis 80 % reinea Eisen. Der 
Name Piz Starlera wurde von den frühem Karten dem 
schrolfen Kalkstock des Piz Grisch (oder Fianell) beige- 

legt. 

STARLERA (VAL) ( Kt. Graubünden. Bez. Hinter- 
rhein). 2500-1530 m. Oestl. Seitenthälchen des Averser 
BheinB, das sich kurz unterhalb der Einmündung des 
Val di Lei und 2,3 km hinter Canicül (Inner Ferrera) von 
rechts zum llauptlhal öflhet. Es ist etwa 4 km lang, ent- 
springt am weBtl. Averser Weissberg (3044 m>, verläuft 
im ganzen in w. Dichtung und weist ein Cesamtgefällc 
von etwa 24 % auf. Im Vordergrund ist es tief und wild 
durchschluchtet. wie auch weiter oben lange Felsrippen 
und -klüfte gegen die Alp Starlera (2072 ml herab- 
reichen. Der Wald zieht nur wenig weit hinauf und fehlt 
auf der N. -Seite fast ganz. In der Mitte und im kessel- 
artig erweiterten Hintergrund dehnen sich die Alpen 
Starlera und Sura aus. Aus diesen leitet das Canicul in 
Ferrera mit Savognin oder Beama im Oberhalhstein ver- 
bindende Starlerajoch (2504 mi nach Val Curlins und Val 
Nandro hinüber, während nicht weit nördlich davon und 
s. vom Piz Alv (der wie der Piz Starlera Lager von lläma- 
tit aufweist i ein zweiter Passubergang '2609 mi nach der 
Alp Schmorras und in das Val Nandro hinabführt iSavo- 
gnin-Canicül 6 Stunden). Die Starleraseite dieses Passes 
ist jedoch sehr steil, und der Uebergang wird nicht so 
viel benutzt wie das Starlerajoch, von dessen Muhe min 
zwischen dem w. Weissberg und dem Plattenhorn in s. 
Dichtung auch nach Cresla im Avers gelangen kann, 
l'eber den mächtigen Felsenstufen am Ausgang des Val 
Starlera liegen die freundlichen Terrassen mit den Maien- 
sassen Starlera «1833 ml und II Plan (1884 m). Am felsi- 
gen Gehänge unter dem letztern fliesst eine Sublherme 
i » Cuas Therme » • von 24.3 -C. mit Gips- und Eisengehall. 
Sie ist schwer zugänglich und hat nur eine geringe Was- 
sermenge. Val Starlera ist im obern Abschnitt zum gröss- 
tenTeilin Bündnerschiefer (eozänen Flysch. auch Lias'.'), 
im Vordergrund ganz in Kalke. Marmore und Dolomit 



der Tri: * ( oder Jura?) eingeschnitten, und der Starleia- 
bach fturzt manchmal über Lager weissen Marmors her- 




Stamstaad gegen den Lopperberg and den PiUlu». 

ab, mit welchem Material auch die Averserstrasse z. T. 
beschottert ist. 

STARLIX ( FUORCLA ) | Kt. Graubünden. Bez 
Inn). 2633 m. Passübergang zwischen dem Piz Starlex 
(3081 mi und Piz Götschen 1 2772 m); leitet aus dem 
(Juelllhälchen Costainas (ScarllhaD in ö. Dichtung über 
die schweizerisch-österreichische Grenzenach Val Avigna 
und Taufers oder Münster lim Münslerthali hinab I Dorf- 
chen Srarl-Münnter 5 Stunden i. Die Passhöhe liegt in 
Triasbiltlungen ( llauptdolomil und obere Bauhwackei. 

STARLEX (Piz) (Kt. Graubünden. Bez. Inn). 30*1 
m. Gipfel im Gebtrgsstock des Piz Pisoc (Ofengruppe), 
auf der Landesgrenze gegen Tirol und zwischen dem 
Scarl- und Avignathal. 1,1 km so. vom Piz Murtera 
2998 in) und n. über dem fast flachen Passübergang der 
Puorcla Starlex. Der eine gute Aussicht bietende Berg 
ist aus llauptdolomit. oberer Dauhwacke, Arlbergkalk 
und alpinem Muschelkalk aufgebaut, welche Triasmasse 
sowohl auf der österreichischen als auf der Schweizer 
Seite auf Vernicanogesteinen und Gneisphylliten »iut. 
Aus der Münsterthaler Alp ChampaUch (2144 m) braucht 
man über den Scarlpass zur Ersteigung des Piz Starlex 
(SW.- Seite) etwa 4 Stunden. 

STARRKIRCH ( Kt. Solothurn. Bez. Ölten. Cem. 
Starrkirch- Wil). 422 m. Getneindeableilung und Pfarr- 
dorf, an der Strasse Aarau-Olten und 1 ,7 km o. vom Bahn- 
hof Ölten. Poslablage. Zusammen mit Nigitlisberg : 34 
Häuser, 295kathol. Ew.; Dorf: 29 Häuser, 233 Ew. Land- 
wirtschaft. Am Mäuseherdchen hat man eine römische 
Münze mit dem Bildnis des Domitian und am Fuss der 
Buine Kienberg verschiedene andere römische Münzen 
aufgedeckt. Das Dorf erscheint 1036 in der Liste der vom 
Grafen Ulrich von Lenz bürg dem Stift Bcromünster ge- 
machten Schenkungen. 1173: Slarclulhun. 

STARRKIRCH-WIL ( Kt. Solothurn. Bez. Ollen ). 
Gemeinde mit den Dörfern Starrkirch und Wil. den 
Weilern Nigglisberg. Kohliweid und < »berwil, sowie einem 
Teil von Wartburg-Säli. Zusammen: 65 Häuser. 572 Ew. 
i wovon 164 Deformierte ). Katholische Pfarrei Starr- 
kirch. 

STARTOELS I Kl. Graubünden, Bez. Im Boden. Kreis 
Trins, Gem. Klints). 1580 m. Alpweidc am S. -Hang des 
Segnespasse, 3 km nw. Flims. 

STARZLEN (Kt. und Bez. Schwyz. Gem. Muotathal». 
645 m. Weiler im Muotathal, an der Ausmündung des 
Starzlenbaches und am Pragelweg; 1.5 km ö. der Kirche 
Muotathal. 15 Häuser, 98 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Muotathal. Wiesenbau und Viehzucht. Seidenweberei. 



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678 



STA 



liier wird tlic geplante Pragelslrasse zwischen Glarus und 
Schwvz durclifuliren. 

st arzlen b ach (Kl. und He*. Schwyzi. 9906- 
625 m. Rechtsseitiger Zullu-- der Muota: entspringt am 
Pragelpas», wendet »ich gegen SVV. und mundet nach 9 
km langem Lauf in Tschalun (1.5 km o. der Kirche Muo- 
tatlial). Erhält zahlreiche, vom Hollloch. Drusberg. Forst- 
berg, Sternen und lleuherg herkommende Nehenadern. 
wie den GemsslalTelbach, Teufdohlehach. Holbacli und 
Teufbach von lechl*. den H(dlbach von link». Den» Bach 
folgt der Saumpfad über den Pragel i Muotalh.il- Klonlhal). 
der in hoH'eiillich nicht zu langer Frist durch eine Fahr- 
strasse ersetzt werden soll. 

STATTHALTER (Kt St. Hallen. Ilez. Gasler. Gem. 
Amdeni. P200- 1542 m. Wahl von 54 ha Fläche : auf <lrr 
gegen das Toggenburg (Alt St. Johann) abfallenden Nu - 
Seite des Guimen und am linksseitigen Gehänge über 
dein Dobigenbach. 7U°/ 0 Fichten. 20 °l„ Tannen und IO n / 0 
Buchen. Am untern rechtsseitigen l'fer des Baches schliessl 
sich der 93 ha giosie Laubwald an. der trotz seines 
NameDS einen der schönsten reinen Fichlenbestände des 
Bezirks aufweist. I'eber Langenegg führt der l'ebergang 
von Amden nach Alt St. Johann. 

8TATZERSEE ( Kt. Graubünden. Bez. Maloja i. 
' 1812 m. Kleiner aber romantiisch gelegener See, mitten 
im Wald am Fussweg von St. Moritz nach Ponlresina 
und je etwa % Stunde von jedem dieser Orte entfernt. 
Auch von Celerina fuhrt ein Weg an der Kirche San Gian 
vorbei und über die ebenfalls waldutnschlossene Alp 
Palud Choma in *! t Stunde nach dem Sialzersee. Dieser 
ist ein beliebtes Ausflugsziel der Gaste von Pontresina, 
St. Moritz, Geierina und Samaden. Kr bietet dem Bota- 
niker hübsche Ausbeute an allerlei Kngadinerpllanzen. 

STAUBBACH Kl. Bern. Amlsbez. Kruligen). Links- 
seitiger Zulluss des Oeschinenbachcs ; entspringt am 
Biberggletscher und bildet einen über die Thalwand 
herabrauschenden schonen Wasserfall. 1,5 km lang. 

STAUBBACH iKt. Bern, Amtsbez. Inlerlaken. Gem. 
l-auterbrunnen). 1135-832 m. Weltberühmter Wasserfall 
im Berner Oberland, gebildet durch den am O. -Absturz 
des Schwarzbirj;- in einer Hohe von I90O m entspringen- 
den Pletschenbach. Dieser durchmesst zunächst die ziem- 
lich steil geneigte Plelschenalp und wird von der elek- 
trischen Bahn lirütschalp-Murreo überbrückt, von wo an 
■ein Gefall zunimmt und sich sein Hell zu einer Schlucht 
vertieft, in welcher er den vom Thal aus nicht sichtbaren 
ersten Fall bildet, um sich dann uber die das Dorf Lauter- 
brunnen beherrschende, 3UU m hohe senkrechte, ja über- 
hängende Felswand in die Tiefe zu stürzen und nach 



STA 

schätzt, seinen Ruf. sofern die für den Anblick des Kalles 
■ehr wichtigen Beleuchlungsverhultnisse gunstig sind. 



im** 5 




Sutzer»«« gegen den Ml I.anguarJ. 

kurzem Lauf in die Lütschine zu münden. Der Slaubbach 
gehört zu den berühmtesten Wasserfällen der Welt and 
rechtfertigt in gewissem Sinne, ob auch heule eher unter- 



Slaubbieh ton Norden. 

Das herrlichste Schauspiel gewährt er am Vormittag bei 
Sonnenschein, von N. her betrachtet. Instruktiv ist auch 
der Anblick des völlig in Wasserslaub aufgelösten Stur- 
zes von den Schuttwällen aus, die sich unten an der 
Felswand gebildet haben. Eigentümlich ist der Anblick, 
den im Winter die enormen Eisatalaktiien und -grollen 
gewahren. Her Slaubbach war schon im 1K. Jahrhunderl als 
Naturmerkwürdigkeit berühmt, um deren willen man das 
l.auterbrunnenihal aufsuchte. Die Schilderung des Falles 
In llallers Alpen 1 1729) hat viel dazu beigetragen, die 
Aufmerksamkeit der Naturfreunde auf ihn zu 
lenken. 1779 hatGiethe den Staubbach besucht 
und geschildert. Die äusserst farbige Schilde- 
rung durch den dänischen Dichter Baggesen in 
seinem Epos l'arthenai* stammt aus dem Jahre 
1HU. Von den unzähligen Beschreibungen des 
Staubbaches in Prosa geben wir die kurze 
Schilderung wieder, die Hegner 1805 veröffent- 
lichte: • Au- einer senkrechten Höhe von 900 
Fuss springen zwei Strome Wasser über die 
Felsen hinaus und vereinigen sich bald in eine 
bewegliche Wassersäule, wovon nur ein kleiner 
Theil sich an einer Klippe bricht, das übrige 
aber in freyer Luft sich in Millionen Perlen 
ausbreitet und zuletzt in einen schimmernden 
Staub verdünnt, theils auf eine beträchtliche 
Weite die Matten umher mit einem immer- 
währenden Thau benetzt, theils sich in ein 
tiefes Wasserbecken voll glühender Regenbogen 
wieder sammelt. Kr ist nicht gross durch einen 
unaufhaltsam wilden Strom, der sich an 
schonen Felsmassen schäumend und mannis- 
faltig bricht, oder durch seinen Donner die 
Krde bewegt und die Töne des menschlichen 
Erstaunens verschlingt, aber er ist erhaben 
durch seinen himmelhohen Fall, durch die 
grossen Wassermassen, welche sich weiss und 
weich, wie Milch, in ewiger Folge aus der Höhe 
Iiinabdrängen. durch sein allmahliges Hinschwinden im 
Nebel und durch das Feuer seiner Hegenbogen ; besonder« 
aber durch sein mit der Sanftheit des Ganzen so hartnoni- 



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679 



sches, leises und zartes Geniusch, das nicht von einer ein- 
zelnen Stelle herkommt, sondern den Zuschauer allenthal- 
ben, wie Stimme der Geister, zu umgeben scheint. > Un- 
zählbar sind die Stiche, Gemälde und andersartigen An- 
sichten dieses Falles, von dem man sagen kann, dass er zu 
denjenigen Naturbildern der Krde gehurt, die am häutig- 
sten bildlich dargestellt worden sind . Zu erwähnen sind die 
MeKsuugen der Hohe des Falles durch den Maler Wolf und 
Pfarrer Samuel Wittenbach im Jahre 1776 vermittels 
Schnüren, welche eine Fallhöhe von 900 Bernerfuss ergab. 
Am 7. Auguat 1791 richtete der Staubbach bei einem Ge- 
witter grosse Verheerungen an. worüber der damalige 
Pfarrer von Lauterbrunnen eine Predigt im Druck veröf- 
fentlichte. Zum erstenmal wird der Staubbach im Jahr 1594 
erwähnt. 

STAUBBACH (Kt. Luzern. Amt Entlebuch). 1450- 
780 m. Hach; entspringt am W.-Hang der Ebnisletten- 
lluh tliesst westwärts und mündet 3,5 km s. Schüpfheim 
von rechts in die Waldemme. 3 km lang. 

staubernkanzel (Kt. Appenzell 1. R. und St. 
Gallen, Bez. Werdenherg). 1894 tu. Eine turmähnliche, 
dem Neokom aufgesetzte Schrattenkalkspitze in der öst- 
lichsten Kette des Säntisgebirges, nur etwa 150 m höher 
als der Grat. Seit 1904 führt vom Hohen Kasten ein aus- 
geprägter, stellenweise rotmarkierler Weg teils auf dem 
Gral und teils am N. -Abhang bei der Staubernkanzel vorbei 
bis zur Saxerlücke. Der Aufstieg auf die Staubernkanzel 
geschieht von der SW. -Seite her. Schone Aussicht auf 
Vorarlberger-, Hündner- und Appenzelleralpen, sowie ins 
Rheinthal. Beliebte kleinere Tour der Alpinisten. Von 
Appenzell her in 5 Stunden und in etwas kürzerer Zeit 
von Salez (Station der Linie Rorschach-Chur! im Rhein- 
thal her iu erreichen. 

STAUBMAUSEN (Kt. St. Gallen, Kez. und Gem. 
Gossaui. 788 m. Gruppe von 4 Häusern am SO. -Hang des 
Tannenbergs; 3.5 km n. der Station Winkeln der Linie 
Zürich-Winterthur-St. Gallen. 28 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Gossau. Ackerbau und Viehzucht. Stickerei. 

STAUBHAUSEN (Kt. St. Gallen, Bez. WH, Gem. 
Oberbüren). 566 m. Gruppe von 5 Ilausern, link« über 
der Thür und an der Strasse Oberbüren-Nieder Helfents- 
wil; 8 km n. der Station l'zwil der Linie Zürich- Winler- 
thur-St. Gallen. 30 kathol. Ew. Kirchgemeinde Oberbüren. 
Acker- und Obstbau, Viehzucht. Schöne Aussicht ins 
Thurthal und auf die Appenzeller- und Toggenburger- 
berge. 

STAUBISHUB (Kt. Thurgau. Bez. Arbon. Gem. Eg- 
nach). 449 m. Gruppe von 8 Häusern an der Strasse St. 
Gallen-Neukirch; 1,2 km sw. Neukirch und 6km wnw. der 
Station Arhon der Linie Rorschach- Romanahorn. Tele- 
phon. 32 reform. Ew. Kirchgemeinde Neukirch. Wiesen-, 
'Ms- und Gartenbau. 

stauden Kt. St. Gallen. Bez. Werden berg. Gem. 
Grabs). 463 m. Gemeindeabteilung und Dorf am Fuss des 
Staudenerbergs, 700 rn so. Grabs und 2.8 km nw. der 
Station Buchs der Linie Rorschach-Sargans-Chur. Zu- 
sammen mit Hugobühl. Ober und Unter Gatter, Ober- 
stauden und Kitsch 107 Hauser, 548 reform. Ew. ; Dorf: 
64 Häuser. 335 Ew. Kirchgemeinde Grabs. Acker (Mais)-, 
Obst- und Wiesenbau, Viehzucht. Stickerei. Bezirks- 
spital. 

STAUDEN (GROSS und OBER) I Kt. St. Gallen. 
Bez. Werdenberg, Gem. Graba). 500 und 600 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 10 Häusern w. Stauden ; 3,3 km 
w. der Station Buchs der Linie Rorschach-Sargans-Chur. 
38 reform. Ew. Kirchgemeinde Grab». Wiesenbau und 
Viehzucht. 

STAUDEN oder STUDEN (IN DEN) ( Kt. Solo 
thurn. Bez. Lebern, Gem. Grenchen). 540 m. 21 Hofe am 
S.-Hang der ersten Jurakette; 1,6 km n. der Station 
Grenchen der Linie (Uten-Biel. Telephon. 297 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Grenchen. Landwirtschaft Uhrenindu- 
strie. Vor langen Jahren ging hier von der Wandfluh ein 
Felssturz ab. 

STAUDENERBACH (Kt. St. Gallen, Bez. Werden- 
berg). 1600-447 m. 6,5 km langer Wildbach j entspringt 
auf Valspus am NO. -Fuss des Margelkopfes. durchmesst 
nach der Alp eine steile Waldschlucht, dann die Gehöfte 
ob Stauden und dieses Dorf selbst, nimmt in der Ebene 
nahe der Strasse Werdenberg-Haag den Grabserbach auf, 



der mehrere Werke treibt, mündet dann etwa 2 km vom 
Dorfe Grab» in die sog. Watte, den Abfluss des Werden- 
bergersees und des Buchserbrunnens, um dann \er- 
einigl in den sog. Giessen und mit diesem in den 
Werdenberger Binnenkanal zu Iiiessen. Einige Schwellen- 
anlagen dienen dazu, bei Feuerausbruch in den benach- 
barten Hofen Wasser zu liefern, wenn der Dach solches 
fuhrt. Das llachbett hat sich kolossal erhöht, so dass bei 
Hochwasser wirklich Gefahr vorhanden ist. In den 70er 
Jahren des 18. Jahrhunderts hat der Bach bei einem 
wolkenbruchartigen Hegen mit seinem Geschiebe grosse 
Verheerungen angerichtet. 

STAUDENERBERO (Kt. St. Gallen. Bez. Werden- 
berg, Gem. Grabs). 700-1284 m. Gemeindeabteilung und 
Berghang mit zerstreut gelegenen Häusern und Hutten, 
zwischen dem Grabserbach und dem Staudenerbach und 
s. vom Grabserberg. 6.7 km w. der Station Buchs der 
Linie Rorschach-Sargans-Chur. Zusammen mit Gristen 
und Sand : 42 Häuser. 169 reform Ew. Kirchgemeinde 
Grabs. Wiesenbau und Viehzucht. Der höchste Punkt 
heisst .Birr (1284 m i, 

STAUDENHOF [Kt Thurgau, Bez. Kreuzlingen, 
Gem. Tägerwilen). 500 m. Teil des Dorfes Tägerwilen, 
600 m w. vom Schloss Kastel. 9 Häuser, 40 reform. Ew. 
Vergl. den Art. T.+:<;i-:nwn.EN. 

STAUF, STAUFEN. Ortsnamen der deutschen 
Schweiz; vom althochdeutschen »louf — Fels herzuleiten. 
Erscheint 14 mal in den Kantonen Luzern, Aargau, Basel, 
Schaffhausen, St. Gallen und Bern. Auch in Zusammen- 
setzungen nicht selten. 

STAUFBERG I Kt Aargau, Bez. Lenzburgi. 520 m. 
Isoliert aus der Ebene aufsteigende, schon abgerundete 




Staufberg von Norden. 

Anhöhe 1,5 km s. Lenzburg. Trägt kleine Wäldchen, etwas 
Weinreben und viel Wiesland. Zu oberat stehen Pfarr- 
kirche und Pfarrhaus der Kirchgemeinde Staufen, zu 
welcher bis ins 14. Jahrhundert auch Lenzburg selbst ge- 
hörte. Kirche und Pfarrei wurden von den Grafen von 
Lenzburg gestiftet, die die Kollatur der Abtei Münster 
übertrugen, welche aber dieses Recht wegen starker Ver- 
schuldung 1481 verkaufen musste. Die Kirche hat schöne 
Glasgemalde aus dem 15. Jahrhundert und enthält Gräber 
aus der Zeit der Hohenstaufen. Vor der Beformation zog 
ein wundertätiges Heiligenbild viele Wallfahrer hierher. 

STAUFEN (Kt. Aargau, Bez. I.enzburg). 424 m. Gem. 
und Pfarrdorfam NO. -Fuss des Staufberges; 1,3 kmsw. 
der Station Lenzburg der Linien Aarau-Suhr- Wettingen, 
Aarau-Leiizburg-Rotkreuz und Wildegg-Fmmenbrucke 
( Seelhaibahn ). Poslablage, Telephon. 106 Hauser. 818 Ew. 
(wovon 21 Katholiken). Acker- und Weinbau, Viehzucht 
und Milchwirtschaft. Mechanische Fabrikation von Dach- 
schindeln. 868: Stoufun. Das Dorf wurde durch die 
Feuerabrünste vom 20. Dezember 1833 und 17. Juni 1834 
schwer heimgesucht. 

STAUFEN f Kt. Bern, Amlabez. Thun. Konolflngen 
und Signau). 1112 m. Bergkuppe über den bewaldeten 
Hangen zwischen den Thälern von Rötenbach und Rot- 
achen, O.-Ende der Falkenfluh. Schöne Aussicht. 

STAUFEN (Kt. Bern, Amtsbez. Wangen, Gem. Och- 
lenberg). 571 m. Gruppe von 3 Höfen, am linksseitigen 
Gehänge des Staufenbachgrabens und 5,5 km so. der Sta- 



680 



STA 



tion Herzogenbuchsee der Linie Olten-Bern. 25 rerorm. 
Ew. Kirchgemeinde Herzogenbuchsee. 

STAUFENBACH (Kt. Bern. Amtabez. Wangen l. 710- 
479 m. Bach ; entspringt zwischen den Weilern Wacker- | 
•chwend und Lüntsberg, titesst nordwärts und mündet 
nach 6,5 km langem Lauf bei Bettenhusen von links in 
die Altachen. 

STAUFENBERG (Kt. Schaphausen. Bez. Schleit- 
heimi. 609 m. Anhöhe in dem Hügelland zwischen dem 
Schleitheimerthal und dem Thal der Wutach. n. Schies- 
heim und s. über der Landesgrenze gegen das Deutsche 
Reich. Trigonometrisches Signal. O.- und S.-Hang mit 
Rebbergen bedeckt, sonst Wald und Wiesen. 

ST A V EL. Synonym für STAFFEL. S. diesen Art. 

8TAVEU ILUNG su RA und SUT> (Kt. Graubün- 
den. Bez. Clenner. Kreis Lugnez. Gem. Vrin). 1929-2195 m. 
Abschnitte der Alp Ramosa. am 0 -Hang de» Piz Cavel 
und am SO.-Hang des Piz Vrin; 6 km w. vom Dorf Vrin. 
12 Alphülten. 

8tavel chod ULPE) (Kt. Graubünden. Bez. 
Inn. Kreis ObUsna. Gem. Zernez). 1963 m. Alpweide im 
Val da Stavel Chod, über der Ofenpassstrasse nach Zernez 
und 4 km nnw. der Ofenpasshöhe. 

STAVEL CHOD (VAL DA) (Kt. Graubünden, Bez. 
Inn). 2250-1900 m 2,2 km langes, meist felsiges und 
schuftiges Alpenthälchen. das »ich 2,1 km hinter dem 
Üfenberg-Gaslhaus in ssw. Richtnng zum Ofenbach (Ova 
da Fuorn) »ffnel ; östl. vom Val del Botsch und westl. 
vom längern und wilden Val Nüglia gelegen. Die mit rie- 
sigen Schuttmassen überführten obersten Gehänge des 
Thaies steigen steil zum Gebirgsknoten 2917 in zwischen 
Piz Nair (3009 m) und Piz Foraz (30JI m) hinauf. Ueber 
der Landstrasse liegt gegen den Thalausgang die Alp Sta- 
vel Chod (1963 m) auf Zerneier Boden. Von hier an bis 
zur Mündung wieder mächtige Schuttmassen. Das Thal- 
chen hat ein Gefälle von 19% und ist in Hauptdolomit, 
obere Rauhwacke, Arlbergdolomit und alpinen Muschel- 
kalk eingeschnitten. 

STAVELATSCH (FUORCLA) (Kt. Graubüoden, 
Bez. Vorderrhein}. 2553 m. Gratlücke zwischen Piz Slave- 
latsch und Piz Rentiert; verbindet die Alpen Vatesa und 
Stavelatsch, die beide ins Gebiet des Val Somviz gehören. 
Fuorcla Stavelatsch und die weiter sw. gelegene Fuorcta 
de Lavaz geben zusammen den kürzesten Zugang vom 
Tenigerbad zum Piz Modul und seinen Nachbargipfeln. 

STAVELATSCH (PIX) (Kt. Graubünden, liez. Vor- 
derrhein). Etwa 2900 m. Doppelspitzigcr KelsgipTel in der 
Medelsergruppe, speziell in der der Hauptmasse vorge- 
lagerten kleinern Gruppe des Piz Senleri ; 4 km ssw. über 
dem Tenigerbad im Val Somviz und von hier aus leicht 
zu ersteigen. Aufstieg über Alp Rentiert zur Fuorcla Sta- 
velatsch und von da über Schutt und Pels (4 Stun- 
den). 

STA v ellO (Kt. Graubünden, Bez. Bernina. Kreis 
Puschlav, Gem. Brusio). 1141 m. Gruppe von 2 Häusern 
am linksseitigen Gehänge des Puschlav ; 2,3 km ö. Mes- 
chino und 2,3 km n. Brusio; 7 km nw. der Station 
Tirano der Veltlinerbahn. ü kithol. Ew. italienischer 
Zunge. Kirchgemeinde Brusio. Wiesenbau und Viehzucht. 

stavi A llas (Kt. Graubünden. Rez. Glenner. Kreis 
Lugnez. Gem. Lumbrein). 18S0 m. Zum Teil bewaldete 
Alpweiden, am linksseitigen Gehänge des Vriner Rheins 
und 3.5 km sw. Lumbrein. 

STA VON AS (Kt. Graubünden, Bez. Glenner. Kreis 
Ruis, Gern Obersaxen). 1980 in. Alpweiden am SW- 
Hang des Piz Sez Ner. 

STAZIONE (Kt. Tessin, Rez. Riviera, Gem. Biasca). 
Häusergruppe. S. den Art. Peuemonte. 

STEBLEN ( Kt. Appenzell A. R.. Hinterland, Gem. 
Waldstatt). 7:*) m. Gruppe von 7 Häusern ; 1.5 km nö. 
der Station Waldstatt der Appenzellerbahn (Winkeln- 
Herisau-Appenzell). 39 reform. Ew. Kirchgemeinde Wald- 
statt. Wiesenbau und Viehzucht. Handstickerei. 

STECHELBERO (Kt Bern. Amtshez. Interlaken. 
Gem. Lauterbrunnen). 922 m Gruppe von 2 Häusern im 
obern Lauterbrunnenthal, an der Ausmündung des Se- 
linenthales und 6 km s. der Station Lauterbrunnen der 
Linie Interlaken-Lauterbrunnen. Endpunkt der Fahr- 
strasse ins Lauterbrunnenthal. Poslablage. 9 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Lauterbrunnen. Hotel. Viehzucht. Wild- 



STE 

romantische Landschaft. Der Name ist vom althochdeut- 
schen tlechal = «steil» herzuleiten. 

STECHENRAIN (Kt. und Amt Luzern, Gem. Littaut. 
558 m. Gruppe von 3 Häusern, 2 km nö. Hellbühl und 
2,8 km sw. der Station Rotenburg der Linie Luzern -Ölten. 
Postwagen Hellbühl-Rotenburg. 21 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Hellbühl. Ackerbau und Viehzucht. 

STECH LENEQQ (Kt. Appenzell A. R . Gem. Hund- 
wil, und Appenzell I. R., Gem. Gonten). 860-1060 m. 
Häuser, zu beiden Seilen des Kronbaches und der Strasse 
Gonten-Urnäsch zerstreut gelegen; 2.5 km w. Gonten 
und 500 m n. der Station Jakobsbad der Appenzellerbahn 

iWinkuln-Herisau-Appenzell). 194 reform, und kalhol. 
!w. Kirchgemeinden Hundwil und Gonten. Viehzucht. 
Handstickerei. Die Steehlenegger Rode gehörte ursprüng- 
lich zum Reichsland Hundwil und besitzt heule noch ge- 
meinsamen Waldbesitz, trotzdem sie nun politisch unter 
die beiden Halbkantone aufgeteilt ist. 

STECKBORN. BEZIRK des Kantons Thurgau. s. vom 
Untersee und Rhein. Grenzt im O. an die Bezirke Kreuz- 
ungen und Weinfelden, im S. an den Bezirk Frauenfeld 
und im W. an den Bezirk Diessenhofen und den Zürcher 
Bezirk Andelfingen. Er umfasst die rebenbekränzten Ufer 
des l'ntersees und Rheins von Salenstein und Mannen- 
bach bis hinunter nach Rheinklingen, sowie das wellige 
Hochplateau des Seerückens samt dessen S. -Flanke bis 
zur Thür, zum Seebach und den Seen von Hüttwilen und 
Nassbaumen. Der Bezirk ist die an landschaftlichen 
Schönheiten, Aussichtspunkten und Schlössern reichste 
Gegend des Thurgauea. Von Schlössern nennen wir : am 
See Arenenherg, Salenstein, Eugens- und Luisenberg, 
Freudenfels und Glarisegg samt der Ruine Neuburg ob 
Mammern ; auf der Hohe des Seerückens Mühlberg, 
Gündelhart und Liebenfels; am S.-Hang des Seerückens 
llerdern und Steine«. Sitz der Verwaltung«- und Ge- 
richtsbehörden des Bezirkes ist Steckborn. Der Verkehr 
der a. vom Seerücken liegenden Gemeinden Müllheini 
und Plin mit dem Ilauntort wird durch die von Müllheiin 
über Hörhausen gehende Post vermittelt. Der Bezirk zählt 
folgende 11 Munizipalgemeinden : Berlingen, Eschenz, 
Herdern, Homburg, Hüttwilen. Müllheim, Pfin, Rapers- 
wilen, Salenstein. Steckborn und Wagenhausen. 2589 
Haushaltungen in 2161 Häusern. 11 507 W, wovon 7607 
Reformierte und 3392 Katholiken. 83 Ew. auf 1 km*. Der 
fruchtbare und gut angebaute Boden erzeugt namentlich 
an der S. -Flanke des Seerückens Weine, die sich weit- 
hin eine« guten Rufes erfreuen. An den ßerghängen und 
auf den Höhen des Seerückens dehnen sich grosse Wal- 
dungen aus. Der überwiegende Teil der Bevölkerung be- 
schäftigt sich denn auch mit Landwirtschaft : Acker-. 
Wiesen-, Obst- und Weinbau. Bienenzucht. Holz-, Ge- 
treide- und Weinhandel. Fischrang. Eine 1890 aufgenom- 
mene Bodenstatistik ergab : 

Ackerland 4082.25 ha 

Wiesland 4480.03 » 

Rebberge 411.25 » 

Wald 4044.37 . 

Torf- und Rietland . . . 569.47 « 
l'nprodukliver Boden . 169.50 » 

13756,87 ha. 

Schon 1884 zählte man an Obstbäumen aller Art 130276 
Stuck. 

Die Viehzählungen haben folgende Resultate ergeben : 
1886 185*5 1901 1908 
Rindvieh . . . 5710 6786 6307 7925 
Pferde .... 276 365 448 563 
Schweine . . . 1726 2109 2349 2431t 
Schafe .... 233 75 52 61 
Ziegen .... 1276 1528 1262 1029 
Bienenstocke . . 1106 1193 1008 
Aber auch die Industrie hat im Bezirk ihre Stätte 
runden. Die Stickerei allerdings ist schwäche 
als in den andern Bezirken. 3 Stickrabriken mit 108 Ma- 
schinen und 200 Arbeitern, eine Spinnerei mit 5400 Spin- 
deln, eine mechanische Weberei mit 350 Stühlen, eine 
Wirkerei mit 35 Maschinen, drei mechanische Werk- 
stätten und Giessereien mit 200 Arbeitern. Fabrikation 
von Maschinen, Werkzeug und Möbeln. Kaltwasserheil- 
anstalt Mammern. Spar- und Leihkasseu in Eschenz und 



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STK 



STK 



681 



Steckborn. Korrektionsanstalt Kalchrain. Arbeiterkolonie 
llerdern. 

Die zum Bezirk gehörende Landschaft war von uralten 
Zeiten her besiedelt. Am l'ntersee finden sich Reste von 
Pfahlhauten in Eschenz und Steckborn. Die römischen 
Legionen hatten Standlager in Tasgelium am Ausfluss 
des Untersees (dem heutigen Eschenz und Burg bei Stein), 
sowie diesseits des Secrückens in Pfln (Ad tinesi. Im 
Mittelalter gehörte ein beträchtlicher Teil der Landschaft 
dem Kloster Reichenau, das ihn durch seine Amtleute 



verwalten liess. Daneben hatten hier auch die von Lieben- 
fels, von Gemmingen, von Landenberg, von Steinegg. von 
Roll und von Beroldingen, sowie andere adelige Ge- 



ihre 



darauf hinzudeuten scheinen. Im Jahr 845 vergabte 
ein gewisser Sello den Ort an die Reichenau. Ursprüng- 
lich gehörte die Herrschaft den Rittern von Steckborn. 
Der Ort, wo ihre Burg gestanden, ist nicht mehr mit 
Sicherheit zu ermitteln. 1271 überliess Ritter Eberhard 
seine Rechte der Reichenau, nachdem schon 1267 Abt 
Albrecht alle Vogtei- und Lehenrechle erworben hatte. 
Grosse Verdienste um Steckborn erwarb sich Abt Diet- 
sich mit Vorliebe hier aufhielt. Er baute 



en Turm am See, der noch besteht, gab der Stadt 
Wall und Graben und erwirkte für sie 1313 von Kaiser 
Heinrich da» Marktrecht. Auch Abt Mangold hielt sich 
viel und gern im Turm von Steckborn auf. 1383 liess 
sich Steckborn in das Burgrecht von Konstanz und damit 




H*BorelfC* 



V AUmger sc 



Heiirk Steckborn. 




Steckborn (Kt. Thurgau, Bez. Steckborn). 405 m. 

Munizipalgemeinde und kleine Stadt, am S.- 
Ufer des Untersees und am N.-Fuss des Seenik- 
kens sehr schön gelegen. 13.5 km nö. Frauen* 
feld. Station der Linie Schall hausen-EUwilen- 
Konstanz; DampfschilTstation. Postbureau, 
Telegraph, Telephon ; Postwagen Müllheim- 
Steckborn. Zollamt. Bezirk*hauptort. Ge- 
meinde, mit Gündelhart, Horhausen. Mam- 
und Salen-Rütenen : 430 Häuser, 2-"*41 Ew. i wovon 
1539 Reformierte und 1001 Katholiken f: Stadt Steckborn 
.mit Feldbach und Weier) : 27H Häuser. 1733 Ew. i wovon 
1272 Reformierte und 460 Katholiken i. Reform, und kathol. 
Kirchgemeinde. Sekundär- und Gewerbeschule. Badanstalt. 
Restauriertes Schloss .Turmhor» mit? Türmen. Gasthofe 
und Pensionen. Geschützte Lage mit mildem Klima. Be- 
liebte Sommerfrische in Glarisegg. Zahlreiche Obslhaum- 
gärten : Gemüsebau. Grosser Rebberg. Viehzucht. Mecha- 
nische Stickerei, Motoren- und Autoinobilfabrik mit Gies- 
serei, Werkzeugfabrik mit Giesserei, Nähmaschinen- und 
Kinderwagenfabrik. Bierbrauerei, Gerberei. Buchdrucke- 
rei. Spar- und Leihkasse. Wein- und Kornhandel. Die nä- 
here Umgebung ist ein grosser Rebberg, weiter folgen Wald 
und Wiesen. Verschiedene Schlosser (g. B. Glariseggi. 
Haidenhaus ( mit meteorologischer Station ) ist ein beliebtes 
Ausflugsziel mit sehr schöner Aussicht auf See (Insel 
Reichenau) und Berge. Dass Steckborn schon in ro- 
mischer Zeit eine Niederlassung gewesen, ist nicht zu 
auch einzelne Flur- und ' 



in den schwäbischen Städtebund aufnehmen. Vor der 
Schlacht bei Schwaderloh 1499 f Schwabenkriegi lagen die 
Fähnlein von Uri, Schwyz und Unterwaiden in Steckborn. 
das von Luzern in Mannenbach. Während der Zeit der 
Reformation stellte sich Steckborn ganz auf die Seite der 
neuen Lehre, doch stellte Landvogt Sonnenberg l53T>die 
Messe und damit die Parität wieder her. Bei Errichtung 
des Defensionale von 1619 zahlte Steckborn 242 waffen- 
fähige Männer. In jener Zeit ward die Stadt von einem 
schweren Gewitter heimgesucht (1630): sie hatte von 
Zürich Munition bezogen und sollte sie bezahlen; da ent- 
schuldigt sie die Verzögerung der Bezahlung damit, dass 
ein Wolkenbruch die Güter geschädigt, die Stadtmauer 
teilweise zerstört, die Schmiede weggeführt und Wege 
und Stege zerrissen habe. Während des 30jährigen Krie- 
ges blieb Steckborn vor schwerern Schädigungen be- 
wahrt. 1673 und 167* halte der Ort vom katholischen 



Landvogt Goldi viel Anfechtung zu erfahren 
in Stein gehauenen Prälatenkopfes über dem Stadttor, 
den die Stadtväter hatten entfernen lassen, weil er ver- 
wittert war. Die immer wiederkehrenden konfessionellen 
Streitigkeilen wurden 1644 durch einen Vertrag geordnet 
und beigelegt. 1766 ward die beiden Konfessionen die- 
nende Kirche neu erbaut. Steckborn besasa (neben 7 an- 
dern Orten im Thurgau) bis 1798 sein eigenes Mass und 
Gewicht. Neolithische Pfahlbauten bei der Schanz und 
imTurgi; Grab aus der Steinzeit: Einzelfunde aus der 
Römerzeit; Alemannengräber längs der Eisenbahnlinie; 
Münzen aus der Karolingerzeit im Jakobsthal. ' 



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Mi 



STE 



STK 



Steehel'Oron ; vom althochdeutschen tteoekn = Pfahl, I 
Stecken und Our = Wohnung, Haus herzuleiten. Kine I 




Steckborn von Sftdeo. 

I.etzi wird noch 1457 erwähnt. Heimat de« Geschlechtes 
lianhart, dem mehrere verdiente Geistliche angehört 
haben, des Juristen .1. M. Grallein i 1807-1849), der seinem 
Kanton grosse Dienste geleistet und ihn an der Tag- 
sat/ung vertreten hat, sowie des Juristen und Obersten 
Lahhardt i-j- 1869/. der in der thurgauischen Politik eine 
hervorragende Holle spielte. 

STECKEN BERG | Kt. Appenzell 1. R. Gem. 
Schwende i. 1817 m. Bergpyramide aus Schrattenkalk, S.- 
Schenkel eines Gewölbes ; nw. über der Seealp und 4 
Stunden von Appenzell entfernt. Wird nicht bestie- 
gen ; dagegen führt zwischen dem Berg und den 
" Türmen » ein häulig begangener Weg nach dem Sin- 
tis durch, der sich vom Aescher I Wildkirchlein) am 
Oehrle vorbei über den Messmer und den [Hauen Schnee 
hinzieht. 

STECKEN BERG iKt. Sololhurn, fiel. Ollen. Gem. 




Dor Turmhof in Slockborn. 

Kickenbach). 500 m. Von Wald umrahmtes Dorf. 600 tu 
nw. Bickenbach und 1,7 km nw. der Station Wangen 
der Linie Olten-Biel. 25 Häuser, 161 kathol. Ew. Kirch- 



gemeinde ll.igendorf. Acker- und Obstbau. Viehzucht. 
Ein Teil der Bewohner arbeilet in den Fabriken von 
Ollen. 

STECKHOLZ (OBER) (Kt Bern. Amts- 
bez. Aarwangen). 526 m. Gemeinde mit 
zerstreut gelegenen Siedelungen, zu beiden 
Seiten der Strasse Langenthal-Melchnau und 
3 km nö. der Station Lotzwil der Linie Ijm- 
genthal-Wolhusen. Postablage, Telephon ; Post- 
wagen Langenlhal-Reisiswil. Zusammen mit 
Halikcrig, llerrengasse. Hübeli. Kleben. Tri- 
nihubel, Tschäppenloch. Am Wald. Winkel 
und Wolfmalt: KJ Häuser. 523 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Lotzwil. Landwirtschaft. 3 Kä- 
se reieu. 

STECKHOLZ (UNTER) (Kt. Bern. Amts- 
bez. Aarwangen). 502 in. Gemeinde mit zer- 
streut gelegenen Siedelungen, am linksseitigen 
i .('hange des kleinen Thaies der Roth und 5 
km 6. der Station Langenthal der Linie 01- 
ten-Bern. Zusammen mit Kleinroth und Sangt : 
49 Häuser, 336 rpform. Ew. Kirchgemeinde 
Langenthal. Landwirtschaft. Käserei. Das 
ehemalige Kloster zu Kleinroth wurde 1194 
nach St. Urban verlegt. 

STECKHÜTTEORCEN Kt Bern. Amts- 
bez. Schwarzenburg). 1706 m. Alpweiden- 
rücken zwischen den Thalren der Muschervn- 
sense und der Hengstsense; 1 3 <\ Stunden sw. Schwefel- 
bergbad im Thal der Kalten Sense. 

STECK HÜTTEWALD (Kl. Bern. AmUbez. Schwar- 
zenburg). 1000-1400 m. Südl. Abschnitt des grossen Egg- 
waldes, am steilen linksseitigen Gehänge des Thaies der 
Kalten Sense. Der Wald ist von einer liefen Felsschlucht 
durchschnitten, die zahlreiche kleine Nebenadern der 
Sense sammelt. 

8TECK8HAUS { Kt. Bern. Amtsbez. und Gem. 
Trachselwald). 670 m. Gruppe von 2 Häusern, am links- 
seitigen Gehänge des Dürrgrabens und 4 km nö. der 
Station Hamsel der Linie Burgdorf-Langnau. 23 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Trachselwald. Landwirtschaft. 

STE CK NADELHORN i Kt. Wallis, Bez. Visp ) . 
4235 m. Gipfel in der Kette der Mischabelhörner, im 
Nadelgrnt zwischen Lenzjoch und Hohberghorn und 
nw. vom Nadelhorn. Zum erstenmal 1887 erstiegen. 

Kann von der Festi- oder der Mischabel- 
(Schwarzhorn)-hütle her in 6-7 Stunden erreicht 
werden. Auf der Siegfriedkarte unbenannl, dage- 
gen verzeichnet auf der Karte zu Dr. Dübis Saas 
ree und Umgebung (Bern 1902). 

STEFFEN HOF ( Kt. Aargau, Bez. Zofin- 
gen. Gem. Safenwil). 473 m. Gruppe von 2 Häu- 
sern, am linken Ufer des Mühlebaches und 1.5 
km o. der Station Safenwil der Linie Aarau-Suhr- 
Zolingen. 21 reform. Ew. Kirchgemeinde Safen- 
wil. Ackerbau und Viehzucht. 

STEFFIS BERG(Kt. Bern. Amtsbez. Konol- 
fingen. Gem. Oberthal). 927 in. Gruppe von 5 
Hausern, 2 km no. der Station Zäziwil der Linie 
Bern-Luzern. 47 reform. Ew. Landwirtschaft. 

STEFFISBURG \Kl. Bern, Amtsbez. Thun). 
600 m. Gem. und Pfarrdorf rechts der Aare, an 
der Mündung des Thaies der Zulg in die Ebene 
von Thun und zu beiden Seilen dieses in einem 
tiefen Steinbett eingedämmten Wildwassers. 2,5 
km n. Thun. Die Station Steftisburg der elek- 
trischen Bahn Burgdorf-Thun liegt 2 km w. 
vom Zentrum des Dorfes und damit nicht viel 
näher als der Bahnhof der benachbarten Stadt 
Thun. Gemeinde : 513 Häuser, 4829 reform. Ew. 
i Zunahme seit 1888: 1000 Ew.); Dorf: 139 Hauser, 
1485 Ew. Posthiireau, Telegraph, Telephon ; 
Poslwagenverbindung mit Thun, Schwarzenegg. 
Rötenbach und Heimenschwand. Elektrische 
Beleuchtung. Vortreflliches Trinkwasser. Das 
Dorf besteht aus einer von stattlichen Gebäuden 
gebildeten langen Hauptslrassc . in die von 
beiden Seilen her zahlreiche Seitengassen münden. 
Sie überschreitet mit zwei Krücken die Zulg und den 
von dieser oberhalb des Dorfes abgeleiteten Indu- 



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STE 



STE 



683 



slriekanal. welche beide ausserdem von mehreren Fuss- 
gängersteigen überbrückt sind. Am oberen Ende der 
Dorfgasse steht am rechten Ufer der Zulg auf einem Aus- 
läufer des Hartiisberges die weithin sichtbare Pfarr- 
kirche mit bemerkenswertem romanischem Turm und 
einem jungem Schür, dessen Inneres durch moderne 
und ältere Glasgemälde und eine treuliche Orgel geziert 
ist. Auf dem linken (Ter die sog. Hohen Häuser, zwei 
mittelalterliche Herrensitze. Schulhäuser an der Zulg 
und im Schwäbis. Die vielen ansehnlichen Privat gebautle 
geben dem Ort ein wohlhabendes Aussehen, sodass er zu 
den stattlichsten Dorfschaften des Kantons gerechnet 
werden kann. Er besieht aus den vier Abteilungen Au am 
linken t'fer der Zulg unterhalb der grossen Strasse Steflis- 
burg-Thun, Krlen am nämlichen Ufer oberhalb derselben, 
Eichfeld am rechten l'fer unterhalb der grossen Strasse 
und Oberzeig am nämlichen l'fer oberhalb der Strasse. 
Zu Oberzeig gehören ausser dem Dorfvierlei dieses Na- 
mens noch das an der Strasse nach Schwarzenegg ge- 
legene, aussichtsreiche Einberg, das durch den Höhenzug 
des Klosterhubels vom Thal der Zulg getrennte Thälchen 
des Dorfbaches, die Häuser auf dem Flüeli n. oberhalb 
des Dorfes und das Schnittweierbad. Zum Eichfeld 
werden ausser dieser auf dem rechten l'fer der 
Zulg gelegenen Ebene noch gerechnet die vielen 
am Abhang des Hartiisberges zerstreut gelegenen 
Höfe, der Ortbühl mit seinen Landsitzen und die 
l'ntere Bernslrasse. Erlen erstreckt sich dem 
linken Ufer der Zulg entlang, steigt bis zur Rap- 
nenlluh ob Thun herauf, senkt sich über den 
Brändlisberg in die Ebene hinunter und umfasst 
hier den oberen Teil von Glockenlhal mit der 
grossen Ziegelei, der Häusergruppe Erlen am Bö- 
senbach und den Hohen Mausern. Zu Au gehört 
die unterhalb der grossen Strasse gelegene, von 
der Üernstrasse durchzogene Ebene mit dem un- 
teren Glockenlhal, dem bis unmittelbar an die 
Tore Thuns reichenden Schwäbisquarlier, dem 
Thunspital, der Eisenbahnstation und vielen indu- 
striellen Elablissementen. Rationell betriebene 
Land Wirtschaft ; viel Gewerbe und Industrie. 
Sekundärschule. Spar- und Leihkasse. Von in- 
dustriellen Etablissemenlen sind zu nennen : drei 
Zigarrenfabriken, eine Giesserei, Haugeschafte. 
mehrere Sägen; in der Au eine Tuchfabrik und 
Bleicherei, Manufaktur für Heimberggeschirr, im 
Dorf zwei Bierbrauereien und eine im Glockenthal, 
wo sich ferner eine der ^rossten Ziegeleien der 
Schweiz und eine Fabrik kondensierter Milch 
befinden. Im Schwäbis die eidgenossische Pferde- 
KegieansL.lt. Die Quartiere Dernatrasse und Glockenlhal 
reichen bis unmittelbar an die Stadt Thun, welche hin- 
sichtlich der industriellen Tätigkeit von Steflisburg er- 
reicht wird. Geselliges Leben, zahlreiche Vereine, um- 
sichtig geleitete Armenpllege. Die von zwei Pfarrern be- 
diente Kirchgemeinde Steflisburg umfasst ausser dieser 
Gemeinde noch das an der Strasse nach Hern gelegene 
Heimberg, ferner Fahrni hoch über dem rechten Ufer der 
/.tilg und links dieses Bergbaches den Homberg, eine 
weitausgedehnte Berggegend am N. Hang der Blume. 
Sie zahlt im ganzen 7226 reform. Ew. 1133 kommt in 
der Kloatergründungsurkunde von Interlaken ein Ritter 
Egilolfus von Stevensburc als Zeuge vor. Später linden 
wir die Familie von Matten daselbst begütert. Im ersten 
Drittel des 14. Jahrhunderts erscheint ein Walther von 
Scharnachthal als Besitzer von Grundstücken in Steflis- 
biirg, die dann durch Erbschaft an die von Kien und 14()l 
von diesen zunächst an Petermann von Krauchthal und 
Johann von Muhleren, sodann an Vinzenz Malter, einen 
reichen Kaufmann von Bern, übergingen. Dessen Enkel 
Heinrich Matter (geb. 1428. Schultheis* I V.O. von Kaiser 
Maximilian I V.O in Rom zum Ritter geschlagen), ein her- 
vorragender bernischer Staatsmann, war Besitzer einiger 
Mühlen in Steflisburg, sowie der sog. Hohen Häuser, die 
wahrscheinlich unter ihm erbaut wurden. Nach seinem 
Tod 1508 gelangten diese Güter an seinen Schwiegersohn 
Ludwig von Allry aus Freiburg, dessen Sohn Franz die- 
selben 1538 an Reinhard von Wattenwvl verkaufte, in 
dessen Familie sie dann längere Zeit blieben. Steflisburg 
bildete ein Freigericht, das den Namen ■■ Kälterlisamt I 



trug und die Pfarreien Steflisburg. Schwarzenegg, Sigris- 
wil und einen Teil der Pfarreien Thun, Hilterlingen und 
Oberdiessbach umfasste. Dieses Gericht war in die beiden 
Bauernaufstände 1611 und 1653 verflochten. Vorder Kanali- 
sation der Zulg waren das Dorf Steflisburg und die Ebene 
gegen die Aare bei Hochwasser durch Ueberschwemmung 
stark gefährdet. Besonders schwer litt der Ort unter 
der Ueberschvvemmnng von 1585. Pestepidemien 1584 
und 1577. Die Kirche von Steflisburg lag im Dekanat 
Münsingen des Bistums Konstanz und war dem Ii. Andreas 
geweiht. Berchtold von Rüti. Propst von St. Lrsus in 
Solothurn und Domherr von Basel, schenkte mit seinem 
Bruder im Jahre 1285 den Kirchensatz von Steflisburg 
dem Kloster Interlaken. widerrief aber 1298 diese Schen- 
kung zu gunsten des Klosters Fraubrunnen. Daraus ent- 
spann sich ein langer Streit zwischen den beiden Klöstern, 
der 125X1 dahin entschieden wurde, dass Frauhrunnen 
einige Güter, Interlaken aber den Kirchensalz und das 
Patronatsrecht erhielt, welche Rechte bei der Reformation 
1528 an den Staat übergingen. Im Jahr 145)1 war die 
Kirche neu erbaut worden. 1536 wurde ein grosser Be- 
zirk von der Pfarrei Thun abgetrennt und aus Zweck- 




in StsflUhurg. 

mässigkeilsgriinden derjenigen von Steflisburg zugeteilt. 
Dieser Bezirk umfasste einen Teil des Homberges. das 
linke Ufer der unteren Zulg bis an die Aare, den Harths 
berg, den Heimberg und den Hasliwald bis an die Roth- 
achen. Dagegen wurde 165)2 das ausgedehnte Berggebiet 
von Schwarzenegg und Eriz von Steflisburg getrennt und 
zur eigenen Pfarrei erhoben. 1682 wurde die Kirche 
niedergerissen und neu aufgeführt, mit Ausnahme des 
romanischen Turmes, dessen drei Geschosse Rundbogen- 
friese zeigen und noch die alten Rundhogenfciisier auf- 
weisen. Fund eines Bronzebeiles. Der Name Steflisburg 
ist vom Personennamen Stefan herzuleiten. 

STEFFISHORN (Kt. St. Gallen, Bez. und Gem. 
TablaO. »187 in. Gruppe von 4 Häusern auf einer durch- 
halten Hochebene; 1,6 km no. der Station St. Fiden der 
Linie St. Galleri-Rorschach. 28 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
St. Gallen. Wiesen-, Acker- und Obstbau, Viehzucht. 

STEG (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald, Gem. Su- 
miswaldi. 835 m. Gruppe von 6 Häusern aufder Schonegg : 
3.5 km nö. Sumiswald und 8 km nö. der Station Ramsei 
der Linie Burgdorf- Langnau. 36 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Sumiswald. Landwirtschaft 

steq (Kt. Wallis. Bez. Westlich Raron). 650 m. Gem. 
and Pfarrdorf links der Ausmundung der Lonza ins Rhone- 
thal, zwischen Leuk und Visp und 1 km n. der Station 
Gampel der Simplonbahn. Eine Brücke über die Lonza 
verbindet Steg mit dem am gegenüberliegenden Ufer be- 
findlichen Itorf Gampel des Bezirkes Leuk. 48 Häuser, 
388 Ew. (wovon 13 Reformierte). 1307 : zen Stegen. Vergl. 
auch den Art. Gaupel. 



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G84 STE 

STEG (Kt. Zürich, Bez. Hinwil. Gem. Fischern»*!}. 
700 m. Gruppe von 5 Häusern im Togsthal, 3 km nno. 
Fischenlhal. Station derTössthalbahn (Winterlhur-Wald). 
Postbureau, Telephon. 39 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Fischenthal. Wiesenbau. Stickerei. Eine mechaniache 
Weberei. 

•TEQ (OBER) (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Simmen- 
thal. Gem. St. Stephan). Weiler. S. den Art. Oiiehstkc. 

STEQ (OBER und UNTER) (Kt. Aargau, Dez. Kulm, 
Gem. Ober Kulm). 48T» und 476 m. So heissendle beiden 
daa Dorf Ober Kulm bildenden Quartiere. S. den Art. 
Kulm (Oueh). 

STEGACKER (Kt.Schwyz, Bez. Höfe, Gem. Wollerau). 
530 m. S. -Abschnitt des Dorfes Wollerau, an fruchtbarer 
Halde zwischen den Strassen nach Schindellegi und iloa; 
300 m w. der Station Wollerau der Linie Rapperswil- 
Einsiedeln-Arlh Goldau. 8 Häuser, 74 kalhol. Kw. Kirch- 
gemeinde Wollerau. Wein-, Obst- und Gemüsebau. 

STEG BACH (Kt. Bern, Auilabez. Thun). 1000-625 m. 
Linksseitiger Zulhiss derZulg; entspringt am Homberg 
und flietst auf eine Strecke von 2,5 km mit steilem Ge- 
fälle gegen NW. 

8TEQBRÜCKI (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen, Gem. 
Adelboden). 1090 m. Eiserne Strassenbrücke über die 
Krittligen, zwischen Frutigen und Adelboden und 8 km 
s. Frutigen. Grosser Bogen von 70 m Höhe. Nahe dabei 
eine Gastwirtschaft und das Postboreau des Dorfes Ach- 
selen. Etwas oberhalb der Brücke befindet sich der Poch- 
tenkessel, zu dem verschiedene Fuaswege hinaufführen. 

STEGEN (Kt. St. Gallen. Bez. Tablat. Gem. Häggens- 
wil). 602 m. Gruppe von 8 Häusern, 6 km nw. der Station 
Mörswil der Linie St. Gallen-Borschach. 53 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde IhiggenswU. Viehzucht. Käserei. 

STEGEN (Kt. Zürich Bez. Hinwil, Gem. Wetzikon). 
Weiler. S. den Art. Stäoen. 

STEGEN (Kt. Zürich, Bez. Winterthur, Gem. Bert- 
schikon). 548 m. Gemeindeabteilung und Weiler, 2 km 
b. der Station Islikon der Linie Zürich- Winterthur-Ro- 
raanahorn. Zusammen mit Bewangen und Sammelsgrüt : 
12 Häuser, 60 reform. Ew.; Weiler: 7 Häuser, 33 Ew. 
Thurgauische Kirchgemeinde Gachnang. Wiesenbau. 

STEGEN BACH (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen). 2500 
ra. Wildbach; entspringt den Felsendes Dümlenhorn*. 
durchfliegst die Unter Giesenenalp, erreicht hinler dem 
Weiler Mithol/ den Kandergrund und mündet etwas ober- 
halb des Blausees von rechts in die Kander. Fliesst gegen 
W. und ist 5 km lang. Der Stegbach ist ein gefährliches 
Wildwasser, das hei Hochwasser gewaltige Geschiebe- 
mengen führt und deshalb in Bälde verbaut werden 
soll. 

STEGEN TO BEL. (Kt. Graubünden, Bez. l'nter Land- 
ciuart). 22001250 m. Wildbachrunse ; fallt von der Alp 
Fasons am S -Fuss der Scesaplana gerade nach S. und 
vereinigt sich dann mit dem grossem Va Isertobel, das 
sich seinerseits wieder mit dem Ganevertobel zu dem bei 
Grusch ins Prätigau ausmündenden Taschincstobel ver- 
einigt. Durch das fast durchweg bewaldete Stegentobel 
führt einer der Hauptwege von Seewis zum Scesaplana- 
haus, dem wichtigsten schweizerischen Ausgangspunkt 
für Scesaplanabesteigungen Der Weg betritt aber das 
Tobel nicht an dessen Mündung, sondern beträchtlich 
weiter oben, indem er von Ganey (P , Stunden hinter 
Seewis) in weitem Bogen um den bewaldeten Bücken des 
Leideck herumzieht. Nach oben findet das Stegentobel 
seine Fortsetzung im Schafloch, einer von der Alp Fasons 
steil durch die S.-Wand der Scesaplana, bezw. de» Alp- 
steins aufsteigenden, bald breiteren, bald engeren Feis- 
und Schultrinne, die früher einen Hauptzugang zur Scesa- 
plana bildete, jetzt aber selten mehr benutzt wird. 

STEGH ALOEN (Kt. Bern. Amtsbez. Thun, Gem. Am- 
soldingen). 641 m. Gruppe von 5 Mausern, an der Strasse 
Thun-Amsoldingen und 4 km sw. vom Bahnhof Thun. 38 
reform. Kw. Kirchgemeinde Amsoldingen. Viehzucht. 
Gastwirtschaft mit prachtvoller Aussicht auf den Thuner- 
see und die Alpen. Die Häuser liegen am Hand der Mo- 
ränenhügel über dem Glütschbachthal und der Tliuner 
Allmend. Die Strasse windet sich mit einer grossen 
Schlinge den steilen Hang hinauf, an dessen Fuss bis 1714 
die Kander floss. Schon 1328 wird ein Steg iibcr die 
Kander erwähnt, für welchen das Kloster Amsoldingen 



STE 

einen Brückenzoll erhob. Nach diesem Steg haben Hau- 
sergruppe und Berghang den Namen erhalten. 

STEGHORN (Kt. Bern und Wallis). 3152 m. Gipfel 
im Gebirgastock des Wildstrubel, zwischen dem Gross- 
slrubel und dem Thierhorn Ii und w. über der Gemmi. 
Kann vom Hotel Wildstrubel auf der Gemmi in 3',', oder 
von der Engstligenalp her in 4 Stunden erstiegen werden, 
wird aber wegen der Nähe des Wildstrubel nur selten 
besucht. 

STCGMJETTLI (Kt. und Amt Luzern, Gem. Malters). 
500 m. Gruppe von 7 Häusern, am rechten Ufer der 
Emme und 3 km ö. der Station Malters der Linie Bern- 
Luzern. 44 kathol. Ew. Kirchgemeinde Malters. Ackerbau 
und Viehzucht. 

STEG MATT (Kt. Bern. Amtsbez. Se fügen. Gem. 
l'ttigen). 545 m. Gruppe von 6 Häusern, am linken Ufer 
der Aare und 400 m sw. der Station Uttigen der Linie 
Bern-Thun. 57 reform. Ew. Kirchgemeinde Kirchdorf. 
Landwirtschaft. 

STEGMATT (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald, Gem. 
Eriswil). 808 m. Gruppe von 3 Häusern. 700 m nö. Eris- 
wil und 5.5 km sö. der Station Huttwil der Linie Langen- 
thal- Wolhusen. 27 reform. Ew. Kirchgemeinde Eriswil. 

STEGMATT (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald. Gem. 
Sumiswaid). 770 m. Gruppe von 9 Häusern am rechtsseiti- 
gen Gehänge des Hornbachgrabens, 500 m nö. Wasen und 
9,5 km nö. der Station Ramsei der Linie Burgdorf- Lang- 
nau. 55 reform. Ew. Kirchgemeinde Wasen. Landwirt- 
schaft. Weberei. Eine mechanische Schreinerei. 

STEGMATTE (Kt. Bern. Amt» bez. Interlaken, Gem. 
Brienz). 570 m. Gruppe von 4 Häusern, am linken l'fer 
der Aare und am Fuss des Brienzerberges. 3 km sö. der 
Station Brienz der Brünigbahn (Luzern-Brienz). 22 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Brienz. 

STEGMATTE (Kt. Hern, Amtsbez. Interlaken, Gem. 
Lütschenthal). 720 m. Weiler am rechten Ufer der Lüt- 
schine und bei der Station Lütschenthal der Linie Inter- 
laken-Zweilütachinen-Grindelwald. 10 Häuser, CO reform. 
Ew. Kirchgemeinde Gsteig. Viehzucht. 

STEGMATTEN (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken, 
Gem. Lauterbrunnen). 870 m. Gruppe von 4 Häusern, 
am rechten Ufer der Lütachine oberhalb der Einmündung 
der Trümmelbachschlucht ins Lauterbrunnenltial ; 3,5 
km s. der Station Uuterbrunnen der Linie Inlerlaken- 
Lauterbrunnen. 26 reform. Ew. Kirchgemeinde Lauter- 
brunnen. 

8TEOROTI (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggenbnrg, 
Gem. Ebnat). 628 m. 6 in einer von den Gemeinden Kap- 
pel und Wattwil umgebenen Exklave der Gemeinde Eb- 
nat zerstreut gelegene Häuser, am rechten Ufer der Thür 
und 1,8 km nw. der Station Ebnat-Kappel der Toggen- 
burgerbahn. 28 reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden 
Ebnat und Kappel. Viehzucht. Stickerei. 

STEHRENBERG (Kt. Thurgau. Bez. Weinfelden. 
Gem. Bussnang). 581 m. Weiler; 3.5 km a. Busanang und 
6,5 km sw. der Station Weinfelden der Linie Zürich- 
Winterthur-Romanshorn. Poetablage. 14 Häuser. 61 re- 
form. und kathol. Ew. Kirchgemeinden Buaanang. Obst- 
und Wiesenbau, Wald. Maschinenstickerei. 

st ei EN (Kt. Bern, Amtsbez. Schwarzenburg, Gem. 
Wahlern). 867 m. Gruppe von 4 Häusern ; 3.4 km sö. der 
Kirche Wahlern und 3,5 km ö. der Station Schwarzen- 
burg der Bcrn-Schwarzenhurgbahn.31 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Wahlern. Ijindwirtschaft. 

8TEIEN (Kt. Luzern, Amt Entlehnen. Gem. Eacholz- 
matt). 982 m. Zwei Höfe; 3,5 km nö. der Station Escholz- 
matt der Linie Bern-Luzern. 23 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Escholzmatt. Viehzucht. 

STEIG, STEIOLEN, 8TEIGLI. Ortsnamen der 
N.- und O. -Schweiz; in den Kantonen Aargau. SchafT- 
hausen, Zürich (30 mal), Thurgau, St. Gallen (16 mal). 
Appenzell und Graubünden häufig vorkommend, in Bern, 
Luzern, Freiburg und Schwvz dagegen nur je einmal an 
zutreffen. Vom althochdeutschen ttetga - steiler Fuss- 
weg, Bergstrasae. 

STEIG (Kt. Aargau, Bez. Zurzach, Gem. Lengnau). 
440 m. Weiler, 500 m n. Unter Lengnau und 7,5 km so. 
der Station Döttingen der Linie Turgi-W r aldshut. 12 Häu- 
ser. 65 kathol. Ew. Kirchgemeinde Lengnau. Acker- und 
Weinbau, Viehzucht. 



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STE 



STE 



085 



STEIG i Kt. Appenzell A. R., Mittelland, Gem. Bühler). 
840 m. Weiler 1 lern w. der Station Bühler der Slrassen- 
bahn St. Gallen-Gaia-Appenzell. 15 Häuser, 96 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Buhler. Druck Wasserversorgung 
Wiesenbau. Weberei. 

STEIG (Kt. Appenzell I. R., Gem. Appenzell). 791 m. 
Gruppe von 6 Häusern auf einer Anhöhe mit schöner Aus- 
sicht, an der Strasse Appenzell- Haslen und 1,5 km nw. der 
Station Appenzell der Appenzellerbahn (Winkeln-Herisau- 
Appenzell). 77 kathol. Ew. Kirchgemeinde Appenzell. 
Viehzucht. Handstickerei. Waisenhaus des Kantons 
Appenzell I. R. mit einer dem h. Karl Borromäus ge- 
weihten Kapelle. 

STEIG (Kt. Graubünden, Bez. Unter Landquart. Kreis 
Maienfeld, Gem. Fläsch). 715 m. Zwei Häuser auf dem 
.Maienfehl mit dem Fürstentum Liechtenstein verbinden- 
den l'assübergang der Luzisteig; 1 km onö. Fläsch. 10 
reform. Ew. Kirchgemeinde Maienfeld. In der Nähe steht 
eine elegante kleine gotische Kirche, deren Restauration 
von der schweizerischen Gesellschaft zur Erhaltung 
historischer Kunstdenkmäler geplant wird. 

STEIG (Kt. St. Gallen. Bez. Neu Toggenburg, Gem. 
Brunnadern). 720 m. Gruppe von 9 Häusern ander Strasse 
von Lichtensteig nach Brunnadern und nach St. Peters- 
zell, 2 km w. der Gabelung dieser Strassen und 5 km <>. 
der Station Lichtensteig der Toggenburgerbahn. Tele- 
phon. 54 zur Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemeinde 
Brunnadern. Wiesenbau und Viehzucht. Stickerei und 
Weberei. In der Nähe die Burgruine Neu Toggenburg. 

STEIG (Kl. St. Gallen, Bez. Tablat. Gem. Wittenbach). 
630 m. Gruppe von 3 Häusern auf der Höhe zwischen 
dem Tobel der Sitter und dem Bruggwald, ander Poststraase 
Kronbühl-Bernhardzell und 4 km nw. der Station St. Fi- 
den der Linie StGallen-Rorschach. 17 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Wittenbach. Wiesen- nnd Obstbau. 

STEIG (Kt. St. Gallen, Bez. Unter Rheinthal, Gem. 
Thal). 475 m. Gruppe von 6 Häusern auf einer fruchtbaren 
Anhöhe, 2 km sö. der Station Staad der Linie Rorschach- 
Sai^ans-Chur. 30 reform, und kathol. Ew. Kirchgemein- 
den Thal und Buchen. Acker-, Obst-, Wein- und Wiesen- 
bau, Viehzucht. Molassebruche. Handstickerei. 

STEIG oder STIEG (Kt. St. Gallen, Bez. Werden- 
berg, Gem. Sennwald). 454 m. Weiler, an der Strasse 
Salez-Sennwald-Frümsen-Sax- Garns und 5,5 km sö. der 
Station Salez der Linie Borschach-Sargans-Ghur. 12 Häu- 
ser, 67 reform. Ew. Kirchgemeinde Sax. Wiesen-, Mais- 
und Obstbau, Viehzucht. 

STEIG (Kt. Thurgau, Bez. und Gem. Kreuzlingen). 
Teil von Klk/.kickemiacii. S. diesen Art. 

STEIG (Kt. Thurgau, Bez. Münchwilen, Gem. Bichel - 
see). 680 m. Gruppe von 5 Häusern, 2 km s. Bichelsee 
und 5 km sw. der Station Eschlikon der Linie Zürich- 
Winterthur-St. Gallen. 25 kathol. und reform. Ew. Kirch- 
gemeinden Bichelsee und Dussnang. Wiesen und Wald. 
Steig bildet einen kleinen Sehulkreis. 

steig (Kt. Zürich, Bez. ßülacb, Gem. Eglisau). 370 m. 
NW. -Abschnitt der kleinen Stadt Eglisau am Rhein. 25 
Häuser, 125 reform. Ew. Kirchgemeinde Eglisau. Wein- 
bau. S. den Art. Eoi.isad. 

STEIG (HINTER und VORDER) (Kt. St. Gallen, 
Bez. Rorschach, Gem. Morswil). 645 m. Zwei Gruppen 
von zusammen 4 Häusern, 3 km s. der Station Morswil 
der Linie St. Gallen-Borschach. 31 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Morswil. Wiesen- und Obstbau, Viehzucht. 
Stickerei. 

STEIG (NEUE) (Kt. Appenzell A. R., Hinterland, 
Gem. Herisau). Quartier von llerisau. an der Strasse von 
da nach Schwellbrunn. 6 Häuser, 104 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Herisau. Grosse Appretur. Vergl. den Art. 
Hekisau. 

STEIG (ZUM)(Kt. Freiburjr, Bez. Sense, Gem. Wün- 
nenwil). 007 m. Gruppe von 4 Häusern auf einer die 
Thäler der Sense und des Tafersbaches beherrschenden 
Anhöhe ; 1 ,5km w. der Station Flamatt der Linie Bern-Froi- 
burg. Von schönen Waldungen umrahmt und in frucht- 
barer und gut angebauter Gegend. 26 kathol. Kw. deut- 
scher Zunge. Kirchgemeinde Wünnenwil. Acker- und 
Obstbau, Viehzucht. 

STEIGBERG, STEIGRÜCK unJ 8TEIQTOBEL 
(Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart und Albula). Der 



Steigruck bildet die rechte Seite der sog. Züge, der be- 
kannten Schlucht, in die sich das Davoserthal nach unten 
verengt. Die zahlreichen Lawinenrinnen oder Lawinen- 
züge, die durch die Steilwand des Steigrück in die Schlucht 
hinabfallen, haben dieser eben den Namen der «Züge» 
verschalTt. Der Steigrück steigt vom sog. Bärentritt am 
untern Ende der Züge nach NO. bis zum Steigberg hinauf 
und schliesst sich dann au den breitrückigen Kamm des 
Altein. Im NW. wird der Steigrück begrenzt durch das 
Steigtobel, das, bei trockenem Wetter ohne Bach, vom 
Sleigberg nach SW. fällt und sich ö. Wiesen mit dem 
Sägentobel vereinigt. Steigrück und Steigtobel sind bis 
in eine Höhe von über 2000 m fast durchweg dicht be- 
waldet. Erst am Steigberg (2000-2200 m) lichtet sich der 
Wald und wird dann durch die weiten Alpllächen des 
Altein ersetzt (bis 2500 m). Von Wiesen führt ein Fuss- 
weg quer durch das Brückenlobel und das Sägen tobel in 
das Steigtobel und durch dieses hinauf zum Steigberg 
(Hütte bei 2008 m). Von diesem Weg zweigt sich im Sägen- 
tobel ein zweiter ab, der in weitem Bogen durch den un- 
tern Teil des Steigtobels nach dem Steigmäder (1618 m) 
am SW. -Abfall des Steigrück und dann durch die Wand 
der Züge hoch über der jetzigen Strasse nach Glaris führt. 
Es ist dies der alle, im Sommer immer noch gangbare, 
hochromantische, im Winter aber höchst lawinengefahr- 
liche Weg von Wiesen nach Bavos. Vom Steigmäder end- 
lich führt ein guter Wald- und Alpweg über den Steig- 
rück nach dem Steigberg. 

STEIGBRUNNEN (Kt. Aargau, Bez. Zurzach, Gem. 
Klingnau). 325 m. NW. -Ende des Dorfes Klingnau; 1,5 
km nw. der Station Klingnau-Dottingen der Linie Turgi- 
Waldshut und am rechten l'fer der Aare. 10 Häuser, 51 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Klingnau. Acker- und Wein- 
bau, Viehzucht. 

STEIGEN BACH (Kl. und Bez. Schwyz). 1253-417 m. 
Bach ; entspringt nö. Arth zwischen dem Rossberg und 
dem Rüfiberg. sammelt die vom Ochsenboden (1IG8 m), 
Rosssund (1383 m) und der Wartegg (1253 m) herkom- 
menden Wasser, durchmesst den Bannwald und die Höfe 
Klein Rossberg, geht unter der Bahnlinie Zug-Walchwil- 
Goldau durch und mündet bei der Käppelimatt 1 km no. 
Arth von rechts in den Zugersee. 3 km lang. 

STEIOKORP (Kt. Appenzell I. R.). 928 m. Be- 
waldeter Nagelfluhkopf 3 km nnw. Appenzell. Bildeleinen 
Ausläufer des von der Hundwilerhöhe zum Gäbris zie- 
henden und von der Silier durchschnittenen Nagelfluh- 
kammes. 

STEIGLEN ( Kt. Bern, Amlsbez. Seftigen, Gem. 
Büeggisberg). 790 m. Gruppe von 7 Häusern, über dem 
rechten L'fer des Schwarzwassers und 5 km nw. Rüeggis- 
berg. 42 reform. Ew. 
genbau und Viehzucht. 

8TEIQLENBACH (Kt. Luzern, Amt Entlebuch). 
1900-824 m. Bach; entspringt am W. -Hang der Schrat- 
ten flu h, Iii esst auf eine Strecke von 6 km nach NW. bis 
Marbach, wo er den Namen Marbach erhält, wendet sich 
nun auf 2,5 km Länge nordwärts und vereinigt sich mit 
dem Hilferenbach zur Iltis. Von Nebenadern kommen ihm 
der Langmoosweidbach und der Fluelisbach zu. Umfaast 
ein Einzugsgebiet von 8,1 km*. Im r'lüelisbach hat man 
Thalsperren angebracht, wie auch der Sleiglenbach selbst 
von der Mündung des erstem an bis zum Schonbach kana- 
lisiert worden ist. 

8TEIGNUEDER (Kt. Graubünden, Bez. Albula, Kreis 
Bergün, Gem. Wiesen). 1618 m. Magere Alpweide an 
dem nach S. geneigten Hang, der sich vom Sleigrück 
zum Davoser Landwasser hinunterzieht; 2 km ö. Wiesen. 

STEIGRÜCK (Kl. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart und Albula). Bechtsseitiger Thalhans der Züge. 
S. den Art. Steicuerc. 

STEIGS (Kl. St. Gallen, Bez. Sargans, Gem. Meist. 
600 m. 19 an den fruchbaren Gehangen zwischen Mels 
und Weisstannen zerstreut gelegene Häuser; 2,5 km sw. 
der Station Mels der Linie Weesen-Sargans. 199 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Mels Obst- und Wiesenbau, Vieh- 
zucht. Eineposse Baumwollenfabrik (Weberei und Spin- 
nerei). Schafenstein. 

STEIGTOBEL (Kt. Graubünden, Bez. Ober Land- 
quart). Tobel. S. den Art. Steküiero. 

8TEIQWALD (Kt. Graubünden, Bez. Unter Land- 



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STE 



STK 



quart. Kreil Maienfeld. Gem. Maienfeld und Fläsch). 700 
m. Wald rechts der Strasse über die l.umteig. 2 Um n. 
Maienfeld. Etwa 300 ha Fläche. 

steilen (ALP) (Kt. Graubünden. Bez. Hinter- 
rhein. Kreia Rheinwald. Gem. Sufers). 2160 m. Alpweide 
in einem Bergkesxel zwischen dem Cufercalhorn im N.. 
dem Steilerhorn im SW. und dem Stutzhorn im SO. 

STEILERHORN ( Kt. Graubünden. Bez. Hinter- 
rhein). 9983 m. Gipfel der Splügner Kalk- und Dolomit- 
berge, zwischen dem Teurihorn und dem Alperachelli- 
horn und 3.5 km n. vom Dorf Spinaen. Ist wie alle Gipfel 
der Splügner Kalkberge eine wilde und zerrissene Fels- 
geslall, die aber doch von Sufers aus durch das Thälchen 
der Alp Steilen ohne grosse Schwierigkeiten erstiegen 
werden kann. 

stein, steinen . Ortsnamen der deutschen 
Schweiz; in allen deutschen Kantonen vereinzelt anzu- 
treffen, am häufigsten in Appenzell l17 mal), St. (■allen 
Iii mall und Zürich (5 mal). In Zusammensetzungen 
hunderte von Malen auftretend. Bezeichnet zunächst 
einen Fels, dann der Reihe nach ein steiniges Feld, 
ein steinernes Haus, eine Veste auf einem Felskopf etc. 

STEIN (Kt. Aargau. Bez. Baden, Gem. Ober Ehren- 
dingen). 600 m. Weiler; 1.2 km aö. Ober Ehrendingen 
und t km nö. der Station Baden der Linie Zürich-Brugg. 
13 Häuser, 83 kathol. Ew. Kirchgemeinde Ehrendingen. 
Weinbau und Viehzucht. 

stein (Kt. Aargau, Bez. Rheinfelden). 303 m. Gem. 
und Pfarrdorf am linken Ufer des Rhein; 11,5 km osn. 
Rheinfelden. Station der Linien Zürich -Bnigg-Basel und 
Winterlhur- Bulach - Koblenz- Basel. Poatbureau. Tele- 
graph. Telephon. 83 Häuser, 566 Ew. (wovon 98 Refor- 
mierte). Kaili. iL Pfarrei. Ackerbau und Viehzucht. Seiden- 
bandweberei. Wirkerei und Stickfabrik. Gegenübersteht 
am rechten Bheinufer das von Josef Viktor von Scheffel 
mit seinem Tronifieter von Särkingen verherrlichte 
Städtchen Sackingen, zu dem eine sehr alte, 215 m 
lange gedeckte llolzhrücke hinüberfuhrt, deren schwei- 
zerische Hälfte 1798 von den im Rückzug befindlichen 
Franzosen in Brand gesteckt worden ist. Aussichtsturm 
auf der « Fluh • mit schönem Blick aufs Rheinthal von 
Waldshul bis Ba«el, auf die Vogesen und die Alpen der Ost- 
schweiz. Die im Dorf Stein einst vorhandenen Reste eines 
römischen Wachtturmes sind heute nicht mehr sichtbar. 

stein (Kt. Appenzell A. R., Hinterland). 827 m. 
Gem. und Pfarrdorf, an der Strasse Waldstatt-Teufen und 
4 km s. der Station Brüggen der Linie Zürich - Winter- 
thur-St. Gallen. Postbureau, Telegraph, Telephon; Post- 
wagen Teufen -Herisau und Automobil wagen St. Gallen- 
Waldslalt. Gemeinde, mit Bisersweid. Boden, Brand. 
Grunhol* , Hagtobel, Rämsen, Schachen. Sonder und 
Slörgel : 329 Häuser. 1787 Ew. (wovon 182 Katholiken) ; 
Dorf : 25 Häuser. 128 Ew. Wiesenbau. Stickerei und 
Musslinweberci. Steinbrüche. 1811 gestiftetes Armen- 
haus. Armenhilfsverein. Stein ist 1749 als eigene Ge- 
meinde von Hundwil abgetrennt worden. Vergl. Wupf, 
E., und J. Walser. Jubiläum* feier zur Erinnerung an 

















jLSlTS 












Stein lAppanzell) von Süden 



ilir Gründung und den hundertjährigen Bestand der 
Gemeint!!- Stein. Herisau 1819. 

STEIN | Kt. Appenzell A. R., Mittelland. (lern. Teufen). 



890 m. Weiler; 2,5 km nö. der Station Teufen der Stras- 
senbahn St. Gallen-Gais-Appenzell. Zusammen mit Stein- 
egg: 9 Häuser, 44 reform. Ew. Kirchgemeinde Teufen. 
Milchwirtschaft. 

STEIN (Kt. und Amtsbez. Bern. Gem. Oberbalm/. 
890 m Gruppe von 3 Häusern, 2 km so. Oberbalm. 27 
reform. Ew. Kirchgemeinde Oberbalm. Landwirtschaft. 

STEIN (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Hasle, Gem. Gadmenl. 
1866 m. Alpweide mit Gasthof am Weg über den Susten- 
pass. im obersten Gadmenlhal und vor der Zunge de« 
Steingletschers. 2 ty« Stunden über Gadmen ; Aufstieg 
vom Gasthof Stein zur Passhöhe in 1 . Stunden. Die bis 
Stein reichende Fahrstrasse soll in Balde auch über den 
Pass fortgeführt werden. Ausgezeichnetes Standquartier 
für Ausflöge und Touren in schöner, noch wenig be- 
suchler Hochgebirgslandschaft : Uratslöcke ( 2909 rn j. 
Fünflingerstocke ( 3002 m ). Giglistock (2900 m). Thier- 
berge (3343 m). Gross und Klein Sustenhorn (3512 und 
3:120 mi; Sustenpass |22A2 m) von Stein nach Wa»sen 
an der Gotthardstrasse |5 Stunden), Sustenlimmi (3103 
mi von Stein nach der Göscheneralp (7 Stunden), Wen- 
denjoch (2604 m) von Stein nach Engelberg 1 10 Stunden;, 
sowie Steinlimmi (2734 m) und Triftlimmi (3135 in nach 
Gletach (12 Stunden). Ein kleiner Gasthof stand in Stein 
schon seit dem Jahr 1835. 

STEIN oder OBER STEIN (Kt. Bern. Amtsbez. 
Ober Hasle, Gem. Meiringen). 600 in. Teil des Dorfes 
Meiringen. am linken 17er des Mühlebach und 500 m 
ö. der Station Meiringen der Brünigbahn 1 Luzern-Hrieoz). 
49 Häuser, 337 reform. Ew. Kirchgemeinde Meiringen. 
Landwirtschaft. Fremdenverkehr und Hotelweaen. l'eber 
den Häusern erhebt sich die Burgruine Resti. 

STEIN (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Rheinthal. Gem. 
Alt«tf.tten • 781 m. Gruppe von 7 Häusern, 7 km w. der 
Station Altslatten der Linie Borschach - Sargans - Chur. 
30 reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden Alütfälten. 
Wiesen- und Obstbau, Viehzucht. 

STEIN (Kt. St. «.allen. Bez. Ober Bheinthal. Gem. 
(ibernet . 700 m. Weiler am SO. -Hang des Kienbergs, 
4 km sw. der Station Oberriet der Linie Rorschach-Sar- 
gans-Chur. II Häuser, 40 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Kobelwald. Wallfahrtsort Freienbach. Wiesenbau und 
Viehzucht; Holzhandel. Schone Auasicht. 

STEIN (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Toggenburg). 840 
m. Gem. und Pfarrdorf zu beiden Seiten der Thür, an der 
Strasse Ebnat-Buchs (im Rheinthal) und 11 km sö. der 
Station Ebnat-Kappel derToggenburgerbahn. Poslbureau. 
Telegraph, Telephon ; Postwagen Kbnat-Ruchs. Gemeinde: 
117 Häuser, 611 Ew.. wovon 377 Reformierte und 234 
Katholiken; Dorf: 63 Häuser, 345 Ew. Reform, und 
kathol. Pfarrei. N. vom Dorf steht der Stockberg, ö. der 
Schindelnberg, s. der llädernherg und sw. der Goggeien. 
Die Gemeinde gehört zu den kleinsten dea Kantons und 
umfasst 9 Alpweiden, von denen drei eine Fläche von je 
über 100 ha haben. Das im hier malerischen und engen 
Thal der Thür liegende Dorf Stein ist nicht sehr beträcht- 
lich und umfasst die rechtsufrige Häusergruppe um 
die vom Kloster St. Johann 1497 erbaute, 
dem hi Gallus geweihte und jetzt beiden 
Konfessionen dienende kleine Kirche, daa 
rechtsufrige Quartier ■ In den Erlen • läng» 
der Landsirasse und das linksufrige Ouartier 
Breitenau. Viehzucht und Viehhandel. Stickerei. 
Ausgangspunkt für die Besteigung von Stock- 
berg, Schindelkamm. Selun und Speer. Der 
Ort Iiiesa ursprünglich Breitenau und gehörte 
den (irafen von Monifort, die ihn 1180 dem 
Kloster St- Johann abtraten. Die benachbarte 
Burg Slarkenatein war der Beihe nach Eigen- 
tum der Monifort, der Grafen von Toggen- 
bürg und dea Klosters St. Johann. Nach ihr 
erhielt dann der um den Hof Breitenau all - 
mählig sich ansiedelnde Häuserkomplex seinen 
heuligen Namen Stein. 

STEIN (Kt. St. Gallen. Bez. Borschach. 
Gem. Eggerariet I. 914 m. Sechs auf sonniger 
Anhohe zerstreut gelegene Häuser, 6 km sw. 
der Station Schwendi der Bergbahn Rorschach-Heiden. 
33 kathol. Ew. Kirchgemeinde Kggersriet. Viehzucht. 
Stickerei. Brüche auf Molasse. 



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STK 



STE 



Ü87 



STEIN. Be/iiik des Kantons SchaMiaueen. Grenzt im 
N.. \V. und 0. an da« Grossherzogtum Kaden und im S. 
an den Khein, der ihn vom thurgau- 
ischen Rexirk Steckborn trennt. Er 
bildet somit eine territoriale Kxkla\e 
•eines Kantons. "2756 ha Fläche. l'm- 
fasst die drei Gemeinden Hrmishofen. 
Ramsen und Stein am Rhein. K28 
Haushaltungen in 557 Häusern; 3362 
Ew., wovon 2330 Reformierte und 1026 
Katholiken ; 3306 Ew. deutscher. 40 
französischer, II italienischer und 6 
andrer Sprache. Slein bildet zusammen 
mit Hemishufen eine reformierte Pfar- 
rei, während Ramsen konfessionell ge- 
mischt ist. Die Viehstatistik hat fol- 



Wie ein glänzendes Juwel liegt es mit seinem schlanken, 
hochragenden Turm und seinen erkerreichen, mit Fresken 





IBM 


1901 


t'.i..; 


Rindvieh . . 


i-r.fi 


1154 


I29K 


Pferde . . . 


113 


Kk'l 


1« 


Schweine . . 


923 


KC. 


821 


Schare . . 


3 


0 


0 


Ziegen . . . 


«.1 U 


235 




[lienenstocke . 


267 







Hauptbeschäftigung der Rewohner ist 
die Landwirtschaft, besonders Getreide- 
und KartolTelhau . Ramsen und Hemis- 
hofen gehörten ursprünglich zur Herr- 
schaft Stein, die hier die niedere Ge- 
richtsbarkeit auaübte. 
STEIN oder, zum l'nlerschied von 
andern Orten gleichen Na- 
mens, auch STEIN AM 
RHEIN genannt (Kl. Schaff- 
hausen. Bez. Stein i 406 m. Gem. und kleine 
Stadt, Hauptortdes Bezirkes gleichen Namens; 

Stunde unter dem Autfluss des Rheins aus 
dem l.'nlersee rechts vom FIubs gelegen und 
mit seinem linksufrigen Vorort Rurg durch eine 
Rrückeverbunden. Hier die Station Stein der Linie Schatf- 
Iiausen-Elzwilen-Konstanz. Dampfschi ir*tation. Post hü 
reau, Telegraph, Telephon. Gemeinde : 273 Häuser, 1777 
reform. Ew.; Stadt: 268 Häuser, 1737 Ew. Rechts vom 
Rhein die Pfarrei Stein mit den Gemeinden Stein und 
Heiimhofen . links vom Rhein die Pfarrei Rurg mit der 
Häusergruppe Rurg und den thurgauischen Gemeinden 
Kaltenbach, Reichlingen etc. Je eine Pfarrkirche rechts 
und links vom Rhein. Schuhfabrik mit 130 Arbeitern. 
I'hrenschalenfabrik mit 50 Arbeitern; Stuhl- und Mak- 
karonifabrik. Gerbereien. Am Huhenklingerberg wächst 






Stein am Rhein von Soden. 

ein sehr bekannter Wein, der zu den besten Sorten des 
Kantons gehört. Stein hat sich seinen ausgesprochen mittel- 
alterlichen Stadtcharakter noch wohl zu wahren gewussl. 



Suiu im Toggeuburg, tun Norden her. 

bedeckten Häusern und Gassen am Rhein, da wo er nach 
abermaliger seeartiger Erweiterung, in der mehrere kleine 
Inseln liegen, zwischen den zusammenrückenden Ufern 
•eine blaugrünen Wasser zu Thal walzt. Zur Seite erhebt 
sich über steilen, rebenumkranzten Hängen der llohen- 
klingen mit seinen altersgrauen Türmen und Zinnen, dem 
•ich westlich der Bergzug des Wolkensteins anschliesst, 
beide geschmückt von einem Kranze prächtiger Wal- 
dungen. Gegenüber dehnt aich der dunkel bewaldete 
Stammheimerbcrg und der Seerücken, an dessen Fuss 
Dorf an Dorf sich reiht und von dessen Hängen die 
Rurgen von Freudenfels und Liebenfels aus dem dunkeln 
Grün herüberblicken. Im W. verliert sich die helle 
Fläche des Rheins am Fuss des Staffelwaldes und Rodel- 
bergs. 

Sehenswürdigkeiten sind : das allchrwürdige Kloster 
St. Georgen mit Kreuzgang und prächtig er- 
haltenen, mit Schnitzerei und Malerei gezier- 
ten Innenräumen; die Grabkapelle der letzten 
Hohenklingen in der Pfarrkirche, da« restau- 
rierte Rathaus mit wertvoller WafTensamm- 
lung, Glasgcmälden und den Fresken von Prof. 
Karl Haberlin (Ehrenbürger der Stadt), der 
Marktplatz mit seinen altertümlichen Häusern 
und einem aus 1601 stammenden schönen Brun- 
nen ; die Stätte der römischen Ausgrabungen 
auf Rurg und das gestaltenreiche Wandge- 
mälde im Chor der Kirche zu Burg ; ferner 
die */ t Stunde über Stein stehende und der 
Stadl gehörige Rurg Hohenklingen, die sehr 
gut erhalten und in letzter Zeit trefflich re- 
stauriert worden ist. 

Wie durch seine I.age ist Stein auch durch 
seine Geschichte anziehend. Es besitzt zwei 
Fundstellen von Pfahlbauten aus der Steinzeit, 
beide auflallenderweise am laufenden Wasser. 
Kinzelfunde aus der Stein- und Bronzezeit. 
Zur Zeit der römischen Herrschaft erhob sich 
Slein gegenüber, da wo jetzt Kirche und 
Pfarrhaus von Burg steht, da« Standlager 
Tasgetium, da« mit dem Rrückenkopf. der den 
Brückenübergang schützte, bis hinauf gegen 
Eschenz sich erstreckte. Das Eindringen der 
Alemannen über den Rhein im Jahr 406 brachte dann 
die vollständige Zerstörung dieser Mauern und Turme 
bis in ihre Grundfesten. Oer Historisch-Antiquarische 



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68« 



STE 



STE 



Verein von Stein hat diese durch Ausgrabungen nach 
Lage und l'mfang der Mauern und Türme festgelegt 
und eine genaue Karte davon aufgenommen. Oberhalb 
des Brückenkopfes bei Hachen/ sind die l'eberreste einer 
lachen Badanstalt bloßgelegt worden. Auf dem rechten 
des Rheins linden sich noch Reste einer Strassen- 

Villen, sowie allerlei aus 



ITfer 



UohadMel^ 




I 120000 
' a • 



»'■•Bord IC 



der Zeit herrührende Fundgegenständc. Aua alemanni- 
scher Zeit haben wir zwar Keine baulichen l'eberreste. 
aber die in den alten l'rkunden niedergelegten Namen der 
umliegenden Ortschaften. Auf der Otmarsinsel starb 759 
der später heilig gesprochene einstige Abt Otmar von 
St. Gallen als Verbannter. Seitdem ist die Insel zu einem 
Wallfahrtaort geworden. Im Jahr 1005 oder 1907 wurde 
daa Kloster, das Herzogin Hadwig auf llohentwiel ge- 
gründet hatte, durch Kaiser Heinrich II. nach Stein ver- 
legt, worauf um die Abtei herum die Stadt entstand. Zwei 
Manner sind s, die wir aua der Schar der Mönche be- 
sonders kennen, einmal Konrad von Ammenhausen, den 
Verfasser des Schachzabelbuche» (er lebte um das Jahr 
1337). und dann den haulustigen, kunstliebenden letzten 
Abt, David von Winkelsheim [y 1526). dessen Leben und 
Wirken in die unruhige Zeit der Reformation fiel, im 
Verlauf welcher Stein 1524 dem neuen Glauben beitrat 
und das Kloster aufgehoben wurde. Stein selbst war erst 
Eigentum derer von Hohenklingen. 1419 ging es über an 
die von Klingenberg, aber schon 1459 konnte die Stadt um 
die Summe von 24 500 Gulden die Reichsfreiheit erwerben 
und so zum eigenen Herrn und Cebieler auf ihrem Grund 
und Roden werden. Aber daa verhältnismässig kleine Ge- 
meinwesen fühlte sich zu schwach, um auf die Hauer den 
Anfeindungen des machtigen hegauischen Adels zu wider- 
stehen. So schloaa Stein bei seinem Selbständigwerden 



enz. m 

Hüng 



Mi, 




1459 ein Schutzbündnis auf 25 Jahre mit 
Schaffhausen. Nach Verlluss dieser Zeil gab es sich ganz 
Zürich zu eigen, mit dem Vorbehalt, dass seine städtischen 
Freiheilen und Gerichtsame ihm unangetastet verbleiben. 
So war es über 300 Jahre lang zürcherisches Gebiet und 
hat vollständig in zürcherische Rechtsordnung. Sitten und 
Anschauungen sich eingelebt. l633Zug derSchweden unter 
General Horn durch Stein nach Kon- 
stanz. Die Medialionsverfassung von 
IH03 hat Stein mit Ramsen und Dorflin- 
gen, für das Zürich an < 
Krben der Nellenburgis 
schaft. im Jahre 1770 1 500(10 Gulden ge- 
zahlt hatte, dem Kanton Schaffhausen 
zugeteilt. Stein ist die Heimat der schon 
genannten Ordensleute Konrad von 
Ammenhausen und Abt David von 
Winkelsheim ; des Freiherrn Schmid 
von Sch warzen hörn, österreichischen 
(iesandten in Konstantinopel und 
berühmten Diplomaten (1590-1667), 
des hervorragenden Pädagogen Joh. 
Büel (1761-18301. des Geschichts- 
forschers und Pfarrers Dr. Melchior 
Kirchhofer (1775-1853). Vergl. Ziegler, 
Fr. Geschichte der Stadl Stein am 
Hhein. Schaphausen 1862; neue Ausg. 
1905. — Feuilleton der Neueit Zürcher 
Zeitung vom 1U. August 1905.— Heierli, 
J. l'eher ilat römische Grenzwehr- 
Systeni an^ Schweizer Hhetn ( im 
Jahresbericht der gcograph.-ethno- 
graph. Gesellschaft in Zürich. 1904- 
1906). — Ferd. Vetter in den Schriften 
des Verein* für Geschichte de» Roten- 
sees. XIII u. a. <). - Vetter, Isaak. Gt- 
schicht- Büchlein der Stadt Stein; 
herausgeg. von Ferd. Vetter. 

STEIN (AUF DEM) (Kt. Bern, 
Amtsbez. Konollingen. Gem. Arni). 
855 m. Landhaus bei Hämlismatt, 1 
km nw. Arni und 2.7 
Station Riglen < 
Burgdorf-Thun. 

STEIN (BEIM i KL Tri, Gem. 
Andermalt). 1590 m. Alpweide im 
Unteralpthal. 4 km so. Andermatt 
und am W.-Fuss des Six Madun. 

STEIN (GROSS) i Kt Wallis. 
Bez. Brig. Gem. Naters). 915m. (iruppe 
von 6 Häusern nahe der Massa- 
schlucht, nö. vom Dorf Naters und 200 
m ö. vom Weiler Hegdorn. 35 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Naters. Von den 
Franzosen 1790 eingeäschert. 

STEIN (NIEDER) i Kt. Appenzell A. R.. Hinterland. 
Gem. Stein). 770 m. Gruppe von 5 Häusern, 5 km s. der 
Station Rruggen der Linie Zürich-Winlerlhur-St. Gallen. 
33 reform. Ew. Kirchgemeinde Stein. Wiesenbau. 
Stickerei und Weberei. 

STEIN (OBER) (Kt Rem, Amtsbez. Ober Hasle, 
Gem. Meiringen). Teil des Dorfes Meiringen. S. den Art. 

SlIIN. 

STEIN (UNTER) ikt. St. Gallen, Dez. Werdenberg, 

Gem. Sennwald). 459 m. Dorf, am Fuss von Hohen Kasten 
und Kamor sonnig und schön gelegen ; 2.4 km n. der Sta 
tion Salez der Linie Rorschach-Sargans-Chur. 21 Häuser. 
135 reform. Ew. Kirchgemeinde Sennwald. Acker iMaisj- 
und Obstbau, Viehzucht. 

8TEIN (ZUM) iKt. Rem. Amtsbez. Interlaken, Gem. 
Grindelwald). 1767 m. Alpweide n. über Grindelwald, 
rechts vom Weg auf die Bachalp und das Kaulhorn. Der 
Muhlebach bildet hier einen schonen Wasserfall. 

STEIN (ZUM) (Kt. Wallis, Rez Westlich Raron, 
Gem. Baron). 647 m. Gruppe von nur zeitweilig bezogenen 
Hutten, am Fuss der die Terrasse von Ausserberg tragen- 
den Felsen und rechts über der Rhone; 2 km o. Raron. 

STEINACH Kt. St. Hallen. Bez. Rorschach. St. Gal- 
len und Tablat). 1000-4CO m. Flüsschen ; entsteht aus 
schiedenen Quellarmen, die vom W< 



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STE 



STE 



689 



weier am N.-H>ng des Eggberges und nahe der Grenze 
gegen den Kanton Appenzell herabkommen, durchmesst 
die Ortschaften Schlipf, St. Georgen und Mühl- 
egg und .stürzt dann mit von Fels zu Fels 
rauschenden Kaskaden durch ein malerisches 
Tobel zur Stadt St. (lallen hinunter, wo sie in 
kanalisiertem Lauf hinzieht, um dann bei St. 
Fiden wieder zutage zu treten, das roman- 
tische Steinachtobel zu durchbrausen, in d<n 
Dörfern Über Steinach und Steinach von 
neuem kanalisiert zu werden und o. vom 
Dorfe Steinach nach 12 km langem Lauf in 
den Bodensee zu münden. Liefert zahlrei- 
chen Mühlen und andern industriellen Kta- 
blisseinenten die benötigte Triebkratt. 757 : 
Steinaha; 702: (aqua) Petrosa. 

STEINACH (Kt. St. Gallen, Bez. Hör 
schach i. 403 m. Gem. und Pfarrdorf am linken 
Ufer des Bodensees, an Unterlauf und Mün- 
dung der Steinach, zwischen Borschach und 
Arbon und 1.4 km sö. der Station Arbon der 
Linie Borschach-Romanshorn-KonsUriz. Post- 
bureau, Telegraph und Telephon. Gemeinde, 
mit Engisberg.Glinzburg. Hasten, Karrersholz, 
Morgenlhal und Ober Steinach : 149 Häuser, 
1276 zur Mehriahl kalhol. Ew. ; Dorf Steinach 
(auch Unter Steinach genannt): 87 Häuser, 
761 Ew. Kalhol. Pfarrei. Die 313 Reformier- 
ten sind nach Rorschach eingepfarrt. Obst- 
und Wiesenbau, Viehzucht. Meine Hebberge 
und etliche Tannenbestände. Die Fülle von 
Obstbäumen verleiht der Gegend den Charakter 
eines wahren Parkes. Seit einigen Jahren 
arbeiten viele der Bewohnet in Jen Slicke- 
reifabriken und mechanischen Werkstätten 
von Arbon. Sommerfrische I Pension und 
Gasthaus Glinzburg in aussichtsreicher Lagei. Elektrische 
Beleuchtung und Druckwasserversorgung. Schlots Kar- 
rersholz und Burgruine Sleinerbur«. Im Doif Steinach 
ist das Flüsschen Steinach kanalisiert. Schöne Pfarrkirche. 
Zwei Schulhäuser. Hübsche Privathäuser. An dem nun 
mit Gras überwachsenen, früher aber einen lebhaften 
Verkehr zeigenden Hafen liegt das fürsläblische Gredhaus 
( Kornhaus i. ein grosses, altertümliches und massives 
Gebäude, das mit dem Fall der Abtei St. Gallen Eigentum 
des Staates ward und seit der Mitte des letzten Janrhun- 
derts in Privatbesitz ist. Die grosse Kunstmuhle ist 1000 
abgebrannt und seither mit dem Mühlekanal eingegangen. 
1802-1832 gehörten zu Steinach auch noch die beiden 
jetzigen Gemeinden Berg und Tübach. Bis in die 70er 
Jahre des 10. Jahrhunderts waren Ober Steinach und die 
•üdl. Ortschaften der Gemeinde der Pfarrei Arbon zuge- 
teilt. 782 : Steinaha : 845: Steinaa;897: Stenaha. Die Ge- 
richtshoheit in Steinach gehörte zuerst den Freiherren 
von Knne, dann seit 1358 den Kdeln von Steinerburg und 
»eit 1459 der Stadt St. Gallen, von welcher sie 1400 in- 
folge des Kloslerbr iirhe* in Horschach an den Abt von 
St. Gallen überging. Die Kirche wurde schon im 13. Jahr- 
hundert von der Mutterkirche Arbon abgetrennt. Die heu- 
lige Pfarrkirche datiert aus 1742-1746. Geburtsort des 
Domherrn Popp (+ 1850), des Führers der st. gallischen 
Konservativen und Begründers des ersten konservativen 
Zeitungsorgans • Wahrheit*!' reuml * (40er Jahre des 19. 
Jahrhunderts). Im sog. Peststrässchen glaubt man ein 
Stuck der ehemaligen Hömerslrasse Arbor Felix-Brigan- 
tium nachweisen zu können. 

STEINACH (OBER) (Kt. St. Gallen. Bez. Rorschach. 
Gem. Steinach). 416 m. Dorf an der Steinach, mitten in 
einem wahren Wald von Obstbäumen; 1,2 km s. Steinach 
und 2,6 km sö. der Station Arbon der Linie Rorschach- 
Romanshorn-Konslanz. 20 Häuser, 290 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Steinach. Acker-, Obst- und etWBB Weinbau, 
Viehzucht. Ehemaliges Hammerwerk, jetzt Mühle. Käserei. 
Zwirnerei. Kapelle. Die ehedem wilde und gefährliche 
Steinach ist von Ober Steinach an bis zu ihrer Mündung 
in den Bodensee kanalisiert. 

STEINACKER (Kt. Bern, Amtsbez. Aaruangen, Gem. 
Bannwil). 430 m. Gruppe von 4 Ilausern, am linken Ufer 
der Aare nahe dem Elektrizitätswerk Wangen-Bannwil; 
800 m nö. bannwil und 6 km nw. der Station Langen- 



thal der Linie Olten-Bern. 45 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Aarwangen. Landwirtschaft. 




Alte Häuser in Stein am Rhein. 

stein acker <Kt. Bern, Amtsbez. Burgdorf. Gem. 
Heimiswil). 702 m. Gruppe von 2 Häusern; 2.5 km ■ 
Heimiswil und 2.5 km ö. der Station Oherburg der Linie 
Burgdorf- Langnau. 20 refonn. Ew. Kirchgemeinde Hei- 
miswil. Landwirtschaft. 

STEINACKER (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simroen- 
thal. Gem. Spie/ . 600 m. Gruppe von 3 Häusern, Teil 
des Dorfes Einigen; 2,5 km nw. der Station Spiez der 
Linie Thun-Interlaken. 21 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Spiez. 

STEINACKER (Kt Zürich. Bez. Borgen, Gem. Wä- 
denswil). 490 m. Gruppe von 6 Häusern, 500 m s. der 
Station Au der linksufrigen Zürichseebahn (Zürich- VVä- 
denswil- Ziegelbrücke). 26 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Wädenswil. Wiesenbau. 

STEINALP (Kt. Nidwaiden, Gem. Wolfenschiessen;. 
1451 m. Alpweide am NO. -Hang des Brisen. Ist wie Arm, 
Bannalp und Dürrenboden eine Genossenschaftaalp, wo 
jeder Besitzer von Anteilscheinen seinen Rechten gemäss 
selbst Vieh auftreibt oder sein Alpnulzungsrecht ver- 
pachtet. Ks werden 260 Binder aufgetrieben. In dieser 
Alp befand, sich früher ein hoher Fels, der « Waldbruder • 
genannt, weil seine Form dem hagern Bilde eines Ere- 
miten glich. Vor etwa 30 Jahren stürzle er in die Tiefe 
und verschwand unter den zahlreichen andern Felstrüm- 
mern, welche der Alp den Namen eingetragen haben. 
Von Sleinalp fuhrt ein Pass unter der Musenalp durch 
über die Bärfallen nach Beckenried. 

STEINALPERJCECHLI (Kt. Nidwaiden und Uri). 
2160 m. Passubergani.' zwischen dem Brisen (2408 m) und 
dem Bisseleslock (2295 in), im Bergland zwischen dem 
Uenthal und dem Thal der Engel herger Aa. Verbindet 
Isenihal mit Wolfenschiessen. Von Isenthal über Slädtli 
und Gitschenenalp auf die Passhohe 4 Stunden. Abstieg 
über Steinalp und die Hütten von Hulli in 2 Stunden. 
Angenehmer und wenig anstrengender Pass mit teilweise 
aussetzendem Weg. 

STEINAU (Kt. Schwyz, Bez. und Gem. Einsiedeln). 
904 m. Gruppe von 4 Häusern am Steinbach, an der 
Strasse Einsiedeln- Kuthal und 6,5 km so. Einsiedeln. 23 
kathol. Ew. Filiale Kuthal der Pfarrei EinHiedeln. Ziegelei 
und Kalkofen. Säge. Wiesenbau. Ausgezeichnete Kirschen. 
WalJ und Alpweiden. Vieh- und Holzhandel. Seiden- 
weberei. Der Ort wird urkundlich schon 1331 genannt. 

232 — MOOR« lex. V — 44 



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Heimat des Geschlechtes Steinauer. das dem Kanton 
maochen trefflichen Mann weltlichen und geistlichen 




Ober Starnberg gegen Breitborn und Tschiogelhorn. 

Standes gegeben hat Im Marchenstreil i 1114-1330) iwl- | 
sehen Scnwyz und Kinsiedeln ist Steinau zu wiederholten 
Malen geplündert worden. Auf dem nahe der Strasse an- 
stehenden und zahlreiche Versteinerungen (Seeigel, Mol- 
lusken etc.) liefernden Nummulitenkalk sitzt eine etwa 
1 m machtige Hank eines dunkelgrünen Gesteins mit 
phosphatisierten Fosailien. das zeitlich dem Pariaer Grob- 
kalk und dem Kalkstein entspricht, aus dem die Pyrami- 
den Aegypten« erbaut sind. 

Steinbach (Kl. Bern. Aintsbez. Seftigen, Gem. 
Belp). Weiler. S. den Art. Stkimiucii. 

STEINBACH (Kt. Hern, Amtabez. Signaul. 1180-740 
m. Dach ; entspringt nahe dem Rämisgummenhoger, fliessl 
nordwärts und mündet nach 3 km langem Lauf 700 m 
oberhalb Trubschachen von links in die Ulis. 

STEINBACH (Kt. Rem, Amtabez. Signau. Gem. Trub- 
schachen). 755 m. Weiler und zerstreut gelegene Höfe, 
am linken Ufer der llfis und am Eingang in den Stein- 
bachgraben : 800 m so. der Station Trubschachen der 
Linie Pern-Luzern. 16 Ilauser. 117 reform. Kw. Kirchge- 
meinde Trubschachen. Viehzucht. 

STEINBACH (Kt. Schwyz. Bez. und Gem. Einsie- 
deln). 1500-885 m. Wildhach ; entspringt in dem vom 
Schräh (1180 mi, Spital (1577 m), der Brandhalden (1497 m) 
und dem Hummel (1421 m) umschlossenen Bergkessel, 
dessen Wasser im Wellkessi-, Steinkasten- und Ross- 
weidlibach sich sammeln und in 990 m Hohe nahe Steinau 
zum Steinbach vereinigen. Dieser wendet sich nun nach 
NNO. und mündet nach 3.5 km langem Lauf von links 
in die Sihl, wo er einen grossen Schuttkegel aufge- 
schwemmt hat. Sein Unterlauf ist auf eine Länge von 
7(10 m kanalisiert und verbaut worden l Kostenaufwand 
110000 Fr.). Gefälle 5,7-8,6 %. Einzugsgebiet 3,36 km*. 
Die längs dem Bach zerstreut gelegenen 14 Häuser tragen 
ebenfalls den Namen Steinbach. 78 kathol. Ew. Filiale 
Euthal der Pfarrei Einsiedeln. Telephon. Postwagen Ein- 
siedeln-Euthal. Wiesen- und KartolTelbau. Viehzucht. 
Fischfang. Seidenweberei. Wald. 

STEINBACHQRABEN Kl. I.iuem. Amt Willisau). 
724-451 m Rechtsseitiger Zufluss der Rot ; entspringt bei 
Erpolingen in der Gemeinde Grossdielwil und mündet 
nach 7 km langem Laufs. St. Urban. 

STEINBACHTOBEL < Kt. Graubünden. Bez. Ples- 
aur). 1950-690 m. Südliches Seitenthälchen des Schanligg, 
dessen Bach 1.5 km hinter dem Kinlluss der Habiusa von 
links in die Plessur mündet. Entspringt an der N. -Seite 
des Churerjuchs (2038 mi. nimmt nnw. Richtung, hat bet 
einer Länge von etwa 2 km ein Gefälle von 33° „und isi 
vorn stark durchschluchtet. Die von Araschga und Passugg 



nach Prada und Tachiertachen führende neue Strasse 
bietet beim L'ebergang durchs Slcinbachtobel malerische 
Szenerien dar. Die W. -Seite des im ganzen 
Verlauf bewaldeten Tobels tragt gegen Passugg 
und Grida hinab die Höfe und Maiensäsae von 
Runcalier. die O. -Seite einen Teil des Dorfes 
Prada 1135 m) und die Prader Alp (1505 m). 
Der Fels besteht überall aus Ründnerschiefer 
i eozänem Flysch und darüber hergeschobenen 
Liasschiefern). Etwa 200 m hinter der Mün- 
dung des Steinbaches wird das Waaser der 
Plessur für das Plessurwerk der Elektrizitätsan • 
lagen der Stadt Chur gefaast und mittel« 
Wehr gestaut. 

STEINB4EHREN (Kt. Luzern. Amt Sur- 
see, Gem. Triengen). 513 m. Gruppe von i 
Häusern, 500 m n. Triengen. 32 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Triengen. Landwirtschaft. 

STEINBERQ .Kl. Rern und Ort). Gipfel. 
S. den Art. Gw.*:cim:snons. 

STEINBERG (Kl. Uri. Gem. Healp.i. 1514 
m. Alpweide mit llültengruppe am linken Ufer 
der Realper Reuss. zwischen dem Gorneren- 
und dem StälTelithal und 1 km no. Realp. 

steinberg (OBER und UNTER) 
• Kt. Bern, Amlshez. Interlaken, Gem. Lau- 
terbrunnen). 1769 und 1365 m. Zwei Alpweiden 
im obersten Laulerbrunnenlhal. Unter Stein- 
berg liegt auf der Terrasse von Ammerten. 
wo sich die Schmelzwasser des Breillaui-, 
Schmadri-, Hreilhorn- und Tschingelgletschers 
zur Weissen Lütschine vereinigen : am Weg von Lauler- 
brunnen zum Schmadribach. Die von Trachsellauenen her 
in t' . Stunden erreichbare Alp Ober Steinberg liegt aut 
einer Terrasse hoch oben am S. -Hang des Tschingelgrates 
und bildet mit ihren beiden Gasthöfen eines der gün- 
stigsten Exkursionszentren im Berner Oberland. Pracht- 
volle Aussicht auf die das Lauterbrunnenihal beherrschen- 
den Gipfel und Gletscher. Aufstieg über die Oberhornalp 
zur Mutthornhütle (2900 m) des S. A. C. (4 Stunden), die 
als Standquartier für die Besteigung von Hreilhorn (3779 
nr und Tschingelhorn (3581 m). sowie als Ausgangspunkt 
für den L'ebergang über den Petersgrat (3205 m>. den 
Tschingelpass i282t ml und die Gamchilücke (2883 mi 
dient. Das Gebiet hinten im Lauterbrunnenthal muss 
früher dichter besiedelt gewesen sein als heute, indem 
noch 1355 eine Urkunde von einem Dorf im Ammerten- 
thal spricht. 

STEINBILLEN (Kl. Aargati. Bez. Zolingen. Gem. 
Oftringen). 420 m. Gruppe von 2 Häuiern n. der Station 
Aarburg der Linie Luzern-Ollen. 24 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Zolingen und Aarburg. Landwirtschaft. 

STEINBOCKHORN (Kt. Wallis, Bez. Siders und 
Visp). Gipfel. S. den Art- Bi-A>citE(Denti. 

STEINBODEN (MITTLER, OBER und UNTER) 
(Kt. Bern. Aintsbez. Signau, Gem. Eggiwil). 900-1157 m. 
Drei Hofe am rechtsseitigen Gehänge des Emmcnthales. 
zwischen dem Hinter und Vorder Geissbachgraben ; 4 km 
sö. Eggiwil und 13 km so. der Station Signau der Linie 
Bern-Luzern. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Eggiwil. 
Viehzucht. 

STEINBRUCH i Kl. und Aintsbez. Bern. Gem. Bolli- 
gen). 820 m. Gruppe von 3 Häusern; 1.5 km nö. Bolligen 
und 3.5 km n. der Station Ostennundigen der Linie 
Bern-Thun. 23 reform. Ew. Kirchgemeinde Bolligen. 
Landwirtschaft. Bruche auf Molassesandslein. 

STEINBRUCH (Kt. Zürich. Bez. und Gern Hörgern. 
440 m Gruppe von 7 Häusern, 1 km nö. der Station Mor- 
gen der linksufrigen Zürichseebahn (Zürich- Wädenswil- 
Ziegelbrücke). 52 reform. Kw. Kirchgemeinde Borgen. 

STEIN BRÜCKE (Kt..Rez. und Gem. Schwyz) 530 m. 
Ehemalige Rrücke über die hier 60 m liefe Schlucht der 
Muola zwischen Auf dem Giebel (918 m) und dem Stoes- 
horn (1300 ml. Resland aus einem steinernen Bogen mit 
hölzernem Oberbau und diente der alten Strasse von 
Schwyz über Ober Schönenbuch nach MuoUthal. Die vor 
den Ko«aken Suwarows sich zurückziehenden Franzosen 
steckten im September 1799 die Brücke in Brand und 
zerstörten damit deren Oberbau. Anlässlich der Kämpfe 
vom 27. September bis I.Oktober des nämlichen Jahres 



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war die nun geländerlosc Brücke der Schauplatz schreck- 
licher Szenen, indem hier hunderte von Soldaten in die 
Schlucht der Muola hinunter geslossen wurden. Dann 
sprengte die Nachhut der sich zurückziehenden Hussen 
die Brücke in die Luft. Die Beste lassen sich 200 tn ober- 
halb der von den Schwyzern bald nachher erstellten Su- 
warowbrücke heute noch erkennen. Unterhalb beiludet 
■ich das Elektrizitätswerk an derMuota. 

STEINEBRUNN iKt. Thurgau. Bez. Arbon, Gem. 
Egnach). 451 m. Dorf; 3.5 km aw. der Station Kgnach der 
Linie Horschach-Bomanshorn-Konslanz. Postablage. Tele- 
graph, Telephon. 40 Häuser, 21*2 zur überwiegenden 
Mehrzahl kathol. Ew. Eigene kathol. Pfarrei ; die wenigen 
Beformierten sind nach Neukirch eingepfarrt. Wiesen- 
und Obstbau. Käsereigenossenschaft. Stickerei. Die Ur- 
kunden nennen einen Bitter von Steinebrunn, doch findet 
man keine Spur einer einstigen Hurg. Steinebrunn ge- 
hörte zum Bistum Konstanz, das in der liegend oft kon- 
fessionellen Zwist anstiftete. 

STtiNBUML (MÜHLE WEG) (Kt. Basel Land. 
Bez. Arlesheim. Gem. Allschwil). O. -Abschnitt der Ge- 
meinde Allschwil. 31 Häuser. 427 kathol. und reform.Ew. 
Kirchgemeinden AlUchwil. S. den Art. Allschwil. 

STEIN DROSEN (Kt. Zürich, Bez. Uster, Gem. Maur). 
465 m. Gruppe von 4 Ilausern, am linken Ufer desGroifen- 
sees und 1 km so. der Kirche Maur. 23 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Maur. I-andwirtschofl. 

8TEINEOO (Kt. Appenzell A. B., Miltelland. Gem. 
Speicher und Teufen). 9o8 in. Dorf 1 km sw. der Station 
Speicher der Strassenbahn St. Gallen-Speicher-Trogen. 
21 Häuser, 139 reform. Ew. Wiesenbau und Viehzucht. 
Weberei. 

STEINEGG (Kt. Appenzell 1. lt.. Gem. Büli). 804 m. 
Schulkreis zwischen Sitter, Botelbach und Ibach, 2 km 
sii. Appenzell und von der Strasse Appenzell - Weissbad 
durchzogen. 73 zerstreut gelegene Häuser, 489 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Appenzell. Eine der h. Maria Magda- 
lena geweihte Kapelle. Heilbad. Neues Schulhaus in 
schöner Lage. Eine Zwirnerei. Säge. Viehzucht und Yieh- 
handel. Hand- und Maschinenstickerei. 

STEINEGG (Kt. Bern, Amtabez. Ober Simmenthai, 
Gem. Zweisimmen). 940 m. Gruppe von 2 Häusern bei 
der Station Grubenwald der Linie Spiez - Zweisimmen- 
Montreui. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Zweisimmen. 
Viehzucht. 

STEIN EGG (Kt. Schwvi, Bez. March. Gem. Alten- 
dorf)- 455 m. Weiler am linken Ufer des Spreilenhaches, 
1 km s. der Station Lachen der linksufrigen Zürichsee- 
bahn (Zürich- Wudenswil- Ziegelbrücke). 11 Häuser, 83 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Allendorf. Kapelle. Mühle. 
Wiesen-, Übst- und Gemüsebau. Heimat des Geschlechtes 
Stninegger, von dem sich manche Glieder in verschiedener 
Stellung ausgezeichnet haben. 

STEINEGG (Kt. Thurgau, Bez. Sleckborn, Gem. 
Nussbaumen). 600 m. Schloss, anf einem bewaldeten 
Auslaufer des Seerückens prachtvoll gelegen: 2.2 km sö. 
Nussbaumen und über dem Steineggersee. Telephon. 
Wiesen, Wein und Wald. Das heutige Schloss ist ein 
weithin in die Lande schauender, stolzer Bau mit liefer 
unten stehenden Oekonomiegebäuden und datiert aus 
1887. Es dient heute als Nervenheilanstalt. Umfassende 
Aussicht auf das Thurthal, die Vor- und die llochalpen. 
Sleinegg wird als .. Steinigunekka • 850 urkundlich zum 
erstenmal genannt, doch ist das Baujahr der Burg un- 
bekannt. 1215 war sie Eigentum eines Dielhelm von Stein- 
egg, welcher Familie mehrere Geistliche von Buf ange- 
hörten. 14*23 kam die Burg durch Erbschaft an die Herren 
von Bosenegg, dann durch Kauf an Hans von Münchwil 
und 1564 an die Stadt Zürich, die sie bis 1798 behielt, 
worauf sie den Eigentümer öfters gewechselt hat. So ge- 
hörte sie z. B. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
der Familie Zearleder aus Bern. Als das Schloss mit Ein- 
sturz drohte, wurde es 1887 vollkommen neugebaut. 

STEINEGGER8EE oder HÜTTWILER8EE (Kt. 
Thurgau, Bez Steckborn). 423 m. Kleiner Moränenstau- 
see und beträchtlichster der drei Seelein iNussbaumer- 
see, llaseneeeund Steineggersee) im Thal von Hüttwilen; 
1,5 km w. Hüttwilen und 1.5 km sw. vom Schloss Stein- 
egg. 200-600 m breit und 1.2 km lang. Dem N. -Ufer folgt 
die Strasse Nuasbaumen-Hüttwilen. Zwischen dem Stein- 



'gger- und dem I lasen see steht die Burgruine Helfenstein 
455 my. Der See wird vom AusIIush de* NussUaumersees 




Schirm Stemegg von Sndve«ten. 



gcsniesen und entsendet den Seebach. Die Ufer der Seen 
sind sumplig und mit einem breiten Kranz von Binsen 
und Schilf umgürtet. Im Winter dienen sieden aus der 
ganzen Umgebung von Frauenfeld hierher kommenden 
Schlittschuhläufern zum Tummelplatz. Die Arlillerieschu- 
len von Frauenfeld halten hier gelegentlich Schiesa- 
ubungen ab. 

STEIN EGG WALD { Kt. St. Gallen. Bez. Tahlat ). 
850-1000 m. 1,6 km langer und 1,2 km breiter Wald an 
der Appenzeller Grenze, am N.-Hang der Kurzegg und a. 
vom Wenigersee; 2,3 km. sö. St. Georgen. 

STEINCLOH (Kt. Thurgau. Bez. Arbon, Gem. Arbon 
und Boggwil). 4?ß m. Weiler, an der Strasse Neukirch- 
Arbon und 2,7 km nw. der Station Arbon der Linie Bor- 
schach-Bomanshorn- Konstant. 24 Häuser. 153 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Arbon. Wiesen-, Garten- und Obst- 
bau. Ehemals Eigentum der Abtei St. Gallen. 

STEINEN (Kt. Bern. Amtabez. Konollingen, Gem. 
Bowil, und Amtsbez. Signau, Gem. Signau). 715 m. Dorf 
am Eingang in den Schüpbachgraben. 2 km sw. der 
Station Signau und 1,5 km ö. der Hallestelle Bowil der 
Linie Bern-Luzern. 28 Häuser, 252 reform. Ew. Kirch- 
gemeinden Grosshochstetten und Signa». Landwirtschaft. 
Säge. 

STEINEN (Kt. Obwalden. Gem. Sachsein). 517 m. 
Teil des Dorfes Sachsein, 300 m s. der Station Sächseln 
der Brünigbahn (Luzern-Brienz). 12 Häuser. 72 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Sachsein. 

STEINEN (Kt. St. Gallen. Bez. Uber Toggenhurg, 
Gem. Ebnat). 663 m. Gruppe von 6 Häusern am Eingang 
ins Sleinthal, 300 m s. der Station Ebnat- Kappel der 
Toggenburgerbahn. 34 reform. Ew. Kirchgemeinde Ebnat. 
Viehzucht. Stickerei und Weberei. 

STEINEN (Kt. St. Gallen. Bez. Werdenberg. (lern. 
Buchs). 457 m. Weiler am O.-Ilang des Buchserberges, 
2 km sw. der Station Buchs der Linie Borschach-Sargans. 
15 Häuser, 78 reform. Ew. Kirchgemeinde Buchs. Acker 
I.Mais)-, Übst- und Gemüsebau. Viehzucht. Streuland. 

STEINEN (Kt. und Bez. Schwyz). 476 m. Gem. und 
Pfarrdorf n. über dem Lowerzersee, an beiden Ufern 
der Steiner Aa und am SO. -Fuss des Bossbergs; 5 km 
nw. Schwyz. Station der Gotthardbahn. Strassen nach 
Schwyz. Löwerz und Sattel. Postbureau, Telegraph, Tele- 
phon* Gemeinde, mit den Unterabteilungen Au (Dörf- 
chen Au, Feld. Kämiloch-Platlen und Wileri, Müsigricht 
(Breilen und Gupfenriedi. Bossberg lAernisbuch, Haiti 
und Thalacker), Spiegelberg (Gugiloch und Steinerthal- 



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Adelboden) und Dorf Steinen: 224 Häuser, 1420 zur über- 
wiegenden Mehrzahl kathol. Ew. ; Dorf: 85 Häuser, 529 




Steinen gegen I.nwereerse« und Higi llocbfluh. 

Ew. Eigene Pfarrei seit 1125. Die heutige Kirche stammt 
aus 1540 und birgt aus der Meute von Grandson (1476.1 
herrührende Becher. 2 Mühlen und 3 Sägen. Kirsch- 
wasscrbrenuerci. Weinhandel. Kinst ging der ganze Ver- 
kehr zwischen dem Yierwaldstättersee, Einsiedeln und 
dem Zurichsee «her Steinen, worauf er nach dem Bau 
der Strasse Schwyz-Adelboden-Satlel (1862) beträchtlich 
abnalim und mit der Eröffnung der Südostbahn I Wädens- 
wil-Goldaui 1891 gänzlich einging. In der Au stehen heute 
an der Stelle eines ehemaligen Frauenklosters, dessen 
Abbruchmaterialien zum Hau der Kirche und des Rat- 
hauses in Schwyz Verwendung fanden, das Armenhaus, 
eine Kapelle und das Schützenhaus. Die grosse Ebene 
der «Au» ist eine vom Geschiebe der Aa aufgeschüttete 
und landfest gewordene ehemalige Bucht des Lowerzer- 
sees. An der Strasse nach Schwyz steht die sog. Stauf- 
facherkapelle. Drei Kapellen, deren eine 1891 glücklich 
restauriert worden ist. Kinderheilanstalt. Das Gebiet von 
Steinen, dem ursprünglich auch Steinerberg, Sattel und 
Kotenlurm angehorten, kam 1260 durch Kaufan Schwyz. 
1270 entstand zwischen Schwyz und dem Frauenkloster 
in der Au ein heiliger Streit um die von diesem letzteren 
geforderte Befreiung von Abgaben. Am Neujahr 1906 
zogen die Leute von Steinen über den gefrornen Lower- 
zersee zur Insel Schwanau, deren Burg sie zerstörten. 
Am 6. Januar 1314 plünderten sie das Kloster Einsiedeln. 
Seit 1506 blieb das Frauenklosler Au infolge einer Pest- 
epidemie unbewohnt, bis es 1574 von den Dominikaner- 
innen wieder bezogen und dann 1640 aufgehoben wurde. 
Im übrigen ist die geschichtliche Entwicklung Steinens 
mit derjenigen von Schwyz verknüpft. Mehrere seiner 
Bürger haben sich als Magistralen im Dienste des eige- 
nen Kantons und als Offiziere in fremden Kriegsdiensten 
ausgezeichnet. 1125: Steina. Der Ort ist nach den zahl- 
reichen Felstrümmern benannt, die als l'eberreste von 
ehemaligen Bergstürzen an den Gehängen des Steiner- 
bergs liegen. Fund eines Messers und einer Fibel aus 
Bronze, sowie einer Münze mit dem Bildnis des Trebo- 
nius Gallus. 

STEINEN (Kt. Zürich, Bez. Pfäflikon, '.cm, Wila). 
057 m. Weiler im Steinenhachlhsl, an der Grenze gegen 
den Kanlon Thurgau. Telephon. 10 Häuser, 36 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Wila. Wiesenbau. 

STEINEN (HINTER DEN) i Kt. und Bez. Schwyz). 
2382 m. Paseübergang an der S. -Grenze des Kantons, 
zwischen dem Ortstock und dem Kirchberg. Dient den 
Touristen als L'ebergang aus dem Muotathal, Bisilhal und 
der CiUiialp zur llrachalp und den glarnerischen Braun- 
waldbergen. 

STEINENBACH (Kt. St. Gallen. Bez. Gaster). 1180- 
419 m. Wildbach von etwa 9 km Lange; entspringt in 
der Farnenalp. du rchtliesst Alpen und Waldungen, nimmt 
den bedeutenderen Wengibach vom Speer her auf und 
kreuzt bei Steinerbrugg die Staatsstrasse Uznach- Weesen. 
Von hier bis oberhalb der Station Benken ist er korri- 



giert und nimmt unterhalb derselben den Kaltbrunner 
Dorfbach auf, mit welchem er in einem Kanal bei Uz- 
nach vorbei dem Zürichsee zufliesst. In Stei- 
nerbrugg wird er gefasst. um für eine Seiden- 
weberei, eine Mühle und eine Säge Kraft zu 
liefern. Der Steinenbach selbst ist arm an 
Fischen, dagegen sein Nebeniluss, der Wengi- 
bach, reich an solchen, um so mehr, als 
schon viele Bachforellen und Bachsaiblinge ein- 
gesetzt wurden. 

STEINENBACH (Kt. St. Gallen, Bez. Ober 
Toggenburg). Wildbach. S. den Art. Stein- 
tu albach. 

STE IN EN BACH (Kt. St. Gallen, Bez. 
Ober Toggenburg, Gem. Ebnat und Kappel). 
652 m. Dorf am Eingang ins Steinthal, 1 km 
so. der Station Ebnat-Kappel der Toggenbur- 
gerbahn. Telephon. 21 Häuser, 134 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Ebnat. Viehzucht. Stik- 
kerei und Weberei. 

STEINENBACH (Kt. St. Gallen. Bez. 
Werdenberg). 1350-434 m. Wildbach; ent- 
springt auf der Rohralp s. vom Hohenkasten, 
fliegst unterhalb der Alp durch steile Wal- 
dung hinunter und hat in seinem untersten 
Laufe bei Sennwald schon vielen Schaden angerichtet. 
Er soll darum korrigiert werden. Jetzt mündet er nach 
etwa 4 km langem Lauf in den Langenbach, soll aber 
nach der Korrektion in den neuen Binnenkanal geführt 
werden. In trockener Zeit ist er wasserarm. 

STEINENBACH (Kt. Solothurn. Bez. Balsthal). 900- 
495 m. Bach; entspringt sw. Mümliswil und lliesst aul 
eine Strecke von 3 km südoslwärts, um in Balsthal von 
rechts in den Augstbach zu münden. 

STEINENBACH (Kt. Wallis, Bez. Brig). 2300-1500 
m. Wildbach des Sleinenthales, Abflugs des Steinenglet- 
achers und Zulluss der Ganter. Er ist 5 km lang und 
stürzt sich mit einem Fall aus der Steinenalp ins Ganter- 
thal oberhalb Bensal. 

STEINENBACH (Kt. Zürich, Bez. Winterthur und 
Pfäflikon). 900-581 m. Bach; entspringt am Hörnli, bildet 
bis zum Weiler Geeren die Kantonsgrenze zwischen 
Zürich und Thurgau, durchmesst dann die Bezirke Win- 
terthur und Pfäflikon und mündet nach 9 km langem 
Lauf bei Tahlat von rechts in die Töss. Ist zugleich mit 
der Töss verbaut worden. Zwischen Vorder und Hinter 
Auli (Gemeinde Wilai liegt am linken l'fer des Baches 
eine von kreisrundem Graben umschlossene Burgstelle von 
etwa 30 m Durchmesser, « im Schlossli • genannt. Zeller- 
Werdmüller vermutet, dass dies die Zufluchtsstätte Bi- 
schof Salomous von Konstanz und des Abtes von St. 
Gallen war, die. vor ihren Feinden flüchtend, sich in der 
Waldeinsamkeit des Turbenthales bargen. 

STEINENBACH [Kt Zürich, Bez. Winterthur, Gem. 
Turbenthal). Gemeindeableilung zu beiden Seiten des 
Steinenbaches. Umfaßt die Häusergruppen Gosswil, Kel- 
leracker und Freckmünd mit zusammen 21 Häusern und 
117 reform. Ew. Poslablage. Telephon. 

stein enb achtobel. < Kt. St. Gallen. Bez. Ga- 
ster). 1200-000 m. Tiefen Tobel, vom Steinenbach in die 
aus Moräne bestehende Steilrampe bei Rieden einge- 
schnitten. Die steilen Hänge sind bewaldet, durch starke 
Abholzungen in den 50er Jahren dea 19. Jahrhunderts 
jedoch vielfach gerutscht. Auf den seitlichen Terrassen 
von Rieden und Altwies finden sich fruchtbare, bewohnte 
Bauerngüter. 

steinen BERG ( Kt. Aargau. Bez. Kulm. Gem. 
L'ntcr Kulm). 570 m. Weiler am W. -Hang des Hombergs; 
1.5 km ö. der Station l'nter Kulm der W'inenlhalbahn. 
16 Häuser, 95 reforin. Ew. Kirchgemeinde Kulm. Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft. 

STEIN EN BERO I Kt. Basel Und. Bez. Walden- 
burg). 935 m. Bewaldete Anhöhe zwischen den beiden 
Quelllhälchen des Augstbaches, s. vom Rehhag und 2,5 
km n. Langenbruch 

STEINENBERO (Kt. Bern, Amtsbez. F rutigen. Gero. 
Reichenbach). 1480 m. Alpweide im obern Kienthal, 
über dem rechten l'fer des Pochtenbaches und am W r eg 
über die Selinenfurgge, die das Kienthal mit dem Lauter- 
brunnenthal verbindet. Da dieser L'ebergang 10 Stunden 



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Marsch erfordert, übernachtete man vor dem Hau des 
Hotels in Kienthal oft auf der Steinenbergalp. 

steinenberq ( Kt. Bern, AmUbez. Wanden). 
637 m. Bewaldete Anhöhe, die sich links vom Wingen- 
bach auf eine Iimge von 2 km und eine Breite von 1 km 
zwischen Hietwil und Grasswil hinzieht. Buchenwald. 

STEINENBRÜNNEN (Kt. Bern, Amlsbez. Schwar- 
zenburg. Gem. Wahlern). 752-803 m. Getneindeableilung, 
Schulkreis und Weiler im Winkel zwischen der Verei- 
nigung des Schwar/wassers mit der Sense; 1,7 km s. der 
Haltestelle Schwarzwasserbrücke der Bern - Schwarzen- 
hurubahn. Zusammen mit Aekenmatt. Nidegg und Hied : 
102 Häuser, 705 reform. Ew. ; Weiler: 9 Häuser, 79 Ew. 
Kirchgemeinde Wahlern. Landwirtschaft. Wiege des Ge- 
schlechtes von Steinenbrünnen, das im 13. Jahrhundert 
in der Herrschaft Grasburg viele Güter besaps und zu 
Bern und Burgdorf verbürgert war. 

STEINENBÜHL. (Kt. Aargau, Bez. Baden, Gem. 
I'nter Siggenlhal). 537 m. Gruppe von 7 Häusern in einer 
Lichtung des Hommerig, 3 km n. der Station Turgi der 
Linie Zürich - Baden - Brugg. 46 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Turgi. Wiesenbau, Viehzucht und Milchwirt- 
schaft. 

STK IN EN BÜHL (Kt. Solothurn. Bez. Thierstein, 
Gem. Fehren). 630 m. Gruppe von 5 Häusern, auf einer 
Anhöhe 500 m ö. Pehren und 7.5 km aö. der Station Lau- 
fen der Linie Biel-Delsberg-Baael. 25 kathol. Ew. kirch- 

Semeinde ßreitenhach. Landwirtschaft. Seidenindustrie, 
andgrube. 

Steinenburg (Kt. St. Gallen, Bez. Boracharh. 
Gem. Steinach). 486 m. Bauernhof und Burgruine links 
über dem Steinachtobel; 2 km ssw. Steinach und 3,2 km 
s. der Station Arbon der Linie Horachach-Bomanshorn- 
Konstanz. Die malerisch gelegene Burg war der Sitz der 
Edeln von Steinach, denen wahrscheinlich auch der 
Minnesänger ßlikker von Steinach angehörte. Sie wurde 
1475 von der Stadt St. Gallen angekauft, aber schon 1481 
wieder an einen Privaten verkauft. 1565 kam sie in den 
Besitz der Abtei St. Gallen und bei deren Aufhebung in 
denjenigen des Staates St. Gallen, der sie 1805 einem 
Bauern Popp weiter verkaufte. Die Burg war bis um die 
Mitte des 19. Jahrhunderts bewohnt. Schöne Aussicht auf 
den ßodensee. 

steinenegg (Kt. Bern, AmUbez. Interlaken. Gem. 
Lütschenthal). 775 m. Gruppe von 8 Häusern, am rechten 
t'fer der Lülschine und 1 km w. Burglauenen. 49 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Gateig. Viehzucht. Hier beginnt die 
Steigung von Stahlen, die von der Linie 
Zweilütschincn-Grindelwald mit einer Zahn- 
siange nstrecke überwunden wird. 

STEINENGLETSCHER [Kt. Bern. 

AmUbez. Ober Hasle). 3400-2000 m. 6 km 
langer, sowie in der Mitte 600 m und zu oberst 
3,6 km breiler Gletscher 17 km ö. Meiringen. 
Sein Firngebiet liegt an den Gehängen des 
Hinter Thierberg (3343 m), Gwächlenhorns 
(3428 m), der Sustenlimmi (3103 m) und des 
Sustenhorns (3512 m) mit dem ihm nordwärU 
vorgelagerten Hinter Suatenhorn. Der Glet- 
scher sendet seine Schmelzwasser durch das 
Gadmerwasser in die Aare. Kr liegt an der 
Honte von Stein (am Sustenpassweg) über die 
Sustenlimmi, den Paaa Zwischen Thierbergen 
und aufs Sustenhorn, das oft bestiegen wird. 
Der Gletscher wird im NW. von den Felsen 
des Thierbergli (2823 m) und des Bocksberges 
(2640 m) begrenzt, über die er seine Eisblöcke 
herausschiebt, um sie auf den Steinlimmiglet- 
scher herunter fallen zu lassen. 

STEINENGLETSCHER (Kt. Wallis, 

Bez. Brig). 2900-2300 m. 1.8 km langer und 
1,2 km Breiter Gletscher; steigt vom Kamm 
zwischen Hüllehorn und BorteThorn zur Slei- 
nenalp im obersten Steinenthal hinunter. Sein 
Zungenende liegt 2 Stunden überBerisal an 
der Simplonstrasse. Der Gletscher wird begangen, wenn < 
man das Hüllehorn und Bortelhorn besteigen oder dasStei- ' 
nenjoch überschreiten will. Seine Wasser gehen durch den 
Bortelbach zur Ganter, die sich mit der Saltine vereinigt. I 
Ein ehemaliger Wasserleitungskanal führte vom Ende I 



des SleinengleUchers dem ßerghang entlang zum Briger- 
berg, musBte dann aber verlassen werden, als der Glet- 
scher vorzurücken begann. Heute liegt die alte Wasser- 
fassung von neuem oflen. Beste dieses « Bisse » sieht man 
noch an der N. -Flanke den Steinenthal. 

Steinenjoch (Kt. Wallis. Bez. Brig und Oeatlich 
Baron). Etwa 2700 m Passübergang zwischen dem Hülle- 
hurn (3186 mj und dem Gibclhorn (2821 m). Verbindet 
Beris.il an der Simplonslrasse über den SleinengleUcher 
und den Itamigh Ucher in 5 V t Stunden mit Binn. Xeichter 
und interessanter L'ebergang, der aber nur selten Be- 
such erhält. 

STEINENMOOS (Kt. Appenzell A. B.. Hinterland. 
Hern. Urnäsch). 889 m. Genvindeabteilung und Weiler; 
2.5 km s. der Station Urnäsch der Appenzellerbahn 
( Winkeln - llcrisau - Appenzell ). Zusammen mit Nürig, 
Buppen und Schwaderau: 39 Häuser, 182 reform. Ew ; Wei- 
ler: 6 Häuser, 27 Ew. Kirchgemeinde Urnäsch. Wiesen- 
bau. 

STEINENTHAL. (Kt. Wallis, Bez. Brig). 2700-1500 
m. Eine der ohern Verzweigungen des Ganterthalea. Be- 
ginnt am Hüllehorn (oder PunU Mottiscia: 3186 m) und 
trägt zu oberst den Sleinenglelscher. Steigt als wildes 
und steiles Thal westwärts ab, trägt die Steinenalp und 
vereinigt sich 600 m ö. vom Dorf Berisal mit andern 
Qucllthälern zum Ganlerthal. 5,5 km lang. Aufderobern 
Sleinenalp lindet sich in einer Höhe von mehr als 2000 m 
eine Alphülte mit einem grossen steinernen Stall; tiefer 
unten die Hütten der untern Sleinenalp. Das Steinenthal 
liegt in der vom Monte Leonegneis zwischen dem Kamm 
des Bortelhorns und dem Saurenrück gebildeten Mulde, 
die dolomilische Triaskalke und jurassische Kalkschiefer 
enthält. Zu oberst bildet ein Decklappen ( Glimmer- 
schiefer) der Zone des Grossen St. Bernhard den Gipfel 
des Gibelhorns. 

STEINENWALD ( Kt. Aargau. Bez. ZoHngen, Gem. 
Uerkheim). 487 m. Gruppe von 6 Häusern, 1 km w. l'erk- 
heim und 3 km w. der SUtion Schäftlarn! der Suhren- 
thalbahn { Aarau - Schöftland I. 51 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde l'erkheim. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

STEINERAA (Kt. und Bez. Schwyzl. Bach. S. den 
Art. Aa (Steiner). 

STEINER ALP (Kt. Grauhünden, Bez. Plessur. Kreis 
Schanilgg, Gem. Langwies). 1920 m. Alpweide am links- 
seitigen Gehänge des Fondeierthaies und 3 km nö. Lang- 
wies Platz. 

steinerberg (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggen- 




Steioeoglelscber uod Hinter Suiteohoro. 

bürg. Gem. Stein). 800-1300 m. Berghang n. über dem 
Dorf Stein. Von vier Bächen durchflössen und mit Wald 
und Häusern besunden. 23 Häuser, 106 reform, und 
kathol. Ew. Kirchgemeinden Stein. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Holzhandel. Stickerei. ■ 



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STEInerberq ( Kt. und Bez. Schwvz). C29 m. 
Gem. und Pfarrdorf, am S. -Hang des Hossberges auf den 




Steinerberg. 

He«ten eines ehemaligen Bergsturzes gelegen, an der 
StraBie Goldau-Satlel und St ranne nach Steinen. Station 
der Sudnslhahn ( Wädenswil-Goldau). Poslbureau. Tele- 
graph, Telephon. Gemeinde, mit Brändi. Diezigen, Hof. 
Kapf, Tobel und Wiler: 61 linuser. :i9.'( kathol. Ew.; 
Dorf: II Häuser, 67 Kw. Schone Pfarrkirche mit 2 Seiten- 
kapellen, der h. Anna geweiht und als Wallfahrtskirche 
viel besucht. Von hier führt ein guter Weg zum Gasthof 
auf dem Wildspitz ( 1583 m ) hinauf. Kirschwasserbren- 
nereien. Obstbau, Alpwirtschaft, Viehzucht und Vieh- 
handel. Nu«»- und Kaslanienbäume. Sommerfrische. Als 
eigene Pfarrei 1606 von Steinen abgetrennt. Die 1475 er- 
baute Kapelle wurde rasch zum Wallfahrtsort und ist 
1648 durch die jetzige Kirche ersetzt worden, die man 
1786 umgebaut und (874 vergrössert hat. 

STEINERBRUGG (AUSSER und INNER) | Kt. 

St. Gallen, Bez. Gaster, Gem. Kaltbrunn i. Zwei Weiler 
rechts und links vom Sleinenbach und durch eine Brücke 
miteinander verbunden; 2,4 km no. der Station Kalt- 
brunn Ben ken der Linie Dapperswil - Ziegelbrücke. Zu- 
sammen 36 Häuser. 215 kathol. Ew. Kirchgemeinde Kall- 
brunn. Mühle. 2 Sägen. Eine grosse Seidenfabrik. Acker- 
und Obstbau. Käserei. 

STEINEREN (OBER und UNTER) (Kt. Luzern. 
Amt Willisau, Gem. Ufhuscn). 712 und 698 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 4 Höfen; 1,3 km sö. Uthusen 
und 2.5 km s. der Station Huswil der Linie Bern-Luzern. 
35 kathol. Ew. 

STEINERN (Kt. Zürich. Bez. AlTollem. Gem. Otten- 
bach i. 433 m. Gruppe von 4 Häusern. 4 km sw. der Station 
Bedingen der Linie Zurich-Allöltern-Zug und 5 km nö. 
der Station Muri der Linie Aarau - Lenzburg - Rotkreuz. 
27 reform. Ew. Kirchgemeinde Ottenbach. Wiesenbau. 

STEINERNEN KREUZ ( BEIM ) ( Kt. und Bez. 
SchalThausen, Gem. Rüdlingen). Weiler. S. den Art. Krei z 
(Beim steinernen). 

STEINERNER TISCH i Kt. St. Gallen. Bez. Unter 
Bheinlhal, Gem. Thal). 528 m. Stark besuchler Aussichts- 
punkt am Buchberg, 2 km nw. der Station Bheineck der 
Linie Borschach-Sargans. Schone Bundsicht, namentlich 
auf den Bodensee. 

STEINERTHAL - ADELBODEN (Kt und Bez. 
Schwyz. Gem. Steinen). 586-718 in. Drei am linken Ufer 
der Steiner Aa zerstreut gelegene Häuser, 2 km n. der 
Station Steinen der Gotthardbahn. 28 kathol. Ew. Obst- 
bau (besonders Kirschbäume). Viehzucht. 

STEINGACHT | Kt. Appenzell, A. B . Vorderhand. 
Gem. Beute). 786 Dl. Gruppe von 7 Häusern, 3 km n. der 
Station liebstem der Linie Horschach-Sargans. 34 reforni. 
Ew. Kirchgemeinde Beute. Viehzucht. Stickerei. 

STEIN GASS (Kt. Zürich. Bez. Borgen. Gem. Bich- 
lerswili. 476 in. Gruppe von 4 Häusern. 600 m nw. der 
Station Burghalden der Linie Wädenswil-Kinsiedeln. 38 
reform. Ew. Kirchgemeinde Bichterswil. Wiesenbau. 

STEINGASSE ( Kt. Appenzell A. lt., Mittelland, 
("■em. Trogen i 840 tu. Gruppe von 5 Häusern, im NO. des 
Horfes Tropen. 2) reform. Ew. Kirchgemeinde Trogen. 
Wiesen. Weberei. 

STEINGRUB (Kt. St. Gallen, Bez. Borschach. Gem. 



Kggersrieti. 899 m. Gruppe von 3 Häusern, 6 km w. der 
Station Heiden der Bergbahn Borschach-Ileiden.27 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Kggersriet. Viehzucht. 

STEINGRUBE (Kt. und Amt.bez. Bern, 
Gem. Bolligen). 575 m. Weiler am linken 
l'fer des Worblenbaches. 2 km nö. der Station 
Ostermundigen der Linie Bern-Thun. 12 Häu- 
ser, 109 reforzn. Ew. Kirchgemeinde Bolligen. 
Grosser Bruch auf Molassesandstein. 

STEINGRUBEN (IN DEN) [Kt Solo- 

thoro. Amtei Solothurn-Lebern. Gem. Büt- 
tenen und Solothurn). 450-520 m. Zahlreiche 
zerstreut gelegene Häuser, in der Nähe der 
grossen Steinbruche von Solothurn und 1.5 km 
n. vom Bahnhof Alt Solothurn. Postablage; 
Postwagen Sololhurn-Günsberg. 38 Häuser. 
437 kathol. Ew. Kirchgemeinde St. Nikiaua. 

st e i N H je. LDELI i Kt. Zürich, Bez. Will- 
terthur. Gem. Zell). 49.") m. Gruppe von 3 Ilau- 
sern bei der Station Kollbrunn der Tossthal- 
bahn < Winterlhur-Waldi. 21 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Zell. 

STEINHALDE j Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken, Gem. 
Lauterbrunnen ). 750 m. Gruppe von 5 Häusern, am 
rechten l'fer der Weissen l.ulschine und 1.5 km n. der 
Station Laulerbrunnen der Linie Interlaken - Lauter- 
brunnen. 23 reform. Ew. Kirchgemeinde Laulerbrunnen. 
Viehzucht. Pracht« olle Aussicht auf die Jungfrau und ins 
Lauterbrunnenthal. 

STEIN HALDEN BACH (Kt. Obwalden). 1520-467 m. 
5 km langer Wildbach; entspringt im Hamersbergwald, 
Iiiesst gegen SU. und mündet 700 m nö. Sarnen von links 
in die Sarner Aa. 

Steinhaufen ( Kt. Bern, Amlabez. Aarwangen. 
Gem. LeimiswiR. 723 m. Gruppe von 9 Häusern; 2.3km 
w. der Station Lindenholz der Linie Langenthal - Wol- 
husen. 49 reform. Ew. Kirchgemeinde Bohrbach. I.aml- 
wirtschaft. 

STEINHAUFEN (Kt. Bern, Amtsbez. Thun. Gem. 
Strättligen). 580 m. Altertümliches Haus von bemerkens- 
werter Bauart, am Hang einer Anhohe 500 m s. der 
Station Gwatt der Linie Thun- Interlaken. 

STEINHAUS ( Kt. Bern. AmUbez. Schwarzenburg. 
Gem. Wahlern). 770 m. Gruppe von 8 Häusern, an der 
Strasse Bern -Schwarzenburg und 1,7 km n. der Station 
Schwarzenburg der Bern-Schwarzenburgbahn. 53 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Wahlern. Landwirtschaft. 

Steinhaus (Kl. Luzern. Amt Hochdorf. Gem. Her- 
lisberg). 768 m. Gruppe von 2 Häusern, 500 m s. Herlis- 
berg. 20 kathol. Ew. Kirchgemeinde Hitzkirch. 

STEINHAUS (Kt Wallis, Bez. Goms 1 . 1272 m. Lern, 
uml Weiler am linken Ufer der Bhone ; 2.7 km no. Aernen 
und 22 km nö. der Station Brig der Simplonbahn. 16 
Häuser. 86 kathol. Ew. Kirchgemeinde Aernen. Ist neben 
Ausserbinn die kleinste Gemeinde des Kantons und nimmt 
langsam an Zahl der Bewohner ab. Der armselige Weiler 
liegt in wilder Gegend und wird durch die Berge, an 
welche er sich anlehnt, während eines Teiles des \\ inters 
der Sonne beraubt. 1245 : </«• donw lapidea ; 1307 : 
Steinhus. 

STEIN HAUSEN (Kt. Zug). 434 m. Gem. und Prarr- 
dorf. 3 km wnw. Baar. Station der Linie Zürich-ARoltern- 
Zug. Postablage. Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit 
Bann. Kichholz. Erli und Bachfeld; 82 Häuser. 443 kathol. 
Ew. ; Dorf: 42 Häuser, 235 Ew. Acker-, Gemüse- und 
Obstbau, für welche Kulturen sich die n. vom Dorf aus- 
dehnende und die Hohe von 500 m kaum überschrei- 
tende Ebene vorzüglich eignet. Eigene Gemeinde seit 
1798. Als besondere Pfarrei 1611 von Baar abgetrennt; 
Kirche 1699 an der Stelle einer urkundlich schon 1173 
erwähnten Kapelle erbaut. In Steinhausen wurde am 
26. Juni 1529 der nur kurze Zeit dauernde erste Land- 
frieden zwischen Reformierten und Katholiken (erster 
Kappelerkrieg ) geschlossen. Die Gegend gehörte ur- 
sprünglich teils dem Stift St. Blasien im Sehwarzwald, 
teils den Habsburgern und den Edeln von Hünenberg. 
Später kam sie in andere Hände, bia alle Güter und 
Hechte zu Steinhausen 1451 von der Stadl Zug angekauft 
wurden, die hier bis 1798 einen Vogt sitzen hatte. Die 
hohe Gerichtsbarkeit stand früher Zürich und Zug zu. 



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deren Hoheitrgrenze mitten durch das Dorf ging. Fund von 
Steinbeilen im bann, in der Augaase und am Hinterberg. 
Gräberfeld aus der La T£ne Zeit in einer Kiesgrube nahe 
dem Dorf; eines der Gräber enthielt eine Münze der 
Sequaner. 1173: Steinhuain. 

STEINHAUSHORN iKt. Bern, AmUbez. Über Hasle). 
8133 m. Gipfel in der Kette zwischen dein Ober Ilaale 
und dem Tringletscher; unmittelbar onö. über GulUn- 
nen, von woher er über die Steinhausalp in 5 Stunden 
leicht erstiegen werden kann. Ebenfalls bequemer Auf- 
stieg von der Triflhülte aus in 2 Stunden. Prachtvolle 
Aussicht. Zum erstenmal 1815 von J. Frey und dann wie- 
der 1841 von Gottlieb Sluder erstiegen. 

STEIN HCELZUI ( Kt. und AmUbez. Bern, Gem. 
Köniz). 570 m. Gruppe von 6 Häusern auf dem Liebereid ; 
1.7 km nö. Koniz und 2 km sw. der Stadt Bern. 97 
relbrm. Ew. Kirchgemeinde Köniz. Landwirtschaft. Bier- 
brauerei mit sehr bekannter Gastwirtschaft. Erziehungs- 
anstalt für arme Mädchen. In der Wirtschaft im Slein- 
hölzli entfalteten deutsche Handwerksgesellen am 27. Juli 
1834 die schwarz - rot - goldene Fahne und feierten die 
deutsche Republik, was zu einem diplomatischen Zwischen- 
fall zwischen der Schweiz und Deutschland Anlas* gab. 

STEINHOF (Kt. Dem, Amlabez. und Gem. Burg- 
dorf). 549 m. Quartier der Stadt Burgdorf, an der Strasse 
nach Bern und 1 km s. vom Bahnhof Burgdorf der Linie 
Ollen-Bern. Haltestelle der Linien Burgdorf-Langnau und 
Burgdorf-Thun. Grosse Bierbrauerei. 

STEINHOF (Kt. Solothurn, Bez. Kriegstetten). 5G6 
m. Gem. und Dorf; 2,5 km nnw. der Station Bielwil der 
Linie Olten-Bern. Telephon. 23 Häuser, 137 Ew., wovon 
133 Reformierte und 74 Katholiken. Kathol. Pfarrei Aeschi. 
Ackerbau und Viehzucht. Die Gemeinde bildet eine von 
bernischem Gebiet umschlossene Exklave des Kantons 
Solothurn. Mächtiger erratischer Block, der als keltische 
Kultstatle gedient haben soll. Fund eines Steinbeiles, von 
vorrömischen und römischen Töpferwaren, von Romer- 
münzen, etc. Römersiedelung mit kannelierten Back- 
sleinen, Heizanlage etc. 

STEINHOLZ (Kl. Luzern, Amt Sursee, Gem. Knut- 
wil). 495 n>. Weiler. 500 m n. Knulwil und 5 km nw. 
der Station Sursee der Linie Luzern -Ollen. II Hänser, 
57 kathol. Ew. Kirchgemeinde Knutwil. Landwirtschaft. 

STEINHOLZ (Kt. Luzern. Amt Willisau, Gern . Buchs». 
'«23 m. Gruppe von 4 Häusern, 800 m nö. Buchs und 3 km 
nö. der Station Wauwil der Linie Luzern- Ölten. 25 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Uflikon. Viehzucht. 

8TEINHUBEL (Kt. Luzern. Amt Willisau, Gem. 
Altbüron). 617 m. Gruppe von 4 Häusern; 1,7 km n. 
Altbüron. 20 kathol. Ew. Kirchgemeinde AltbüroD. Vieh- 
zucht. 

STEIN HUSEN (Kt. Luzern. Amt Sursce. Gem. Wol- 
husen). 840 m. Gruppe von 3 Hausern. am linksseitigen 
Gehänge des Thaies der Kleinen Fontanne und 4 km sw. 
der Station Wolhusen der Linie Bern- Luzern. Postahlage. 
17 kathol. Ew. Kirchgemeinde Wolhusen. Ackerbau und 
Viehzucht. 

steinhuserberq ( Kt. I.uzern . Amt Sursee, 
Gem. Wolhusen). 500-945 in. Gemeindeabteilung mit zer- 
streut gelegenen Höfen und den Häusergruppen Stein- 
husen und Guggernell, am linksseitigen Gehänge des 
Thaies der Kleinen Fontanne und 4 km sw. der Station 
Wolhusen der Linie Bern- Luzern. 105 Häuser. 682 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Wolhusen. Wiesenbau und Viehzucht. 
Rosshaar- und Hanfllechterei. 

STEINI (Kt. Bern, Amlsbez. Interlaken. Gem. Wil- 
derawil i. 630 m. Gruppe von 5 Häusern, linke« vom Hin- 
gang ins Saxetenthal und I km sw. der Station Wilders- 
wil der Linie lnterlaken-Laulerbrunnen. 43 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Gsteig. Viehzucht. 

STEINI ( Kt. Bern, Amlsbez. Nieder Simmenthai, 
Gem. Erlenbach i. 760 m. Gruppe von 3 Häusern, am 
rechten Ufer der hier von einer Brücke überschrittenen 
Simme und unterhalb der Mündung des Sieinibaches, 
I km w. der Station Krlenbach der Thunerseebahn i'Spiez- 
Zwcisimmen). 27 reform. Kw. Kirchgemeinde Krlenbach. 
Viehzucht. 

STEINI (Kt. Bern. AmUbez. Ober Simmenthai, Gem. 
Bolligcn). 900 m. Gruppe von 7 Häusern, am Eingang 
in die Klus und am linken L'fer des Ktuäbaches, zwischen 



den Dörfern Heidenbach und Schwarzenmatt und 1,5 km 
sw. der SUtion Boltigen der Thunerseebahn (Spiez-Zwei- 
simmen). 37 reforni. Kw. Kirchgemeinde Boltigen. Vieh- 
zucht. 

STEINIBACH (Kt. und Amlsbez. Bern. Gem. Zolli- 
kofen i. 527 in. Gruppe von 6 Häusern, an der Strasse liern- 
Zollikofen und 1 km oberhalb der Tiefenaubrücke. 
83 reforni. Ew. Kirchgemeinde Bremgaiten. Landwirt- 
schaft. 

| STEINIBACH (Kt. Bern, Amlsbez. Nieder Sirumen- 
> thaD. 1330-69I m. RechUseitiger Zulluss der Simme ; 
entspringt am N.-Hang der Kelle des Thurnen und 
mundet 1,5 km oberhalb Erlenbach. 

STEINIBACH oder STEINBACH (Kt. Bern. AmU- 
bez. Sefligen, Gem. Belp). 530 tu. Dorf, am linken l'fer 
der Gürbe nnd 1.7 km nw. der Station Belp derGürbe- 
thalbahn ( Bern- Watlenwil- Thun). 24 Häuser. 255 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Belp. Gastwirtschaften. Säge; Woll- 
weberei und Tuchfabrik. Landwirtschaft. Sandgruhen. 

STEINIBACH (Kt. Luzern. Amt Entlcbuch) 1300-850 
m. Rechtsseitiger Nebenarm der mit der Kleinen Emme 
sich vereinigenden Waldemme, in die er nach 2,8 km 
langem Lauf 2.5 km n. Flühli mündet. Entspringt an der 
Lanzigenlluh und Messt westwärts. Bildet einen schlim- 
men Wildbach, der sich in den Glazialgeschieben ein 
tiefes Bett ausgewaschen hat und stellenweite auch in 
wenig widerstandsfähiger Molasse (Ii esst. Man plant eine 
regelrechte Verbauung, die im Oberlauf in Thalsperren 
und im Unterlauf in der Kanalisation des Wildbaches be- 
stehen soll. 

STEINIBACH (Kt. und Amt Luzern). 1100-439 in. 
| Von der Hotenfluh an der Grenze gegen Obwalden herab- 
kommender Bach, der nordwärts fiiesst, einen Rogen be- 
schreibt und nahe Winkel von links in den Vierwald- 
sUllersee mündet. 5 km lang. 

STEINIBACH (Kt. Nidwaiden). 1217-560 m. Wild- 
bach: entspringt mit mehreren Quellarmen am S.-Hang 
des Sunserhorns, am Arvigrat und an der Egg, Iiiesst 
durch ein tiefes Tobel ostwärts gegen Dailenwil und 
mündet nach 4.5 km langem Lauf von links in die Engel- 
berger Aa. Fiiesst über einen sUrk veränderlichen Schult- 
kegel und hat schon oft (so 1806. 1831 und 1851 1 Ver- 
heerungen angerichtet Die bereits begonnenen Verhau- 
ungsarbeilen haben infolge mangelnder Geldmittel wieder 
eingestellt werden müssen. 

STEINIBACH (Kt. Nidwaiden). 1320-435 m. Wüm- 
bach ; entspringt auf der Alp Frakmünt am Fuss des 
Klimsenhorns ( Pilatus i und mündet nach 5 km langem 
Lauf gegen i). bei Hergiswil von links in den Vierwald- 
stättersee. Sein grösster Nebenarm ist der Kohlerbach. 
Der Steinibach, der in den 80er Jahren des 19. Jahr- 
hunderts im Dorf Hergiswil bedeutende Verheerungen 
angerichtet hat, ist heule vollständig verbaut. Die 188t 
begonnenen und bis heute fortgesetzten Arbeiten bestehen 
aus der Anlage einer Reihe von Thalsperren aus Holz 
und Stein im Sammelkanal und eines gepflasterten und 
kanalisierten Bettes im Mündungslauf. Gesamtkosten 
267 200 Fr. 

STEINIBACH (Kt. Obwalden). 1800-720 m. >S Im- 
bach; entspringt mit mehreren Quellarmen am N.-Hang 
desMüssenstocks. fiiesst zuerst gegen NO. und dann gegen 
SO., um nach 6,5 km langem Lauf in den Forstbach zu 
münden. 

i STEINIBACH (Kt. Obwalden. Gem. Sarnen)- 661 m 
I Gruppe von 3 Häusern, am linken l'fer des Sarnersees 
und 6 km sw. der Station Sarnen der Brünigbahn (Lu- 
zern-Brienz>. 7 kathol. Ew. Kirchgemeinde Sarnen. Vieh- 
zucht. 

STEINIBACH (Kt. Schwei- Wildtech des Euthales; 
enUteht aus der Vereinigung des Steinkasten-. Rossweid- 
und Wellkessibaches, die an den Hangen von Brandhal- 
den, des Spilalberges und der Schräh in 1400-1500 m 
Hohe entspringen, und mündet durch einen auf 700 m 
' Länge gepflasterten und kanalisierten Sammellauf von 
rechts in die Sihl. Im Hauptbach wie in den Quellbachen 
hat man zahlreiche Thalsperren angebracht, die von gu- 
tem Erfolg gewesen sind. Das Einzugsgebiet umfasst 3,36 
km*. Tolalauygaben für die Korrektion Fr. 110000. 

STEINIBACH (AUSSER und HINTER) (Kt. Lu- 
zern, Amt Enllebuch, Gem. Flühli). 862-940 m. Drei 



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STE 



STE 



Häuser am rechten Ufer des Steinibaches ; 2,5 km n. 
Fliihli und 6 km s. der Station Schüpfheim der Linie Bern- 
Luzern. 33 kaihol. Ew. Kirchgemeinde Flühli. Viehzucht. 

STEINIBACH (HINTeR) (Kt. Glarus, Gem. Elm). 
Häusergruppe. S. den Art. IIiNTEnsTEiNiRACH. 

steinig (Kl. Aargau, Bez. Baden, Gem. Killwangen). 
404 in. Gruppe von 4 Itausern, am linken Ufer der Lim- 
mat und 300 m s. der Station Kill wangen der Linie Zurich- 
Baden-Brugg. 27 kathol. Ew. Kirchgemeinde Wettingen. 
Ackerbau, v iehzucht und Milchwirtschaft. 

STEINIG (Kt. St. Gallen. Bez. Ober Hheinthal, Gem. 
Altstätten). 440 m. Gruppe von 7 Häusern ; 2.3 km sw. 
der Station Hüti der Linie Borschach-Sargans. 30 zur 
Mehrzahl kathol. Ew. Kirchgemeinde Büti. Ackerbau 
(Mais). 

STEINIG (OBER und UNTER) (Kt. Aargau, Bez. 
Kulm, Gem. Schmiedrued). 691 und 670 m. Zwei Gruppen 
von zusammen 4 Häusern auf einer Anhohe mit schöner 
Aussicht, 2 km w. der Station Gontenswil der Winen- 
thalbahn (Aarau-Kulm-Menziken). 39 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Bued. Ackerbau und Viehzucht. 

STEINIGEM ATTE (Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken). 
2165 m. Breiter Bücken w. vom Hohgant. vollständig mit 
verwitterten Gesteinstrümmern übersät. 

STEIN IGQ0T8CH (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken . 
1846 m. Kleiner Felsvorsprung am SO.- Hang des Hohgant 
12199 im. i' ... Stunden über dem Dorf Habkern im Hab- 
kernthal. Gehört zur Aelgäualp. S -Hang bewaldet. 

STEINIGNAKI (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Simmen- 
thal). 1900-1600 m. 1 km lange Thalfurche an der S.- 
Flanke des öst. Stockhornkammes. Senkt sich sehr steil 
nach O. ab und wird im N. von den Steilhängen der Nü- 
schleten und des Lasenbergea, im S. von der Walpers- 
hergduh überragt. Am untern Ende befindet sich die ver- 
landete Wanne eines ehemaligen kleinen Sees. Von 
Beutigen aus führt ein Fussweg das Thal hinauf bis zur 
Unter Slockenalp, von der aus das Stockhorn bestiegen 
werden kann, lue Alp Steinignaki war lange Zeit Eigen- 
tum des Bürgerspitals zu Bern. 

STEINIS WEG (Kt. und Amtabez. Bern, Gem. Woh- 
len». 539 in. Gemeindeabteilung und Weiler, am rechten 
Ufer der Aare 2,8 km w. Wohlen. Telephon. Zusammen 
mit Aussermühlethal, Salfisberg und Wikacker: 34 Häu- 
ser, 229 reform. Ew. ; Weiler : 8 Hänser, 53 Ew. Kirch- 
gemeinde Wohlen. Landwirtschaft. 

STEINKALKHORN oderCIMA STEIN IQ ALCHI 
(Kt. Wallis, Bez. Visp). Gipfel. S. den Art. Boftemukkner. 

8TCINLAUENENQLETSCHER (Kt. Bern, Amts- 
bez. Ober Hasle). 2900-2370 m. 1 m langer und 500 m 
breiter kleiner Gletscher an den Gehängen rechts über 
dem Gauligletscher im L'rbachthal. Daruber die Stein- 
lauenenlucke. 

STEIN1.AU EN EN HORN (Kt. Bern. Amtsbez. Ober 
Hasle). 3164 m. Auf der Siegfried karte unbenannter Gip- 




Nieder uud Ober SUinmaur von Sfidou. 



fei zwischen dein Grubengrat und dem Graugrat im 
Bergstock des Bitzlihorns (3282 m). Erhebt sich n. über 
einem unbenannten Kisfeld, o. über dem Steinlauenen- 



glelscher und sw. über dem Aerlengletscher. Zum ersten- 
mal 1896 bestiegen. Aufstieg in je etwa 5 Stunden von 
der Gaulihütte oder von der Handegg aus. Selten er- 
stiegen. 

STEINLAUENENLUCKE (Kt. Bern, Amtsbez. Ober 
Hasle). 2970m. Passübergang zwischen dem Nord Golegg- 
horn und dem Steinlauenenhorn und hinten über dem 
Steinlauenengletscher. Gestattet den Uebergang von der 
Gaulihütte zur Handegg. ist aber bis 1906 wahrscheinlich 
noch nicht vollständig begangen, sondern bloss beim 
Aufstieg auf das Golegghorn zufällig besucht worden. 
Auf der Siegfriedkarle unbenannt. 

STE IN lau INEN (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Hasle). 
So nennen einige ältere Alpinisten (namentlich Wyss 
1816i den das Hühnerthälihorn mit dem Gross Diamant- 
stock verbindenden Kamm. 

STE IN LEU TEN (Kt. Appenzell A. B., Mittelland. 
Gem. Gais). 870-1200 m. Am N.-Hang des Gäbris zerstreut 
gelegene Häuser; 1,5 km nö. der Station Bühler der 
Strasscnbahn St. Gallen-Gais-Appenzell. 30 Häuser, 146 
reform. Ew. Kirchgemeinde Gais. Wiesenbau und Milch- 
wirtschaft. Weberei. 

STEIN LIB ACH ( Kl. Appenzell A. B. und St. Gallen. 
Bez. Unter Bheinthal). 865 402 m. Wildbach : entspringt 
bei Heiden unter dem Namen Mattenbach, durchmesst 
den SO. -Hang des Bosabühl und unter dem Namen Tobel- 
oder Letzibach das malerische Tobelthal, erhält dann 
den Namen Steinlibach, als welcher er in kanalisiertem 
Bett n. an Hheineck vorbeigeht und von links in den 
alten Bhein mundet. 8.5 km lang. War einst ein berüch- 
tigtes Wild wasaer, das das fruchtbare Gelände von Thal 
oft verwüstete, bis man 1890 mit einer durchgreifenden 
Verbauung begann, die für den Maltenbach etwa 100000 
und für den Steinlibach im engprn Sinn 161 500 Fr. ge- 
kostet hat- 

STEINLIMMI (Kt. Hern. Amtsbez. Ober Haslei. Etwa 
2730 m. Passübergang zwischen dem Vorder Thierberg 
(3091 m) und dem Giglistock (2900 m) in dem das Gad- 
menthal vomTrifthal trennenden Gebirgsstock. Verbindet 
Stein (am Berner Fuss des Sustenpasses) in etwa 4 Stun- 
den mit der Windegghütle rechta über dem Triftgletscher 
und ist zum erstenmal 1841 überschritten worden. 

STEINLIMMIQLETSCHER (Kt. Bern. Amtsbez. 
Ober Hasle). 2700-2100 m. 3.5 km langer und im Mittel 
900 m breiter Glelscher am Kamm zwischen dem Gigli- 
stock (2900 m) und dem Vorder Thierberg (3091 m). \\ ird 
im SO. vom Steinengletscher und den beiden Felsspornen 
des Thierbergli (2823 m) und Bockberg (2640 m). sowie 
im NW. vom Brunnenstock und Thaleggli überragt. Sen- 
det seine Schmelzwasser in den dem Steinengletscher 
entspringenden Gletscherbach. 

STEINMATT I Kt. Solothurn. Bez. Kriegstetten. Gem. 
Derendingen). 430 m. Ehemalige grosse Wiese und jetziges 
Ostquartier von Derendingen. S. diesen Art. 

STEINMAUR (Kt. Zürich, Bez. Dielsdorf)- 
440 und 469 m. Gemeinde mit den Dörfern Nieder- 
steinmaur. Obersleinmaur und Sünikon; am NO.- 
Hang der Lägern und SO. -Hang der Egg. Station 
der Linie Oberglatt-Niederweningen. Gemeinde : 
140 Häuser, 840 Ew. (wovon 66 Katholiken) ; 
Dorf Obersleinmaur (mit der Pfarrkirche) : 54 
Ilauser. 290 Ew.; Nieder Steinmaur: 32 Häuser, 
203 Ew. Telephon in Obersteinmaur. Hefarm. 
Pfarrei. Ackerbau und Viehzucht. Einzelfund aus 
der Steinzeit. Ob dem Dorf ein Grabhügel aus der 
Hallstattperiode. Bedeutende römische Ansiede- 
lung. Niedersteinmaur ruht ganz auf römischen 
Buinen ; eine zweite römische Ansiedelung stand 
im Bodhof. Alemannensiedelung 833 : Sleinimuro. 
Bitterliche Begensberger Dienstleute von Slein- 
mur kommen 1246-1316 vor. Wo ihre Burg ge- 
standen hat, weiss man nicht. Der Ort kam 1409 an 
die Stadt Zürich und gehörte fortan zur Landvogtei 
Hegensberg. Die Kollatur und den Zehnten besass 
schon vor der Deformation der Spital zu Baden. 
Erst 1851 wurden die kirchlichen Beziehungen zu 
Baden ganz gelost. Eine 1730 von Steinmaur abge- 
trennte Kirchentiliale war Bachs. 

steinmcesli (Kt. Bern, Amtsbez. Signau. Gem. 
Eggiwil). 956 m. Zwei Häuser, an der Strasse Eggiwil- 



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STE 



STE 



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Schangnau und 13 km sw. der Station Wiggen der Linie 
Bern-Luzern. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Eggiwil. 
Torrgruben. 

stein ritz Kt Freiburg. Bez. Greierz). 1500-2000 m. 
Mit Sturzschutt überführte» und zum Teil begrastes Ge- 
hänge zwischen der Teuschlismad (2097 ml und dem 
Kaiaereggpaas (2077 m) im Bergstock der Kaiaeregg. Bildet 
den bloss mit Schafen bezogenen Oberstafel derBiggisalp. 
Vis Stunden über dem Schwarzsee. 

8TEINRUTI (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggen bürg, 
Gem. Wildhaus). 1130 m. Gemeindeabteilung und Hiuaer- 
gruppe nw. Wildhaus; 15,2 km nw. der Station Buchs 
der Linie Borschach-Sargans. 12 Häuser, 54 reform, und 
kathol. Ew. Kirchgemeinden Wildhaus. Wiesenbau und 
Viehzucht. 

STEINRUSCHEN (Kt. Solothurn, Bez. Buchegg- 
herg. Gem. Küttigkofen). 500 m. Gruppe von 3 Häusern, 
000 m sw. Küttigkofen und 5.5km nw. der Station L'tzen- 
storf der Linie Solothurn-Buredorf-Langnau. 23 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Aetigen. Viehzucht. 

8TEINSCHLAQHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Fruti- 
gen und Nieder Simmenthall. 2322 v m. Wenig hervor- 
tretender Gipfel in der Niesenkette, zwischen dem Tschi- 
parellenhorn (2399 m) und dem Standhorn (2340 mi. Der 
W.-Hang erscheint mit Schutt bedeckt, der von den 
Gipfelfelsen niedergebrochen ist. Der nw. über Frutigen 
und so. über dem Botbad stehende Berg kann von dort 
her in 4'/ t und vom Botbad im Diemtigthal aus in 4 Stun- 
den erstiegen werden. 

8TEIN8BER Q (Kt. Graubünden, Bez. Inn». Gem. und 
Dorf. S. den Art. Ardez. 

steinsberg i Kt. Graubünden, Bez. Inn, Gem. 
Ardez). 1525 m. Buine einer fetten Burg mit hohen 
Mauern, am linken Ufer des Inn unmittelbar ö. vom Dorf 
Ardez. Gehörte zuerst als bischöfliche* Lehen der Familie 
Scheck und kam dann an die Planta-Steinsberg, die bis 
1890 im Besitz der Buine waren. Nach dem Schloss trägt 
das an seinem Fuss liegende Dorf Ardez wohl auch den 
deutschen Namen Steinaberg. 

STEINSHOF und UNTER STEINSHOF (Kt. 
Zürich, Bez. Pfäffikon, Gem. Sternenberg). 860 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 13 Häusern, am Fuss des aus- 
sichtsreichen Schatzbohl und 700 m nw. der Kirche 
56 reform. Ew. Kirchgemeinde Sternen- 

Uri). Etwa 2740 m. Gipfel in 
kette, zwischen Zwächten (etwa 
UFA) mi und Bossbodenstock (2460 m); 300 m so. vom 
Punkt 2600 m der Siegfriedkarte. Kann von der Tresch- 
hütte oder von den Hütten von Culma im Etzlithal er- 
stiegen werden und bildet eine nicht gerade schwierige 
Klettertour. 

steinthal (Kt. St. Gallen, Bez. Neu Toggenburg, 
Gem. Wattwili. 800 m. Gemeindeabteilung und Weiler, 
3 km w. der Station Wattwil der Toggenburgerbahn. Zu- 
sammen mit Lad, Schlosswies und Stämisegg: 43 Häu- 
ser, 196 reform. und kathol. Ew. ; Weiler : 12 Häuser. 6t 
Ew. Kirchgemeinden Wattwil. Wiesenbau und Viehzucht. 

steinthal i Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggenburg, 
Gem. Kappel und Ebnat). Zerstreut gelegene Höre, Hütten 
und Häusergruppen im Thal des Steinthalbaches, 4 km 
ssö. der Station Ebnat-Kappel der Toggenburgerbahn. 
22 Häuser, 88 zur Mehrzahl reform. Ew. Kirchgemein- 
den Ebnat und Kappel. Alpwirtschaft. Holzhandel. Durch 
das Thal führt ein guter russweg auf den Speer. 

STEINTHALBACH oder STEINTHALERBACH 
(Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggenburg). 1540-640 m. 
Linksseitiger Zufluss der Thür ; entspringt in der Elisalp 
am N.-Fuss des Speer, fliesst nordwärts durch Bogmen- 
und Engealp und kommt erst im eigentlichen Steinthal 
i ti Oia* d l^ft i £t » i ©s(?ä u boidG o i cä i prt tf\ er 
tiefer eingeschnittenen Hachbettes sich ausdehnende 
Thal ist ziemlich bewohnt, so dass es eine eigene Schule 
und eine hoch über dem rechten Ufer des Baches sich 
hinziehende Strasse hat. Einige Holzbrücken verbinden 
die beiden Ufer im Steinthal, und eine grössere Brücke 
übersetzt den Bach nahe der Mündung beim Dorfe Ebnat. 
Hier treibt das Wasser eine Mühle, zwei Sägemühlen und 
eine Parketteriefabrik. Eine 1867 von einem Privatmann 



berg. W 

STEI 

der Piz G 



Aktiengesellschaft verkauft, ging aber schon 1876 finan- 
zieller Schwierigkeiten wegen wieder ein. Jetzt ist der 
Fischreichtum des 9 km langen Baches gering. 

STEINTHALGRAT (Kt. Wallis. Bez. Visi». 2652- 
3092 m. O.-Grat des Steinthalhorns in der das Turlman- 
thal vom Nikolaithal (oder Zermatterthal) trennenden 
Kette: schiebt sich zwischen das Augstbord- und das 
Juneenthai ein und wird an seinem O.-Ende vom Weg 
St. Niklaus-Augstbordpass umzogen. Die einzelnen Punkte 
des Kammes können von St. Nikiaus her in 4-5 Stunden 
mehr oder weniger leicht erreicht werden. 

STEINTHALHORN (Kt. Wallis. Bez. Visp und Leuk). 
3113 m. Gipfel mit verwittertem Felsgrat, unmittelbar 
s. über dem Augslbordpass und gegenüber dem aus- 
sichtsreichen Augstbord Schwarzhorn (3204 m) ; in der 
das Turtmanthal vom Nikolaithal (Zermatterthal) trennen- 
den Kette. Interessante Aussicht, die aber derjenigen vom 
benachbarten Schwarzhorn bei weitem nicht gleichkommt. 
Aufstieg nicht übermässig schwierig ; von Gruben oder 
Meiden im Turtmanthal aus über die WSW.-Flanke in 
4 Stunden oder von St. Nikiaus durch das Jungenthal in 
6 Stunden. Die drei unbenannten kleinen Gletscher am 
N.-Hang sind während der letztvergangenen Jahre be- 
deutend zurückgeschmolzen. 

STEIN TO SELBACH (Kt. Appenzell I. B.). 1070- 
775 m. 2 km langer Bach; entspringt bei Kau, geht un- 
mittelbar w. am Flecken Appenzell vorbei und vereinigt 
sich 1 km weiter unten mit der Sitter. Durchzieht im 
Oberlauf ein in Sandsteine und Mergel der Molaase tief 
eingeschnittenes Tobel und kann bei Hochwasser bedeu- 
tende Verheerungen anrichten. 

STEINWEID (Kt. Bern, AmUbez. Trachselwald. 
Gem. Sumiswald). 815 m. Gruppe von 3 Höfen, 2 km sö. 
Sumiswald und 6 km nö. der Station Bamsei der Linie 
Burgdorf-Langnau. 21 reform. Ew. Kirchgemeinde Sumis- 
wald. Viehzucht. 

8TEKELE (Kt. Freiburg. Bez. Greierz, Gem. La 
Roche). 784 m. Gruppe von 7 Häusern am rechten Ufer 
der Serbache, 500 m nw. der Kirche La Roche und 13 km 
nö. der Station Bulle der Linie Bulle-Bomont. 22 kathol. 
Ew. französischer Zunge. Kirchgemeinde La Roche. Wie- 
sen- und Obstbau, Viehzucht. Strohflechterei. 

8TELLENEN (Kt. Wallis, Bez. Visp, Gem. Eisten). 
1565 m. Oberer Abschnitt der aus zerstreuten Siedelun- 
gen bestehenden Ortschaft Im Ahorn, am fruchtbaren 
Hang o. über dem Gasthof Huteggen im Saasthal und am 
W.-Fuas desSimelihorns. 4 Häuser, 19 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Eisten. 

STELL I (Kt. Graubünden, Bez. Plessur). 2628 m. Vor- 
berg der Weissfluh im Schanfigg. Von dieser letztern 
streicht ein Kamm nach \V dem noch die Zähnjefluh 
angehört und der dann vom Stelli nach SW. abfällt, um 
in der Thalgabel zwischen Sapün und Fondei gleich 
hinter Langwies auszukeilen. Der Name Stelli kommt 
auch sonst noch da und dort vor, so z. B. am Kreuz, etwa 
1 km sw. dieses im Prätigau (zwischen Schiers und St. 
Antonien) stehenden Gipfels. 

STELLI (Kt. St. Gallen und Graubünden). 2055 m. 
Wenig hervortretender Gipfel auf dem Hauplkamm der 
Calandakette: 3 km n. vom Haldensteiner Calanda und 
unmittelbar n. der Scharte, welche das Val Cosenz in 
den Bergkamm eingeschnitten hat. N. von dieser Stelle 
nimmt der Scheitel der Calandakette den Charakter eines 
ziemlich breiten Plateaus an. Aufstieg von Untervaz her 
in 2 Stunden. 

STELLI (Kt. St. Gallen, Bez. Sargans). 1867 m- Wenig 
hervortretender Gipfel am O.-Band der mit kleinen Seen 
geschmückten schonen Mulde der Seewenalp. 5 km s. 
Unter Terzen. Ausflugsziel der Kurgäste auf Seewenalp. 
Besteht aus Liasschiefern. 

TELLI (Kt. Wallis. Bez. Hrig, Gem. Simpeln). 1954 
Alpweide mit 4 Hütten und Ställen, an dem Schurci- 
:n genannten NO.-Hang des Weissbodenhorns. Etwas 
höher oben liegen in 2130 in die zerfallenen Hütten von 
Galen. 

STELLI (Kt. Wallis; Bez. Visp). 3361 m. Nordwest). 
Vorberg des Stellihorns (3445 in) in dem das Furggalpthal 
vom Ofenthal trennenden Kamm, hinten über dem Saas- 
thal und unmittelbar w. über Mattmark, von wo aus der 
Gipfel in 3 V, Stunden leicht bestiegen 



STE 

m. t 



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STE 



5TK 



8TELLI»LP ( Kt. Uri. Gem. Healp). 2*200-2600 m. 
Alpweide mit Hütte in 2424 m, am S.-Ilang des Bielen- 
stocks und an der Furkastrasae. 

8TELLIBODENQLETSCHER (Kt Uri). 2900- 2400 
m. Hängeglelscher am Hollhälihorn. recht» ul>er dem Thäl- 
chen der Muttenalp und a. über Healp. Er iat stark zuruck- 
geschmolzen und erscheint heute durch eine Felsrippe in 
zwei einzelne Eisfelder getrennt, deren jedes 1 km lang und 
600-800 m breit ist. Seine Schmelzwasser gehen durch den 
Muttenhach zum Wjttenwasser und mit diesem in die 
Reusa. 

STELLIFLUH (Kt. Kern, Amtabez. Interlaken). Mit 
diesem Namen bezeichnet die Siegfriedkarte den von ihr 
nicht kotierten NW* -Grat des Schwarz Mönch. Andere 
Autoren und verschiedene Führer legen den Namen da- 
gegen entweder dem funkt 2654 m (Schwarz Mönch der 
Siegfriedkarte I oder dem zwischen dem Holbretigrat 
(NW. -Grat des Silberhorns) und dem Schwarz Mönch 
gelegenen Punkt '2718 m bei. Vergl. den Art. Miincii 
(Schwarz). 

8TELUIQLET8CHER (Kt. Wallis. Rez. Visp). So 
heisst ein heute in 2-3 einzelne kleine Eisfelder aufge- 
löster Glelacher am NU. -Mang des unregelmässigen Kam- 
mes, der das Inner Karrhorn (3621 m) mit dem Aeusscr 
Slellihorn verbindet. Das am weitesten nordwärts be- 
findliche Etafeld liegt zwiachen3IIM) und '23400 m Hohe, ist 
1.2 km lang und 800 m breit und zeiut keinen oberfläch- 
lichen Abflusa : daa mittlere Eisfeld ('29ÜTI-27O0 m) ist 1 km 
lang und 700 m breit und ateht durch eine achmale Eis- 
zunge mit dem südl. Gletscher in Verbindung, der zwi- 
schen 3360 und 2940 m Hohe liegt. 900 m lang und 600 
m breit ist. Es liegen : der N. -Gletscher am Weg von 
St. Nikiaus über das Stellijoch. der mittlere Gletscher am 
Weg über daa Pipijoch und der S.-Gletscher am Weg 
über daa Barrjoch. 

•TILLIHtZRNER i Kt. Wallis, Bez. Visp und Leuk). 
3404 und 3415 m. Zwei Gipfel lAeusser Slellihorn und 
Inner Slellihorn I in der Kette zwischen dem Turtmanthal 
und dem Nikolai- oder Zermalterthal. unmittelbar aw. 
über St. Nikiaua. Gehören zur Gruppe der Barrhorner. 
deren Nomenklatur auf der Siegfriedkarte sehr zu wün- 
schen übrig läaat. Unter Zugrundelegung der zuverläs- 
sigsten Angahen erhalten wir folgende Reihenfolge: Vom 
lungpas« ,2994 ml an hebt sich der Kamm zum Jungthal- 
Holhorn (3262 im. hinler welchem drei Kammschaiien 
folgen, nämlich der Jungthalpasa zwischen dem Hothorn 
und dem Punkt 325."- m. die ebenfalls Junglhalpaaa ge- 
heissene Scharte am SO.- Fuaa des Punktes 325.) m und 
daa Brändji- oder Gässijoch zwischen den Punkten 3288 




Sli'l j-ee k'CK«'" Mnller luirn. 

m und 3404 m. Alle drei Passe führen von dem auf der 
Siegfriedkarte unbenannten Brändjiglelseher zum Jungen- 
gletscher hinüber. Punkt 3404 m iat das Aeuaser Slelli- 



horn. während der auf der Sieefriedkarte einfach mit 
Slellihorn bezeichnete Punkt 34l5 m den. Namen Inner 
Slellihorn (oder auch Inner Lockerspitz) tragen muss. 
Zwischen dem Aeuaaer und dem Inner Slellihorn öffnet 
sich das Stellijoch (etwa 3300 m). Jenaeita des Inner 
Stellihorns folgen daa auf der Siegfriedkarte unbenannle 
und nicht kotierte Pipijoch, der Gässispitz (oder Aeusser 
Lockerspitz; 3414 mi. da8 Aeuaaer Barrhorn (3621 mi, 
das Barrjoch (zwischen dem auf der Karle unbenannlen 
liai-r r lei-<-her und dem obern Abschnitt des Stelliglet- 
schersi, sowie das Inner Harrhorn (3587 m) mit den nach 
S. vorgelagerten beiden Scbollihörnern (3437 und .CiOH m ; 
auf der Karte unbenannt). Die beiden Stellihorner kön- 
nen von Gruben her über das Stellijoch in 5 Stunden 
oder von St. Nikiaua ebenfalls über das Stellijoch in 
7 Stunden ohne besondere Schwierigkeiten erstiegen 
werden. 

8TELLIHORN ( Kt. Bern. Amlsbez. Interlaken ). 
2080 in. Gipfel im Bergstock des Grindelwald Faulhorns, 
im Kamm der Sngishorner zwischen der Burg i2246 mi 
und dem Hintsberg (1933 mi. Kann von der Station Lüt- 
rchenthal der Linie Inlerlaken-Grindelwald über die mit 
Alphüllen übersäte Hintisbergalp in 4 Stunden bestiegen 
werden und bietet eine prachtvolle Aussicht. 

STELLIHORN (Kt. Bern. Amtsbez. Inlerlaken und 
Ober Hasle). Anderer Name für das Hosenlaui beherr- 
schende Gsteluhorn (s. diesen Art.). 

STELLIHORN ( Kt. Wallis. IL'/.. Visp |. 3445 m. 
Hauplgipfel der Zweigketle, die sich von der Grenzkettc 
zwischen dem Saas- und dem Anlronathal abzweigt, um 
daa Furggalptlial vom (Ifenthal zu scheiden und gegen- 
über Zenmeiggern auszukeilen. Sie umfasst ausser dem 
Slellihorn noch das Stelli |336I ml, den Weisslhalpass. 
das Nollenhorn (3189 ml. den Mitlelgrat (3155 und 2926 m) 
und das Plaltje (2650 in). Das Slellihorn kann von Matt- 
mark her in 4 Stunden ohne besondere Schwierigkeiten 
erstiegen werden, obwohl der Aufstieg ermüdend und 
mühsam ist. Schwierig iat dagegen der Aufstieg von 
AlmaKfll her über den Furggenglelacher und den SO.- 
Giat iä'/, Stunden). Prachtvolle Aussicht auf die Mi- 
schabelhorner, den Monte Hosa und die Kette des Fleisch - 
horns. 

STELLIHORN | AEUSSER und INNER). I Kt. 

Wallis, Bez. Viap und Leukl. S. den Art. StelijihiRXEH. 

stellijoch (Kt. Wallis, Bez. Viap und Leuk). 
Etwa 3300 m. Passübergang (auf der Siegfriedkarte un- 
benannt und ohne Höhenkote) zwischen dem Inner und 
Aeusser Slellihorn in der Gruppe derr Harrhorner; in 
der das Turtmanthal vom Nikolai- oder Zermalterthal 
trennenden Kette. Verbindet Gruben oder 
Meiden in 8 Stunden mit St. Nikiaua, wird 
aber selten begangen, da man ihm seinen 
Nachbar, den kürzeren, angenehmeren und 
mit gutem Weg versehenen Augstbordpass 
12893 zn) vorzieht. 

STELL I KOPF Kl. Sulothurn. \mtei< Uten- 
Gösgeni. 866 m. Zum grossen Teil bewaldeter 
und nur wenig felsiger Nordausläufer derGeias- 
fluh, zwischen Kienberg und Ollingen und 7.5 
km nw. Aarau. 

8TELLI8EE (Kt Wallis, Bez. Vispi. 254.'! 
m. Kleiner Alpenaee von 800 m Umfang, auf 
einer Terrasse am S.- Fuss des Unter Hot- 
horns und hinten über dem Findelenthal, 
rechts vom Findelengletscher und 4 km o. Zer- 
malt. Sendet »eine Schmelzwasser ins Thä- 
lenenlhal, wo sie sich mit einem aus einem 
Moränensee kommenden andern Bach verei- 
nigen. Prachtvolle Aussicht auf die Pyramide 
des Matterhorna. 

STELS (Kt. Graubünden. Bez. Unter Land- 
auart, Kreis und Gem. Schierst. 1380 m. 
demeindeabteilung und Weiler, auf einer Ter- 
rasse am W'.-llang des Steyerbergs und 3 km 
■ >. der Station Schiers der Linie Landquart- 
Datos. 8 Häuser. ;t6 reform. Ew. deutscher 
Zunge. Kirchgemeinde Schiers. Wiesenbau und 

Viehzucht. 

8TEL8ERBERQ (Kt. Graubünden, Bez. Unter l-and- 

quart, Kreis und Gem. Schien.!. 1200 -1800 m. Wiesen- 



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STE 



STE 



hang mit zahlreichen Hütten zwischen dem Schraubach 
und dem Buchnerlobel, 4 km o. der Station Schien der 
Linie Landquart- Davos. 

STE LSER8EE (Kt. (iraubünden. Bez. Unter Land- 
quart). 1610 m. Sumpfiger kleiner See auf dem Steyer- 
berg, 2 km ö. Schiers und am NW. -Fuss des aussichts- 
reichen Kreuz (±200 ml im Prätigau. Der Verlandungs- 
prozess des torfigen Deckens, von dein die Sage geht, dasa 
eines seiner » Atemlocher ■> in unergründliche Tiefe 
führe, geht rasch vorw;irts. Hier findet man Potamoneton 
tuttatu, Ctmiarrtm paluttre, Men\janthe$ Irifuliala und 
die weisse Seerose {Symvhaea alba), die damit den 
höchsten Standort in der Schweiz erreicht und in Grau- 
bünden sonst nirgends vorkommt. Der Abflugs des Sees 
ist der Stebach, der unterhalb des Weilers Lunden 
l Schiers) von recht* in die Landquart mündet. Die Um- 
gehung des Stelsersees führt den Namen « Zum See ». 

•TELZ (Kt. Appenzell A. R., Hinterland, Gem. 
Herisau). 725 m. Weiler; 1.5 km nw. der Station He- 
risau der Appenzellerbahn ( Winkeln- Herisau-Appenzell). 
13 Hauser, 101 reform. Ew. Kirchgemeinde Herisau. 
Milchwirtschaft. 

STERLS (piz DA), auch Thistemiurn genannt (Kt. 
Graubunden und St. Gallen i. 3115 m. Gipfel in der Rin- 
gelspitzgruppe der Glarneralpen. an der Grenze von 
St. Gallen und Graubunden und 2 km wnw. der Ringel- 
spitz. An der NU. -Seite, gegen das Calfeisenthal hin, hängt 
der für diese Berggruppe noch ziemlich ansehnliche Gla- 
sergletacher hinab. Die Hauptgräte gehen an den Kantons- 
grenzen nach W. und 0., dann nach N. (Alpen Slerls 
über der jungen Tamina) und S. (Culm da Sterls. Alp 
Surcruns nw. vom Flimscrstein). Auf dieser letztern 
Seite ein kleines Firnfeld. Der Piz da Slerls wird von 
Trins über die Trinserfurka (2489 m) in 4 Stunden, aus 
der Schräenalp (Wiesli 1730 m) im Calfeisenthal in 4 Vi 
Stunden erstiegen. Auf dem letzlern Wege geht man ge- 
gen den Glasergletscher und längs einer Kante über den 
obern Glaserlirn. Prachtvolles Panorama; namentlich 
schon präsentiert sich die Tödigruppe. Der Berg gehört 
wie die Ringelspitz der Glarner Doppelfalte oder Glarner 
Ueberschiebung an und zeigt an seiner Spitze Verrucano 
und etwas Oberjurakalk, die gänzlich verkehrt aur Eozän- 
schiefern, sowie auf Kreide und Malm der liefern Ge- 
hänge ruhen. 

STERLS (PLEUNCa DA) (Kt. Graubünden. Bez. 
Vorderrhein i. Gipfel. S. den Art. Plei *<:a da Sterls. 

STERMEL i Kt. Luzern, Amt Willisau, Gem. Dag- 
merselleni. 464 m. Gruppe von 5 Häusern ; 2,5 kni nw. 
der Station {»gmcm-Hrn der Linie Luzern - Ollen. $1 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Dagmeraellen. Ackerbau und 
Viehzucht. Armenhaus der Gemeinde Dagmersellen. 

STERNEHORN (Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia ). 
Gipfel. S. den Art. Marchesspitz. 

STERNEN (Kl. Appenzell A R., Millelland. Gem. 
Teufeni. 834 m. Haltestelle der Strassenbahn St. Gallen- 
Gais-Appenzell. 1 km w. Teufen. Gasthof. Postwagen Teu- 
fen-Waldstatt. 

STERNEN (Kt. Zürich. Bez. Meilen, Gem. Stäb). 
427 m. Gruppe von 5 Häusern; 2.5 km ö. der Station 
Stafa der rechtsufrigen Zorichseebahn (Zürich -Meilen- 
Rapperswil i . 37 reform. Ew. Kirchgemeinde Stafa. 
Weinbau. 

STERNEN (GROSS und KLEIN) (Kt. und Bez. 
Schwyz). 1971 und 1890 m. Zwei 400 m voneinander ent- 
fernte' Gipfel in der Kette Drusberg-Mythen. Sie fallen 
südwärts mit steilen Wänden zum Dorf Munlathal ab. 
wahrend der flachere N.-Hang die Alpweiden Morien und 
Hessisbohl trägt, die Spuren prähistorischer Wohnstätten 
zeigen. 

STERNEN (HINTERM) (Kt. Zürich. Bez. Horben, 
Gem. Richters* il;. 580 in. tiruppe von 3 Häusern, 7011m 
n. der Station Samstagern der Linie W'ädenswil - Ein- 
siedeln. 23 reform. Ew. Kirchgemeinde Bichterswil. 
Wiesenbau. 

STERN EN-FELD ( Kt. Zug, Gem. Baar). 444 m. 
Gruppe von 4 Häusern, 4410 m s. der Station Baar der Li- 
nie Zurich-Thalwil-Zug. 31 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Baar. Landwirtschaft. 

STERNENBERG Kt. Bern). Ehemaliges Land- 
gericht am linken Ufer der Aare mit zwei längst nicht 



mehr vorhandenen Schlossern dieses Namens. Deren 
eines stand in der Scherliau bei Oberscherli, am linken 
Ufer des Scherlibaches (Amtabez. Bern, Gem. Köniz). 
Die Ruine ist vollständig überwachsen, sodass nur noch 
der Platz, an dem das Schloss einst gesunden, erkannt 
werden kann. Das andeie Schloss stand im grossen Forst- 
wald, in der Nähe der Ilauser Landstuhl (Amtsbez. Lau- 
nen, Gem. Neueneeg). Im Anfang des 19. Jahrhunderts 
sind seine letzten Mauern abgetragen worden. Die Ge- 
gend dieser beiden Schlosser gehörte zuerst zur Graf- 
schaft Bargen, die unter der Verwaltung der Grafen von 
Oltigen stand, und kam dann an die Grafen von Laupen, 
die sich auch Herren von Sternenberg nannten, sowie 
spater wahrscheinlich an die Grafen von Nidau und 1375 
an die Kiburger. welche 1407 ihie landgrälliehen Rechte 
an die Stadt Bern verkauften. Her letzte Graf von Laupen 
war der in einer Urkunde von 1257 genannte Ulricus de 
Sternesberg. Das Landgericht erstreckte sich vom Lan- 
genberg und Gurten längs dem rechten Ufer des Schwar/- 
wassers, der Sense und der Saanc und dem linken Ufer 
der Aare entlang bis an die Grenzen der Herrschaft Aar- 
berg hin. Die höhere Gerichtsbarkeit stand bis 1798 unter 
dem jeweiligen Venncr der Zunft zu Schmieden und unter 
einem Freiweibel. Das Landgericht umfassle 3 Gerichls- 
bezirke und die 7 Kirchgemeinden Bümpliz, Köniz. (Iber- 
balm. Frauenkappelen, Muhleberg, Laupen und Neucn- 
egg, sowie die 2 Herrschaften Bümpliz und Riedburg. 
Ihm gehörten auch die Schlösser Aegerten. All und Neu 
Bubenberg und das Kloster Köniz an. Wappen : In blauem 
Felde ein sechseckiger weisser Stern. Bekannt ist auch 
das Slernherglied, das beim Auszug nach Laupen 1 1315) 
gesungen worden sein soll. 

STERNENBERG (Kt. Solothurn. Bez. Dorncck, 
Gem. Hofstetten ). 421 m. Burgruine auf einem Fels über 
dem linken Ufer eines kleinen Baches, 600 m w. Hof- 
stetten. Ehemals Silz der Edcln von Sternenberg. 

STERNENBERG (Kt. Zürich, Bez. Pfaflikon). 680- 
1075 m, Kirche in 927 m. Gem. mit zerstreut gelegenen 
SiedeUingen. Liegt im Zürcher. Oberland und zieht sich 
von den Thälchen des Lochbaches und Steinenbaches bis 
zum Gipfel des Hornli hinauf. Der Pfarrweiler liegt 4 km 
no. der Station Baun» der Tösslhalbahn (Winterlhur- 
Wald). Poslbureau. Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit 
Bogen. Eberliswald. Espen. Gerster, Gfell. Hinlerberg, 
I lochstock, Kohlboden, Kohltobel. Kohlwies. Matt. Hoss- 
weid. Hinter Rossweid. Schürli, Steinshof. Unter Steins- 
hof, Ober Slernenberg. Tiefenmoos. Wolfenzedel und 
Zapfen : 157 Häuser, 709 Ew. (wovon 11 Katholiken) ; Dorf 
Sternenberg: 9 Häuser, 40 Ew. Kirchgemeinde. Vieh- 
zucht. Seidenweberei und Stickerei als Hausindustrien. 
Weder Urkunden noch Funde weisen darauf hin, dass 
hier je eine Burg bestanden habe. Der Ort kam mit der 
Grafschaft Kiburg an die Stadt Zürich und gehörte zum 
obern Amt der kiburgischen Landvogtci. Die Leute von 
Slernenberg waren früher teils nach Wila, teils nach 
Bauma kirchgenössig, bis der Bai von Zürich 1706 der 
Gemeinde eine eigene Kirche bewilligte, deren Kollatur 
ihm zustand. Ferienkolonien in den Gasthöfen Sternen, 
Sonnenbad und Wilhelm Teil (im Gfell). 

STERNSBERG (Kt. Zürich, Bez. Pfäfflkon). 963 m. 
Bewaldete und steile Anhöhe gegen das Hornli, 10 Mi- 
nuten s. der Kirche Slernenberg. 

STERNSMÜHLE (Kt. Freiburg. Bez. Sense. Gem. 
Tentlingen i. 675 m. Gruppe von 9 Häusern im Thal des 
Aergerenbaches (Gerine), am Weg nach Praroman und 
1.5 km s. Tenllingen. 49 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
GiiTers. Acker-und Obstbau, Viehzucht. Strohllechterei. Ein 
vorn Aergercnbach (Gerine) abgezweigter Kanal treibt 
eine Mühle. 

STETTBACH (Kt. Zürich, Bez. Uster, Gem. Duben- 
dorfl. 455m. Weileram O.-Fuss des Zurichberges ; 2.5 km 
w. der Station Dübendorr der Linie Zürich-Uster-Rappers- 
wil. 16 Häuser. 65 reform. Ew. Kirchgemeinde Duben- 
dorf. Wiesenbau. 

STETTEN (Kt. Aargau. Bez. Baden». 388 m. Gem. 
und Pfarrdorf am rechten l'fer der Reusa: 7,5 km s. 
Baden und 4,5 km so. der Station Mellingen der Linie 
Aarau-Suhr-Wetlingen. Postbureau. Telegraph, Telephon. 
«5 Häuser, 429 Ew. (wovon 37 Reformierte). Ackerhau, 
Viehzucht und Milchwirtschaft. Käserei und Brennerei. 



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700 



:>TI 



Industrielle Tätigkeit: Herstellung von Karton, Slroh- 
waren, Zigarren, Muten, korkwaien, Handelsregistern. 




Stetten (Kaoloii SchatTnautcn) von Scalen. 

Seidenzwirnerei. Fischbrutanstalt. Grosse Kie»- und 
Lehmgruben. Säge und Muhle. Fähre über die Reusa. 
Fund eines Steinbeiles. Römische Ansiedelung im Het- 
bur. Auf drin Friedhof hat man Alemannengräber aufge- 
deckt. 1157: Steten. Die Gerichtsbarkeit gehörte dem 
Städtchen Mellingen, wurde aber von den Bewohnern 
von Stellen im 16. Jahrhundert zurückgekaull und bis 
1798 beibehalten. 

STETTEN Kl. Schallhausen. Bez. Reial). 583 m. 
Gem. und Dorf, auf einer Anhöhe 2,5 km nnw. der Sta- 
tion Herblingen der Linie SchafThausen-Singen. Postab- 
lage, Telephon ; Postwagen Scha(Thausen-Lohn. 49 Häu- 
ser, 221 reform. Kw. Kirchgemeinde Lohn. Acker- und 
Futlerbau, Schweinezucht. Lehmgruben. 1080: Sletin. 

STETTEN (NIEDER und OBER) (Kt. St. Gallen. 
Bez. Unter Toggenburg, Gem. Henau). 523 und 578 m. Ge- 
meindeabteilungen und Dörfer auf einer Anhöhe im 
Thurthal, an der Strasse Henau-Schwarzenbach und 3 km 
o. der Station Schwarzenbach der Linie Zürich-Wiater- 
thur-St. Gallen. Poetablage, Telephon. 71 Häuser. 349 
kathol. und reform." Ew. Kirchgemeinden Henau und Uz- 
wil. Obst- und Wiesenbau, Viehzucht. Käserei. Stickerei. 

STETTEN BACH (Kt. Luzern. Amt Sursee. Gem. 
Grosswangen). 600 m. Schöner Weiler, an der Strasse 
Grosswangen-Menznau und 3 km nnö. der Station Menz- 
nau der Linie Langenthal-Wolhusen. 6 Häuser, 50 kathol. 
Kw. Kirchgemeinde Grosswangen. Wiesen-, Obst- und 
Ackerbau, Viehzucht. Käserei. Eine dem Einsiedler St. 
Antonin geweihte Kapelle mit originellen Malereien, deren 
am 17. Januar im Freien gefeiertes Patronatafest besonders 
von Leuten aus dem Entlebuch und dem Luzerner Hinter- 
land besucht wird. Die von den Bauern früher als >pende 
mitgebrachten und nach Schluss des Festes 
öffentlich versteigerten Leinenpakete werden 
jetzt durch Opfergaben an Geld ersetzt, deren 
Ertrag jährlich zwischen 250 und 300 Fr. 

8C Ii WH |) ■ t 

STETTFURT (Kt. Thurgau. Bez Frauen- 
feld). 476 m. Gem. und Pfarrdorf. am S.-Fuss 
des Immenberges und an der Strasse Matzin- 
gen-Aireltrangen ; 2 km onö. der Station Mat- 
7ingen der Strassenbahn Frauenfeld- Wil. 
Po»lbureati, Telegraph, Telephon; Postwagen 
Matzingen-Afleltrangen. 98 Häuser, 425 Ew. 
(wovon 84 Katholiken). Wein-, Obst- und 
Wiesenbau. Branntweinbrennerei. Eine He- 
fenfabrik. Das Dorf ist in einem wahren 
Obstbaumwald versteckt und besitzt einen 
stolzen Kirchturm mit vom ßundesrichtcr 
lljichmann gestiftetem neuen Geläute. Auf dem 
Immenberg über Stettfurt steht das alte 
Schlosa Sonnenberg. 827 : Stetifurt : 849: Sle- 
lifurtin. Die Nachbarschaft des Schlosses hat 
die Freiheit der Dorfbewohner nicht beeinträchtigt. 1380 
erscheint ein Johann von Stettfurt als Chorherr in Zürich. 
Im Appenzellerkrieg kämpften die Leute von Stettfurt auf 



Seilen der Ritter bei Gebhardswil. wo 62 Schwyzer den 
Tod fanden. Kirchlich zuerst zu Wängi gehörig, konnte 
sich Stettfurt nach zahlreichen Schwie- 
rigkeiten 1746 eine eigene Kirche er- 
bauen, die RHU vollständig restauriert 
worden ist. Heimat des Bundesrichlers 
Bachmann. 

STETTLEN (Kt. und Amtabez. 
Bern). 564 m. Gem. und Pfarrdorf im 
schonen Worblenlhal ; 3,5 km onö. der 
Station Ostermundigen der Linie Bern- 
Thun. Post bureau. Telephon ; Post- 
wagen Ostcrmundigen-Ulzigen. Ge- 
meinde, mit Utzlenherg und einem Teil 
von Deisswil : 88 Häuser, 683 reform. 
Ew.; Dorf: 44 Häuser, 330 Ew. Milch- 
wirtschaft. Färberei, Bleicherei, Mühle. 
Grosse Kartonfabrik. Knochenmühle. 
Stettlen bildete einst eine der vier alten 
bernischen Pfarreien rechts der Aare, 
die schon zur Zeit des Herzog« Ber- 
thold V. von Zähringen mit der Stadt 
Bern in enger Verbindung standen und 
bia 1798 zum städtischen Gerichtsbezirk 
gehörten. Römersiedelungen in Deisswil und Dennikofen. 

STICHE LQR AT oder STICKEUORAT (Kt. Wallis. 
Bez. Brig). 3257 m (auf der italienischen Karte 3323 m). 
Gipfel im Kamm zwischen dem Monte Leone und dem 
Monte Camera (2871 m), ö. über dem Alpiengletscher 
und sw. über dem Avinoaee im italienischen Hochthal 
von Veglia. Kann von Algaby an der Simplonstrasse über 
Alpien und die SO. -Ecke des AJpienglelschers in 6 Stun- 
den bequem erreicht werden. Sehr schöner, aber nur 
selten Lesuchter Aussichtspunkt, der durch den Passo 
Fne vom Kamm des Monte Camera getrennt wird. Der 
Slickelgrat bietet ein prachtvolles Beispiel für die Verwit- 
terung und Zerstörung eines Hochgipfel und erscheint 
trotz der grossen Widerstandsfähigkeit des sein Felsgerüst 
bildenden Monte Leonegneises bloss noch als eine furcht- 
bar zerklüftete Ruine, deren Einsturz jeden Augenblick 
bevorzustehen scheint. 

STICKELHOLZ (Kt. Thurgau. Bez. Arbon, Gem. 
Egnach). 422 m. Gruppe von 4 Häusern ; 2,5 km w. der 
Station Egnach der Linie Rorschach-Romanshorn-Kon- 
stanz. 22 reform. Ew. Kirchgemeinde Neukirch-Egnach. 
Landwirtachaft. 

STIEOELBERO i Kt. Bern, Amtsbez. Ober Simmen- 
thal. Gem. Lenkj. 1800 m. Aipweide, am N.-Fuss des 
Iffigenhoras (2380 m) und im obem Abschnitt des bei 
Pöschenried sich öffnenden Thälchena. 

STIEQEL.BERQPASS oder STIEOEL.ENPA8S 
rKt. Bern, Amtsbez. Saanen und Ober Simmenthai). 
2083 m. Pagsübergang in der das Thal von I^auenen von 
der Lenk trennenden Kette, zw ischen der dem Niesen - 
hora oder Seltenschon (2777 m) nordwärts vorgelagerten 
Stiegelenwand (2395 m) und dem Dungelrothorn (2277 m). 



'■■ 3Sf§§fe 






> 

4 .9*^*--*+. 


W a^P * ' ^ 



Stettfurt und Srhlo«« Sotineuberg von Süden. 

Verbindet Lauenen über die grosse und schöne Dungelalp 
milder Alp Stiegelberg und der Lenk (5 Stunden). Auf 
der Siegfriedkarte unbenannt. 



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STI 

8TIIQILINWAND (Kt. Hern. Amtsbez. Saanen 
und Ober Simnaenthal). 2395 m. Nach N. steil abbrechen- 
der und südwärts sanft geneigter Felskamm zwischen 
dem Iftigentiorn ''2380 m) und dem Niesenhorn oder Sel- 
tenschon (2777 m i. Der Gipfelpunkt kann über den klei- 
nen Fussweg her erreicht werden, der von Kühdungelalp 
zur Wildhornhütte führt (3'/j Stunden von Laucnen). 
Leichter Aufstieg auch von der Ifligenalp aus ■'>',, Stun- 
den). Interessante Aussicht, Auf der Siegfriedkarle unbe- 
nannt. 

8TIEQEL8CH wand (Kt. Bern, Amtabez, Frutigen, 
Gem. Adelboden). 1468 m. Gemeindeableilung mit 36 zer- 
streut gelegenen Häusern, am linken Ufrr des Allen- 
bachs» und 1 km w. Adelboden. 154 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Adelboden. Schulhaus. Viehzucht. Prachtvoller 
Blick auf Albristhorn (2764 m) und Gaür (2711 in), welche 
beiden Gipfel mit schroffen Wänden südwärts zum Thäl- 
chen des Alienbaches abfallen, dessen S.-Rand ein Aus- 
läufer des Laveigrales (2254 m) bildet. Hinter Stiegel- 
schwand steht eine mächtige Wetlertanne. deren Stamm 
an der Basis 4,5 m Umfang hat. Beliebtes Ausflugsziel der 
Kurgäste von Adelboden. Gastwirtschaft. 

8TIEQENHOF (Kt. Zürich, Bez. Bulach, Gem. Uber 
Einbrach). 640 m. Gruppe von 4 Häusern ; 2,5 km sw. der 
Station Wülflingen der Linie Winterthur-Hülach. 24 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Einbrach. Wiesenbau. 

stiegenrain (Kl. St. Gallen, Bez. Ober Toggen- 
burg, Gem. Stein). 1000-1500 m. Alpweide links vom 
Dürrenbach und am NU. -Hang des Goggeienxtockes; 2,5 
km sw. vom Dorf Stein. 104 ha Fläche, wovon 45 nutz- 
bare Alpweide. 50 Wald, 6 Sumplland und 3 unproduk- 
tiver Boden. 

STIERACKER (Kt. Bern. Amtsbez. Schwarzenburg. 
Gem. Wahlern). 855 m. Gruppe von 3 Häusern: 1,5 km 
so. der Station Schwarzenburg der Bern-Schwarzenburg- 
bahn. 22 reform. Ew. Kirchgemeinde Wahlern. Landwirt- 
schaft. 

sti E REN bach (Kt. Urft. 2200-1180 m. (Juelllauf 
der Engelberger Aa zwischen dem Surenenpass und der 
Alp Herrenrüti. Entwässert die urnerische Surenenalp 
und erhält mehrere Nebenadern, wie den vom Fuss der 
hohen Wände des Stotzigberggrates herabkommenden 




Stickelgrat vom Pluo Fn* her. 



Grabenplankenbach, die Vierden verschiedenen Zungen- 
enden des Spannorterglt-tschers entspringenden Wild- 
bäche, den aus dem Grassengletscher kommenden Gras- 



STI 701 

tenbach und den Firnälpelibach vom Firnälpeligletscher 
her. Der etwa 9 km lange Slierenbach bildet zwischen 




Slieronbachfall (Siaubii. 



der Blacken- und der StälTelialp den prachtvollen Stäubi- 
fall. der sich mit donnerndem Getöse in eine enge 
Schlucht hinunterstürzt 

8TIERENBERQ (Kt. Luxem. Amt Sursee). 874 m. 
Zum grossten Teil bewaldete Anhöhe zwischen Kicken- 
bach undGontenswil ; 1,5 km n. Bickenbach. Am S. -Hang 
stehen die Hofe Vorder und Hinter Stierenberg. 

STIERENBERG (QRKNCHENER)lKt. Solothurn, 
Bez. Lebern). 1038 und 1133 m. Sennberg mit Meierhof 
nw. über Grenchen ; in der Einsattelung zwischen den 
Ketten des Chasseral und des Weissenstefn. Bingsum von 
schönen Waldungen umrahmt und im N. vom bewaldeten 
Gehänge von Vor der Egg begrenzt, wo sich ein Lager 
von feuerfestem Glassana lindet. 

STIERENBERG (MATZENDORFER) (Kt. Solo- 

thurn, Bez. BaUthal). 1189 m. Sennberg mit Meierhof 
auf dem Sequanrücken am U.-Ende der Kette des Bai- 
meux. Bildet die Einsattelung zwischen den Kelten des 
Kmmeux und des Passwang (Hohe Winde) und gestattet 
den bequemen Uebergang aus dem Guldenlhal ins Thäl- 
chen von Seehof (Elay). 

STIIRINBERQ (N IE DER WILC Rt , K t .Sololhurn. 
Bez. Lehern). 1230 m. Sennherg mit Meierhof am N.-Ilang 
der Weissensleinkelte. über Gunsberg und Niederwil und 
bis zum Bücken des Sequankainmes des Weissenstein 
hinaufreichend. Von Wald und schroffen Abstürzen (Grill) 
begrenztes, steiles Gebiet, das nur mit Stieren und Jung- 
vieh bezogen werden kann. 

STIERENBERG (VORDER und HINTER) (Kt. 
Ltizern, Amt Snrsee, Gem. Rickenbach). 789 und 803 m. 
4 Höfe am S.-Ilang des Stierenbergs, 2 km n. Bicken- 
bach und 3.5 km sw. der Station Menziken der Seelhai - 
bahn (Wildegg- Emmenbrücke). 36 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Bickenbach. Ackerbau und Viehzucht. 

STIERENFLUH (Kt. Bern. Amtsbez. NiederSimmen- 
thal und Thun). 1910 in. Gipfel und Kamm in der das 
Thuner Stockhorn (2192 m) mit der Hohmad (2079 m) 
verbindenden Kette, zwischen dem Walalpgrat (1918 m) 
und dem Mentschelenspilz (2022 m). In der tiefsten Ein- 
sattelung steht in etwa 1800 m eine der beiden Hütten der 
Stierenalp andern von Ltlumenstein nach Weissenburg Bad 



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70i 



STI 



STO 



hinüberführenden Fussweg (Aufstieg Blumenslein-Pass- 
holie 3 Stunden, Abstieg nacli Weissenburg in 2 Stun- 
den). 

8TIIRINQRAT (Kl. Hern und Freiburg). S. den 
Art. SciiwAH7EKi.ru. 

STIEREN WEID iKt. Hern, Amtsbez. Trachselwald. 




Stillt vup Norden. 

«..tu llullwil). 755 m. Gruppe von 2 Häusern, 3 km so. 
der Station liutlwil der Linie Langenthal -Wolhusen. 34 
reform. Ew. Kirchgemeinde Huttwil. Vielizucht. 

STI ER LIBERO (Kt. und Bez. Zürich, Gem. BirmenB- 
dorf). 599 m. Gruppe von 3 Häusern, 2 km w. der Station 
Itii Hiensdorf der Linie Zürich-Affollern-Zug. 31 reform. 
Kw. Kirchgemeinde Birmenadorf. Wiesenbau. 

8TIO (Kt. Bern, Amtsbez. und Gem. Signau). Ü68 in. 
Gruppe von 2 Häusern im Winkel zwischen der Vereini- 
gung der Ulis mit der Emme. 2.5 km nw. der Station 
Langnau der Linie Bern-Luzern. 6 reform. Kw. Kirchge- 
meinde Signau. Landwirtschaft. 

8TIQ ( Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald, Gem. Lülzel- 
flühi. 635 m. Gruppe von 2 Häusern, an der Strasse 
Grunenmatt-Trachselwald und 2 km no. der Station 
Hamtci der Linie Burgdorf-Langnau. 11 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Trachselwald. Landwirtschaft. 

STIGELINHOF t Kt. Aargau. Bez. Bremgarten. Gem. 
Zufikon). 462 m. Gruppe von 5 Häusern; 1,5 km nö. der 
Station Bremgarten der Linie Brugg- Wohlen-Bremgarten. 
Haltestelle der elektrischen Strassenbahn Dietikon-Drem- 
garten. 41 kathol. Ew. Kirchgemeinde Zufikon. Viehzucht 
und Milchwirtschaft. 

8TIGBN (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggenburg, Gem. 
Stein). 955 m. 9 am NU. -Hang des Goggeien zerstreut ge- 
legene Häuser ; 1,4 km w.<Stein,und 13 km so. der Sta- 
tion "Ebnat- Kappel der Toggenburgerbahn. 49 kathol. und 
reform. Ew. Kirchgemeinden Stein. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. 

ST I QE N ALP und 8TIQENWALD (Kt. St. Gallen, 
Bez. Ober Toggenburg, Gem. Krummenau). 1100-13UOm. 
Alpweide und Wald auf einer Anhöhe 4 km nö. Krum- 
menau. Schone Aussicht. Alpweide und Wald umfassen 
beide je 60 ha Fläche. Der die Alp umrahmende Wald 
wird von einem rechtsseitigen Nebenbach der Thür durch- 
flössen. 

8TIQIEL8 (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein). 
Felskamm. S. den Art. Sciih.iei.s. 

STIQWEID (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder Simmenthai, 
Gem. Spiez). 720 m. Gruppe von 4 Häusern, an der Gabe- 
lung der Strassen nach Aeschi einerseits und nach Hei- 
chenbach andrerseits und 2 km s. der Station Spiez der Li- 
nie Thun-lnterlaken. 32 reform. Ew. Kirchgemeinde Spiez. 

8TILLBERQ (Kt. Graubünden. Bez. Ober Landquart l. 
Steilahrall der Terrasse der Stillbergalp (1971 m) zur 
Sohle des Üischmathales. Bildet also keinen eigentlichen 
Berg oder gar Gipfel, sondern nur einen relativ hohen 
und steilen Bergabhang, ähnlich wie etwa der L&ndo^uarl- 
herg bei Schiers oder der l'laltenberg bei Engi im Sernf- 
thal. 



8TILLBERQALP (Kt. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart, Kreis und Gem. Davos). 1971 m. Alpweide auf 
weiter und sanft geneigter Terrasse über der Sohle des 
Dischmathales ; am NO. -Hang des Jalzhorns und 4 km 
so. Oavos Dorf. 
•TILLE (Kt. Graubünden. Bez. t >ber Landquart. Kreis 
und Gem. Bavos). 1570 m. Gruppe von 5 Häu- 
sern. 250 m so. vom Davosersee und 1 km nö. 
der Station Davos Dorf der Linie Landquart- 
Davos. 131 reform. Ew. deutscher Zunge. 
Kirchgemeinde Davos Dorf. Wiesenbau und 
Viehzucht. Hier befindet sich das Basler Sana- 
torium. 

•TILLI (Kt. Aargau, Bez. Brugg). 336 m. 
Gem. und Dorf, am linken Ufer dar Aare und 
gegenüber der Mündung \uü Heus» und Lim 
mal. Neue Brücke über die Aare nach der 
Station Siggenthal der Linie Turgi- Waldshut. 
Postablage. Telephon ; Postwagen Brugg- 
Villigen. 43 Häuser, 252 Ew. (wovon 5 Ka- 
tholiken). Kirchgemeinde Bein. Ackerbau und 
Viehzucht. Zigarrenfabrik und Pflugfabrik. 
Bootbauerei. Ein Teil der Bewohner arbeitet 
in Baden und den Fabriken von Turgi. Der 
Name « Slilli » bedeutet eine Stelle, wo der 
Fluss «still », d. h. langsam dahinstromt. 

STILL WASSER WALD (Kt. Freiburg. 
Bez. Greierz). 1379-1940 m. Etwa 150 ha um- 
fassende schone Waldung an der W.-Klankc 
der Gastlosen, 4 km s. Jaun ( Bellegarde i. 
Zwischen Obersaltel und Musersbergli 2,5 km lang 
und zwischen Satlelschwand und dem Kamm der Gast- 
losen 1 km breit. Während der tiefere Abschnitt leicht 
bewirtschaftet werden kann, iat der obere Teil, be- 
sonders unter den Felsabslürzen der Gastlosen, schwer 
zugänglich. Im untern Abschnitt entspringt einer der 
Ouellarme des Saltelbaches Bildet einen Mischwald und 
ist noch reich an jagdbarem Wild. 

STOCK, STOCKEN, STICK, STOZCKEN, 
STOECKLI i STOCKI, 8TOCKJE (im Wallis). 
STOCKEREN, STICKEREN, STOCKER I, 

STOCK ETEN etc. In den Kantonen der deutschen 
Schweiz häufig (etwa 150 mal) vorkommende Ortsnamen, 
auch in Zusammensetzungen vielfach verbreitet. Bezeich- 
nen den nach der Urbarmachung eines Waldes noch 
stehen gebliebenen ■ Stock • eines Baumes oder auch 
oinen massig geformten Berg Entsprechen den französi- 
schen Ausdrücken Suche und Suchet oder Tronc und 
Tronchets. 

STOCK oder ZUM STOCK (Kl. Bern. Amtsbez. 
Fruligeni. 1833 m. Mit hohen Wänden zum Eingaug des 
Gasterenthales abfallender Felsvorsprung, dessen oberste 
Partie vom Gemmiweg umzogen wird. Den Besuchern 
der Gemmi wohlbekannter Aussichtspunkt 1 Stunde nö. 
Schwarenbach und l'/j Stunden über dem Hotel Bären 
in der Ebene. von Kandersleg. Blick in die Schluchten 
des Schwarzebaches und besonders in das wilde und tiet 
eingeschnittene Gasterenthai mit den es beherrschenden 
Hochgipfeln Alteis, Balmhorn und Schilthorn. 

STOCK (Kt. Bern. Amtsbez. Inlerlaken. Gem. Lauter- 
brunnen ). 816 m. Am rechten t'fer der Lülschine gelegenes 
Ouarlier des Dorfes Lauterbrunnen. 15 Häuser, III re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Lauterbrunnen. 

STOCK (Kt. St. Gallen, Bez. Gaster, Gem. Amden). 
1701 m. Kleinerer Zwillingsbruder des Gulmen, mit dem 
er als Schraltenkalkmassiv aus dem ihn von 3 Seiten 
umgebenden Flysch emporsteigt. Seine Abhänge bilden, 
soweit der Kalk sich erstreckt, ausgezeichnete Weidellä- 
chen. Da der nahe Gulmen ihn überragt, wird er nicht 
viel bestiegen. 

STOCK und GROSSSTOCK (Kl. St. Gallen. Bez. 
Gasler, Gem. Amden). 1200-1300 m. Alpweide nö. über 
Amden. Etwa 200 ha Fläche, wovon 161 nutzbare Alp- 
weide, 19 Wald und 1 Sumpfland. 

STOCK (Kt. Schwy7, Bez. Schwyz und Einsiedeln). 
1619 m. Gipfel an der Stelle, wo sich die vom Mythen 
aus zwischen Alp und M inster nordwärts ziehende Kette 
gabelt. Westwärts senkt sich der Stock mit der steilen 
und scharf abbrechenden Bulzifluh zum Alplhal, ostwärts 
mit dem ebenfalls zerrissenen Gschwendstock gegen 



STO 

Trütschengülsch im Minslerthal. Der W.-Arm endigt 
nahe Einsiedein und der O.-Arm zwischen Eiithal und 
Gross. Süd), vom Stock führt ein Fussweg von Unter 
lberg nach Alnlhal (2 Stunden) hinüber. 

STOCK (Kt. und Hez. Schwyz). 1604 m. Endgipfel 
der vom Drusberg nordwärts zwischen die Thäler der 
Stillen Waag und der Sihl sich einschiebenden Kette, 
o. über Unter lberg. Trägt Wald und Alpweiden und ist 
stellenweise auch ziemlich felsig. 

STOCK oder 8TCECKLI (Kt. l'ri). 2483 m. End- 
gipfel des vom Schienstock (2983 m) nach SO. abzwei- 
genden Kammes, in der Kienzenslockkette unmittelbar 
über Andermatt und der Schlucht der Schollenen. Von 
allen Seiten leicht zu erreichender und besonders von 
der Oberalp aus häutig besuchter Aussichtspunkt. Auf- 
stieg von der Oberalp her in 1 »/». von Anderrnall aus in 
2 Vi und von Göschenen aus über einen bequem ange- 
legten Militärweg in 3 Stunden. Klwa 200 m weiter s. 
liegt auf dem Grat das Port Stöckli. 

STOCK (Kt. Wallis, Bez. Brig, Gem. Nalers). 1 100- 
1200 m. 5 zerstreut gelegene Häuser, w. über dem Dorf 
Nalers und dem Wildbach von Mund. 34 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Naters. Viehzucht. 

STOCK i Kt. Wallis, Bez. Goms). 2780 m. SO.-Aus- 
läufer des I-olfelhorns (3098 m). im Kamm zwischen 
Münster- und Trülzithal und 4 Stunden nw. Münster 
(über den Kamm der Münstergalen). Schone Aussicht, 
die aber derjenigen vom hohem Löffel hörn nachitehl. 

STOCK (Kt. Wallis, Bez. Goms). 2125 m. NW. -Aus- 
läufer des Eggerhorns (2502 m), im Kamm zwischen Bin- 
nen- und Rappenlhal. 2 Stunden nö. Ausserbtnn und3 J , 
Stunden über Fiesch. Schöne Aussicht. 

STOCK (AUF DKM ) ( Kt. Bern, Amtsbez. Ober 
Hagle, Gem. Innerlkirchen). 1650 m Gut gelegene Alp- 
weide, auf einer Felsbastion des Laubstocks und über 
dem Eingang ins L'rbachlhal. 

STOCK (UNTER) oder UNTERSTOCK (Kt. Bern. 
Amtsbez. Ober Hasle, Gem. Innertkirchen). 885 m. Ge- 
meindeabteilung und kleines Dorf auf einer Anhöhe rechts 
über dem Eingang ins Urbachthal. 22 Häuser. 147 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Innertkirchen. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Schöne Aussicht. 

STOCKAUPERKANAL (Kt. Wallis. Bez. Monthej, 
Gem. C.ollombev-Muraz, Vionnaz. Vouvry und Port Valais). 
Entwässerungslanal, der zum Werk der Rhoneverbauung 
gehört und schilfbar sein sollte, jedoch nie zu diesem 
/weck benutzt worden ist. Besteht aus einem im Maxi- 
mum 4 km breiten Kanal, der ron der Meuniere von 
Monthey gespiesen wird. Diese entwässert zunächst das 
Sumpfland unterhalb Monthey und wendet sich dann 
gegen das Dorf Collombey, an dessen SO. -Ende sie zum 
eigentlichen Kanal wird, der von da bis zum Genfersec 
15,5 km lang ist. Dieser 1651-1659 erstellte Stockalper- 
kanal trügt seinen Namen nach dem Obersten Kaspar 
Stockalper aus Brig, einem der reichsten, tatkräftigsten 
und unternehmungslustigsten Männer des Wallis, auf 
dessen Anregung hin der Bau einer den Genfersee mit 
dem Herzen des Rhonethaies verbindenden schiffbaren 
Wassersirasse beschlossen und an Jean de Vanlery aus 
Monthey vergeben wurde. Die Arbeiten wurden aber 
1659 zahlreicher Schwierigkeiten wegen wieder einge- 
stellt. So entstand das Kanalstück von Collombey bis 
Vouvry, dessen Bau die Summe von 17000 Fr. (nach 
heutigem Geldwert) gekostet hat. Nachdem man dann 
die Hhone eingedämmt hatte, erwies sich die Fortsetzung 
des Stockalperkanals, der beim Bahnhof Vouvry in den 
Fluss mündete, als notwendige Ergänzung der Korrek- 
tionsarbeiten. , Diese 1874 erstellte Fortsetzung folgt 
zwischen I-ea Evoueltes und Le Culat auf eine I-inge von 
2.6 km der Bahnlinie, erhält nahe Le Culat den seitlichen 
Parallelkanal der Rhone und ergiesst sich 30(1 m <>. vom 
Hafen von Le Bouveret und 900 m s. der Rhonemündung 
in den Genfersee. Er nimmt mehrere Bergwasser auf, 
wie in Muraz den Wildbach Le Pessot, sowie bei Vionnaz 
die Gretfaz und den Torrent de Mayen. Dagegen über- 
schreitet der gefährliche Wildbach von Fossaux den Stock- 
alpcrkanat bei Vouvry mit einem gewölbten Aquädukt, 
um sich dann mit der Rhone zu vereinigen. 

STOCK BERO ..Kt. Schwyz, Bez. March). 1225 m. 



STO 703 

Zum grossen Teil bewaldeter Gipfel 3 km Schübelbach.* 
Nördl. vom Trebsenthai. ü. vom Wüggilhal, s. der Ebene 
der March und w. der Wäggilhalerberge. Die Strasse von 
Schübelbach und Siebnen nach Schwendenen zfeht sich 
dem N.-, W.- und S.-Hang des Stock berg* entlang. Am 
S.-Hang stehen einige Bauernhöfe. Schöne Aussicht auf 
die March, die St. Galler Bezirke See und Gaster, den 
Zürichsee und das Zürcher Oberland. Der Stockberg be- 

; steht aus subalpiner Nagellluh. deren Schichten stark 

, nach S. alpeneinwärts fallen. 

8TOCKBERQ (GROSSER und KLEINER) Kt 

I St. Gallen, Bez. Ober Toggenburg). 1754 und 1596 m. 
Ostausläufer des Sänlisgebirges. Besieht wie der benach- 
barte Speer aus rotlicher Nagellluh, deren Schichten un- 
ter die Kreideralten des Süntis eintauchen. Der Grosse 
Slockberg wird häutig besucht und bietet eine schöne 
Aussicht vom Rigi bis weil über den Hodensee, auf die 
Vorarlberger Alpen, den Säntis und die Hohen des Tog- 
genburg. Der weniger aussichtsreiche Kleine Stockberg 
wird nur selten besucht. Beide Stockberge sind bis zu 
oberst mit Alpweiden für Grossvieh bestanden. Aufstieg 
von Nesslau, Stein oder Bietbad her in je 2 ',,-3 
Stunden. 

STOCKBRUNNEN (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Sim- 
mentlial, Gem. Zweisimmen). 1140 m. Sieben am rechten 
1.7er der Kleinen Simme zerstreut gelegene Häuser, 3 km 
sw. Zweisiinmen und 1 km no. der blalion Oeschseitc 
der Montreux -Oberlandbahn. 37 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Zweisimmen. Viehzucht. 

STOCKEGQ {Kt. Appenzell I. R., Gem. Schwende). 
1534 m. Nach NW. hervorragende Rippe der Marwies. 
um die der Weg vom Weissbad über Schrennen nach der 
Meglisalp (und aufden Säntis) führt, zugleich 'der höchste 
Punkt dieses Weges; etwa 3 Stunden von Appenzell 
und 1 j Stunde von der Meglisalp. 

STOCKEN (Kt. Appenzell A. R.. Hinterland, Gem. 
Schönengrund). HIß m. Grupite von 4 Häusern, 7 km sw. 
der Station Waldstatt der Appenzellerbahn (Winkeln- 
Herisau - Appenzell ). 24 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Schonengrund. Wiesenbau. Stickerei und Weberei. 

STOCKEN (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Simmenthai. 
Gem. St. Stephan). 1000 m. Weiler 500 m ». Matten. 10 
Häuser, 60 reform. Ew. Kirchgemeinde St. Stephan. 
Viehzucht. 

STOCKEN (Kt. Bern, Amtsbez. Thun. Gem. Höfen). 
725 m. So nennt man zuweilen die Ruine der Jagdburg 
(s. diesen Art.), die auf der Höhe der Pinseren n. über 
Nieder Stocken steht und das Stockenthal beherrscht. 

STOCKEN (Kt. Glarus, Gem. Linthal).750 m. Gruppe 
von 7 Häusern, an der Strasse Linthal-Thierfehd und 1,5 
km s. der Sution Linlhal der Linie Glarus-Linthal. 29 
reform. Ew. Kirchgemeinde Linthal. Wiesenbau und 
Viehzucht. Arbeit in den Fabriken von Linlhal. 

STOCKEN (Kt. St. Gallen, Bez. Gosaau, Gem. Strau- 
benzell). .626 m. Quartier von Brüggen, an der Strasse 
Winterthur - St. Gallen und 600 m nw. der Station Brüg- 
gen der Linie Zürich -Winterthur -St. Gallen: über der 
berühmten Kräzernbrücke und dem tiefen Tobel der 
Sitter. Elektrische Strassenbahn nach St. Gallen. 7 Häu- 
ser, 71 kathol. und reform. Ew. Kirchgemeinden Brug- 

Sen. Hierbrauerei mit Gastwirtschaft, wohin zahlreiche 
«Seilschaften und Vereine Ausflüge zu machen pflegen. 
Ackerbau und Viehzucht. In der Umgebung zahlreiche 
industrielle Betriebe. 

STOCKEN (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggen bürg, 
Gem. Ebnat). 641 m. Gruppe von 7 Häusern, links der 
obern Thurbrücke und 1 km so. der Station Ebnat-Kap- 
pel der Toggenburgerbahn. r»4 reform. und kathol. Ew. 
Kirchgemeinden Ebnat und Kappel. Viehzucht. Stickerei 
und Weberei. 

STOCKEN (Kt. St. Gallen, Bez. Unter Toggenburg. 
Gem. Ganterswil). 709 m. 5 zerstreut gelegene Häuser : 
1 .8 km «ö. Ganterswil und 4 km ö. der Station Biitswil 
der Toggenburgerbahn. 28 reform, und kathol. Ew. Kirch- 
gemeinden Ganterswil. Viehzucht. Stickerei und Webe- 
rei. 

STOCKEN (Kt. Thurgau, Bez. Arbon, Gem. Egnach). 
460 m. Weiler; 1,2 km so. Neukirch und 4.3 km nw. der 
Station Arbon der Linie Rorschach- Romanshorn - Kon- 



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704 



STO 



STO 



stanz. 53 reform. Ew. Kirchgemeinde Neukirch. Obst- 
und Wiesenbau. 

STOCKEN (Kl. Thurgau, Bez. Bischofszell. Gem. 
Hauptwft). 512 m. Weiler, nahe dem linken LTer der 
Sitter und der Eisenbahnbrücke der Linie Gossa u-Su Igen ; 
1.1 km nö. der Station Bischofszell der Linie Gossau-Sul- 
gen. 15 Häuser. 85 reform. Ew. Kirchgemeinde Bischofs- 
zell. Obst- und Wiesenbau, Stickerei 

STOCKEN (Kt. Thurgau, Bez. Münchwilen, Gem. 
Lominis). 543 m. Gruppe von 4 Häusern; 2,6 km sö. 
Lommia und 2.4 km no. der Station Münchwilen der 
Strassenbahn Frauenfeld-Wil. 39 kathol. Ew. KirchKe- 
meinde Bettwiesen. Wiesen, Moor und Wald. Stickerei. 

stocken (Kt. Zürich. Bez. Borgen. Gem. Wädens- I 
wil). 580 m. Gruppe von 4 Häusern, 3 km w. der Station 1 
Wädenswil der Linie Zürich - Borgen • Ziegelbrücke. 25 
reform. Ew. Kirchgemeinde Wädenswil. bchulhaus für 
den Schulkreis Stocken. Wiesenbau. 

STOCKEN (Kt. Zürich, Bez. Winterthur. Gem. Seen). 
481 m. Gruppe von 5 Häusern. 500 m. 6. der Station 
Seen der Tossthalbahn (Winterthur- Wald). 36 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Seen. Wiesenbau. 

STOCKEN (nieder) Kt Bern. Amtsbez. Nieder 
Simmenthai). Gem. und Dorf. S. den Art. Nieder- 
stocken. 

STOCKEN (OBER) ( Kt. Bern. Amtsbez. Nieder 
Simmenthai). 692 m. Gem. und Dorf, am N.-Puss der 
Stockhornkelte und im Stockenthal; je 7,5 km iw. vom 
Bahnhof Thun und nw. der Station Wimmis der Sim- 
menthalbahn. 2 km nw. vom Dorf Nieder Stocken. Post- 
ablage, Telephon; Postwagen über Amsoldingen nach 
Thun. Gemeinde, mit Halten und Hübeli : 34 Häuser. 
178 reform. Ew.; Dorf: 21 Häuser. 80 Ew. Kirchgemeinde 
Beutigen. Ackerbau und Viehzucht. Ober Stocken liegt 
auf der unmerklichen Wasseracheide zwischen Glütsch- 
bach einerseits und dem Gebiet des Fallbaches und der 
Gürbe andrerseits. Die Bauart der Häuser ist schon die- 
jenige des Simmenthals, und auch die Sprache nähert 
sich diesem Idiom. Das Zentrum des Dorfes bildet die 
Häusergruppe Kreuzgasse. Von hier wird das Stockhorn 
häutig bestiegen. Der Weg führt über die Stockenallmend 
und durch den steilen, von einigen Lawinenzügen durch- 
furchten Wald nach der auf aussichtsreichem Gratvor- 
sprung prächtig gelegenen Alp Aelpithal und von hier über 
einen schmalen Kamm und die Alp Oberbach nach dem 
Walalpsattel, wo er sich mit dem von Blumenslein 
kommenden W r eg vereinigt. Die Gemeinde Oberstocken 
wird urkundlich schon früh genannt, ebenso die auf ihrem 
Gebiete liegenden Alpen wie Bach und Aelpithal, welche 
beiden bereits 1353 erwähnt werden. Wahrscheinlich ge- 
hörten Ober und Nieder Stocken ursprünglich zur Kirch- 
gemeinde Amsoldingen. Bei der Gründung der Kirche 
von ßeutigen, daa 1480 von Wimmis abgetrennt wurde, 
erscheinen die beiden Stocken als Zubehörden dieser 
neugebildeten Pfarrei. Der damalige Herr von Stocken, 
der um den Bau des Berner Münsters verdiente Hans 
Schütz, erbaute in Nieder Stocken eine Kapelle, die, in 
ein Wohnhaus umgewandelt, noch heute ihre ehemalige 
Bestimmung verrät. 1505 wurden die beiden Stocken auf 
ihr Ansuchen dem Gerichte Amsoldingen zugeteilt, das 
mit Bezug auf die höhere und niedere Gerichtsbarkeit 
dem Oberamt Thun, in militärischer Beziehung dem un- 
ter dem Venner der Plisterenzunft stehenden Landge- 
richt Seftigen zugeteilt war. Somit gehörte Stocken in 
kirchlicher Hinsicht nach Beutigen, in militärischer nach 
Seftigen und in Zivil- und Kriminalsachen nach Thun. ! 
Erst nach 1798 wurden die beiden Gemeinden gänzlich 
dein Amt Nieder Simmenthai einverleibt. 

STOCKEN-RÜTIWIES (Kt. St. Gallen, Bez. Unter 
Top^enburg. Gem. Henau). 550 m. Zwei Weiler, rechts 
und links der Bahnlinie Winterthur-St. Gallen und 2.7 i 
km nw. der Station Uzwil dieser Linie. Zusammen 20 
Häuser, 93 kathol. und reform. Ew. Kirchgemeinden 
Henau und Nieder L'zwil. Viehzucht Stickerei. 

STOCKEN ALP (HINTER, OBER und VORDER) 
(Kt. Bern. Amtsbez. Nieder Simmenlhal, Gem. Erlen- 
bach |. 1741- 1800 m. Schöne Alpweide mit 3 Hüttengrup- 
pen, auf einer breiten Terrasse unmittelbar s. unter dem 
Stockhorn und über dem Simmenthai, zu welchem sie mit 
der .Stockenlluh (1953 ml abfallt. Hinter Slockenalp liegt 



n. vom Ober Stockensee, Ober Stockenalp s. von diesem 
See und Vorder Stockenalp tiefer unten gegen das Sim- 
menlhal. 

STOCKEN ALP (UNTER) ( Kt. Bern, Amtsbez. 
Nieder Simmenlhal, Gem. Erlenbach). 1620 m. Alp- 
weide im Bergkessel des Unter Stockensees, n. über 
Erlenbach. 

STOCKEN FELD (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder Sim- 
menlhal). 1900-2100 m. So nennt man den sehr steilen, 
begrasten S. -Abfall der Kuppe des Stocklarns. Am Weg 
auf das Slockhorn. 

STOCKSNFLUH (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Sim- 
menthal). 1953 m. Nach S. steil abfallender und auf der 
sanften N. -Abdachung Alpweiden tragender kleiner Gipfel 
in der Stockhornkette. Umrahmt zusammen mit dem 
Stockhorn, dem Keibhorn und der Hugifluh den den Ober 
Stockensee bergenden Alpweidenkessel. Aufstieg von 
Erlenbach her in 3 Stunden. Sehr schöne Aussicht ins 
Nieder Simmenlhal. 

STOCKENFLUH (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Sim- 
roenthali. 1300 m. Bewaldeter und mit schroffen Wänden 
zum Stockenthal abfallender Endstock des vom Solhorn 
abzweigenden und zusammen mit der Stockhornkelte das 
Lingen- oder Lindenlhal einfassenden Nebenkammes. 
Erhebt sich unmittelbar über dem Dorf Nieder Stocken 
und zeigt einen sehr tiefgehenden Felsriss. der sich seit 
einigen Jahrzehnten beträchtlich erweitert hat. 

STOCKENSEE (OBER) Kt Hern, Amtsbez. Nieder 
Simmenthai). 1658 m. Kleiner See in einer ziemlich tief 
eingesenkten Mulde am S. -Gehänge der Stockhornkette, 
Nachbar des Unter Stockensees. 500 m lang und 300 m 
breit. Von Wald, Felsen und Alpweiden umrahmt. Zu 
Beginn des Sommers blühen an seinen Ufern Alpenrosen 
in Menge. Schone Landschaft. Seitdem im Jahr 1869 
sechs in einem Schiffchen über den See fahrende Per- 
sonen ertrunken sind, wird hier jeden Sommer unter 
freiem Himmel einmal Gottesdienst gehalten. 

STOCKENSEE (UNTER) ( Kt. Bern, Amtsbez. 
Nieder Simmenthai). 1595 m. Kleiner See, vom Ober 
Stockenaee durch das Keibhorn (1958 m) getrennt. Liegt 
in einer tiefen Mulde und bietet mit seiner Halbinsel und 
dem felsigen S.-Ufer einen sehr malerischen Anblick. 300 
m lang und 250 m breit. Auf der Seite gegen das Sim- 
menthai ist der See zwischen der Miescnlluh und der 
Walpersbergfluh durch eine schmale Felsschwelle ge- 
staut. Der am S. -Fuss der Walpersbergfluh einem 
trichter entspringende und bei Erlenbach sich mit der 
Simme vereinigende Erlenbach oder Wildenbach bildet 
wahrscheinlich den unterirdischen Abfluss des Unter 
Stockensee«. Der See ist reich an Forellen. J. B. Wysa 
erzählt, dass er am Ufer des See« anlässlich einer 1816 
gemachten Heise in« Berner Oberland zwei römische 
Münzen gefunden habe. 

STOCKENTHAL (Kt. Bern. Amtsbez. Nieder Sim- 
menlhal und Thunl. 710-612 m. Vom Glülschbach durch- 
flossenes Thal zwischen der Stockhornkelte einerseits 
und dem Hügelwall des Zwieselberges und des Pin- 
serenhubels andrerseits, dem unteren Ende des Thuner- 
sees und dem Aarethal parallel laufend. Es bildet die 
nach SO. umbiegende Fortsetzung des Gürbe-, bezw. 
Fallbachthals, von welchem es durch eine kaum bemerk- 
bare Wasserscheide getrennt ist. Zur Glazialzeit war das 
Thal von dem linken Arm des diluvialen Aargletschers 
angefüllt und während der letzten Interglazialzeit von der 
Kander durchflössen, welcher dann vom Stockhorn sich 
loslösende Schuttmassen zwischen der Pohleren und Ober 
Stocken den Weg versperrten, so dass sie gezwungen 
war, durch die Moränenhügel von Zwieselberg und Gwatt 
sich einen Durchgang zu suchen, durch welchen sie bei 
Thierachern in die Ebene von Thun trat. Da« Stockenthal 
ist somit von seinem Anfang bei Ober Stocken bis zu sei- 
ner Mündung gegen die heutige Kander ein sog. totes Thal, 
das nicht von seinem heutigen Flussläufchen. dem Glülsch- 
bach. ausgewaschen worden sein kann. Dieser Wasserlauf 
nimmt in einem kleinen Moos bei Ober Stocken seinen 
Ursprung und erhält von der Stockhornkelte her mehrere 
Zuflüsse, so den von der Bachalp herabfliessenden Feissi- 
bach oder Feusisbach, den Ausllusa des Lingen- oder Lin- 
denthals, die sog. Fluhbachquelle, welche der Heutigfluh 
entströmt, dann die vom Längenberg und Heitiberg hinter 



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STO 



STO 



705 



Reutigen herkommenden Bergbäche. Dann verlässt der 
(Wütachbach beim Weiler Glülach das Stockenthal, um 
in die Kanderschlucht zu treten, wo er einen Teil seines 
Wassern der Kander abgibt, wahrend der Rest durch das 
bis 1712 von der Kander durchflossene Thilchen in die 
Ebene der Allmend eintritt und »ich bei Uttigen von link» 
in die Aare ergiesst. Das Stockenthal ist von Ober Stocken 
bis Glülach 6,5 km lang. 100-300 m breit und bildet in 
seinen) untern Teil die Ebene des Reutigenmoosea. Unter- 
halb Nieder Stocken ist das Thal durch die Trümmer 
eines Bergsturzes auf eine kurze Strecke stark verengt. 
Dem Thal folgt seiner ganzen Lange nach die Fahrstrasse, 
welche Wallenwil über Rluinenstein, Pohleren, über und 
Nieder Stocken und Reutigen mit Wimmis verbindet. Die 
Thalsole ist stellenweise etwas sumpllg. besonders bei 
Reutigen wo Torf ausgebeutet wird. Die im Stockenthal 
liegenden Ortschaften, Ober und Nieder Stocken und 
Reutigen. gehören zum Amtsbezirk Nieder Simmenthal. 
Eine Fortsetzung der Gurbethalbahn von Wattonwi! durch 
daa Stockenthal nach Wimmis ist nicht ausgeschlossen. 
Der landschaftliche Charakter dieses Thaies, dessen eine 
Thalwand der kaum über 800 m hohe Hugelwall des 
Zwieselberges ist, während die andere in der Stockhorn- 
kelle über '20110 m hoch sich auftürmt, ist ein durchaus 
eigenartiger und weist namentlich bei Nieder Stocken ein 
ausgesprochen alpines Gepräge auf. Der Haupterwerbs- 
zweig der auf die Gemeinden Ober und Nieder Stocken 
und Reutigen sich verteilenden Bevölkerung von etwa 
1200 Seelen, welche in Sprache und Typus sich dem 
Simmenthalerschlage nähert, bildet die Landwirtschaft 
mit Viehzucht. Am Gltilschbach mehrere Sagewerke. Torf- 
gewinnung. I'nter den l'eberreaten allerer Kultur sind 
/u nennen die jetzt in eine Rauernwohnung umgewan- 
delte alte Kapelle in Nieder Stocken und namentlich die 
auf dem l'insernhubel gelegene, das Thal beherrschende, 
malerische Ruine Jagd bürg. 

STOCKER Kt /m ich. Itez. und (lern. Morgen). 460m. 
Gruppe von 9 Häusern. .'MO m n. der Station Morgen der 
Linie Zuricli-Tlialwil-Zug. 62 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Morgen. Wein- und Wiesenbau. 

STOCKERA < Kt. Freiburg, Bez. Sense, Gem. Dü- 
dingen). 668 m. Gruppe von 3 Mäusern, an der Straaae 
Freiburg-Bern und 1 km sw. Mariahilf. JJ kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Büdingen. Acker- und Obstbau, Viehzucht. 

STOCKERA Kl. I reiburg. Bez. Sense, Gem. St. 
Antonia 820 m. Gruppe von 7 Mausern, 3 km so. St. An- 
ton i und 13 km ö. vom Bahnhof Freiburg. .'(8 kalhol. Ew. 
Kirchgemeinde Alterswil. Ackerbau und 
Viehzucht. Slrohflechterei. Holzhandel. 

STOCKERA oder IN DEN 
8T<ICK iht. Freiburg, Bez. Sense, 
Gem. St. Ursen). 764 m. Gruppe von 
4 Häusern. 3 km no. Rechlhalten und 
I km ö Balletswil. 26 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Alterswil. Ackerbau und Vieh- 
zucht. 

STOCKER EOG oder 8TCECK- 
1.1 KREUZ iKl. Schwyz. Bez. March» 
1251 m. Schöner und stark besuchter 
Aussichtspunkt. zwischen dem Spreiten- 
bach und dem Kessibach und 4 km 
»sw. Lachen. Alpweiden und Wald. 

STOCKEREN oder STOCKER- 
ENH AUS Kl. nad Amtsbez. Bern. 
Gem. Bolligen i. 675 m. Gruppe von 3 
Häusern, an der Strasse nach Krauch- 
thal und 1 km n. Bolligen. U refortu. 
Ew. Kirchgemeinde Bolligen. Oestl. 
der Häuser erhebt sich eine bewaldete 
Anhöhe (833 m), in der einer der 
grossten Sandsteinbrüche der Schweiz 
geullnet i*l. 

STOCKEREN Kt. Bern. Amtsbez. 
Sefligen. Gem. Kirchdorf). 621 m. 
Gruppe von 4 Häusern, am S.-Ende 
des Dorfes Kirchdorf und 3 km w. der 
Station Kiesen der elektrischen Bahn 
Burgdorf- Thun. 25 reform. Ew. 

STOCKEREN i Kt. Bern, Amtsbcz. Seftigen. Gem. 
Wallen wil). 610 m. Weiler an der Strasse Blumenstein- 



Waltenwil; 3.5 km s. der Station Bu rgistein- Watten - 
wil der Gürbethalbahn. 12 Häuser, 65 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Wattenwil. Ijindwirtschaft. Gerberei. 

STOCKEREN | Kt. Bern, Amtabez. Signau. Gem. Eggi- 
wil). 1025 m. Gruppe von 3 Häusern ; o,5 km so. der 
Station Signau der Linie Bern-Luzern. 23 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Eggiwil. Viehzucht. 

STOCKEREN (Kt. Bern. Amlsbez. Thun, Gem. 
Uetendorf). 620 m. Gruppe von 7 Häusern, über dem 
Ammletenbach und am o.-Hang des L'etendorfberges, 
1 km w. der Station Uetendorf der Gürbethalbahn (Bern- 
Wattenwil-Thun). 32 refortn. Ew. Kirchgemeinde Thier- 
achern. Der Weiler wird schon in einer Urkunde von 1370 
erwähnt. Etwas über den Häusern ein Kurhaus. 

STOCKE REN BACH (Kt. Bern. Amtabez. Thun und 
Nieder Simmenthal). 1600-700 m. Böser Wildbach, dessen 
Unterlauf zu gewöhnlichen Zeiten trocken liegt ; ent- 
springt in einem grossen Bergkessel unter dem Walalp- 
grat und bildet die Grenze zwischen den Aemtern Thun 
und Nieder Simmenthal. 

STOCKERI (Kt. Zug. Gem. Bisch). 443 m. Gemeinde- 
abteilung und Gruppe von 7 Häusern; 1,4 km sw. Risch 
und 3.2 km so. der Station Rotkreuz der Linien Zürich- 
Luzern. 49 kathol. Ew. Luzerner Kirchgemeinde Meiers- 
kappel. Ackerbau und Viehzucht. 

8TOCKFLUM (Kt. Wallis, Bez. Visp). 2227 m. Letzter 
0. -Ausläufer des Seethalhorns (3038 im in der Gruppe 
des Balfrin (Mtschabelhörner), 3 Stunden über dem an 
der Strasse Stalden-Saas Im Grund gelegenen Gasthof 
Huteggen. Interessanter Tiefblick ins Saasthal. 

STOCKQLETSCHER (Kt Wallis, He/ Vi-; 
2770 m. 3.2 km langer und im Mittel 1 km breiter Glet- 
scher, der von der Tete de Valpetline, vom Col de Val- 
pelline, der Töle Blanche und vom Col d Herens herab- 
steigt und einen Nebenarm des Zmuttgietschera bildet, 
her untere Abschnitt ist zwischen dem Stockje und der 
Wandfluh eingeengt und im Hochsommer ziemlich stark 
zerklüftet. Man begeht den grössten Teil des Gletschers, 
wenn man sich vom Plateau des Stockje zum Col d' Herens 
oder zum Col de Valpelline begibt, auf welchem sich eine 
prachtvolle Aussicht auf Malterhorn und Monte Rosa 
bietet 

STOCKGRON (Kt.Glartis und Graubünden). 3418m. 
Gipfel auf dem Grate, der sich vom Piz Rusein nach S. 
erstreckt und den obersten Teil des Biferlenfirns vom 
Val Busein trennt ; zwischen der Porta da Spescha und 
der Gliemspforte. Der gegen das Val Busein abfallende W.- 




8tockburn (Rani. Bern) von der lluhmad her. 

Abhang wird durch steile Felswände gebildet, der 0 -Ab- 
hang ist von den Firnmassen des Bifertenlirns bedeckt, 
und an den S.-Fuss lehnt sich der Gliemsgletscher an. 

233 — GEOCR. LEX. V — 45 



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706 



STO 



STI{ 



Aufstieg vom Rifert«-ntlrn oder vom Gliemsgletscher her 
über die Gliemspforte. 

STOCKHCERNER (Kt. Wall.-. Bez. Cum« . 2588 




nach Qlliieran und Srhwlt. I : SO 000 V. Auinger .«.-. 

Geologisches Querprolil durch das Stockhorn (Kant. Berni 

•b. Sturzachutt; gl. Moräne; Kf. Flyscb; Cr. Rots Schichten der obern Kreide; Ci. Neokom Hintere Kreide); 

Je. Malm; Jm. I > >>•••<• Jl. Llas; Tr. Triaa. 

und 2622 m. Zwei dem Cherbadung (3213 m) nach N. vor- 
gelagerte kleine Gipfel ; unmittelbar so. über dem Dorf 
binn im Rinnenthal, von wo her man in > Stunden 
ohne jede Schwierigkeit aufsteigen kann. Die Slockhörner 
werden vom Stock des Cherbadung durch den Passein- 
schnitt de» Kurggelti (etwa 2.3V) m) geschieden. 

STOCKHORN oder THUN ER STOCKHORN (Kt. 
Dem, Amtsbez. Nieder Simmenlhal). 2192 m. Berühmter 
Aussichtsberg des Berner Oberlandes ; bildet einen cha- 
rakteristisch geformten, massigen Felszahn sw. über 
Thun. Höchster Gipfel der nach ihm benannten Stock- 
hornkette, die das untere Simmenlhal auf der linken, 
uördl. Seite begleitet und über den Ochsen und die Scheibe 
sich mit der Kaiseregg verknüpft. Die Aussicht, die im 
besondern das Becken des Thunersees und die Bemer 




Nordbang des Stockborns (Kant. Berni. 

Hochalpen umfasst. gleicht derjenigen vom Nieten, fiber- 
trifft sie aber an Ausdehnung und zeigt mehr den Cha- 
rakter einer eigentlichen Bundsicht. Die Besteigung 



bietet trotz der steilen Gipfelpartie keinerlei Schwierig- 
keit und wird oft unternommen ; doch ist das Stockhorn 
noch nicht derart Modeberg wie der benachbarte Niesen. 

Am S.-Hang 
steht nahe 
unter dem 
Gipfel ein im 
Sommer ge- 
öffnetes Gast- 
haus. A u f- 
stieg : von 
Thun über 
Ober Stocken 
und die Hüt- 
ten der Alp 
Aelpilhal, so- 
wie von Blu- 
me r. s t e i n 
über den 
Krümme weg 
in jeS'/jStun- 
den , von 
Weissenburg 
oder von Et- 

lenbach her in je i' _. Stunden. Das Stockhorn gehört zu 
denjenigen Bergen, die die Aufmerksamkeit der Naturfor- 
scher und der Liebhaber schöner Landschaftsbilder schon 
sehr frühzeitig auf sich gelenkt haben. So bestieg den Berg 
schon 1536 der Berner Professor Joh. Bhellicanus i Müller 
von Bellikonl, ein Freund Zwingiis, der seinen Ausflug in 
einem in lateinischen Hexametern verfallen Poem unter 
dem Titel ■ Slockhornia* • quaStockhornut, »ton« altitti- 
fjitn in Hernensiuni Helvetiorum a/jro. vertibus tierotci* 
detcribitur geschildert hat. Diese Beschreibung ist als 
Anhang zu einer von Bhellicanus besorgten Ueberselzunj.- 
der Vita Hameri des Plutarch zum erstenmal 1537 in Basel 
erschienen, dann mit der Detcriptio Monti* Fracli des 
Konrad Gesaner 1555 in Zürich neu gedruckt und 17(6 in 
J. J. Scheuchzer's Helveliae Sloichttographia, OrufllW 
phta et Orengraphta neuerdings veröffentlicht worden. 
(Vergl. EL Bähler: Eine Stockhombetleigung vom Jahre 
iHSti in den Blättern für bernitche Geschichte. Kunst 
und AUertuntikuntle. II. 1906). Die dem Pfarrer Peter 
Kunz in Bern gewidmete « Stockhorniade » bietet hin- 
sichtlich der Geschichte des Alpinismus und der Gefühle, 
die das Gebirge auf seine Bewunderer damals schon aus- 
zulösen vermochte, ein grosses Interesse. Die nämliche 
Besteigung ist dann 1557 oder 1558 vom Naturforscher 
Benedikt Marti wiederholt und ebenfalls beschrieben 
worden. (Vergl. über diese beiden ersten Besteigungen 
W. A. B. Coolidge's Jntia» Simter el le* origines de 
l'Alpinitnie jusifu'en 1IXH). Grenoble 1904). Von weitern 
Stockhornfahrten älterer Zeit erwähnen wir noch die- 
jenigen von K. Spazier 1790. der deren Schwierigkeiten 
übertreibt, von Studer und Wagner 1777 (vergl. die Alpen- 
roten 1816) und des Dichters Friedrich von Matthisson 
1794. Der erste der zahlreichen Unglücksfälle, die sich 
heute noch sozusagen jedes Jahr wiederholen, datiert aus 
1789 Bernhard Studer fasste unter der Bezeichnung 
• Stock hornalpen «das gesamte Präalpengebiet zusammen, 
das wir heute als Saanen- und Simmengruppe zu be- 
zeichnen pflegen. Das Stockhorn bildet den ö. Eck- 
punkt der Kette des Vanil Noir, die aus einer Jura- 
mulde mit Neokom- und oberm Kreidekalkkern (• rote 
Kreidest besteht. Beiderseits lagert dieser Mulde je ein 
Gewölbe an, die aber im topographischen Belief nicht 
Btark hervortreten. Den Stockhorngipfel selbst bildet 
oberer Jurakalk oder Malm, der sog. ■ Stockhornkalk ». 
in saigerer Lage der Schichten. \on N. her gesehen. 

f leicht der Gipfel einem Turm, von (). her einem spitzen 
elszahn. An den aus weichern Kreidekalken und Dogger 
bestehenden Gehängen liegen Alpwciden. Vergl. Rab- 
mann. Hans Rudolf. Ein NcTMM l'oelisch Gastmahl und 
Gesprürh iuvier Hergen dess Xiesens und Stockhonts. 
Bern 1606 und 1620. — MatthisBon, Frdr. von. H*an<i>- 
rung nach dem Stockhont 1194. Zürich 1810. — Spa- 
zier, K. Wanderungen dureh die Schweiz. Gotha 1790. — 
S. Wagner in den Alpenrosen 1816 und A. Meissner 
ebenda 1832. 

STOCKHORN OOS» B ALTSC H I EDER BREIT- 



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STO 



STO 



707 



HORN (Kt. Wallis, Bez. Brig). 3229 m. SO.-Schulter des 
Bietochhorns, recht* über dem Baltochiedergletscher und 
hinten über dem BalUchiederthal. Zum erstenmal 1894 
bestiegen. Aurstieg von der Martigschüpfe löebernachten) 
zu oberst im BalUchiederthal (5 Stunden über Visp). 

STOCKHORN (Kt. Wallis, Bez. Goms). 2635 m. NW.- 
Ausläufer de« Merzenbachschien (3224 m) in der Kette 
zwischen den Thälchen des llohbaches und des Merzen- 
baches. gegenüber dem Dorf Munster. Der Gipfel wird von 
hier aus über seine NW. -Schulter «Auf den Häuften» 
i2282 m) in 3'/« Stunden bequem erstiegen. Sehr schöne 
Aussicht auf die Gruppe des Finsteraarhorns und das ganz 
nahe Hlindenhorn. 

STOCKHORN (Kt. Wallis, Bez. Visp). 3534 m. Oeaü. 
Eckgipfel des den Gornergletscher vom Findelengletscher 
trennenden Goroergrales. Am NW. -Hang hängt der 
Triftjegletscher. -während die Eis- und Schneefelder des 
O. -Hanges dem Findelengletscher zugekehrt sind. Inte- 
ressanter Aussichtspunkt mitten in der Kiswelt. Aufstieg 
von der Endslation der Gornergratbahn in 2 oder von der 
Betempshütte aus in 2" /, Stunden ohne grosse Schwierig- 
keiten. 

STOCKHORNALPEN. S. den Art. Saankn- und 
SivsiEsnni ppe. 

stockhubel (Kt. Bern, Amtsbez. Thun). 760 m. 
Einer der Gipfelpunkte des das Dorf Uebiachi tragenden 
Moränen-Hügelzuges zwischen dem Stockenthal und der 
Thuner Allmend. Am W.-Fuss liegt der Egelsee. Schöne, 
aber wenig bekannte Aussicht auf den Thunersee, die 
Kette des Stockhorns, den W. -Abschnitt der Emmen- 
grupne und die Seen von Uebischi und Amsoldingen. 

8TOCKI (AUF DER) (Kt. Luzern, Amt Willisau. 
•lern. Zell). 717 m. Gruppe von 5 Häusern, 2 km s. der 
Station Zell der Linie Langenthal-Wolhusen. 42 kaihol. 
Ew. Kirchgemeinde Zell. Landwirtschaft. 

STOCKJE (Kt Wallis. Bez. Visp). 3097 m. Felssporn 
des von der Täte de Valpelline nach NU. auszweigenden 
Kammes zwischen dem Stock- und dem Tiefcnmatlen- 
gletscher, zwei Nebenarmen des Zmuttgletschers. Beim 
Aufstieg von Zermatt auf den Col d'Herens folgt man zu- 
nächst dem S.- und dann dem S W.-Hang des Stockje, um auf 
gut markiertem Weg das Gipfelplateau zu erreichen, nw. 
unter welchem der Stockgletscher liegt. Zur Erleichterung 
desUebergangea überden Col d'Herens und den Col de Val- 
pelline, sowie der Ersteigung von Beut Blanche und Dent 
d'Herms hat die Sektion Monte Bosa des S. A. C. 1875 
auf einer berasten Terrasse am O. -Hang des Stockje eine 
Klubhülte (3 Stunden über der Staffelalp und 5 Stunden 
über Zermalt! erstellen lassen, die dann aber von einer 
Irwine zerstört und bis jetzt nicht wieder hergestellt 
worden ist. Sowohl von den Besten der Hütte, als auch 
vom Gipfelplateau des Slockje selbst hat man eine pracht- 
volle Aassicht auf Matterhorn und Dent d'Herens. Das 
Stockje iat ein beliebtes Ausllugsziel der Kurgäste von 
Zermatt. 

stockknubel (Kt. Wallis. Bez. Visp). 3044 m. 
Felsinsel im Gornergletscher, s. vor dem Stockhorn 
(3534 m). Leber ihn führt der gewöhnliche Weg vom 
Hotel BilTclberg auf die Cima di Jazzi. Von diesem Hotel 
aus in Stunden zu erreichen. 

STOCKMATT (Kt Hern, Amtsbez. Schwarzenburg. 
Gem. Büschegg). 830 m. Gruppe von 7 Häusern. 700 m 
nö. Büschegif und 8 km sö. der Station Schwarienburg 
der Hern-Schwarzenburgbahn. 46 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Rüschegg. Wiesenbau und Viehzucht. 

STOCKMATT (Kt. Bern, Amtsbez. SeBigen. Gem. 
Belp). 5I4 m. Gruppe von 2 Häusern. 1 km n. der Station 
Itelp der Gürbethalbahn (Bern-Wallenwil-Thuni. 29 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Belp. Flache und fruchtbare 
Gegend. Acker- und Obstbau. 

STOCKPLAN QG oder 8TOCKRIEDLI (Kt. und 
llez. Schwyz). 1500-lfiOO m. Zum Teil felsiges Gehänge des 
Stock 1001 im Bewaldet und mit Alpweiden bestanden. 
Oeatl. davon die schöne Alp Tierfedern weid. 

STOCKSCHÜRLI (Kt. Luzern, Amt Sursee, Gem. 
Notlwil). 659 m. Gruppe von 3 Häusern, am N. -Hang des 
Huswil. - und 2 km s. der Station Nottwil der 
Linie l.uzern-< Hlen. 21 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Nottwil. 

: CK (Kt. Zug, Gem. Neuheiin). 681 m. Gruppe von 



4 Häusern, 1 km <>. Neuheim. 25 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Neuheim. Ackerbau und Viehzucht. 

STGECK (IN DIN) (Kt. Freiburg, Bez. Sense, Gem. 
St. Ursen). 798 m. Gruppe von 4 Häusern. 3 km nö. Hecht- 
halten und 12 km sö. vom Bahnhof Freiburg. 26 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Alterswil. Ackerbau und Viehzucht. 
Slrohflechterei. 

STGECK ACKER (Kt. und Amtsbez. Bern. Gem. 
Bümpliz). 554 m. Bäsch sich vergrösserndes O. -Quartier 
von Bümpliz. zwischen der Bahnlinie Bern-Kreibuiv und 
der Strasse Bern-Bümpliz. Etwa 50 Häuser und 600 re- 
form. Ew. Grosses Schulhaus. 

8TCECKEN (Kt. Bern, Amtabez. und Gem. Saanen). 
1100 m. Gruppe von 5 Hausern, gegenüber Gstaad und 
1 km w. der Station Gstaad der Montreux-Oberlandbahn. 
28 reform. Ew. Kirchgemeinde Saanen. Viehzucht. 

STOSCKEN (Kt. Sl. Gallen. Bez. Wil. Gem. Brons- 
hofen). 610 m. Gruppe von 3 Häusern, am N. -Fuss des 
Nieselbergs und 4,5 km nö. der Station Wil der Linie 
Zürich-Winterthur-St. (»allen. 20 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Wil. Viehzucht. 

stceck EN ( Kt. und Bez. Schwyz. Gem. Unter Iberg). 
930-942 m. Gemeindeabteilung und N.-Abschnitt d*s Dor- 
fes Unter Iberg, von dem Berti genannten s. Dorfteil 
durch die Minster geschieden ; 12 km ssö. der Station 
Einsiedeln der Linie Wädenswil-Einsiedeln. Postwagen 
Einsiedeln-Ober Iberg. 32 Häuser. 215 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Unler Iberg. Sommerfrische mit zwei Gast- 
höfen. Ackerbau, Holz- und Viehhandel. Waldungen. 
Seidenweberei als Hausindustrie. Die Gegend von Stocken 
wurde durch eine Verfügung des Grafen Budolf I. von 
Babsburg 1217 als gemeinsame Allmeind von Schwyz und 
Einsiedeln erklärt. Das Dorf Unter Iberg verdankt einen 
grossen Teil seiner Blüte dem Pfarrer Alois Schelbert 
(1847-1900*. 

Stücken (auf DEN) (Kt. Graubünden, Bez. 
Glenner, Kreis Buis, Gem. Obersaxen). 1720 m. Alpweiden 
am N.-Hang des Piz Sez Ner ; 3 km s. Meierhof. 

STÜCKEN (OBER und UNTER) (Kt. Thurgau, 
Bez. Kreuzlingen, Gem. Altertwilen). 538 und 530 m. 
Zwei 500 m voneinander entfernte Häusergruppen, 3 km 
wnw. Alterswilen und 6 km nö. der Station Märstetten 
der Linie Zürich-Winterthur Boroanshorn. Zusammen 
12 Häuser. 58 reform. Ew. Kirchgemeinde Alterswilen. 
Wiesen- und Obstbau. Wald. 

BT CE CKENBACH (Kt. Aargau, Bez. Muri). 500- 
400 m. Linksseitiger Zuflusa der Beuss; entspringt im 
Moor von Fenkrieden. Iiiesst nö. durch das Schwenditobel 
gegen die Sinserhöfe, biegt nach O. um und mündet nach 
4 km langem Lauf bei Schachen. 

STCECK EREN (Kt. Bern, Amtabez. Burgdorr. Gem. 
Oberburg). 556 m. Gruppe von 2 Häusern 600 m bw. der 
Station Oberbui 
Ew. Ki 



au. 35 reform. 

|. Viehz. • 



Oberburg. Viehzucht. 
I (Kt. Berni Amtobez. Trachselwald, Gem. 
Sumiawald). 770 m. Gruppe von 4 Häusern am Eingang 
in den Kurzeneigraben, 500 m s. Wasen und 9.5 km nö. 
der Station Bamsei der Linie Burgdorf-Langnau. 35 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Wasen. l-andwirlschaft. Ger- 
berei. 

STCECKO ASSE (Kt. Bern. Amtabez. Fraubrunnen. 
Gem. Grafenried). 530 m. Gruppe von 4 Häusern. 600 tn 
sw. Grafenried und 6 km nö. der Station Lissach der 
Linie Ollen-Bern. 28 reform. Ew. Kirchgemeinde Grafen- 
ried. Landwirtschaft. 

stcecklen (Kt. St. Gallen, 
616 im. Gruppe von 3 Häusern. 
Goasau der Linie Gossau-Sulgcn. 
gemeinde Gossau. Viehzucht. 

STCECKLI (Kl. Appenzell A. 
Heiden). 730 m. Weiler an der Strasse Thal-Heiden und 
1 kin n. der Station Heiden der Bergbahn Borschach- 
Heiden. 17 Häuser. 96 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Heiden. Wiesenbau. 

stceckli (Kt. Bern, Amtsbez. Ober Simmcnthai. 
Gem. St. Stephanl. 970m. Gruppe von 2 Häusern ; 4.2 km 
s. der Station Zweisimmen der Montreux-Oberlandbahii. 
21 reform. Ew. Kirchgemeinde St. Stephan. Gasthof. 
Brücke über die Simme. 

stceckli (Kt. St. Gallen, Bez. Gaster, Gem. Am- 



Bez. und Gem. Gossau). 
1 km n. der Station 
28 kathol. Ew. Kirch- 

R.. Vorderland. Gem. 



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STO 



STO 



den). 1200-1700 m. Alpweide am S. -Hang des Gulmen und 
Stock, nö. der Alp Strichboden und vom Fallenbach 
durchzogen. 256 ha Fläche, wovon 93 nutzbare Alpweide, 
94 Sumpfwiesen. 47 Wald, 14 Brachfeld und 8 unproduk- 
tiver Boden. 

•TCECKLI (Kt. und Bez. Schwyz). 2151 m. Felsgipfel 
im Stock des Achselbergs, zwischen dem Hüribach im O. 
und dem Bürgelibach im W. Von hier aus führt der 
Achslerpass (2150 m) durch die Hosskehle zur Seenalp im 
Hurithal, von wo man südwärts über den Kinzigkulm 
(2076 m) ins urnerische Schachenthal gelangen kann. 

8 TCECKLI (Kt. Uri). 2091 m. Fclsgipfel in dem das 
Hiemenslalden- vom Gruonthal trennenden Kamm, zwi- 
schen dem Uieppen (2226 ml im O. und dem Hophaien 
(2082 m) im W. ; 3,1 km so. Sisikon. 

8TCEHRKNHAUS (Kt. Thurgau. Hez. Bischofszell, 
Gem. Neukirch). 494 m. Gruppe von 3 Häusern, 1 km 
ssw. der Station Kradolf der Linie Sulgen-Gossau. 13 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Sulgen. Acker-, Wiesen- und 
Weinbau. 

■TCELLEN oder STOLLEN (Kt. St. Gallen, Bez. 
Ober Toggenburg). 1979 m. Ein bis jetzt wenig besuchter 
Gipfel aus Seewerkalk, eine Synklinale in der nördlich- 
sten Kette des Säntisgebirge* bildend ; nördl. Alt St. Jo- 
hann und von da in '■'< . Stunden erreichbar. Nur geübten 
Touristen zu empfehlen. Die Kette bildet von hier bis zum 
Gamskopf einen zerrissenen Grat mit vorragenden Spit- 
zen, die samt den beiden Endpunkten auch mit dem Kol- 
lektivnarnen der Mühleköpfe bezeichnet werden. 

8TCERQEL (Kt. Appenzell A. H., Hinterland, Gem. 
Stein). 710 ni. Weiler; 1,5 km sö. der Station Brupgen 
der Linie Zürich- Winterthur- St. Gallen. Telephon. 10 
Häuser, 48 reforin. Ew. Kirchgemeinde Stein. Wiesen- 
bau und Viehzucht. Stickerei und Musslinweberei. 

STCERHUSLI {Kt- Bern, Amtsbez. Burgdorf. Gem. 
Heimiswil). 583 m. Gruppe von 2 Häusern; 3,5 km sö. 
der Station Burgdorf der Linie Olten-Bern. 26 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Heimiswil. Viehzucht. 

8TCER8HERTEN oder STCERSHIRTEN t Kt. 

Thurgau, Bez. Bischofszell. Gem. Hauptwil). 588 m. 
Gruppe von 5 Häusern auf einem Plateau über den 
Weiern von GotUhaus, 2 km nö. der Station Hauptwil 
der Linie Gosaau-Sulgen. 33 reform, und kathol. Ew. 
Kirchgemeinden Bischoftzell. Obst- und Wiesenbau. 
Nahe Störsherten befindet sich Freiheiten, welche beiden 
Siedelungen ihre Namen zu der Zeit der gemeinsamen 
Weideplatze (Allmenden) erhalten haben, deren ein- 
zelne Abteilungen dem Weidgang abwechselnd freige- 
geben oder geschlossen zu werden pflegten. 

STCES8KLBACH (Kt. Appenzell A. H.. Hinterland). 
905-640 m. Linksseitiger Zufluss der l'rnäsch; entspringt 
am W.-Knde des Kreuzwaldes 2 km sö. Herisau. Ilieasl 
zunächst nordwärts und wendet sich dann gegen O. 3 km 
lang. 

8TCE88EN ( Kt. Bern, Amtsbez. Schwarzenhurg, 
Gem. Hüschegg). 8tX) tu. Weiler zwischen dem Schwarz- 
wasser und dem Heubach; 1.3 km o. Hüschegg und 8,6 
km sö. der Station Schwarzenburg der Hern-Schwarzen- 
burgbahn. 15 Hauser, 95 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Hüschegg. 

8TGE8SEN (OBER und UNTER) (Kt. Schwyz. 
Bez. March, Gem. Vorderthal). 1000820 m. 12 am rechten 
Ufer des Herrenbaches zerstreut gelegene Höfe; 1,5 km 
so. Vorderthal ( Wäggithal). 66 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Vonlerthal. 

STCES8ENFIRN (Kt. Uri). 2800-2160 ».. 1.7 km 
langer und 1.5 km breiter Gletscher am Hang der Ketle 
zwischen dem Meienllial und dem Hochthal von Engel- 
berg. Zerfallt in einen no. und einen sw. Abschnitt, 
deren ersterer auf einer höhern Terrasse liegt als der 
letztere. Wird in der Hichtung O.-W. vom Munnelplank- 
stock (2862 tu), Wichelplankslock (2976 ml, Stossenslock 
i2945 mj, Grassen (2916 mt und Wasenhorn (2933 m) 
uberraRt. Steht über das Wasenhornjoch (2744 ml mit 
dem Wendengletscher und über den Stossensattel (etwa 
2800 m) mittlem Firnälpeligletscher in Verbindung und 
sendet seine Schmelzwasser durch den Susllibach in die 
Meienreuss. 

stcessen SATTEL (Kt. Uri und Obwalden I. Etwa 
2800 m. Passübergang zwischen Punkt 2834 und Punkt 



2848 m in der Fünffingerstock-Grassenkette, die das Hoch- 
thal von Engelberg vom Meienthal trennt, l'nschwieriger 
Uebergang vom Meiendörfli über den Stossenlirn und das 
Wendenjoch nach Engelberg: Dörfli-Paashöhe 5 Stunden, 
von da zum Wendenjoch Stunde und Abstieg nach 
Engelberg in 3V. Stunden. Erste bekannte Traversierung 
1894. Auf der Siegfriedkarte unbenannt und ohne Höhen- 
kote. 

8TCES8EN8TOCK (Kt. Uri und Obwalden). 2945 
m. Gipfel in der Firnffingerstock - Grassenkette, die das 
urnerische Meienthal vom Obwaldner Engelbergerthal 
trennt: unmittelbar n. vom Wichelplankstock (2976 m). 
Am Stossenslock vereinigen sich der vom Grassen über 
den Stossensattel kommende Grat, der Kamm Höhberg- 
horn-Wichelplankstock und der Grassengrat 2862-2857 
m . miteinander. Aufstieg ohne besondere Schwierigkeit 
vom Meiendörfli her über den Stossenfirn in 6 Stunden. 
Zum ersten mal 1801 erstiegen. Interessante Aussicht, be- 
sonders auf Titlis und Spannörter. 

stoessi (Kt. Uri, Gem. Silenen). 1172 m. Alpweide 
mit Hüttengruppe, am rechten Ufer des Käratelenbaches 
im Maderanerthal. 

•TOZS8WALD (Kt. und Amt Luzerni. 700-1000 m. 

2 km langer und I km breiter Wald, am linken Ufer des 
Krienbacnea und 4 km sö. Kriena. 

8TOFEL, STOFFEL. Ortsnamen der Kantone 
Appenzell, St. Gallen, Zürich und Schwyz. Dialektform 
für Stakel. S. diesen Art. 

STOFEL (Kt. St. Gallen, Bez. Neu Toggenburg. Gem. 
St. Peterzell). 885 m. 18 zerstreut gelegene Häuser, 8 km 
sw. der Station Waldstatt der Appenzellerbahn ( Winkeln- 
Herisau- Appenzell ). 105 kathol. und reform. Ew. Kirch- 
gemeinden St. Peterzell. Viehzucht. Stickerei und 
Weberei. 

STOFEL i Kl. St. Gallen, Bez. Ober Toggenbum. Gem. 
Alt St. Johann). 910 m. Weiler. 80U m ö. Alt St. Johann. 
20 km wnw. der Station Buchs der Linie Rorschach- 
Sargans und 19 km st», der Station Ebnat-Kappel der 
Toggenburgerbahn. 80 kathol. und reform. Ew. Kirch- 
gemeinden Alt St. Johann. Wiesenbau und Viehzucht. 

STOFEL (OBER und UNTER) (Kt. St. Gallen. 
Bez. Ober Topgen bürg. Gem. Alt St. Johann). 1420 und 
1318 m. Alphülten im Neuenalpthal, am NW. -Hang des 
Schwendigrates und 6 km nw. Alt SL Johann. 600 m von- 
einander entfernt. 

STOFEL (OBER und UNTER) t Kt. SL Gallen. 
Bez. Ober Toggenhurg, Gem. Wildhaus). 1320 m. Zer- 
streut gelegene Hütten der Gamplüt- und Bodenalp; 2,2 
km n. Wildhaus und am Weg von da auf den Santis. 

STOFFEL • Kt. Zürich, Bez. Pfäftikon). 931 m. Voll- 
standig bewaldete Molassehöhe links über dem Tnssthal. 

3 km n. Bäretswil und 2 km w. Bauma. 
STOFFELBERG ( Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken. 

Gem. Leissigen und Därligen). 700-800 m. Linksseitiger 
Uferhang über dem Thunersee zwischen den Dorfern 
Leissigen und Därligen, mit 3 zerstreut gelegenen Hofen. 
7 reform. Ew. Kirchgemeinde Leissigen. Viehzucht. 
Johann VI. von Strätthgen vergable 1318 seinen Grund- 
besitz am Stoffel bery dem Kloster Interlaken. wo drei 
seiner Tochter den Schleier genommen hatten. 

STOFFELBERG ALF (Kt. Obwalden). 1880 m. Alp- 
weide mit etwa 15 zerstreut gelegenen Hutten, am \\ .- 
Hang der Wallen- und Rigidalstöcke . 3-4 Stunden n. über 
Engelberg. Wird mit 150 Kühen bestossen. 

STOFFELSR ÜTI ( Kt. Bern. Amtsbez. Seftigen. 
Gem. Jabersi. 563 m. Gruppe von 6 Häusern, auf dem 
Plateau zwischen Aare und Gürbe und 1.5 km nw. der 
Slation I ttigen der Linie Bern-Thun. 37 reforro. Ew. 
Kirchgemeinde Kirchdorf. Acker- und Obstbau. Käserei. 

STOFFEN (Kt. Solothurn. Hez. Thierstein. Gem. 
Himmelriedl. 541 m. Gruppe von 6 Häusern: 1,2 km w. 
Himmelried. 51 kathol. Ew. 

STOFFEN BURG (Kt. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart. Kreis und Gem. Luzern). 1120 m. Alpweide mit 
Hütten, auf dem Hücken zwischen Seebach und Buchner- 
tobelbarh. zwei kleinen rechtsseitigen Nebenarmen der 
Landquart; 3,2 km so. Schiers und am Fussweg Lunden- 
Pardisla. 

STOGL i Kt. Granbünden, Bez. Albula). Gem. und 
Dorf. S. den Art. Situs. 



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STD 



STO 



709 



BTOLDENRUNt (Kt. (Harns, Gem. Einthal). 1950- 
800 m. 2,5 km langer Wildbach ; entspringt am W.-Hang 
des Kilchenstocks mit 2 Quellarmen, erhalt von links 
die aus der Gutbächialp herabkommende Boden runse 
und vereinigt sich 3 km s. Linthal mit der Linth. Hat 
im Gehänge des Kilchenstocks und des Üächikamm eine 
tiefe Nische ausgefressen und im Linththal den mächtigen 
Schultkegel der sog. Auengüler abgelagert, der vollstän- 
dig angebaut und mit Bauernhöfen übersät ist. 

STOLLEN Kt. Zürich, Bez. Morgen, Gem. Schönen- 
herg). 705 m. Gruppe von 9 Häusern. 1 km n. der Kirche 
Schönenberg. 48 refonn. Ew. Kirchgemeinde Schönen- 
berg. Wiesenbau. 

8TOLLEN (AUF DEN) (Kt. und Bez. Schwyz). 
1920-23*26 m. Fels und Karrengebiel, so. über dem Kätsch- 
thal und am S W.-Hang des Pfannenslocks (2575 m), der 
von da mit zahlreichen Stufen zur Alp Bärensol und ins 
Bisilhal sich senkt. 

STOLLENHOLZBACH (Kt. Schwyz. Bez. March). 
1250-750 m. Wildbach; sammelt die von der Stockeregg 
< 1251 m l. vom Sommrig (1270 m) und der Guteregg 
i1274 m) zwischen Lachen und Einsiedeln herankommen- 
den Wasser, fliesst nordoslwirts durch ein Tobel und 
vereinigt sich mit dem Mulzenbaubach zum Spreilenbach, 
welcher bei Lachen von links in den Zürichsee mündet. 
2,5 km lang. 

STOLLEREN l Kt. Schwvz, Bez. und Gem. Ein- 
siedeln). 889 m. Gruppe von 5 Hausern am NO. -Hang 
des Freiherrenberges, an der Poststrasse Kinsiedeln-Iberg 
und 2.5 km ö. der Station Einsiedeln der Linie Wädens- 
wil-Einsiedeln. 38kathol. Ew. Pfarrei Einsiedeln. Kapelle. 
Wiesen-, Übst-, Kartoffel- und Gemüsebau, Viehzucht. 
Torfausbeute. Die um 1860 korrigierte alte Strasse von 
Einsiedeln nach Iberg stieg von der Sihlebene aus in 
Schlingen den Berghang gegen Stolleren hinauf. 

STOLZENBERG I Kt. St. Gallen, Bez. Unter Tog- 

Senburg, Gem. Henau). 620 m. Weiler, auf einer frucht- 
aren Anhohe 2,5 km sö. der Station L'zwil der Linie 
Zürich-Winterthur-St. Gallen. Telephon. 16 Hauser, 96 
reform, und kathol. Ew. Kirchgemeinden Uberuzwil und 
Hichwil. Obstbau und Viehzucht. Stickerei. 

STOLZEN MÜHLE (Kt. Bern, Amtabez. Schwarzen- 
burg. Gem. Wählern). 771 m. Gruppe von 4 Häusern, 
nahe der Kirche Unter Wahlern und an einem kleinen 
Wasserlauf, der weiter unten den Burggraben bildet. 33 
reform. Ew. Mühl«* und Säge. 

STORCHEOO (Kt. St. Gallen, Bez. Wil. Gem. Nieder- 
büren). 600 m. Gruppe von 4 Häusern auf einer Berg- 
terrasse mit schöner Aussicht ins Thurthal; 4,6 km nw. 
der Station Arnegg der Linie Sulgen-Gossau. 18 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Niederbüren. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. 

STORCH ENEQQ (HINTER und VOROER) (Kt. 
Zürich, Bez. Hinwil, Gem. Fischenthal). 821 und 806 m. 
Zwei Gruppen von zusammen 4 Hausem, am O.-Hang 
des llornli und 2 km no. der Station Steg der Tössthal- 
bahu ( Winterthur-Wald). 30 re form. Ew. Kirchgemeinde 
Fischenlhal. Wiesenbau. 

STO reqq HORN (Kt. Obwalden und Nidwaiden). 
1875 m. Gipfel in der das Thal von Kngelberg vom Melch- 
thal trennenden Kette, zwischen dem unmittelbar unter 
ihm gelegenen Sloreggpass und dem Schluchiberg. Kanu 
von Melchthal her über den Storeggpass in 3 Stunden 
bequem erstiegen werden. Aussicht ohne besonderes 
Interesse. 

STO R EGO PASS (Kt. Obwalden und Nidwaiden). 
1740 m. Passübergang zwischen dem Storegghorn (1875 
m) und dem Widderfeld |2354 ml, in der das Melchthal 
vom Kngelbergerthal trennenden Kette. Aufstieg von 
Melchthal zur Passhohe in 2 '/» Stunden, Abstieg über 
einen mehrfach sehr malerischen Fussweg nach Grafen- 
ort in 2 Stunden. Von der Passhohe aus kann man über 
die Ober Laterseealp und die Zingelalp in ebenfalls 2 
Stunden nach Engelberg gelangen. 

STORTA GRÖNDA <VAL DA) (Kt. Graubünden, 
Bez. Inn). Hohes sw. Ouellthälchen des Val Choglias, 
des längsten Seitenzweiges von Val Sinestra in der Sam- 
naungruppe. Entspringt unter dem Fimberpass oder 
Cuolmen Fenga i2612 m) und verläuft zunächst nordosl- 
wärts, um dann nach der Einmündung des Baches aus 



Davo Sass nach SO. umzubiegen. Am Ausgang liegt die 
Alp Chnglias (2070 m). Auf der O. -Seite reichen vom Piz 
Motana und Piz da Choglias ausgedehnte Schutthalden 
herunter. 2,3 km lang, Gesamtgefälle 19,4%. Das Thal 
verlauft in versteinerungsleeren ■ Engadinschiefern • , 
sowie in mesozoischen Kalk- und Sandschiefern. 

STOSS, 8TOE8SI, 8TOZ88LI. Ortsnamen im 
Bergland der Kantone Luzern, Schwyz. Bern, Appenzell. 
St. Gallen etc. Bezeichnen ursprünglich den für den 
Unterhalt einer Kuh notwendigen Abschnitt einer Alp- 
weide. So kann z. B. eine 50 « Stösse ■ umfassende Alp 
mit 50 Stück Grossvieh bezogen (i bestossen •> werden. 

STOSS (Kt. Appenzell A. B., Hinterland. Gem. Wald- 
statl). 900 m. Gruppe von 5 Häusern, 3 km sw. der 
Station Waldstalt der Appenzellerbahn (Winkeln-Herisau- 
Appenzell). 43 reform. Ew. Kirchgemeinde Waldstatt. 
Viehzucht. 

STOSS (Kt. Appenzell A. I;.. Mittelland, Gem. Gais). 
955 m. Einzel- 
stehendes 
Haus. 3 km ö. 
der Station 
| GaisderStras- 
senbahn St. 
Gallen - Gais - 
Appenzell und 
an der Strasse 
Gais - Altstät- 
ten. 4 Ew. 
Viehzucht. 
Kapelle und 
1905 errichte- 
tes Denk- 
mal an die 
Schlacht am 
Stossi 17. Juni 
14U5|, in wel- 
cher die Ap- 
penzeller im 
Verein mit 
dem Grafen 
Rudolf von 
Werdenberg 
die von Herzog 
Friedrich ge- 
führten Oes- 
terreicher in 
die Flucht 
schlugen. Die 
Leute von Ap- 
penzell Inner 

Hoden wallfahren alljährlich zum Stoss. um hier das 
Andenken an ihren ruhmreichen Sieg zu feiern. Pracht- 
volle Aussicht ins Bheinlhal und auf die Vorarlberger 
und Bündner Alpen. 

STOSS (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Toggenburg i. 2114 
m. Schraltenkalkgipfel in der nördlichsten Kette des 
Säntisgebirgcs, n. über Unterwasser und 3,5 km sw. vom 
Säntisgipfel. Der von Unterwasser her in 4 Stunden zu 
erreichende Gipfel ist ziemlich mühsam zu ersteigen und 
wird nur wenig besucht. 

STOSS oder ST0O88 (Kt. und Bez. Schwyz, Gem. 
Morschach). 1290 m. Gruppe von 4 Häusern auf einer 
schonen Terrasse am NO. -Hang des Fronalpstocka, 2 
Stunden s. über Schwyz und 4 km 6. der Station Mor- 
schach der elektrischen Bahn Brunnen-Morschach. Guter 
Weg nach dieser Station. Telegraph, Telephon. 21 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Morschach. Grosses Kurhaus und 
zahlreiche Alphütten. Sommerfrische und Milchkurort in 
einer der schönsten liegenden des Kantons. Prachtvolle 
Aussicht auf das Thal von Schwyz, die Mythen, den Higi 
und Hossberg. 

STOSS (HINTER und VORDER) (Kt. Schwyz. 
Bez. Höfe, Gem. Feusisbergi. 660-600 m. 6 am Stossbach 
zerstreut gelegene Höfe, an der Kreuzung der Strassen 
Feutisberg-Sihlegg und Schindellegi-Pfäflikon und 4 km 
sw. der Station Wollerau der Linie Rapperswil -Goldau- 
45 kathol. Ew. Kirchgemeinde Feusisberg. Wiesen- und 
Obstbau. 

STOSS (UNTER) ( Kt. und Hei. Schwyz, Gem. 




Denkmal am Slo«s (Appenxoll A. R l. 



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710 STO 

Muotathal). 1000- 1150 m. 7 Häuser, am linken Ufer des I 
Stossbaches und 4 km a. Schwyz. 47 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Muotathal. Viehzucht. 

8TOS8-KREIEN (Kt. Luzern, Amt Enllebuch. Gem. 
Ilasle). 770 m. 6 »erstreut gelegene Mauser; 1.5 km a. 
der Station ilasle der Linie Hern- Luzern. '29 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Ilasle. 

stossbach (Kt und Bez. Schwyz). KH00-560 m. 
Linksseitiger Zuflus* der Muota; entspringt am N.-Hang 
des Klingenslocks (192» mi im Fronalpstockgebiel mit 
zwei (Juellarmen auf der Neppenalp und der Krauteren- 
alp, durcMliessl zwischen Ltenberg und Tiefdohle ein 
Tobel und mündet nach 4 km langem Lauf gegenüber 
liesigen, Bildet die O. -Grenze der Stossalpen. 

STOSSMOHN (Kt. und Bez. Schwyz». 1900 m. SO.- 
Schulter des Fronalpstockes, sö. über Schwyz. Fällt nord- 
wärts mit steilen Fels- und Waldhängen zur Muola (Su- 
warowbrücke) ab, während der S.-Hang die schönen 
Stonsalpen (300 ha Fläche) mit Kurhaus und Kapelle trägt. 
Strasse von der Station Morschach der elektrischen Bann 
Brunnen-Morschach zum Stoss. Sehr schone Aussicht 
auf das Thal von Schwyz und das Muotathal. 

STOTZ, STUTZ. Ortsnamen, besonders in Zusam- 
mensetzungen. Bezeichnen einen «sloUigen», d. h. steilen 
Berghang oder Weg. 

8TOTZH ALTEN (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken. 
Gem. Grindehvaldi. 1100 m. Gruppe von 4 Häusern am 
rechten Ufer der Lütschine. über dem Mittelpunkt des 
Dorfes Grindelwald und 500 m sö. der Station Grindel- 
wald der Linie Interlaken - Grindelwald. 26* reform. Ew. 
Kirchgemeinde Grindetwald. 

8TOTZIQBERQ (Kt. Uri). 2745 m. SU. -Gipfel des 
Stotzigberggrates, zwischen diesem und dem Wissig- 
stock i288H m| in der llrirotstockgruppe. Fällt mit hoher 
Felswand zu der an seinem O.-Fuss gelegenen Surenen- 
alp ab. Erhebt sich ö. über Engelberg, von woher er 
über die Huckhubelhütle (Nachtquartier) oder über Für- 
renalp (4 1 , - 5 Stunden) erstiegen werden kann. Aufstieg 
von der Ihme her in etwa 2 Stunden. Mehl schwierig. 

STOTZIGB E RGQRAT (Kt. Uri). 2730. 2659. 2644 
und 2632 m. Langer Felskamm zwischen dem Stolzigberg 
(2745 m) und dem Botschutz (2828 m), einem Ausläufer 
des Wissigslockes (2P88 m) in der llrirotstockgruppe. 
Fällt nach O. steil ab, während W - und NW. -Hang zu- 
meist sanft geböscht erscheinen. Am NW -Hang liegt 
der GriessengleUcher, über welchen die einzelnen Punkte 
erreicht werden können. Aufstieg von der Huckhubel- 
hütle über Engelberg in 1 V j-2 Stunden. Eine Gratlücke 
nahe Punkt 2659 m in Verbindung mit einer steilen 
Kehle in der O.-Wand i Blackenkehle) vermittelt einen 
l'ebergang von der Buckhubelhülte zur Blackenalp. 
Vergl. den Fahrer durch die l'rner Alpen des A. A. G. 
Zürich. Bd II, 1905. 

STOTZ ige N (Kt. Uri). Etwa 2480 und 2475 m. Zwei 
kleine Spitzen ü. vom Jakobiger (2506 m) in der Krönten- 
kette. Der Punkt 2475 m wird auch Ültersbalm genannt. 
Die Besteigung scheint von N. her (von Silenen aus durch 
das Biedthal) möglich zu sein. Der Stock der Stotzigen 
sendet zwei Grate aus, von denen der no. den Huchalpeli- 
stock und der sö. die Zieglieggen und den Sonnengrat 
tragt. Vergl. den Führer durch die l'mer Alpen des 
A. A. C. Zürich. Bd II, 1905 

STOTZ IQ GR AT (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Ilasle). 
2774 und 2775 m. Oestl. Ausläufer des Mährenhorns, der. 
sich bis zum Hand des Triftgletschers hinzieht. Am N.- 
Hang des O.-Endes steht die private Windegghütle (1901 
ro). die vom S. A. C. zur Bequemlichkeit der das Trilt- 
gebiet besuchenden Touristen gemietet worden ist. Meh- 
rere Zacken des Grales sind von dieser Hütle aus durch 
das Schaltig Triftthäli und über den Weissschienglet- 
scher wahrscheinlich ziemlich leicht zu erklettern. 

stotz igg rat ( Kt. Uri und Graubnndeni. 2993. 
29(9 und 2890 m. Langer und scharfer Felsgrat in der 
Dussistockkette. • :• mit 800 bis 900 m hohen Steilwänden 
ins Brunnilhai abfällt und auf der zum Val Cavardiras 
sich abdachenden, weniger steilen <•. -Seite einige Firn- 
Hachen tragt. Oestl. über der Brunnialp. Wenig n. vom 
( hohem i N. -Gipfel gabelt sich der Gral und schliesst die 
s. Ecke des Besti-TschingHlirns ein. die bis dicht unter 
die Gratverzweigung hinaufreicht und gewöhnlich stark 



STR 

zerschrundet ist. Der Grat belindet sich zwischen den 
Tschingelstöcken und der Buodnerkehle (2743 m) auf der 
Kantonsgrenze zwischen Uri und Graubünden. Erste Be- 
steigung 1899. Aufstieg vom Hotel S. A. C. im Maderaner- 
thal über Hinlerbalm in 6 oder von der Alp Cavrein in 
3 '/« Stunden. Vergl. den Führer durch die L'rner Alften 
des A. A. C. Zürich. Bd 1. 1905. 

STOTZWEID (Kt. Zürich. Bez. und Gem. Morgen). 
510 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km s. der Station Hor- 
ben der Linie Zürich-Thalwil-Zuff und am O.Fuss der 
llorgeregg. 25 reform. Ew. Kirchgemeinde Horgen. 
Wiesenbau. Fabrik elektrischer Apparate. 

8TOUTZ . M Freiburg. Bez. Greierz. Gem. La Boche). 
Um die Kirche gelegener Teil des Dorfes La Boche. S. 
diesen Art. 

8TOUTZ (Kt. Freiburg, Bez. Greierz). 1580-703 m. 
6.5 km langer Wildbach ; entspringt nahe dem Gipfel der 
Berra auf der Alpweide La Montagnetla, tliesst zuerst 
südwestwärts und biegt dann nach NW. ab, um unter- 
halb des Stald von links in die Serbache zu münden. 
Durchzieht grosse Waldungen und das Quartier LeStoutz 
des Dorfes La Boche. Gefährliches Wildwasser, das in I -a 
Boche schon oft Verheerungen angerichtet hat, so das« 
man in den letzten Jahren mit Beihilfe des Kantons Ver- 
bauungsarbeiten durchgeführt hat. Mittleres Gefalle 13%. 

STRADA (Kl. Graubünden, Bez. Glenner, Kreis 
Banz). 715 m. Gem. und Weiler in der Sohle des Vorder- 
rheinthales. links vom Fluss und 1.6 km w. der Station 
Banz der Bündner Oberlandbahn (Ghur-Hanz). Postwagen 
Ilanz-Disentis und Ilanz-Waltensburg-Brigelt. 12 Hauser, 
50 zur Mehrzahl romanische Ew., wovon 38 Beformierte 
und 12 Katholiken. Kirchgemeinden Banz. Wiesenhau 
und Viehjucht. Der Name ist vom latein. (via) ttrala — 
^epllasterter Weg, « Strasse » herzuleiten. 

strada (Kt. Graubünden. Bez. Inn, Kreis Bemüs, 
Gem. Schieins). 1078 m. Dorf am linken Ufer des Inn 
und an der Landesgrenze gegen das Tirol ; 3,4 km sw. 
Martinsbruck und 6 km no. Bemüs. Postahlage ; Post- 
wagen Schuls- Landeck (imTiroli. 42 Häuser, 187 reform. 
Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde Schieins. Wie- 
senbau und Viehzucht. 

STRET8CHERHORN (Kt. Graubünden . Bez. 
Heinzenberg). 2556 m. Vorhöhe in der vom Bärenhorn 
(Adulamassiv) nach N. ziehenden Weissensteinhorn- 
Signinakette; 2.9 km nö. vom Bärenhorn (2932 m). Im 
O. liegen die sanften Gehänge der Grossalp von Saßen, 
im W. auf der Seite gegen Vals Platz der Tomulgrat. der 
sich gegen das Slrälscherhorn hin sanft abdacht. 1,3 km 
nnw. vom Gipfel führt der Tonnil pas« (2417 m) aus Sa- 
ilen nach Vals hinüber. Von diesem Pasa und aus Safien 
leicht zu erreichender, guter Aussichtspunkt. Besteht aus 
grauen Bündnerschiefern. 

STH/ETTLIOEN , STR JCTTLI NQEN oder 
8TRÄTLINQEN (Kt. Bern. Amtsbez. Thun). 655 m. 
Gem. und ehemalige Burg am linken Ufer und untern 
Lnde des Thunersees : l.o km so. der Station Gwatt der 
Linie Thun-lnterlaken. Zusammen mit Almendingen. 
Lonlschenen. Buchholz, Almendblelz. Dürrenast, Thalack- 
ker, Gwatt, <1 wattegg. Strättlighügel, Scherzligen. Scha- 
dau, Schoren, Hohliebe, Winkel und Viehweide : 307 Häu- 
ser. 3058 meist reform. Ew. Kirchgemeinde Thun. Land- 
wirtschaft und Kleingewerbe. Viele Bewohner sind als 
Arbeiter in den eidg. Werkstätten in Thun beschäftigt. 
Schulhäuser in Almendingen. Dürrenasl und Schoren. 
Drciklassige Sekundärschule. Burg auf dem Strättlighügel 
links über der Kanderschlucht. sowie das am Kusse des 
Hügels gelegene Dorf Gwatt. die Ebene von Thun und den 
See beherrschend. Sie besieht aus einem wohlerhaltenen 
viereckigen, weithin sichtbaren Turm und einer Um- 
fassungsmauer. Von den übrigen (iebäulichkeiten sind 
nur noch die Fundamente erhallen. Am N.-Fuss der Burg 
ein moderner Landsitz mit Anlagen. Nach S. bricht der 
Burghügel sehr steil zum Glutschbachlhal ab. Nach einigen 
Forschern soll der « Slrattligturm », wie man die Burg im 
Volkstnunde nennt, nur eine Warte gewesen sein, wäh- 
rend das alte Stammschloss des bekannten Geschlechtes 
derer von Strältligen gegenüber auf einem waldbedeckten 
Felsenhügel des Zwieselberges gestanden haben soll, wo 
sich noch Beste eines Gemäuers und Spuren eines Grabens 
vortlnden. Der Ursprung der Burg Strättiigen und ihrer 



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STR 



STH 



711 



Herren liegt vollständig im Dunkeln. Die von einem ehe- 
maligen Pfarrer tler benachbarten Kirche von Einigen, 
Kulogiua Kiburger (7 1506), verfasste Strättlinger Chronik 
berichtet, dass schon 223 ein Graf Arnold von Strättligen 
die Kirche zum Paradies in Einigen gestiftet habe. Die 
selbe Chronik laut einen Rudolf von Strättligen 93 i zum 
Konig eines nicht genannten Reiches gewählt werden, 
bezeichnet ihn als Gemahl der Königin Bertha und nennt 
dieses Ehepaar als Stifter von zwölf Tochterkirchen des 
Gotteshauses von Einigen, sowie der nahen Propste! Am- 
soldingen. An diesen fabelhaften Berichten mag nur das 
Eine auf Wahrheit beruhen, dass das wahrscheinlich als 
Gründung der Strättliger entstandene Gotteshaus von 
Einigen eine der ältesten Kultstätten des Überlandes ist 
und dass diese Gegend von Spiez bis Strättligen unzweifel- 
haft schon im ersten Jahrtausend der Sitz einer gewiuen 
Kultur war. Die alte Herrschaft Strättligen reichte von 
Wattenwi! bis nach Leiuigen. muss aber schon früh in 
Zerfall gekommen sein. Sie umfaute Spiez. die gegen- 
wärtige Gemeinde Strättligen, Thierachern, Forst, Pohle- 
ren und Blumenstein. Wahrscheinlich gehörten die 
Strättliger zu den oberländischen Dynasten, deren Macht 
am Ende des 12. Jahrhunderts durch Berthold von Zäh- 
ringen gebrochen wurde. Ein Heinrich von Strättligen 
wird 1175 genannt. Ein Rudolf von Strättligen vergabt« 
das Patronat der Kirche von Obergurzelen dem Kloster 
Interlaken, ein Johann 1330 dasjenige von Leiuigen dem 
nämlichen Stifte und 1338 das Schloss Spiez an Johann 
von Bubenberg. Ein Heinrich von Strättligen, entweder 
Heinrich II. 1 1250-1 262 1 oder sein Sohn Heinrich III., 
war Minnesänger, von welchem drei Lieder erhalten ge- 
blieben sind. Die Familie, von der ein Zweig Ende des 
13. Jahrhunderts nach England übersiedelte, starb nach 
13n0aus. Die Burg Strättligen mit Thierachern und Wat- 
lenwil gelangte um diese Zeit an das Haus Burgistein und 
kam von diesem erbsweise an die Edlen Mönch von Mön- 
rhenstein, 1466 an die Bubenberg und von diesen an die 
Mav, welche 1594 die Herrschaft der Stadt Bern verkauften. 
Die Burg Strättligen mit der gegenwärtigen Gemeinde 
gleichen Namens kam an das Amt Thun und dann 1662 an 
das Amt Oberhofen, bis im Jahr 1803 Oberhofen und 
Strättligen neuerdings dem Amt Thun angegliedert wur- 
den. Das Wappen der Herrn von Strättligen, im roten Felde 
ein schräg rechts gestellter goldener Pfeil, befindet sich 
auf der Wappen tafel der Kirche von Spiez, sowie in zwei 
Glasgemälden der Kirche von Blumenstein. Einzelfunde 
aus der Bronzezeit in Almendingen und Gwatt; am Ren- 
zenbühl bei liuehholz hat man sehr interessante Gräber 
aus der Bronze- und La Tenezeit aufgedeckt. Die bronze- 
zeitlichen Gräber enthielten u. a. ein Bronzebeil mit in- 
krustierten Goldplättrhen und einen dreieckigen italischen 
Rronzedolch mit massivem Griff Igleich den Kunden von 
Bingoldswil). In den La Tenegräbcrn kamen zahlreiche 
Schmuckringe zum Vorschein. Romersiedelung in Al- 
mendingen. Nahe dem Burgturm ein Grab aus der ersten 
Germanenzeit mit eisernem Dolch und einer Gürtel- 
schnalle. Der die Häuser von Strättligen tragende llugel, 
der das ehemalige Kanderthal vom Thunersee trennt, be- 
steht ausschliesslich aus Moränenmateria). Durch diesen 
Hügel wurde 171 l-1714der Stollen gegraben, der die Kander 
indenThunersee ableiten sollte und seitherdurch die rasche 
Erosion dieses Flusses zur heutigen Schlucht umgewan- 
delt worden ist. 763: Scartilinga ; 1175 und 1220: Strete- 
lingen. Vergl. Haechtold , J. U>e Ströllinqerchrimik. 
Krauenfeld 1877. — Mülinen. W. F. von. lhe Herren von 
Strällingen (in der Fetlgaln- der Allgemeinen Geschieh ts- 
(orschenden Grselhchaft tler Srhtveit ; dargeboten vom 
Historischen Verein des Kantons Bern). Bern 1905. 

STRjEttlighOgel (Kt. Bern. Amtsbez. Thun, 
Gem. Strättligen). 655 m. Gruppe von 4 Häusern, beim 
Schloss Strättligen. 34 reform. Ew. Kirchgemeinde Thun. 

STR AGLI AVITA ( Kt. Graubünden. Bez. Inn). 2700m. 
Pfadlose und seltene begangene Passlücke so. vom Piz 
Nuna bei Zernez, über welche man diesen Gipfel und 
»eine Nachbarn besteigen oder auch von Zernez ins Val 
Sampuoir und damit nach Ardez im Unter Engadin ge- 
langen kann. 

strahlbann i Kt. Tessin. Bez. Valle Maggia). 
2782 und 2692 tn. Kamm aus Antigoriogneis. zwischen 
dem Wandfluhhorn (2860 m) und dem Pizzo Orsalia 



1 (2668 m| und Pizzo Orulietta (2481 m); s. über dem 
I Kessel der Alp Orsalia im obern Val Calneggia. Der Kamm 
trennt das Val Calneggia von dema. gelegenen Boscothal, 
welche beide Seitenarme des Maggiathales sind. 

strahlbetthorn oder KIENHORN 1 Kt. 
Wallis, Bez. Visp). 3755 m. SW. -Ausläufer des Tasch- 
horns in der Kette der Mischabelhörner. Kann von Banda 
her in 8 Stunden erklettert werden. Sehr schwieriger 
Aufstieg, zum erstenmal 1883 ausgeführt. 

STRAHLEQQ (Kt. Graubünden. Bez. Ober Land- 
quart. Kreis Jenaz. Gem. Fideris). 930 m. Weiler am 
linksseitigen Gehänge des Prätigaues und am rechten 
17er des Arieschbaches, 750 m o. Fideris und 1 km sw. 
der Station Küblts der Linie Landquart-Davos. 15 Häu- 
ser. 55 reform. Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde 
Fideris. Wiesenbau und Viehzucht. Ruine der einzigen 
Burg im Prätigau. die einen deutschen Namen trägt. Sie 
kam 1403 an den Grafen Friedrich von Toggenburg. Nach 
der Volksüberlieferung soll sich in der Ruine von Zeit 
zu Zeit ein Geist zeigen. 

STRAHLEGG (Kt. St. Gallen, Rez. Gasler. Gem. 
Amden). 459 m. Malerische Burgruine am N.-l'fer des 
Walensees, auf einer Ilachen und breiten l.andzunge vor 
Bätlis. Sträuchen nach Weesen. Schöne Aussicht auf See 
und Berge. Bemerkenswerte Hauart. Die Grundmauern 
aollen römischen Ursprunges sein. 

STRAHLEGG (ALTE) (Kt. Bern. Amtsbez. Inter- 
laken und Ober Hasle). Etwa 3300 m. Passübergang in der 
Kelle der Strahlegghorner, nahe dem Punkt 3450 m der 
Siegfried karte. Geht dem eigentlichen Sliahleggpau paral- 
lel und bietet auf der Seile gegen Crindelwald die näm- 
I liehen Schwierigkeiten, wahrend sie auf der Grimsel- 
tlanke gefährlicher zu begehen ist. Zum erstenmal 1835 von 
Callanuer mit P. und Chr. Baumann und andern Führern, 
dann wieder 1836 von L Lepilleur mit den beiden Bau- 
mann und Ulrich Wiltwer überschritten. Variante des 
gewöhnlichen Weges über den Slrahleggpau. Verbindet 
die Schwarzegghülte in 6*/. Stunden mit dem Pavillon 
Dollfus. Auf der SiegfirieoWte unbenannl und ohne 
Hohenkote. 

STRAHLEGG (HINTER und VORDER) (Kt. 
Zürich, Bez. Hinwil, Gem. Fischenthal). 1057 und 1040 m. 
Gemeindeabteilung und zwei 800 m voneinander entfernte 
Weiler; 4.5 km so. der Station Steg der Tössthalbahn. 
Zusammen mit Leutobel : 26 Häuser, 131 reform. Ew.; 
Weiler: 9 Häuser, 50 Ew. Kirchgemeinde Fischenthal. 
Wiesenbau. Höchst gelegenes Schulhaus im Kanton. 

STRAHLEQQ (NA88E) (Kt. Bern, Amtsbez. Ober 
Hasle 3488 m. Einer der S. -Gipfel der vom Grossen 
| Lauteraarhorn nach S. abzweigenden Strahlegghörner, 
zwischen dem Strahleggfirn einerseita und dem Obern 
Eismeer von Grindelwald und dem Finsteraarfirn andrer- 
seits. Kann von dem Grindelwald mit der Grimsel ver- 
bindenden Finsteraarjoch her über Schneehalden in 
Stunde leicht erreicht werden. 

strahleggfirn (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Hasle). 
3300-2677 m. 4 km langer und im Mittel 1 km breiter 
Firn zwischen den Strahlegghörnern im SW-, dem vom 
Strahleggpass überschrittenen Strahlgrat (oderMittelgrat) 
im NW. und der Kette der Lauteraarhörner {Gross und 
Klein Lauteraarhorn, Hunhorn, Lauteraar Rothorneri im 
N. und NO. Erhält einige kleinere Nebenarme, wie den von 
den l.auteraar Rothörnern (3443 und 3485 m) herabkom- 
menden Hugigletscher und ein am S.-Ilang des Gross 
Uuteraarhorns hängendes, unbenannles Eisfeld, und ver- 
einigt sich mil dem Finsteraarlirn zum Finsteraargletscher, 
der selbst wieder im Verein mit dem Lauteraarglelscher 
vom Fuss des Abschwungs an den Unteraargletscher bildet. 
Der Strahleggfirn wird begangen, wenn man sich vom 
Pavillon hol Ims auf den Slrahleggpau begeben will. Gross- 
artige Hochgebirgs- und Eislandschafl. 

strahlegghcerner (Kt. Bern. Amtsbez. Inter- 
laken und Ober Hasle/. 3488, 3453. 3390. 3450 und 3462 m. 
l-anger Kelskamm zwischen dem Slrahlcgglirn einerseits 
und dem Finsteraartirn und Obern Eismeer von Grindel- 
wald andrerseits, sowie zwischen dem Strahleggpass im 
N. und der Anstiegsrouie aufs Finsteraarjoch im S. Wäh- 
rend die N - und NO. -Flanke felsig und sehr steil ist, 
erscheint die SW. -Planke meist als massig steiler Eia- 
und Schneehang. Der ganze Kamm wurde früher mildem 



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bezeichnet, 

heule auf den auch Strahlgral geheissenen n. Abschnitt, 
der vom Strahleggpass äberachritten wird, beschränkt. 
Die von Wyss 1817 erwähnte « Sirahleck • ist einer der 
Gipfel des Kammes, kann aber nicht mehr bestimmt lo- 
kalisiert werden. Der auf der Siegfriedkarte unbenannte 
Punkt 3390 m zwischen der Nassen Strahlegg (3i88 mt 
und dem Punkt 3(53 m bildet einen gut charakteri- 
sierten Gipfel unmittelbar nö. über dem Pinsteraarjoch. 
Erste Ersteigungen: Punkt 3462 m im Jahr 1887. Punkt 
3450 m im Jahr 1891 , Gipfel 3188. 3390 und 3153 m von 
verschiedenen Karawanen im Jahr 1890. Die Gipfel sind 
zur Mehrzahl von der Schwarzegghütte her in 4-5 Stun- 
den ohne grosse Schwierigkeiten zu erreichen und wer- 
den meist bei unsicherm Wetter erstiegen, wenn ein An- 
griff auf die benachbarten Üergriesen nicht ratsam er- 
scheint. Der ganze Kamm gehört der Zone der Serizit- 
schiefer an, die das Protogin massiv im S. von der Gneis- 
zone des Aarmassives im X. trennt. 

STRAH LIQQPA8S (Kt. Bern, Amtsbez. Ober 
Hasle). 3351 m. Den Alpinisten wohlbekannter Passüber- 
gang im Strahlgrat (oder Mittelgrat) zwischen dem Gross 
Lauteraarhorn und dem Kamm der Strahlegghörner. 
Verbindet den Unter Grindelwaldgletscher mit dem 
Strahleggfirn und Finsteraargletacher und wird seines 
grossen Interesses und der machtvollen Landschaftsbilder 
wegen im Sommer häutig und manchmal auch im Winter 
überschritten. Von der Passhöhe aus grossartiger Blick 
namentlich aurdie dunkeln Wände des Pinsteraarhorns. 
Von Grindelwald aus erreicht man über die Baregg und 
die Binisegg in 4'/, Stunden zunächst die Schwarzegg- 
hütte (Nachtquartier) und dann von hier über Sehne 8- 
und Eishalden und die Felsen von Gagg in 2 1 ', Stunden 
die Passhöhe. Abstieg über eine schwierige, etwa 300 m 
hohe vereiste Felswand zum obersten Abschnitt des 
Strahleggfirns. Gegen Ende des Sommers wird hier der 
Pels zuweilen aper, in welchem Falle sich dann der Ab- 
stieg ziemlich leicht gestaltet. Nach Ueber*chreiten des 
am Fuss dieser Wand sich öffnenden Felsachrundes folgt 
man dem prachtvolle Blicke auf die umrahmenden 
Hochgipfel bietenden Strahleggfirn, dann bis zum Ab- 
schwunK dem Pinsteraargtelscher und endlich dem 
[Passhöhe-Pavillon Dollfus3\', Stun- 



Stunden die Grimsel 
int ursprünglich dem 



Unteraargletscher 
den), worauf man in weitern 2 'i 
erreicht. Der Name Strahlegg sei 

ganzen Kamm zwischen dem Grossen Lauteraarhorn und 
den Strahlegghörnern beigelegt und erst nachträglich 
speziell auf den Pass bezogen worden zu sein. Altmann 
berichtet 1751 in seinem Versuch einer historischen und 
physischen Beschreibung der helvetischen Eisberge von 
einem alten Sennen, den er auf dem Grindelwaid Eis- 
meer angetroffen hatte, dass dieser bis auf eine Distanz 
von 8 Stunden in das Eisgebiet der S.-Flanke vorgedrun- 
gen sei. aber kein dem Grindelwaldgletscher ähnliches 
Eisfeld angetroffen habe. Gruner spricht in seinem Buch 
über Die Eisgebirge des Schwenerlamtes (3 Teile. 
Bern 1760) ebenfalls von einem Hirten, dem es unter 
grossen Schwierigkeiten geglückt sei, von Grindelwald 
über die Gletscher nach dem sog. Hasleland zu gelangen. 
Endlich erzählen auch Johann Rudolf und Hieronymus 
Meyer 1812 von einer Sage unter den Hirten, wonach vor 
ungefähr hundert Jahren ein gewisser Dr. Klaus über 
denGletscher vonGrindelwaldnachderGrimsel vorgedrun- 
gen sei. Die erste sichere l'eberschreitung des Strahlegg- 



passes ist aber diejenige, die Dr. Joh. Rudolf Meyer aus 
Aarau im Jahr 1812 mit den Führern Kaspar Huber und Ar- 
nold Abbühl von der Grimsel her ausgeführt hat. Am folgen- 
den Tage (4 September) drangen auch Dr. Thilo und 
Hieronymus Meyer bis zur Hohe des Passes vor. mussten 
dann aber wegen aufsteigenden Nebels zur Grimsel zu- 
rückkehren. Im August 18:28 und Januar 1842 gelangte 
Prof. Hugi zweimal bis zur Passhöhe hinauf. Gottlieb 
Studer überschritt 1839 die Alte Strahlegg, während 
der heute gebräuchliche Strahleggpass im Jahr 1840 von 
Prof. L. Agassi z und seinen Begleitern E. Desor, H. Cou- 
lon und F. de Pourtales, sowie J. Leuthold, J. Währen 
und 3 weitern Führern vom Hötel des Neuchätelois aus 
nach Grindel wald überstiegen wurde. 1841 überschritt den 
Pass die erste Dame, die Schottin M. Cowan (im Trag- 
el). mit ihrem Gatten und neun Fuhrern. Von 



weitern Begehungen ist noch diejenige 
die A. W. Moore und IL Walker mit Melchior An- 
deregg, Christian Almer und Peter Bohren mitten im 
Winter 1861 in Verbindung mit der Ueberschreitung des 
Finsteraarjoches ausgeführt haben. Vergl. Studer, Gott- 
lieb. Ueber Eis und Schnee, i. Aull, von A. Wäber und 
H. Dübi. Bd L Bern 1896. - Coolidge. W. A. B. The 
Berneie Oberland. {Conway and Coolidge'* climbers' 
guidesj. London 1904. 

STRAHLQRXTI (Kt. Wallis, Bez. Goms). 3207. 
3200 und 3175 m. Schmaler und vorwiegend felsiger Grat 
zwischen Hohsandhorn und Rappenhorn (oder Mittag- 
horn; im Bergstock des Blindenhorns. Fällt nordostwärts 
zum italienischen llohsandgletscher, nordwärts zum 
Blindengletscher, westwärts zum Rappengletscher und 
südwärts zum Turben- und Miltlenberggletscher ab. Auf- 
stieg ohne besondere Schwierigkeiten von Bino aus über 
die Turbenalp in 5-6 Standen. Der ganze Grat vom Hoh- 
sandhorn bis zum Happenhorn ist zum erstenmal 1877 
traversiert worden. 

STflAHLQRAT oder MITTKLO II AT ( Kt. Bern. 
Amtsbez. lnterlaken und Ober Hasle). 3425-3450 m. Nördl. 
Abschnitt des Kammes der Strahlegghörner (s. diesen 
Art.). Wird vom Strahleggpass überschritten. 

8TR AHLGRAT (Kt. Wallis. Bez. Goms und Oestlich 
Raron). 3279-3330 m. Auf der Siegfriedkarte un benannter 
Felskamm in der Gruppe der Walliser Fiescherhörner, 
sin Wannehorn nach S. ab und trennt den 



zweigt vom Klein 
(auf der Siegfriedkarte unbenannten) Hinter Schönbühl- 
gletscher von einem zur Mänelenalp sich senkenden, 
i ebenfalls unbenannten kleinen Eisfeld. Er bildet das Ver- 
| bindungsglied der Kette der Strahlhorner (3030. 3053. 
: 3080 und 3(04 m) mit dem Klein Wannehorn. Erster Auf- 
I stieg 1903 vom Hotel Eggishorn aus über den Hinter 
: Schönbühlgletscher in 4 Stunden auf den Punkt 3330 m. 
) für welchen wegen der ockergelben Felsen der Name 
' Senfspitze vorgeschlagen wurde, und von da auf den 
| nächsten Gipfel nach N. gegen das Klein Wannehorn. 
| Vergl. das Jahrbuch des S. A. C. 40. Seite 296. 

8TR AH LH CERN KR ( Kt. Wallis, Bez. Görna und 
Oestlich Raron). 3030. 3053. 3080 und 3104 m. Letzte 
! ssw. Ausläufer des Klein Wannehorn (3717 m) in der 
Gruppe der Walliser Fiescherhörner, mit dem sie über 
den Strahlgrat in Verbindung stehen. Der Kamm schiebt 
sich zwischen den Grossen Aletschgletscher und den 
Fieschergletscher ein und bricht n. über dem Märjelense« 
schroff ab. Leber eine Ersteigung sind wir nicht unter- 
richtet, obwohl der eine oder andere dieser Gipfel von 
Liebhabern neuer Touren sicherlich schon bezwungen 
worden sein wird. 

STRAHLHOLZ ( Kt. Appenzell A. R., Mitteilend. 
Gem. Gais). 870 m. Zerstreute Siedelungen. 1 km o. der 
Station Bühler der Strassenbahn St. Gallen-Gais-Appcn- 
zell. Telephon. 37 Häuser, 228 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Gais. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

STRAHLHORN oder TASCHHORN (Kt. Wallis. 
Bez. Brig). 3214 m. Gipfel in der Kette zwischen dem 
Gredetsch- und dem BalUchiederthal. Wird von der Mar- 
tigschüpfe, einer als Nachtquartier benutzten Hohle hin- 
ten im Baltschiederthal. über die W.-Flanke und den 
SO. -Grat ohne Schwierigkeit in 4 V* Stunden erstiegen. 
Erste Ersteigung 1894. Interessante Aussicht. 

STRAHLHORN (Kl. Wallis, Bez. Westlich Raron). 
3160 m. Gipfel, zwischen dem Hohgleifen und dem Platt- 
jegrat in der das Lotschen- vom Ijollithal trennenden 
Kette. Aufstieg von Ried her über den Weg zum Kastler- 
joch und den Gipfel des Hohgleifen in b'U Stunden. Am 
W.-IIang befinden sich in 1672 und 1866 m verlassene 
Bleigruben, die einst von Goppenstein aus betrieben 
worden sind. 

STRAHLHORN (Kt. Wallis. Bez. Visp). 4191 m. In 
alpinen Kreisen sehr wohl bekannter Hochgipfel in der 
das Saas- vom Nikolaithal trennenden Kette der Misch - 
abelhörner, zwischen dem Schwarzenberg- Weissthor und 
dem Adlerpass. Vom Gipfel zweigt nach SW. und nach 
NO. je ein Seitenkamm ab. von denen jener das (auf der 
Siegfriedkarte unbenannte ) Adlerhorn ( 3993 m ) trägt, 
während dieser den Allalin- vom Schwarzenberggletacher 
trennt und das Fluchthorn (3802 ml, den Inner Thurm 
(3316 m) und Aeuseer Thurm (3032 m), sowie den Schwar- 



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zenbergkopf (2872 m) trägt. Das Strahlhorn fallt nord- 
wärts zum Allalingletscher, westwärts zum Adlergletscher. 
sudwestwärts zum Findelenglctscher und ostwärts zum 
Schwarzenberggletscher ab. Die erste Besteigung 
fand über den leichten NW. -Grat zwischen 1853 
und 1856 statt ; doch weiss man nicht von wem. 
Franz Andermattcn und Jos. Vannez sollen zu die- 
sen ersten Uesteigern gehört haben. L'eber die 
S.-Wand erstiegen das Strahlhorn 1872 A. P. 
ßovson und C- J. Penfold mit Kranz Burgener 
und einem der Andermatten, über den NO. -Grat 
im nämlichen Jahr George E. Köster mit Hans 
Baumann. Der Gipfel ist zu einem beliebten 
Modeberg geworden und bietet einigerinassen 
geübten Touristen auf den beiden gewohnlichen 
Anstiegsrouten (NW. -Grat oder S. -Flanke) nur 
geringe Schwierigkeiten. Aufstieg : von Zermatt 
her entweder über den Gasthof auf der Fluhalp 
(Nachtquartier), den Adlerpass und den N W.- 
Grat in 8 '/» Stunden oder über Riffelberg. 
Schwarzberg - Weissthor und die S. -Flanke in 11 
Stunden; von Mattmark her entweder über den 
Adlerpas« oder das Schwarzberg- Wei«sthor in 
7-8 Stunden. Prachtvolle Aussicht, die zu den 
schönsten der Alpen gehört. Sie wird von A. Cra- 
mer im Echo de* Alpet (1888) wie folgt beschrie- 
ben : « Dominant le Monte Moro et le Joderhorn 
qui se trouvent vis-a-vis, de lautre cote* du Schwarzen- 
berggletscher, le Strahlhorn est comme une sentinelle 
avancee des Alpes suisses vers l'Italie. Rien n'arr^te 
le regard du com de la Lombardie ; tout lä-bas, voici le 
lac Majeur, qui apparalt comme un large tleuve, celui de 
Lugano et celui d'Orta, qui scinblent minuscules, puis 
les plaines de la l.ombardie. le Monte Leone, le massif 
du Simplon; ä noa pieds, la vallee de Saaa, au N., lea 
Alpes bernoises. ...dans le lointain, en nous retournant, 
le Mont Blanc et la chatae enliere. les monlagnes des 
Alpes l'.rees, puis plus pres. le Weisshorn, le Hotnhorn, la 
Dent Blanche, le Cervin. enfin le Breilhorn, le Lyskamm 
et le Mont Bose auquel il semble qu'on peut tcndre la 
main. > 

STRAHLHORN (GROSS) ■ Kt. Bern, Amtsbez. Ober 
Haslei. 3100 m. Auf der Siegfried karte unbenannter Gip- 
fel, der sich mit dem klein Strahlhorn in der den Rhone- 
und Triftgleticher vom llaslethal trennenden Tieralnli- 
stockkette erhebt; zwischen dem Gwächtenhorn <32l8m) 
und dem Kilchlistock (3113 ml. Aufstieg von Outtannen 
oder von der Triflhütte her über die Gwächtenlirami 
letwa 3100 m) in etwa 5 Vi Stunden. Sehr interessante 
Traversierung vom Diechterthal über die Gwächtenlimmi 
zum Kilchlistock (zum ersten mal 1901 ausgeführt). Teil- 
weise schwierige Kletterei. Aussicht beschränkt. 

strahlhorn (klein) (Kt. Bern, AmUbez. Ober 
Hasle). 3146 m. Auf der Siegfriedkarte unbenannter Oipfel 
in der den Bhone- und Triltgletscher vom llaslethal tren- 
nenden Tieralplistockkette ; steht zusammen mit dem 
Gross Strahlhorn zwischen dem Gwächtenhorn (3218 mf 
und dem Kilchlistock (3113 m). Aufstieg von Guttannen 
oder der Trifthütte her in 5 V s Stunden. Zum erstenmal 
1900 bestiegen, lieber Cross und Klein Strahlhorn vergl. 
den Führer durch die Urner Alpen des A. A. C. Zürich. 
Bd II. 1905. 

STRAHLIGE 8TGECKC (Kt. üri und Graubünden I. 
2933 und 2910 m. Langgestreckter Felsrücken mit flach 

«ewölbtem Gipfelplateau und N und S. -Gipfel, in der 
lüssistockkette zwischen der Hagstäckenlücke letwa 2830 
m) und der Tschingellücke (ahn Fad » der Siegfried- 
karte; etwa 2785 ms, sowie ö. über dem Brunnithal und 
w. über Val Gavrcin. Erste Ersteigung 1904. Aufstieg vom 
Hotel S. A. C. im Maderanerthal über die Hütten von 
Hinterbalm in 5 Stunden, oder auch von Alp Cavrein 
her. Nicht besonders schwierig. Vergl. den Führer durch 
die Urner Alpen des A. A. C. Zürich, Bd L 1905. 

STRahlKNUBEL. (Kt. Wallis, Bez. Visp). 3211 m. 
Unterster Ausläufer des WSW. -Grates des Strahlhorns, 
nahe über der Vereinigung von Findelen- und Adler- 
gletscher. Bequemer Aufstieg von der Fluhalp her über 
den Adlerpass (4 Stunden). Schone Olelscherlandschaft. 

8TRAHLTOBEL ( Kt. Kraubünden. Bez. Hinter- 
rhein). 2270-1440 m. Unbedeutendes Tobelchen, das 1 km 



5. des Dorfes Splügen von den drei Bergseen (Oberer. 
Unterer und Hinterer Bergsee; 2198-2270 m) der Räzün- 
seralp absteigt und dessen Abfluss zum Hinterrhein führt. 




Strahlhorn vom 8t. Joderhorn her. 

STR ASS (Kt. Thurgau, Bez. Frauenfeld, Gem. Garh- 
nang). 408 m. Kleines Dorf; 2,5 km nö. der Station 
lslikon der Linie Zürich - Winterthur- Romanshorn. 20 
Häuser. III reform. Ew. Kirchgemeinde Gachnang. Obst-, 
Wiesen- und etwas Weinbau. Ehemals Sitz eines Ritter- 
geschlechtes, dessen Bure verschwunden ist. Die Edeln 
von Strass, die sich in der Folge in Erauenfeld nieder- 
liessen, besassen auch die Burgen Spiegelberg und Wel- 
lenberg. 1340 und die nächstfolgenden Jahre erscheint 
in den Urkunden mehrfach ein Ritler Eberhard von 
Strass. Der letzte des Geschlechtes liegt in der Ober- 
kirche bei Frauenfeld begraben, wo sein Grab heute noch 
zu sehen ist. Strass hat seinen Namen von der hier 
durchgehenden Romerstrasse Vitodurum (Ober Winter- 
thur)- Ad Fines(Prini. Heimat des Schulmannes Schuppli, 
gest. 1899 als Direktor der Mädchenschule in Bern. 

STRASS (ober) (Kt. St. Gallen, Bez. Gossau, Gem. 
Straubenzell, und Bez. und Gem. St. Gallen). 684 m. 
Quartier wesll. der Stadt St. Gallen, sw. vom Bahnhof 
und an der Strasse nach Haggen. 52 Häuser, 839 kathol. 
und reform. Ew. Zahlreiche Villen und Landhäuser, 
Fabriken und Arbeiterhäuser. Vergl. den Art. St. Gallen. 

STRASS (OBER) (Kt.. Bez. und Gem. Zürich, Stadt- 
kreis IV). Quartier der Stadt Zürich. S. den Art. Ober- 
strass. 

STRASS (UNTER) (Kt., Bez. und Gem. Zürich. 
Stadtkreis IV ). Quartier der Stadt Zürich. S. den Art. 
Unterstrass. 

STR AS SACKER (Kt. Zürich. Bez. AlToltern, Gem. 
Bonstetten). 580 m. Zwei Häuser 500 m s. der Kirche 
Bonsletten. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Bonstetten. 
Wiesenbau. 

STR ASSACKER (OBER und UNTER) (Kt. Bern. 
Amtsbcz. Laupen. Gem. Neuenegg). 620 und 585 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 7 Häusern, 1 km nö. der Station 
Neuenegg der Sensethalbahn ( Gümmenen-Laupen-Fla- 
matt). 33 reform. Ew. Kirchgemeinde Neuenegg. 

STRASSBERG (Kt. liraubünden. Bez. Plessur, Kreis 
Churwalden, Gem. Malix). 1120 m. Burgruine, auf einer 
Anhöhe 6,7 km ssw. Chur. Ehemals Sitz eines Herren- 
geschlechtes, dem das ganze umliegende Gebiet, die sog. 
Herrschaft Sirassberg, gehörte. Seit der Mitte des 13. 
Jahrhunderts auftretend, ist das Geschlecht entweder 
durch Aussterben oder Auswanderung schon 1353 ver- 
schwunden. Es scheint, dass die Burg ein Lehen der 
Freiherren von Vaz war, die hier einen Zoll erhoben. 
Früher nannten sich die Sprecher von Bernegg nach der 
Burg «von Slrassberg». Von der im Schwabenkrieg zer- 
störten Burg stehen heute bloss noch ein zerfallener Turm 
und einige Mauerreste. 

STRASSBERG (Kt. Graubünden. Bez. Plessur, Kreis 
Schanfigg. Gem. Langwies). 1913 m. Weiler im Fondeier- 
thal; 28,o km ö. vom Bahnhof Chur. Poetablage Fondei. 



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14 Häuser. 50 (im Winter: 30) reform. Ew. deutscher 
Zange. Kirchgemeinde Lang wies. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. 

•TB ASSBERG (Kt. Zürich, Bei. Bülach). 497 m. 
Zum grossen Teil bewaldeter Tafelberg zwischen Bulach, 
Stadel, Hochfelden und Windlach. 

•TRASSE (ALTE) (Kl. Aargau. Bez. Zollngen. Gem. 
Oftringen). 415 m. Gruppe von 7 Häusern, an der alten 
Strasse von Aarburg über Haikenhof- Nigglishäuser nach 
Zofiogen. 2 km s. der Station Aarburg der Linie Olten- 
ßern. 58 reform. Ew. Kirchgemeinde Zolingen. Land- 
wirtschaft. 

•TR AS SM AUS (Kt. Zürich, Bez. Borgen, Gem. 
Wädenswil). 575 m. Gruppe von 5 Häusern, 4 km w. der 
Station Wädenswil der linksutrigen Zürichseebahn. 40 
r« Torrn. Ew. Kirchgemeinde Wädenswil. Wiesenbau. 

•TRAUBKNMAU8 (Kt. Thurgau. Bez. Arbon. Gem. 
Itomanshorn). 427 m. Gruppe von 5 Häusern an der 
Aach, 3 km sw. Romanshorn. H reform. Ew. Kirchge- 
meinde Homanshorn. Acker-, Wiesen- und Obstbau. 

STRAUBINZELL | Kt. St. (lallen, Bez. Gossau ». 
560-900 m. Grosse politische Gemeinde und sw. Vorstadt 
von St. Gallen, zu beiden Seilen der Sitter und im S. au 
den Kanton Appenzell grenzend. Die Gemeinde durch- 
ziehen die Eisenbahnlinien: St. Gallen • Winterthur- 
Zünch, die Appenzellerbahn (Winkeln- Herisau- Appen- 
zell i und Strassenbahn St. < -allen -Gais- Appenzell, die 
Linie Bodensee-Toggenburg (im Bau), sowie die Tram- 
bahn St. Gallen- Brüggen. Stationen Brüggen, Winkeln, 
Biethäusle und Lustmühle. Postwagen St. (lallen-Lachen- 
Vonwil-Engelburg. Zahlreiche schone und gute Strassen. 
3 Postbureaui, Telegraph und Telephon. Die Gemeinde 
umfasst das grosse und wohlgebaute Pfarrdorf Brüggen 
mit schöner katholischer und neuer reformierter Kirche, 
schönen Schul-, Geschäfts- und Privathäusern, sowie Bahn- 
station; ferner die immer mehr mit der Stadt St. Gallen 
verwac hsenden grossen Ortschaften Lachen-Vonwil und 
Schönenwegen, das Dorf Winkeln mit Bahnstation und 
endlich zahlreiche Weiler und Häusergruppen wie Alten- 
wegen. Bild, Grafenau, Gübsen, Hafnersberg. Hof, Kra- 
zeren. Moosmühle. Scheidweg, Schorelshub, Sitterthal, 
Tobel; Burg. Feldli. Hofstätten. Oberstrass. Rosenberg. 
Schoren, Waldiacker; Ahorn. Au. Bernhardswies, Bop- 
partshof. Haggen, llinterberg. Lehn. Lerchenfeld, Moos. 
Oberstocken. Weiergütli, Wilen und Ziegelhütte. Zu- 
sammen: 1671 Haushaltungen in 644 Häusern; 8090 Ew.. 
wovon 4560 Katholiken und 3517 Beformierte. Die Be- 
völkerungszahl hat sich seit 1850 i220Ü Ew. i nahezu ver- 
vierfacht. Straubenzell ist hinsichtlich der Einwohner- 
zahl die fünfte Gemeinde des Kantons. Viele der Bewohner 
arbeiten in den verschiedenen Geschäften der Stadt St. 
Gallen. Von industriellen und gewerblichen Etablissemen- 
ten und Betrieben in derGemeinde Straubenzell seihst sind 
zu nennen : mehrere Stickfabriken und zahlreiche Kinzel- 
maschinen. 4 Bleichereien und Appreturen. 3 mechani- 
sche Werkstätten, 2 Maschinenfabriken, Kunstmühle, 
Kartonfabrik. Petroleumlager, Baugeschäfte. 3 Bierbrau- 
ereien. Schleiferei, Elektrizitätswerk im Kübel. 4 grosse 
Schulhäuser ; die ehemals konfessionell getrennten 
Schulen sind seit einigen Jahren vereinigt. Grosses Ge- 
meinde- und grosses Armenhaus. Eine Menge wohltätige, 
gemeinnützige, politische und religiöse Vereine; Spar 
fcasaen und Volksbibliotheken. Viel wird auch für das 
Armenwesen getan. Im \V. und O. der Gemeinde liegen 
grossere Weier (Bild- und Burgweiert, die im Winter 
von den Schlittschuhläufern als Eisbahn benutzt werden. 
Im W. dehnt sich der kantonale und eidg. Eierzierplatz 
Breilfeld aus. der sich noch weit in die Gemeinde (iosaau 
hinein erstreckt. Zahlreiche Obstbäume und viel Wald. 
Die Sitter wird von drei grossen und schonen Brucken 
überschritten. Längere Zeit beschränkte sich der Name 
Straubenzell auf wenige Häuser am waldbewachsenen 
Berghang, wo heute die Hausergruppe Hofstätten steht. 
Hier befand sich schon im 10. Jahrhundert die Zelle eine» 
Klausners oder Waldbruders, an deren Stelle dann ein 
einer Familie Strub oder Straub gehörendes Bauerngut 
trat, nach welchem später die ganze Gegend zwischen dem 
Waltbachtobel und der Sitter den Namen Straubenzell 
erhielt. Der ursprüngliche Sitz der Welleute gleichen 
Namens, von denen 1167 ein Walter de Straubencelle 



urkundlich vorkommt, ist nicht bekannt. Sehr alte Ort- 
schaften der Gemeinde sind Brucken, Kräzern, Hacken, 
Menzeln, Wilen und Sturzenegg. Ums Jahr 1080 lies* 
Abt Ulrich III. auT dem Hügel ob dem Sitlerübeivang 
eine Feste erstellen. 1085 siegte er hier im Kampf cegeu 
den Grafen Diethelm von Toggenburg, während Abt 
Ulrich IV. 1200 dem Bischof von Koostanz unterlag, an 
welches Ereignis die Kapelle St. Barbara zu Bild erinnert. 
Auf der Gupfi, dem ältesten Gebäude der Gemeinde, 
hausten die Edeln von Sturzenegg. Im Appenzellerkrieg 
hielten die obern Höfe zu den Appenzellem. Auf dem Hof 
Waldi baute Ratsherr Gräbel von St. Gallen 1474 die 
Burg Waldeck, die später an die Abtei verkauft und Sitz 
von deren Landeshofmeister wurde. 1525 nahm die Mehr- 
zahl der Bewohner Slraubenzells die Reformation an, 
um dann aber wie das ganze Fürstenland unter Abt Diet- 
helm wieder zum allen Glauben zurückzukehren. Brucken 
oder Brüggen hat seinen Namen von einer alten Brücke 
über die Sitter und isl eine der ältesten Ortschaften der 
Gemeinde. Hier befanden sich die uralte Kapeile St. 
Martin, sowie ein Armen- und Siechenhaus, das später 
zur Pilger her berge wurde. Brüggen war auch Amts- und 
Versammlungsort des Gerichtes Straubenzell. Seit 1404 
eigene Pfarrei; erste Kirche 1000 erbaut. 1672-1682 er- 
weitert und 1783 mit dem heutigen schönen Glockenturm 
versehen. 1566 baute Abt Bernhard die Papierfabrik in 
der Kräzern. Hauptmann Bopparl erstellte 1642 das 
Schldsslein im Hof Hacken unterhalb der St. Wolfgangs- 
kapelle und 1680 in Schönenwegen die Kapelle Neu 
Maria Einsiedeln. Bis 1811 bildete die unten in der Tiefe 
der waldigen Sitterschlucht über den Fluss führende 
hölzerne Brücke mit steil ansteigender Zufahrt das einzige 
Verkehrsmittel der wichtigen Handels- und Heeratrasse 
von St. Gallen nach Wil und ins Toggenburg einerseits, 
nach Zürich andrerseits. 1811 wurde diese alte Brücke 



durch eine prächtige zweibogige Steinbrücke von 177 m 
Länge und 25 m Hohe, die schönste Brücke der Ost- 
schweiz, ersetzt. Dazu kam dann 1856 die mächtige ei- 
serne Gitterbrücke \ 168 m lang und 61 m hoch) der Bahn- 
linie Zürich -St. Gallen. Von besonderm historischen 
Interesse ist die Burg Waldegg. die bis 1798 die Residenz 
der äblischen Landeshofmeisler. in weltlichen Dingen 
die rechte Hand des l^ndesherren, war. Mit der Aufhe- 
bung des Klosters kam auch Waldegg samt seinen Gütern 
an den Staat St. Gallen, um 1825 an Private überzugehen, 
welche hier neue Gebäude für industrielle Elablissemente 
erstellen Hessen. Zur Zeit befindet sich im Schloss ein 
Erziehungsinstitut. Dieser nu. Teil der Gemeinde gehört 
zur katholischen DompEarrei St. Gallen. Die Ziegelbren- 
nereien hei Schönenwegen und die Silterwalke erscheinen 
schon frühzeitig als Besitz des Bauamtes St. Gallen. Bei 
der untern Ziegelhütte befand sich eine uralte Gerichts- 
stätte, wo die Reichsvögte des Thurgaues in ausserordent- 
lichen Fällen zu Gericht sassen. Auf dem nahen Hügel 
stand das Hochgericht. Unweit davon baute die Gemeinde 
Straubenzell 1841 ein Armenhaus. Die zum Gericht Strau- 
benzell gehörigen 41 Ortschaften und Höfe wurdeo 1803 
zur politischen Gemeinde Straubenzell vereinigt und dem 
Bezirk Rorschach angegliedert, von dem diese 1831 an den 
Bezirk Gossau überging. Fund von römischen Münzen 
auf Haggen und im llatterenwald. Die Letzt an der Krä- 
zeren i Chraiarun ) wird 1219 erwähnt. Vergl. Näf. Aug. 
Chronik der Denkumntigkeiten der Stadl und Land- 
schaft St. Gallen. St. Gallen 1850. 

STRAUB IKON (Kt. Zürich. Bez. Winterthur, Gem. 
Brütten). 610 m. Gruppe von 4 Häusern. 3 km sw. der 
Station Wildlingen der Linie Winterthur -Bülach. 25 
reform. Ew. Kirchgemeinde Brütten. 979 : Strubinhora. 
d. h. bei den Höfen der Nachkommen eines Slrubo. 

STR AU 88 (GROSS und KLKIN) «Kt. Freiburg. 
Bez. Sense, Gem. St. Ursen). 780 m. Zwei Gruppen von 
zusammen 4 Ilausern: 1.5 km nw. Hechthalten und 9 km 
sü. vom Bahnhof Preiburg. 26 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde St. Ursen. Viehzucht. Kapelle der Unbedeckten 
Empfängnis. 

STRAUS8ENHAUS (OBER und UNTER) (Kt. 
St. Gallen, Bez. Horschach, Gem. Mörswil). 645 rn . Zwei 
Gruppen von zusammen 5 Hausern. 3 km so. der Station 
Morswil der Linie St. Gallen- Horschach. 28 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Morswil. Obstbau und Viehzucht. 



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STB 



STR 



715 



STR EBEL i Kt. St. Gallen, Bez. und Gem. Tablat). 
754 m. Zwei Häuser auf einer Anhohe und mitten in 
Wiesen; 1,8 km nw. der Station St. Fiden der Linie St. 
Gallen - Rorschach. 25 kathol. Ew. Kirchgemeinde Sl. 
Gallcn-Tablat. Viehzucht. 

strecuolo iponcione) ( Kt. Tessin, Bez. 
Leventina ). 2170 m. Gipfel im Kamm der Mo.nti di 
Scmmo (b. diesen Art.l. Oer Name wird richtiger Slrec- 
ciuolo geschrieben. 

STREQME (PIZZO DELLE) oder PIZZO DEL- 
LA STR ega (Kt. Tessin und Graubünden i. 2909 m. 
Gipfel in dem aus Gneia und Glimmerschiefern aufge- 
bauten, stark zerschnittenen Kamm, der sich mit sei- 
nem '). -Abfall mauergleich über dem Calancathal erhebt, 
westwärts dagegen weniger steil abbricht und sich mit 
verschiedenen Seitenzweigen zwischen dieösll. Nebenarme 
des Bleniothales einschiebt. Steht mit seinen drei 



dreieckigen Klanken zwischen dem Calancathal im U.. 
dem obern Val Combra im NW. und dem hintern Val 



Pontirone im SW. An der NW. -Planke liegt Firn, 

8TREHL (Kt. Graubünden, liez. Albula und Plessur). 
2677 m. Gipfel im sw. Teil der Slrelakette zwischen Land- 
wasserlhal und Schanfigg; 5 km n. Wiesen in der Mitte 
zwischen Amsellluh und Valbellahorn, zwei der bekann- 
testen Gipfel dieser Kette. Am Strehl vorbei führt die 
Alteinfurka (2506 m) von Wiesen nach Arosa. 

strehl (Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart). 
2869 m. Wildzerrissener Kalkgipfel in der Ecke zwischen 
Serliglhal, Ducanlhal und Monsteinerthal, 3 km sw, Ser- 
tig Dorlli. Nordwärts hängt der Strehl mit dem als Aus- 
sichtspunkt berühmten Aelplihorn zusammen, wahrend 
er nach SW. einen ungemein zackigen, zerrissenen 
Kamm zur Vanezfurka und zum Krachenhorn aussendet. 
Oestl unter dem Strehl findet sich die Hochterrasse des 
Männlenen. die von Sertig aus etwa des Edelweiss wegen 
besucht wird. 

STR EL a l Kt. Grauhünden, Bez. Plessur und Ober 
Landquarl). 2635 m. Gipfel in der Slrelakette der Plesaur- 
gruppe. zwischen der Küpfenlluh (2655 m), dem SlrHa- 
pass und dem Schiahorn 12713 m), vom letztem 1,5 km 
sw. entfernt. Auf der O. -Seite nehmen tiefer unten der 
Guggerbach und das Albertitobel von Bavos ihren Ur- 
sprung; im N. dehnt sich die Haupteralp von Sapün- 
Langwiesaus. Guter Aussichtspunkt, der vom Strelapass 
her leicht bestiegen wird. Ber Berg besteht aus Arlberg- 
und llauptdoloroit. die auf alpinem Muschelkalk und 
kristallinen Schichten ruhen. Mehrfache Einklemmungen 
von Schichtgliedern ähnlich wie bei der Mädrigerlluh 
Is. diesen Art.l. Ber Name Strela oder Sträla ( 1388 : 
Striäl) leitet sich von Hveqlia = Kamm, Bresche oder 
Scharte her und hat mit »Ingia, »treta — Hexe nichts 
zu tun. 

STRELAPASS (Kt. Graubünden, Bez. Plessur und 
Ober Landquart i. 2377 m. Passübergang zwischen der 
Kiipfenfluh und Strela einerseits und dem Grossen und 
Kleinen Schiahorn andrerseits. Verbindet Langwies im 
Schanligg mit Bavos Platz. Von der Schanfigg- Arosa- 
Strasse abzweigend, fuhrt der Fahrweg von Langwies 
durch Sapün ((lütten von Börfli, Schmitten und Küpfen) ; 
dann leitet von Kupfen an ein Saumweg über die Matten 
der Haupteralp und steil im Zickzack zur Höhe. Man 
übersieht das ganze Schanliggerthal bis in die Nähe von 
('.hur und erblickt die hohe Bergkette, welche Bavos vom 
Kngadin trennt, dann beim Hinabsteigen über die wenig 
geneigte Alpenüächc den Thalgrund von Bavos. Die 
Sektion Bavos des S. A. C. hat den Strelapass durch 
Wegweiser und Stangen markiert. Von Langwies bis auf 
die Passhöhe etwa 3 Stunden, von hier nach der Bavoser 
Schatzalp 1 und nach Bavos Platz etwa 2 Stunden ; von 
Bavos Platz nach Langwies etwa 4, nach ('.hur etwa 8 
Stunden. Nö. der Bavoser Schalzalp liegt die Strelaalp 
il9W m». Unter dem Strela nimmt auf Bavoserseite das 
Schiatobel seinen Ursprung. Bass die Wege über den 
Strela und Flüela römischen Ursprungs sind, ist nicht 
wahrscheinlich ; im Jahr 1413 reiste König Siegmund aus 
dem Vintschgau durch das Engadin über Süs. den Flüela- 
und Strelapass. Von der Haupteralp oberhalb Sapun führt 
der Pass aus dem Hündnerschiefergebiet über Gneia und 
Triasbildungen lArlberg- oder Wctlerstein- und Haupt- 
dolomit) zur Höhe und verbleibt auf der Bavoser Seite 



in den nämlichen Triaaschichten. Bie Schieferkomplexe 
der Haupteralp schneiden an den Bolomitmassen des 
llaupterhorns im O. scharf ab. 

st rem ado ne ( CANTINZ ) ( Kt. Tessin, Bez. 
Lugano, Gem. Caslanoj. 325 m. Felsenkeller auf einer 
schonen Terrasse der von Magliasina zwischen die Buch- 
ten von Agno und von Ponte Tresa sich einschiebenden 
Halbinsel; 11 km aw. Lugano. Wie bei Melide und Men- 
driaio haben hier die Leute von Caalano in den Schutt- 
haufen eines Bergsturzes Keller eingebaut, in denen sich 
der Wein vorzüglich frisch erhält. Sonntags pflegt man 
hier in Familie den Tag zu verbringen. Prachtvolle Aus- 
sicht auf die Bucht von Agno und die Berge von Val Colla 
und Verzascathal. Ein am letzten Sonntag im Juli hier 
oben gefeiertes Fest wird von Lugano aus zahlreich be- 
sucht. 

Strengelbach (Kt. Aargau , Bez. Zollngen). 
448 m. Gem. und Dorf an der Strasse Boggwil-Zotingen ; 
2.5 km wsw. der Station Zoflogen der Linie Ollen-Luzern. 
Postbureau, Telegraph. Telephon; Postwagen Zolingen- 
Britlnau. Gemeinde, mit Egg, Feld, Hüsi, Saget, Schleipfe 
und Weissenberg : 128 Häuser. 1346 Ew. ( wovon 46 
Katholiken); Borf: 16 Häuser, 278 Ew. Acker- und Obst- 
bau, Viehzucht und Milchwirtschaft. Käserei. Ilaumwoll- 
und Leinwandwebereien. Strickfadenfabrik, mechanische 
Stickerei, Stolldruck und -färberei. Ziegelei. 

stretta (PIZ) (Kt. Graubünden, Bez. Maloja). 
3108 m. Gipfel in der Casannagruppe des Livigno- Viola- 
gebirges (Ofenpassalpen), zwischen Munt Götschen im 
N. und Piz dels Lajs |3045 m) im S.. auf der Grenze der 
Schweiz und Italiens. Im NW. das Cainogaskerlhal (Val 
Chamuera). auf der SW. -Seite dasValdel Fain (Heuthal), 
das sich hei den Berninahäusern öffnet. Von hier führt 
ein Fahrsträsschen durch das triftenreiche, landschaft- 
lich, botanisch und geologisch hochinteressante Heuthal 
(2 Stunden lang), dann ein Saumpfad nach La Stretta 
1 Passo Fieno ; 2482 m (, von da über steile Fels- und Schutt- 
halden hinab zur Alp Lago im Spölthal und von hier sanlt 
hinaus nach Livigno (6 Stunden). Im NW. des Piz Stretta 
ein kleines Gletscherfeld. Ber Berg kann von der Alp 
Prünella in Val Chamuera, von der Alp Stretta iVal del 
Fain) und vom Livignothale her erstiegen werden. Er be- 
steht zur Hauptsache ausGneiaphvIliten (Casannaschiefern i 
und auch aus llornblendeschiefe'rn ; aber im W. und NO. 
sind den kristallinen und halbkristallinen Schichten Ver- 
rucano und Triasglieder ein- oder aufgelagert (alpiner 
Muschelkalk, Arlberg- und Hauptdolomit), ferner tritt 
unter der Hohe gegen den Hintergrund des Val Chamuera 
noch ein Granitstock und weiter gegen N. herwärts von 
Punkt 3030 m noch ältere Trias mit einem ausgedehnten 
Gipslager auf, so dass der geologische Bau des Stockes 
sehr kompliziert ist. Bie tek tonischen Verhältnisse sind 
seil Theobald nicht mehr genauer studiert worden. 
Stretta vom latein. (via) »trieta = enger Weg, Schlucht, 
Engpass. 

STRICH BODEN i Kt. St. Gallen, Bez. Gaster. Gem. 
Amdsni. 1314 m. Gruppe von 5 Häusern mit Alphütten 
am S.-Fuss des Mattslocks, 2 km n. Analen und 8.3 km 
nö. der Station Weesen der Linien Zürich - Weesen 
4-Churi. 37 kathol. Ew. Kirchgemeinde Amden. Vieh- 
zucht. Schon und sonnig gelegen. 

STRICHELBERG (Kt. Bern. Amlsbez. Thun. Gem. 
Steflisburg). 7> Ü m. Gruppe von 3 Häusern, am Eingang 
ins Zulgthal und am linken Ufer der Zulg. 2 km ö. der 
Slation Steflisburg der Linie Bern-Thun. 2t reform Ew. 
Kirchgemeinde Sleffisburg. Viehzucht. 

STRICHEN (Kt. Aargau. Bez. Laufenburg. Gem. 
Oberhof). 550 m. Gruppe von 5 Häusern, 1 km no. Ober- 
hof und 7 km nnw. vom Bahnhof Aarau. 33 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Wollliswil. Weinbau, Viehzucht und 
Milchwirtschaft. 

STRICHEN (DER) (Kt. Aargau. Bez. Aarau). 838 
und 868 m. Zum grossen Teil bewaldete und am S.-Hang 
mit Wiesen bestandene Anhöhe 7 km n. Aarau. zwischen 
den Strassen Kültigen - Wollliswil - Frick und Küttigen- 
Bensbüren - Herznach ; nw. über Asp. woher der Berg 
auch den Namen Asperstrichen führt. An seinen Hängen 
liegt die Häusergruppe Strichen. 

STRICK. Ortsnamen der deutschen Schweiz, beson- 
der» in der O.-Schweiz verbreitet und etwa 60 mal auf- 



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716 STR 

tretend. Bedeutet nach II. Meier ein lange« und schmale« 
Grundstück, nach Stalder dagegen ein in Fachwerk- oder 
Hiegelbau aufgeführtes Gebäude. 

STRICK (Kt. Aargau. Bez. Aarau, Gem. Gränichen). 
580 m. Gruppe von 8 Häusern, 1 km no. der Station 
Gränichen der Wineothalbahn (Aarau-Kulm-Menziken). 
62 reform. Ew. Kirchgemeinde Gränichen. Obstbau, Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft. 

STRICK (Kt. Appenzell I. R., Gem. Oberegg). 652m. 
Gruppe von 3 Häusern, Stunde über der Station Bern- 
eck der elektrischen Strassenbahn Altstälten - Berneck. 
21 kathol. und reform. Kw. Kirchgemeinden Beute und 
Berneck. Wiesen- und Obstbau, Seidenweberei. 

STRICK (Kt. Luzern, Amt Entlebuch). 1935 und 1950 
m. Vorletzter NO. -Gipfel des Kammes der Schrattenfluh, 
3 Stunden sw. über Flühli. Sehr schöner und leicht 
zuganglicher Aussichtsberg. 

STRICK . Kt. St. Gallen, Bez. Alt Toggenburg, Gem. 
Kirchberg). 760 m. Gruppe von 6 Häusern an der Strasse 
Kirchberg - Gähwil, 200 m s. Kirchberg und 3,4 km w. 
der Station Bazenheid der Toggenburgerbahn. 26kailio! 
Kw. Kirchgemeinde Kirchberg. Viehzucht. 

STRICK ( Kt. St. Gallen, Bez. Werdenberg, Gem. 
Scnnwald) . 463 m. Weiler, am SO. -Fug« des Hohen Kasten 
und 4,4 km nw. der Station Salez der Linie Rot-schach- 
Sargans. 14 Häuser. 63 reform. Ew. Kirchgemeinde Senn- 
wald. Acker (Maisj-, Obst- und Gemüsebau, Viehzucht. 

STRICK ( Kt. Sololhurn, Bez. Gösgen, Gem. Nieder 
Gösgen). 450 m. Gruppe von 2 Häusern ; 1.2 km nw. der 
Station Schönen werd der Linie Zürich-Olten. 34 kathol. 
Ew. Viehzucht. 

STRICK (Kt. Zürich, Bez. Hinwil. Gem. Gosaau). 
524 m. Gruppe von 4 Häusern, 2,5 km sw. Wetzikon und 
800 in von der Station Ottikon der elektrischen Strassen- 
bahn Wetzikon-Meilen entfernt. 21 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Gosaau. Wiesenbau. 

STRICK (OBER und UNTER) (Kt. und Amt Luzern. 
Gem. Kriens). 585 und 535 m. Zwei Häuser am NO. -Hang 
des Sclialtehberga; 2 km sw. der Station Horw der 
Brünigbahn i Luzern - Brienzi. 20 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Kriens. Viehzucht. 

ST RICKENBERQ (Kt. Zürich, Bez. Hinwil, Gem. 
Wald). Zwischen Tonnacker und Strickenberg befindet 
sich « auf Burg » ein etwa 12 m hoher Hügel, um den 
1861 noch Spuren eines Grabens sichtbar waren ; auch 
aewahrle man auf der Burgstelle Tuffsteinbrocken und 
Mörtel, l'rkundlich ist aber nach Zeller- Werdmüller 
weder über eine Burg noch über deren Besitzer irgend 
etwas verbürgt. 

STRICKHOF (Kt., Bez. und Gem. Zürich, Stadt- 
kreis IV). 513 m. Kantonale landwirtschaftliche Schule, 
am NW.-Hang des Zürichbergea und o. der Strasse 
Zürich-Schwatnendingen. 2 km n. vom Hauplbahnhof 
Zürich. 3 Häuser, 6o reform. Ew. Kirchgemeinde Ober- 
strass. Die 1853 gegründete Schule verfügt über einen 
I-andbesitz von 39 ha nnd zählt im Sommer rund 40. im 
Winter 90 Schüler. Ihre Lehrer geben in neuerer Zeit 
auch in Winterthur landwirtschaftlichen Zöglingen Unter- 
richt. 

STRIEGEL. (Kt. Aargau, Bez. Zotingen, Gem. Safen- 
wil). 509 m. Weiler, an der Strasse Kreuzstrasse-Safen- 
wil und 2 km waw. der Station Safenwil der Linie 
Aarau-Suhr-Zofingen. 17 Häuser, 104 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Safenwil. Heimat der Industriellen Hüssy. deren 
Webereien, Bleichereien und Appreturgeschäft sich in 

8TRIM (VAL) I Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein). 
3000-1339 m. Linkes Seiten thalchen des Vorderrheins, 
von N.-S.-Bichtung und zwischen Ruöras und Sedrun, 
0,8 km sw. Sedrun ausmündend. Das Slrimthal ent- 
springt am Slrimgletscher unter dem gewaltigen Ober- 
alpstock I Pix Tgietachen; 3330 m) und erhält noch 2 an- 
dere Quellen von einem zweiten »all. Gletscher der S.- 
Seile dieses Gipfels, sowie vom Eisfeld des Piz Ault 
(3033 m). Die Länge beträgt vom Vereinigungspunkt dieser 
Bäche an 5.6 km. dasThalgefälle etwas uber 13%. DaaThäl- 
chen ist ziemlich schmal und seine Sohle vielfach mit 
Gesteinstrümmern bedeckt. Auf der O.-Seite steigt vorn 
der Grat des Culm de Vi (2438 m) auf, der sich nach N. 
über die wilden und felsigen Gratzacken 2654 bis 2839 m 



STR 

zum Piz Giendusas (2982 m| und Piz Ault fortsetzt, im W. 
dehnen sich die sanftem Halden des Stavel Bien Viver 
(Berg des gnten Lebens) und die Felsreviere des Chichle 
(2548 m) und ragt der Krüzlistock (2719 m), ein guter 
Aussichtspunkt. Im Hintergrund führt der Krüzhpass 
(2350 in ) von Sedrun ins Maderanerthal hinüber (Sedrun- 
Amstäg 8 Stunden). Auf einem felsigen Vorsprung, um 
I welchen sich der Strimbarh biegt, sowie weiter oben lie- 
gen Alphütten (Bauns 1931 m); weiter vorn dehnt sieb 
die Alp Chichle (2122 m) über einem Felsen wall gegen 
I Val Milar im W. aus. Gegen den Krüzlipass hin bedeu- 
j tende GletKcherschliffe an der Felswand. An der Land- 
strasse 0,7 km über der Einmündung des Strim liegen die 
Dorfgruppen Camischolas und Zarcuns (1424 und 1420 m ), 
deren l mgebung ala die schönste und fruchtbarste im 
Tavetsch gelten darf. Gesteine des Val Strim aind vom 
Vordergrund an : Serizitphyllit und -gneis, Gneis, unter- 
geordnet Hornblendeschiefer ; in der Mitte und im Hinter- 
grund wechseln Gneis (mit Hornblendeschiefer) und 
Granitgneis mehrmals miteinander ab. Das Thälchen ist 
reich an Mineralien, z. B. an Bergkristallen, Adular, 
Sphen etc. 

STR IM ATT (Kt. Zug, Gem. Hünenberg). 400 m. Drei 
Häuser an der Reusa; 1,5 km ö. der Station Sins der 
Linie Aarau-Lenzburg-Rotkreuz. 26 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Hünenberg. Landwirtschaft. 

8TRIMQLET8CHER (Kt. Graubünden, Bez. Vorder- 
rhein). 3320-2261 m. Kisfeld hinten über dem Val Strim, auf 
der S\V. -Seite des Oberalpstockes (3330 m) und so. unter 
dem hohen Felskamm der Stigiels del Krüzli. Sendet 
dem Val Strim die Hauptquelle seines Baches zu. Ist 
ateil, spaltenreich, zerrissen und auf der O.-Seite von 
mehreren steilen Felstreppen unterbrochen. Etwa 1,6 km 
lang und im Maximum 0.8 km breit. 

STRIMLOCKK oder IM GRÜNEN GRAS (Kt. 
Uri und Graubünden |. 2843 m. Pas» Übergang zwischen 
Piz Aull (3033 m) und Oberalpstock oder Piz Tgietachen 
(3330 m); verbindet das Brunnithal mit Val Strim und 
damit das Hotel Alpenklub im Maderanerthal mit Diaentis 
im Vorderrheintal. Sedrun-Passhöhe 4 1 /. und Abstieg ina 
Maderanerthal 3'/, Stunden. Unschwierig. Der Name < Im 
Grünen Gras* der Siegfriedkarte beruht olTenbar auf 
einem Missveretändnis des aufnehmenden Topographen 
und bezieht sich in Wirklichkeit bloss auf ein breites 
Basenband. Die Firnlücke 2843 m. für die der Akademi- 
sche Alpenklub Zürich die Bezeichung Strimlücke vor- 
schläft und aus der nach W. eine vollkommen vegetations- 
lose Schultkehle herunterzieht, verdient diesen Namender 
Karte in keiner Beziehung. S. den Führer durch die 
Urner Alpen des A A. C. Zürich. Bd I. 1905. 

STRIMSPITZKN (Kt. Graubünden. Bez. Vorder- 
rhein). Etwa 2865, 2835, 2810, 2775 und 2654 m. Langer 
und mehrfach lief geacharteter Felsgrat, der das Val 
Strim ö. begrenzt und sich nach SO. allmählig zum 
Weiderücken des Gulm de Vi absenkt. Zweigt vom Piz 
Ault ab und trennt Val Segnes vom Val Strim. Erste Er- 
steigung und Traversierung aller Gipfel 1903. Die Tra- 
versierung aller Spitzen ist eine schone Kleltertour. Von 
den südlicheren Spitzen wie auch vom Culm de Vi hüb- 
scher Blick das Rheinthal abwärts. Aufstieg von Disentia 
und Sedrun her. Vergl. den Führer durch die Urner 
Alpen des A. A. C. Zürich. Bd I. 1905. 

STROH WILEN (Kt. Thurgau, Bez.Wäinfelden, Gem. 
Amlikon). 586 m. Orlagemeinde und Dorf am O.-Hang 
des lmmenbergs, an der Strasse Lustdorf-Bissegg und 5.5 

I km sw. der Station Märstetten der Linie Züricn-Winter- 
thur-Homanshorn. Posta blage, Telephon. Zusammen mit 
Wolfikon : 30 Häuser, 169 meist reform. Ew. (22 Katho- 
liken); Dorf: 17 Häuser, 103 Ew. Reform. Kirchgemeinde 

1 Leutmerken und kathol. Pfarrei Lustdorf. Wiesen-, Obst- 

I und etwas Weinbau. Wald. Schöne Aussicht auf den 6. 

I Kantonsteil und die Voralpen. 

8TROPPEL und IM OBEREN STROPPIL (Kt. 
Aargau. Bez. Baden, Gem. Unter Siggenthal). 334 und 
337 m. 4 Häuser, rechts und links der Limmat nahe deren 
Mündung in die Aare, durch eine Brücke und eine Fähre 
miteinander verbunden. 2 km nw. der Station Turgi der 
Linie Zürich-Baden-Brugg. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Kirchdorf. Weinbau. Viehzucht. Eine Baumwollspinnerei. 

i Funde au« der Bronzezeit. 



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8TRUBELEQQ (Kt. Hern und Wallis). 2930 m. 
Gletscherpass in der Wildhorngruppe , zwischen dem 
Steghorn (3152 mi und dem Grossstruhel (3253 in). Ver- 
bindet den Lämmern- mit dem Strubelgletscher und da- 
mit die Gemmi in 6'/] Stunden mit Adelboden. Der Ueber- 
gang bietet bei gutem Welter und günstigen Eisverhalt- 
nissen keine Schwierigkeiten, ist aber länger als der über 
den benachbarten Engstliggrat 12619 m). 

Strubelgletscher ( Kt. Bern. Amlsbez. Fru- 
tigen). 2900 bis etwa 2600 m. 2,3 km breiter und 800 m 
langer Gletscher am NO -Hang des Kammes Steghorn- 
Grossstrubel-Ammertenpass. Sendet seine Schmelzwasser 
durch zahlreiche kleine Büchlein zum Kngelligenbach. 
dessen Quelle sie bilden. Der Gletscher wird zum Teil 
begangen, wenn man sich von der Engstligenalp zur 
Strubelegg hinauf begibt. 

STRUSEN HAUS (Kt. St. Gallen. Bez. Werdenberg, 
Gem. Garns). 727 m. Gruppe von 6 Häusern mitten in 
schönen Wiesen: 5.6 km nw. der Station Haag der Linie 
Rorschach-Sargans. 26 kaihol. Ew. Kirchgemeinde Garns. 
Wiesenbau und Viehzucht. 

STROSSELBACH (Kt. St. Gallen, Bez. Ober Rhcin- 
thal). Bach. S. den Art. Fm ii.m-.m hkrhaCH. 

STUBEN kt und Amt Luzern, Gem. Adligenswil und 
Ebikon). 540 m. Gruppe von 8 Häusern, 2 km w. Adli- 
genswil und 4 km s. der Station Ebikon der Linien 
Zurich-Luzern. 54 kalhol. Ew. Kirchgemeinden Adli- 
genswil und Ebikon. Acker- und Obstbau. Viehzucht. 

STUBENHORN i Kl Bern, Amtsbez. Nieder Simmen- 
thal und Thun). 2013 m. Gipfel der Stockhorn kette, zwi- 
schen ilohmad und Krummefadenlluh und mit diesen 
beiden zusammen den AlpkeBsel Blattenheid beherr- 
schend. Scharf zugespitzt, aber leicht zugänglich. Auf 
der Siegfriedkarte unbenannt. 

STUBENLOO (Kt. Zürich. Bez. Meilen, Gem. Oet- 
wil am See). 510 m. Gruppe von 5 Häusern, 1 km n. der 
Kirche Oetwil. 26 reform. Ew. Kirchgemeinde Oetwil. 
Wiesenbau. 

8TUCKI (OBER und UNTER) (Kt. Bern. Amtsbez. 
Laupen, Gem. Neuenegg). 572 und 557 m. Zwei Gruppen 
von zusammen 9 Häusern, an der Strasse Thorishaus- 
Klamalt und 1,5 km rw. der Station Thörishaus der Linie 
Bern-Freiburg. 55 reform. Ew. Kirchgemeinde Neuenegg. 
Landwirtschaft. 

STUCKISHAUS (Kt. und AmUbez. Bern. Gem. 
Bremgarten und Kirchlindach). 524 m. Weiler, am 
rechten Ufer der Aare und an der Strasse Bern- Kirchlind - 
ach; 2,5 km n. der Stadt Bern. Telephon ; Postwagen 
Bern-Detlligen. 12 Häuser, 172 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Bremgarten. Landwirtschaft. Oelmühle. Sehr gut 
besuchte Gastwirtschaft. 

stuoelhorn K l Bern. Amtsbez. Saanen i. 2031 m. 
Ziemlich steile, aber begraste Bergpyramide, in der das 
Tscherzisthal vom Thälchen des Beuschbaches trennen- 
den Kette, zwischen Seeberghorn (2074 m) und Blatti- 
horn (2021 m). Am N.- und NW. -Hang liegen die Ober 
und Unter Studelalp. Aufstieg von Gsteig 
entweder über den Arnensee oder über die 
Pillonstrasse und Grundberg in je -i' . 
Stunden, sowie vom Col du Pillon her in 
2' . Stunden. Schöne Aussicht auf die 
Berner Alpen. Plysch mit darunter liegen- 
den schwarzen Schiefern von oberm Lias. 

8TUDEN. In der ganzen deutschen 
Schweiz ziemlich verbreiteter Ortsname. 
Bedeutet s. v. a. l'nterholz oder Busch- 
werk. 

8TUDEN (Kt. Bern. Amtsbez. Nidau). 
440 m. Gem. und Dorf im Seeland, zwi- 
schen dem alten Aarelauf und dem Nidau- 
liurenkanal, am O.-Fusa des Jensberges 
und an der Strasse Biel-Lyss. 2 km so. der 
Station Brügg der Linie Biel-Bern. Tele- 
phon. 55 Häuser, 373 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Burglen. Das Dorf zerfällt in 
die beiden Quartiere Ober und Unter Stu- 
den. Schulhaus. Käsereigenossensehaft Slu- 
den-Aegerten. Studen wurde von den Grafen von Neuen- 
burg 1247 dem Kloster Gottstatt gegeben und fiel 1528 
an die Stadt Bern. Am O.-Hang des Jensberges linden 



sich nahe Studen die Reste der einstigen Römerstadt 
Petinesca oder Petenisca. Die Lage dieses Bömerla- 
gers, das von den alten Itinerarien und der Peutin- 
gerschen Tafel genannt wird, tat schon im 17. Jahr- 
hundert von S. Gaudard erkannt worden, welche An- 
gaben die seit 1899 von der Gesellschaft « Pro Petinesca » 
in Biel veranstalteten Ausgrabungen vollauf bestätigt 
haben. Es ergab sich, dass man es hier mit zwei zeillich 
aufeinanderfolgenden Sicdelungen zu tun habe: einer 
obern auf dem Gumpboden aus gallischer Zeit und einer 
aus römischer Zeit »tammenden untern auf der Gruben- 
matte. 350 m von Ober Studen entfernt am Fuss des Jens- 
berges und an dem damals um 1250 m weiter w. gele- 
genen Aarelauf. Vcrgl. den Art. Petinesca. 

STUDEN (Kt. Luzern, Amt Sursee, Gem. Nottwil). 
553 m. Gruppe von 7 Häusern, 2 km sö. der Station Nott- 
wil der Linie Luzern-Olten. 35 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Nottwil. Ackerbau und Viehzucht. 

STUDEN oder STAUDEN (Kt. St. Gallen, Bez. 
Ober Rheinthal, Gem. Eichberg). 469 m. Gruppe von 9 
Häusern, 5 km nw. der Station Oberriet der Linie Ror- 
schach-Sargans. 44reform. Ew. Kirchgemeinde Eichberg. 
Ackerbau und Viehzucht. 

STUDEN i Kt. und Bez. Schwyz, Gem. Unter Iberg). 
898 m. Gemeindeableilung und Dorf an der Sihl, in dem 
vom Karrenstock (1292 m), Fluhbrig 12095 m) und Weiss- 
tannen (1414 m) umrahmten Thaikesscl und 12 km sö. 
vom Bahnhof Einsiedeln. Gute Strassen nach Euthal und 
Einsiedeln einerseits. Unter Iberg und Schwyz andrer- 
seita. Poslablage, Telephon. Zusammen: 43 Häuser, 245 
kathol. Ew.; Dorf: 17 Häuser, 101 Ew. Kirchgemeinde 
Unter Iberg. Eigene Kirche. Wiesen- und Kartod'elbau, 
Viehzucht: Alpwirtschaft. Käserei. Säge. Seidenweberei. 
Uebergang über den Saaspass nach Glarua und über die 
Fläschlihohe ins Wäggithal. Die Sihl tliesst hierin derart 
erhöhtem Bett, dass sie eine ständige Gefahr für die Ort- 
schaft bedeutete und bedeutende Schutzbauten erforder- 
lich gemacht hat, mit denen 1906 begonnen worden ist. 

STUDEN (IN DEN) (Kt. Sololhurn. Bez. Lebern, 
Gem. Grenchen). Bauernhöfe. S. den Art. Stai den. 

STUDEN (OBEN und UNTER) fit Bern. Amtsbez. 
Trachselwald. Gem. Sumiswald). 834-805 m. Vier Bauern- 
höfe auf der Schonegg ; 2.5 km sö. der Station Aflbltern- 
Weier der Linie Rnmsei-Sumiswald-Hultwil. 28 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Sumiswald. Viehzucht. 

STUDEN (UNTER DEN) (Kt. Bern, Amlsbez. Inter- 
laken. Gem. Lauterbrunnen). 840 m. Gruppe von 6 Häu- 
sern, am rechten Ufer der Lütschine und 1 km unterhalb 
der Station (.auterbrunnen der Linie lnterlaken-Lauter- 
lirunnen. 22 reform. Ew. Kirchgemeinde Lauterbrunnen. 
Viehzucht. Von hier bis Zweilütschinen bildet das Thal 
eine zwischen der Terrasse von Isenlluh und dem W.-Ilang 
pes Männlichen tief eingeschnittene, bewaldete Schlucht. 

studen-kirch weg (Kt. Obwalden, Gem. Gis- 
wil). 540 m. Zerstreut gelegene Siedelungen zwischen 
dem Laui- und dem Rütibach, 2 km nw. der Station Gis- 




8 lüde u (Kant. Svhwyx) gegen die Kett« des Fluhbrig. 



wil der Brünigbahn (Luzern-Bricnzi 
thol. Ew. Viehzucht. 

8TUDENBERO (Kt. Graubünden, Bcz 



42 Häuser, 237 ka- 
Unter Land- 



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quart, Kreia Fünf Dörfer, Gem. l'ntervaz). 1315 m. Alp- 
weiden mit zerstreut gelegenen Heustadeln, am O.-Hang 
des Calanda und 2 km w. L'ntervaz. 

STUDENGA88E oder STAU DENQ ASSE (Kt. 
Bern, Amlshez. Seftigen. Cum. Riggisberg). 820 m. 11 
zerstreut gelegene Häuser. 400 m n. Riggisberg und 4 km 
w. der Station Thurnen der Gurbelhalbahn | Item- Watten- 
wil-Thun). 70 reform. Ew. Kirchgemeinde Thurnen. 
Landwirtschaft. 

BTUDENMATT (OBER und UNTER) (Kt.. Bez. 
und Gem. Schwyz). 452 m. 3 Hauser. am rechten Ufer der 
Muola und 1,5 im sw. Schwyz. 17 kathoi. Kw. Kirchge- 
meinde Schwyz. Westl. davon die eidg. Munitionslager- 
ImuHer. Im Wintersried Ihm Studenmatt stand einst das 
Hochgericht des Landes Schwvz. 

STUDENRAIN (Kt Aargau . Bez. Kulm. dein. 
Schöflland). 490 m. Gruppe von 4 Hausern, 500 m ö. der 




Sluderflrn, Fintteraarborn und Finstaraar Rotborn, von dar ObaraarbQlta 

bar gaaabon. 



Station Schöflland der elektrischen Suhrenlhalhahn 
(Aarau-Schoftland). 35 reform. Kw. Kirchgemeinde Schöfl- 
land Obstbau. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

8TUDENWEIO (Kt. Luzern. Amt Williuu, Com. 
Menznau). 620 ni. Zwei Hnuser, 3 km ö. der Station 
Menznau der Linie Langenthal- Wolhusen. 21 kathoi. Ew. 
Kirchgemeinde Geisa. Ackerbau und Viehzucht. 

STUDENWEID (Kt. Luzern, Amt Willisau. Gero. 
Pfaifnau). 530 m. 3 Hofe : 3.5 km sw. Pfalfaau. 26 kathoi. 
Ew. Kirchgemeinde Pfaifnau. Viehzucht. 

STUOERFIRN < Kt. Wallis, Bez. Goms). 3600-3000 m. 
3 km langes und im Maximum 2.2 km breites Eisfeld, das 
zusammen mit dem Galmifirn einen der oberen Arme dea 
Kieachergletschers bildet. Wird in der Richtung von W. 
über X. nach 0- beherrscht : vom Finsteraar Rothorn 
i3549 m , Finsteraarhorn (4275 m . Studerhorn (3637 m), 
Altmann (3182 m), Oberaarhorn (3642 m), Kastelhorn oder 
Nollen lelwa 3430 in und Obcraar Hothorn (3458 m). Er 
steht über die (iemslucke (oder Rothornsattel; etwa 
3370 m ) mit dem Walliser Fieschertirn. über das Ober 
Studerjoch (etwa 3450 ml mit dem Finsteraarlirn. über 
das l'nter Studerjoch (3428 m) mit dem Finsteraarglelacher 
und über das Oberaarjoch (3233 ml mit dem Oberaar- 
gletscher in Verbindung. Von der alten Oberaarjochhütte 
des S. A. C. her beherrschte man den ganzen Firn samt 
seinem blendenden Kranz von ilochgipreln. 

STUDERHORN (Kl. Bern. Amtsbez. Ober Hasle. 
und Kt. Wallis, Bez. Goms). 3637 m. Kiagipfel im Massiv 
des Finsteraarhorns, zwischen diesem letztern und dem 
Oberaarhorn (.'{642 m). Der Berg ist von Bern aua sichtbar. 
Sein Panorama wurde von (iottheb Studer aufgenommen 
und als Beilage zum Jahrhuch tle* S. A- C, (Band Hl ver- 
••ll'entlichl. Erste Besteigung 1864 durch G. Sluder und 
R. Lindl mit Kaspar undJakob Blatter und Peter Sulzer. 



Kann bei günstigen Wilterungaverhältnissen von der 
oberaarjochhütte her in 2'/j Stunden unschwierig er- 
stiegen werden. Grossartige Aussicht anf das mächtige 
und düstere Finsleraarhorn und den Kamm der Lauter- 
aarhörner. Her Name wurde dem Berg zuerst 1839 zu 
Ehren von Golllieb Sluder gegeben und dann 1840 von 
Ed. Üesor tnf den Geologen Bernhard Sluder (1794-1887). 
den Vetter Goltliebs, bezogen. 

STUDERJOCH (OBER) | Kt. Bern. Amtsbez. Ober 
Hasle. und Kt. Wall:*. Bez. Görna). Etwa 3450 m. Pass- 
übergang zwischen dem Studerhorn und dem Finsteraar- 
horn ; verbindet den Finsteraarfirn mit dem Studertirn 
und damit den Pavillon Dollfus mit der Oberaarjochhütte. 
Zum erstenmal 1868 überschritten. Schwierig zu begehen. 
Pavillon Dollfus- Passhohe 5',, Stunden und Abslieg zur 
Oberaarjochhütte I Stunde. Her Pas» führte früher auch 
den Namen Unteraarjoch. Auf der Siegfriedkarte ohne 
ilohenkote. 

STUDERJOCH (UNTER) l Kt. Bern. 
Amtsbez. Ober Hasle, und Kt. Wallis, Bez. 
Gomsi. 3128 m. Passübergang zwischen dem 
Studerhorn und dem Altmann im Massiv 
des Finsteraarhorns. Geht dem Ober Stu- 
derjoeh parallel und verbindet den Fin- 
steraargletscher mit dem Sluderflrn und 
damit den Pavillon Dullfua mit der Ober- 
aarjochhütte des S. A. C. Zum erstenmal 
1863 überschritten. Wird seiner Schwie- 
rigkeiten wegen nur selten begangen. I'n 
villon Dollfus- Passhohe 5 und Abstieg nach 
der Oberaarjoclihütle 3 /, Stunden. 

STUDERS WILEN (OBER und UN- 
TER) (Kt. St. Gallen. Bez. Tablat. Gem. 
Wittenbach i. 640 m Zwei Häuaer am N.- 
Hang des Hügelzuges von St. Peter und 
Paul ; 3.5 km nw. der Station St. Knien 
der Linie St. Gallen-Borschach. 20 kathoi. 
Ew. Kirchgemeinde Wittenbach. Wieisen - 
und Obstbau. 

STUDERWIES (Kt Zürich. Bez. Bu- 
lach, Gem. Unter Einbrach). 400 m. Baum- 
wollspinnerei, 500 m nw. der Station Ein- 
brach- Horbas der Linie Winterthur-Bü- 
lach. 1 Hans. 58 reform. Ew. 

studfluh (Kt. Nidwaldeni. 900 m. 
Felswand mitten in dem den O.-Hang dea 
Stanserhorns teilweise bekleidenden Hang. 2 km nw. 
Dallenwil. 500 m lang, aber nicht sehr hoch. 

STOBLENEN (Et Bern. Amtsbez. Ober Simmenthai 
und Saanen). 2108 m. Gipfel im Stock des Gifferhorna ; 
trennt das Lauenen- vom Simmenllial und erhebt aich 
zwischen dem Trütllispass (2040 m i und dem Dangel Rot- 
horn (2270 ml. N.-Hang zum Teil felsig, auf den übrigen 
Seiten mit Alp weiden bestanden. Leichter Aufstieg von 
Lauenen her in 2 3 / 4 und von der Lenk her in 3V< Stunden. 
Beschränkte Aussicht. 

STUBLENENPASS (Kt. Bern. Amtsbez. Ober Sira- 
menthal und Saanen). 1991 m. Bergübergang s. vom 
(tipfel dea Sluhlencn ; vei bindet Poschenried im Simmen- 
llial in 5 Stunden mit Lauenen. Schone Flora. Murmel- 
tiere. An der W. -Flanke befindet sich das «Gridi». ein 
in geologischer Hinsicht sehr interessantes liebiet mit 
im Gips ausgewaschenen Trichtern, die nur durch schmale 
und scharfe Rippen voneinander getrennt sind. 

STUCKLI Iht. (Tri). 2514 m. Nordwestl. Felsausläufer 
dea Stücklistocks i3309 im in der Fleckistockkette. 2 3 ;, 
Stunden sw. über Färnigen im Meienthal , von woher 
man über Oraahalden und Fela aufsteigt. Interessante 
Aussicht auf die das Meienthal umrahmenden Berge. 

8TÜCKLIHORN oder STÜCKLIKREUZ kt Os- 
walden ). 1803 m . N. -Auslaufer des Arn ig rat es zwischen 
dem Melchthal einerseits und dem Klein Melchthal und 
Sarnersec andrerseits; trennt das Thälchen des Dorf- 
harhes von demjenigen des Erjcnbaches und bietet eine 
hubsche Aussicht auf das Thal von Sarnen. Aufstieg von 
Sachsein über die Huttmattalp in 3 Stunden. Zum Teil 
felsig, zum Teil berast oder bewaldet. An seinen obern 
Gehangen liegen die Hüttmaltalj» und die Stockalp. 

8TUCKLISTOCK i Kt. l'ri). 3309 m. Bedeutender 
Bergstock in der Kette des Fleckistocks (3418 m< zwischen 



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<lem Meien- und dem Göschenerthal. Von allen Seiten 
durch kleine Firnfelder llankiert. erhebt «ich der llaupt- 
gipfel als steile Felgpyramide mit N.-, S\Y.-, SO.- und 
NU. -Grat. Der Sit. -Grat verlauft in der Kammrichtung 
der Kette und bildet die Verbindung mit dem Flecki- 
stock ; der SW.-Grat lieht zum Suslenjoch. und der N.- 
Grat spaltet sich in zwei Aesle, deren einer da* Stückli 
i")U m) und deren anderer das Grieaenhornli i 2853 m) 
bildet, um dann sich zur Suatenalp zu Henken. Oer Gipfel 
beherrscht im (). den Kütitirn, im SW. und W. je ein 
unbenannles kleines Eisfeld und im N. den Griessenlirn. 
Erste Besteigung 1865. Die Besteigungen sind mittel- 
schwer, doch bietet die übliche Route von der Voralp- 
hülle über S. -Flanke und SO. -Grat keine eigentlichen 
Schwierigkeiten. Als Ausgangspunkte kommen in Be- 
tracht: Voralphütle (5 Stunden!, Farnigen im Meienthal 
(5 Vi Stunden). Alp Griesen bezw. Steinwirtshaus I 6 •/» 
Stunden). Ausgedehnte und interessante Bundsicht. Vergl. 
den Führer durch die Unter Alpen des A. A. C. Zürich. 
Bd II. 1905. 

8TUDLER8EE (Kt. St. Gallen, Bez. Gaster). 412m. 
150 m langes und 90 m breites Seelein im Kaltbrunner 
Bied. 2 km s. Uznach. Bildet einen der zahlreichen Weier 
und Wasserflächen in derehemals »umpligen Linlhebene. 

STÜH LI HORN Kt. Wallis, Bez. Westlich Raroni. 
2709 m. Felsiger SO. -Ausläufer der Märwiglücke in der 
Kette des Petersgrales; bildet zusammen mit dem Spali- 
horn (2462 m) den zwischen die Thilchen des Tennbachea 
und des Mühlebaches sich einschiebenden Kamm. Be- 
quemer Aufstieg von Ried im I.otschenthal in 8 Vi Stunden. 
Schöne Aussicht auf das Bietschhorn. 

8TÜNZI (Kt. Zürich, Bez. Morgen. Gem. Oberrieden). 
Quartier von Ohkhrieden. S. diesen Art. 

stürmen oder IM STÜRMEN (Kt. Bern, Amla- 
bez. und Gem. Laufen). 462m. 3 Höfe n. der Solothurner 
Dörfer Barswil und Grindel; 1 km s. der Station Bärs- 
wil der Linie Biel-Delsberg-Basel und 4,5 km sw. Laufen. 
28 kaihol. Ew. Kirchgemeinde Laufen. Südöstl. über den 
Höfen erhebt sich der kegelförmige Slürmenkopf (773 m), 
an dessen S.-Hang die Stürmenweid liegt. Nö. dieser 
letztern steht die Burgruine Neuenstein schroff über der 
Strasse Laufen - Wahlen - Grindel. An Versteinerungen 
reiche (legend. 

•TÜR VIS Kt. Graubünden, Bez. Albula. Kreis Alva- 




Stfirvis von Südosten. 

schein). 1378 m. Gem. und Pfarrdorf auf einer aussichts- 
reichen Terrasse am NW. -Hang des Muttnerhorns; 6.2 
km ao. der Station Soli« der Albulabahn. Poslablage. 31 
Häuser, 150 kathol. Ew. romanischer Zunge. Schöne 
gotische Kirche. Wiesenbau und Viehzucht. Sommer- 
frische. Fund einer romischen tioldmünze. 
# STORVI8 | Kt. Grauhunden. Bez. Unter Landquart. 
Kreis und Gem. Maienfeldi. 1590 m. Alpweide am S.- 
Hang des Tschingel, zwischen dein Jeabach im W. und 
dem Kehritohel im O. Die Ueberlieferung erzählt, das« 
hier einst ein ganzes Dorf stand, das einer Klimaänder- 
ung wegen von seinen Bewohnern verlassen werden 
musste. Diese Legende hat dem Zürcher Dichter David 
Hess (1770-1 843i den Stoff zu einer reizenden Erzählung 



Elb/ und Oswald oder die Autwanderung von Slürris 
gegeben, die zuerst in den Alpenrosen von 1820 erschien. 

8TURVI8EHALP ( Kt. Graubünden, Bez. Albula, 
Kreis Mvaschein, Gem. Slürvis). 2077 m. Alpweide in 
L'inrm Thälchen am O.-Hang des Muttnerhorns, 3 km n. 
vom Piz Curver Pintg. 

•TORZIKON [Kt Zürich, Bez. Bulach, (lern. Ober 
Embrach). 582 m. Gruppe von 4 Häusern. 4 km nö. der 
Slution Bassersdorf der Linie Zürich - Winterthur. 24 
relorm. Ew. Kirchgemeinde Embrach. Wiesenbau. 

STU 8 8 Et- (Kl. St. Gallen. Bez. See). 1121 m. Schöner 
Aussichtspunkt in der Kelte Kreuzegg - Schnebelhorn ; 
springt vom Rotenstein südwestwärts zwischen das (k>ld- 
inger- und das Waldithal vor. 1 km nw. über dem Dorf 
\Valdi. Der O.-Hang ist zum Teil felsig und bewaldet, 
während die übrigen Seilen sanfter geböscht sind, Kund- 
aicht auf Linthgebiet und Zürichsee mit dem umrahmen- 
den Bergkranz. 

STUS8EL (Kt. Zürich, Bez. Hinwil). 1054 m. Be- 
waldeter Molassegipfel, 3 km so. der Station Bärelswil 
der Linie Uerikon-Bauma. Am untern Abschnitt desO.- 
und W. -Hanges stehen einige Bauernhofe. 

8TU88LINOIN (Kt. Solothurn. Bez. Gösgen). 484 
rn. Gem. und Pfarrdorf am SW.-Fusa des Gugen; 4,5km 
nw. der Station Schonenwerd der Linie Zürich - Ölten. 
Postablage. Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit Gugen- 
hof und Rüttimatt-Schleife : 103 Häuser, 565 Ew. i wovon 
17 Reformierte) ; Dorf: 90 Häuser, 481 Ew. Acker-, Ge- 
müse- und Obstbau, Viehzucht. Viele der Bewohner 
arbeiten in den Schuhfabriken von Schonenwerd. 

STÜTZBERO (Kt. Nidwalden). 880 in. Etwa 100 m 
hohe Felswand s. über dem Ufer des Vierwaldstnttersees 
zwischen Seelisberg und Beckenried. Oberer Rand 40 
Minuten nö. Emmetten. Wird durch den Leiterpfad von 
dem ihn nach (). fortsetzenden Zingelberg (1000 m) ge- 
lrennt. Im W. steht am untern Abschnitt der Wand der 
Biselten wald. 

STUFENSTEIN (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Sim- 
menlhal . 1859 m. Westl. Felsvorsprung des Niesen. End- 
punkt des den tiefen Zirkus in der N.-Wand des Niesen 
von der Staldenalp (Oberer, Mittlerer und Unlerer Stand) 
trennenden Kammes. Bis zur obern Baumgrenze auf- 
ragend. 

STU FEN STEINALP oder STUFISTEINALPl Kt 

Bern, Amtsbez. Interlaken, Gem. Lauterbrunnen). 
1583 m. Kleine Alpweide auf einer Terra- se am 
rechtsseitigen Gehänge dea Lauterbrunncnthales. 7 
km s. Lauterbrunnen. An dem von Stechelberg 
zum Rotthal und zur Rotlhalhütte dea S. A. ('.. 
hinaufführenden Weg. Versteinerungen im Batho- 
nien I Eiaenoolith) und Oxford. 

STUHL, STUHLEN. Ortsnamen der deut- 
schen Schweiz. Bezeichnen eine Stelle, an der 
einst Gericht gehalten wurde. Auch in Zusammen- 
setzungen, wie Kaiserstuhl, Königstuhl etc. 

STUHL (Kt. Appenzell A. R.. Hinterland. Gem. 
Heriaau). 838 rn. Weiler; 2.5 km sw. der Station 
Herisau der Appenzellerbahn i Winkeln-Herisau- 
Appenzell i.14 Hauser, 87 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Heriaau. Wiesenbau. 

STUHLEGG i Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen. 
Gem. Kralligen i. 766 m. Gruppe von 6 Häusern, 
über dem Dorf Krattigen und 4 km so. der Station 
Spiez der Linie Thun-Interlaken. 43 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Aeachi. Landwirtschaft. 
stuhleggwald (Kt. St. Gallen. Bez. 
Tahlat i. 929-1015 m. Tannenwald am N.-Hang der Egg- 
bergkette, im s. Abschnitt der Gemeinde Tahlat. 1,5 km 
lang und 1.2 km breit. Er umschliesst die Stuhlegg ge- 
nannte Gruppe von 2 Häusern 2,4 km so. der Station 
Mühlegg der Drahtseilbahn St. Gallen-Mühlegg. Viehzucht. 

STUHLEN , Kt. Thurgau, Itez. Wetnfelden. Gem. 
Bürgleni. 476 m. Gruppe von 5 Häusern, 2 km nnö. der 
Station Sulgen der Linie Zürich - Winterthur - Romans- 
horn. 31 reform. Ew. Kirchgemeinde Sulgen. Wiesen 
und Wald. 

STUHLEN (Kt. Zürich. Bez. Uster. Gem. Maur). 
515 m. Gruppe von 7 Häusern, w. vom Greifensee und 2 
km ». K.illamlcn. 38 reform. Ew. Kirchgemeinde Maur. 
Wiesenbau. 



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STUHN (Kt. Appenzell A. R., Hinterland. Gem. Hund- 
wili. 920 m. R eifer .'t km ö. der Station Waldslalt der 
Appenzellerbahn I Winkeln-Herisau-Appenzell i. 17 Häu- 
ser. "1 reform. Ew. Kirchgemeinde llundwil. Viehzucht. 
Stickerei. 

STULS, roman. Stogl (Kt. Graubiinden, Bez. Albtila, 
Kreis Bergün). 1555 m. Gern, und Weiler auf einer Ter- 
asse über dem Bergüners tein ; 2,8 km nnw. Bergün. 
km w. vom Weiler die Station Stuls der Albulabahn. 
12 Häuser, 42 reform. Ew. (wovon 22 roma- 
ei. Kirchgemeinde Latsch - Stuls. Wiesen- 
bau und Viehzucht. 

STUL8ERALP (Kt. Graubünden, Bez. Albula. Kreis 
Bergün, Gem. Stuls). 2036 m. Alpweide, am rechts- 
seitigen Gehänge der Slulserthales und am S.-Fuss des 
Bühlerhorns; 3,2 km onö. Stuls. 

8TULSERBACH ( Kt. Graubunden, Bez. Albula). 
2671-1102 m. Oestl. Nebenfluas der Albula; entspringt 
unter dem Ducanpass J'iTI ml zwischen dem Gletscher 
Ducan «11020 m) und dem Gipshorn (2817 m — Krumm- 
hornli |2672 m) in der Albulagruppe. Fliesst zuerst in 
sw. Richtung durch die Stulseralp (2038 m), dann wcst- 
und westnordwestwärtB bis unterhalb der Maiensässe 
Runsolas (1772 m), wo er nach SW. umbiegt und auf 
dieser letzten Strecke nacheinander den vom Stulsergrat 
kommenden Bach des Val Torta, zwei Bäche aus der Ge- 
gend zwischen Stulsergrat und Muchetta und einen kür- 
zern Strang aus den Maiensässen von Falein, alle von der 
N. -Seite her, aufnimmt. Der Stulserbach mündet etwa 
500 m oberhalb Bellaluna in die Albula und stürzt schäu- 
mend und brausend durch eine tiefe, lange Schlucht 
zu ihr hinab. Die Albulabahn fuhrt auf 2 Viadukten von 
je 40 m Länge und 25 und 23 m Spannweile in Höhen 
von 32 und 12 m über das Tobel des starken und reis- 
senden Baches hin. Von der vordem Stulsertobelbrücke 
aus geniesst man einen prächtigen Auablick auf das 
Lenzerhorn, auch sieht man vom Bahnlrace dieser Ge- 
gend bequem hinunter auf die Albula und hinein zur Piz 
d'Aelakette, zum PizOt und den Berg»n südl. von Naz und 
Preda vor dem Albulatunnel. Ganz nahe die auf dem ein- 
samen « Ochsenboden » zwischen dunkelm Wald gelegene 
Bahnstation Stuls. Der Stulserbach ist im ganzen etwa 
9 km lang und weist ein Gefalle von rund 16°/ n auf. Er 
hat sich im SW. verlaufenden obersten Teil (Stulserthal) 
in ältere Triasschichten i Zellendolomit oder Untere Rauh- 
wacke. alpinen Muschelkalk und Verrucanoi, Serizit- und 
Gneispyllit und in Gneis eingeschnitten ; zwischen der 
Stulseralp und Runsolas und über dessen Hüttengruppe 
hinaus bis in die Nähe des Einllusses des Baches von 
Falein her verläuft er ganz im Gneisrücken von Stuls ; 
der Ausgang endlich liegt in rötlichem und grünlichem 
Verrucano, ebenso gefärbtem Bpllaluna-Uuarzporphyr und 
dem Verrucano eingelagertem Muschelkalk der Trias. 

STULSERGRAT (Kt. Graubünden. Bez. Albula). 
2680 m. Ziemlich genau W.-Ü. verlaufender Bergrucken 
in der Monsteinerkelle der Piz Keschgrappe ( Alhula- 
alpeni ; zwischen dem Albulathal und dem Davoser Land- 
wasser, n. über Bergün und Latsch und 3,6 km ö. Filisur. 
Auf der Ostseite vom Bühlerhorn |28ll im und im W. 
von der Muchetta, dem gerühmten Aussichtspunkt von 
flankiert. Im N. liegen das Kuhthäli 
Dorfchen Jen- 
eworden ist. 

tilsergrat ist eine der reizendsten des 
ganzen Albulagebietes: sie umfasst einen weiten Gebirgs- 
tranz und die herrlichen Landschaften von Beifort, Da- 
voa, Oberhalhslem. Bergün und Heinzenberg mit zahl- 
reichen Dörfern (von der Muchetta erblickt man deren 
22i. Besonders schön präsentieren sich die nahen Ber- 
eünerstöcke Piz d'Aela, Tinzenhorn und Piz Michel. 
Prächtige Gratwanderung. Ersteigung von Bergün über 
Stuls. Runsolas und die Schafhutte (2440 m(, von Filiaur 
über die Terrassen von Falein. von Wiesen über Jennis- 
berg, die Jeniiisberger Alp oder den llochhut (2172 m<, 
von Monstein (Bavos) her über die Inneralpen, den Rük- 
ken des Bödmen- und Kühberggrates etc. Gesteine sind 
der Gneis von Stuls und Gneisphvllite, an der w. und 5. 
Gebirgsllanke Verrucano, sowie Kalke und Dolomite der 
Trias bis zum Hauptdolomit. Hie Flora ist schon und 
reichhaltig. 



Filisur i2627 m), 
und die Jennisberger Alp. tiefer unten das Do 
nisberg izu Filisur gehörig), da« Luftkurort ge 
Die Aussicht vom Stulsergrat ist eine der reize 



i geheimen inren uouesiiienst zu Manen. 
«ZENHARD (Kt. Appenzell A. R., Vorderland, 
wte ,. 724 m. 3 Häuser auf einer Anhöhe 1.4 km 
und 2 km nw. der Station Rebslein der Linie 



STULSERTHAL ( Kt. Graubünden, Bez. Albula i. 
2671-1102 tu Thal des Stulserbaches von dessen Ursprung 
am rauhen Ducanpass über die Stulseralp (2038 m) bis 
zu den Hütten von Runsolas 1 1772 m). Es hat zum gros- 
sem Teil SW.-. dann WNW.- Verlauf, ist 6,3 km lang 
und besitzt bis Runsolas ein Gefälle von rund 13.5%. 
Oede. wild und einsam, besonders auf der linken Seite 
von felsiger und schuttiger Sohle. Wird im O. von der 
Ducankette | Piz Prosonch. Piz Val Mala 2955 m. Piz 
Ravigiel und Gletscher Ducan 3020 m). auf der W.-Seite 
von der Bühlerhornkelte (Bühlerhorn 2811 m, Mäschen- 
grat 2791 m, Gipshorn 2817 m und Krummhörali) be- 
grenzt. Am Ursprung der wilde Ducanpass (2671 ml, der 
in nö. Richtung durch das trümmerig-wüste Ducanthal 
hinunter nach Sertig und Bavos führt: auf der rechten 
Seile führt aus der Stulseralp die Hühlerfurka ö. vom 
Bühlerhorn nach Monstein-Davos. Oberhalb der Alp noch 
kümmerliche Waldreste: massenhaft Edel weiss. Ueber 
die Felsarten vergl. den Art. S 1 1 i - 1 h 

STURMINGEN (Kt. Glarus, Gem. Ennenda). 470 m. 
Gruppe von 9 Häusern auf dem Schuttkegel der vom 
Schild herabkommenden Sturmingerrunse ; 600 m n. der 
Station Ennenda der Linie Glarus-Linthal. 47 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Ennenda. Wiesenbau und Viehzucht. 
Viele der Bewohner arbeiten in den Fabriken von Ennenda. 

STURZEN EGG ( Kt. Appenzell AK, Hinterland, 
Gem. Herisau). 733 m. 21 Häuser, über dem linken Ufer 
von Urnäsch und Sitter zerstreut gelegen ; 1,5 km so. der 
Station Winkeln der Linie Zürich-Winterthur-St. Gallen. 
132 reform. Ew. Kirchgemeinde Herisau. Viehzucht und 
Milchwirtschaft. In Sturzenegg pflegten 1525 die Wieder- 
täufer im geheimen ihren Gottesdienst zu halten. 

STURZENHARD ' 
Gem. Reute i. 
s. Reute und 

Rorschaeh-Sargans. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Reute. 
Sturzenhard genorte bis zu einer vorgenommenen Grenz- 
bereinigung zu den Innern Roden. 1798 berief ein ge- 
wisser Locher aus Sturzenhard nach der Rückkehr von 
der Appenzeller Landsgemeinde, die der EinheiUver- 
fassung zugestimmt hatte, in Gais eine Sonderlandsge- 
meinde seiner engem Landsleute aus Oberegg ein. die 
die Verwerfung des gefassten Beschlusses aussprach. Es 
folgte ein von Locher geleiteter bewaffneter Aufstand, der 
von den helvetischen Trappen niedergeworfen werden 
mussle. 

STU8SAVIA (Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg). 
Gem. und Dorf. S. den Art. Sahen. 

STUTZ. In der ganzen deutschen Schweiz etwa 100 
mal vorkommender Ortsname. Vom Zeitwort « stutzen » 
herzuleiten. Bezeichnet einen steilen Hang oder Anstieg, 
der von der Strasse oder dem Weg mit Hilfe von zahl- 
reichen Kehren gewonnen wird. Vergl. Lungenstutz im 
Maderanerthal. 

STUTZ (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken. Gem. Grindel- 
wald). 952 m. Gruppe von 4 Häusern bei der Station 
Grund der Wengernalpbahn. 24 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Grindelwald. Viehzucht. 
STUTZ (Kt. Bern, Amtsbez. Seftigen, Oem. Gelter- 
e von 7 Häusern am SW.-llang des 
len Strasse Belp-kirchdorf 
Station Kaurdorf der llurbethalbahn 
(Bern-Wattenwil-Thuni. 44 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Kirchdorf. Landwirtschaft Schulhaus. 

STUTZ iKt Bern, Amtsbez. Seftigen. Gem. Biggis- 
berg). 822 m. Weiler an der Giebeleggslrasse, 3 km w. 
Riggisberg. 13 Ilauser. 101 reform. hw. Kirchgemeinde 
Kirchenlhurnen. Landwirtschaft. 

STUTZ (Kl. Bern, Amtsbez. Seftigen. Gem. Rülii. 
822 in. Gruppe von 6 Häusern, an der Strasse Riggis- 
berg-Gurnigel Bad und 8 km sw. der Station Thuraen der 
Giirbeihalbiihn i Bera-Wattenwil-Thun;. 38 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Kirchenlhurnen. Ackerbau und Vieh- 
zucht. Schulhaus. 

STUTZ Kt. Bern. Amtsbez. Thun, Gem. Steflisburg . 
620 m. Gruppe von 8 Häusern. 2 km o. der Station Steflis- 
burg der Linie Burgdorf-Thun. 53 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Steflisburg. Viehzucht. 

STUTZ (Kt. Bern. Amtsbez. Trachselwald, Gem. 
Wissachengraben ). 680 m. Gruppe von 5 Häusern ; 1,5 km 



VI via , rvi. nein, .i 

fingen). 604 m. (Iruppe vi 
Hembergs, an der hier 
und 3 km o. der Statiui 



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STU 

s. der Station Schwarzenbach der Linie Damsei-Sumis- 
wald-Hnltwil. 47 reform. Ew. Kirchgemeinde Eriswil. 
Viehzucht. 

stutz (Kt. Bern. Amtsbez. Wangen, Gem. Thörigen). 
496 m. Gruppe von 4 Häusern, 700 m sö. Thörigen und 
3.5 km •<>. der Station Herzogenbuchsee der Linie Olten- 
Bern. 20 reform. Ew. Kirchgemeinde Herzogenbuchaee. 
Landwirtschaft. Gerberei. 

STUTZ (Kt. Graubünden, Bez. Heinzenberg, Kreia 
Thusis, Gem. Tschappina). 1200 m. Mit lichten Alpen- 
erlenbeständen durchsetzte Wiesen und Alpweiden, links 
über der Schwarzen Nolla und 6 km w. Thusis. Gehört 
zu dem wild zerfressenen und stark mitSchutt überführten 
Sammelgebiet der so lange Zeit dem Domleschg gefähr- 
lichen Nolla. 

STUTZ (Kt. Graubünden. Bez. Ober Landquart, Kreia 
und Gem. Klosters). 1300 m. Von der Strasse Klosters- 
Davos Laret durchzogener O.-Hang des Casanna. w. vom 
Lareterbach und 1.5 km s. Klosters. Zum grossen Teil 
bewaldet. Einige Alpweiden mit Hütten. 

STUTZ (Kt. Graubünden, Bez. Unter Landquart, 
Kreia und Gem. Seewia). 1289 m Wiesen am W.-Hang 
des vom Taschinesbach durchflossenen Thälchens ; 3,5 km 
n. Seewis. 

STUTZ (Kt. und Amt Luzern, Gem. Horw). 450 m. 
Gruppe von 2 Häusern am linken Ufer des Vierwaldstätter- 
sees, auf einer Anhöhe 3 km sö. Luzern. 14 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Horw. Landwirtschaft. Sommerfrische. 
Ehemaliger Besitz der Edeln von Lehn. 

STUTZ (Kt. St. Gallen, Bez. Sargans. Gem. Quarten). 
470 m. Gruppe von 5 Häusern, 50 m über dem X.-Ufer 
des Walensees und den obern NW. -Abschnitt von Quinten 
bildend. 25 kathol. Ew. Kirchgemeinde Quarten. Acker-, 
Wein- und Obstbau, Viehzucht. Schöne Lage und pracht- 
volle Aussicht auf den Walensec und die ihn im S. um- 
rahmenden Berge. 

STUTZ i Kt. Schwyz, Bez. Höfe, Gem. Feusisberg). 
770-833 m. Brei Bauernhöfe 500 m ö. der Station Sellin- 
dellegi der Südostbahn (Wädenswil-Einsiedeln-Goldau). 
30 kathol. Ew. Obstbau. Zwischen den Höfen und der Sihl 
liegt eine vom ehemaligen Linthgletscher abgelagerte 
grosse Moräne, auf deren NW. -Abschnitt die neue Kirche 
von Schindellegi steht. 

STUTZ (HINTER und VORDER) (Kt. Bern, Amts- 
bez. Aarwangen, Gem. Ursenbach). 650 m. 13 Höfe am 
linksseitigen Gehänge des Ursen bachgrabens, 700 m nw. 
Ursenbach und 2 km sw. der Station Kleindietwil der 
Linie Langenthal- Wolhusen. 103 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Ursenbach. Landwirtschaft. 

stutz (ober und UNTER) (Kt. Bern. Amtsbez. 
Konollingen, Gem. Schlosswil,. 754 und 676 m. Zwei 
Gruppen von zusammen 4 Häusern, auf einer Anhöhe 
2 km nö. der Station Konolflngen der Linie Bern-Luzern. 
20 reform. Ew. Kirchgemeinde Münsingen. Ackerbau 
und Viehzucht. 

STUTZ (OBER und UNTER) (Kt. Bern, Amtsbez. 
Signau, Gem. Trub). 1151 in. Vier Höfe am linksseitigen 
Gehänge dea Fankhausgrabens, 0 km nö. der Station 
Trachselwald der Linie Bern-Luzern. 22 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Trub. Viehzucht. 

8TUTZ1LP (Kl. Graubünden, Bez. Ilinlerrhein, 
Kreis Hheinwald, Gem. Splügen). 2200-2400 m. Alpweide 
am SO.- Hang des Lochli- oder Salierberges; 5 km nw. 
Splügen. 

STUTZBODEN (Et Bern. Amtabez. Wangen. Gem. 
Wiedlisbach). 425 m. Zwei Hofe am linken Ufer der Aare. 
1 km nw. der Station Wangen an der Aare der Linie 
Olten-Solothurn Biel. 38 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Oberhipp. 

STUTZHORN Kt. Graubünden. Bez. Hinterrhein». 
2132 m. Kleiner O.-Ausläufer der Splügner Kalkberge ; 
1.5 km nw. über dem DorfSufers. Felsig. Vergl. den Art. 
Spi.Igner Kai.kmekgk. 

SUARD DES ENVERS (BOIS DU) (Kt. Waadt, 
Bez. Grandsoni. Wald. S. den Art. E>ver* (Si ,\hd iies). 

Subegg Kt. Hern, Amtsbez. Frutigen und Nieder 
Simmenthai). 2360 m. Beraster Kamm in der Niesenkette, 
zwischen Subegghorn (2383 m) und Weissenfluh (2357 m»; 
5 Stunden wsw. über Frutigen. Leichter Abstieg ins 
Kireithal. 



SUC 721 

subegghorn (Kt. Bern, Amtabez. Frutigen and 
Nieder Simmenthai). 2383 m. Unbedeutender Bücken im 
SW.-Grat des Hiedbündistocks ,2456 m), zwischen diesem 
und der Subegg. Kann von Frutigen her in 5 Stunden 
bequem erstiegen werden; leichter Abstieg ins Kirel-und 
Diemtigthal. 

8UBEL (Kt. Bern, Amtabez. Thun, Gem. Uebischi). 
670 m. Gruppe von 5 Häusern in einer vertorften Mulde ; 
3,5 km sw. der Station Uetendorf der Gürbethalbahn 
I Bern-Wattenwil-Thun). 27 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Thierachern. Landwirtschaft; Torfausbeute. Deruntere Ab- 
schnitt des Torfmoores bildete einst einen im 14. Jahrhun- 
derturkundlich genannten kleinen See, der wahrscheinlich 
vom Barfusserkloster in Bern als dem Grundherrn von 
Uebischi künstlich gestaut worden war. Die daneben ste- 
hende kleine Burg konnte als Buine noch im 17. Jahr- 
hundert gesehen werden, ist aber heute vollständig ver- 
schwunden. Man darf sie nicht mit der Burg Uebischi am 
Uebischisee verwechseln. 

8UBERG (Kt. Bern, Amtsbez. Aarberg, Gem. Gross- 
afl'oltcrn). 479 m. Gemeindeabteilung und Dorf im Thal des 
Lyssbaches, 2 km sw. GrossafToltern. Station der Linie 
Bern-Biel. Postbureau. Telegraph, Telephon; Postwagen 
nach Messen. 21 Häuser, 118 reform. Ew. Kirchgemeinde 
GrossafToltern. 3 Mühlen und 2 Sägen. Käserei. Eine 
Uhrensteinschleiferei. Acker- und Obstbau. Schulhaua. 
Fund eines Steinbeiles auf dem Bollisbühl. Prähistorisches 
Hefugium bei der Mühle. Gehörte bis 1412 zur Herrschaft 
Oltigen und kam dann an Bern. 

SUBINOBN (Kt. Solothurn, Bez. Kriegstetten). 441 m. 
Gem. und Pfarrdorf an der Oesch, 3 km nnö. Kriegstetten. 
Station der Linie Lyss-Solothurn-Herzogenbuchsee. Post- 
bureau. Telegraph, Telephon. 77 Häuser, 698 Ew. (wovon 
202 Heformierte). Ackerbau und Viehzucht. Branntwein- 
brennerei. Mühle und Säge. Käserei. Grosse Töpferwaren- 
fabrik ; Florettseidenfabrlk. Viele der Bewohner arbeiten 
in den Fabriken von Derendingen, Gerlaflngen und Biberist. 
Fund eines Bronzebeilea. Die Grabhügel im Heidenmoos 
haben zahlreiche Gegenstände aus der ersten Eisenzeit ge- 
liefert, die sich heute im Museum zu Solothurn befinden. 
Ein Grabhügel auch im Pfalfenweier. Bei Etzikon Beste 
einer Bömersiedelung. 1270: Subingen; vom Personen- 
namen Subo herzuleiten. 

8UBLAQE (Kt. Wallis, Bez. Sitten). 2735 m. Süd- 
west!. Vorberg des Wildhorns nö. über dem Sanetsch- 
hotel auf der Alpe de Zanfleuron. Kann durch das Thäl- 
chen der Zanfleuronne in 3 Stunden bequem erstiegen 
werden. Sehr schöner Tiefblick ins Thal der Morge und 
prächtige Aussicht auf die Walliser Alpen. 

8UBL.IN (Kt. Waadt, Bez. Aigle, Gem. Bex). 870 m. 
Grosser und bis zum Ufer des Avancon herabsteigender 
Steilhang aus triadiachem Gips, ö. Le Chene und n. Le 
Bevieui. Stellenweise findet man hier auch Schwefel, der 
sogar kristallisiert sein kann. Hier steht das Elektrizitäts- 
werk , das der Bahn Bex-Gryon-Villars-Chi s sieres die 
nötige Triebkraft liefert und verschiedene Ortschaften 
dieser Gegend mit Licht versorgt. 

SUCHE (LA) (Kt. Wallis, Bez. Monthey). 1545 m. 
Kleiner Gipfel im SO. -Grat des Grammont, zwischen der 
T£te de Penay ( 1421 m > und dem Proz de Taylaz(l251 m), 
sowie ono. über dem Lac de Tanay und 2 Stunden nw. 
über Miex ob Vouvry. Aufstieg vom Lac de Tanav her in 
20 Minuten. Schöne Auasicht ms Bhonethal und 'auf den 
obern Genfer»«?. 

SUCHERON (LE) i Kt. Waadt. Bez. Grandson). Gipfel. 
S. den Art. Chasseron. 

SUCHET (LE) (Kt. Waadt, Bez. Orbe). 1591 m. Einer 
der Hauptgipfel des Waadtländer Jura ; bildet einen regel- 
mässigen Hucken zwischen den Thälern der Orbe, der 
Jougnenaz und der Baulmine. Trägt am S.-Hang den Senn- 
berg Suchet mit nahe unter dem Gipfelpunkt stehender 
grosser Alphütle I und Zisterne). Suchet und Aiguille de 
Baulmes bilden die beiden Schenkel eines bis zum Dogger 
hinunter geöffneten jurassischen Gewölbes. An Busen 
reiches Gebiet, an dessen sonnigen Gehängen sich 17 
verschiedene Arten und 11 Bastarde finden (vergl. G. 
Gaillard: Conlriftutiott <i l'rtude de* Htwi du Jura im 
BllII, Herb. Boisiier. VI, I898>. Der Suchet wird im 
Sommer sehr stark besucht und von den Bewohnern der 
benachbarten Ortschaften namentlich zum Schauspiel des 

234 - geogr. lex. V - 46 



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722 SUC 

Sonnenaufganges bestiegen. Angenehme Bergtour: von 
Sainte Croix über den Aiguillon in 2'.' t Stunden, von 
Dallaigues über I.a Bessonne und La I'oyette in 2 : V 4 Stun- 
den, von ßaulmesüber I'raz Minzin und den prachtvollen 
erratischen Block von La Cötelette in 2 Stunden und 
endlich von Lignerolle aus in 1 Stunde. Trigonometrisches 
Signal erster Ordnung. Der einer Schildwache gleich 
gegen das Miltelland vorgeschobene Suchet bietet unter 
allen Gipfeln des Waadtländer Jura vielleicht die schönste 
Aussicht: Mittelland, Alpen vom Sänlis bis Mont Blanc 
und bis Genf, Genfer-, N'euenhnrger- und Bielersee etc. 
Der Berg und seine Umgebungen spielen eine grosse Bolle 
in den Erzählungen Lex Prouetse» de la Batute du Jura 
und Dan* le» ;>»v* et »••u» let bui* der Frau von Gasparin. 

SUCHIEZ Kt., Bez. und Gem. Neuenburg). 545 m. 
Gruppe von 8 Häusern am S -Hang der Höhe des Chanel 
und über den Weinbergen. 2 km W. Neuenbürg, 64 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Serrieres. Hie Hauser sind in 
einer Flucht aneinandergebaut und stark verwahrlost. 
Sie waren früher ausschliesslich von Bebleuten bewohnt 
und sollen in Balde niedergerissen werden, um einem 
Villenviertel Blau zu machen. 

such Y , Kt. Waadt, Be/.. Yverdon). 585 m. Gem. und 
Dorf auf einer Hochebene des w. Jorat. zwischen der 
Mündungsebene der Orbe und dem Thal des Buron, an 
der Strasse Penthe>daz-Fpendes. 7.2 km bsw. Yverdon 
und 3,8 km nö. der Station Chavornay der Linie Neuen- 
burg-Lausanne. Strassen nach Chavornay und nach Essert- 
Pittet. Postablage, Telegraph, Telephon. 68 Häuser, 345 
reform. Ew. Bildet mit der Gemeinde Corcelles sur Cha- 
vornav eine gemeinsame Pfarrei. Acker- und etwas Wein- 
bau. h<. Suzchie und Solpiacum; 1218: Suichie; 1270: 
Suchiez ; 1317 : Suchye. Gehörte zunächst dem Bistum 
Lausanne und im 12. Jahrhundert grösstenteils zur Herr- 
schaft Bavois, um dann an die Herrschaft Belmont und 
nachher mit dieser an die Herren von Grandson La ')>«•- 
mouille zu kommen. 1564-1796 unter bernischer Hoheit. 
1 km nö. vom Dorf soll zwischen zwei Tobein ein Befugium 
der Helvetier gestanden haben, von dem noch ein Wall- 
rest sichtbar ist und an dessen Stelle später ein Schloss 
Bavenel trat, über welches aber alle Nachrichten fehlen. 
Bömische Buinen bei Le Mellay 1 km n. vom DorfSuchy. 
Burgundergräber bei Le Tombay. Vergl. Henrtoud. Marc. 
La conimunaule et le$ gen» de Suchy jun/u'au XVIII' 
tiecle. Lausanne 1905. 

SUCHY (BOIS DO (Kt. Waadt, Bez. Yverdon). 560- 
610 m. Wald im w. Jorat, zwischen der Ebene der Orbe 
und dem Thal des Buron, 1 km ö. vom Dorf Suchy. Am 
Weg von Suchy nach La Hobellaz und Essertines. Etwa 
250 ha Fläche. 

buche (LE) (Kt Neuenburg. Bez. Val de Travera). 
1130-736 m. Linksseitiger Zulluss der Areuse; entspringt 
am Grit de l'Oura, durchmesst die Combe von Tremal- 
mont, bricht mit der kleinen Cluse des Cambuites durch 
die Kelle des Malmoni und wendet sich durch ein schönes 
Waldthälchen. wo ihm die von Les Sagnettes herab- 
kommenden Wasser und die Chauderette zugehen, gegen 
das Dorf Couvet, in dem er mündet. 5,5 km lang. War 
früher ein ziemlich gefährliches Wildwasser, unterdessen 
Ausbrüchen das auf seinem Schuttkegel stehende Dorf 
Couvet öfters zu leiden hatte. Das tiefe Sucrethal wird n. 
Couvet von einem 1858 erbauten, schönen 6 bogigen Via- 
dukt der Bahnlinie Neuenburg-Pontarlier überschritten. 
Nahe dabei mächtige Kiesgruben mit prachtvoller Delta- 
schichtung. Best eines vom Bach in den ehemaligen See 
des Val de Travers hinausgebauten Deltas. 

SÜDELBACH (Kl. Luzern, Amt Entlebuch). 1340- 
960 m. Bach ; entspringt am Wagliseiknubel und mündet 
nach 3 km langem Lauf s. der Hirsegg von links in die 

Suderen und suderenhubel (Kt. Bern, 
Amtsbez. Thun, Gem. Wachseldorn und Ober Langenegg). 
909 m. Gruppe von 8 Hausern mit Gasthof und Muhle, an 
der Strasse Schwarzenegg-Hutenbach und 13 km nö. der 
Station Steflisburg der Linie Rurgdorf-Thun. Postablage, 
Telephon ; Postwagen Thun - Schwar/enegg - Beienbach. 
66 reform. Ew. Kirchgemeinde Heimenschwand. Wiesen- 
bau, Viehzucht und Milchwirtschaft. Hier zweigt die 
Schallenbergstrasse nach Schangnau ab, die die kürzeste 
Verbindung zwischen Thun und dem Kntlebuch darstellt. 



SUE 

I Der in Süderen einst vorhandene grosse erratische Block 
ist 1837 zum Bau der Kirche Heimenschwand verwendet 
worden. 

SÜDLENZJOCH l Kt. Wallis. Bez. Visp). Pass. S. 
den Art. Egui'ass. 

SÜDLENZSPITZE oder LENZSPITZE I Kt. 

Wallis. Bez. Visp). 4300 m. Gipfel in der Kette der Mi- 
schabelhörner; auf dem den Dom mit dem Nadelhorn 
I verbindenden Kamm zwischen dem Lenzjoch (oder Nord- 
I lenzjoch) und dem Eggpass ■oder Sudlenzjoch). Frster 
Aufstieg (über den SW.-Grat) 1887. Die schwierige Be- 
steigung erfordert von der Mischabel- oder Schwarzhorn- 
hülte (Nachtquartier) her 7 Stunden. 

SÜLLEN BACH (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald. 
Gem. Sumiswaldi. 740 m. Gruppe von 5 Häusern. 1 km 
w. Wasen und 4 km ö. der Station Sumiswald der Linie 
Bamsei-Huttwil. 43 reform. Ew. Kirchgemeinde Wasen. 
Sage. 

SU EN (Kt. Wallis, Bez. Herens. Gem. Saint Marlin). 
1403 m. Sehr sonnig gelegenes Dorf, im Eringerthal 
(Vallee d'Herens) gegenüber der Mündung des Val 
d'Heremence und am W.-Puss der Maja (293o m); 1 km 
nw. Saint Marlin. 3 km ö. Her^mence und 12 km so. vom 
Bahnhof Sitten. 60 Häuser. 257 kalhol. Fw. Kirchgemeinde 
Saint Martin. St. Bernhardskapelle. Landwirtschaft. Säge. 
Das heute noch die umfangreichste Siedelung der Ge- 
meinde bildende Dorf war schon im 11. Jahrhundert der 
Kern einer das ganze mittlere Eringerthal umfassenden 
Herrschaft, die durch Aymon von Savoyen gleichzeitig 
mit Orsieres im Entremont, der Burg Saillon und der 
Herrschaft Ayent an das Domkapitel zu Sitten kam, später 
aber wieder dem Haus Savoyen zufiel und 1560 vom Bis- 
tum zurückgekauft wurde. Das Dorf wurde im Baronk rieg 
von den Männern aus Conthey verbrannt und auch 1777 
wiederum durch eine Feuersbrunst fast vollständig zer- 
stört. 1052: Suanis: 1131: Suen; 1200: Suaig; 1331: 
Suench; 1417: Sueyn und Suyn. Der Name ist als Suin 
auszusprechen. 

8ÜNIKON (Kt. Zürich, Bez. Dicbdorr. Gem. Stein- 
maur). 470 m. Gemeindeabteilung und Dorf. ö. der Lägern 
untM km w. der StfttlOD Sleinmaur der Lmie OberglaU- 

reform. Ew. f Dorf : 4? Häuser. 292 Fw. Kirchgemeinde 
Sleinmaur. Landwirtschaft. 897: Zurrinchova In der 
Gegend von Bürgli und Bürgliwiese mag ein Weierhaus 
gesunden haben, in dein die 1281-1343 genannten von 
Sünikon, Dienstleute der Freiherren von Hegensberg, ge- 
haust haben können. 

SÜRI (Kt. Bern, Amtsbez. Laupen, Gem. Neuenegg). 
605 m. Gemeindeabteilung und Dorf in zpm teil sumpfi- 
ger Gegend, am W -Band des Forst und an der allen 
Strasse Bern-Laupen: 3,5 km nö. Laupen. Telephon. Zu- 
sammen mit Bärflschenhaus, Schürholz, Sürihubel und 
Thal : 67 Häuser. 434 reform. Ew. ; Dorf: 33 Häuser. 205 
Ew. Kirchgemeinde Neuenegg. Landwirtschaft. 

SÜRIHUBEL ( Kt. Bern, Amtsbez. Laupen, Gem- 
Neuenegg). 615 m. Gruppe von 7 Hausem auf einer An- 
höhe am W.- Rand des Korst; 2,5 km s. der Station Rosa- 
hausern der direkten Linie Rern-Neuenburg- 44 refonn. 
Ew. Kirchgemeinde Neuenegg. Landwirtschaft. 

SÜRISOUT (Kt. Bern, Amtsbez. und Gem. Trachsel- 
wald). 850 m. Drei Höfe im Händschigraben; 4,5 km 
nö. d*r Station Zollbrück der Linie Burgdorf - Langnau. 
33 reform. Ew. Kirchgemeinde Trachselwald. Wiesen- 
bau. 

8ÜRPFEN (IN DER) (Kt. Luzern. Amt Hochdorf. 
Gem. Inwil). 526 m. Gruppe von 3 Häusern, 3 km n. In- 
wil und 4 km nw. der Station Giaikon der Linien Zürich- 
Luzern. 20 kathol. Ew. Kirchgemeinde Inwil. Ackerbau 
und Viehzucht. 

SOS, roman. Susen (Kt. Graubünden, Bez. Inn, Kreis 
Obtasna). 1429 m. Gem. und Pfarrdorf am Inn und an 
der Mündung der Susasca, an der Vereinigung der Flüela- 
strasse mit der Engadiner Thalstrasse und 31 km nö. der 
Station Bevers der Albulabahn. Postbureau, Telegraph ; 
Postwagen SchuU-Samaden und Davos Plalx-Flüela-Süs. 
78 Häuser, 349 Ew.. wovon 279 Beformierte. Mit Aus- 
nahme von 71 Deutschsprechenden und 30 Italienisch- 
sprechenden sind die Bewohner romanischer Zunge. 
Wiesenbau und Viehzucht; AlpwirUchaft. Gegenüber 



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SUK 



SÜH 



Süs erheben sich rechts über dem Inn die Hügel Caschi- 
nas, Petnal und Casllins. die alle drei von festen Burgen 
gekrönt gewesen sein sollen. Wahrend man auf Caschi- 
nas noch gut erhaltene Mauerreste sieht, ist auf 
Pelnal und Castlina jede Spur solcher ehemali- 
ger bauten verschwunden. Süs ist die Heimat 
<les Reformators Ulrich Campell (1504-1582;. des 
Vaters der bündnerischen Geschichtschreibung, 
der hier lange Zeit als Pfarrer wirkte, sowie des 
Martin Planta 1 1727-1772). der das berühmte, spa- 
ter nach Marschlins verlegte Seminar Haldenstein 
gründete. Im Schwabenkrieg von I49Ö wurde Sus 
durch die Kaiserlichen in Asche gelegt. 1537 fand 
hier das HeligionBgespräch statt, das die Einfüh- 
rung der Reformation im ganzen Engadin zur 
Folge hatte. 1622 verjagten die Rundner die unter 
Baldiron eingedrungenen und hier verschanzten 
Oeslerreicher, die sich nun ins Münsterthal 
zurückzogen. Herzog Rohan erkannte die stra- 
tegische lledeutung der Lage von Süs und Hess 
an dieser Stelle Befestigungen errichten, deren 
Fortezza Suot und Fortezza Sura (untere und obere Feste) 
genannten Reste man heute noch erkennen kann. Zu 
Campells Zeit fand man 1572 an der Stelle der spätem 
Fortezza Sura römische Münzen und WalTen, wie solche 
nebst einem Bronzedolch letzthin auch im Schutt des 
Hügels CaschinaH 711m Vorschein gekommen sind. 1161 : 
in Vico Susis. 

SÜSERTHAL Kt. Graubünden, Bcz.Ober Landquart). 
2600-1920 m. Südöstlichst« Verzweigung des Vereinathals, 
welch letzteres sich bei der Alp Novai etwa 6 km ö. Klo- 
sters im Prätigau mit dem Sardascalhal vereinigt und so 
das eine ljuellthal der Landquart bildet. Das Süserthal 
zweigt bei der Alp Fremd Vereina 1 km s. der Vereina- 
hütte des S. A. C. vom Vereinathal ab und steigt ö. und 
so. empor zum Flesspass (2452 in) und Vereina- oder 
Valtortapass (2651 m), die beide ins Engadin nach Süs 
bezw. Lavin führen. Ueber den Vereinapass geht ausser- 
dem der Hauptzugang von der Vereinahutte, also von der 
\V.- oder Prätigauer Seite her zum Piz Linard. Dadurch 
erhalt das Süserthal eine gewisse touristische Bedeutung. 
Diese wird noch erhöht durch die gewaltigen Platten- I 
und Ungeheuerhörner. die die N. -Seite des Thals bilden 
und zu den Lieblingszielen kletlergewandter Touristen 
gehören, die in diese Gegend kommen. Den Namen hat 
das Thal aus der Zeit herüber gerettet, da seine Alpen 
noch Eigentum der Gemeinde Süs im l'nter Engadin ! 
■waren. 

SOSSBACH (Kt. Aargau, Bei. Brugg). 400-338 m. 
Bach ; entspringt auf dem Birrfeld, fliesat zwischen der 
Strasse und der Bahnlinie Wohlen-Brugg nordwärts und 
mündet westl. Brugg von rechts in die Aare. 5 km lang. 

süs8wiNKELkt St. Gallen. Bez. Ober Rheinthal. 
Gem. Eichberg). 560 m. Weiler, 900 m sw. Eichberg und 
4 km nw. der Station Oberriet der Linie Rorschach-Sar- 
gans. 21 Häuser, 83 reform. Ew. Kirchgemeinde Eich- 
berg. Obelbau und Viehzucht. Holzhandel. 

8UFER8 (Kt. Graubünden, Bez. Hinterrhein, Kreis 
Bhe inwaldf. 1424 m. Gem. und Pfarrdorf auf einer schönen 
Terrasse am linksseitigen Gehänge de* Rheinwald und 
am Fuss der Berge von Annarosa, 23 km sw. der Station 
Thusis der Albulabahn. Postbureau. Telegraph (im Som- 
mer); Postwagen Thusis-Viamala-Splügen. 24 Häuser, 
104 reform. Ew. deutscher Zunge. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Kimatischer Kurort mit Hotel. 

8UQEN (Kl. Aargau, Bez. Aarau. Gem. Erlinsbach). 
400 in. O.-Teil des Dorfes Erlinsbach, 3 km w. vom Bahn- 
hof Aarau. II Häuser, 114 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Erlinsbach. Weinbau, Viehzucht und Milchwirtschaft. 
Spinnerei. 

SUQOITHURM (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken). 
*20H6 m. SW. -Gipfel des Kammes des Augstmatthorns (9006, 
9061 und 2140 mi. in der den Rrienzersee im NW. beglei- 
tenden Kette, bequemer Aufstieg von Oberried über die 
Hütten von Schwendi in 4'/« Stunden, von Habkern über 
die Lombachalp in 3 Stunden oder auch von t'nterseen 
über den Grat des Härder in 5 Stunden. Prachtvolle Aus- 
sicht auf die Riesen des Berner Oberlandes. 

SUGIEZ (Kt. Freiburg. Bez. See, Gem. Bas Vullvj. 
441 rn. Gemeindeabteilung und Dorf zwischen der kanali- 



sierten Broye und dem Murtensee, am SO.-Fuss des hier 
mit Reben bestandenen Mout Vully oder Wistenlacher- 
berges. 4 km n. Murten. Dampfschiifstation {Neuenburg- 




Sagiez geg«n den Moni Vully. 

Murteni und Station der elektrischen Bahn Ins-Murtcn- 
Freiburg. Postbureau. Telegraph, Telephon. Zusammen 
mit Grand Marais und Bellechasse : 81 Häuser. 478 reform. 
Ew. französischer Zunge ; Dorf: 67 Häuser, 317 Ew. Kirch- 
gemeinde Mötier. Acker-, Wein-, Gemüse- und Obstbau, 
Viehzucht und Fischfang. Branntweinbrennerei. Wein- 
handel. Die drei schön gelegenen Dorfer Praz, Nant und 
Sugiez zeigen eine nahezu ununterbrochene Folge von 
Häusern und bergen eine lebhafte, gastfreundliche und 
tätige Bevölkerung. Kantonale Ackerbaukolonie Belle- 
chasse. Am Murtensee ein Pfahlbau: 1162: Solzie ; 1445: 
Sougy, Sougiez; 1668: Susi; 1788: Saugy. 

SÜQNEN8 (Kt. Waadt. Bez. fcchallens). 677 m. Gem. 
und kleines Dorf im w. Jorat, nahe der Quelle des Saute- 
ruz und zwischen den Strassen Echallens-Payerne und 
Echallens-Moudon ; 3.5 km nö. Echallens. Station der 
Linie Lausanne-Bereiter. Postablage, Telegraph, Tele- 
phon. 36 Häuser, 199 reform. Ew. Kirchgemeinde Dom- 
martin. Landwirtschaft. Pferdehandel. Das Dorf gehörte 
im Mittelalter zum Mandament Dommartin und stand mit 
diesem unter dem Domkapitel zn Lausanne, dem die 
Rechte 1212 von der Abtei Montherond abgetreten wor- 
den waren. Um 1790 deckte man nahe dem Dorf ein 
grosses burgundwehes Gräberfeld auf, dessen einzelne 
Gräber zum Teil im anstehenden Sandstein ausgehöhlt 
und mit Steinplatten bedeckt waren, sowie Schwerter. 
Fibeln etc. bargen. 1177 und 1282: Sugnens; 1238: Sug- 
neins; 1453: Sugnyens. Vom germanischen Personen- 
namen Sunno herzuleiten. 

8 uhr, SUR, SAR, SOR etc. Allgemein verbreitete 
Flussnamen. Diese Formen gehen auf eine uralte indo- 
europäische Wurzel (Sanskrit tru) zurück, die einfach 
« (Hessen • bedeutet. Suhr also — Fluss. Hierher sind 
auch zu stellen die Ortsnamen Sursee und Surenen. 

SUHR oder IUHRI (Kt. Luzern, Amt Sursee. und 
Kanton Aargau. Bez. Zoflngen und Aarau). 507-360 m. 
Rechtsseitiger Zulluss der Aare. Entspringt im Kanton 
Luzern dem Sempachersee (507 m), denaie etwas s. Sursee 
bei den « Seehäusern ■ verlässt. Hierauf durchmesst sieden 
Ort Sursee (506 m) und wendet sich dann in nnw. Richtung 
gegen das weite, flache und fruchtbare Suhrenlhal hin. 
zwischen den Ortschaften Knutwil und Büron, Triengen 
und Reitnau vorbeiziehend, die abseits der flachen, teils 
etwas sumpllgen Thalsohle an den seillichen Hängen 
liegen. Bei 482 m im • Unterwehrli » ö. Reitnau tritt die 
Suhre an den Kanton Aargau und bildet auf etwa 1300 m 
Länge die Grenze zwischen ihm und Luzern, um dann 
ganz in den Aargau einzutreten. Bei Schöftland (453 mi 
empfängt sie die Ruederchen aus dem Ruederthal. In 
langsamem und gewundenem Lauf zieht sich die Suhr 
dann bei den Orten Hirschthal. Muhen und Ober Ent- 
felden vorbei. Ueberall gibt sie Wassergräben und Ka- 
näle zum Betrieb von Muhten, Sägen und Fabriken der 
Textilbranche ab. Bei Unter Entfelden mündet von links 
die Uerke (413 m) und biegt die Suhr. dem Gonhard- 
berg ausweichend, nach NO. um. Im Dorf Suhr gibt sie 
den » Stadtbach « nach Aarau ab und biegt dann nach N. 
ab, um nun in gerader Richtung über Buchs nacli der 
Aare zu (Hessen. In letzter Ortschaft nimmt sie die Wina 



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1U 



SUII 



SUL 



auf (380 m). Sie ermesst sich gegenüber Kirchberg, 2 km 
unterhalb Aarau, von rechts in die Aare. Auf ihrem etwa 




Snbr (GsmaiDde- und Schulhiui). 

31 km langen Lauf und bei einem Gesamtgefälle von 
147 m wird ihre Wasserkraft beständig ausgenutzt. Eine 
grosse Rolle spielen, namentlich im untern Thalabschnitt 
zwischen Suhr. ßuchs und der Aare, auch die zu Be- 
wässerungszwecken vom FliisBchen abgezweigten Kanäle. 
Einzugsgebiet etwa 373 km 1 , Minimal wassernienge etwa 
1,5-2 m\ grosste Wasserführung etwa 160-200 m* in der 
Sekunde. 1036: Suron; 1210: Surannum Humen; 1241: 
Sure. 

SUHR r Ki. Aargau, Bez. Aarau). 410 m. Gem. und 
Pfarrdorf, am linken Ufer der Suhr und 3,5 km sö. 
Aarau. Station der Linien Aarau-Suhr- Wettingen, Aarau- 
Suhr - Zofingen und der elektrischen Winenthalbshn 
i Aarau- Kulm-Menzikeni. Postbureau, Telephon. Gemeinde, 
mit Oberester. Distelmatlen und Lätt: 208 Häuser. 1808 
Ew. (wovon 79 Katholiken der Pfarrei Aarau); Dorf: 182 
Häuser, 1613 Ew. Acker- nnd Obstbau, Viehzucht und 
Milchwirtschaft. Giesserei, Seidenbandweberei. Strick- 
warenfabrik, chemische Hadern Wäscherei. Suhr ist die 
Mutterkirche von Aarau und wurde einst vom Stift Mün- 
ster aus besetzt, dem die Kollatur 1408 von Oesterreich 
geschenkt worden war und das sie bis 1857 beibehielt, 
worauf sie an den Staat Aargau überging. Fund eines 
Schalensteines zwischen Suhr und Entfelden, eines Stein- 
beiles im Oberthal und eines Grabhügels aus der Eisen- 
zeit im Eicheneinschlag beim Grossfeld. Römische Mün- 
zen und Alemannengräber. 1834 suchten zwei Feuers- 
brünste, die vielen Personen den Tod brachten, das Dorf 
heim. 1045: Sura; 1173: Suron; 1257: Suro. 

8UHRE (AUF DER) iKt. Aargau. Bez. Kulm. Gem. 
Schlossmed). 515 m. Gruppe von 8 Häusern, auf einer 
Anhöhe links über der Ruederchen und 2 km sö. der 
Station Schottland der elektrischen Suhrenlhalbahn 
i Aarau-Schöftland). 37 reform. Ew. Kirchgemeinde Rued. 
Viehzucht und Milchwirtschaft. 

• UINO (Kt. Tessin, Bez. Lugano, Gem.Sessa). 405m. 
Weiler am Rand der vertorften Wiesen der Prati Ver- 
gani. die einen alten Seeboden darstellen; 6 km nw. der 
Station Ponte Tresa der Linie Luino-Ponte Tresa. 19 
Häuser. 84 kathol. Ew. Kirchgemeinde Sessa. Ackerbau 
und Viehzucht. GenosseiiHchnftsmolkerei. Periodische 
Auswanderung der jungen Männer als Maurer, Maler und 
Gipser in die übrigen Kantone. 852: Sovinno. 

SUJET (MO NT), deutsch SmzKM (Kt. (lern. Amls- 
bez. Neuensladt). 1286 m. Ein dem Chasseral nach O. 
vorgelagerter und von ihm durch das Längsthälrhen der 
Pres Vaillons getrennter Jurakamm, unmittelbar n. über 
der Hochfläche des TVssenherges r.Montagne de Diesse) 
und 5 km n. der Station Twann der Linie Biel-Neuen- 
burg. Hat die Gestalt einer unregelmässigen Ellipse und 
raisst in der Längsrichtung SW.-NO. 7 km, sowie in der 
Breite So. -NW. 2,3 km. Die Gehänge sind ringsum mit 
«chonen Tannenwaldungen bekleidet, auf die nach oben 
Sennberge folgen. Wi sll. vom Mont Sujet führt ein guter 



Weg durch die Combe des Pres Vaillons nach Orvin und 
o. davon das Strässchen von Diesse über Lamboing, das 
der ehemaligen Römerstrasse iVy d'Etra und 
Chemin des Muletsi folgt, ebenfalls nach Orvin. 
Zum Spitzberg hinauf leiten von Diesse und 
Lamboing ausgehende Fusswege. Aussicht auf 
das Mittelland und die Alpen. N'ach NO. ent- 
wässert sich der Kamm durch den Bach von 
Orvin zur Schüss, während die Wasser des 
SW. -Abschnittes durch den Twannbach direkt 
zum Bielersee gehen. Die magern Sennberge 
tragen einige standig bewohnte Meierhöfe. To 
den Felsen des S.-Fusses findet sich am Ein- 
gang ins Thilchen des Jorat ein interessanter 
Standort des Geranium nodotum, einer aas 
dem Mittelmeergebiet stammenden Pflanzenart. 
Geologisch bildet der Spitzberg ein ellipsenför- 
miges Gewölbe aus obern Jurakalken (Port- 
land und Kimeridge), das gleichsam als ent- 
fernte Fortsetzung des Kammes von Chätol- 
lion am NW. -Rand des Tekenberges in die 
Höhe steigt und gegen das Thälchen von Orvin 
wieder untertaucht. Während die das Gewölbe 
von der Seekette trennende Mulde des Jorat 
Neokom und Molasse einschliesst, besteht die- 
jenige der Pres Vaillons ausschliesslich ans 
Portlandkalken. 

SU LA (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 2700-2300 m. Kleines 
Thilchen der Landschaft Samnaun. Es beginnt etwas ö. 
unter der Passhöhe des Samnaunerjochs, steigt in massi- 
ger und ziemlich gleichmassiger Steigung südwärts gegen 
Piz Boz und Prz \adret empor und ist Im hintern Teil 
mit Eis und Schnee, im vordem Teil mit Schutt erfüllt. 
Nach der Siegfriedkarte soll das Thälchen keinen ständi- 
gen Abfluss haben, was wohl nur so zu erklären ist. dass 
das Schmelzwasser des Gletschers unter dem Moränen- 
schutt versickert und dann erst ausserhalb des Thälchens 
wieder zu Tage tritt, um sich dann bald von rechts mit 
dem Samuaunerbach zu vereinigen. Einst muss das ganze 
Thälchen vom Gletscher erfüllt und auch von diesem 
durch Gletschererosion geschaffen worden sein, worauf 
seine breilmuldenformige Gestalt hinweist. 

SU LD (IM) (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen , Gem. 
Reichenbach). 1042 m. Sägerei mit einigen Hutten im 
Suldthal. an der Vereinigung des vom N.-Hang des Drei- 
spitz und Lattreieniirst herabkommenden Baches mit dem 
Lattreienbach. Fahrstrasse nach Aeschi. Etwas weiter oben 
bildet der Lattreienbach den schönen Pochlenfall. Von 
Im Suld führt ein Saumweg nach der Lattreienalp im 
Thalhintergrund, um sich von da einerseits über den 
Tanzbödelipass ins Saxetenthal und nach Inlerlaken. an- 
drerseits über die Eggalp in den Spiggengrund und nach 
Kienthal zu verzweigen. Uebergang nach Kienthal auch 
direkt vom Im Suld über die zwischen Dreispitz und 
Wetterlatte eingesenkte Benggalp. Im Suld ist ein be- 
liebtes Ausflugsziel der Kurgäste von Aeschi. Schöne 
Berglandschafl mit viel Wald. 

SULDALPEN (OBERE) (Kt. Bern, Amtsbez. Fruti- 
gen. Gem. Beichenberg)- 1265 m. Alpweide in dem bei 
der Säge Im Suld zum Suldthal sich öffnenden Thälchen. 

8 U LD B ACH Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen >. 2000-693 in. 
Wildbach; entspringt in dem durch die mächtigen N.- 
Wände der Schwalmeren und den O.-Abfall der liruppe 
des Dreispitz gebildeten Felskessel der Lattreienalp. 
heisst zunächst Lattreienbach, bildet oberhalb der Säge 
Im Suld den schönen Pochtenfall und erhält den aus dem 
Thilehoa der Oheren Suldalpen von links kommenden 
kleinen Bach, um nun unter dem Namen Suldbach nord- 
westwärts zu fliessen. eine bewaldete Mündungsschlucht 
zu bilden, sich nach W. zu wenden und nach 13 km 
langem Lauf bei Mülinen von rechts sich mit der Kander 
zu vereinigen. Bildet die Grenze zwischen den Gemeinden 
Reichenbach und Aeschi Schwillt bei Hochwasser stark 
an und hat das Dorf Mülinen schon oft unter Wasser ge- 
setzt. Von seinem Austritt aus der Mündungsschlucht an 
ist der Suldbach korrigiert und Iiiesst nun in gemauertem 
Kanal mit kleinen Thalsperren der Kander zu (Ausgaben : 
63160 Fr.). Einzugsgebiet 26 km 1 . 

suldmalten (Kt. Bern. Amtsbez. Frutigen. Gem. 
Aeschi i. 830 m. Gemeindeabteilung und Dorf so. Aeschi 



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SUL 



SUL 



725 



und rechts vom Suldbach. Zusammen mit Hundbuhl: 35 
Häuser, 159 reform. Ew. Kirchgemeinde Aeschi. Land- und 
Alpwirtschaft. Sommerfrische mit Gasthöfen. 
In einem Wald rechts der Strasse Mülinen- 
Aeschi sieht man einige Mauerreste, über deren 
Herkunft keinerlei Nachrichten Auskunft ge- 
ben. 

8ULDTHAL ■Kl. Bern, Amtsbez. Fruti- 
gen). 2000-683 m. Kleines Thal in der Schwal- 
inerengruppe. Es beginnt am N. -Absturz der 
Schwalmeren in dem Felsenkessel der Latt- 
reienalp und senkt sich, mit dem Thunersee 
und dem Kienthal parallel laufend, in NW. 
Richtung, von ersterem durch das Morgen- 
berghorn und seinen nördl. Ausläufern, von 
letzterem durch den Stock des Dreispitz und 
die ihm vorgelagerte Engelgruppe getrennt. 
In seiner oberen Hälfte lief eingeschnitten, 
bildet es in seinem untern Abschnitt eine 
zwischen den sanft ansteigenden Hängen 
von Aeschiried und der Falschenallmend wenig 
tief eingegrabene Erosionsschlucht, die sich 
oberhalb Mülinen von rechts ins Kanderthal 
öiTnet. Das Thal ist vom Suldbach durch- 
flössen und reich an Waldungen und Alpen. 
Ein Fahrsträsschen führt von Aeschi bis zur 
Säge Im Sil M hinauf, von wo sie sich als 
Saumpfad bis zur Lattreienalp fortsetzt, Leber- 
gange führen aus dem Hintergrund des Thaies 
nach Sazeten und Interlaken über den Tanz- 
bodelipaBs (1880 m), und über die Eggalp 
(1905 m) nach dem Kienthal. Das Thal ist reich 
an schonen Landschaftsbildern, unter welchen 
besonders der sehenswerte Fall des Thalbaches 
hinter dem Weiler Im Suld bekannt ist. Das 
Thal weist Spuren alter Ansiedelung auf. Auf 
der Gräberenalp, an der rechten Thalseite, 
will man das Dasein prähistorischer Grabhügel konsta- 
tiert haben. Schon im Mittelalter war das Tlial mit sei- 
nen Alpen befahren. Der Suldbach wird 13U0 urkundlich 
genannt, und die Alp Latlieien erscheint als I-ntrion im 
15. Jahrhundert als Besitz der Lombach und Scharnach- 
thal. 

8ULEOQ (Kt Bern. Amtsbez. Interlaken). 2412 in. 
Gipfel in der das Lauterbrunnenthal vom Kien- und Suld- 
thal trennenden Kette und in dem von der Schwalmeren 
her zwischen das Saxeten- und das Sauslhal sich ein- 
schiebenden Kamm, der mit den Lobhörnern (2570 m.) 
kulminiert und sich über die Sulegg zum Bellenhöchst 
fortsetzt, um sich von hier zur Lütschine zu senken. N.- 
Hang zerrissen und von Lawinenzügen durchfurcht, in 
denen sich der Schnee bis zum Sommer zu halten ver- 
mag. Der leicht zugängliche Kamm gehört zur Sulsalp, 
welche von dem am SO. -Hang des Sulegggrates entsprin- 
genden Sulsbach entwässert wird. Aufstieg in 4 Stunden 
von Isenlluh über die Sulsalp oder von Saxeten her über 
die Beilenalp. Grossartige Aussicht auf Jungfrau und 
Wetterhorner. 

SULEH spitz oder PIZ VADRET (Kt. Grau- 
bünden, Bez. Inn). 3045 m. Gipfel im Hintergrund des 
Val Sula, des obersten rechtsseitigen Seitenthälchens des 
Samnaun. Nach S. fällt er wie seine Nachbarn Piz Hoz 
und Piz ChaminH mit schroffen Wänden zum Val Boz, 
dem obersten Teil des bei Betnüs ins Euter Engadin mün- 
denden Val Sinestra ab. 

SU LG EN (Kt. Thurgau. Bez. Bischofszelli. 47i in. 
Gem. und grosses Pfarrdorf auf einer Anhohe rechts über 
der Thür; 7 km nw. Bischofszell. Station der Linien 
Zürich- Winterthur-Bomanshorn und Sulgen-Gossau. Post- 
hureau, Telegraph. Telephon. Gemeinde, mit Bleiken, 
Belang, Götighofen, Göppertshausen, Kradolf, l'nterau 
und Hiedt:304 Häuser, 18b6 Ew. (wovon 365 Katholiken); 
Dorf : 106 Häuser, 016 Ew. Wiesen-, Garten- und Obst- 
bau. Je eine mechanische und eine Schifllistickerei, da- 
neben auch Stickerei als Hausindustrie. Schöne Aussicht 
ins Thurthal und auf den Säntis. Aleinannensiedelung : 
806 Sulaga und 1151 Suligen. 1468 zählte Sulgen »»Feuer- 
stätten und 142 waffenfähige Männer. Es gehörte zur 
Propslei Bischofizell, die zur Zeit der Beformation den 
Evangelischen viele Schwierigkeiten machte. Die Parität 



in der Kirche datiert seit 1535. Als Pfarrer wirkte hier 
1623—1635 Bartholomäus Anhorn, ein Bündner. der ver- 




Daa Suldlbal vom Nieien bar. 

schiedene Werke iz. B. über den Velllinermord und 
Polemisches gegen Pfarrer I .angin Frauenfeldi geschrieben 
hat. In der Pestzeit von 1629 starben in Sulgen und 
Bürgten binnen 10 Monaten 837 Personen. Ferner starben 
im Hungerjahr 1692 nicht weniger als 100 Personen. 1763 
baute Erlen seine eigene Kirche, der es aber erst 1819 
einen eigenen Kirchhof hinzufügte. In Sulgen versam- 
melte sich zu verschiedenen Malen die Tagsatzung der 
den Thurgau regierenden Orte. Vergl. Kreis, J. G. Ge- 
schichte der ursprünglichen Kirchhüre Sulgen. Bischofs- 
zell 1896. 

BULGENBACH ( Kt. und Amtsbez. Bern). 600-510 m. 
6 km langer Bach ; entspringt beim Weiler Lehn etwas 
w. Köniz, treibt eine grosse Säge, durchzieht daa Liebe- 
feld und wendet sich bei llolligen nach SO., um nun, 
mehrere Mühlen und Fabriken treibend, rasch gegen daa 
Marziii (die ehemalige Au) zu lliessen und nahe der Gas- 
fabrik Bern in einen von der Aare abgezweigten Fabrik- 
kanal zu münden. 

BULGENBACH (Kt., Amtsbez. und Gem. Bern). 
523 m. Aussenquartier von Bern, sw. der Altstadt vom 
Mattenhof bis zur stadtischen Gasfabrik reichend. Slras- 
senbahn. Vom Sulgenbach durchflössen und nach ihm 
benannt. Kirchgemeinde lleiliggeist. Hier standen zu- 
nächst wahrscheinlich die DörferOber und Nieder Sulgen, 
deren Bewohner seit 1367 ins Berner Bürgerrecht aufge- 
nommen waren. Später wurde Sulgenbach zu einer Vor- 
stadt des alten Bern, die besonders Mühlen und daneben 
auch noch einige Landhauser städtischer Patrizier zählte. 
Das Quartier hat seit etwa 10—15 Jahren einen beträcht- 
lichen Aufschwung genommen. Reparaturwerkstätten und 
Betriebsleitung der städtischen Strassenbahnen. Neues 
Schulhaus. Die ehemalige Wiese zwischen Sulgenbach 
und der Könizslrasse ist heute mit Einfamilienhäuschen 
überbaut, die beim Mittelstand sehr beliebt sind. Weiter- 
hin erheben sich Landhäuser und Villen, die zum Teil 
wahre Luxusbauten darstellen. Industrielle Betriebe: 
Metallwaren- und Haushaltungsartikelfabrik, eine Ger- 
berei, eine Parketterie, eine L'hrenzeigerfabrik etc. 

sulgone (Kt Teaain. Bez. Biviera, Gem. Biasca). 
1430 m. Weiler mit dem h. Ludwig geweihter alter kleiner 
Kirche, 7 km nö. der Station liiasca der Gotthard lohn. 
Dieser Weiler war wie alle übrigen Siedelungen im Val 



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726 SUL 

Ponürone bis um* Jahr 1800 «Land ig bewohnt, wahrend 
dann alle Familien nach Biasca hinunter gezogen sind, 
dessen Bevolkerungziffer sie um die Hälfte erhobt haben. 
Heute bringen noch etwa zwei Dutzend Familien den 
Sommer in Sulgone zu. wo sie mit ihren Kühen und Ziegen 
etwa 30 Hutten und Ställe bewohnen. Herstellung von 
Butter und Käse. Schöne Aussicht. 

SULLENS (Kt. Waadt, Bez. Cossonayi. 601 m. Gem. 
und Dorf am W.-Rand eines Plateaus im Bergland des 
Jorat. an der Strasse Cossonay-Cheseaux und nahe der 
Strasse Morges-Kchallens ; 3,8 km oso. der Station Cosso- 
nay der Linien von Lausanne nach Neuenburg und nach 
Po'ntarlier und 3,4 km w. der Station Cheseaui der Linie 
Lausanne-Bercher. Poslbureau, Telegraph, Telephon ; 
Postwagen Gossonay Gare-Cheseaux. Gemeinde, mit En 
Molliesulaz und Orange Neuve : 65 Häuser, 31? reform. 
Ew.; Dorf : 57 Häuser, 263 Ew. Kirchgemeinde Yuftlens 
la Ville. Landwirtschaft. Schöne Aussicht ins Thal der 
Venoge, aufs Mittelland und den Jura. Homersiedelung. 
11H0: Sollens; 1298: Soulcns; 1287: Sullens, vom ger- 
manischen Personennamen Solo oder Sullo herzuleiten. 
Während das Dorf zunächst grösstenteils zur Schlossherr - 
schaft Cossonav gehörte, besassen hier auch die Abtei 
Saint Maurice Im Wallis und andere Klöster ( Haut Cret, 
Romainmötier, Montherond) Güter und Zehnten. Die 
Berner Regierung loste Sullens 1665 von Gossonay ab, 
um es dem Jean PrancoisCharriere, Mitherrn von Penthaz. 
zu verleihen, von welchem es 1692 an Ant. Christophe 
Correvon in Yverdon überging. Erster Herr von Sullens 
mit dem Recht der Gerichtsbarkeit wurde 1712 Hans 
Rudolf Thormann, Ratsherr zu Bern. Schon im folgenden 
Jahr kam Sullens an Francis Louis Mayor aus Mor- 
ges und von diesem durch Erbschaft an das Edelge- 
schlecht der Albenas, das bis 1798 im Besitz der Herr- 
schaft verblieb. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
besass der Pourtalesspital in Neuenburg grossen Land- 
besitz in Sullens, der 1845 an einen aus dem Ort selbst 
stammenden Privaten verkauft wurde. Sullens ist Haupt- 
ort eines im Beraland des Jorat gelegenen und den O - 
Abschnilt des Bezirkes Gossonay umfassenden Ver- 
waltungskreises mit den Gemeinden Sullens. Betlens, 
Bournens, Boussens. Daillen*. Mex, Penthaz und Vufnens 
la Ville (zusammen '2123 Ew.). 

8ULLY DESSOUS und 8ÜLLY DES8US Kl 
Waadt, Bez. Vevey. Gem. La Tour de Peilz). 395-430 m. 
Landhäuser mit schönen Baumgärten und Weinbergen, 
nahe derStation BurierderSimplonbahn. Private Nerven- 
heilanstalt. 

SULSALP (Kt. Bern, AmUbez. Interlaken). 2200 m. 
Alpweide in einem vom Sulegggrat, dem N.-Hang der 
Lobhörner und einem Ausläufer derselben umrahmten 
Hochthalchen, das sich mit drei Stufen nach NO. senkt 
und hoch über Isenfluh zum Lauterbrunnenthal aus- 
mündet. DerdasThälchenentwässerndeSulsbach vereinigt 
sich 3 km oberhalb Zweilütschinen von links mit der 
Weissen I.ü lach ine. Die bis in den Sommer hineinSchnee 
tragende oberste Terrasse hat einen kleinen See. Auf der 
zweiten Thalstufe, dem sog. Fürthal, liegt die Obere Suls- 
alp (2024 m), die nur während sehr kurzer Zeit benutz- 
bare höchste Alpweide dieses Gebietes mit reicher und 
interessanter Flora. Die unterste Thalstufe tragt diel'ntere 
Sulsalp 1 1ÄM m) mit einem zweiten kleinen See. Von 
hier an fiillt das Thälchen mit steilem Gehänge zur Lüt- 
achine herab. Ansliegsroutc auf die Sulegg und die Dolo- 
mitgruppe der Lobhörner. 

8ULBANN», roman. St sai na (Kt. Graubünden. Bez. 
Maloja. Kreis Ober Engadin. Gem. Scanfsl. 1672 m. 
Gruppe von 6 Häusern in dem von links aufs Ober Enga- 
din mundenden Val Sulsanna ; 4.5 km n. Scanfs und 
14,5km nö. der Station Revers der Mbulahahn. 21 reform. 
Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde Scanfs. Wiesen- 
bau und Viehzucht. Weg durch Val Sulsanna und über 
den Scalettapass nach Davos. 

SULSANNA (VAL) (kt. Graubünden. Bez. Maloia). 
Eines der grossem linksseitigen Nebenthäler des Ober 
Engadin. in welches es beim Weiler Capeila i3,5 km unter- 
halt) Scanfs) mündet. Von da steigt es erst langsam, dann 
steiler und zugleich enger werdend hinauf bis zur Alp 
Fontauna. die auch Schafboden genannt wird (2200 nv. 
liier teilt es sich in drei Arme: östl.. dann nonlostl. das 



SUL 

Val Vallorgia zum Piz Vadret und Piz Grialetsch, nördl. 
ein Arm zum Scalettapass und westl. das Val Fontanna. 
Dieses bildet einen ziemlich ebenen, langsam anstei- 
genden Thalboden, den Ilaupiteil der Alp Fontauna, und 
teilt sich dann wittler in zwei Arme, von welchen das 
Val Sertig nord westl. zu den Lais iSeenf da Raveisch. das 
Val del Tschüvel südl. zum Vadret i Gletscher) da Porcha- 
hella ansteigt. Das Gebiet dieser hintern Thalverzweig- 
ungen ist von mächtigen Gebirgsriesen umstanden, von 
welchen Piz Kesch. Piz Forun, Kühalphorn. Piz Vadrvt, 
Piz Gnalelsch und Scalettahorn die bekanntesten sind. 
Auch eine Reihe von Pässen gehen von da aus. Darunter 
hatte früher der Scalettapass als kürzeste Verbindung 
/wischen Davos und Ober Engadin grosse Verkehrsbe- 
ileutung, wovon die teilweite noch vorhandenen Stal- 
lungen und Herbergen in Sulsanna und Dürrboden N.- 
Seile des Passes), sowie das völlig zerfallene Schulzhaus 
auf der Passhohe Zeugnis ablegen. Jetzt ist es auf dieser 
einst so belebten Passroute sehr stille geworden, obwohl 
der Weg gut erhallen uud mit Wegweisern versehen ist. 
Touristisch kommen ferner noch in Betracht der Sertig- 
pass und die Fuorcla d'Alp Fontauna, beide als wichtige 
Zugänge zum Piz Kesch, jener von Davos. dieser von 
Bergun her. Am Rand des prächtigen, tlaohaus^ebreitelen 
Porchabellagletschers steht die Kesch hütte der Sektion 
l'avos des S. A. C. Ein weiterer, jedoch seltener begange- 
ner Pass Tührt an den Raveischseen vorbei ins Val Tuors 
und damit ebenfalls nach Bergün. Von der Alp Fontauna 
an abwärts ist das Val Sulsanna meist schluchtartig eng, 
von hohen und steilen Wänden eingeschlossen und vom 
wilden Sulsannabach durchrauscht. Nur wo das Val Vi- 
luoch einmündet, ist Raum für eine kleine Alp. Von da 
an abwärts stellt auch der Wald sich ein, der an den beid- 
seitigen Gehängen zum Teil bis 2200 m und noch hoher 
reicht. Der steinige, holperige Weg führt bald links, bald 
rechts vom Bach entlang. Im untersten, wieder weiter 
gewordenen Thalabschnitt liegt der von prächtigen Berg- 
wiesen und dunkeln Wäldern umgebene Weiler Sulsanna. 
Von da gelangt man ohne grosseres Gefälle mehr in kaum 
Vi Stunde an die Engadinerstrasse hinaus und auf dieser 
nach Scanfs. Von Capella (1666 m) bis zur Alp Fontauna 
i2l98 mi sind es 9 km Entfernung und 532 m Steigung, 
von da zum Scalettapass noch weitere 2V,km Abstand und 
413 m Steigung, zusammen also mit einigen unvermeid- 
lichen Umwegen und Gegensteigungen für den Fuss- 
gänger rund 12 km Entfernung und 1000 m Steigung, 
wozu bei normalrüstigem Gang etwa 4 Stunden Marach- 
zeit erforderlich sind. 

•Ulsbach (Kt. Bern, Amlsbez. Interlaken). 2194 
bis 1230 m. Wildbach ; entspringt dem Ober Sulssee. 
durchmesst die drei Stufen des Thaies der Sulsalpen 
und vereinigt sich nach 3,5 km langem Lauf von links mit 
dem Sausbach. 

8ULSSKK (OBIR und UNTKR) (Kt. Bern, AmU- 
bez. Interlaken i. 2194 und 1915 m. Zwei kleine Bergseen 
im Thal der Sulsalpen, am O.-Fusa der Sulegg und a km 
nw. tauterbrunnen. Der Ober Sulsseewird von den bis 
spät in den Sommer hinein liegen bleibenden Schnee- 
feldern gespeist und entsendet den Sulsbach. Der dunkel- 
grüne Unter Sulssee bildet einen malerischen Kontrast 
zu den hellfarbigen Felswänden der Thalseiten. 

SULZ. Für sich allein oder in Zusammensetzungen 
in fast allen deutschen Kantonen und namentlich in den 
Berggebielen anzutreffender Ortsname. Von der altger- 
manischen Wurzel »uff, einer Nebenform des altgoti- 
schen »all (lateinisch $al, mltu*) Salz herzuleiten. Im 
Gebirge sind die « Sulzen » solche Stellen, an denen man 
dem Vieh oder Wild ein Gemenge von Salz, Krusch, 
Hafer und allerhand Kräutern zu streuen pflegt i vergl. 
auch den Ausdruck Lecki). Anderwärts bedeutet Sulz 
einen Ort mit noch bestehender oder auch bereits ver- 
schwundener Salz- oder Mineralquelle. 

SULZ (Kt. Aargau. Bez. Baden, Gem. Künten). 3fit> m. 
Dorf am rechten Ufer der Reusa; 1,5 km sw. Künten 
und 4 km nw. der Station Bremgarten der Linie Wohlen- 
Bremg&rten. 24 Häuser, 158 katnol Ew. Kirchgemeinde 
Rohi-dorf. Ackerbau und Viehzucht. Auf der Lebern hat 
mau Reste \on Mauern, ein Mosaikfragment. Ziegel, Mün- 
zen etc. aus der Romerzeit aufgedeckt. 

SULZ (Kl. Aargau, Bez. Laufenburg). 384 m. Gem. 



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SUL 



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und Pfarrdorf, an der Strasse Mönthal-Laulenburg und 
4 km tö. Laufenburg. Station der Linie Koblenz-Stein- 
basel. Postbureau. Telegraph, Telephon. Ge- 
meinde, mit Bütz, Leidiken, Ober Sulz. 
Hheinsulz und Sulzerberg : 190 Häuser. 970 
Ew. (wovon 10 Reformierte); Dorf : 62 Häu- 
ser. 300 Ew. Acker-, Obst- und Weinbau. 
Viehzucht und Bienenzucht, Gipstnühle. Na- 
gelschmieden, Ziegelei, Säge. 

SULZ und OBER SULZ (Kt. Hasel Land, 
Bez. Arlesheim. Gem. Mutten/ 1. 370 und 470 tu. 
3 Höfe ; 1,5 bezw. 2 km s. Muttenz. 3*2 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Muttenz. Landwirtschaft. 

SULZ (Kt. Bern. Amlabez. Oelsberg). Gem. 
und Dorf. S. den Art. Soil.CE. 

SULZ (Kt. Luzern, Amt Hochdorf). 644 m. 
Gem. und Uorf, am SW.-Haug des Linden- 
bergs und 2 km ö. der Station Hitzkirch der 
Seethalbahn ( Wildegg-Emmenbrücke). Tele- 
phon. 22 Hauser, 170 kathol Ew. Kirchge- 
meinde Hit/kirch. Acker- und Obstbau , 
Viehzucht und Milchwirtschaft. Käserei. Vieh-, 
besonders Schweinehandel. Das Dorf ist in 
einem wahren Wald von Obstbäumen aller 
Art versteckt. Im 12. Jahrhundert : Sulzo ; 
1275: Sülze. Gehörte früher zur Schlossherr- 
schaft Heidegg. 

SULZ (Kt. Zürich, Bez. Winterthur, Gem. 
Dinhard). 447 rn. Gemeindeabteilung und Dorf, 3 km ö. 
der Station Dinhard der Linie Winterlhur-Etzwilen-Sin- 
gen. Telephon. Zusammen mit Riedmühle: 34 Häuser. 
154 reform. Ew.; Dorr: 29 Häuser, 128 Ew. Kirchge- 
meinde Dinhard. Acker- und Weinbau. Kille von Sulz 
werden 1300— 1369 als kiburgische Dienstleute genannt. 
Sie hatten um die Mitte des 14. Jahrhunderts das Rit- 
terhaus zu Morsburg inne, das sie 1369 an die von Gach- 
nang abtraten. Der Stammsitz des Geschlechtes mag 
sich am N.-Hang des Eichholzes erhoben haben und 
wurde von den Zurchern 1386 zerstört. 

SU LZ (AUF DIR) (Kt. Bern, Amtsbez. lnterlaken. 
Gem. Grindelwald). 1110 m. Gruppe von 4 Häusern, am 
Fuss des Mettenbergs zwischen dem Ober und Unter 
Grindelwaldglelscher. 22 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Grindelwald. Schon 1324 urkundlich genannt. 

sulz (HINTER und VORDER) (Kl St. Gallen. 
Bez. Borschach, Gem. Gohlach und Rorschacherberg). 
496 und 495 m. Zwei Gruppen von zusammen 6 Häusern 
am NW.-Hang des Rorschacherberges. 300 m voneinan- 
der entfernt und 1.2 km so. der Station Goldach der 
Linie St. Gallen-Rorschach. 32 kathol. Ew. Kirchge- 
meinden Hönebach und Goldach. Acker- und Obstbau, 
Vieh- und Bienenzucht. 

sulz (ober) (Kt. Aargau. Bez. Laufenburg, Gem. 
Sulz). 410 m. Dorf, 1 km s. Sulz und 3,5 km s. der Sta- 
tion Sulz der Linie Koblenz-Stein-Basel. 39 Häuser, 169 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Sulz. Ackerbau, Viehzucht 
und Milchwirtschaft. 

SULZ ALP (Kt Glarus. Gem. Näfels). 1000—1700 m. 
Ausgedehnte Alpwiesen im w. Teil des Oberseethales, teils 
im Thalgrunde, teils auf den 0 -Abhängen von Lachen- 
stock, Zindlenspitz, Rossälplispitz und Brünneliatock. 
6—8 km sw. Natals gelegen. Sie sind Eigentum der Ge- 
meinde Näfels und werden seit langer Zeit nicht mehr als 
Viehweide benutzt, sondern geheuet. 4 Gruppen von I teil- 
hätten bei 1060. 1320, 1387 und 1440 in. 

sulzbach (Kt. Aargau. Bez. Laufenburg). 580-302 
m. 6km langer Bach; entspringt im Sulzerlocn s. Geiss- 
acker, wendet sich nach NW., durchfliesst Ober Sulz und 
zieht dann bis Sulz nordwärts, um neuerdings nach NW. 
abzubiegen und in Rheinsulz von links in den Bhein zu 
münden. Treibt mehrere Mühlen und Sägen. 

sulzbach (Kt. Appenzell I. R.. Gem. Gonten). 903 
m. Gruppe von 6 Häusern. 600 m von der Station Gonten 
der Appenzellerbahn c Winkeln -Herisau -Appen/eil i. 25 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Gonten. Viehzucht. Hand- 
stickerei. 

SULZBACH i Kt. Appenzell 1. B., Gem. Oberegg). 
640 m. Häuserg nippe und Schulkreis, an den Strassen 
von Bernegg nach Oberegg, Beute und Walzenhausen und 
2 km w. der Station ßernegg der elektrischen Strassen- 



bahn Altstälten- Bernegg. Gruppe ! 6 Häuser, 38 Ew. ; 
Schulkreis : 127 Häuser, 802 meist kathol. Ew. der PTar- 



A 



Sulz i' Aargau i von \Vc»t--n. 

rei Oberegg. Die Reformierten sind nach Bernegg (St 
Gallen) und Beute (Appenzell A. H.l eingepfarrt. Obst- 
und Wiesenbau. Käserei. Seidenweberei und Stickerei. 
Steinbrüche. Mühle und Säge. Bei Hof oder Hausen fand 
1428 ein Kampf zwischen den Appenzellem und den 
Truppen des Grafen von Toggenburg statt. 

SULZBACH (Kt. Glarus). 1850-835 m. Bach auf der 
N. -Seite des Klönthals. Er entsteht auf der Alp Unter 
Längenegg aus der Vereinigung von kleinen Bächen, die 
teils von N.. vom Längt-ncggpass. teils von O., aus dem 
schmalen Thalchen zwischen Mattiis tock und Krauthstock 
kommen, und tliesst dann in einem in Flysch und Yalan- 
gienmergel eingeschnittenen Tobel südwestwärts. dem 
N.- Fuss von Twirrvn und Sulzberg entlang. Hierauf wen- 
detfer sich nach S.. durchbricht das W.-Ende der Deren- 
stockkette und stürzt sich mit hübschem Wasserfall w. 
Vorauen ins Klönthat hinunter, wo er sich nach 3 km 
langem Lauf mit der Klön vereinigt. 

SULZBACH (Kt. Glarus. Gem. Elm). 940 m. Weiler 
recht« vom Sernf, auf dem Schuttkegel der Sulzrunn und 
1,5 km n. der Station Elm der elektrischen Sernfthal- 
bahn. 10 Häuser. 53 reform. Ew. Kirchgemeinde Elm. 
Wiesenbau und Viehzucht. 

SULZBACH (Kt. Schwyz, Bez. Einsiedeln). 1293-878 
m. Rechtsseitiger Zufluss der Sihl ; entspringt an der 
Grubhöhe 3.5 km nö. Einsiedeln und durchmesst daB im 
n. vom Knoden (1125 mt und im S. vom Sonnberg (1196 
m) begleitete Sulzthal. um nach 3.5 km langem Lauf von 
O. nach W bei Schlagbühl zu münden. Wird von der 
Strasse von Willerzell über den Etzel überschritten und 
erhält in 888 m eine Schwefelquelle. 

SULZBACH (Kt. Zürich, Bez. und Gem. Usler). 
504 m. Gemeindeabteilung und Dorf. 2 km w. der Station 
Aathal der Linie Zürich-l ster-Bapperswil. Telephon. Zu- 
sammen mit Neufuhr : 54 Häuser, 227 reform. Ew. ; Dorf: 
46 linnser. 185 Ew. Kaum Wollindustrie. Der sog. l'ster- 
pest vom Jahr 1668 fielen in der Pfarrei Uster 596 Perso- 
nen und in Sulzbach allein mehr als die Hälfte der da- 
maligen Bevölkerung zum Opfer. 

SULZBANN (Kt. Aargau. Bez. Aarau. Gem. Densbü- 
ren). 589 m. 5 Häuser, am W.-Fuss des Homberges 
zerstreut gelegen, 2 km ö. Densbüren und 3 km sw. der 
Station Eningen der Linie Zürich-Brugg-Basel. 21 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Densbüren. Viehzucht und Milch- 
wirtschaft. 

8ULZBERQ (Kt. Aargau. Bez. Baden, Gem. Wettin- 
geni. 517 m. Gruppe von 6 Hausern. 2 km nö. der Station 
Wettingen der Linie Zürich-Baden-Hrugg. 23 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Wettingen. Obst- und Weinbau, Milchwirt- 
schaft. Kleine Kapelle. 

8ULZBERO i Kt. Aargau, Bez. Muri, Gem. DietwiL 
und Kt. Luzern, Amt Hochdorf, Gem. Inwil). Zwei Häuser 



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728 



SUL 



SÜL 



an der Grenze der Kantone Aargau und Luzern j 1,5 km 
aw. Dietwil et 4 km sw. der Station Oberrüti der Linie 
Aarau-Lenzburg-Kotkreuz. 24 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Dietwil. Viehzucht. Kapelle. 

tULZBERQ (Kt. St. Gallen, Bez. Rorachach, Gem. 
Rorschacherbergj. 530 m. Gruppe von 6 Häusern, am W.- 
Hang dea Rorschacherbergs mitten in Wiesen und Obst- 
bäumen gelegen; 1,5 km sö. der Station Goldach der 
Linie St. Gallen-Rorschach. 30 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Rorachach. Viehzucht. Käaerei. Schöne Auasicht 
auf den Bodensee. 

Sulzberg (Kt. St. Gallen. Bez. Rorschach. Gem. 
Untereggen). Schloaa. S. den Art. Mikttei.ischuiss. 

SULZBERG (HINTER, OBER und UNTER) (Kt. 
Zürich, Bez. und Gem. Pfäftikon). 580-600 m. Drei Grup- 
pen von zusammen 12 Häusern; 1,5 km o. der Station 
Pfäftikon der Linie Kfl'retikon -Wetzikon-Hinwil. 57 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Pfäftikon. Wiesenbau. 

SULZBERG (OBER und UNTER) i Kl Bern. Amts- 
bez. Wangen, Gem. Gehlenberg). 566-585 m. 6 Hofe am 
linksseitigen Gehänge des Staufenbach^rabens, 2 km s. 
Thörigen und 5 km aö. der Station Herzogenbuchsee der 
Linie Olten-Bern. 38 reform. Ew. Kirchgemeinde Herzo- 
genhuchsee. Landwirtschaft. 

SULZBRUNNEN (Kt. Appenzell A. R., Hinterland, 
Gem. Urnäach). 825 m. Gruppe von 8 Häusern. 2 km s. 
der Station Waldstatt der Appenzellerbahn (Winkeln- 
Herisau-Appenzell). 49 reform. Ew. Kirchgemeinde Ur- 
näach. Baumwollspinnerei und - Zwirnerei. Der Ort ist 
nach einer heute verschwundenen Salzquelle benannt. 

SULZEL (Kt. Schwyz, Bez. und Gem. Einsiedeln). 
Weiler. S. den Art. Si LZ.thal. 

SULZERBERG i Kt. Aargau. Bez. Laufenburg, Gem. 
Sulz). 514 m. Kleines Dorf, am Weg Sulz-Htenlnal und 
3 km a. der Station Sulz der Linie Koblenz-Stein- Basel. 
21 Häuser, 121 kathol. Ew. Kirchgemeinde Sulz. Viehzucht 
und Milchwirtschaft. 

SULZFLUH (Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart). 
2820 tu. Grenzgipfel zwischen dem Prätigau und Vorarl- 
berg, im ö. Ratikon zwischen der Drusenlluh i2829 m) 
und der Scheienfluh (2630 m); 3.3 km sö. iener ala ma- 
lerisch-grossartige, steile Wand aufragend. Zwischen Sulz- 
und Drusenfluh führen das DmsentTior (Sporrenfurka ; 
2350 im, sowie im NO. und O. das Grüne h'ürkli (2354 
m) und der Grubenpass (2235 m) nach Schruns im Mon- 
tavon hinuber. Die beiden letztem Pässe leiten direkt 
zur Tilisunahütte dea Deutschen und Oesterreichischen 
Alpenvereins (2050 mi, von wo aus wieder der Plassecken- 
paaa, der Sarotla- und Viereckerpaaa überschritten werden 
können. Die Sulzlluh bildet mit der weitgedehnten Kalk- 



n 




Sulzfluh von SQden. 

wanne der « Gruben •• unter dem Grubenpass, sowie den 
Wänden der Scheien- und Mittellluh den imposanten 
Kelsenzirkus des Partnunerth.ilchens hinter St. Antonien 



(Partnun 1772 m). eine wahrhaft heroische Landschaft 
im Bocklin sehen Stil. Ein ergreifendes Idyll ist der 1874 m 
hoch gelegene, an der einen Seile begrünte und von 
Alpenrosen umblühte, am O.-Ufer mit kahlen Kalktrüm- 
mern besetzte Partnunersee osö. der Sulzfluh. Der SO.- 
Abhang der Sulzlluh iat die « Sulz • ; an der W.-Seite zieht 
aich die teils aus Bergsturz- teils aua Moränentrümmern 
bestehende 1,6 km lange « Ganda » zur Schierseralp Gar- 
schina hinab. Die Sulzlluh fällt nach allen Seiten in 
kühnen Flühen und Stufen ab, die aoa der Entfernung 
gesehen schier unersteiglich erscheinen. Oben aber brei- 
tet sich nach der österreichischen Seite hin eine ge- 
neigte, glelschertragende Hochfläche aua, an deren SO.- 
Ecke die oberste Spitze als stolzer Kelsenkegel empor- 
ragt. Im O. senkt sich das Gemstobel, ein vielfach mit 
Schutt aufgefülltes schmales und gassenartig einge- 
schnittenes Hochlhal, vom Bergplateau steil zum Part- 
nunersee hinab. Die « Gruben • unter dem Grünen 
Kurkli und dem Grubenpass sind eine riesige Kalkschale, 
die mit ihren Gletscherhöckern, -schliflen und weiten 
Karrenfeldem jedem Naturfreund eine Sehenswürdigkeit 
ersten Banges bedeuten. An den steilen Wänden der 
Vorderseite befinden sich die vielgenannten Sulzfluh- 
hohlen mit unterirdischen Wasserläufen und einem 
winzigen See am Höhlenende, auch mit Serpentin- und 
kristallinen Geschieben, die durch die Gletscher der Eis 
zeit von der österreichischen Seite hergeschafft und in 
diese vom Wasser gehöhlten Stollen und Schächte hinein- 
ed rückt wurden. Es gibt z. B. eine Seehöhle, eine Kirch- 
löhle, Herrenbalme und Abgrundshöhle, die in einer 
Höhe von 2250—2300 m liegen und von denen die erst- 

Senannte 85 m lang ist. Von der Tilisunahütte wie von 
er Schweizeraeite her sind in der neuesten Zeil Pfade 
zu diesen Sehenswürdigkeiten, die Naturwunder im 
grossen Stil darstellen, erstellt worden. Die Sulzlluh wird 
von St. Antonien und Partnun aus durch das Gemstobel 
in i : .. und 3 1 . Stunden, von Schruns herauf über die 
Tilisunahütte (von hier weg nur 2" , Stunden) in 7—8 
Stunden erstiegen. Sie bietet mit der Sceaaplana und dem 
Madriahorn die grossartigste Fernsicht im Rätikonge- 
birge und wird wie die Scesaplana massenhaft besucht. 
Von beiden Seiten her kann man mit der Ersteigung den 
Besuch der Sulzlluhhohlen verbinden und so zu hohem 
Genuss und tiefer Belehrung gelangen. Der geologische 
Aufbau ist wie im ganzen Rätikon ungewöhnlich, auf 
riesenhaften tektonischen Vorgangen und Störungen 
fuasend. Die Kalk- und Dolomitwände der Sulzlluh be- 
Btchen aus Malm und unterm Tithon (Strambergschichten 
mit massenhaften, freilich vielfach undeutlichen und da- 
rum lange Zeit nicht erkannten Versteinerungen von Car- 
bium ctirallinuiH, Itieria Moreana, Serint^i 
Loriuli und ,Y. Parttchi, Plygtualu pseudohrun- 
trutana, Cerithiunt, etc. Die den grauen und 
hellen Schichten eingelagerten blutroten Kalke, 
früher für Adnelher Marmor, auch für Seewer- 
schichten der Kreide Behalten, sind ebenfalls 
tithonischen Alters und wechsellagern in der 
Umgebung manchmal mit roten Mergeln dersel- 
ben Stufe. Die ganze Masse der Sulzlluh ist 
überstürzt oder verkehrt gelagert, wie übrigens 
schon Theobald erkannt hatte, und verdankt ihre 
Lage auf eozänen und wahrscheinlich auch z. T. 
der Kreide angehörenden Flyschschiefern und 
Kalksandsteinen einer gewaltigen l'eberschie- 
bung, die von N. her Trias- und Juragesteine 
auf die das Thal und die Vorhöhen zusam- 
mensetzenden jüngsten Formationen als mäch- 
tige Schollen und Decken hinbewegt hat. 

SU LZ GLETSCHER oder HONSTIL- 
LIGLETSCHER ( Kt. Wallis. Bez. Goms). 3017- 
2800 m.800 m lange und 600 m breiter kleiner 
Gletacher, hinten über einer Verzweigung dea 
obern Blindenthaies und am Weg aus dem 
Blindenthai über den Hohstellipass zum Gries- 
pass. Bildet eine westwärts vorgeschobene Zunge 
des Griesgletschersund sendet seine Schmelzwas- 
ser durch den Hohstellibach zum Blindenbach. 
Sulzgraben i Kt. Bern. Amtsbez. Thun). Nach 
oben kraterförmig erweitertea K.rosionstobel am N.-Hane 
der Hohmad (2079 m) in der Stockhornkette. Sein Bach 



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SUL 



SUM 



729 



vereinigt sich mit dem Fallbach etwas oberhalb von des- 
sen Fall ob der Kirche Blumenstein. Das Tobel trägt eine 
kleine Alp und ist ein beliebter Schlupfwinkel der Gem- 
sen. Links vom Ausgang die Wiesen von Buchschwand, 
wo nach der Volksuberlieferung eine längst verschwun- 
dene Ortschaft gestanden haben soll. 

SULZORjETLI (Kt, Wallis. Bez. Goms). 2730 m. 
Felskamrn in der das NW -Ufer des Griesgletscher« be- 
gleitenden und diesen Gletscher vom Bit/Gletscher tren- 
nenden Kelle zwischen dem Kaulhorn (2872 m) und den 
Bitzenhörnern. Kann vom Griespass her in 1 Stunde 
erreicht werden. Im Firnfeld des Griesgletschers liegt die 
begraste Felsinsel « Sulz ». 

SULZIQ, ehemals SULZEQO (Kt. Bern, Amlsbez. 
Ober Simmenthai, Gem. Lenk). 1608 m. Gruppe von 
4 Häusern am linksseitigen Gehänge des Wallbaches. 
20 reform. Ew. Kirchgemeinde Lenk. Wiesenbau. 

SULZIQ (Kt. Luzern, Amt Kntlebuch. Gem. Werlhen- 
stein). 818 m. Bauernhof ; 1.8 km sw. Werthenstein und 
i km. so. der Station Wolhusen der Linie Bern-Luzern. 
7 kathol. Kw. Heimat von Jakob Schmidli, genannt 
« Sulzigjoggi », der 1747 in Luzern wegen Ketzerei verur- 
teilt, stranguliert und verbrannt wurde. Zugleich legte 
man auch sein Haus und seine Schriften in Asche und 
verbannte man 71 seiner Anhänger aus dem Kanton. 
Dies l'rteil erregte in den reformierten Kantonen grossen 
Unwillen und eine starke Aufregung. Schmidli's Sohn 
Balthasar erlangle erat 1796 von der gesetzgebenden Ver- 
sammlung der Helvetischen Republik seine Wiederein- 
setzung in alle bürgerlichen Khren und Hecht. 

8ULZIQBACH (Kt. Luzern, Amt Sursee). 980 m. 
Bechtsseitiger Zufluss der Kleinen Kmme ; entspringt am 
NW. -Hang der Bramegg. Iiiesst zunächst nach NW. und 
dann nach X. und mündet nach 4 km langem Lauf in 
Werthenstein. 

8ULZIQRABEN i Kt. Bern, Amtsbez. Thun). 1719- 
102f> m. Im Sommer trocken liegende Wildbachrunse 
im ii her n Eriz ; steigt zwischen Burst und Scheibe steil 
zum Sichelpass (oder Sulzisland) hinauf, der das Justis- 
thal mit dem Thal der Zulg verbindet. 

8ULZLI (Ki. St. Gallen. Bez. Sargans, Gem. Quarten). 
1530 m. Sehr steile Alpweide am Fuss einer am S.-Hang 
des Leistkamm auf eine Länge von 2 km sich hinziehen- 
den Felswand über dem Dorf Quinten. 

SULZLIALP Ki St. Gallen. Bez. Sargans, Gem. Quar- 
ten). 1300-1700 m. Alpweide auf den schmalen Terrassen 
am S. -Absturz der Churfirsten, sw. vom Vorder und Hin- 
ter Leistkamm und an den Quellen des Dicken- und Ofen- 
lochbaches, n. über Quinten. 180 ha Fläche, wovon zwei 
Drittel nutzbare Alpweide. Hüttengruppen Stäfeli (1489 m) 
und Laubegg (1375 m). Schone Aussicht auf den Walen- 
see und die Berge über seinem S.-Ufer. Fusswege nach 
der Schwaldisalp und nach Quinten. 

SULZMATT (Kt. Bern, Amtsbez. Wangen, Gem. Geh- 
lenberg). 620 m. Zwei Hofe am links- 
seitigen Gehänge des Staufenbachgrabens ; 
5,5 km so. der Station Herzogenbuchsee 
der Linie Olten-Bern. 24 reTorm. Kw. 
Kirchgemeinde Herzogenbuchsee. Wie- 
senbau und Viehzucht. 

SULZTHAL oder 8ULZKL (Kt. 
Schwyz, Bez. and Gem. Einsiedeln). 870- 
1000 m. 5 Hauser, 4 km o. Einsiedeln. 25 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Einsiedeln. 
Acker- und Wiesenbau. Viehzucht. Holz- 
schlag und Torfausbeute. Grosse Weide- 
flächen. Auf der Allmend pflegen die Hekru- 
lenschulen von Zürich Schiessübungen 
abzuhalten und zu manöverieren. 

SULZTHAL «Kt. Uri). 1750-850 rn. 
Schmales und tiefes Thal ; steigt vom 
Blinzistock (2464 m) nordwärts ab und 
mündet gegenüber Spiringen von links ins 
Schächentnal. Der Bach trägt im Ober- 
lauf den Namen Schwarzwasserbach und 
durchfliegst eine sehr enge und schwer 
zugängliche Mündungsschlucht. In der 
erweiterten Thalmitte liegt eine Alp mit 7 Hütten in 1393 
m. 3 km lang. 

SULZTHAL (Kt. Uri, Gem. Isenlhal). 1900-1000 m. 




Verzweigung des Grossthaies ; steigt vom Schonegcpass 
in nö. Bichtung gegen St. Jakob hinab. Vom Sulzlhaler- 
bach durchflössen und 4 km lang. Im obern Abschnitt die 
Sulzalp mit Hütten. 

SULZTHAL ER BACH (Kt. Uri). Wildbach. S. den 
Art. Sulzthal. 
SUM 18 WALD (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald). 

704 m. Gem. und Pfarrdorf auf einem Plateau 
im Winkel zwischen Grünen- und Gries- 
bachgraben ; 4,5 km nö. Bamsei. Station der 
Linie Bamsei-Sumiswald-Huttwil mit Abzwei- 
gung nach Wasen. Postbureau. Telegraph, 
Telephon. Als die zweitgrosste Gemeinde 
des Emmenthales zieht sie sich von W. nach 
O. 17 km weit von Grünenmalt durch den 
langen Hornbachgraben bis an den Fuss des Höchenzi 
(1327 m) im Napfgebiet und von S. nach N. 6 km weit 
vom Lüderngässh am Fuss der Bafrüti 1 1205 m) bis 
zum Bärhegenknubel (991 m). Sie umfasst so einen 
grossen Teil der w. Ketten des Napfberglandes mit dem 
Hornbach- und dem Kurzeneigraben. Zerfällt in 4 Un- 
terabteilungen : I i Hornbach mit HösiKershaus. Ebnit, Ei- 
chlerhaus, Fritzenhaus, Hambühl, Dörfchen Hornbach 
Heinigershaus. Lochli, Lugenbach, Lugenbachmatte, 
Mückenmatt, Nussbaum, Nussbaumschachen, Oberbärhe- 
gen. Hain. Bied, Schützberg, Spiegelberg, Stegmatt, 
Stockem, Unterbärhegen, Vorderkammen, Vorderkur- 
7enei, Vorderried und Wasen ; 2) Kleinegg mit Buchholz, 
Burghof, Falz, Furenstalden, Gruben, Harrisberg, Hasle- 
bach, Hinterei, Kapelenmatt. Linden. Lindenloh, Matten, 
Mauer, Oberei, Obcrfuren, Biedboden, Schönentül, Spi- 
tal, Süllenbach, Steinweid und Unterfuren ; 3) Schonegg 
mit Baumen, Buzen, Frauengut, Fürten, Gammenthai, 
Griesbach, Grossenbach, Hegen, Horn, Kriegershaus, 
Moos, Oberkneubühl, SchabenJehen, Scherlenbach. Stu- 
den und Wiken ; 4) Sumiswald mit Breiten, Burgbühl, 
Dorf Sumiswald, Vordere! und Wiler. Zusammen : 753 
Häuser, 5353 reform. Ew. ; Dorf: 92 Häuser, 748 Ew. 
Kirchgemeinden Sumiswald und Wasen. Sumiswald ist 
ein stattliches und gewerbsames Dorf und hat mit dem 
angrenzenden Grünen ein Baugeschäft. Zigarrenfabrika- 
tion, Gerberei, Müllerei, Sägerei, Kalkbrennerei, Tuchfa- 
brikation, Wollenspinnerei. Fsbrikation von Wanduhren 
und Blechinstrumenten, viele Handelsgeschäfte, zwei 
Ersparniskassen, Bezirksspital ; 5 Jahrmärkte. In Wa- 
sen eine mechanische Werkstätte und Leinwandfabrika- 
tion. Landwirtschaft. In der ganzen Gemeinde 14 Kä- 
sereien. Herren des Dorfes waren anfänglich die Edeln 
von Sumiswald. 1225 schenkte Lüthold die Kirche von 
Sumiswald und alle seine dortigen Güter dem Deutsch- 
ritterorden (vergl. den Art. Spital). Ein anderes Ge- 
schlecht war dasjenige der Ritter von Sumiswald. das 
zu Anfang des lö. Jahrhunderts ausstarb. Der letzte des 
Geschlecht«, Burkhard, verkaufte die Herrschaft Sumis- 




Sumnwald von SQdwsiton. 

wald und das Gericht zu Banllüh der Komthurei des 
Deutschordens, die es im Jahr 1408 an Bern abtrat. 
Die mit alten Glasgemälden aus dem 16. Jahrhundert 



Gc 



730 



SUM 



SUR 




Kirche SamitwiM. 



reich geschmückte spätgotische Kirche stammt aus 
den Jahren 1510-1512. Der innere Teil der Gemeinde, der 

a WlHCD •. 

wurde 1826 von 
Surniswald ab- 
getrennt, zu 
einer . Helferei 
eingerichtet 
und 1874 zu ei- 
ner eigenen 
Kirchgemeinde 
erhöhen. Am 
23. April 1653 
wurde in Su- 
m i h w a I d die 
grosse Dauern- 
vcrsammlung 
abgehalten, die 

Leuen berger 
zum Obmann 
ernannte. Ein 
1903 gesetzter 
Denkstein erin- 
nert an dies 
Ereignis. 1225: 
Suomoldes- 
walt ; 1-240: Su- 

moltiswalt ; 
1*267 : Sumos- 
walt ; d. h. 
Wald des Suo- 
moldt.einesder 
germanischen 
Ansiedler. Da- 
mit fallt die hie 
und da aufge- 
stellte Etymolo- 

gie « zum heiligen Oswald • dahin. 

Summaprada iKt. Gr*ubünden. Dez. Heinzenberg, 
Kreis Thusis. Gem. Cazis). 700 m. Gruppe von 9 Hau- 
sern, an der Strasse Cazis-Thusis und 7o0 m s. der Sta- 
tion Cazis der Albulabahn. 47 kathol. Ew. meist deutscher 
Zunge. Kirchgemeinde Cazis. Wiesenbau und Viehzucht. 
Wollspinnerei und Weberei. Der früher beträchtlichere 
Weiler ist 1610 durch einen Ausbruch des Porteinerba- 
ches zum grossen Teil zerstört worden. In der Nähe die 
Burgruine Schauenstein. Der Name vom latein. uniima 
urata, d. h. « die höchst gelegenen Wiesen I herzu- 
leiten. 

•UMMAPUNT (Kt. Graubunden, Bez. Hinterrhein, 
Kreis Schams, Gem. Lohn). 19*2*2 m. Alpweide mit 6 Hüt- 
ten und Stallen, am O.-Hang des Piz Beverin und 1,25 km 
nnw. Lohn. Summapunt = höchster Punkt. 

8UMMUOT (PIZ)(Kt. Graubünden. Bez. Glenner). 
2736 m. Gipfel 2 km nnw. vom Piz Terri und 7 km ssw. 
über Vi in im Lugnez. Am Piz Summuot vorbei führt der 
Diesrutpass aus dem Lugnez nach dem Val Somvix und zur 
Greina, gegen welch letztern Passder Summuot in steiler 
Wand abbricht, während der Anstieg von S. her in massig 
steilen Kasenhangen erfolgt. Summuot s höchster Berg. 

IUMNIQN (ALP) (Kt. Graubünden, Bez. Alhula, 
Kreis Oherhalbstein, Gem. Itoflna). 1872 m. Alpweide am 
W.-Hang des Oberhalbstein ; 1,5 km ö. Hoflha. 

SUMPF (Kt. Luzern. Amt Willisau. Gem. Buchs). 
530 m. Gruppe von 9 Häusern, 400 m sw. Buchs und 
3 km nö. der Station Wauwil der Linie Luzern-Ollen. 
BS kathol. Ew. Kirchgemeinde l'flikon. Ackerbau und 
Viehzucht. 

SUMPF i Kt. Luzern. Amt Willisau. Gem. Ettiswili. 
528 m. Gruppe von 4 Häusern, 3 km von der Station Wil- 
lisau der Linie (.angenthal-Wolhusen. 27 kathol. Ew. 

SUMPF (IM) (Kt. Wallis. Bez. Gorns). Im Mittel 
2940 m. Oberste Stufe des Bhonegletschers, w. unter dem 
Bhonestock (3603 m) und ö. unter der I'ntern und Obern 
Triftlimmi ; 2 '/i Stunden über dem Hotel Belvedere an 
der Purkastrasse. 

SUMPF OBER und UNTER) (Kt. Aargau. Bez. 
Zollngen. Gem. Safenwil). 480 m. Zwei Weiler von zusam- 
men 24 Häusern 1 km w. der Station Safenwil, der Linie I 
Aarau-Suhr-Zotingen. zwischen der Bahnlinie und der 1 



Striegelstrasse. 190 reform. Ew. Kirchgemeinde Safenwil. 
Ackei bau. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

SUMPFOUT (Kt. Bern. Amtsbez. Burgdorf, Gem. 
Hindelbank). 526 m. Gruppe von 3 Häusern. 1 km oo. 
der Station Hindelbank der Linie Ollern-Beru. 26 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Hindelbank. Landwirtschaft. 

SUMVAL (PIZ) Kt Graubunden, Bez. Vorderrhein). 
Gipfel. S. den Art. P»dekstoi:k. 

SUMVITO (KL Graubünden, Bez. Vorderrhein). Gem. 
und Dorf. S. den Art. Somvix. 

SUNDGRABEN (Kt. Bern. Amtsbez. Interlaken). 
1700 m. Grosses Tobel des Sundbaches mitten im Beaten- 
berg. Heisst im obein Abschnitt Bischerenthäli und wird 
M>n der grossen Strasse Beatenberg-Interlaken mit einer 
Brücke uberschritten. Steigt als tiefes Waldtobel zum 
rechten Ufer des Thunersees ab. in den der Bach ein 

Simses Delta hinausgebaut hat. Ein Ausbruch des Sund- 
•ches hat am 16. Juli 1856 nach einem starken Gewitter 
grosse Verheerungen angerichtet. 

SUNDLAUEN EN < Kt. Bern. Amtsbez. Interlak»n. 
Gem. St. Beatenberg). 580 m. Gruppe von3 Häusern am N.- 
Ufer des Thunersees. an der Ausmündung des Sundgra- 
bens und auf dem vom Sundbach aufgeschütteten Delta ; 
1 km ö. der Dampfschiffstation Beatenbucht. Telephon. 15 
reform. Ew. Kirchgemeinde St. Beatenberg. Vordem Bau 
der rechtsufrigen Seestrasse war diese Gruppe von Fi- 
scherhäusern auf dem Landweg nur schwer zugänglich. 
Kam 1760 zur Gemeinde I nt« rseen und 1830 an St. Bea- 
tenberg. 

SUR. Ortsnamen der französischen und rätoromani- 
schen Schweiz. Bedeutet so viel als • ob, über *. 

SUR (Kt. Graubünden. Bez. Albula. Kreis Oherhalb- 
stein 1 . 1618 m. Gem. und Pfarrdorf, auf einer Terrasse am 
rechtsseitigen Gehänge des Oberhalbstein undam W.-Haog 
des Piz da Cucarnegl ; 2t km sso. der Station Tiefenkas- 
tel der Albulabahn. Postablage ; Postwagen Tiefenkastel- 
Julier-Silvaplana. 39 Ilauser. 178 kathol. Ew. romani- 
scher Zunge. Wiesenbau und Viehzucht. 

SUR CHENAL (Kt. Bern. Amtsbez. Pruntrut. Gem. 
Grandftataine). 585 m. Gruppe von 4 Höfen an der Lan- 
desgrenze, am Weg Grandfonlaine-Glav (Frankreich) und 
1,5 km nw. Grandfontaine. 25 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Grandfonlaine. Landwirtschaft. Handel mit geschmug- 
gelten Spezereiwaren. 

SUR COMBE (POINTE DE) (Kt. Waadt. Bez. Pays 
d'Enhaut). Gipfel. S. den Art. Combi-: (Pointe de si r). 

SUR CRET (Kt. Waadt, Bez. La Vallee, Gem. Le Che- 
nit). Weiler. S.den Art. Cnfrr (sur le). 

SUR CROIX i Kt. Ereiburg. Bez. Greierz, Gem. So- 
rens). Weiler. S. den Art. Croix (Si r la). 

SUR CUORT (Kt. Graubunden. Bez. Albula. Kreia 
Oberhalbstein. Gem. Savognin). Weiler. S. den Art.CroRT 
(Sur). 

SUR EN (Kt Grauhünden. Bez. Inn. Kreis Ohtasna. 
Gem. Ardez). 1470 m. Gemeindeabteilung und Weiler, 
auf einer Terrasse rechts über dem Inn und 2 km wsw . 
Ardez. 11 Häuser, 43 reform. Ew. romanischer Zunge. 
Kirchgemeinde Ardez. Wiesenbau und Viehzucht. 

SUR EN i Kt. Graubünden. Bez. Inn .Kreis l'nter Tasna, 
Gem. Sent). 1124 m. Gruppe von 4 Häusern am rechten 
l'fer des Inn, an der Mündung des I'inabaches und 4 km 
ö. Sent. 14 reform. Ew. romanischer Zunge. Kirchge- 
meinde Sent. Wiesenbau und Viehzucht. Mühlen und 
Sägen. 

SUR GLEUX (Kt. Wallis. Bez. Monthey, Gem. Cham- 
P^ry). 1200 m. 5 Häuser, an dem über dem SW. -Ende des 
Morles Champenr und über dem Oraloire du Heposoir 
aufsteigenden (ienänge zerstreut gelegen : 1.5 km w. der 
Pfarrkirche. 21 kathol. Ew. Kirchgemeinde Cham per?. 
Wiesenbau. 

SUR IL FOSS (Kt. Graubünden. Bez. Inn . Pasa- 
scharte. S. den Art. Pom (SlH "->• 

SUR L'ETANG (Kt. Neuenbürg, Bez. Le Locle. Gem. 
Les Brenets). Häuser. S. den Art. Etaso (Sur l'). 

SUR LA CHARRIERE DE RENAN oder HAUT 
DE LA CHARRIERE DE RENAN (Kt. Hera. Amts- 
bez. Courtelary. Gem. Benani. Signal in 1095m. Gruppe von 
4 Häusern auf den Sennbergen üb«-r der Foret de l hnvers, 
nahe der Neuenburger Grenze und 1.8 km s. Benan. *26 
reform. Ew. Kirchgemeinde Benan. Landwirtschaft 



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SUR 

sor LA chaux Kt Bern. Amtsbez. Neuenstadt, 
Gem. Lamboingi. 815 m. Gruppe von 5 Häusern, 800 m 
sö. Lamboing (Lamlingen). 32 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Dieme (Tesa). Landwirtschaft. 

SUR LA ROCHE (Kt. Neuenbürg, Bei. Le Locle, 
Gem. Lea PonU de Martel). Weiler. S. den Art. Roche 

(SIR U). 

SUR LA VI ULK (Kt. Waadt, bez. Morges. Gem. 
Saint Prex). 400 m. Gruppe von 5 Häusern, an der Linie 
Lausanne-Genf und 400 m nw. der Station Saint Prex 
dieser Linie. 25 reform. Ew. Kirchgemeinde Etoy. Acker- 
und Weinbau. Hie&s früher Sus la Vllle. weil diese Hauser 
an der Stelle des der Kathedrale zu Lausanne gehörenden 
alten Saint Prex stehen, das dann auf Befehl des Bischöfen 
von Lausanne 1234 auf die Pointe deSube verlegt wurde, 
wo es vor Ueberfällen und Plünderungen (namentlich von 
selten der Savovarden) sicherer war. 

SUR LA vineuve (Kt. Waadt, Bez. Orbe, Gem. 
Vaulion). Weiler. S. den Art. Vineuve (La). 

8UR LE rotten IER (Kt. Bern, Amtsbez. Prun- 
trut. Gem. Courgenayl. 515 m. Wiese mit einem Wohn- 
haus gegenüber dem Moulin de la Terre, an der Strasse 
nach Cornol und 700 m ö. Courgenay. S. den Art. Terre 

(MoiLIN OK LA). 

SUR i_E DALLY (Kt. Freiburg, Bez. Greierz, Gem. 
Vuadens). Weiler. S. den Art. Dali.y (Si r LS). 

SUR LE OEZ (Kt. Bern, Amtsbez. Freibergen. Gem. 
Le Noirmont). Gruppe von 3 Häusern an der Kantons- 
strasse, halbwegs zwischen Le Noirmont und Le Boechet. 
22 kathol. Ew. Kirchgemeinde Le Noirmont. Etwas Land- 
wirtschaft und Uhrenindustrie. 

SUR LE mont (Kt. Bern. Amtsbez. Pruntrut. Gem. 
Cceuve). 539 m. 2 Häuser mit Gastwirtschaft, 900 m 
w. Coeuve. Trigonometrisches Signal mit Aussicht von 
der Lomontkette bis zu den Vogesen und zum Schwarz- 
wald. Sehr beliebtes Ausflugsziel der Bewohner von 
Pruntrut. In der Nähe prachtvolle Buchen- und Tannen- 
waldungen. 

SUR LE WORT (Kt. Fretburg, Bez. See. Gem. 
Vully le Haut). Weiler. S. den Art. Mont (Si r LS). 

SUR LE MOULIN (Kt. Freiburg, Bez. Glane, Gem. 
Torny le Grand). 665 m. Gruppe von 5 Häusern. 800 m 
o. Torny le Grand und 6 km osö der Station Trey der 
Linie Lausanne-Payerne-Lysa. 28 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Torny le Grand. 

SUR LE MOULIN (Kt. Freiburg, Bez. Saane. Gem. 
Arconciel. Weiler. S. den Art. MOtJUK (Si r le). 

SUR LE PONT (Kt. Bern.Amubez. Courtelary. Gem. 
St. Immer). Weiler. S. den Art. Pont (Svr le). 

SUR LE RUZ (Kt. Waadt. Bez. Avenche«, Gem. 
Vallatnand). 492 m. Gruppe von 3 Häusern, nördl. vor 
dem Dorf Vallamand Dessus und an der Strasse nach 
Cudrelin. 34 reform. Ew. Kirchgemeinde Montet. Land- 
wirtschaft 

SUR LES ES8ERT8 i Kt. Freiburg. Bez. Veveyse. 
Gem. Bouloz). Weiler. S. den Art. F.sserts(Sir les). 

SUR LES OEZ Kt. Neuenburg, Bez. Le Locle, Gem. 
La Bovine). Höfe. S. den Art. Gez (Si r LSSL 

SUR LE8 MONT8 (Kt. Freiburg, Bez. Greierz, 
Gem. Riaz). Weiler. S. den Art. Monts (Si r i.es). 

SUR LES RIAUX (Kt. Waadt, Bez. Pays d'Enhaut, 
Gem. Chftteau d'Oex). Weiler. S. den Art. Riai x (Si r les). 

SUR LES ROCH ATS (Kt. Bern, Amtsbez. Courte- 
lary. Gem. l.a Fernere). 950 m. Gruppe von 4 Häusern, 
auf einer wenig fruchtbaren Hochfläche 1.2 km nnw. La 
Fernere. 21 reform. Ew. Kirchgemeinde l.a Fernere. 
Uhrenindustrie und etwas Landwirtschaft. Am bequem- 
sten von der Station La Chaux d'Abel der Linie La Chaux 
de Fonds-Saigneldgier her zugänglich. 

8UR LYA (Kt. Frei bürg. Bez. Greierz, Gem. Sorens). 
Weiler. S. den Art. Lya (Sir). 

SUR MONTBAUTIER ( Kt. Bern, Amtsbez. Münster, 
Gem. Saicourt). 1084 und 1133 m. Zwei Gruppen von zu- I 
sammen 6 Häusern auf dem die Strasse Tavannea-Fuel- 
Bellelay so. überragenden Montbautier (trigonometrisches 
Signal in 1162 ml. 2 km w. der Haltestelle Le Fuet des 
Postkurses Tavannes-Bellelay. 35 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Tavanne«. 

SUR MORON (Kt. Bern, Amtsbez. Freibergen, Gem. 
Saint Drais). Weiler. S. den Art. Mono» (Sir). 



SUR 731 

SUR MORON (Kt. Bern, Amtsbez. Münster, Gem. 
Mallerav). Weiler. S. den Art. Morox (Si n). 

SUR PLAN (Kt. Freiburg. Bez. Broye. Gem. Dom- 
pierre). 4/o m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km sö. der Sta- 
tion Dompierre der Linie Lausanne-Payerne-Lyss. 25 ka- 
thol. Ew. Kirchgemeinde Dompierre. Landwirtschaft. 

SUR TASNA (Kt. Graubünden, Bez. Inn). Verwal- 
tungskreis. S. den Art. Obtasna. 

SUR TRUEX (Kt. Waadt, Bez. Aigle). Gipfel. S. den 
Art. Trlex (si;r). 

SUR VILLARS (Kt. Waadt, Bez. Aigle, Gem. Ollon). 
Weiler. S. den Art. Villars (Si r). 

SURAFIRN (Kt. Graubünden, Glarus und St. Gallen). 
Gletscher. S. den Art. Sairengletschek. 

8URAJOCH (Kt. Glarus und Graubünden l. Pass- 
übergang. S. den Art. Sai'respass. 

SURAVA (Kt. Graubüiiden. Bez. Albula, Kreis Bei- 
fort). 906 m. Gem. und Pfarrdorf, am rechten l'fer der 
Albula und 2,5 km 6. Tiefenkastel. Station der Albula- 
bahn. Postbureau, Telegraph. Telephon. Iii Häuser. 148 
kathol. Ew. romanischer Zunge. Wiesenbau und Vieh- 
zucht. Mühle und grosse Bäckerei. die die inderschweize- 
rischen Armee verwendeten Biskuits herstellt. In der 
Nähe wird Tuff gebrochen. 1853 ist ein Teil des Dorfes 
den Flammen zum Opfer gefallen. Bildete bis 1882 eine 
Unterabteilung der Gemeinde Brienz-Surava, die seither 
in zwei besondere Gemeinden getrennt worden ist. Surava 
übon dein W'äüiöcp 

SUR AVA (ACLAS DA) (Kt. Graubünden, Bez. Al- 
bula, Kreis ßelfort. Gem. Surava). 1457 m. Alpweide mit 
12 Hütten und Ställen, am s., linksseitigen Gehänge des 
Albula thales. 

SURS (Kt. Aargau und Zürich). 600-321 m. 16 km 
langer rechtsseitiger Zuflusa der Aare; entspringt am 
O.-Ende der Lägern s. vom zürcherischen Dorf Schofflis- 
dorf. Iiiesst gegen NW. und geht an Schleinikon, Ober 
und Nieder Weningen vorbei, bildet dann auf 250 m 
Länge die Kantonsgrenze zwischen Zürich und Aargau 
und tritt nahe Murzelen (445 m > ganz in diesen letztern 
Kanton über, um nun das fruchtbare Surbthal mit den 
Dorfern Lengnau und Endingen zu durchmessen, bis 
Tegerfelden nordwärts abzubiegen und endlich in nord- 
westwärts gerichtetem Lauf s. Döttingen zu münden. Die 
Surb treibt zahlreiche- Mühlen und Sägen. Das Fischrechl 
stand ehedem der Propste! St. Blasien in Klingnau zu. 
Der Name ist wahrscheinlich vom althochdeutschen 
surawa (von tur — Iii essen und awa — Wasser) her- 
zuleiten. 

8URBELEN (Kt. Bern, Amtsbez. Münster). Gem. 
und Dorf. S. den Art. Sorvu.ier. 

SURBRUNNEN (Kt. und Bez.Schwyz). 15001300m. 
S.-Abhang des Stock (1619 m mit den Alpen und Wäl- 
dern im obern N. -Abschnitt des Surbrunnentobels und 
von zahlreichen Wasserläufen durchfurcht. Benannt nach 
einer in 1350 m entspringenden Schwefelquelle mit Gips- 
und Eisengehalt, die vom Bad Neu Seewen in der Ge- 
meinde Ober Iberg benutzt wird. 

SURBRUNNENTOBEL (Kt. und Bez. Schwyz). 
1525-966 m. Ziemlich tief in K'ysch eingeschnittenes Tobel 
eines linksseitigen Zuflusses der Gurgenminster. 3 km 
w. Unter Iberg. Steigt auf eine Länge von 2 km nach 
SW. an. Trägt im untern Abschnitt Wald und oben die 
Alpen von Surbrunnen mit Hütten in 1367 m. 

SURCASTI (Kt. Graubünden, Bez. Glenner, Kreis 
Lugnez). Gem. und Dort. S. den Art. Obkrhastels. 

SU R CM am p (Kt. Waadt, Bez. Aigle, Gem. Bex). 
2000 m. Stark geneigte Schafalp unter der aus Schratten- 
kalk (Urgon) in verkehrter Lagerung aufgebauten Fels- 
wand des Lion d'Argentine. Bildet ein dreieckiges Feld 
aus in sich selbst wieder gefaltetem Nummulitenkalk, der 
auf einer andern, normal gelagerten Urgonmasse mit 
Gaulteinlagerungen ruht. Die Muldenumbiegung ist von 
La Varaz unterhalb Chäteaux Vieux (1836 m) leicht zu 
beobachten. 

SURCUOLM Kt. Graubünden, Bez. Glenner, Kreis 
Lugnez). Gem. und Dorf. S. den Art. Nei kirch. 

SURE SA8SO (Kt. Tessin, Bez. Lugano). 923 m. 
Bewaldeter wesll. Felsvorsprung des Monte Bigorio 
(1170 m). der zwischen dem Val Capriasca und dem vom 
Vedeggio entwässerten Thal sich erhebt. Sure Sasso be- 



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cht im N. die Station Taverne der Linie Bellinzona- 
Lugano ( liiasso der Gotthardbahn, von woher er in zwei 
Stunden erstiegen werden kann. Am 0. -Ausläufer des 
Bergkammes linden sich die zerstreut gelegenen Häuser 
der Monti di Breua (960 mi. 

■ URKOQIO (Kt. Tessin, Bez. Lugano, Gem. Lugag- 
gia). 417 m. Gemeindcableilung und Borr im Val Cassa- 
rate, am rechten Ufer des Cassarate und 6,5 km n. vom 
Bahnhof Lugano. Postwagen Lugano-Maglio di Colla. 26 
Häuser, 153 katho). Ew. Kirchgemeinde Tesserete. Acker- 
und Weinbau. Zucht der Seidenraupe. Beiche Vegetation. 
Die den h. Peter und Paul geweihte Kirche gehört zu 
den ältesten Gotteshäusern im Thal. 

sureint (MUOT) (Kt. Graubünden. Bez. Albula). 
2675 m. Westl. Vorgipfel des Piz Uertsch oder Piz 
Albula in der eigentlichen Albulakelte. vom Hauptgipfel 
4,2 km und von Bergün 3,7 km sö. gelegen. Im N. zieht 
sich Val Tisch, im S. das kürzere, steile und wilde Val 
Zavrelta zur Albula herab. Wo diese letztere vor dem 
Sommerdörfchen Naz starker nach N. umbiegt, ragt der 
letzte Ausläufer der O.-W. verlaufenden Kette, der ge- 
rundete Muot (2363 rni in die Hohe. Dessen Hang trägt 
starke Lawinenverbauungen zum Schutze der Albula- 
bahn, von welcher zwei Kehrtunnels im Muotgebirge an- 
gelegt sind. Der Muot Sureint und Muot bieten schöne 
Blicke auf das Albulathal, den Piz d Aela und Piz Kesch 
und werden von Bergün aus besucht. Der Weg führt von 
der Strasse hinter Val Tisch in steilem Zickzack in SO.* 
Bichlung 'durch den bis 2100 m hoch reichenden Wald 
hinauf (Bergün-Muot Sureint etwa 3 Stunden). Gesteine 
der wilden, zerklüfteten Kette sind Arlbergdolomit, obere 
Bauhwacke und Hauptdolomit, die in der Thaltiefe 
auf allen Seiten auf grauen und dunkeln, im W. auch 
auf grünen und roten Schieferbildungen (Lias?) ruhen. 

SURENBODEN (OBER und UNTER) (Kt. Bern, 
Amtabez. Signau, Gem. Trub). 1143-1320 m. Drei Hofe 
am rechtsseitigen Gehänge des Hüttengrabens. 7 km nö. 
Trub und 10,5 km nö. der Station Trubschachen der Linie 
Bern-Luzern. 23 re form. Ew. Kirchgemeinde Trub. Wie- 
senbau. 

surenenalp | Kt. Uvii. 1260-2305 m. Grosse Alp- 
weide mit der Blackenalp |1778 ni), StäfTelialp (1418 m) 
und Ebnetalp (16SH mj in dem Thalkessel zwischen den 
lörtern I.3149 und 3202 m l im S.. der Schlossberg- 
13100 mi im Ü., der Surenenegg |2305 mi. dem 

1 2780 m) und W'issig- 



niackenstock (2922 ml. Sei 
stock (2888 m) im N. und 



>Uigberggral (2632 m I 
im W. Länge von Nieder Surenen (1260 mi bis zum Su- 
renenpass 1 2305 m) 7 km. Breite 5 km. Zahlreiche Hüllen. 
Baumlos. Die Alp wird mit 600 Stück Hornvieh und zahl- 
reichen Schafen bezogen und diente früher auch zur Som- 
merung von Pferden. Wird der ganzen Länge nach vom 
Stierenbach, dem Hauptquellarm der Engelberger Aa, 
und vom Weg über den Surenenpass durchzogen. Wie 
der L'rnerboden, der Kinzig und die Buosalp greift auch 
die Surenenalp über die natürlichen Grenzen des Heuss- 
thales hinüber und war deshalb Gegenstand eines lang- 
jährigen Streites zwischen l'ri und dem Kloster Engel - 
Derg. Nach einer aus 1213 stammenden Urkunde Kaiser 
Friedrichs II. war die Grenze zwischen Uri und Engelberg 
ursprünglich an der Stäubi festgelegt. In einem ersten 
Grenzstreit beanspruchten die Leute von Uri 1260 alle 
Alpen bis zum Tütschbach (heute Tälschbachj als ihr Ei- 
gentum. Hin von Markwart von Wolhusen am II. August 
1275 zu Altorf gefällter Schiedsspruch bestimmte, dass die 
Alpen von der Stäubi bis zum Tülachbach Eigentum des 
Klosters seien, es aber den Urnern gestattet sein sollte, bei 
schlechtem Welter hier Schutz zu suchen und bis zum 
Wiedereintritt von besserer Witterung zu bleiben. Später 
überschritten die Urner (zwischen 1299 und 1317) mit 
entfaltetem Pannerden Surenenpass. um alle dem Kloster 
gehörigen Hütten zu verbrennen, gegen das Kloster selbst 
zu ziehen. Vieh im Betrag von 90 Pfund 1800 Kr.), 
für die damalige Zeit bedeutenden Summe, zu r; 
und die Ebnelalp mit Gewalt sich anzueignen. Ein 
Schiedsspruch von 1357 bestätigte den Urnern den Besitz 
der Ebnetalp und teilte die Untere Surenenalp beiden 
Teilen zu gemeinsamer Benutzung zu. Neue Streitig- 
keiten und Sprüche erfolgten 1470 und 1472, bis dann 
endlich im Jahr 1513 ein Austausch die heutige Grenze 



b. Die die Surenenalp nach oben abschliessende 
Surenenegg wird schon im 12. Jahrhundert urkundlich 
erwähnt : 1148 Suranecco ; 1184 Soranecke. Der Ausdruck 
ist von der altgermanischen Wurzel tur = flieasen her- 
zuleiten, wie denn auch der Oberlauf der Engelberger Aa 
ursprünglich Suren Aa, d. h. ■ iiiessendes Wasser », ge- 
nannt wurde. Nach der I Überlieferung soll auf der Su- 
renenalp der Kampf des Uristicres mit einem die Heer- 
den verheerenden Drachen stattgefunden haben. Vergl. 
Hess, P. Ignaz. Der Grenttlreit iwitchen Engvllunrg und 
t ri lim Jahrbuch für Schweizer Getchichle. 1900). 

surenenpass (Kt. Uri und Obwalden). 2305 m. 
Ziemlich stark begangener Paasübergang zwischen der 
Urirotstock kette einerseits und der Schlossbergkette an- 
drerseits. Der 4 Stunden über Engelbc 
Pass fuhrt über den schmalen Kamm der 





(2454 ml, 

stock (2922 m). ei 
Uri Rotstocks. Er verbindet Erstfeld oder 
Altorf im Reussthal mit Engelberg und bietet eine pracht- 
volle Aussicht gegen den Titlis und die Grosse Windgälle, 
sowie im allgemeinen auf ein wildes und grossartiges 
Hochgebirgsgebiet. Der l'ebergang Erstfeld oder Altorf- 
Kngelberg erfordert etwa 8 Stunden Marschzeit. Der Weg 
wird von Th. Herzog im Führer durch die Urner Al- 
pen des A. A. C. Zürich (Bd I, 1905) wie folgt beschne- 
ben : Von Erstfeld wenig n. vom Bahnhof auf der Strasse 
unter dem Bahnkörper hindurch, sodann über die Reuaa- 
brücke zur Kirche. Von dort am Fuss des Berghanges 
etwa 10 Min. thalabwärta bis Niederhofen, von wo der 
Weg in steilen Kehren durch den Wald anzusteigen be- 
ginnt. Nach 20 Min. wird ein W r iesenstafel erreicht, an 
dessen oberm Finde der Weg wieder in den Wald ein- 
tritt und am s. Ufer des Bockibaches durch das steile 
Tobel (oben waldfrei) emporsteigt. Am Ende des TobelB 
erreicht man den grossen ThaTboden der Waldnacht ; 
nun über eine steinerne Brücke auf das n. Bachufer zu 
der etwa vom 1. März bis 1. Dezember bewohnten Unte- 
ren Waldnachtalp I Waldnachtberg 1393 m ) mit gutem 
Heulager (2 V* Stunden). — Von Altorf zunächst auf der 
Strasse nach Attinghausen, dann auf gutem Weg an der 
Buine vorbei, dem linken Ufer des Kummenbaches ent- 
lang, sodann diesen überschreitend am rechten Ufer zur 
Alp Stückiberg ; von hier sleil zum Plattenberg und auf 



dessen Rücken zum Waldnachtberg (2 3 /. Stunden). - Von 

iberWi 
nber be 

Waldnachtalp mit Heulager. Von hier führt der Weg 



der I ntern Waldnachtalp fasleben über Wiesen in 20 Min. 
zu der etwa vom 1. Mai bis 1. November bezogenen Obern 



westl. durch ein enges, noch im Sommer mit Schnee- 
resten erfülltes Tobel in Windungen gegen die Wände des 
Blackenslockes hinauf und zum Schiusa über welliges 
Terrain in etwa 2 Stunden zur Passhöhe der Surenen 
i2305 m|. Im Abstieg anfangs südwärts, dann nach W. 
umbiegend senkt sich der vorzügliche Weg zur Blackenalp 
(1778 n), die fast das ganze Jahr über bewohnt ist (etwa 
3 ; j Stunden ; gutes Heulager). Hinter den Hütten zu- 
nächst über den Bach auf das linke Ufer ; 20 Min. weiter, 
oberhalb der Fluh, über die der Bach den bekannten 
Stierenfall bildet, zurück auf das rechte Bachufer und in 
30 Min. ziemlich steil hinab nach Nieder Surenen (klei- 
nes Wirtahaus). Auf schmalem Strässchen durch Wald 
und Wiesen, an der Herrenrüti vorbei, hinaus nach En- 
gelberg (etwa 1 '/• Stunden i. Im Jahr 1799 überschritt 
eine französische Division unter dem General Lecourbe 
den Surenenpass mit Artillerie, um die Oesterreicher im 
Reussthal unversehens zu überfallen, musste sich aber 
vor dem ungestüm vom Gotthard herabdrängenden Ge- 
neral Suwarow wieder zurückziehen. Surenenalp und 
Surenenpass liegen in der Flyschzone, die die Kalkmassen 
des Uri HoUtocks und des Schlossbergs voneinander 
trennt und sich so zwischen die aulochthone Kalkmasse 
des Titlis und die Überschobenen Kalke des Uri Rostocks 



SURENHORN (OBER und UNTER) (Kt. Bern, 
Amtsbez. Aarberg. Gem. Schupfen i. 714 und 675 m. Ge- 
meindeabteilung und Dorf am N.-Hang des Frienisbergs. 
am Band von grossen Buchenwaldungen und an der 
Strasse Schupfen- Frienisberg : 4 km s. der Station Su- 
berg der Linie Bern-Biel. 25 Häuser. 202 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Schupfen. Landwirtachaft. 



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• URKTTA01.KTSCHKR (Kt. Graubünden, B«z. 
Hinterrhelo). 3025-2130 m. Grösster Gletscher der Suretta- 
horner; zieht sich vom llirli in weitem Bogen um den 
Hintergrund de» Surettathals. Er isl vorherrschend 



SUR 733 

tURLIJ (ALP) (Kt. Graabänden. Bez. Maloja, Kreis 
Ober Engadin, Gem. Silvaplanai. 2096 m. Alpweide auf 
einer Terrasse am W.Hang des Munt Arlas, 500 m ö. 



SURLEJ 



Arlas, 

Silvaplanersee. 

(FUORCU) (Kt. Graubünden, Bez. Ma- 



Splügenthal 



Sunctäihorn 

302S 



Pizzo </ fmeio 
320/ 



333* 



•••••• ••••»•• • 




narA A. Heim. 



Goolojrische* Qaerprodl durch die SuretUbOroer bis iam Piaao Stella. 
Sk. BOndaerachiefor; T. Dolomit der Triaa : Gn. Gnei. und kristalline Schiefer. 



M" liortl tl Cie. 



Arm als Thalgletscher in steilen Stufen hinab in das Su- 
rettathal. 

SURETTAHCERNKR (Kt. Graubünden. Bez. Hin- 
terrhein). Zentrum des Gebirgssiocke* zwischen Splügen- 
pass einerseits, sowie dem untern Val Perrera. dem Val 
d'Emet und dem Passo di Madesimo und Val di Madesimo 
andrerseits. Die Surettahörner umfassen : das Westliche 
Surettahorn (3025 m), das Oestliche Surettahorti (9039 m), 
den Piz la Mutalla (2960 m), den Piz Orsareigla (2824 m), 
die Schwarzhörner am Splügenpass (2760 und 2980 in) 
u. einige andere Gipfel. Eigentümlicherweise ist gerade 
der höchste dieser Gipfel (3039 m) auf der Siegfriedkai te 
unbenannt, wohl deshalb, well er von keinem bewohnten 
Ort aus sichtbar ist. Weiter vorgeschobene Gipfel sind 
noch das Seehorn (2730 in) und das Mittaghorn (2i41 m) 
gegen Sufers. sowie das Hirli (2857 m) gegen Ausser Fer- 
rera. Letzteres ist ein von Ausser Ferrera her durch Val 
d'Ursera leicht erreichbarer hübscher Aussichtspunkt. An 
seiner O.-Flanke wurden einst Eisenbergwerke betrieben, 
die aber längst eingegangen sind. Die in Trümmern lie- 
genden umfangreichen Gebäude der ehemaligen Eisen- 
schmelze am Fuss des Hirli zwischen Ausser und Inner 
Ferrera erinnern noch an jene für diese Gegend belebtem 
Zeiten. Die Gruppe der Suretiahnrner gehört dem Gneis- 
porphvr der Rofna an, der zusammen mit kristallinen 
Schiefern das ganze weite Gebiet zwischen dem Thal von 
Splügen und dem Pizzo Stella über Chiavenna aufbaut. 
Diese Gesteine bilden die vierte der stets durch Trias und 
mesozoische Glanzschiefer voneinander getrennten Gneis- 
decken, die zwischen dem Tessinlhal und dem Thal des 
Hinterrheins übereinander geschoben erscheinen. 

SURETTAHORN (Kt. Graubünden. Bez. Hinter- 
rhein). 3025 und 3039 m. Bergstock mit zwei Spitzen, dem 
Westlichen und dem Oestlichen Surettahorn, mitten in 
der Gruppe der Surettahörner, auf der Landesgrenze ge- 
gen Italien und ö. vom Splügenpass. 

8URETTATHAU (Kt. Graubünden, Bez. Hinter- 
rhein). 2500-1330 m. Das Val Suretla ist ein Midi. Seiten- 
thal des Rheinwaldthals., Es mündet als Waldschlucht 
etwa 1,5 km unterhalb Sufers bei der ehemaligen Surner 
Schmelze und am obern Ende der Romaschlucht. Von da 
steigt es südl. an bis zum SuretlagleUcher, der es hinten 
in weitem Bogen umzieht. Im mittleren Teil ist das Thal- 
chen ziemlich weit und flach und bildet dort die Alp Su- 
retta. Der Gebirfrsstock. in den es eingeschnitten ist. wird 
als Ganzes die Suret tagnippe genannt. 

SURITTI oder 8URÜTI (Kt. Vri, Gem. Gurtnellen). 
789 m. Weiler n. vom PfalTensprungtunnel, am rechten 
l'fer der Reuss und an der Gotthardstrasse. II Häuser, 
99 kaihol. Ew. Kirchgemeinde Gurtnellen. Wiesenbau. 

SURLEJ (Kt. Graubünden. Bez. Maloja, Kreis Ober 
Engadin, Gem. Silvaplanai. 1811 m. Gemeindeabteilung 
und Weiler, am rechten l'fer des Inn gegenüber Silva- 
plana und 7 km sw. der Station St. Moritz der Albula- 
hahn. 9 Häuser. 25 rvform. Ew. romanischer Zunge. 
Kirchgemeinde Silvaplana. Wiesenbau und Viehzucht. 
Idyllisch schöne Lage. Ausgezeichnetes Terrain für den 
Skisport- Surlej = über dem See. 



V. Allinger ic. 



loja). 2756m. Passübergang in der Berninakette, zwischen 
dem Piz Corvatsch (3458 m) und dem Munt Arlas (3129 m) 
tief eingeschnitten; führt von Silvaplana und Surlej ins 
Bosegthal und nach Ponlresina hinab (Surlej-Passhöhe 
3'/» Stunden, Pontresina-Silvaplana 6 Stunden ; von St. 
Moritz Bad her zur Passhöhe ungefähr die nämliche Zeit 
wie von Silvaplanai. Uberhalb Surlej gelangt man durch 
Wald in die gleichbenannte Alp (2096 m), dann s. über 
Matten gegen den Piz Corvatsch und oberhalb einer 
zweiten Alphütte (Margun) rechts oder gegen NO. ab- 
biegend in die Höhe. Der Weg vereinigt sich hier mit 
dem von Slls Maria herführenden Weg, sowie mit dem 
guten Reitweg von St. Moritz Bad her über den schönen 
Hahnensee. Auf der Fuorcla liodet sich eine Sommer- 
wirlschaft. Sie bietet einen überraschend schönen und 
grossartigen Blick auf die Berninagruppe i Bernina. Sella, 
Tschierva-, Roseg- und Sellagletscher) und wird sehr viel 
begangen. Abstieg ostwärts hinunter in die Alp Sur Ovel 
(2263 m), nach dem Bosegrestaurant (2000 m) und Ponlre- 
sina. Auf der Fuorcla, sowie diesseits und jenseits der- 
selben finden sich überall Rundhöcker und Glelscher- 
schlifTe auf den Talk- und Glimmerschieferfelsen. 

SURLEJ (PIZ) (Kt. Graubünden, liez. Maloja). 3187 m. 
Gipfel in der Piz Corvatschkette des Berninamassivcs ; 2.6 
km n. der Fuorcla Surlej und im N., gegen Pontresina und 
St. Moritz hin, sich zum breiten Stock des Piz Rosatsch 
fortsetzend. Die nö. Spitze des Berges ist fast gleich hoch 
(3185 m) ; von beiden reicht ein kleines Gletscherfeld nach 
N. und O. hinab (das. letztere ist das grossere). Der 
Surlejglelscher zeigte im letzten Jahrzehnt während meh- 
rerer Jahre ein Vorschreilen, während die übrigen En- 
gadiner Gletscher zurückwichen; doch war diese Bewe^ 
gung nur eine temporare. Man ersteigt den Piz Surlej 
von der Fuorcla Surlej her über die reisen an der O.- 
Seile des Munt Arlas in 2 Stunden, oder vom Bosegthal 
herauf durch die Foura da Brunner (Brunnersloch), dann 
von Ada Silva beim St. Moritzersee über die Statzer- 
alp. Die Aussicht ist ausgedehnter als vom Piz Rosaisch, 
von dem aus auch der Piz Surlej auf der Gratschneide 
über einen Felsenzahn und die Spitze 3185 m erreicht 
werden können. Der Piz Surlej ist aus Granit, auf der 
O.-Seile auch ans Syenit-Granit aufgebaut; im SW., gegen 
das Thälchcn von Surlej hin. ruht das Massengestein auf 
Gneis, Glimmer-, Talk- und Grünschiefern der Tiefe. 

8URPIERRK, deutsch t Eni-iiSTEiN (Kt. Freiburg, 
Bez. Brove). 623 m. Gem. und Pfarrdorf, als Freibur- 
ger Kxkfavc rings von Waadtländer Gebiet umschlos- 
sen ; 7 km sw. der Station Grangea-Marnand der Linie 
Lausannc-Payerne-Lyss. Postablage, Telephon. Gemeinde, 
mit Les Essinges, Les Gottes, Le Povet und Vigny : 55 
Häuser, 243 kathol. Ew. ; Dorr : 28 Hauser. 110 Ew. Das 
Dorr liegt im Bergland über den das Broyethal begleiten- 
den Felsen und gewährt eine schone Aussicht. Frucht- 
bare Gegend, Waldungen. Der aus dem Bois des Meules 
herkommende Bach von Surpierre teilt das Dorr in zwei 
Hälften, stürzt sich über die Felsen und mündet unter- 
halb Villeneuve von links in die Drove. Die Pfarrkirche ist 
der h. Maria Magdalena geweiht. Die ehemalige Pfarrkir- 



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734 SUR 

che Notre Dame des Champs, 1 ktn sw. vom Dorf nahe i 
dem Bois des Meules, erhielt 1411, 1488 und 1513 nament- 
lich von seilen der Familie Aymonetta verschiedene 
Vergabungen, war alier zu weit entfernt und wurde des- I 
halb abgetragen, worauf man im Dorf selbst die am 2. Juli 1 
1820 geweihte heutige Kirche erstellte. An der Stelle der 

1820 abgetragenen allen Kirche liess die Familie Bondallax 

1821 die jetzige Kapelle Notre Dame des Champa (s. die- 
sen Art.) erbauen. N'o. vom Dorf steht in 609 maufeinem 
etwa 120 tn hohen Felsen das Schloss Surpierre, das von 
weither sichtbar iat und von welchem aus sich ein umfas- 
sender und abwechslungsreicher Ausblick bietet. Derheu- 




Schlutt Surpisrr«. 



tige Bau ist von der Freiburger Regierungt539-I544 erstellt 
worden, nachdem das alle Schloss 15ÜJ9 einer Feuers- 
brunst zum Opfer gefallen war. Der Name der Ortschaft 
erscheint als tupra Pelm zum erstenmal 1147. Fa be- 
stand hier ein Ldelgeschlecht dieses Namen», das auch 
noch Besitzungen in Lussy und Vuislernens devant Hu- 
mont hatte und in den l rkunden von der 2. Hälfte des 
12. bis zur ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts auftritt, 
um dann wieder zu verschwinden. Die Herrschaft Sur- 
pierre gehörte vom 13. Jahrhundert bia 1399 den Herren 
von Cossonay, die wohl auch zwischen 1271 und 1316 das 
Schloss erbaut haben können. Ritter Ludwig I. von Cos- 
sonay, der in Schulden geraten war, verkaufte mit Zu- 
Stimmung von Mutter und Brüdern das Schloss und die 
Herrschaft Surpierre um den Preis von 3000 Iausanner 
Pfund an Wilhelm \on Eatavayer. Archidiakon von Lin- 
coln in England, mit dem Vorbehalt des Rechtes jeder- 
zeitigen Rückkaufes. Nachdem dieser Rückkauf 1316 wirk- 
lich erfolgt war. blieb Surpierre weiter im Besitz derer 
von Cossonay. bis es dann durch Erbschaft an Jeanne von 
Cossonay, Gemahlin des burgundischen Ritters Jean de 
Hougemonl, kam, die so zur Herrin von Cossonay. Ber- 
chier, L'lsle und Surpierre ward. Um eine Schuld von 
8000 Coldgulden iH4 720 Fr. in heutigem Gold) zu decken, 
trat Bitter Jean 1391» die Herrschaft Surpierre an sei- 
nen Glaubiger Vblet, Herrn von Challant und Mnntjovet, 
ab, wobei er sich das Bückkaufsrecht ebenfalls vor- 



SUR 

behielt. Laut l'rbar von 1380umfassle diese Herrschaft da- 
mals das Schloss und den befestigten Flecken Surpierre 
mit den Dörfern Minieres. Cranges. Trey. Henniez, Mar- 
nand. Coumin, Chapelle, Cheiry, Chavannes und Ville- 
neuve. Nach dem Tode seiner Krau veräusserte ihr Ge- 
mahl und Erbe Jean de Hougemonl sein Bückkaufsrecht 
1406 um 3000 franzosische Franken an Wilhelm III. \on 
Menlhonay, Bischof von Lausanne. Die Herrschaft Sur- 
pierre ging 1409 an Jean, den Sohn des Vblet de Challant. 
und 1 tl4 an dessen Bruder Franz, den spätem Grafen von 
Challant. über. Dieser verkaufte dann die Herrschaft sei- 
nerseits wieder dem Ritter Humbert von Gierens. Herrn 
von Virieux le Grand und Rat des Herzogs von Savoyen, 
von dessen Sohn Franz sie 1472 im Tausch gegen die 
Herncliaft L'lsle an Jakob von Savoyen. Grafen von Ro- 
mont und Herrn der Waadt. überging. Das Haus Satoyen 
blieb nun Eigentümer der Herrschaft bis zur Eroberung 
der Waadt durch die Berner im Jahr 1536. Schon am 
1. Marz des nämlichen Jahres trat Bern die Herr- 
schaft Surpierrre den Freiburgern ab, die hier ei- 
nen Landvogt einsetzten. Diese freiburgische Vogtei 
Surpierre umfassle ausser Schloss und Dorf Surpierre 
noch die Dorfer Villeneuve, Praratoud, Chapelle, Cheiry 
und Menieres. 1798- 1803 gehörte Surpierre zum Bezirk Ea- 
tavayer ; 1803-1848 bildete es einen eigenen Bezirk mit 
den Durfern Surpierre. Villeneuve, Praratoud, Chapelle. 
Cheiry, Menieres, Nuvilly, Felignv. Prevondavaux und 
Vuissens. Seit 1848 endlich ist Surpierre dem Bezirk Broye 
angegliedert. 

SURRHEIN (Kt. Graubünden. Bez. Vorderrheio. 
Kreis Disentis, Gero. Somvix l. 892 m. Pfarrdorf im Winkel 
zwischen der Vereinigung des Somvixerbach.es mit dem 
Vorderrhein und rechts dieses letztern ; 22,6 km sw. 
der Station Banz der Bündner Oberlandbahn (Chur- 
Hanz). Postablage. 42 Häuser. 255 kathol. Ew. romani- 
scher Zunge. Wiesenbau und Viehzucht. Strasse ins Som- 
vtxerlhal. 

SURRHEIN (Kt. Graubünden, Bez. Vorderrhein, 
Kreis Disentis, Gem. Tavetach). 1409 m. Gruppe von 5 
Häusern, auf einer sanft geneigten Terrasse rechts vom 
Vorderrhein und am Eingang ins Val Nalps ; 39.5 km 
sw. der Station Banz der Bündner Überlandbahn (Chur- 
Hanz). 50 kathol. Ew. romanischer Zunge. Kirchgemeinde 
Tavetach. Wiesenbau und Viehzucht. 

SURRHIN (Kt. Graubünden, Bez. Glenner, Kreia Lu- 
gnez, Gem. Lumbrein). 1288 m. Gemeindeableilung und 
Weiler, am rechtsseitigen Gehänge über dem Glenner und 
am NW -Hang des Piz Regina ; 1,7 km nö. Vrin und 20 
km sw. der Station Banz der Bandner Oberlandhahn 
(Chur-Ilanz). Postablage. 13 Häuser, 65 kathol. Ew. ro- 
manischer Zunge. Kirchgemeinde Lumbrein. Wiesenbau 
und Viehzucht. 

8UR8AI88A (Kt. Graubünden. Bez. Glenner). Gem. 
und Dorf. S. den Art. OhMsaxem 

8UR8AS8 (PIZ) (Kt. Graubünden. Bez. Inn). 2920 m. 
Aussenposten in der kleinen, aber hübschen und sehr ei- 
genartigen Gruppe dea Piz Nuna bei Zernez. Vom Pix 
Nuna (3128 m), o km onö Zernez, zweigt ein kleiner Ge- 
birgsast im Bogen nach NO. und N. zwiachen Val Nuna 
und Val Sampuoir ab, in welchem sich der Piz Sursass 
als ziemlich gerundete und nur wenig über den Kamm 
herausragende Kuppe erhebt. 

8UR8CHEIN8 (CRAP) (Kt. Graubünden, Bez. 
Glenner). 2569 m. Breites Felsplateau, 3-4 km nw. Panix 
und zwischen den obersten Verzweigungen des Panixer- 
thala einerseits und des Val Ladrai andrerseits. Ist im 
kleinen eine Nachbildung des Flimsersteins, doch nicht 
wie dieser mit einer weiten Basenllache auf dem Scheitel, 
sondern mit von SO. nach NW. ansteigender Fels- und 
Schuttplatte, die auf drei Seiten mit steilen, jedoch nicht 
sehr hohen Wänden abbricht. Auf der vierten Seite 
engt sich die Scheitelfläche ein und geht dann in einen 
schmalen, immer hoher ansteigenden Kamm über, dem 
der Crap Tgietachen (2584 m) enlragt und der nach einer 
kleinen Einsattelung i2531 m] zu einem mächtigen Fels- 
sporn sich entwickelt und schliesslich mit dem Mutten- 
stock (3091 m) am Muttensee und Kistenpaaa verwächst. 

SURSEE. Amt dea Kantons Luzern. Das Amt Sursee 
liegt im nördl. und mittlem Teil des Kantons Luzern. 
Im O. grenzt es an das Amt Hochdorf, im S. an die 



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SUR 



SUB 



735 



Aemter Luzern und Entlebuch, im W« an das Amt 
Willisau und im X. an den Kanton Aargau. Ks ist in der 
Richtung SO. -NW. von drei Parallethälern durchzogen : 
dem Rotthal, dem Suhrenthal und dem Winenthal. Da- 
zwischen ziehen sich parallele Höhenzüge hin, so zwischen 
dem Rot- und Wiggerthal einerseits und dem Suhrenthal 
andrerseits der Ruswiler- und Noltwilerberg, der llafen- 
deckel, Stcmpfelberg und der Letten; zwischen dem 
Suhren- und Winenthal der Eichberg, Tannberg und 
Gschweich. Suhren- und Wiggerthal sind durch ein Ouer- 
thal, in dem der Mauensee und der heute verlandete 
Wauwilcrsee liegen, miteinander verbunden. Die hoch- 




Surrheln (Somvix) von Weiten. 

sten Lirhebungen sind der Schiltwald (868 m), Ruswiler- 
berg (846 m) und das aussichtsreiche Gschweich (818 m). 
Die tiefste Stelle (477 m) findet sich da, wo die Suhrden 
Kanton verlässt. Im ohern Suhrenthal liegt der 14,37 km 1 
umfassende Sempachersee (507 m). Die Gesamtfläche des 
Amtes beträgt 331,2 km*. Allea ist kultivierbares Land. 
Wohlgepflegte Wälder wechseln mit ertragreichem Acker- 
land und fruchtbaren Wiesen. Der Obstbaumzucht wird 
überall grosse Aufmerksamkeit geschenkt, und der Ertrag 
an Obst ist daher auch ganz bedeutend. Das Obit wird, 
so weit das Redürfnis geht, selbst verwertet, der l'eber- 
tluss dagegen verkauft. In Sursee besteht eine zentrale 
Obstverwertungsstelle für den Export. Der Ackerbau ist 
zurückgegangen ; doch wird im Michelsamt und in Rua- 
wil noch viel Getreide angebaut. Es wird Korn. Hafer, 
Roggen und auch vereinzelt etwas Weizen gepflanzt. Die 
Hauptertrügnisse liefert der Futterbau. Viehzucht und 
Milchwirtschaft ergeben die grösaten Einnahmen. Fast 
im ganzen Amt wird Braunvieh gehalten. Auch die 
Schweinezucht ist eine bedeutende Einnahmequelle. 
Die Viehzählungen haben folgende Resultate ergeben : 
f-. 1*90 t»>6 
Rindvieh . . 22295 26250 3U">90 
Pferde . . . 1036 1182 1881 
Schweine . . 11051 15990 17V27 
Schafe . . . 10i6 537 283 
Ziegen . . . 3279 2241 1147 
Bienenstöcke . 49-41 7675 641 1 

(im Jahr 1901). 

Die Industrie ist von Bedeutung in Sursee und dem Suh- 
renthal unterhalb Sursee. Sursee hat eine Ofenfabrik, eine 
Konservenfabrik, eine Uhrensteinschleiferei und etwas 
Hausindustrie. Im Suhrenthal beschäftigt die Weberei als 
Hausindustrie viele Leute, ferner bestehen Zigarren- and 
Bürstenfabriken. Das Stahl bad Knulwil beherbergt wäh- 
rend des Sommers eine ziemliche Zahl von Kuranten. 
Jagd und Fischerei liefern nur mittelmassige Ertragnisse. 

In frühern Zeiten bildete das Amt kein einheitliches 
Ganzes: es ist historisch sehr verschieden zusammenge- 
setzt. Geschichtliche Teile des Amtes sind: die Stadt 



Sursee, das Michelsamt, die Yogteien Ruswil, Büron und 
Knulwil, die Burgherrschaften Mauensee und Geuensee, 
ferner die Twinge des Deutlichen Ordens zu Tannenfels, 
Buttisholz und Menznau und die Herrschaft Wangen. 
Ferner gehören dazu Wolhusen und Sempach. 

Das Amt Sursee ist eingeteilt in die fünf Gerichtsbezirke 
Sursee. Triengen. Münster, Sempach und Ruswil. Es um- 
fasst folgende 27 politische Gemeinden: Büron, Buttis- 
holz, Eich, Geuensee, Grosswangen, Gunzwil. Hildis- 
rieden. Knutwil, Kulmerau. Mauensee. Münster, Neudorf, 
Neuenkirch, Nottwil, Oberkirch, Pfeflikon, Rickenbach. 
Ruswil, Seilen kon . Schlierbach, Schwarzenbach, Sempach 
Sursee. Triengen. Wilihof. Winikon und 
Wolhusen. 20 kathol. Pfarrgemeinden undzwei 
reformierte Missionsstationen. Im Amt Sursee 
bestehen 76 Primär- und 8 Sekundärschulen, 
ferner zwei Mittelschulen mit Progvmnasien 
(Sursee und Münster) und eine landwirt- 
schaftliche Schule in Sursee. 5896 Haushal- 
tungen in 3911 Häusern; 28990 Ew.. wovon 
27859 Katholiken. 1113 Reformierte, 8 Israe- 
liten und 10 Andere. 117 Ew. auf den km 1 . 
Dem Verkehr dienent ein reich verzweigtes 
StrasBennetz und eine Eisenbahnlinie. Die 
Slrassenzuge folgen zunächst den Längsrich- 
tungen der Thäler. Eine Hauptstrasse verbin- 
det das Rotthal mit dem Wiggerthal und ver- 
mittelt über Elliswil und Hutlwil den An- 
schluss an den Kanton Bern. Das Suhren- und 
Winenthal sind durch Hauplstrassen mit 
dem Kanton Aargau verbunden. Alle diese 
Strassen laufen im SO. gegen Luzern zusam- 
men. Von Sursee aus geht ein Strassennetz 
strahlenförmig aus : eine Hauptstrasse (die 
Baslerstrassej fühlt über St. Erhard nach Uf- 
tikon-Dagmersellen-Zofingen etc., eine zweite 
verbindet Sursee mit WilTisau einerseits und 
Huttwil andrerseits, und eine weitere ver- 
mittelt den Verkehr mit dem Winenthal 
(Münster und Reinach). Das Amt wird im sw. 
Teil von der Eisenbahn I.uzern-Ulten durchfahren. Neuere 
Eisenbahnbestrebungen, welche den Bau von Längsbah- 
nen in den Parallelthälern, sowie von Verbindungsbah- 
nen zum Zwecke haben, werden nicht ohne Erfolg blei- 
ben. 

8UR8EE (Kt. Luzern). 511 m. Gem. und Stadt; 

Hauptort des gleichnamigen Amtes und Ge- 
richtsbezirkes. Liegt im Renen des Kantons 
Luzern zwischen dem NW. -Ende des Sem- 
pachersees und dem Mauensee, an der gros- 
sen Strasse Luzern -Basel (der sog. alten 
Baslarstrasse) und 24 km nw. Luzern. 1 km 
w. der Stadl die Station Sursee der Linie 
Luzern-Olten. Die Stadt liegt inmitten von 
fruchtbaren Wiesen, Aeckern und Bauerngütern. Das 
Klima bietet insofern etwas besonderes, als es wesent- 
lich beeinflusst wird durch die Laare zwischen Sem- 
pacher- und Mauensee und durch die grossen Wald- 
komplexe, welche die Ortschaft in nächster Umgebung 
gegen O., W. und N. hufeisenförmig umrahmen. Folge 
davon: erhöhte Luftfeuchtigkeit und besonders Schutz 
gegen Hagel. Seit 1849 ist über Sursee kein nennens- 
wertes Hagelwetter niedergegangen, während sehr nahe- 
gelegene Gebiete in die Ilagelzone gehören. Das Städt- 
chen wird durch die Moräne Maria Zell vom Sernpacher- 
aee getrennt. Der Untergrund ist in allen Teilen nach 
neuestem System kanalisiert. Eine Hochdruck- und eine 
eigene Niederdruckleitung (für laufende Stadtbrunnen) 
sorgen für Trinkwasser ; Hydranten gegen Feuersgefafir. 
Gemeinde mit Kotten. Maria Zell und Schlottenmiich i 
272 Häuser und 2592 Ew.. wovon 2487 Katholiken, 100 Re- 
formierte und 5 Israeliten ; Stadt : 230 Häuser, 2037 Ew. 
Postbureau. Telegraph, Telephon; Postwagen nach Bü- 
ron, Triengen, Dagmersellen, Ettiswil-Willisau. Münster. 
Die hauptsächlichste Beschäftigung der Bevölkerung ist 
Landwirtschaft, Viehzucht und Milchwirtschaft. Daneben 
gedeiht auch etwas Industrie: Konservenfabrik, Ofen- 
fabrik mit 300 Arbeitern, Lagerhaus. Uhrensteinschleiferei 
etc. Zwei Bildhauerateliers. Grosse Jahr- und Viehmärkte 
mit geräumiger Markthalle, die bequem in eine Festhalle 




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7.% 



SUR 



SUR 



umgewandelt werden kann. Hie mittlere Jahrcsauffuhr 
betrügt 4300 Stück Grossvieh und 7000 Stück Kleinvieh. 
Ali Zentrum des Amtes und Kantona bildet die Ortschaft 



Ruheplatz für die Handelsfrachten machte. Mit der Er- 
öffnung der Bahnlinie Luxem - Ölten verlor diese Ver- 
kehrsader an Bedeutung; dagegen wurde nunmehr die 

Station Sursee 




*"8ortU Cf 



Amt Suraeiv 



einen Mittelpunkt des Verkehrs. Ea münden daher in 
Sursee eine ganze Anzahl von Strassen ein. Deren wich- 
tigste ist die alt<> Ilaslerstrasse (Luzern-Sursee-Zolingen), 
die ehedem den gewaltigen Verkehr vom Gotthard her 
über Luxem nach Barel und ins Klsass vermittelte und 
Sursee zu einem bedeutenden natürlichen Lager- und 



(etwa 15 Minuten 
weatl. der Stadt) 
eine der bedeu- 
tendsten der Li- 
nie Luzern - Öl- 
ten - Basel. Kine 
Eisenbahn durch 
das Suhrenthal 
dürfte in Bälde 
zur Ausführung 
gelangen. Aus- 
flugsziele sind u. 
•. : die ausge- 
dehnten Waldun- 
gen der Burger- 
gemeinde mit 
prachtigen Spa- 
zierwegen * und 
Ruhebänken ; 
Maria Zell (Vi 
Stunde) mit Wall- 
fahrtskapelle und 
prächtiger Aua- 
sicht, Burgruine 
Schenkon, Bog- 
nauerhöhe. 
Gross wanger- 
höhe. Knutwiler- 
hohe und Stahl- 
bad Knutwil, die 
Höhen von Tann. 
Diegenstall und 
Ilunziken mit 
prächtiger ' Aus- 
sicht. Hervorra- 
gende Bauten: 1) 

Das Rathaus, 
1 540- 1546 erbaut: 
früher Kaufhaus, 
die Tuchlaube , 
Susi und Zeug- 
haus enthaltend, 
jetzt mit Post und 
Telegraph. Ge- 
richlssaal. Ge- 
richtskanzlei etc. 
Für das Treppen- 
haus ist ein ei- 
gener Turmbau 
vorhanden. 2) Daa 
sog. Beck -Leui- 
sche Haus, 1615- 
1632 erbaut, mit 
gotischen und Re- 
na iBsance-For- 
men.3)Die Pfarr- 
kirche ( 1639-1640) 
auf dem alten 
Burghügel \ zwei 
frühere ver- 
brannten 1363 
und 1611. und eine 
wurde nieder- 
gerissen 1638). 
mit neuer Orgel. 
4) Das an das un- 
tere oder Basler- 
thor angebaute 
Schützennausaua 
dem 17. Jahr- 



hundert mit Museum I Funde aus den Pfahlbauten, römi- 
sche Funde etc.). 5| Her sog. Hicbenturm, vormals Pulvcr- 
turm. mit einem Verlies« für todeswurdige Verbrecher. 
Das DiUH erbaute Kapuzinerkloater. 7) Die 1656 erbaute 



6 



Kapelle Maria Zell. — Reges geselliges und wirtschaftliches 
Leben : Vereine für Unterhaltung und Belehrung (Theater- 



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SUR 



SUR 



737 



und antiquarische Gesellschaft, Lesezirkel etc.), Gesang- 
und Musikvereine, gemeinnützige Vereine (Armenverein, 




Sur«»« von Suiten. 

Kindergarten. Arheiterkrankenkaise), Turn- und Schiess- 
vereine, Käsereigenossenschaften, zentralschweizerische 
Gesellschaft für Obstbau und Eiport etc. 

Die ersten Ansiedler dieser Gegend waren Pfahlbauer 
der altern Stein/eil i Funde bei AlUtatt.im Zellmoos, beim 
Auslluss der Suhr. bei Schenkon, sowie im Mauensee), der 
jungern Steinzeit und der Hronzeperiode (Pfahlbau im 
Zellmoos). Dass auch der schone Platz, auf welchem das 
Städtchen erbaut ist. sowie die wesll. und nordwesll. 
gelegenen Anhöhen schon früh bewohnt waren, ist mit 
Sicherheit anzunehmen : denn auf dem Mauenseeberg 
findet sich ein befestigter Platz und im nahen Stockachen 
mehrere Hügelgräber, welche aus der Zeit der llelvetier 
stammen. Spuren von Niederlassungen der Römer, z. B. 
bei Schenkon. Ifllikon (schöner Opfertisch) und Mauen- 
see. Nord!, der Stadtmauer von Sursee liegt ein römi- 
scher Begrahnisplatz, aua welchem zwei schöne Glaser 
im Museum von Sursee sich finden. Die Zeit der Ent- 
stehung der Stadt Sursee (oppidum Sunee; Surla- 
cus) kann geschichtlich nicht festgestellt werden. 1036 
wird sie zum erstenmal urkundlich erwähnt. Sie war 
ein vom deutschen Reiche abhängiges Lehen zuerst der 
Grafen von Lenzburg (bis 1172) und dann derjenigen 

von hiburg, 
worauf sie PJ78 
an das Haus 
Habsburg-Oes- 
terreich kam. 
1299 erhielt 
Sursee von 
KönigAlbrecht 
ein Stadtrecht. 
Von einem 
Rate tindet 
man noch 
keine Spur, 
bis ! : I l 2 zuerst 

urkundlich 
« die Räthe • 
genannt wer- 
den, welche 
wahrschein- 
lich ein ver- 
bindliches 
Vorschlags- 
recht zum 
Schultheissen- 
amt hatten. 
Mit der Zeit 
erlangte Sur- 
see noch an- 
dere ansehn- 
liche Freihei- 
ten. 1387 erhielt es wegen merklicher Schäden und Wüs- 
tungen im Sempacherkrieg u. a. den Sempachersee mit 
allen st-inrn Rechten, welche vormals der Vogt von Roten- 
burg besessen. 1415 erwarb Sursee von den Edlen von 
Gronenberg die Vogtei über da« Michelsamt, wodurch es ( 




Hainau« In 8ur»o«. 



I zu eigener Vogtgewalt und zu Vogtleuten gelangte. Ala 
I Sursee 1415 mit Luzern den Uebergabsvertrag schloss, 
besäst es ein freies und vollgiltiges Burg- 
recht, sowie einen eigenen Rat und einen 
Schultheissen, Immunität vor auswärtigen 
königlichen Gerichten für seine Bürger, einen 
eigenen Spital (1379). Zoll, Weg- und Ohm- 
gelder, ein selbständiges Jurisdiktionsgebiet 
etc. In dem l'ebergabsvertrag vom SO. April 
1415 an Luzern tritt dieses an die Stelle der 
Herrschaft Oestexreich. Sursee behielt sich 
alle bisherigen Rechte, Freiheiten und Privi- 
legien vor und dazu noch die Rechte, wel- 
che es künftig vom Reiche erhalten werde. 
In der Folge löste Luzern die Vogtei über 
das Michelsamt ab und zog 1473 die Seevogtei 
an sich. 1482 erlitt die fast vollkommen 
unabhängige Stellung des Rate* zu Sursee 
durch das Recht der Appellation an den Rat 
von Luzern eine Einbusae, was den Wider- 
willen und den Widerstand der Bürger von 
Sursee hervorrief, die stets die erworbene 
polltische Stellung mit Nachdruck sich zu wahren 
suchten. Dieses Verhältnis erhielt sich bis zur franzö- 
sischen Revolu- 
tion il7H8. Das 
Stadtregiment be- 
stand aus 12 Klei- 
nen Räten (den 
Zwölfern) und aus 
20 Grossräten (den 
Zwanzigern l mit 
einem Schultheis- 
sen an der Spitze. 
Im Militarwesen 
stellte Sursee sein 
Kontingent, wel- 
ches es ausrüstete 
und einübte. Es 
besass ein eigenes 
Zeughaus. Die 
Bürgersc ha fl 
stand treu und fest 
wie zur alten, so 
zur neuen Herr- 
schaft ( IG53 im 
Bauernkrieg). Die 
Gewerbe schlös- 
sen sich zu In- 
nungen oder Bru- 
derschaften zu- 
sammen (z. B. 
die PfUter- und 
Schuhmacherbru- 

derschaft im 14. Jahrhundert). In den bildenden Küns- 
ten erwarben sich einen berühmten Namen : die Gebrü- 
der Abesch in der Glasmalerei ; Hans Kaspar Teufel in der 
Kunstschreinerei und Holzschnitzerei ; Hans Peter Staffel- 
hach in der Goldschmiedekunst (17. Jahrh.). Andere her- 
vorragende Männer sind : der Chronist Johann Salat ; der 
berühmte lateinische Dichter Johann Barzaeus; der latei- 
nische Chronist Jakob Wagenmann ; der Arzt und Uni- 
versitätsprofessor Johann Dueller in Ingolstadt; der Re- 




HaVertbor in Sursee. 



generalor des Klosters Pfäfers, Abt Bonifazius Tschupp ; 

P. Januarius Gilli O. C. ; 



Tschupp. IWlticks- 
1580, 1650, 1686, 



der einflussreiche Provinzial 
der Chronikschreiber Johann Jost 
fälle: grosse Feuersbrünste 1363. 1461 
1734. 1439 und 1628 wütete die Pest. Erstes eidgenös- 
sisches l'ehungslager 1838. Die jetzigen OrUbehörden 
sind der Stadtrat, der Ortsbürgerrat und der Korporations- 
rat. Die Gemeinde besitzt ein Armen- und Waisenhaus. 
Der Korporationsgemeinde gehören ein Waldareal von 200 
ha, eine offene Allmend von 105 ha und ein neuerstelltes 
Elektrizitätswerk von etwa 100 PS, das die Stadt mit 
Licht versieht. 

Die Pfarrkirche St. Georg treffen wir urkundlich zu- 
erst 1036. Ihr Alter und Stifter sind unbekannt. Der 
Kirchensatz und das Patronat war schon 1257 Eigentum 
der Grafen von Kiburg. Erbsweise kamen diese Rechte 
an die Herrschaft IIa bsburg- Oesterreich. Seit dem Jahr 

235 — geour. lex. v — 47 



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788 



SUR 



SUS 



1275 wirkten vier Priester, die später sogenannten Ouaftu/r 
rurati (Vierherren) oder Pfarrherren zum Unterschiede 




Beck-L«uisch«i Haas In Surs««. 

von den erst im 14. Jahrhundert gestifteten drei Kapla- 
neien, an der Pfarrkirche. 1399 veräusserte Herzog Leo- 
pold sein Eigentum zu Sursee durch einen vollgültigen 
Tausch an aas Gotteshaus Muri gegen des letztern Hof 
Rellikon im Hreisgau. Kirchensatz, Zehnten und Güter 
kamen in der Weise an Muri, dass es die Güter als Eigen- 
tum benutzen, die Kirche dagegen mit eigenen Religiösen 
besetzen konnte. 1405 bestätigte der Bischof von Konstanz 
Marquanl von [tandegg die Inkorporation der Pfarrei 
Sursee und der dortigen Pfründe an Muri. Diese Kolla- 
turverhältnisse blieben bis zur Aufhebung 
des Klosters Muri 1841 bestehen. Dann 
kam die Kollatur der Vierherrenpfründen 
an den Staat Luzern. wahrend die Wahl 
des Leutpriesters der Bürgerschaft verblieb. 
Die Kollatur der Kaplaneien kam in der 
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der 
Korporalionsgemeinde an die politische 
Gemeinde. Die umfangreiche Pfarrei um- 
fasst ausser der Stadl Sursee noch die Fi- 
lialen Geuensee (mit der Kapelle St. Ni- 
kiaus i, Tann (mit der Kapelle St. Karl 
Borromäus), Schenkon (mit der Kapelle 
St. Anton von Padua) und Mauensee (mit 
der Kapelle St. Theodul); ferner die Kapelle 
Maria Hagerstem, die Kreuzkapelle in der 
Vorstadt, die St. Margaritakapelle in der 
Pfarrei Oberkirch und die Reinhauska- 
pelle. 

Im 14. Jahrhundert bestand in Sursee 
eine Pfarrschule, die binde des 15. Jahr- 
hunderls zu einer lateinischen Stadtschule 
wurde. 1625 Einführung der deutschen 
gemischten Schule, 1677 der Mädchen- 
schule. 1783 der gemischten Normalschule, 
1800- 181*3 der getrennten Normalschule, 
1830 der gelrennten Primarschulen, 1822 
der Bezirks- oder Sekundärschule. An die 
Stelle der Latein- und Rezirksschule trat 
1867 eine Real- oder Mittelschule mit 4 Real- 
und 4 Gymnasialklassen (durchschnittliche Gesamtfre- 
ijuenz 120-130 Schüler). Eine Mädchensekundarschule. 
1U02-1903 Erbauung eines neuen Schulhauses durch die 



Gemeinde. 1885 Einführung der kantonalen landwirt- 
schaftlichen Winterschule, zuerst auf dem Rathaus und 
seit 1901 in dem 1898 neuerbauten Schul- und hon- 
viklgebäude. (1902-1903: 120 Schüler). Seit 1901 besteht 
eine gewerbliche Fortbildungsschule. Ferner Wieder- 
holungsschule und Rekrutenschule (mit 40 Lehrslun- 
den). Kinderasyl Maria Zell (1898), Kleinkinderschulc 
(1894), französisches Mädchenpensionnat (1904). 

SUR SEE WALD (Kl. Luzern, Amt Sursee). 520 m. 
Nahe an 2 km langer und I km breiter Wald; 1.5 km 
nw. Sursee. Von der Suhr und der Hahn Luzern-Olten 
durchzogen. 

8UR8ES i Kl. Graubünden. Bez. Albula). Thalschaft. 

S. den Art. Oheriiauistein. 

SUS LA VILLE (Kt Waadt. Bez. Yverdon. Gem. 
Champvent i. Teil des Dorfes Ciiaw'vknt. S. diesen Art. 

8US PIN (Kt. Freiburg, Bez. Greierz, Gem. Avry de- 
vant Pont). Weiler. S. den Art. Pin (Sisi. 

SUSANFE CESANFE oder CLUSANFE (Kt. 
Wallis, Bez. Saint Maurice. Gem. Evionnaz, Saint Mau- 
rice, Massongex und Verossaz). Elliptisch geformtes Hoch- 
thälchen, von der Haute Pointe der Dentdu Midi, seinem 
NO. -Punkt, bis zum Moni Sagerou an der SW.-Ecke 
7 km lang. Wird durch die Dent de Bonavaux und den 
W.-Gral der Dentdu Midi vom Thal von Champerv ge- 
trennt, wohin es sich durch die Schlucht des Pas d'Encel 
(1861 m| zum Wildbach La Saufftaz entwässert. Das Thäl- 
chen zeigt den nicht seltenen Fall, dass ea zwei gegen- 
einander Iiiessende Bäche aufweist, die sich nach ihrer 
Vereinigung einen seillichen Ausweg geöffnet haben. Die, 
ganze Alpweide Susanfc liegt auf meist kalkigem und nur 
an wenigen Stellen mergeligem Neokom, woraus sich der 
spärliche Pflanzenteppich des Hochlhälchens erklärt. Süd- 
wärts wird es durch den Mont Sagerou (2687 m und den 
Petit Mont Ruan (2857 m) vom Val de Sixt getrennt, in 
welches der Col de Sagerou (2413 m) und der Col des 
< Klans hinüberfuhren. Der Mont Ruan (3078 m) und die 
Tour Sallieres (3227 m) scheiden es im SO. von den Thäl- 
chen von Barberine und von Emaney. Der grössere un- 
tere Thalboden iGiltroz du Fond) bildet eine in 1950 m 
Höhe gelegene flache Sohle. Die Alpweide Susanfe wird 
von der Nachbaralp Salanfe. wohin der Col de Susanfe 
(25U0 m) leitet, aus bewirtschaftet und mit 400-500 Scha- 
fen bestossen. Zwei Alphütten (Giälroz Derrey und Gietroz 
Devant). Nahe Gidtroz Derrey sprudelt eine schöne 
Muelle. Die Alp gehört wie diejenige von Salanfe den vier 
Gemeinden Saint Maurice, Kvionnaz, Verossaz und Mas- 




SO» Im ' 'nler Kngatlin von Norden. 



songex gemeinsam. Die Versuche, einer einzigen dieser 
Gemeinden die Gerichtsbarkeit /u ubertragen, haben zu 
zahlreichen Prozessen Anlass gegeben und sind bis jetzt 



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sus 



sus 



739 



gescheitert. Die Urkunden nennen die Alp • C.lusanfe o ; 
doch wird sie heute in der Genend fast allgemein » Ce- 
sanfe I geheissen, während die Be- 
zeichnung • Susanfe » der Siegfried- 
karte eher auf einem Missverslandnis 
des aufnehmenden Topographen beru- 
hen durfte. 

SUSANFE, CE8ANFE oder 

CLUSANFE (COL DK), Jlicli COL 

DE SALANFE geheissen (Kt Wallis. 
Bez. Saint Maurice). 2500 m. Pass- 
ubergang zwischen der Dent du Midi 
und der Tour SaHirres. verbindet Sal- 
van und das Thalchen von Salanfe mit 
dem llochthal von Susanfe und Cham- 
pery. Aufstieg von Salviin über Van und 
Salanfe in 5 Stunden ohne jede Schwie- 
rigkeit, obwohl der Fusaweg nicht über- 
all zu erkennen ist ; Abslieg durch 
die Alp Susanfe und den Pas d'F.ncel 
nach den Hütten von Bonavaux und 
Champerv in 3 '/| Stunden. Wird ziem- 
lich stark begangen, bietet aber keine 
besonders umfassende Aussicht. Der 
Pass bildet eine Einsattelung /wischen 
den Neokomkalken der Denis du 
Midi und den jurassischen Wanden 
der Tours Sallirres (vergl. das geolo- 
gische »Juerprolil beim Art. Sai.likres). 

SUSANFE, CE8ANFE oder 
CLUSANFE (GLACIER DE) > Kt. 

Wallis. Bez. Saint Maurice). So nennt man zuweilen den 
Glacier du Mont Huan. Siehe diesen Art. 

8USA8CA (Kt. Grauhünden. Bei. Inn). 2400-1420 m. 
Wildbach des Susascalhales oder Val Flüela, das bei Süs 
von links ins Engadin mundet. Der Bach entspringt oben 
am Fluelapa** und eilt in raschem und im ganzen nach 
Ö. gerichtetem Lauf hinaus /um Inn. An nennenswerten 
Bachen nimmt er auf: den Abllusa des Badünergletschers. 
längs welchem der Weg zum vielbesuchten Flüela Schwarz- 
horn fuhrt, den Bach aus dem Kehrenthäli von der O.- 
Seite des Flüela Weisshorns, ferner den starken Abllusa 
des machtigen GrialeUchgletschers und endlich den Bach 
aus dem Val Fless (die Aua da Fless). Der II km lange 
Susascabach ist im Unterlauf kanalisiert und treibt hier 
mehrere Mühlen. 

SUSASCA (VAU (Kt. Grauhünden. liet. Inn). Thal. 
S. die Art. Flikla (Val) und Fl( elai-ass. 



Orbe und an der Strasse ( >rbe-Yverdon ; 3.4 km nw. der 
Station Kpendes der Linie Neuenbürg-Lausanne und mit 





Olpfel ile» Susteoboro«. 

SUSAUNA (Kt. Graubünden. Bez. Maloja, Kreis Uber 
Engadin, Gem. Scanfs). Weiler S. den Art. Si'i.sasna. 

8U8CEVAZ (Kt. Waadt. Bez. Yverdon). 451 m. Gem. 
und kleines Dorf, am W.-Band der Mündungsebene der 



SuslenbornkotWi vom Stö*»eaflrn her. 

ihr durch eine Strasse quer über die Ebene verbunden 
Postablage; Postwagen Orbe- Yverdon. Gemeinde, mit der 
lläusergruppe Grange Decoppet : 27 Häuser, 144 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Champvent. Landwirtschaft. Am un- 
tern S.-Hang des Hügels von Chamblon stehen einige 
Beben. Ziemlich häutige Funde von Münzen und andern 
(iegensländen zeugen von einer hier bestehenden Ansie- 
delung der Bomerzeit. Heimat des weitverbreiteten Ge- 
schlechtes Decoppet, dem u. a. der Pfarrer und Botani- 
ker Decoppet,' Mitarbeiter Albrechts von Haller an dessen 
llutoria ttirpiun» indigenarum Hehelioe inetwata (Ber- 
nae 1768), angehört. 1141 : Sub Silva ; 1315 : Suceve ; 
1368: Sourcva s unter dem Wald. Das Dorf steht auf ei- 
ner aus Molasse und Moränenmaterial bestehenden Hohe, 
die mit dem Neokoruhügel des Mont de Chamblon in Ver- 
bindung steht. 

SU8ENEGG oder 8AUSENEQG (Kt. Bern. Amts- 
bez. Thun, Gem. Sigriswil). 1426 m. Anhohe 
über Sigriswil. am Kontakt der Molasse mit der 
Kalkzone des Sigriswiler Grates. 

8UB8ILLON (Kt Wallis. Bez. Siders. Gem. 
Chandolin). 1386-1738 m. Berghang mit einigen 
Flächen Ackerland, auf dem Bergsporn zwischen 
den beiden Ponlisschluchlen nahe der Ausmün- 
dung des Eilischlhaies. Zwei Gruppen von Hüt- 
ten (eine untere mit etwa 10 Kellern und Spei- 
chern und eine obere mit 4-5 Bauten), die den 
Bewohnern voo Chandolin als Vorratsräume 
dienen, lieber Sussillon führt der kürzeste Fuss- 
weg aus dem Hhonethal nach Chandolin und 
Saint Luc. Bemerkenswert schone Aussicht. 

8U8TEN (Kt. Wallis. Bez. und Gem. Leuk). 
Weiler mit der Station Leuk der Simplon- 
bahn. S. den Art. Soiste (La). 

SUSTENHOHN oder GLETSCHER- 
HORN (Kt. Bern und Uri). 3512 m. Haupt- und 
einziger mit Firn bekleideter Gipfel der Susten- 
hornkette, etwa in deren Mitte aufragend. Bildet 
einen der hervorragendsten Aussichtspunkte 
der Zentralschweiz mit Rundsicht vom Grand 
Combin bis zum Bernina ; Glanzpunkte der 
Aussicht sind der Galenstock, die Wetterhörner 
und die Schreckhörner. Erste Ersteigung 1841 
durch (.ottlieb Studcr mit J. und H. Weissen- 
fluh vom Sustenpass her über den Steinen- 
gletscher und die NW. -Wand mit Abstieg über die SW.- 
Flanke zur Sustenlimtni. Die Besteigungen sind leicht 
von der Kehlenalp und vom Steinwirlshaus, mittelschwer 
von der Voralp (gewöhnliche Boule) und sehr schwierig 



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740 



SIS 



SIS 



über den O. Grat. Ausgangspunkte : Kehlenalphütte, Gö- 
acheneralp, Yoralphülte und Hotel Stein. Die Besteigung 




Sustenhorn und Hinter Sustenhorn, vom Fleckillock her gesehen 



erfordert je nach der Route 4—6 '/» Stunden. Näheres 
im Führer durch die Urner Altten des A . A. C. Zürich 
(Bd II, 19051. 

BUSTINHORN (HINTER) (Kt. Bern und Uri). 
3320 m. Doppelgipfel in der Sustenhornkette, «. über 
dem Sustenpass und n. vom Sustenhorn. Kühtie Felsge- 
atalt mit steilen Wänden s. über dem Kalchthalfirn, ö. 
über dem SteinengleUcher, w. über dem Brunnenlirn und 
dem Wallenbuhllirn. Der auf der Siegfriedkarte nicht 
bezeichnete S. -Gipfel ist etwas niedriger ala der N. -Gip- 
fel. Das Hinter Sustenhorn kann über die zwei scharfen 
Gräte, den NW.- und den NO. -Grat, sowie über den 
Hauptkamm von S. und über die O.- und W.- Flanke 
erstiegen werden. Die Felstouren bieten interessante und 
lohnende Klettereien, sind jedoch ziemlich schwierig und 
werden am besten bei achneefreien Felsen im Hochsom- 
mer ausgeführt, während die Ersteigung über die <>.- 
Flanke im Vorsommer bei günstigem Schnee unschwie- 
rig «ein dürfte. Aufstieg von der Voralphütte, vom 
Steinwirtahaus oder vom Meienthal her in je 
etwa 5 Stunden. Erste Ersteigung 1891 durch 
Prof. W. Gröbli mit J. M. Gamma. Vergl. den 
Führer durch die Urtier Alften de» A. A. C. 
Zürich (Bd II, 1U05). 

SUSTENHORNKETTE f Kl. Bern und 
Uri). Von N. nach S. ziehende Hochalpen- 
kette im Bergland zwischen dem Haale- und 
dem Beusathal ; begrenzt vom Sustenpass. 
Steinengletsclier. der Sustenlimmi. Kehlenalp, 
dem Goschenerlhai. der Voralp. dem Susten- 
joch und dem Kalchthal. Beginnt im N. beim 
Einschnitt des Sustenpasses und endigt im S. 
mit schrofTem Absturz über der Hültengruppe 
Wicki im Göschenerthal. Die Kette bildet ei- 
nen scharf ausgeprägten Felskamm mit küh- 
nen Felspvramiäen and scharfen Gräten, von 
denen viele Rippen auszweigen. Hinsichtlich 
der auf der Siegfriedkarte unvollständigen 
Nomenklatur der Einzelgipfel folgen wir der 
durch den Akademischen Alpenklub Zürich 
vorgenommenen Revision, laut welcher von 
N. nach S. zu unterscheiden sind : Susten- 
spitz toder Vorder Sustenhorn ; 2931 rn(, Hinter 
Sustenhorn i3320 m(, Sustenhorn (oder Glet- 
scherhorn ; 351*2 m), die Punkte 3339 m und 
3*203 in, Brunnenstock (3*215 m), Voralphorn 
(3*206 m), Kehlenalphorn i3*2lt nn, Horn- 
felliotock (3172 m), Schynstock (3164 m) und Schyn 
(*2K*20 mi. welchem als letzter so. Ausläufer noch der 
etwa '2400 m hohe Sandbalmstock (auf der Siegfriedkarte 



irrtümlich St. Balmstock genannt) vorgelagert ist. Pass- 
übergänge sind die Kalchtnallücke (etwa 2600 m ) zwischen 
Sustenspitz und Hinter Sustenhorn, die Kehlen- 
alplücke (etwa 3100 m( zwischen Punkt 3203 m 
und Brunnenstock, die Hornfe Iiilücke (etwa 
2900 m i zwischen Kehlenalphorn und Hornfelli- 
stock. Die O.-Flanke der Kette begleitet auf etwa 
5 km Länge der mächtige BrunniHrn, während 
unter der W. -Flanke die Pirnfelder des Stei- 
nengletschers liegen. Der ganze Kamm der 
Sustenhornkette ist aus kristallinen Schiefern 
und Granit aufgebaut, die der N. -Flanke des 
Aarmassives angehören. Die Kette bietet eine 
Reihe schöner Eis- und Klettertouren, die im 
allgemeinen als mittelschwierig bis schwierig zu 
bezeichnen sind. Da die Kette durch weit vor- 
dringende Thäler stark isoliert ist, wird sie leicht 
zugänglich, so dass fast alle Touren in verhält- 
nismassig kurzer Zeit ausgeführt werden können. 
Ausganüspunkte für Touren sind das Wirtshaus 
zum Stein am Sustenpass, die Sustenalp, die 
Kehlenalphütte, die Göscheneralpund die Voralp- 
hütte. Näheres im Führer durch die Urner 
Mj.ru des A. A. C. Zürich (Bd II. 1905). 

• U8TENJOCH (Kt. Uri). 2657 ro. Passü- 
hergang zwischen dem Hinter Suatenhorn (3320 
m) der Sustenhornkette und dem Stücklistock 
3309 m) der Fleckistockkette. Verbindet das) 
Voralplhal mit dem Kalchthal und damit das 
Goschenerlhal mit dem Meienthal. Aufstieg von 
Göschenen über die Voralphütte i4 Stunden) in 5'/« 
Stunden, Abstieg nach dem Dörfli im Meienthal in i 
Stunden. Von der Paashöhe kann man über den Ka Ich 
thalfirn auch zum Sustenpass gelangen und von da leicht 
zum Steinwirtshaus hinabsteigen (2 Stunden). Der nicht 
leichte Uebergang über das Sustenjoch ist zum erstenmal 
1840 von Gotllieb Sluder ausgeführt worden. 

SUSTENLIMMI (Kt. Bern und Uri). 3103 m. Leich- 
ter Gletscherpass zwischen dem Gwächtenhorn (34*28 m) 
der Dammastock • Tierbergkette und dem Punkt 3339 m 
s. vom Grossen Sustenhorn. Uebergang von der Gosche- 
neralp zum Sieinwirtshaus am Sustenpass. Stein - Pass- 
hohe 5 Stunden, Abstieg über die Goscheneralp nach Gö- 
schenen 4 Stunden. Erate Ueberschreitung wahrschein- 
lich durch Goltlieb Studer 1841. Sehr beliebt und viel 
begangen. 

SU8TENLOCHFIRN (Kt. Uri). 2800-2400 ro. 600m 
langer und 1 km breiter Hängegletscher am halbkreis- 
förmigen Kamm Gufernslock , 2498 m ) — Oberheuberg 




Aufstieg auf die Suttenlimmi. 

(2781 m) — Sustenlochspitz (2918 m) in der Fünffinger- 
stock-Grassenkette. Zum Klein Sustlifirn führt das Gufern- 
joch (etwa 2700 m) und zum Oberthalgletacher das Heu- 



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srs 



si;s 



741 



bergjoch (etwa 2600 m) hinüber. Sendet leine Schmelz- 
wasser zur Meienreuas. 

SU8TENLOCM8PITZ (Kt Ulli. 2918 m. Auf der 
Siegfriedkarle unbenannter Gipfel in der Fun f- 
lingerstock Graasenketle, unmittelbar n. über 
dem Suslenpass und a. vom Titlia. Zum 
eratenmal 1898 eratiegen. Aufstieg von der 
Steinaip über den überthalglelacher und das 
Heubergjoch in 3 Vi Stunden. Ohne grosse 
Schwierigkeiten zu erreichen. Schöne Aussicht. 

8U6TENPA68 (Kt. Bern und Uri). '2*262 
m. Wohlbekannter Passübergang zwischen 
der Sustenhornkelle und der Titliagruppe ; 
verbindet Meiringen im Haslethal durch das 
Gadmenthal mit dem Meienthal und Wassen 
im Reusathal. Fahrbarer Weg auf der Berner 
Seite bis zum Steinwirlahaua hinauf und auf 
der Urner Seite (im Meienthal) von der Gufer- 
platlenalp bis Meiendorf)! ; im übrigen Saum- 
pfad. Der Bau einer durchgehenden Fahr- 
atrasse wird geplant. Der heutige Weg, dessen 
Hau von den hantonen Hern und Uri im August 
1810 beschlossen worden war, wurde auf 
Hemer Seile im Sommer 1811 begonnen und 
1817 vollendet (Koaten '210 279 alte Schwei- 
zerfranken). Auf der Urner Seite arbeitete 
man mehrere Jahre lang energisch, lieaa dann 
aber die Weiterarbeit liegen, sodass hier bloss 
daa obere Strasaenslück vollendet worden ist. 
Der Zweck dieses Strassenbaues war eine di- 
rekte Verbindung des Herner Oberlandes über 
Wassen und den Gotthard mit Italien, weil 
damals das noch mit Frankreich vereinigte Wallis auf der 
Grimsel einen Zoll auf den Warentransport erhob. Mit der 
Einverleibung des Wallis an die schweizerische Eidgenos- 
senschaft erschien dann eine Strasse über den Sustenpasa 
als unnötig, weshalb man die Arbeiten niederlegte. Der 
l'ass muss aber schon viel früher als Handels weg gedient 
haben, indem der Name «Susi» ein Lager- und Waren- 
haus bedeutet, wie solche an allen grossen Handelastras- 
sen (Grimsel, Simplon, Gotthard) bestanden. Heute wird 
der Sustenpas* nur noch als angenehmer und malerischer 
Touristenweg aus dem Aare- ins Reussthal benutzt. Von 
Meiringen aua folgt man zunächst der Grimselslrasse bis 
Im Hof. wo man ins Gadmenthal einbiegt. Hinter dem 
ebenen Boden von Nessenlhal überwindet man mit einer 
Reihe von Kehren den Schaftelenstutz und erreicht in 4 
Stunden das Dörfchen Gadmen. Dann überschreitet man 
hinter den Hütten von Obermatt den Wendenbach, um 
in steilem Zickzackanstieg das Feldmoos zu erreichen, 
auf welches ein wilder und malerischer Kngpasa folgt, an 
dessen Ausgang die Steinalp mit dem kleinen Gasthof 
zum Stein, Ausgangspunkt für Touren im Gebiet der 



Kehren die Sustenscheidegg, d. h. die Passhöhe zu er- 
reichen (1 Stunde vom Steinwirtshaus), die eine schöne 
Aussicht auf die den Sleinengletscher umrahmenden 




Blick vom Suttenpa»« gegen da« Gadmenthal. 

Hochgipfel gewährt. Nun führt eine neue Reihe von durch 
grosse Stützmauern gesicherten Kehren zur Guferplatten- 
alp hinab, von wo man über die 18t'2 erbaute Gorezmett- 
lenbrucke nach dem Weiler Färnigeo (9 Stunden von 
Meiringen) gelangt. Weiterhin schreitet mm durch das 
Meienthal über Dörfli, Bei der Kapelle und Husen ander 
1712 erbauten Meienschanze vorbei nach Wassen hinaus, 
auf welch letzter Strecke der Weg schlecht, holperig und 
steil wird. Meiringen- Wassen an der Gotthardbahn oder 
umgekehrt 10-11 stunden. Die Einsattelung des Susten- 
passes liegt im Gneis der N.-Zone dea Aarrnassives. Das 
Gebiet des Passes spielte in den Kämpfen der Jahre 1798 
und 1799 eine gewisse Rolle. Die 1799 von den Oester- 
reichern besetzte Meienschanze wurde von den Franzosen 
unter General Loiaon in kräftigem Ansturm genommen. 
S. auch die Artikel Gadmenthal und Meienthal. Vergl. 
Bähler, A. Der Suttenpas» und »eine Thäler. Bern 
1890 

s uste n spitz oder VORDER s ustenho rn 

: Kt. Bern und Uri ). 2931 tu. Dreikantige Felspyramide 
in der Sustenhornkelte, unmittelbar s. über dem'Susten- 




$u*l«Dpas>. 



Sustenhörner. liegt (1 3 /j Stunden über Gadmen). Dann pass zwischen dem Steinengletscher und dem Kalchlhal- 
zieht sich der Weg der Zunge dea Steingletschers (oder nrn aufragend. Schöne Aussicht auf Steinenulelscher. 
Steinengletachers ) entlang, um mit einer Reihe von Gwächtennorn, Gadmen- und Meienthal und die Titlia 



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742 



SLS 



SüV 



gruppe. Aufstieg meist schwierig, vom Wirtshaut zum 
Stein oder vom Meienlhal her in 3-4 Stunden zu be- 




Slam wirWhau* im Smtenpau. 

werkatelligen. I'nschwierig ist die gewöhnliche Route 
vom Stein über den NW. -Grat. Erste Besteigung 1893. 

SUSTLIFIRN (KLEIN) Kl. IM). J800-235O m Je 
1 km langer und hreiter llangegletscher in einem vom 
Wasenhorn, zwei Gipfeln der Fünfflngerstöcke, vom 
Suslenlochspitz und Gufernstock (Titlisgruppe) umrahm- 
ten Kessel. Sendet seine Schmelzwasser durch den Sustli- 
bach in die Meienreuaa. her Gletscher liegt am Aufstieg 
auf das Sustlijoch. 

8USTLIJOCH (Et I m. Btwl '2900 in. Gletacherpass 
mit zwei durch eine Felsinsel getrennten Durchgängen, 
zwischen den Gipfeln 3002 und 30C18 m der Fünftinger- 
stocke iTitlisgruppe) ; verbindet den Klein Susllifirn mit 
dem Wendengletscher und damit Färnigen im Meienthal 
in 5 Stunden mit dem Grassenioch und in 6' Stunden 
mit Gadmen. /um erstenmal 1884 überschritten. Wenig 
bekannt und sehr selten begangen. Auf der Siegfriedkarle 
unbenannt und ohne Hohcnkote. 

susvannes (Kt. Wallis, Bez. Herens. 
Gem. Mage). Gruppe von Hütten und Stadeln 
auf einer Terrasse unterhalb dem Dorf Mage, 
1 km o. davon und 7 km so. Sitten ; am rechten 
l'fer des Wildbaches von Megnoz. Fruchtbare 
Aecker. Tiefer unten ein kleiner Rebberg. 

SUT CRE8TA8 (Kt. Graubünden, Bez. 
Vorderrhein, Kreis Disentis, Gem. Tavetschi. 
Weiler. S. den Art. CMBTU (StTr). 

8UTER <PI2) (Kt Graublinden. Bez. Ma 
loja). 29U3 m. Zusammen mit dem Corn 
(2957 m) einer der o. Ausläufer des Piz Mcz- 
/aun r*.M ini in ilcr < nsaniiagnippe , I es l.i- 
vigno-Violagebirges (Ofenpassalpen) ; 4,8 km 
ö. Campovaslo im Camogaskerthal und unge- 
fähr ebensoweit aö. über Zuoz. Die Seitenkelle 
Coro- Pix Sutcr setzt sich zwischen der Alp 
und dem Thälchen Arpiglia auf Zuozerseile 
und Vauglia, einem Seitenlhälchen des Val 
Casanna, nach N. hin über die Punkte 2746, 
2G-28 und 22*20 m zum Flusswinkel von Inn und 
der Ova Varusch fort. Kann von Ponle-Cam- 

Sovasto über den Grat des Piz .Mezzaun, von 
uoz her über die Alp Arpiglia 12115 in und 
von Scanfs aus über die Alp Vauglia, sowie 
auch aus dem Val l.avirum des Camogas- 
kerthals i Val Ghamuerai her erstiegen wer- 
den. Die I hinge des Piz Suter sind mit Aus- 
nahmt- der NW.- und N. -Seite schon herast. 
Gegen den Corn und Piz Mez/aun hin dehnt sich 
ein weites, sanflgehoschles Kelsenplateau aus. Früher 
nannte man den Berg auch Piz d'Arpiglia. Fr ist haupt- 



sächlich aus den Triasschichlen des Piz Mezzaun (vom 
alpinen Buntsandstein oder Verrucano bis zum Haupt 
dolomit reichend) zusammengesetzt und 
zeigt in der Hohe wie dieser Mergel und 
Kalke des Rät und Lias mit Versteinerun- 
gen, sowie Liasschiefer. welche am Coro 
von hellem, wahrscheinlich paläozoischem 
Dolomit samt Buntsandstein diskordant 
überlagert sind, also in grossartiger Weite 
iiberschoben erscheinen. Grundlage der 
Trias im Ttiale sind Gneis, Glimmer- 
schiefer und Serizitphvllite. 

SUT8CHEIN8 Kl Grauhiinden. Bez. 
Glenner. Kreis Lugnez, Gem. Catnuns). 
ll.Vi in. tiruppe von '1 Hangern im l.ugne/. 
100 m nö. Camuns und 10 km s. der Sta- 
lionllan/ der HundnerOberlandbahntChur- 
Banz). 13 kathol. Ew. romanischer Zunge. 
Kirchgemeinde Camuns. Wiesenbau und 
Viehzucht. 

SUTT FOINAGLETSCHER Kt. 

Graubünden, Bez. Hinterrhein). SüfiO m. 
Kleines Hängeglelscherchen auf der N - 
Seite des Piz Grisch. n<>. über CanicAl 
im Thal von A<rers-Ferrera. Der Abfluss 
geht uber die Alp Sutt Foina nach Ausaer 
Kerrcra. 

SUTZ Kt. Bern. AmUbez. Nidau, Gem. 
Sulz-Lallrigen). 450 m. Gemeindeabteilung 
und kleines Dorf, am rechten l'fera des 
Bielersee« und 4.5 km sw. vom Bahnhof Biel. Postbu- 
reau. Telegraph. Telephon ; Postwagen Biel-TäufTelen. 
:«i Mauser. 2<>4 reform. Ew. Kirchgemeinde Nidau. Acker- 
und Obstbau. Schönes herrschaftliches Gut am Seeufer. 
Sulz bildete bis 1879 eine eigene Pfarrei, zu der noch die 
am linken Ufer dea Bielersces gelegenen beiden Dörfer 
Tüschen und Alfermee gehörten, die dann der Pfarrei 
Twann zugeteilt worden sind. Alle, 18611 restaurierte 
Kirche mit den Gräbern der Pfarrer von Sutz. Grosser 
Pfahlbau aus dem l'ebergang von der Stein- zur Bronze- 
zeit, von Fellenberg und Dr. Gross erforscht. Sulz gehörte 
zuerst zur Grafschaft Neuenburg-Nidau und ging 1289 an 
das Kloster Gotlstatt über. Die den Malteserrittern zu 
Munchenbuchsee in Sulz zustehenden Rechte und 
Guter Helen 1528 an Bern. 1228 und 1284: Soz; IM: 
Suz. 

SUTZ LATTRIQCN Kt. Bern. Amtsbez. Nidau . 
Gemeinde mit den beiden Dörfern Sulz und Lattrigen. 




Sinieni'm : Oberoi MeisoUial. 

Zusammen : 63 Hauser. 375 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Nidau. S. die Art. Si M und LaTTMuSN. 

SU VERS (Kl. Graubünden. Bezirk Hinterrhein, 



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suv 

Kreis Rheinwald). Gemeinde und Dorf. S. den Art. Si naiv 

8UVIQLIANA (Kt. Tesain. Bez. Lugano. Gem. Casla- 
gnolai. 400 m- Gruppe von 5 Hiiusern auf einer Tarraase 
am \\ .-Fusa des Monte Bre ; 2.2 km ö. Lugano. 27 kathol. 
Kw. Kirchgemeinde CasUgnola. Weinbau. Grosses Hotel, 
mit Lugano durch Drahtseilbahn undelektrische Strassen- 
bahn verbunden. Prachtvolle Aussicht aur Lugano und 
den Luganersee. 

8UVRETTA (ALP) (Kt. Graubünden. Bez. Maloja. 
Kreis Ober Engadin. Gem. St. Moritz). 2144 m. Alpweide 
im Yal Bever. an der Einmündung von ValSuvretta und 
2.8 km o. vom PizOt. Am Weg auf den Piz Julier. Eigen- 
tum der Gemeinde Samaden. 

SUVRETTA (PIZ) (Kt. Graubünden. Bez. Maloja). 
3074 m. Gipfel in der Julierkelte der Piz d'Errgruppe 
I Albulaalpen), vom Piz Julier (3385 m) 1.7 km nw. ra- 
tend. Im S. des stark vergletscherten Stockes nehmen 
Val Julier. im (). Val Suvretla da St. Moriz, im NÜ. und 
X. Val Suvretta (Beversj und die t>. Quelle des Beverin- 
baches ihren Ursprung. Das zwischen dem Piz Suvretla 
und dem nahen Piz Tanterovas (3156 m> zum Val Bevern 
sich hinabsenkende Firn- und GleUcherfeld ist etwa 
1.5 km lang und im Firnteil etwa 2 km breit. An der U.- 
Seite führt die Fuorcla Suvretta (2618 m) aus der Suvretta 
da St. Moiiz (Campfer) nach N. in die Val und Alp Su- 
vretta im Beverserlhal hinüber ; im S. verbindet der Su- 
vrettapass das Suvretlathälchen von Campfer mit Val Julier 
und Stalla im Oberhalbstein. Ausserdem existieren noch 
hohe Uebergänge zwischen Piz Suvretta und Piz d Agnelli 
ins Val d Agnelli und auf den Julierpasg. zwischen Piz 
Suvretta und der niedrigem Spitze (3148 m l des Piz 
Bever nach dem Val Bever, Campfer und St. Moritz. Der 
Berg wird von der Lücke des Suvreltapasses. sowie aus 
dem Hintergrund des Val Bever leicht erstiegen, doch 
erhält er wenig Besuch. Gesteine sind Gneis und Phyllite, 
die an der S.- und W. -Seite auf Verrucano und Kalken 
und Dolomit der Trias ruhen. Weiter im X. und S. (Piz 
Julier) aber ragen die Massen des Juliergranites auf. 

SUVRETTA (VAL) (Kt. Graubünden. Bez. Maloja). 
Südliches und längstes Seitenthal des Val Bever im Ober 
Engadin. Entspringt an der Fuorcla Suvretta ( 2818 m I 
nö. vom Piz Suvretla, nimmt nördl., dann nnw. Richtung 
und mündet in der Samadener Alp Suvretla (2144 ml in 
das Val Bever. Lange 4.2 km, Gesamtgefnlle etwa 10.8 °,y 
Wird begrenzt: im O. durch die Piz Olkette (mit Piz Nair 
3060 m. Piz Saluver 3146 m, dem glänzenden Vadret da 
Palüd Marscha und dem Piz Ol), auf der W. -Seite durch 
die weniger vergletscherten N. -Ausläufer des Piz Suvretla. 
Ein vom Piz Saluve> nach NW. herabreichendes kleines 
GleUcherfeld liefert dem Hochthälchen den längsten Seiten- 
bach. In 2877 m liegt in ödem, flachem Felsenkessel der 
kleinere obere der suvreltaseen. Am Thalausgang liegen 
die grünen Böden der Alp Suvretta, nachdem der 
Bach sich durch malerische Granitschluchlen in den 
Beverin gestürzt hat ; im Thälchen selbst Alpweiden, unter- 
brochen von Schullfeldern. namentlich zur Linken. 1905 
wurde von Campfer-Chasellas im Ober Engadin her ein 
schöner Weg durch Val Suvretta da St. Mori* über die 
Passlläche durch das Thälchen hinunter in die Alp Su- 
vretta- Val Bever erstellt* bis ins Dorf Beversetwa 6</,Stun- 
den). Diese Tour gewahrt namentlich hohes landschaft- 
liches und botanisches Interesse. Der längste Teil des Val 
Suvretta verläuft in grünem Juliergranit, ganz oben aber 
in Gneis und kalkigen und schieferigen Bildungen der 
Trias und des Lias. 

8UVRETTA DA ST. MORIZ (Kt. Graubünden, 
Bez. Maloja). Rechtsseitiges XVhenlhälchen des Inn, in 
den sein Bach 500 m unterhalb Campfer im Ober Enga- 
din mündet. Entspringt an der S. -Seite der Fuorcla Su- 
vretla, wo ein gegen 200 m langer und 120 m breiter 
Alpensee (das unlere der Suvrettabecken) sich bei 2610m 
auf einer breiten, wenig geneigten Hochfläche ausdehnt. 
Das Thälchen hat so. Richtung, eine Lange von 5.2 km 
und ein Gesamlgefalle von 15,7 D ;„. Sein Bach (liesst 
mitten durch Campfer ; oberhalb des Dorfes bewegt er 
sich in engen, schuttigen und felsigen Schluchten, zu 
deren Seiten am sanften Gehänge sich die herrlichen, 
viel gerühmten Thalaussichtspunkte Chasellas und Alhana 
(1880 und l'.Kini befinden. Im obern Thalteil die St. 
Moritzer Alp Suvretta. Ueber den neuen Weg in die Val 



SUZ 743 

Bever a. den Art. Val Suvretla. Die Suvretta da St. Moriz 
wird im NO. vom P« Nair (3060 m), im SW. von- der Julier- 
kette (Piz d'Albana 3100. Piz Julier 3385 m) begrenzt und 
verläuft zum gröaalen Teil in Juliergranit und dioritischen 
Abänderungen desselben, am Ausgang in Gneis und Gneis- 
phylliten, ebenso im Hintergrund, hier aber mit Verru- 
cano und Trias gegen den Piz Nair und Piz Suvretta hin. 
Am Piz Nairhang findet man Eisenerze und Arsenkiea ; 
bei Chasellas fliegst ein Eisensäuerling mit Gehalt an 
arseniger Säure. 

• UZE, deutsrh SchCM (Kt. Bern, Amtsbez. Cour- 
telary, Biel und Nidau). 1000 432 m Linksseitiger Zulluss 
des Bielersees und der Allen Zihl. Als Ursprung betrach- 
tet man die in der Combe des Auges oberhalb der Werke 
von Les Convers entspringenden Quellen, deren Wasser 
unter gewohnlichen I mständen bei der Station Les Con- 
vers im Boden verschwindet, um dann weiter unten bei 
den Häusern von Vers le Cerf endgillig wieder zutage zu 
treten. Die Suze Iiiesst nun südl. vom Weiler Les Con- 
vers im gleichnamigen Längsthnlchen zunächst gegen 
NO., lägst das Dorf Renan auf der Hohe links liegen, 
durchfliegst Sonvilier und geht unter St. immer durch, 
von welcher Ortschaft nur das Quartier Lc Pont an ihren 
Ufern liegt. In Villeret, das sie der ganzen Länge nach 
durchfliegst, erhält die Suze von rechts den Bach der 
Combe Grede und bei Le Torrent von links die 400 in 
lange Stromquelle der Doux, die ihr die Wasser von ei- 
nem Teil der Hochfläche der Freiberge zuführt. Dann geht 
sie durch Cormoret, Courtelary, Corteberl und Corgc- 
mont, wo ihr von rechts der Ruisseau du Bez zufliesst. 
Zwischen Corgemont, Sonibeval und Sonceboz beschreibt 
sie zahlreiche Mäanderkrümmungen, welche im Früh- 
jahr und Herbst die kleine Ebene der Thalsohle mit 
schlammigem Wasser überführen. Die bisher in einem 
zwischen der Chasseralkette im S. und der Montagne du 
Droit i Sonnenberg i im N. lief eingeschnittenen Thal flies- 
sende Suze biegt von Sonceboz an gegen SSO. ab, um 
schäumend und brausend die kleine Klus von Tournedos 
zwischen den Ausläufern des Monto einerseits und des 
Chasseral andrerseits zu durcheilen und nachher in den 
etwas erweiterten Thalboden von La Heulte einzutreten, 
wo sie nach OSO. umbiegt und neuerdings bis Pery in 
Schlangenlinien durch den Wiesengrund schleicht. Nach- 
dem ihr von links der Bach von Pery zugekommen, er- 
reicht die Suze. scharf nach S. abbiegend, die Schlucht 
von La Reuchenette, wo sie oberhalb Rondchälel einen an- 
mutigen Wasserfall bildet und bis Frinvillier in liefern 
Tobel dahinfliegst, um hiervon rechts den Bach von Orvin, 
ihren letzten nennenswerten Zuflusa, zu erhalten. In sso. 
Richtung durchzieht sie dann die berühmte Taubenloch- 
schlucht, die aie bei Rözingen wieder verlässt. Die Sohle des 
St. Immerlhaies besteht aus unterer Süsswassermolasse 
und Alluvialgebilden, während die umgebenden Hohen 
und der kleine Thalboden von La II mitte aus den verschie- 
denen Schichtenreihen der Juraformation gebildet sind. In 
der Schlucht oberhalb Bözingen stehen Glieder derBohn- 
erzformation an. Bei Bözingen erreicht die Schüss die 
Kbene am Jurafuss, der sie in kanalisiertem Lauf süd- 
wärts bis Mett folgt. Hier biegt sie nach WSW. ab und 
teilt sich dann ob Biel in drei Arme: 1) einen Bieler 
Schüss genannten rechten Arm, der die Altstadt durch- 
fliegst ; 2i den mittleren Hauptarm oder Schüsskanal, der 
in gerader Linie die neuen Quartiere durchschneidet, bei 
der Eisenbahnbrucke die Bieler Schüss aufnimmt und 
zwischen der Badanstalt und dem Hafen in den Bielersee 
mündet ; 3) einen linken Arm, die Madrelscher Schüss, 
der durch das Dorf Madretsch zieht und gegenüber dem 
Schloss Nidau sich von links mit der Alten Zihl vereinigt. 
Der 1821* gegrabene Schüsskanal dient zur raschen Abfuhr 
der Hochwasser, während Bieler und Madrelscher Schüss 
Gewerbekanäle sind und als solche schon seit Jahrhun- 
derten benutzt werden. Die 42 km lange Schüss hat eine 
ziemlich gleichmässige Wasserführung und zeigt ihre 
hauptsachlichen Hochwasser im Frühjahr und gegen das 
Ende des Herbstes. Im obern Abschnitt des St. Immertha- 
Ics ist die Suze nur ein kleiner Bach, der kaum einige 
Mühlen und Sagen zu treiben vermag. Bei St Immer bil- 
det sie schon einen kleinen Fluss, dessen Wasser im Win- 
ter auf das schone Eisfeld des Quartier du Pont geleitet 
wird. Das Thal bleibt aber einförmig bis Le Torrent, wo 



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744 



SÜZ 



SYE 



wir auf beschränktem Raum eine der anmutigsten Land- 
schaften mit schönem Wasserfall linden. Von Sonceboz 




Di« Suis b«i Friovilier. 

bis Bölingen endlich durchfliegst die Schüss einen der 
malerischsten Querdurchbrüche des ganzen Juragebirges. 
Infolge des verhältnismassig starken Gefälles hat man 
hier eine Reihe von grossen Elektrizitätswerken erstellen 
können, die dem uniern Abschnitt des St. Immerthaies 
und einem Teil des Amtsbezirkes Biel Licht and Kraft lie- 
fern. Von Villeret bis Biel reihen sich dem Plussufer ent- 
lang zahlreiche Mühlen. Sägen und andere industrielle 
Betriebe auf. In Biel selbst wird das Wasser der Schüss 
auch zur Reinigung der Abzugskanäle verwendet. Das 
Normalprotil der Schüss oberhalb ihrer Gabelung zeigt 
eine Sohlenbreite von 14 m. Die beiderseitigen lloch- 
dämme sind hier je 2,5 m breit. Der Schüsskanal ist 
11 m, die Bieler Schüss 6 m und die Madretscher Schüss 
ebenfalls fi m breit. Die Hochwasser von 188*2 führten ein 
Maxiraum von 90 m 1 , diejenigen von 1896-1899 ein sol- 
ches von bis auf 95 m 1 in der Sekunde, während daa Nor- 
malprotil eine Wasserfuhr von 100 m 1 in der Sekunde zu 
fassen vermag. Die Gesamtkosten der Schüsskorrektion 
haben mit InbegrilTder von der Stadt Biel vorgenomme- 
nen Neben- und Ergänztiogsarbeitern die Summe von 
685 515 Kr. erreicht, woran der Bund 153 600 Fr. beitrug. 

Die Suze oder Schüss ist sehr fischreich und beherbergt 
namentlich ausgezeichnete Forellen, deren Zahl aber in- 
folge der für die Fabrikanlagen errichteten vielen Stau- 
wehre leider immer mehr zurückgeht. Dem Fluss folgen 
seiner ganzen Länge nach die Kantonsstrasse und die Bahn- 
linie Biel-Sonceboz-St. Immer- La Chaux de 
Fonds, die ihn auf 17 mehr oder minder gros- ng 
aen Brücken überschreiten. Dazu kommen 
noch die zahlreichen 1'ebergänge in der Stadt 
Biel und den andern an der Schüss gelege- 
nen Urlschaften. Die zwei kühnsten aller die- 
ser Brücken linden sich im Taubenloch, wo die 
eine die Eisenbahn und die andere die Strasse 
vum einem Ufer zum andern hinüberführt. 
Die von der Suze auf der Strecke Lea Convers- 
Sonceboz durchflössen« Landschaft trug im 
Mittelalter den Namen Susinga, Susinge oder 
Susingerthal und hiess später Erguel (s. diesen 
Artikel). Mittel- und Unterlauf der Schüss sind 
in jüngerer geologischer Vergangenheit mehr- 
fachen Lageveränderungen unterworfen gewe- 
sen. So entstand z. B. in Rondchätel (s. die- 
sen Art.) eine Ablenkung durch die Moränen- 
ablagerungen, in deren Folge der schöne Was- 
serfall und der nach oben sich daran anschlies- 
sende sumpllge Tlialbuden entstanden. Vor 
der Glazialzeit floss die Schüss nach ihrem 
Aualritt aus dem Taubenloch über Löhren und Orpund 
durch ein heute mit Moränenmaterial aufgefülltes Tobel 
in gerader Linie gegen Meienried, um sich hier mit der 



Aare-Zihl zu vereinigen. Dann verursachten die Erosionen 
der verschiedenen Glazial- und Interglazialzeiten durch 
die Herausmodellierung der Thalrinne Bozin- 
gen-Pieterlen eine erste Ablenkung nach NO., 
so dass nun die Schüss über Pieterlen tloss und 
sich bei Sud mit der Aare vereinigte. Hier- 
auf lenkten endlich die eigenen Aufschut- 
lungsprodukte und vielleicht auch auf men- 
schliche Arbeit zurückzuführende Kinllusse 
die Schüss nach SW., d. h. in den Bielersee 
und die Zihl ab. Heute ist der ganze l'nterlauf 
künstlich kanalisiert. 

SUZE { GORGE8 DK LA) oder 
schussschlucht l ■ Bern, Amtsbez. 
Courtelary und Bieli. So heisst der Querthal- 
abschnitt des Schüsslaufes durch die beiden 
Jurafalten oder- ketten Chasseral-Stierenberg 
und Kvilard (Leubringen)-Thorberg (oder See- 
kette). Er bildet somit eine Doppelklus mit 
einem obern Abschnitt ider Klus von Rond- 
chätel) und einem untern Abschnitt (dem sog. 
Taubenloch i, zwischen welchen die Muldevon 
Orvin-Frinvillier-VaufTelin eingesenkt ist. Die 
drei Teile dieser zusammengesetzten Klus bil- 
den ebensoviele landschaftliche Kontraste. Das 
Taubenloch ist eine enge und tiefe Schlucht, 
in der Strasse und Eisenbahn hoch oben über 
den Fluss setzen, während diesem letztern in 
der Tiefeein kühn angelegter Fussweg folgt. Bei Frinvillier 
erscheinen in der mit Tertiär und Moränenschutt ausge- 
füllten Mulde plötzlich Wiesen und Ackerland, während 
endlich die z. T. mit Moränen- und Alluvialgebilden 
überführte Klus von Rondchätel eine flache und ziemlich 
breite Sohle zeigt, die auf beiden Seiten von bewaldeten 
und felsigen Gehängen und Wänden eingelasst wird. 

SUZIBACH Kl. Graubünden, Bez. Uber I.andquart-. 
2500-1530 m. Unbedeutendes Bächlein, das aus den Ab- 
hängen der Strelaketle von NW. herabkommt und bei 
Frauenkirch von rechts in das Davoser Landwasser mün- 
det. 

SVENS (Kt. Waadt. Bez. Moudon). 600 m. Gem. und 
kleines Dorf im Bergland desJorat, nahe der Ausmündung 
des Tobels der Brcssonnaz auf die Broye und unweit des 
linken Ufers der Broye, sowie der Strasse Lausanne-Bern ; 
3 km ssw. Moudon und 1,3 km sw. der Station Bressonnaz 
der Linie Lausanne-Paverne-Lyss. Haltestelle der elektri- 
schen Bahn I.ausanne-Mezieres-Moudon. Postablage. Ge- 
meinde, mit einigen Einzelsiedeluneen : 36 Häuser. 175 
reform. Ew.; Dorf: 28 Hauser, 133 Ew. Gemeinsarne 
Pfarrei mit den Gemeinden Hermenchea, Rossenges, Vu- 
cherens und (zum Teili Vulliens. Landwirtschaft. Mecha- 
nische Werkstätte, Mühle an der Bressonnaz. Syens war 
ehedem Hauptort einer Rossenges und Bressonnaz umfas- 
senden Herrschaft, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts 
dem Pierre de Cerjat gehörte, 1518 an Heinrich von Erlach 




Syent von NordmUo. 

und Urbain Dupont überging und 1654 von Johann Anton 
Zehender angekauft wurde. 1719 kam sie an die Familie 
de Cerjat zurück, die sie nun bis 1798 behielt. 1786 wurde 



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SYT 

in Syens Jean Daniel MotUz geboren, der im Alter von 
einem Jahr taubstumm ward, sich aber in der Folge trotz- 
dem als ertinderischer Mechaniker bekannt machte. Im 
10. Jahrhundert: Ciens ; 1228 : Siems ; 1453: Suens. Der 
Name ist vom germanischen Personennamen Sico oder 
Sicho herzuleiten. 

sytiberq oder sitiberq (Kt. Bern, Amtsbez. 
Interlaken, Gem. Bonigen i. 946 m. L'eber dem Dorf Bö- 
nigen aufragender bewaldeter Ausläufer der Schynigen 



TAB 745 

Platte. An der Hasleregg. dem zum tiefen Hauetengraben 
abfallenden Gehänge des Berges, erlitten die gegen ihre 
Herren, die Edeln von Weissenburg, in Aufruhr getrete- 
nen Leute des Ilaslethales 1332 eine entscheidende Nieder- 
lage, die dem Aufstand ein Ende bereitete. Auf demSytiberg 
soll nach der Volksüberlieferung ein später durch'ein Erd- 
beben zerstörtes Schloss Gutenburg gestanden haben. 

8ZIA8SA (Kt. Waliis. Bez. Entremont). Gipfel. S. den 
Art. Sciassa. 



T 



TABEILLON [Kt. Bern. Amtsbez. Delsberg, Gem. 
Glovelier und Bassecourt). 780-476 m. 12 km langer Bach ; 
entspringt oberhalb der Station Saulcy der Linie Glove- 
lier-Saignelegier, bildet den zur Forellenzucht benutzten 
Bollmannweier, entwässert die sehr malerische und von 
der Linie Glovelier-Saignelegier mit einer Schlinge 
durchzogene Combe Ta bei Hon und durchlliesst das Dorf 
Glovelier, um sich dann unter dem Namen Buisseau de la 




TABEILLON (COMBE) t Kt. Bern. Amtsbez. Dels- 
berg). Thälchen. S. den Art. Comhf. Tabeillon. 

TA B L AT, TABLKTEN, TAFFLETEN etc. Orts- 
namen der Kantone Zürich, St. Gallen, Appenzell, Nid- 
walden, Uri und Schwyz. Vom latein. tabttlalum = höl- 
zernes, aus Brettern gerügtes Gebäude, das als Speie 
ViehsUll etc. dient. 
TABLAT. Bezirk des Kantons St. Gallen, nach Hof 
und Gemeinde Tablat benannt und 1831 ein- 
gerichtet. Er um fasst den w. Abschnitt des 
frühern Bezirkes Borschach (mit Ausnahme 
der Gemeinde Straubenzell) und bildet ei- 
nen durchschnittlich 3 km breiten, von N. 
nach S. sich ziehenden Landatreifen von 15,5 
km Länge. Er grenzt : im W. mit der Sitter 
an den Bezirk Gossau, im Ü. mit der Goldach 
und der Steinach an den Bezirk Borschach, 
im S. an den Bezirk St. Gallen, im SO. mit 
dem Höhenzug der Egg an den Kanton Ap- 
penzell und im N. an den Thurgau. Exklaven 
sind : im NO. die von thurgauischem Gebiet 
umschlossene und zur Gemeinde Häggenswil 
gehörige Parzelle Achhof und im SW. im 
Bezirk St. Gallen die ehemalige fürstäbtische 
Pfalz mit der Domkirche, dem ehemaligen 
Kloster und den st. gallischen Hegicrungsge- 
bäuden |s. den Art. Pfalz). Der Bezirk 
umfasst die 4 politischen Gemeinden Tablat, 
Wittenbach, Häggenswil und Muolen mit 4 
Pfarreien und 3 Pfarrfilialen. Im nördl. und 
mittlem Abschnitt des Bezirkes findet sich 
fruchtbares hügeliges Wies- und Obstbaumge- 
lände mit einzelnen Waldkomplexen, wah- 
rend im S. gegen Appenzell hin Vorberg- 
reihen aus Molasse bis zu 900-1 100 m hin- 
auf steigen. Den Bezirk (lankieren die ro- 
mantischen Schluchten und Tobel der Sitter, 
Goldach und Steinach, welch letzterm die 
Bahnlinie von St. Gallen nach Hönebach am 
Bodensee folgt. Die Gipfelpartien der Hügel 
und Berge zieren Tannwaldkronen. Es gibt 
eine grössere Anzahl prächtiger Aussichts- 
punkte, so im S. auf der Eggkette lAeussere 
Egg etc.), der Freudenberg bei St. Gallen 
und der Bomonterberg mit St. Peter und 
Paul, im N. die mit einem Schloss gekrönte 
Höhe von Dottenwil. Kleine Seebecken sind 
der Wenigersee und Bütiweier im S. und 
im N. der Pinkenbachweier. Ausser einigen 



M"8ory,l(Cf 



Cretnö. 



mit de 
weiter 



Tablat. 



Bach von Boecourt zu ver- 
von links in die Sorne 



Torfgründen in den untern Gemeinden Wit- 
tenbach, Häggenswil und Muolen findet sich 
im ganzen Bezirk nur Wiesland mit verein- 
. Früheres Ackerland 



tllJ'fwr sc. 



hat überall de 
hat eine Waldfläche von 654.10 ha 
1900 zählte 



Der Bezirk 



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746 



TAI! 



TAB 



.V«li; ha 16425 Ew., also 285 Ew. auf 1 km*. 3515 Haus- 
haltungen in 1470 Häusern. 11 512 Katholiken und 4000 
Reformierte. Hauptbeschäftigung der Bewohner ist die 
Landwirtschaft als Wiesen- und Obstbau mit Viehzucht. 
10 Käsereien. In Wittenbach eine Gesellschaft für Obst- 
verwertung mit bedeutender Mosterei. Rühriger land- 
wirtschaftlicher Verein. Torfausbeute und Holzhandel. 
Hie Viehzählungen haben folgende Resultate ergeben : 



Rindvieh . 
Pferde . . 
Schweine . 
Schafe . . 
Ziegen . . 
Bienenstöcke 



480!) 
472 

753 
86 
197 
751 



190t 

5493 
581 

2079 
81 
120 
790 



l'.iOft 
«021 
744 
2942 
48 
89 



Im obern Bezirksteil haben sich Gewerbe und Industrie 
ganz bedeutend entwickelt. Hauptindustrie ist die Slik- 
kerei. Ausserden Industrien in der Gemeinde Tablat (s. 
diesen Art.) linden sich noch eine grosse Slickfabrik in 
Kronbühl (Gemeinde Wittenbach) und zwei mittelgross« 
in den untern Gemeinden, sowie auch vereinzelte Stick- 
maschinen. Der Bezirk zählt ausser den gewöhnlichen 
Primär- und Fortbildungsschulen je ein Privalinstitut in 
Kronthal (Gemeinde Tablat) und in Kronbühl (Gemeinde 
Wittenbach), sowie zahlreiche gesellige, gemeinnützige, 
wohltätige, politische, religiöse und Fach- und Beruts- 
vereinc. 

Den Bezirk durchziehen hübsche Strassen, die von der 
Stadt St. (iallen her nach Roi-schach, Konstanz, Teufen, 
Speicher-Trogen, Arbon. Neukirch- Homanshorn und Am- 
riawil ausstrahlen. Alle Gemeinden sind unter sich durch 
gute und wohlaogelegte Nebenstraßen verbunden. Post- 
wagenkune von St. Gallen über St. Eiden nach Heiden 
und Rehetobel, sowie über Langgasse-Heiligkreuz-Kron- 
buhl nach Wittenbach und l-öminiswi! ; von Lömmiswil 
überMuolen nach Amriswil. Den obern Bezirk durchzieht 
die Bahnlinie St. Gallen-Horschach mit der Station St. 
Eiden, den SW. -Abschnitt berührt die Strassen bahn St. 
Gallen-Gais-Appenzell und den SO.-Abschnitt durchzieht 
die Strassenbahn St. Gallen-Speicher- Trogen. Tramlinien 
St.Gallen-St.Fiden-Kronthal und St. Gallen- Uncgasse- 
Heiligkreuz. Drahtseilbahn St. Gallen-Mühleck. Die im 
Bau begriffene Bodensee - Toggenburgbahn berührt die 
untern Gemeinden mit nahe gelegenen Stationen, durch- 
zieht Wittenbach (Station) und Tablat und fahrt in langem 
Tunnel durch die St. Peter und Paulshöhe zur Station 
St. Piden ein, die entsprechend erweitert wird. 

Aus sozialen und administrativen Gründen strebt man 
eine Vereinigung der Gemeinden Tablat und Straubenzell 
um Bezirk Gossau I mit der Stadtgemeinde St. Gallen an, 
von der sie tatsächlich Aussenquarliere bilden. Hauptort 
und Gerichtsort des Bezirkes ist St. Eiden- Langgasse. Bis 
1861 war das Dorf Wittenbach der Versammlungsort der 
Bezirksgemeinde. Ausser den im Art. Gemeinde Tablat 
genannten historischen Punkten des Bezirkes sind hier 
noch zu erwähnen die beiden Burgruinen Alt und Neu 
Ratnswag in der Gemeinde Häggenswil. 

TA B L AT j K t St. Gallen. Bei. Tablat). 650-1091 rn. Nach 
der Stadt St. Gallen volksreichsteGemeindc des Kantons mit 
einer Eläche von 2345 ha. Her Gemeindebann umfasst im 
N. ein welliges, obst- und wiesenreiches Hügelland und 
reicht im S. bis in die Zone der Appenzeller Vorberge hin- 
auf. Prächtige Aussichtspunkte sind die Egg. der Ereu- 
denberg und die Hohe von St. Peter und Paul. Die Ge- 
meinde umschliesst auf drei Seiten dasGehiet von Bezirk 
und Gemeinde St. Gallen und hat im Innern der letztem 
noch eine Exklave, die Pfalz, mit den Gebäuden der ehe- 
maligen Abtei St. Gallen. Sie wird von der Steinach 
durchflössen, die ihr guellgebiet in dem noch auf Ge- 
meindeboden gelegenen Rütiweicr und Wenigen«« hat. 
Grenzflüsse sind im O. die Goldach und im W. auf eine 
kleine Strecke die Silier. Die politische Gemeinde Tablat 
umfasst die drei Ortsgemeinden Langgasse. St. Eiden und 
St. Georgen mit gegen 50 grossen, odern kleinern Hau- 
sergruppen, Weilern und Dorfschaften, worunter die 
fünf städtischen Onarliere St. Eiden. Kronlhal. Nendorf. 
Langgasse und St. Georgen als Vororte von St. Gallen 
erseneinen. Im Jahr 1900 zahlte die Gemeinde Tablat in 
920 Wohnhäusern 12 590 Ew. (wovon 8485 Katholiken und 
4092 Reformierte.. 1870 betrug die Einwohnerzahl in 561 



Häusern 5791 Köpfe, während die Bevölkerung im Oktober 
1907 auf 24000 Köpfe angewachsen war. Tablat stellt sich 
somit hinsichtlich, des raschen Anwachsens seiner Ein- 
wohnerzahl unter die ersten Gemeinden der Schweiz. 
3 Poslbureaux, 1 Postablage und 3 Telegraphenbureaux. 
Während die Gemeinde früher vorhergehend aprikol 
war, wiegt jetzt die gewerbliche und industrielle Tätig- 
keit ganz bedeutend vor. Nach der eidg. Betriebszählung 
von 1905 bestehen 925 gewerbliche Betriebe, worunter 
14 Stickfabriken, 20 einzelne Stickmaschinen, eine Ma- 
schinenfabrik, eine mechanische Werkstätte, 2 Baumwoll- 
spinnereien, eine Schokoladefabrik, eine Möbelfabrik, je 
eine Sägerei, Ziegelei, Käserei, Kolonialwarenhandlung 
en gros. Kuranstalt und Weinfabrik. je 4 Weinhandlun- 
gen und mechanische Schreinereien, eine Holzschnitzerei 
und Altarbauerei. 2 photographische Anstalten, eine Buch- 
druckerei. 2 Bierbrauereien. Ein Privatinstitut. 5 katho- 
lische und 2 reformierte Schulhäuser. Rat- «der Ge- 
meindehaus. 3 Filialkirchen der Dompfarrei St. (.allen, 
eine Wallfahrtskirche und ein Erauenkloster (St. Notkers- 
eggt. In der von der Gemeinde St. Gallen umschlossenen 
Exklave der Pfalz liegen die bischöfliche Dom- oder Ka- 
thedralkirche (zugleich katholische Pfarrkirche der gan 
zen Gemeinde Tablat). die bischöfliche Residenz, die kan- 
tonalen Regierungsgebäude, das Zeughaus, das Gefängnis, 
das Gebäude der kantonalen katholischen Verwaltungsbe- 
hörden, die Stiftsbibliothek. die katholische Knaben- und 
Madchenrealschule, die katholische Kinderkapelle, der 
grosse Klosterhol und ein Primarschulgebände der Stadt 
St. Gallen. Von der Stadt St. Gallen ziehen der Ror- 
schacher- und der Konstanzerstrasse entlang je eine 
Tramlinie nach St. Fiden-Kronthal einerseits und nach 
Langgasse- Heiligkreuz andrerseits. Durchs Steinachtobel 
geht die Bahnlinie St. Gallen-Rorschach (mit der Station 
St. Fideni. Auf die Station St. Eiden wird auch die im 
Bau be^riflene Bodensee-Toggenburgbahn einmünden, 
nachdem sie die Anhöhe St. Peter und I*aul in einem 
Tunnel unterfahren hat. Schone Strassen nach allen Sei- 
ten hin. Martinsbrücke über die Goldach und zwei Burg- 
ruinen. Hauptort der Gemeinde ist St. Eiden. Es gibt 
eine grosse Zahl politischer, militärischer. 



ger, wohltätiger und religiöser Vereine, ferner Gesang-, 
Musik-, Turn- und Eachvereine. Altersasyl. Magdeher- 
berge, grosses und wohleingerichtetes Armenhaus. Auf 
Boden der Gemeinde Tablat liegen auch die st. Kallische 
und der Schützenplatz, auf dem wiederholt das 
r. Schutzetifesl gefeiert worden ist. Prächtige Wiesen 
und wohlgeptlegte Waldungen. Beim Aussichtspunkt 
St. Peterund Paul der Wildpark der Stadt St. Gallen. Auf 
den Anhöhen und in den Tnalgründen stehen zahlreiche 
Villen und Landhäuser. Die Geschichte der Gemeinde Ta- 
blat nimmt ihren Aufang mit dem Jahr 1470, als man in 
St. Fiden mit dem Bau eines Amts- und Gerichtshauses 
begann. In die Jahre 1525-1532 fallen die Reformalions- 
bewegungen und das tolle Treiben der Wiedertäufer in 
Tablat. 1532 kehrte Tablat wieder zum alten Glauben 
zurück, worauf man die reformiert gebliebenen Bewohner 
der Stadlpfarrei Linsebühl zuteilte, zu der sie heute noch 
gehören. Auf dem 1848 erweiterten Friedhof zu St. Fiden 
ruhen u. a. die Domherren Zürcher und Popp, sowie die 
Landammänner Jakob Baumgartner, J. J. Müller, J. KeeL 
An die Pestzeiten erinnert der « Totenacker» in St. Eiden, 
die Grabstätte der zahlreichen an der Pest gestorbenen 
Personen und so mancher ihrer Pfleger aus der Schaar 
der Konventualen des Klosters St. Gallen. Die verschie- 
denen Ortschaften und Bauernhofe der Gemeinde sind 
durch zahlreiche Feuersbrünste heimgesucht worden, so 
u. a. in den Jahren 1827. 1829. 1830. 1831. 1833. 1837. 




das eine bewegte Geschichte hat und aus welchem eine 
Reihe hervorragender Staatsmänner und Offiziere in 
fremden Diensten hervorgegangen sind. Mit dem Bau der 
neuen Strasse St. Gallen-Rorachach 1837 entstand die 
Ortschaft Neudorf. 

TABLAT (Kl. St. Gallen. Bez. und Gem. Tablat). 680 
m. Gruppe von 6 Heusern auf fruchtbarer Hochebene; 1.8 
km o. der Station St. Eiden der Linie St. Gallen-Rorachach 
und an der Strasse Sl. Gallen-Neudorf-Speicher. Telephon. 



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TAB 



t.ki; 



747 



63 zur Mehrzahl kalhol. Kw. Dompfarrei St. Gullen. Viel- 
besuchtes Gasthaus. Wiesen- und Obstbau, Viehzucht. Ar- 




Rocher de* Tahlelt->. 



beit in den Industriebetrieben der Nachbarschaft. Den 
Namen Tablat jtabulatum = Speicher oder Scheune l trug 
ursprünglich nur ein hier stehender Bauernhof mit Zehnt- 
speicher des Klosters St. Gallen, der zusammen mit der 
l.mgegend zwar zum St. (iallusmünster eingepfarrt war, 
politisch und gerichtlich dagegen zur Reicnsvoglei und 
Gericht Wittenbach gehörte und deshalb auch oft mit dem 
Namen Ober Wittenbach bezeichnetzu werden pllegte. Die 
Vogtei über den IlofTablat war 1344 in der Verpfandung von 
Wittenbach durch Kaiser Ludwig an den Grafen Ulrich 
von Königsegg. sowie in der Abtretung von Wittenbach 
an das Kloster St. Gallen als Reichlichen 1445 mit in- 
begriffen. Im Appenzellerkrieg teilte der Hof das Schicksal 
der übrigen Bauernhöfe der Gegend. 1470 wurde er mit 
zahlreichen andern Siedelungen zu einer Gemeindemar- 
kung zusammengefasst. die nach ihm den Namen Tablat 
erhielt. 

TABLAT (Kt. Zürich, Bez. Winterthur, Gem. Turben- 
thal). 582 m Gemeindeabteilung milden Weilern Ober und 
l"nt«T Tahlnt. I km so. der Station Wila der Tnssthalbahn 
i Winterthur- Wald). Telephon. Zusammen : '21 Häuser, 81 
reform. Ew. Kirchgemeinde Tnrbenthal. Wiesenbau. 

TABLiTBACH i Kt. Appenzell I.B.). 1020-751 m. 
2,5 km langer rechtsseitiger /.titln** der Sitter. Bildet auf 
seinem ganzen Lauf die Grenze zwischen den Gemeinden 
Appenzell und Schlatt-Haslen. 

TABLETEN (Kt. Zürich, Bez. und Gem. Borgen}. 
565 m. Gruppe von 4 Häusern, I km n. der Station Sihl- 
wald derSihlthalhahn. 20 reform. Kw. Kircugemeinde Hor- 
gen. Wiesenbau. 

T A B LETTE 8 (ROCHER DES) (Kt. Neuenburg. 
Bez. Roudry). 1253 m. Mit senkrechten Wänden abfallen- 
der und aus dem Bergkörper der Tourne nach SO. vor- 
springender Felssporn aus Kimeridgekalk. Bildet einen 
der bemerkenswertesten Aussichtspunkte des.Neiienburger 
Jura und bietet einen prachtvollen Blick auflas Delta der 
Areuse. den Neuenhurgersee und die Alpen. Aufstieg von 
der Station Chambrelien der Linie Neuenburg- 1 a Chaux 
de Fonds entweder über Rochefort und die zum Hotel auf 



der Tourne führende Strasse oder über einen steilen Fuss- 
weg, sowie von der Station Les l'onts der Begionalbahn 
La Gl in tu de Fonds-Lea Ponte längs der Kantonsstraase in 
je IV| Stunden. 

TABOR (MONT) (Kt Wallis, Bez. Hexens). Gipfel. 
S. den Art. Hkukns i Ulm n'). 

TABOREQB (Kt. St. Gallen, Bez. Sargans). 843 m. 
Hochplateau über der Strasse Bagaz-I'äfers: 3.8 km sö. 
der Station und 2.6 km so. vom Dorf Ragaz. Vom O. -Ende 
hat man eine schöne Aussicht auf die St. Galler und 
Bundner Berge. 

TABOU8SET (LE) l Kt Waadt, Bez. Pays d'Enhaut. 
Gem. Chäteaud'Oex). 1190 m. Ziemlich weithin sichtbares 
weisses Haus rechts vom Hongrin; über der Vereinigung 
des Ruisseau des Coques, Ruisseau du Leyzay und des 
Petit Hongrin mit dem Hongrin. der in dieser Gegend von 
zwei Brücken (1164 m) überschritten wird. 1 1 /« Stunden 
von La Lecherettaz. etwa 2 Stunden von der Station Al- 
lieres der Monlretix-Oherlandbahn, 50 Minuten vom Col 
de la Pierre du Moiielle und 3'/ 4 Stunden von Chäteau 
d'Oex (über den Col de Sonlemont). In der Erosionsfurche 
des Hongrin lässt sich ganz nahe der Brücke die Aufein- 
anderfolge des Jurakalkes, des Neokom und der obern 
Kreide ( rote Schichten) sehr gut beobachten. Wetter oben 
erscheint der Flysch mit zwei Einschaltungen von Kalk- 
nagellluh (Mocausanagelfluh). 

TÄCHE (LE) (Kt. Wallis. Bez. Monthey). 1694 m. An 
der S. -Flanke bewaldeter Felsgrat sö. über dem Lac de 
Tanay. Kann von Miex durch das Thalchen von Prelaitniaz 
in 2 Stunden bestiegen werden. Der Name Täche erscheint 
in den Alpenländern der französischen Schweiz unter 
verschiedenen Formen : I.e Täche bei Vouvry, Alpweide 
Tache im Greierz. Le Tatzo bei Rossiniere. Weiler Le 
Taque oder Tatchiet auf einem steilen Rücken in der Ge- 
meinde Trient etc. Gälisch tac, irisch tag. im Dialekt 
talche — Sc I ni Ii nage I, Spitze, spitzer und scharfer Fels. 

TACHES (LES) (Kt. Waadt. Bez. La Vallee. Gem. 
L'Abbaye). 1035m. Gruppe vonS Häusern inderGemeinde- 
abteilung Les Bioux. nahe dem O.-Ufer des Jouxsees und 
an der Strasse nach L'Orient de l'Orbe ; 5kmsw. L'Abbaye. 
54 reform. Ew. Kirchgemeinde L'Abbaye. Uhrenindustrie. 
Waldwirtschaft. 

TACHOZ NIRE (Kt. Wallis, Bez. Siders). 1847-9.'*) m. 
Wildliach; entspringt den aul einer Terrasse am S. -Fuss 
des Zaat gelegenen Weiern von Lens, lliesst durch das 
Thalchen von Grans westwärts, nimmt am Fuss des Plan 
Davon einen vom Hang desZsat herabkommenden zweiten 
Ouellarm auf, wendet sich unter den Gehängen von Icogne 
nach NW. und durchrauscht nun mit zahlreichen Kas- 
kaden ein enges Tobel, um sich nach 5 km langem Lauf 
mit der Liene zu vereinigen. Wird von verschiedenen, 
von der Liene herkommenden Wasserleitungen über- 
schritten und speist selbst einige der kleinern Wasser- 
leitungen der grossen Terrasae von Lens. 

TACHHCU8ERN (Kt. Wallis, Bez. Brig, Gem. 
Mund). 1150 m. Häusergruppe auf der Terrasse von Mund 
ob dem Dorf dieses Namens. Zusammen mit Felden: 8 
Häuser. 69 kalhol Kw. Rektorat Mund der Kirchgemeinde 
Glis-Krig. Auf Ostern pflegt man in der Nähe alljährlich 
ein ländliches Fest mit Tanz abzuhalten. 

T/EOER, TEGER, T/EGERLI, TKOEREN, TE- 
GERTEN etc. Mittelhochdeutsche« Appellativ («v/er oder 
tsgere Fläche mit Lehmboden. Findet sich in allen 
deutschen Kantonen entweder für sich allein oder in zahl- 
losen Zusammensetzungen, wie z. B. mit Feld. Wang, 
Sehwand, Aesch, Moos, Schlacht, Wies. Au, See. Holz. Loh, 
Hanl. Buch. Hof. Dorf, Wil. Bach. Buhl. Berg, Stein etc. 

TAEQERBACH l Kt. Aargau, Bez. /.urzach). 570-327 m. 
Linksseitiger Zufluss des Bheins; entspringt an der Egg. 
wendet sich zunächst nach NW. und durchtliesst Sadis- 
dorf und Meilstorr, biegt dann nach W. und in Wislikolen 
nach N. ab und mundet w. der Station Bümikonder Linie 
Winterlhur-Bülach-Koblenz-Stein. Der lischreiche Bach 
treibt mehrere Mühlen und Sägen. 

tcge RIO [Kt. Aargau, Bez. Bremgarten). 396 m. 
Gem. und Pfarnlorf. am linken Ufer der Beuss und 3.5 km 
s. der Station Mellingen der Linie Aarau-Suhr- Wettingen. 
Postbureau. Telephon; Postwagen Bremgarlen-Mellingen. 
Zusammen mit Beussthal und einem Teil \>>n Büschikun : 
118 Häuser. 606 Ew. | wovon M Reformierte); Dorf: 94 



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748 



Häuser, 455 Kw. Acker- und Obstbau. Viehzucht und Milch- 
wirtschaft. Brennerei, Säge, Mühle. Strohwarenfabrik, 



Tagerig vom Bergerbius her. 

Appretur. Bruch auf Molassesandstein. Elektrizitätswerk. 
Armenhaus. Schöne und stark besuchte VVallfahrtska- 
pelle. Vom Gütsch her schöne Aussicht. 1838 wurde die 
Hälfte des Dorfes ein Baub der Flammen. Fund von eini- 
gen römischen Münzen. 1171 und 1189: Tegerane, Te- 
gerwane. 

T/EQERM008 oder TEQERMOOS (Kt. Thurgau, 
Bez. Kreuzlingen, Gem. Tagerwilen). 403-405 m. So heisst 
die Ebene w. der Stadt Konstanz, die sich dem Bhein bia 
zu seiner Mündung in den l'ntemee entlang zieht. Sie ist 
von jeher Bürgergut der Stadt Konstanz. Der höher gele- 
gene Teil wird als Pllanzland unter die Hürger verteilt 
und verpachtet, der liefer gelegene ist Schilfboden und 
Streuland. Da die Landesgrenze der Schweiz seit dem 
Schwabenkrieg bia an die Stadtmauern von Konstanz 
reicht, liegt der ganze Komplex des Tägermooses auf 
Schweizergebiet. Ks war im Laufe der Zeit zu verschiede- 
nen Malen der Gegenstand von Grenzstreitigkeiten. Im 
September 1633 unternahm der schwedische General Horn 
vom Tägermoos aus die Belagerung von Konstanz, musste 
sich aber auf das höher gelegene Terrain von Kreuzlingen 
zurückziehen, da sich die Laufgräben alsbald mit Wasser 
füllten. Bis 1798 besass Konstanz die niedere Gerichtsbar- 
keit auf dem Tägermoos. Ein langer Streit entspann sich 
um das Tägermoos 1817-1831 zwischen den beidseitigen 
Begierungen, da Konstanz Bechte bean- 
spruchte, welche die Schweiz nicht zugeben 
konnte. Am 28. März 183t wurde der Streit 
durch einen Vertrag endgillig beigelegt und 
die Landesgrenze delinitiv der Stadtmauer 
entlang festgesetzt. Das Tägermoos erhielt das 
Gemarkungsrecht ; die Steuern, die von ihm an 
den Kanton Thurgau und die Gemeinde Täger- 
wilen zu entrichten sind, werden nicht von 
den einzelnen Stücken, aus denen es besteht, 
sondern von dem ganzen Komplex erhoben und 
von der Stadt Konstanz bezahlt. Bei hohem 
Wasserstand des Bheins ist das Moos stets in 
Gefahr, uberschwemmt zu werden. 1817 war 
dies in solchem Masse der Fall, da«s auf 
der das Moos durchschneidenden Strasse 
zwischen Konstanz und Gottliehen der Ver- 
kehr mit Schilfen aufrecht erhalten werden 

T/CQIRMOOS oder TEQERMOOS (Kt. 
Thurgau. Bez. und Gem. Steckborn). 573 in. 
Gruppe von 5 Häusern auf dem Seenicken ; 
2.4 km s. der Station Sleckborii der Linie 
Schaffhausen-Etzwilen-Konstanz. 17 reform, 
und kathol. Ew. Kirchgenieinden Steckborn. Obst- und 
Wiesenbau. Gastwirtschaft. War ehedem ein Lehen des 
Klosters Feldbach. 



LEG 

TEGERNAU (Kt. St. Gallen, Bez. See, Gem. Jona). 
Weiler. S. den Art. DeoernaI'. 

Tegernau (Kt. Zürich, Bez. llinwil. 
Gem. Gossau). 457 m. Gruppe von 6 Häusern ; 
1,5 km s. der Kirche Gossau. 28 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Gospau. Wiesenbau. 898: Te- 
gerunouva : 1166 : Tegirnowe. 

T/EGERSCHEN oder D4EGER8CHEN 
(Kt. Thurgau, Bez. Münchwilen, Gem. Tobel). 
558 m. Ortsgemeinde und Dorf an der Strasse 
Tobel- Wil ; 800 m i. Tobel und 4 km no. der 
Station Münchwilender Strassenbahn Frauen- 
feld-Wil. Postablage ; Postwagen Weinfelden- 
Wil. Zusammen mit Karlishnb und Thürn : 
41 Häuser, 214 Ew. (wovon 28 Beformierte) ; 
Dorf: 29 Häuser. 149 Ew. Kirchgemeinde 
Tobel. Obst- und Wiesenbau. Stickerei. Sehr 
alte Siedelung. 762 : Tegarascha ; 889 : Te- 
geresca ; 1181 : Tegerschen. 

TVEQERT8CHI (Kt. Bern, Amtsbez. Ko- 
nolflngen). 610 m. Gem. und Dorf, am Fuss 
des Ballenbühl und 2,5 km ö. Münsingen. 
Station der Linie Bern-Luzern. Postablage, 
Telephon. Gemeinde, mit Feldmatt. Neuhaus 
und Uelisbrunnen : 143 Häuser, 336 reform. 
Ew. ; Dorf: 22 Häuser, 170 Ew. Ackerbau, 
Viehzucht und Milchwirtschaft. 1273 : Te- 
gersche ; 1299: Tegerschen ; später Dager lachen. 
TCQIRWILIN (Kt. Thurgau. Bez. Kreuzigen 1 406- 
500 m. Gem. und Pfarrdorf, links über der Mündung des 
Rheins in den Untersee und am sanftgeneigten N.-Hang 
des Seerückens unterhalb der weitschauenden Burg Gas- 
tet ; 3.5 km nw. Kreuzlingen. Station der Linie Schaffhau- 
sen - Etzwilen - Konstanz. Poslbureau, Telegraph, Tele- 
phon ; Zollstätte. Gemeinde, mit Castel. Nagelshausen 
und Staudenhof : 211 Häuser, 1188 Ew. (wovon 185 Ka- 
tholiken) ; Dorf: 180 Häuser, 1041 Ew. Schönes Schul- 
haua. Wiesen-, Obst- und Weinbau. Je eine Stick- und 
Seifenfabrik. Säge und Mühlen, mechanische Werkstät- 
ten. Milchausfuhr nach Konstanz. Wein- und Holzhandel. 
Tagerwilen liegt in fruchtbarer, gut angebauter Landschaft 
und ist eines der schmucksten Dörfer im Thurgau. Schö- 
ner Blick auf das nahe Konstanz und darüber hinaus auf 
die Hügelzüge des badischen Landes, sowie über den Ober- 
see hin auf die Gebirge des Allgäus und Vorarlbergs. Zu 
beiden Seiten der Strasse Tägerwilen-Emmiahofen zieht 
sich eine wunderschöne Allee von lauter gleichgeformten 
Birnbäumen hin. Im Tägerwilerwald, wo man schöne Ei- 
chen sehen kann, befand sich im 11. und 12. Jahrhundert 
ein kleines Beginenkloster. Nahe dem Schloss Castel hat 
man mehrere vorrömische Münzen, worunter einen gal- 
lischen Stater aus Gold aufgefunden. Fund einer griechi- 
schen Vase nahe dem Dorf. Beim Bau der Eisenbahn hat 



f. V 



Tagerwilen von SOdweiten. 

man Alemannengräber mit Schwertern und Gürtelschnal- 
len aufgedeckt. Das Wahrzeichen des Dorfes ist der es 
überragende massive Kirchturm, ursprünglich ein zur Zeit 



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T/EG 

Kaiser Heinrichs im 10. Jahrhundert erbauter Bergfried, 
der dem Landvolk vor den das Land plündernd und sengend 
überziehenden ungarischen Reiterscharen Schutz zu bieten 
bestimmt war. Das Dorf ist alt und wird in der Geschichte 
früh und oft genannt (1155 : Tegerwilare). Bischof Gebhard 
von Konstanz schenkte es gegen Ende des 10. Jahrhun- 
derts dem Domstift Konstanz. 1384 verkaufte Bischof 
Heinrich Gaste! mit Tägerwilen an Stephan von Roggwil 
um 1100 Pfund. In den Appenzellerkriegen 1407 traten 74 
Burger von Tägerwilen in das Schutz- und Schirmrecht 
von Konstanz, um sich damit vor drohenden Ueberfallen 
zu aichern. Das Dorf wurde durch die Kriege jener Zeit 
oft in Mitleidenschaft gezogen, so im alten Zürichkrieg 
1446, wo die c Böcke > von Wil bis nach Tägerwilen vor- ■ 
drangen, hier 6 Hänser verbrannten und einige Gefan- 
gene mit sich führten ; dann wieder im Schwabenkrieg 
durch einen Ausfall der Konstanzer (10. März 1489), in 
dem mehrere Bürger fielen. Manz von Roggwil gab dem 
Dorf '1472 seine GorielitsotTnung, Von ihm erwarb der 
Bischof dann wieder Dorf und Burg, auf die ersieh mehr 
als einmal flüchtete, wenn er sich in Konstanz nicht si- 
cher glaubte. Zur Zeit der Reformation wandte sich das 
Dorf der neuen Lehre zu. Nachdem die Kirche für die 
Evangelischen der weiten Umgebung, der sie diente, zu 
klein geworden, erbauten Egelshofen 170« und Göttlichen 
1735 ihre bewundern Gotteshäuser. Tägerwilen hatte auch 
sein eigenes Siechenhaus, dem Esther von Ulm, die 
Gattin Walters von Hallwil auf Salenstein, 300 Gulden te- 
stierte. 1727 war infolge weiterer Schenkungen der Fond« 
auf 7000 Gulden angewHclinen. Am w. Ende des Dorfes 
liegt der ehemalige Edelsitz Hertier, dessen Besitzer auf 
ihrem Gute die niedere Gerichtsbarkeit ausübten, in der 
Versammlung des thurgauischen GerichUherrenstandes 
aber weder Sitz noch Stimme hatten. Am O -Knde des 
Dorfes das Schlots Puanzberg. Auf dem Tägerwiler Fried- 
hof ruhen Seminardirektor Thomas Scherr, der aus dem 
Sonderbundskrieg bekannte Oberst Egloll und der Dekan 
Künzler, eiu hervorragender kanzelredner und Präsident 
des thurgauischen evangelischen Kirchenrates 

TiCaCRWILERWALD (Kt. Thurgau, Bez. Kreuz- 
ungen). 500 m. Etwa 330 ha grosser, schöner Wald aus 
Eichen, Buchen und Tannen ; beginnt 1 km sw. und s. 
vom Dorf Tägerwilen und zieht sich auf eine Länge von 
3,3 km und mit einer grössten Breite von 3 km bis nach, 
Wäldi und Stöcken hin. Eigentum der Bürgergemeinde 
Tägerwilen. 

tjEQETLI (Kt. und Amtabez. Bern, Gem. Bolligen). 
560 m, Gruppe von 3 Häusern auf einer Anhohe, 1 km sö. 
der Station Ostermundigen der Linie Bern-Thun. 30 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Bolligen. Land Wirtschaft. 

T /COGENS WIL oder DiKOENTSWIL (Kt. St.Gal- 
len. Bez. Wil, Gem. Nieder Helfentswil). 582 m. Weiler 
in fruchtbarer Gegend, an der Strasse Nieder Helfents- 
wil-Neuklrch und 5 km sw. der Station Bischofwell der 
Linie Gossau-Sulgen. 10 Häuser, 54 kathol. Ew. Kirchge- 
meinde Nieder Helfentswil. Viehzucht. 

T/EQLI8CHÜR oder T/EGLISCHtUKR (Kt Zü- 
rich, Bez. Borgen, Gem. Schönenbergl. 685 m. Gruppe 
von 4 Häusern. 1 km n. der Kirche Schönenberg. 22 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Schönenberg. Wiesenbau. 

TCNDLI (GROSS und KLEIN) (Kt. und Bez. 
Schwyz). 1528 und 1485 m. Wald und Weiden auf dem n. 
vom Mythen sich hinziehenden Kamm. Diese Gegend wird 
nur von Holzhauern. Hirten und Jägern besucht. 

TCNIKON (Kt. Thurgau. Bez. Frauenfeld, Gem. 
Aadorf). 540 m. Gruppe von 9 Häusern mit einem ehema- 
ligen Kloster, an der Lützelmurg und 1,2 km s. der Sta- 
tion Aadorf der Linie Zürich-Winterthur-St. Gallen. Te- 
lephon. 71 kathol. Kw. Kirchgemeinde Aadorf. Obst- und 
W iesenbau, Viehzucht. 789 und 791 : Tanninchova ; 817 : 
Taninghovun, d. h. Hof des Tanno. War schon 789 eine 
Mal- oder Gerichtsstälteund dann seit 817 ein Hofgut der 
Abtei St. Gallen. Bei dei als Filiale zur Kirche Elgg gehö- 
renden Kapelle soll Bernhard von Clairvaux auf der Rück- 
kehr vom Reichslsg in Konstanz 11 46 von einem Stein he- 
rab gepredigt haben, der später von den Frauen von Tä- 
nikon in hohen Ehren gehalten wurde. Das Kloster wurde 
1257 durch die Ritter Eberhard von Bichelsee, Vater und 
Sohn, gestiftet, mit Zustimmung des Abtes von St. Gallen, 
dessen Ministerialen sie waren. Es war eine für Errich- 



TVES 749 

tung klösterlicher Stiftungen gar günstige Zeit, entstan- 
den doch innert der 30 JaBre 1228-1258 allein im Gebiet 
der Landgrafschaft Thurgau 7 Nonnenklöster und zwei 
Komihoreien. Tanikon wurde nach den Vorschriften des 
Zisterzienser- oder Bernhardinerordens eingerichtet und 
die Kapelle aus dem Filialverband von Elgg gelöst und 
dem Frauenkonvent übergeben. Durch Schenkungen und 
Vermächtnisse gelangte das Kloster schnell zu beträchtli- 
chem Reichtum. 1306 schenkte ihm Hermann von Eachll- 
kon, Leutprieater zu Elsau, ein wertvolles Werk, die Hi- 
itoria Lonibanhca, mit der Bestimmung, da»» es nur in 
der grössten Not veräusst-rt werden dürfte. 1442 erwarb da* 

| Kloster die Gerichtsbarkeit von Aadorf. Es besasssie zudem 
in Tänlkon selbst, sowie in Ettenhausen. Guntershau^en, 

! Willershausen und Meischhausen. Als der Thurgau 1 461 
an die Eidgenossen überging, suchten die Klöster mit dem 
jeweiligen Landvogt sich dadurch gut zu stellen, dass sie 
ihm beim Amtsantritt ein Geschenk gaben. Dies wurde 
dann mit der Zeit in der Weise zur festen Sitte, das z. B. 
Fisch ingen mit einem Ochsen, Tobel mit einem Schwein. 
Illingen- mit 13 Eimer Wein, Tänikon mit 8 Malter Hafer 
aich abfinden mussten. In der Reformation wandten sich 
die Nonnen von Tänikon dem evangelischen Glauben zu, 
so dass daa Kloster eine Reihe von Jahren vereinsamt 
stand. Erst 1548 wurde es restituiert doch dauerte es 
noch bis 1580, ehe die Nonnen sich dazu verstanden, ei- 
nen gemeinsamen Haushalt zu rühren und diesem ihre 
besondern Einkünfte einzuverleiben. Die Bemühungen des 
Klosters brachten es auch dazu, dass in Aadorf 1627 die 
Parität eingeführt wurde. 1766 zahlte das Kloster 168 Leib- 
eigene. 1845 wurde es aufgehoben, und sein Besitz ging 
an den Kanton über. Die Gebäude mit der dazu gehören- 
den Landwirtschaft wurden dem Verkauf ausgesetzt und 
1850 von Dr. Andr. von Planta aus Samaden eworben, der 
hier 1857 eine Ziegelei errichtete und dessen Erben heute 
noch im Besitz des 105 ha umfassenden Gutes sind. Sie 
haben es im taufe der Zeit zu einer landwirtschaftlichen 
Musteranstalt gemacht. Das Wappen des Klosters zeigte 
eine goldene Lilie im blauen Feld, woher der Name leii- 
lit Liliorum oder Maria Lilienthal, mit dem das Kloster 
auch belegt zu werden pflegte. 1260-1845 standen dem der 
Abtei Wettingen unterstellten Kloster im ganzen 33 Aebtis- 
sinnen vor. 

TENNLININ (Kt. Bern, Amt» bei. Schwarzenburg. 
Gem. Wählern). Gemeindeabteilung mit den Höfen und 
Häusergruppen Borbezried. Brünnen, Buggenried. Dun- 
telen, Eliaried, Füren, Granegg, Henziachwand, Höhe, 
Hostatt, Ifang. Innerdorf, Kehr, Kühmoos, Mamishaus, 
Obermatt, Schärenmatt, Schönentannen, Schwanders- 
bifang. Stein, Zehnthüsli und Zeig. Zusammen 163 Häu- 
•er. 1156 reform. Ew. Kirchgemeinde Wahlern. 

T/CNNLER oder D KENDLER (Kt. Zürich, Bez. Hin- 
wil, Gem. Wald). 755 m. Gruppe von 5 Häusern ; 1,5 km 
nw. der Station Wald der Töasthalbahn (Winterthur- 
Wald). 39 reform. Ew. Kirchgemeinde Wald. Wiesenbau. 

TiSNNLIBÜML (Kt. Zürich, Bez. Hinwil). 967 m. 
Molaasehügel 2,5 km s. der Station Bauma der Tössthal- 
bahn ;Winlerthur-Wald). 

TJCRFETEN (HINTER und VORDER) (Kt. Hern 
Amtsbei. Nieder Simmenthai. Gem. Diemtigen). 1807 
und 1801 m. Zwei sonnige Alpweiden, am linksseitigen 
Gehänge des Mäniggrund und am ^.-Hang des Thurnen 
(2081 m). Sie wurden 1354 durch Anna Seiler dem von 
ihr gestifteten Inselapilal in Bern testiert. 

TCSCH (Kt. Wallis, Bez. Visp). 14"« m. Gem. und 
Pfarrdorf im Nikolaithal. 26 km bsw. Visp und 5,5 km n. 
Zermalt. Station der Linie Visp-Zermatt. Postablage, 
Telegraph. 48 Häuser, 251 kathol. Ew. Die Kirche hat 
einen eigenartigen viereckigen Turm und ein be- 
merkenswertes Beinhaus. Hotel. Die Gemeinde grenzt 
im S. an Zermatt und im X. an Randa. Bas Dort 
liegt rechts der Visp und im Winkel zwischen dieser und 
der Mündung des durch seine L'eberschwemraungen oft 
den Verkehr im Thal unterbrechenden Täschbaches, sowie 
zwischen dem Zinal Rolhorn im W. und dem Alphubel 
im 0. Oestl. Täsch öffnet sich das 7 km lange Thal der 
Taschalp, durch welches man über das Mischabeljoch 
(3856 m), Alphubeljoch (3802 mj, den Allalinpass 3570) m) 
und das Feejoch (3812 m) ins Saasthal hinüber gelangen 
kann. 



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750 



T/ES 



T.EU 



schilp (Kt. Wallis, Bez. Viap, Gem. Tisch). 
2700-1440 m. Eine der bedeutenderen Verzweigungen des 




TaUcbbichfall. 

Nikolaithales. in welches sie mit der Schlucht des Tisch- 
tuches bei Tisch von rechts einmündet. Beginnt am 
Fuss des Rimpfischhorns (4203 m) und trägt im obersten 
Abschnitt den Langenfluhglelscher, auf den nach unten 
die dem Thal den Namen gebende Täschalp folgt. Die 
Hutten der Uber Täschalp liegen in 2117 m, diejenigen 
der Unter Täschalp (mit Kapelle! in 2125 m. Von hier an 
engt sich das in seinem mittlern Abschnitt an seltenen 
Bilanzen reiche Thal ein, um bis zu seiner Mündung ein 
wildes Tobel zu bilden. Wird im 3. von dem vom Dösen- 
trift (3253 ml bogenförmig zum Himplischhorn aufstei- 
genden Kamm, im O. von den vergletscherten Mischabel- 
hornern und im N. vom Kamm des Leiterspitz i32l8 m) 
begrenzt. 7 km lang. Die Taschalp wird vom Juli bis Sep- 
tember mit etwa hundert Kühen und zahlreichen Schwei- 
nen, Ziegen und Schafen bezogen. Eine der Hütten dient als 
Nachtquartier für Hochtouren in den Mischabelhörnern. 

TC8CHBACH (Kt. Wallis, Bei. Visp). 2700-1440 m. 
8 km langer Wildbach, rechtsseitiger 
Zulluss der /.ermalter Visp, in wel- 
che er 400 m w. der Kirche Tasch 
mündet. Entspringt unter dem Namen 
Mellichenbach dem Langenfluhglet- 
scher, der von einem weiten Kranz 
von Hochgipfeln umrahmt wird : Leiter- 
spitz (3218 m), Tischhorn (4498 rn), 
Alphubel (4207 m). Allalin j 4034 m), 
Himplischhorn (4303 m) und Hothorn 
i3418m). Der Tischbach im engern Sinn 
entsteht 300 m so. der Kapelle auf der 
L'nter Täschalp (2125 m) aus der Ver- 
einigung des Mellichenhaches mit dem 
vom Täschhorn und Alphubel herab- 
koinmenden Hotenbach und tritt nun in 
eine liefe Schlucht, die er über Täsch 
mit einem zum Teil im Tobel ver- 
steckten schönen Wasserfall verlässt. Das Einzugsge- 
biet umfassl 37,4 km*, wovon 15,7 auf Eis und Firn, 
sowie 14,3 auf Fels und Schutt entfallen, so dass SN °'„ 
desselben unproduktiv sind. 



TtSCHENHOLZ (Kt. Bern, Amtsbez. Thun, Gem. 
Uebischi). 710 m. Kleine Ebene mit Torfmoor, auf dem 
Hucken der Honegg über Uebischi. Wird 1320 als Eigen- 
tum des Klosters Därstelten genannt, das hier schon im 
13. Jahrhundert Fuss gefasst hatte. 

TC8CHHORN (Kt. Wallis, Bez. Brig). 3214 m. 
Gipfel. S. den Art. Straiii.iiorn. 

TäSCHHORN Kt. Wallis. Bez. Visp). 4498 ra. Hoch- 
gipfel in der Kette der Mischabelhorner, vom Dom durch 
das Domjoch und vom Alphubel durch das Mischabeljoch 
getrennt. Der SW.-Grat tragt das Strahlbett oder Kien- 
horn (3755 m) und den Leiterspitz i3218 m). Am NW.- 
Hang liegt der Kiengletscher, am SSW. -Hang der Wein- 
gartengleUcher. am U.-Hang einer der zahlreichen Arme 
des mächtigen Feeglelschers. Erste Ersteigung 1802 durch 
die Alpinisten J. Llewelyn Davies und J. W. Hayward mit 
Joh. und Stephan Taugwalder und Jos. Sommermatter 
von Banda her über die W. -Flanke (in 11 Stundeni. 
welcher Weg heute noch der zumeist übliche ist. Doch 
erhält der schwierige Gipfel nicht gerade häutig Besuch. 
Der Anstieg über den ungeheuer zerscharteten und sehr 
schwierigen Teufelsgrat (wie ihn die Führer nennen | 
zwischen Strahlbell und Taschhorn bildet eine Kraft- 
leistung für Liebhaber gefährlicher Hochgebirgatouren 
und ist zum erstenmal 1887 von dem berühmten Berg- 
steiger A. F. Mummery mit seiner Frau, Alei. Burgener 
und einem Träger ausgeführt worden, wobei die Traver- 
sierung des Grates allein 12 Stunden in Anspruch nahm. 
Der Berg wird auch von Saas Fee her über den Feeglet- 
scher und das Domjoch oder das Mischabeljoch bestiegen. 
Der Gipfel wurde früher mit dem Namen Lagerhorn oder 
Lagerhorn bezeichnet. 

Tjeschliberq (Kt. Thurgau, Bez. Arbon, Gem. 
Egnach). 400 m. Gruppe von 4 Häusern, 4 km s. der Sta- 
tion Egnach der Linie Rorschach-Romanshorn. 23 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Egnach. Wiesen- und Obstbau. 

T/ESCHLISMAU8EN (Kl. St. Gallen, Bez. Tablat. 
Gem. Häggenswil). 593 m. Gruppe von 4 Häusern auf 
fruchtbarer Hochfläche und von Wiesen und Obstbäumen 
umrahmt ; 1 km s. Häggenswil und 6 km nw. der Station 
Mörswil der Linie St. Gsllen-Borschach. 28 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Häggenswil. Viehzucht. Stickerei. 

T HETSCHBACH ( Kt. Obwajden). 2600- 1050m. Rechts- 
seitiger Zulluss der Engelberger Aa, in die er 2 km so. 
Engelberg mündet. Trägt zuerst den Namen Faulwasser 
und sammelt die Schmelzwasser des Griessengletachers. 
um sich dann zwischen Hahnen und Statziberg auf eine 
Länge von 4 km nach SW. zu wenden. Bildet den pracht- 
vollen Tätschbachfall. 

TCUBCHEN (DIE ZWEI WEI8SEN) (Kt. Bern. 
Amtsbei. lnterlaken). Zwei Firnflecken am NW. -Hang 
des Schreckhorns, die von Gottlieb Studer auch < Die 
verdammten Seelen » genannt werden. Vergl. die Art. 
Schreckhorn und Seemen (Die verdammten). 

täuffelEN {Kt. Bern. Amtsbez. Nidau). 475 m. 
Gem. und Pfarrdorf auf einer Hochfläche rechts über dem 
ßielersee. 10 km sw. vom Bahnhof Biel. Postbureau, Tele- 
graph, Telephon ; Postwagen nach Biel, Ins und Aarberg. 




Taurteleu vun Südwesten. 

Gemeinde, mit Geroltingen : 128 Häuser, 943 reform. Ew. ; 
Dorf: 79 Hauser, 'A4 Ew. Acker- und Obstbau. Zwei 
Fabriken von Uhrenteilen. Die Gemeinde wird von der 
grossen Strasse Biel-Erlach durchzogen. Zahlreiche Funde 



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TiEU 



TAG 



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aus der Römerzeit. Im Wald «uf dem iloclistratz sieht 
man Spuren einer Romerstrasse. Der Ort gehörte bis 
1476 den Grafen von Neuenbürg und kam dann an die 
Herrschaft Kr lach. Die 1778 erbaute schöne 
Kirche ist 1883 restauriert worden. Grosse 
Feuersbrunst 1836. Am Seeufer Pfahlbauten 
aus der Stein- und Bronzezeit. 1178 und 1191 : 
TutTeres — TufTgruhen. 

T/EUSI (Kt. Zürich. Bez. Hinwil, Gem. 
Rüti). 490 m. Gruppe von 4 Ilausern. 1 km so. 
der Station Rüti der Linie Zürich-L'sler- 
Rapperswil. 26 reform. Kw. Kirchgemeinde 
Rüti. Wiesenbau. 

TAFELEI (Kt. Bern. Amtshez. Aarwan- 
gen, Gem. Roggwil). 454 m. Gruppe von 5 
Häusern. 250 m s. der Station Roggwil der 
Linie Olten-Rern. 45 reform. Ew. Kirchge- 
meinde Roggwil. In der Nähe die grosse 
Farbweberei Brunnmatt. 

TAFERNA, TAFERNABACH oder 

tafersbach (Kt. Freiburg. Bez. Sense). 
Linksseitiger Zutluss der Sense; entsteht aus 
zwei Quellarmen, deren einer bei Lustorf 
(657 m) und deren anderer bei Wiler (685 m) 
entspringt und die sich zwischen Tafers und Rohr (650 ml 
vereinigen. Von hier an wendet sich der Tafersbach nacti 
<>.. umzieht die Höhe des Rohrholzes, erhält • Im 
Schrick » den von Im Schlatt kommenden Seelibach und 
biegt dann bis Zirkels nach N. ab, um durch diesen Hügel 
neuerdings ostwärts und nordostwarts abgelenkt zu wer- 
den, worauf die Laufrichtung von Muhlethal bis zur Mün- 
dung unterhalb Flamatt (530 mi NU. wird. Oer Tafers- 
bach sammelt den grösseren Teil der Gewässer des untern 
Sensebezirkes und erhält von rechts den Seelibach mit 
dem Weissenbach, Junkerbach und Bennewilbach. bei 
Tüzishaus den Taubelenbach mit dem Wild-, Lettiswil- 
und Menzishausbach, den aus den Mooren von Alhligen 
kommenden Ledenbach, den « In der Krummatt » mun- 
denden Niedermettlenbach und nahe der eigenen Mün- 
dung den Flamaltbach von Bereli her; von linka den 
Moosweidlibach, Lanthenbach, Schmittenbach und Bai- 
singejibach. Der Tafersbach durchzieht eine fruchtbare 
und gut angebaute Landschaft und tliesst zuweilen durch 
malerische Waldthälchen, « Graben » Benannt. Der fisch- 
reiche Bach treibt viele industrielle Werke, wie Mühlen 
und Sägen (Gagenmühle, Mühlerain. Mühlethal und 
Flamatt). 15,7 km lang ; mittleres Gefälle 8,7 " 

TAFERS, französisch Tavel (Kt. Freiburg, Bez. 
Sense). 648 m. Gem. und Pfarrdorf, an der Strasse 
Schwarzenburg-Freiburg und 5 km nö. Preiburg. Post- 
bureau. Telegraph. Telephon ; Postwagen Freiburg-Plaf- 
feien und Alterswil- Laupen. Gemeinde, mit Eichmalte, 
Galterngraben, Juchholz, Landprat. I-aogebitzen, Maggen- 
berg, Menziawil, Mutlacker, Obermühlethal. Rohr, Hintere 
und Vordere Tann, Wileracker: 115 Häuser, 964 Ew. (wo- 
von 32 Reformierte) deutscher Zunge; Dorf: 26 Häuser, 
324 Ew. Acker- und Obstbau, Viehzucht. Hauptort des 
Sensebezirkes; Sitz des Statthalters, des Bezirksgerichtes, 
der Bezirksbehörden ; Friedensrichter. Bezirkskranken- 
haus. Waisenhaus. Krankenkasse. Bezirks- und Haus- 
lialtiingsschule. Vom Bischof Bernhard von Lenzburg 
1789 geweihte schone Kirche zu St. Martin, deren Decke 
mit Fresken des Freiburger Malers Gottfried Locher 
(1730-1795) geschmückt ist. St. Jakobskapelle, in der 
sich einst allj; ihrlich am 25. Juli im Wnllfahrtskleid alle 
diejenigen zu versammeln pflegten, die die Reise nach 
Santiago di Compostela in Spanien gemacht hatten. 
Verschiedene weitere Kapellen in den zur Gemeinde ge- 
hörenden Weilern. Burgruine Maggenberg. Die Pfarrei 
ist sehr alt. Peter von Corbieres hess hier eine 1453 der 
h. Maria Magdalena geweihte Kapelle erbauen, deren 
Palrun dann zu unbestimmbarer Zeit der h. Martin wurde. 
Von der früher bin zur Saanc in Freiburg reichenden 
Pfarrei löste man 1511 La Planche und die Maigraugeab, 
um sie der Johanniterkomthurei iu Freiburg zuzuteilen. 
Die Kollatur gehörte ursprünglich den Herren von Maggen- 
berg, die sie an die Felga verkauften; von diesen kam sie 
an die Johanniterkomthurei und später zum Domkapitel 
St. Niklaus in Freiburg. Das Dorf Tafers ist oft der 
Schauplatz von Kämpfen zwischen Kreiburgern und Ber- 



nern gewesen, so namentlich im 15. Jahrhundert. Im 
März 1448 wurden die unter dem österreichischen Haupt- 
mann Ludwig Meyer von einem Raubzug nach Schwarzen- 













1 









Tafor» von \Vs<loo. 

bürg mit Beute beladen heimkehrenden Freiburger aul 
der Neumatte bei Tafers von den Bernern überfallen und 
in die Flucht gejagt, welchen Streitigkeilen dann der 
Friede von Murten (16. Juli 14481 ein Ende machte. In 
der Nähe hat man einige Alemahnengräber aufgedeckt. 
1150 : Tabernae. 

TAFFLCTCN (Kt. Zürich. Bez. Hinwil, Gem. Bubi- 
kon) 524 m. Gruppe von 5 Häusern, 500 m n. der Station 
Bubikon der Linie Zürich-l'ster-Happerswil. 27 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Bubikon. Wiesenbau. 

TAFLET EN (OBER Und UNTER) (Kt. Schwyz). 

Bez. March, Gem. Reichenburg). 470-600 in. 20 zerstreut 
gelegene Hauser. auf einem Ausläufer des Austock (1406 m) 
und 1,5 km w. der Station Reichenburg der Linie Zürich- 
Wadenswil-Glarus. 92 kathol Ew. Kirchgemeinde Reichen- 
burg. Acker- und Obstbau, Viehzucht. Die Ober Talleten 
tragende Anhöhe beherrscht die Strasse und Bahn von 
Zürich nach Glarus, sowie die Gegenden der March, des 
Gaster und Ricken, so dass hier seil einigen Jahren be- 
deutende Befestigungsarbeiten angelegt wurden, die von , 
den Genietruppen jedes Jahr erweitert werden. 

Tagelswanqen (Kt. Zürich, Bez. Präffikon.Gem. 
Lindau). 523 m. .Gemeindeableilung und Dorf; 1,5 km 
w. der Station EfTretikon der Linie Zürich • Winterthur. 
Telephon. 50 Häuser, 332 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Lindau. Landwirtschaft. Eine Seidenzwirnerei mit 100 
Arbeitern , Schuhwarenfabrik mit 40 Arbeitern. 1869 
gründete der Menschenfreund Kaspar Appenzeller in 
Tageiswangen eine Erziehungsanstalt für Mädchen im 
Alter von 14 bis 20 Jahren, die mit Hausarbeiten und 
Seidenzwirnen beschäftigt werden. Die Chronik von 
Stumpf berichtet von einer Burg, die angeblich in der 
Herdien zwischen TageUwangen und Lindau gestanden 
habe. Die Winterthurer Bürger dieses Namens waren 
nicht ritlerbürtig. Alemanncnsiedelung. 745 : Tekilin- 
wanc _. Wang des Tekilin. 

tagenstaualp I Kt. Obwalden, Gem. Engelbeigi. 
1590 m. Alpweide am ziemlich steilen Weissberg, 3 km 
sö. Engelberg. Wird während etwas mehr als 3 Monaten 
mit 40 Kühen bestoasen. 

taqgenbfrq (Kt. Zürich. Bez. Winterthur, Gem. 
Wülflingen). 489 m. Gruppe von 5 Häusern am Taggen- 
berg (512 m). 2 km n. der Station Wülllingen der Linie 
Winterthur- Bulach. 30 zur Mehrzahl reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Wülllingen. Wiesenbau. 

TAGHORN I Kl. Uli). Gipfel. S. den Art. Fklli- 
BORK. 

tagstein inieder und OBER) (Kt. Graubün- 
den, Bez. Heinzenberg, Kreis Thusis, Gem. Masein und 
Thusisl. 852 und 1 120 m. Zwei Burgruinen im Domleschg. 
Ober Tagslein steht an dem der Nolla zugewendeten N.- 
Hang des Piz Beverin ; Unter Tagslein 500 m w. vom 
Dort Masein und 1 km Thusis. Ober Tagstein scheint in 
der Geschichte keine Rolle gespielt zu haben und besteht 
heute bloss noch aus einigen Mauerresten. Burg Nieder 
Tagstein wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderts von 



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752 



TAG 



TAI 



einem gewissen Capol erbaut, wechselte häufig den Be- 
sitzer und gehört heute einem Zweig des Geschlechtes 
der Planta. 

taqweidlikopf (Kt, St. Gallen. Bez. Sargana). 
2275 m. Felikopf im nö. Teil der Grauen Hurner, auf 
dem das Thal des Yaplonabaches im N. begrenzenden 
Grat. Steht unmittelbar ö. über dem Wangserseeli und 
füllt mit einer steilen Felswand südwärts zur Lasaalp ab. 
Er kann von Valens aus in 3 ' . Stunden bestiegen wer- 
den und bietet eine schöne Aussicht, namentlich auf die 
Grauen Hörner und die Vorarlbergeralpen. 

TAI LLA , TAILLE, TA I LLAT, T AI LLAZ, TA I L- 

LET, TAILLIERE8 etc. Häufige Ortsnamen der 
französischen Schweiz, bezeichnen einen Holzsohlag in 
mit Unterholz (taillis) bestandenem Gelände. 

TAiLLAT (LA) (Kt. Wallis, Dez. Saint Maurice, Gem. 
Salvan). 740 m. Alter Bauerohof mit einigen Heusta- 
deln, in einer Lichtung des untern Bois Brüle" und 
rechts vom Trient oberhalb der grossen Schlucht. Glanz- 
schiefer. 

taillaz (LA) (Kl. Waadt, Bez. Aigle, Gem. Ollon). 
1631 m. Alpweide mit Hütte, am N.-Hang der Pointe 
d'Arpille (1986 m) und 20 Minuten nö. vom Col de la 
Croix. Triadische Rauhwacke. Von Ormont Dessus um- 
rahmte Exklave der Gemeinde Ollon. 

TAILLAZ (LA) (Kt. Waadt, Bez. Aubonne, Gem. 
Biere und Saint Livres). 685 m. Gruppe von 7 Häusern, 
am linksseitigen Gehänge des Thaies der Aubonne und 
an der Strasse Biere - Saint Livres - Morges; 2,4 km ö. 
Biere und 13 km ö. der Station Biere der Linie Morges- 
Anples-Bicre. •*) reform. Ew. Kirchgemeinde Biere. Land- 
wirtschaft. 

TAILLE (LA) (Kt. Wallis, Bez. Siders, Gem. Ayerf. 
1500 m. Maiensasse am Fuss der Felsen von Nava, rechts 
über der Navizance und dem Weg des Eillschthales zwi- 
schen Quimet und Mission. 

TAILLE 8 (FRETE8 OES ) oder PLAN 8 AYA 
(Kt. Waadt, Bez. Aigle, Gem. Ollon). Maiensisse mit 
einiuen Waldpar/ellen an den Gehängen nw. über Che- 
sieres. Die einzelnen Weiden tragen die Namen La Com- 
baz, Lea Plans, Cornuit, Crltex, Vuarin, Margueronnea, 
Biondet, La Truche etc. Das Gebiet wird vom Fussweg 
Les Kcovets-La Berboleuse-Col d'Argnaulaz schräg durch- 
zogen. 

TAILLET (Kt. Wallis, Bez. Martinach, Gem. Rid- 
de»). 1530 m. Maiensässe 3 km s. vom Dorf Isörables, 
am Fuss der FonH Verte und der FonHdes Etablons. Etwa 
40 über dem linken Ufer der Fare zerstreut gelegene Hüt- 
ten. 

tailleres (LAC des) (Kt. Neuenburg, Bez. Le 
Locle). 1042 rn. Kleiner See im llochthal von La Brevine, 




Lac d«« TailK-r«« von Nordo*t«n. 

n. vom Weiler Lea Tailleres und 3 km sw. La Brevine. 
Friert im Winter sehr früh zu und wird dann von zahl- 
reichen Schlittschuhläufern belebt. Beherbergt Schleien, 



Barsche und schöne Hechte. Das Fischrecht gehört sieben 
Familien Matthev au* La Brenne. Der See ist 1,6 km lang 
und im Mittel 175 m breit; er hat eine maximale Tiefe 
von bloss 7 m und eine mittlere Tiefe von etwa 4 m, was 
ihm ein Wasservolumen von 1 200000 m* (bei Mittel- 
wasserstand) gibt. Der kleine See fliesat durch einen 
nahezu in der Mitte der Länge und nahe dem SO. -Ufer 
gegenüber der tiefsten Stelle gelegenen Trichter (empo- 
sieu ) unterirdisch ab und hat daher ein sehr stark 
schwankendes Niveau. Das in diesen Abzugskanal stür- 
zende Wasser wird am Moulin du Lac von einer Sägerei 
benutzt, die hier am Boden einer gegen das Val de Tra- 
vera sich wendenden Felsspalte eine Turbine eingerichtet 
hat. Wie ein am 7. September 1900 ausgeführter Fär- 
bungaversuch zeigt, tritt das Wasser des Sees in der 
Areusequelle (La Doux) in Saint Sulpice wieder zu Tage; 
das in den Kanal der Wasaerfassung geschüttete Fluorea- 
zein ist damals am 20. September, d. n. nach 12 V» l agen . 
in der Areusequelle zum Vorschein gekommen. Bei Hoch- 
wasser (z. B. nach einem starken Gewitter) aber legt das 
Wasser diesen »einen Weg weit schneller, d. h. schon in 
12 Stunden zurück. Wie der Lac des Tailleres iliesaen 
auch alle übrigen Wasser dea Hochthaies von l.a Brevine 
zur Areuse ab. Seitdem der einst wahrscheinlich in den 
See mündende Ruisseau des Placettea zum Trichter von 
L'Anneta abgelenkt worden ist, bilden nun einige Ent- 
wässerungskanäle die einzigen Zuflüsse des Sees. Dieser 
letztere verdankt seine Entstehung der Verstopfung seine» 
ursprünglichen unterirdischen Ablaufkanales durch Mo- 
ränenmaterial, wie man solches am ganzen SO. -Ufer be- 
obachten kann. Dieser natürliche Damm hat den See- 
spiegel bis zur Hohe des gegenwärtigen Oberlaufes 
aufgestaut, während die Seewanne früher eine Thalfurche 
dargestellt haben muss, an deren tiefstem Punkt der Ab- 
llusstrichler lag. Neben dem Moränenmalerial besteht 
das SO. -Ufer des Sees aus verkehrt gelagerten Port- 
land- und Valangienkalken, während am NW. -Ufer Mo- 
lasse und Hautermen anstehen. Nach aehr starken Re- 
gengüssen vermag der Trichter beim Moulin du Lac 
nicht mehr alles Wasser abzuführen, so dasa er sich in 
eine Quelle verwandelt, die ihr Wasser mit starkem 
Schwall dem See zuführt. Man trägt sich heute mit dem 
Gedanken, den Seespiegel beträchtlich zu erhöhen, wo- 
mit man eine bedeutendere Wasserkraft erhalten würde 
und die Wasserführung der Areusequelle regelmässiger 
zu gestalten hofn. Nach den Aussagen der Umwohner 
soll der Lac des Tailleres zu Beginn des 17. Jahrhunderts 
durch plötzlichen Einbruch dea Bodens entstanden sein 
und soll man auf dem Seegrund noch die Baumslrünke 
des hier einst stehenden Waldes erkennen können. 
tailleres (les) (Kt. Neuenburg, Bex. Le 
Locle, Gem. La BreVine). 1052 m. Gemein- 
dcabteilung und Hausergruppe im Hoch- 
thal von La Brevine, an der Strasse La Bo- 
vine- Les Verrierea; 1,5 km ö. der Landes- 
grenze gegen Frankreich, 300 m n. vom Lac 
des Tailleres und 3,5 km sw. La Brevine. Post- 
ablage, Telegraph, Telephon; Postwagen La 
Brevine - Les Verrieres. 58 Häuser, 290 reform. 
Ew. Kirchgemeinde La Brevine. Viehzucht. 

TAINIERMORN oder TAMtCRHOR N 
(Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 3090 m. Gipfel 
auf Her Landesgrenze gegen Italien, in der 
das Formazzathal vom Val Bavona trennenden 
Kette; zwischen dem Tainicr- oder Tamier- 
pass 1 2820 m) und dem Antabbiapass (3047 m), 
von welchem her er in Stunde erstiegen 
werden kann. Erste bekannte Ersteigung 1878. 
Sehr schöne Aussicht, die aber doch derjeni- 
gen vom benachbarten Basodino l327o m> 
nachsteht. 

TAINIERPA88 oder TAMIERPASS 

(Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 2820 m. Pass- 
übergang in der das Formazzathal vom Val 
Bavona trennenden Grenzkette gegen Italien, 
300 m n. vom Pixzo della MedoTa (2963 m> 
und s. unter dem Tainierhorn (3090 m) im 
Stock des Basodino (3276 m). Hinten über dem Antab- 
biaglelscher. Verbindet San Carlo im Bavonalhal in 9 
Stunden mit dem Val Antabbia und Frutlwahl im For- 



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TAI 



TAM 



753 



mazzalhal (dem obern Abschnitt des italienischen Val 
Antigorio). Nur selten begangen. 

TüRtCHE Kt Dem, Amsbez. und Gem. Oelsberg). 
775 m. Bewaldete Anhöhe, a. der Haute Borne und durch 
den Sennberg der Combe Gentie Pran von dieser ge- 
trennt. 3,8 km nw. D«liberg. 

TAI S E J EU R8 ( Kt. W'aadt, Bez. Pays d'Enhaut, 
Gem. Chäteau d'Oex). Hütten. S. den Art. Teisejocuhs. 

TALKIN ( Kt. Graubünden, Bez. Unter Landquart, 
Kreis Fünf Dörfer, Gem. Trimmis). 909 m. Maiensäsa mit 
8 Ställen und Hütten, am NW.- Hang des Montalin und 
1,5 km sö. Trimmis. 

TALEN < Kt. Bern, Amtsbez. Aarwangen, Gem. Gon- 
diswil). 675 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km n. Gondis- 
wil und 5 km nw. der Station Hfiswil der Linie Langen- 
thal- Wolhusen. 29 reform. Ew. Kirchgemeinde Melchnau. 
Landwirtschaft. 

TALENT (Kt. Waadt, Bez. Lausanne, Echallens und 
Orbe). Rechtssertiger Zuftuss der Orbe im westl. Gros de 
Vaud, d. h. dem zentralen Abschnitt des Kantons. Der 
Talent entspringt in den Waldungen des mittlem Jorat 
in 900 m Hohe, nahe den Quellen der ebenfalls dem Gros 
de Vaud angehörenden Mentue und 2,5 km nö. des Chalet 
ä Gobet. Der Bach beschreibt bis zum Droit de Froide- 
ville einige Krümmungen und erhält mehrere Neben- 
arme, deren einer vom Chalet ä Gobet herkommt, um 
dann von Froideville an sich nach W. zu wenden, in 
malerischem Tobel unter den Mauern der ehemaligen 
Abtei Monlherond vorbeizufliessen, bei Bretigny sur Mor- 
rens nach N. und bei Echallens neuerdings nach W. ab- 
zubiegen. Am Fuss des Schlosses von Saint Barthelemy 
wendet sich der Talent wiederum nordwärts, welche 
Richtung er bis nahe Chavornay beibehält, worauf er in 
nö. und zuletzt nordl. gerichtetem Lauf der Orbe zufliesst. 
Rechts vom Talent liegen Froideville, Bretigny sur Mur- 
rens. Bottens, Poliez le Grand. Saint Barthelemy, Ecla- 
gnens. Goumoens le Joux und Chavornay; links dagegen 
Cugy, Morrens, Malapalud, Echallens, Bretigny, Bettens, 
OuTens und Bavois. Der kleine Fluss ist bis Chavornay, 
wo er in die Ebene der Ürbe eintritt, meist tief eingesenkt 
(mit Ausnahme der Strecke Echallens-Saint Barthelemy) 
und immer stark gekrümmt. Nördl. Goumoens hat er 
sich bis zum Neokom hinunter eingeschnitten, das auf 
eine Strecke von 1,5 km zu tage tritt und von Eozän 
überlagert wird, auf welches nach oben die oligozane rote 
Molasse folgt. In der Orbeebene, wo er kanalisiert ist, 
bildet er zunächst eine flache Kurve, um dann in gerad- 
linig gezogenem Bett der Mündung entgegen zu messen. 
Die heutige Mündung in die Orbe liegt in HO m Höhe 
3 km nö. vom Städtchen Orbe, während sie sich früher 
1 km tiefer unten befand. 800 m oberhalb der Mündung 
vereinigt sich der Talent mit dem ihm bo 
ziemlich ebenbürtigen Nozon, und noch etwas 
weiter flussaufwärts kreuzt er den an dieser 
Stelle nahezu trocken liegenden ehemaligen 
Kanal von Entreroches. Der Flusslauf lässt sich 
in 3 Abschnitte zerlegen: Oberlauf bis La Ro- 
bellaz(618m) nahe Echallens mit einer Länge 
von 15 km und einem Gefälle von 19°/ TO ; 14 km 
langer Mittellauf von La Bohellaz bis Chavor- 
nay (448 m) mit einem Gefälle von 12 °/ M ; 
Unterlauf von Chavornay bis zur Mündung 
mit einer Lange von 5 km und einem Gefalle 
von t,6%o. Gesamtlänge 34 km. Das etwa 63 
km- messende Einzugsgebiet (ezkl. Nozon) 
umfasst im allgemeinen einen ziemlich un- 
durchlässigen Boden. Der Talent ist nicht 
nur der bedeutendste, sondern auch der am 
meisten den Charakter eines Wildbaches tra- 
gende NebenllusH der Orbe und hat die 
Ebene schon vielfach unter Wasser gesetzt. 
Während er zeitweise bloss 1-2 m 3 Wasser 
in der Sekunde führt, kann die Wassermenge 
bei der Schneeschmelze oder nach starken 
Regengüssen bis auf 80 und sogar 100 m 3 
pro Sekunde anschwellen. Um den verheeren- 
den Folgen solcher Hochwasser vorzubeugen, 
hat man in letzter Zeit Verbauungs- und Korrektionsar- 
beilen ausgeführt, die sich bis Goumoens le Joux hinauf 
erstrecken. Die Nebenadern dea Talent sind alle klein 



und kaum länger als 2-3 km. Erwähnenswert sind : die 
Mortigue (von links) bei Saint Barthelemy (Bretigny) und 
gegenüber der unbedeutende Bach von Les Nazots, sowie 
nahe der eigenen Mündung der Nozon. Der Talent treibt 
10 Mühlen und 6 Sägen, worunter die Säge von Monthe- 
rond und die Mühlen von Cugy und Chavornay. Er wird 
von 32 Brücken überschritten, worunter 2 für die Eisen- 
bahn, 15 für Strassen und 15 für Neben- und Fuss- 
wege. Der ehemals auch Tela oder Thela geheissene Ta- 
lent hat der Thiele ihren Namen gegeben. Vergl. auch 
die Art. Orbe. 

TALLE NB ACH (Kt. und Amt Luzern.Gem. Adligens- 
wil). 629 m. Gruppe von 3 Häusern, 1 km nö. Adligens- 
wil und 7 km no. Luzern. 22 kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Adligenswil. Obstbau, Viehzucht und Milchwirtschaft. 

TALPI (Kt. Aargau. Bez. und Gem. Zofingen). 4-43 m. 
Gruppe von 6 Häusern 500 m n. der Station Zoflngen der 
Linie Luzern-Olten. 57 reform. Ew. Kirchgemeinde Zo- 
flngen. Hier steht auf einer das Wiggerthal beherrschen- 
den schönen Terrasse der von Leren gestiftete Bezirks- 
spital. 

TALSCHIENHORN oder THALSCHIENHORN 

(Kt. Bern und Wallis). 3023 m. Gipfel in dem den Ober- 
aarglelscher vom Goms trennenden Kamm, zwischen dem 
Löffelhorn (3098 m)und den Kossenhornern (3115m). Vom 
Löffelhorn durch den Talschienpass und von den Bossen- 
hörnern durch das Bossenjoch getrennt. Kann von Mün- 
ster aus über den Talschienpass in 5 V« Stunden un- 
schwierig bestiegen werden. 

TALSCHIENPASS oder THALSCHI EN PA SS 
(Kt. Bern und Wallis). 2931 m. Passübergang in dem den 
Oberaargletscher vom Goms trennenden Hamm, zwischen 
dem Talschienhorn (3023 m) und dem Löffelhorn (3098 m ). 
Verbindet Münster mit dem Oberaargletscher und dem 
Oberaarjoch (Münster-Passhöhe 5 Stunden). Ohne beson- 
dere Schwierigkeiten, aber nur selten begangen. Auf der 
Siegfriedkarte unbenannt. 

TALVANGAS (Kt. Graubünden, Bez. Albula, Kreis 
Oberhalbstein, Gem. Präsanz). 1483 m. Alpweide mit 
8 Hütten und Ställen, am linksseitigen Gehänge des 
Oberhalbstein und 1 km a. Präsanz. 

TA M AN G U R DADAINT und TAMANOUR DA- 
DORA (Kt. Graubünden, Bez. Inn, Kreis Unlertasna. 
Gem. Schuh i. 2135-2I20 m. Alpweide am rechtsseitigen 
Gehänge des Scarlthales, am N - und W.-Fuss des l'iz 
Murtera und etwa 16 km ssö. Schuls. Schöner Arvenwald. 

TAMAR Oder TAM ARO (MONTE) (Kt Tessin. 
Bez. Locarno und Lugano). 1966 m. Einer der schönsten 
Berge im Tessin ; sw. über der Senke des Monte Ceneri 
und in der Kette, die sich vom Camoghe I2232 m) nach 
SW. abzweigt nnd am Monte Ceneri auf 554 m erniedrigt, 




Monte Tamaro von Indemini her. 

um dann den Monte Tamaro zu bilden, der den Langen- 
see und den ganzen SW. Abschnitt dea Kantons be- 
herrscht. Von hier biegen zwei Aeste aus, deren einer dem 

236 - ükoüR. lex. V. - 48. 



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754 



TA.M 



TAM 



linken l Ter des Langensees entlang zieht, in der Schweiz 
den Monte Gambarogno (1734 tn) und den Pagliooe 
(1558 m , »owie auf italieniachetn Roden den Borgoa (mit 
dem idylliitchen kleinen Kgliosee) trägt und über Macca- 

&no endigt, während der andere mit den Gipfeln dea 
reno (1658 m), Lema (1037 ml und Rogoria (1184 m) 
die Landesgrenze gegen Italien bildet und bis zum Yal 
Tresa nach SSW. zieht. Von der imposanten Glimmer- 
schieferpvramide des Monte Tamara strahlen vier kleine 
Thäler aus; nach SW. das interessante Yal Vedasca mit 



siner Regierung mit Bundeshilfe die Steilhänge mancher- 
orts mit Tannen. Lärchen etc. aufgeforstet. Die Gipfel- 
pyramide des Tamara entbehrt des Raumwuchses 
vollständig, zeigt dafür aber einen dichten Rasenteppich 
mit reicher Alpenflora, so dass das auf den Alpen am 
S.-llang (Montoia, Canigioli, Cuselloi gesommerte Vieb 
bis zu oberst hinauf weiden kann. Aufstieg von der 
Station Rivera-Rironico der Gotthardbahn in 5, von der 
Station Magadino-Vira der Linie Bellinzona-Locarno- 
er Gotlhardbahn in 5 Vj und von Indemini, dem 




1:150 000 



dem Wildbach Giona. das 14 km Uns ist und bei 
gno zum Langensee ausmündet ; nach NO. das steile Val 
Trodo, dessen Wildbach bei Quartina von links sich mit 
dem Tessin vereinigt: nach NW. das gegenüber Locarno 
aich öffnende Val de Vira und nach SW. das 5,5 km lange 
Val Cusello, das bei Sigirino mündet und dessen starke 
Quellen die Sladt Lugano mit Trinkwasser versorgen. 
Die einst bis nahe zum Gipfel hinauf dicht bewaldeten 
Gehänge des Berges sind Im 18. und der ersten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts stark abgeholzt worden, womit auch 
der hier nicht selten auftretende und eifrig gejagte Bär 
verschwunden ist. Heute linden wir am N.-Hang bis 
750 m und am S.-Hang bis 850 und sogar 950 m hinauf 
zahlreiche Kastanienselven. Höher oben folgt die bis 
1600 m steigende Ruche im Verein mit der rost blätterigen 
Alpenrose (die an der N. -Flanke bis zum See hinunter 
geht), der Alnu* incana und A. viridis, sowie mit f.'ory- 
lus airtUma, Sarothamnu* tcojiariu*. Pterit oom/iria, 
Jumpsrus communis und Cattuna vulgaris, die sich auf 
den schonen und zahlreichen Alpweiden der Rergflanken 
breit machen. Nadelhölzer sind selten ; doch hat - 



einzigen Schweizerdorf im Vedascathal, in 3 V. oiu 
Prachtvolle Rundsicht auf das untere Tessinthal, einen 
Teil des Verzasca-, Maggia- und Onsernonethales. den 
Langensee bis zu den Borromäischen Inaein, den Luga- 
nersee und die lombardische Tiefebene bis Mailand. 

TA MATTEN (Kt. Wallis, Bez. Visp. Gem. Saas Im 
Grund und Halen). 1550 in. Weiler im Saasthal, mit 23 
am linken Cfer des Triftbaches und am rechten Ufer der 
Saaser Visp zerstreut gelegenen Häusern, 1 km n. Im 
Grund. 99 kathol. Ew. Kapelle. Rektorat Balen-Tamatten 
der Pfarrei Saas. 

TAMBOALP (Kt. Graubünden, Bez. Hinterrhein. 
Kreis Bheinwald, Gem. Splügen). 2031 m. Alpweide am 
NO. -Hang des Tambohorns und tn einem rechtsseitigen 
Nebenthiilchen des Rheinwald. 

TtMBOQLETSCHER (Kt Graubünden, Bez.Hinter- 
rhein). 3200-2350 m. Groaser Gletscher zwischen dem 
Tambohorn. Lattenhorn und den Gräten am Areuepai-s. 
Senkt sich in NO.-Hichtung zum Hochthälchen der Tambo- 
alp hinab. Grosste Länge etwa 1,7 km. Breite in der Mitte 
1.3 km. Der Gletacherabfluas strömt durch die wilde, fels- 



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TAM 



TAM 



755 



gestufte Moränen-, Trümmer- und Rundhockerlandschaft 
« Knorren ■ und die Tamboalp (2031 m i und ergiesat «ich. 
von Bächen der W.-Seite verstärkt, ö. Medela von rechts 
in den Hinterrhein. 

TAMBOHORN oder PIZZO TAM BO (Kt. Grau- 
bünden, Bez. Moesa und Hinlerrhein). 3276 m. Haupter- 
hebung im Liromassiv der Adulagruppe, zwischen dem 
Bernhardinpass-Misox einerseits und dem Splügenpass- 
Giacomo(oder Liro -Thal andrerseila ; 5,5 km so. über 
Nufenen im Bheinwald und auf der Landesgrenze gegen 
Italien. Im W. senkt sich Val Curciusa-Areuethal. das 
sich gleich unterhalb Nufenen von S. her 
öffnet, im O. das Splügenpassthal. im N. das 
Thalchen der Tamboalp, dessen Bach unter- 
halb Medels im Rheinwald in den Hinterrhein 
mündet, und der Areuepasa (2500 m), der au* 
der Tamboalp ins Areuethal hinüberleitet. In 
der meridional gerichteten Kette des Tambo- 
horns ragen gegen das Rheinwald hin der 
Guggernüll (2887 m). an der Grenze gegen 
das italienische Lirotha) hin der Pizzo dl Val 
Loga (3072 m). l'izzo Terre (3099 m) und l'izzo 
dei Piani (3158 m) auf, während der zum 
Splügenpassthal hinstrebende kurze Grenzkamm 
mit dem l^ltenhorn (2861 m) NU.- Richtung 
aufweist. Das grosste Eisfeld des gewaltigen 
Bergstockes liegt im NU. gegen die Tamboalp 
hin. Das Tambohorn präsentiert sich dem 
Auge des Wanderers oberhalb Sufers und dem 
Dorfe Splügen etc., imposanter noch von der 
Splügenpassimhe her. Es wird von der letztern 
weg in etwa 3 Stunden nicht schwierig 
erstiegen. Der Aufstieg erfolgt vom Berghaus 
über Alpentriften und Berghänge zum Lat- 
tenhorn, dann über Eis, schroffe Felsen, ei- 
nen Gletscherrücken und durch Gneistrümmer 
auf die Spitze. Die Aussicht ist grossartig 
uod reicht bis in die schwäbischen Gaue einer- 
seits und nach Mailand andrerseits, von wel- 
cher Stadt aus der Pizzo Tambo sichtbar ist. Das Tam- 
bohorn besteht ganz aus glimmerreichem Adulagneia 
und Glimmerschiefern, die im Adulamassiv in der 
Tiefe dem altern Antigoriogneia des grossen, fächer- 
förmigen Tessinermassivs aufruhen. Der Massivbau des 
Tambohorn» ist gewölbeartig, ähnlich dem der Adu- 
lagruppe. Das Gewölbe streicht N.-S., fallt nach N. sanft 
ab und ist im W. überliegend und über die Sedi- 
mente geschoben. Der tiefste Einschnitt des Liro- 
oder TambomassivB ist die Furche Splügenpass-Gia- 
comothal. In diesen Einschnitten in den Massivlappen 
von Gneis liegen schmale, muldenartige Sedimentstreifen 
von Triaskalken, Triasmarmor und grauen Bundnerschie- 
fern, die sich auch auf der Tamboalp und im Areuethal, 
sowie am Bernhardinpass und im Misoxerthal linden. 

TAM I ERHORN (Kt. Tessin . Bez. Valle Maggia). 
Gipfel. S. den Art. Taimerhorn. 

TAMIERPASS (Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). Pass. 
S. den Art. Taimerpass. 

TAMINA (Kt. St. Gallen, Bez. Sargansj. 2400-505 m. 
Linksseitiger Zufiuss des Rheins. Die Tamina entsteht im 
Hintergrund des Calfeisenthalesaus der Vereinigung zahl- 
reicher Bache, die von den vielen kleinen Gletscher- 
zungen herkommen, in die sich der untere Rand des 
Sardonagletschers auflöst. Als kräftiger Glelscherbach 
Iiiesst sie zunächst in ö. Richtung durch das 12 km lange, 
durch seinen Reichtum an schönen Naturazenerien aus- 
gezeichnete Calfeisenthal. Anfänglich eilt der Bach über 
einen ziemlich breiten, muldenförmigen, von den grünen 
Weiden der Sardonaalp bedeckten Thalboden dahin. 
Allein rasch engt sich der Thalgrund zu einer schmalen 
Rinne ein, aus der die felsigen Berghänge steil empor- 
steigen. Zahlreiche Seitenbäche eilen nier sowohl von S. 
aus der Ringelspitzkette, als von N. vom Muttenlhalergrat 
und den Grauen Hörnern her der Tamina zu ; doch nur 
ein einziger derselben, der vom Pizol herkommende Bach 
von Tersol, hat ein eigentliches Thal ins Gebirge einge- 
schnitten ; die übrigen sind mehr nur Runsen, die kurze 
und steile, im obern Teil oft reich verzweigte Schluchten 
in die Flvschschieferhänge eingesägt haben. Bei Vättis, 
dem einzigen in der Thalsohle liegenden Dorf, tritt die 



Tamina aus dem Calfeiaenthal heraus, vereinigt sich mit 
ihrem wichtigsten Seitenbach, dem vom KunkelspaBs 
herkommenden Görbsbach, und betritt damit das eigent- 
liche Taminathal, das zunächst, die Richtung des Kunkels- 
thales beibehaltend, sich nach NU. zieht und später zu 
fast rein nördl. Richtung umbiegt. Von Vättis bis Spina 
stellt der Thslgrund eine 2. km lange und bis 500 m breite 
Alluvialebene dar, in welche die Tamina hübsche Ero- 
sionsterrassen eingeschnitten hat An ihrem N.-Ende 
treten die Thalwände rasch zusammen, und das Thal 
wird zu einer waldigen Schlucht, die auf beiden Seiten 

- -m 



Tamios von Wösten. 

von hohen Felswänden eingefasst ist. In ihrer Sohle 
eilt der Bergbacb schäumend dahin, während das Sträu- 
chen, das von Pfiifers nsch Vättis hinaufführt, sich etwas 
höher oben am rechtsseitigen Gehänge Raum suchen 
musste. Südl. der Häusergruppe Langwies tritt der Fluas 
aus den Jura- und Kreidefelsen, in welche dieses Tobel ein- 
gesägt ist, wieder ins Gebiet der eozänen Flyschschieferein, 
womit auch die Thalgehänge wieder einen sanftem Charak- 
ter annehmen. Sie bieten Raum für wellige Wiesenterras- 
aen, über welche die Häuser von Langwies, Vason und Va- 
dura hingestreut sind. Doch kurz nördl. der Einmündung 
des Muhletobels, östl. unter der Terrasse von Valens, treten 
die Thalwände wieder rasch zusammen, und es beginnt 
der interessanteste Teil des Taminalaufes, die Tamina- 
schlucht, eine der grossartigsten Erosionsschluchten Eu- 
ropas. Ihr wildester Teil ist ihr südlichster Abschnitt, wo 
sie eine über 100 rn tiefe und meist nur wenige Meter breite 
Spalte darstellt, in welche daa Tageslicht von oben her 
nur spärlich einzudringen vermag und in deren Tiefe der 
Fluss seine in weissen Gischt aufgelösten Wassermassen 
brüllend zwischen den Felswänden durchwälzt. An ihrer 
engsten Stelle bilden in die Schlucht hineingestürzte und 
zwischen ihren Wänden festgeklemmte Felsblöcke eine 
Naturbrücke, über welche ein Fusspfad von Valens nach 
der östl. über derSchlucht liegenden Häusergruppe Hagol 
führt. In der Tiefe der Schlucht entspringt die seit Jahr- 
hunderten bekannte heisse Quelle, der Ragaz zu einem 
guten Teil seine Bedeutung als Kur- und Fremdenort ver- 
dankt. (Vergl. die Artikel Ra«a7. und Pf^fkrs). Dass diese 
Schlucht nicht etwa eine Zerreissungsspalte der Erdkruste, 
sondern ausschliesslich das Ergebnis der Erosionsarbeit 
des Flusses ist, beweisen die zahlreichen rundlichen 
Erosionskessel, die an den dunkeln Flyschschieferwänden 
bis hoch über das heutige Flussniveau hinauf erhalten 
geblieben sind. Bei dem in die Schlucht hineingebauten 
Bad Pfäfera entfernen sich die Felswände etwas vonein- 
ander; doch bleibt das Taminathal bis zu seiner Aus- 
mündung ins Rheinthal eine wilde Schlucht, deren Sohle 
neben dem Fluss kaum noch für das Strässchen Raum 
bietet, das seil 1839 Ragiw. mit dem Rad Pfäfers verbindet. 
Nach dem Austritt aus der Schlucht (Messt die Tamina in 




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756 



TAM 



TAN 



kanalisiertem Bett über ihren flachen Schuttkegel durch 
das Dorf Ragaz und ergiesst sich nach 26 km langem 
Lauf im Niveau von 505 m dicht südl. der Eisenbahnbrucke 




Tamiotergletecher gegen die RingelipiU. 

rwischen Bagaz und Maienfeld in den Rhein. Zwischen 
Vättis und Hagaz nimmt die Tamina eine grosse Zahl von 
Seitenbächen auf. Unter den linksseitigen, aus den 
Grauen Hörnern kommenden Zuflüssen sind die wichtig- 
sten der vom Aelplikopf kommende Kreuzhach, der das 
Calvinathal durchlliessende itadeinbach und der durch 
das Mühletobel herausfliessende Vaplonabach. der eine 
Unzahl von kleinen, an den Zanayhornern und an dem 
südl. vom Wildsee sich erhebenden Felsgrat entspringen- 
den B.ichen sammelt. Alle diese Seitenbäche haben im 
Oberlauf weite, reich verästelte Erosionslhäler in das 
Flyschschiefergebirge eingeschnitten und münden durch 
enge, ungangbare Schluchten auf dasTaminathal aus. Auf 
der rechten Thalseite treffen wir nur kurze, durch steile 
Tobel herabfliessende Bunsen, da der Kamm des Calanda 
nur wenig weit von der Sohle des Taminathales entfernt 
ist und sich nordwärts rasch verflacht, so dasa das Sammel- 
gcbiet für grössere Bache fehlt. Das Einzugsgebiet der 
Tamina umfangt 147.1 km 1 , wovon 48,7 auf Fels und Schutt 
und 2,8 auf Eis und Firn, sowie 23,2 auf Wald entfallen. 
Die Wasserkraft des Flusses wird bei Bagaz zur Beleuch- 
tung der Bader und für verschiedene kleine industrielle 
Anlagen benutzt. 

TA M INS, romnn. Tt mein (Kt. Graubünden, Bez. 
Im Hoden, Kreis Trina). 684 m. Gem. und Pfarrdorf auf 
einer Terrasse am linksseitigen, nördl. Gehänge des 
Vorderrheinlhales und nahe der Vereinigung von Vorder- 
rhein und Hinterrhein. 2 km nw. der Station Reichenau 
der ßündner Oberlandbahn (Chur-Ilanz). Postbureau, 
Telephon; Postwagen Reichenau- Tamins-llanz-Flims. Ge- 
meinde, mit Pullis Yala rauscha und Reichenau : 136 
Häuser, 863 Ew. (wovon 563 Beformierte und 300 Katho- 
liken). 584 Ew. deutscher, 90 romanischer, INS italieni- 
scher (Bahnbau 1900') und 1 franzosischer Zunge. Dorf: 
126 Häuser, 692 Ew. Wiesenbau und Viehzucht. Schöne 
Pfarrkirche auf vorspringendem und weithin sichtbarem 
Hügel. Grosse Säge in Beichenau. Handel mit Lebens- 
mitteln und verschiedenen andern Produkten. Im Früh- 
jahr 1799 waren Tamina und Umgebung der Schauplatz 
verschiedener Kämpfe zwischen Oesterreichern und rran- 
zosen. welch letztere das Dorf in der Nacht vom 3. auf 
den 4. Mai in Asche legten. Verheerende Feuersbrunst 
vom 18. September 1905. In der Nähe des Lavoibaches 
hat man eine Bronzefibel vom Certosatypus aufgefunden ; 
Fund von Münzen aus der Zeit Otto des Grossen. Im 
12. Jahrhundert: Tumene; 1224:Tumines; 1399:Tamins. 
Vom rätoromanischen tumma — Hügel. Vergl. auch den 
Art. Reichenau. 

taminseh CALANDA (Kt. Graubünden, Bez. Im 



Boden), 2393 m. SW. Gipfel der Calanda kette (Tödi- oder 
Glarneralpen) zwischen dem Churer Rhein- und dem 
Kunkelslhale ; 3,5 km nw. Felsberg. Im SW. der Kunkels- 
pass (1351 m), im NO. der 2700 m hohe Fels- 
berger Calanda, im S. u. SO. das Taminser 
und Felsberger .Elpli (etwa 2000 und 2020 m). 
Der gegen Kunkel» gerichtete Abhang fällt 
steil ab. Drei Felsenrinnen, darunterdasSchnee- 
und das Bosstobel, ziehen sich vom Taminser 
Calanda in SO.-Bichtung zu den gegen Fels- 
berg gerichteten Steilwänden des Gebirges 
herab. Etwa 2 km s. des letztern liegt der 
oberste Stollen des einstigen Gold berg Werkes 
zur * Goldenen Sonne» (1312 m), wo in den 
Jahren 1809-1813 und 1856-1861 gediegenes Gold 
in Gängen von Quarz und Kalkspath in Itog- 
gerachichten der Juraformation gewonnen 
wurde. Von Felsberg auf den Gipfel des Ta- 
minserCalanda über das Felsberger .-Elpli gegen 
6 Stunden, von Tamins via Kunkelspasshohe 
5 Stunden. Hübsche Fernsicht. Die Gebirgs- 
lagerung in der Calandakette zeigt normale 
Schichtfolge. Hauptgestein des Berges ist obe- 
rer Jura oiler Malm, der NO. streicht und 
SO. einfällt; gegen den Felsberger Calanda 
(Männersattel) lagert darauf Neokomkalk der 
Kreide, während gegen Felsberg hin am Ge- 
hänge Doggerschichten und darunter Kalk-, 
Ton- und Sandachiefer dea I.ias, Roüdolomit 
und grüne Verrucanoschiefer auftreten. Der 
Malm enthält Versteinerungen >on Xrrinea, 
Cardium, Üiceras und Korallen, der Dogger Krinoi- 
den, Belemniten, f'ecten, ()$trea Mar*hi etc. An der 
< Goldenen Sonne » findet sich neben Gold schöner 
Schwefelkies und Arsenkies vor. Beide Gehängeseiten tra- 
gen erratische Blöcke und Moränenreste. 

TAMIN8ERQLETSCHER (Kt. Graubünden. Bez. 
Im Boden). 3100-2800 m. Eisfeld; reicht in einer weilen, 
wilden Felsennische von der Ringelspitz (3251 m) der 
Glarner- oder Tödialpen in sö. Richtung zur Taminser 
Alp im Augstberg herunter. Ihm entspringt der oberhalb 
Beichenau in den Vorderrhein mündende Dach des Lavoi- 
tobels. Länge etwa 700 m. Breite 900 m. In der Milte ist 
das Gletscherfeld von FelsrilTen unterbrochen : im Vorder- 
grund liegen mehren: Wälle von Seiten- und Endmoränen. 
Man treibt das Vieh im Augstberg bis in die Nähe des 
Gletschers, der von Chur aus das nächst zu erreichende 
Eisfeld ist. 

TAMONSKRALP (Kl. St. Gallen. Bez. Sargans. 
Gem. Mels). 1200-2200 m. Alpweide über dem linksseiti- 
gen Gehänge des Weiastannentlials und s. über dem 
Thälchen des Kohlschlagerbaches. 784 ha gross, wovon 
550 nutzbare Alpweide. 50 Sumpfland. 93 Wald und 41 
unproduktiver Hoden. 9 Hütten und Stille. 

TAMPACM (Kt. Luzern, Amt Willisau, Gem. Menz- 
nau). Weiler. S. den Art. Damrach. 

TAMPACH oder TANNBACH (Kt. Luzern. Amt Wil- 
lisau, Gem. Pfaffnau). 563 m. Gruppe von 8 Häusern. 2 km 
no. Pfaffnau und 6 km wsw. der Station Beiden der Linie 
Luzern-Olten. 56 kalhol. Ew. Kirchgemeinde Pfaffnau. 
Ackerbau und Viehzucht. 1184 : Tannbach. 

TAM UND (Kt. Graubünden. Bez. Unter Landquart, 
Kreis und Gem. Schiers}. 1633 m. Alpweide am W -Hang 
der Drusenfluh. Eigentum der Gemeinde Grüsch und des 
Weilers Schuders. 

TANAIRE (Kt. Wallis, Bez. Saint Maurice). Maiensaas. 
S. den Art. Centannaire. 

TANAV (Kt. Wallis. Bez. Monihey. Gem. Vouvryl. 
1420 m. Schönes Bergthälchen zwischen den die Weifer 
Miex und Flon beherrschenden Felsen im O. und dem 
Gipfel des Grammont im W- Bildet eine mehr oder weni- 
ger regelmässige Wanne von elliptischer Gestalt, in de- 
ren Sohle in 1380 m der Lac de Tanay liegt. Tanay bildet 
eine der Gemeinde Vouvry gehörende Alpweide, die zu- 
sammen mit der höher oben in 1800 m liegenden Alp 
Haut de Tanay I Looz der Siegfriedkarte) beslossen wird 
und wie diese 5 Hütten und ebensoviele Ställe zählt. 
Sommerfrische mit einem Gasthof. Im Sommer Postablage 
und Telephon. Grammoni und die übrigen das Thälchen 
umrahmenden Gipfel bieten eine prachtvolle Aussicht auf 



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TAN 



TAN 



757 



die ganze Kette vom Mont Blanc bis zum Matlerhorn und 
auf die Riesen dea Reroer Oberlandes. Von Tanav führt 
ein KiiMweg hinter dem Gratnmont durch ins 
Thal von Lovenex, nach Novel und Saint Gin- 
golph. 

TANAY (COL DK) (Kt. Wallis. Rez. Mon- 
thev). 1453 m. Passübergang zwischen dem 
Täche und dein Geteillon (auch Cheteillon 
oder Chätellon genannt ; 1795 ml. dem O. -Aus- 
läufer des Chambairy Derray (2203 m Verbin- 
det Miex in 1 s / 4 Stunden mit dem Lac de 
Tanav. Saumweg. 

TÄNAY (HAUT DK) (Kl. Wallis, Bez. 
Monthey, Gem. Vouvry). Alpweide. S. den Art. 
Hai t he Tanay. 

TANAY (LAC DK) (Kt. Wallis. Rez. Mon- 
they. Gem. Vouvry). 1380 m. 1 km langer und 
250 m breiter Alpensee, s. vom Gratnmont in 
lieblichem und malerischem Alpkessel gelegen. 
Der See erstreckt sich von 0. nach W. gegen 
den Eingang des Thälchens der Alpweide 
I.' I laut de Tanay hin. Die ihn umrahmenden 
Berge bestehen aus Jura- und Kreidekalken 
(Rote Schichten derobern Kreide). Matten und 
Tannenhorste. Der 25 ha umfassende und im 
engsten Abschnitt des Thälchens liegende See 
hat eine maximale Tiefe von 31 m und erhalt 
am W.-Ende den vom Haut de Tanav herab- 
kommenden Wildbach von Landy. Ein sicht- 
barer Ablluss ist nicht vorhanden, doch soll der 
See die weiter unten am Pubs der Felswände 
sprudelnden Ouellen speisen, die ihr Wasser nahe dem 
Weiler Klon westl. Miex dem Wildbach von Fossaux zu- 
senden. 1901 hat die • Society de« Forces Motrices de la 
Grande Eau » ob dem Dorf Vouvry ein Elektrizitätswerk 
erstellen lassen, dem das Wasser des Sees durch drei 
Stollen zugeführt wird. Stollen und Röhrenleitung haben 
zusammen eine Länge von 3650 m, und das Gefälle beträgt 
950 m. Die so gewonnene Kraft kann bis auf 10000 FS 
gesteigert werden. 

TA NC DA (Kt. Tessin, Rez. Blenio). 2670 m. Gipfel im 
Glimmerschiefer- und Gneismassiv ö. vom Val Canaria. 
zwischen Val Cadlimo im N. und Val Piora im S. Pracht- 
volle Aussicht bis zum Monte Rosa und Finsteraarhorn 
einerseits uwd znm Berninamassiv andrerseits. Aufstieg 
vom Hotel Piora am Lago Rilom in 2 l /«-3 Stunden. Die 
übrigen Gipfel des nämlichen Kammes sind die Punta 
Nera (2721 m) westlich, sowie der Corandoni (2662 m) und 
Pizzo dellT'omo (2750 m) ostlich vom Taneda. 

TANKDA (Kt. Tessin, Bez. Valle Maggia). 2321 m. 
Gipfel im Gneisgebiet des obern Val Peccia, n. über der 
Alpe di Froda. Oede Gegend mit einigen Lärchenbe- 
standen. 

TANKDA (PAS SO) (Kt Tessin, Bez. Blenio). 2525 m. 
Passübergang zwischen dem Taneda |2670 m) und der 
Punta Nera (2721 m) und am Weg auf den Taneda. Ver- 
bindet das Val Piora mit dem Val Cadlimo. 3 '/| Stunden 
über dem Hotel Piora am Lago Rilom. 

TANQWANO oder DANG WANQ (Kt. Thurgau. Bez. 
Weinfelden, Gem. Wigoliingen). 415 ra. Gruppe von 5 
Häusern in der Thurebene, 2 km n. der Station Müllheim- 
Wigoltingen der Linie Zürich- Winterlhur-Romanshorn. 
24 reform. Ew. Kirchgemeinde Wigoliingen. Acker-, 
Obst- und Wiesenbau. 

TANIAZ A LtS PA VA (Kt. Wallis, Bez. Monihey, 
Gem. Champerv). Hohle. S. den Art. BfrtKK. 

TANN i ht. Luzern, Amt Sursee, Gem. Ruswil). 640 m. 
Gruppe von 2 Häusern, 2 km sw. Ruswil und 3.5 km nö. 
der Station Wolhusen der Linie Rern-Luzern. 21 kalhol. 
Ew. Kirchgemeinde Ruswil. Ackerbau, Viehzucht und 
Milchwirtschaft. 

TANN (Kt. Luzern, Amt Sursee. Gem. Schenknn und 
Gunzwil). 666 m. Weiler auf dem Tannberg ; 4,5 km nö. 
der Station Sursee der Linie Luzern-Ollen. Postwagen 
Sursee- Münster. 10 Häuser, 65 kalhol. Ew. Kirchgemein- 
den Sursee und Munster. Ackerbau. Viehzucht und Milch- 
wirtschaft. Käserei. 

TANN (Kt. Zürich, Rez. Hinwil, Gem. Duralem 513 m. 
Gemeindeabteilung und Dorf, 1 km n. der Station Rüti 
der Linie Zurich-l'ster-Rapperswil. Poslbureau, Telephon. 



Zusammen mit ßrunnenbühl, Guldistud, Nauen, Ober- 
lann, Sandbuhl, Tannacker und Zeigacker : 176 Häuser, 




Lm da Taoay von Osten her. 

1546 reform. Ew. ; Dorf: 79 Häuser. 670 Ew. Kirchge- 
meinde Duralen. Die Bewohner des rasch anwachsenden 
Dorfes arbeiten fast alle in den grossen Slaschinenfabri- 
ken von Rüti. Die Existenz einer Burg kann nicht nach- 
gewiesen werden. 

TANNA (LA) (Kt. Freiburg, Rez. Saane, Gem. Z(L 
nauvai. 847 m. Gruppe von 6 Häusern. 1 km s. Zenauva 
und 12 km a. vom Bahnhof Freiburg. 50 kathol. Ew. fran- 
zösischer Zunge. Kirchgemeinde Praroman. Obstbau und 
Viehzucht. Strohflechterei. Der Name ist vom altfranzö- 
sischen lanna, tanne — Hohle, Balme herzuleiten. 

TANN ACKKR ( Kt. Aargau, Bez. Aarau, Gem. Muhen). 
436-497 m. 7 Höfe in einem 1,5 km langen. W.-O. ziehen- 
den und von d-r Strasse Mittel Muhen-'Rütihof durchzo- 
genen Thälchen ; 1.5 km von der Station Muhen der elek- 
trischen Suhrenthalbahn i Aarau-Schöftland ) entfernt. 45 
reform. Ew. Kirchgemeinde Entfelden. Obstbau, Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft. 

TANN ACKKR (Kt. Aargau, Bez. Zofingen, Gem. 
Murgenthal). 505 m. Gruppe von 9 Häusern, 3 km ö. der 
Station Murgenthal der Linie Olten-Bern. 62 reform. Ew. 
Kirchgemeinde Riken. Viehzucht und Milchwirtschaft. 

TANN ACKKR (Kt. Bern, Amtsbez. Fraubrunnen. 
Gem. Moosseedorf). 5K4 m. Weiler, n. vom Grauholz und 
2 km s. der Station Schönbühl der Linie Olten-Bern. 10 
Häuser, 53 reform. Ew. Kirchgemeinde Munrhenbuchsee. 
Landwirtschaft. 

TANN ACKKR (Kt. Zürich. Bez. Hinwil, Gem. Hörn- 
ten). 500 in. Kleines Dorf; 1.5 km n. der Station Rüti der 
Linie Zürich- Uster-Rapperswil. 17 Häuser, 166 reform. 
Ew. Kirchgemeinde Düralen. Die Männer arbeiten in den 
Fabriken zu Rüti. 

TANNAV (Kt. Waadt. Bez. Nyon). 413 m. Gem. und 
kleines Dorf nahe dem Genfersee, sowie der Strasse und 
Eisenbahn Lausanne-Genf; 10 km saw. Nyon und vom be- 
nachbarten Dorf Mies durch ein kleines Tobel getrennt. 
Hallestelle der genannten Bahnlinie. 34 Häuser, 135 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Commugny. Acker- und Wein- 
bau. 

TANNAZ |i_A> (Kt. Waadt und Neuenburg). :»7o- 
432 m. Linksseitiger Zuflusa des Neuenburgersees. Ent- 
springt 2 km w. Provence, Iiiesst ostwärts, geht zwischen 
Provence und Mutrux. sowie zwischen Presens und Vau- 
marcus durch, wo sie in ziemlich tiefem Tobel fliesst, am 
dann den See zu erreichen. Das Thälchen der Tannaz 
liegt zwischen dem Mont Aubert und der Kette Chasse- 
ron-Creux du Van. Bei Fresens befindet sich am obern 
Eingang des Mündungstoiiels der Pont Perret an der Vy 
d'Etraz, in dessen Nähe die Eidgenossen und Burgunder 



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TAN 



TAN 



am Tag von Grandaon zuerat aufeinander atieasen. Die 
Tannaz Ut 5 km lang, wovon die zwei untern dem Kan- 
ton Neuen bürg angehören. 

tann je QERTCN (Kt. Zürich, Bez. Hinwil, Gem. 
Dörnten). Weiler. S. den Art. Tasneuekten. 

tannberg (Kt. Luzem, Amt Sursee. Gem. Sehen- 
kon). 600 m. Gruppe von 5 Hausern, 1 km w. Tann und 
4km nö. der Station Sursee der Linie Luzern-Olten. 31 ka- 
thol. Ew. Kirchgemeinde Sursee. Ackerbau, Viehzucht 
und Milchwirtschaft. 

tanne Kt. Appenzell A. R.. Hinterland. Gem. Schö- 
nengrund). 872 m. Gruppe von 7 Häusern, unmittelbar s. 
Schönengrund und 4 km w. der Station Urnäsch der Ap- 
i>eniellerbahn I Winkeln- Herisau -Appenzell i. 3T 
Ew. Kirchgemeinde Schönengrund. Wiesenbau. 

TAN NE (Kt. Appenzell A. H. Vorderland, Gem. Wolf- 
halden). Weiler. S. den Art. Tannehezirk. 

TANNE (Kt. Bern, Amtabez. Aarberg, Gem. Schöp- 
fen). 688 m. Gruppe von 2 Häusern ; 2,5 km sö. der Sta- 
tion Schupfen der Linie Hern- Kiel. 10 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Schupfen. Landwirtschaft. 

tanne (Kt. und Amtsbez. Hern, Gem. Zollikofen). 
•t60 m. Landhaus 1 km s. der Station Zollikofen. Wurde 
1746-1755 vom Bildhauer Joh. August Nahl (1710-1781) be- 
wohnt, der hier das Grabmal von Frau Lanthans in der 
Kirche Hindelbank, aein Meisterwerk, schür. 

Tanne (Kt. Bern, Amtsbez. Hurgdorf, Gem. Ober- 
burg). 740 m. Gruppe von 8 Häusern, im obern I.uter- 
bachgraben und 7 km aw. der Station Oberburg der Li- 
nie Burgdorf-Langnau. 59 reform Ew. Kirchgemeinde 
Oberburg. Landwirtschaft. 

TANNE (Kt. Zürich, Bez. Horgen, Gem. Schönenberg). 
658 m. Dorf, 2 km nw. der Station Samstagern der Linie 



Wadenswil-Einsiedein. Postwagen Wädenswil-Hütten. 16 
Häuser, 88 reform. Ew. Kirchgemeinde Schönenberg. 
Wiesenbau. 

tanne (Kt. Zürich, Bez. Hinwil, Gem. Bäretawil). 
763 m. Gemeindeabteilung und Weiler; 1,5 km sö. der 
Station Neuthal der Linie Uerikon-Bauma. Telephon. Zu- 
sammen mit Hinterburg, Josenhof. Ober und Unter Rüeg- 
genthal, Rüetschwil und Schürli : 63 Häuser, 267 reform. 
Ew. ; Weiler: 9 Häuser, 36 Ew. Kirchgemeinde Bäretswil. 
Wiesenbau. 

Tanne (LA) (Kt. Bern, Amtsbez. Münster, Gem.Ta- 
vannes). 10i5 m. Fünf auf einem Sennberg zerstreut 
gelegene Höfe, 4 km w. Tavannes und 1 km s. der Halte- 
stelle Orange der Regionalbahn Tavannes-Tramelan. Post- 
ablage. 37 reform. Ew. Kirchgemeinde Tramelan. Etwas 
Ackerbau, Viehzucht. 

TANNEBEZIRK (Kt. Appenzell A. K , Vorderland, 
Gem. Wolfhalden). 800 m. Gemeindeabteilung und Wei- 
ler, 2 km o. der Station Heiden der Bergbahn Ttorschach- 
Heiden. Zusammen mit Altenstein, Bruggtobel, Ebnet, 
Frümsen, Gmeindli, Gründli, Guggenbühl, Hinteregg. 
Klaren. Lindenberg, Lippenrüti, Oedlehn und Schönen- 
bühl : »7 Häuser. 525 reform. Ew. ; Weiler 11 Häuser, 52 
Ew. Viehzucht. Seidenweberei. 

TANNEGERTEN (Kt. Zürich, Bezirk Hinwil. Gem. 



Dürnten). 521 m. Gruppe von 4 Häusern, 1 km ö. der Sta- 
lion Hubikon der Linie Zürich-L'ster-Rapperswil. 25 re- 
form. Ew. Kirchgemeinde Dürnten. Wiesenbau. 

TANN EGO (Kt.Thurgau. Bez. Münchwilen, Gem. Fi- 
schingen). 6fk"i m. Ortsgemeinde und Weiler, in einem 
schönen Thälchen 5,5 km s. der Station Eschlikon der 
Linie Zürich- Winterthur-St. Gallen. Telephon ; Postwa- 
gen Fischingen-Sirnach. Zusammen mit Bernhardsriet, 
Hamberg. Hatterswil, Schürten und Vogel Bang : 93 Häu- 
ser, 514 Ew. (wovon 129 Katholiken); Weiler: 12 Häu- 
ser, 78 Ew. Kirchgemeinden Dussnang. Wiesen und Wald. 
Stickerei. Holzhandel. Unmittelbar hinter dem Weiler 
erhebt sich steilaufsteigcnd ein bewaldeter Hugelzug, ein 
Ausläufer der Hornlikette, auf dem die lim-;: Tannegg 
stand. Sie war 11H0 im Besitz eines liiltebolt von Tann- 
egg. 1232 wurde sie sodann von Bischof Heinrich von 
der Tann von Konstanz neu aufgebaut und mit einer Vor- 
burg versehen. Es fiel dies in die Zeit des 1828-1836 dau- 
ernden Krieges des Bischöfe* mit dem Abt von St. Gallen. 
Der Bischof wollte sich durch die Burg die Verbindung 
mit seinen Besitzungen im Turbenlhal und in Grüningen 
sichern. Zugleich erwarb er. wahrscheinlich von den Gra- 



fen von Toggenburg, das Tanneggeramt, du ausser Tan- 
negg noch Sirnach, Bettwiesen und Mosnang umfassteund 
zu dem 1392 auch die Herrschaft Landsberg mit Krilberg 
und Buch kam. 1318 übertrug der Bischor das Pflegeramt 
der Burg dem Konrad von Castel. Der Bargvogt war zu- 
gleich Gerichtavogt von Fischingen. Die wairenfahigen 
Männer von Fischingen und des Tannegge 
dem Bischof zu Zuzug verpflichtet. In der 



Zuzug verpflichtet. In der Folge sah 
der Biachof verpflichtet, Burg und Amt zu verpfänden. 
Als Pfand kam es an die Ruggen von Tannegg und dann 
an die Landenberg - Werdenberg. Die Pfandschaft war 
aber für die Bevölkerung mit Lasten aller Art ver- 
bunden, so dasa sie dem Bischof zu deren Lösung 1400 
Pfund, wovon 600 auf Fischingen fielen, zusammenlegte, 
mit der Bedingung, dasa er Amt und Burg nicht mehr 
verpfände. In den Appenzellerkriegen 1403-1407 ward ne- 
ben vielen andern Burgen des Thurgaues auch Tannegg 
erstürmt und zerstört. Bald nachher (1411) verwüsteten 
und brandschatzten die Zürcher das Amt, weil der Bischof 
ihnen die Burg Hheinsfelden am Einfluss der Glatt in den 
Rhein in Trümmer gelegt hatte. Nach der Eroberung des 
Thurgaues durch die Eidgenossen hatten diese einmal 
ums andre Anatände mit dem Bischof wegen seiner Be- 
sitzungen in der Landgrafschaft, zu denen ausser dem 
Tanneggeramt noch Arbon und BUchofezell gehörten, wor- 
auf der Vertrag vom 22. Juli 1509 den Frieden brachte. 
Nach dem Defensionale von 1628 zählte das Amt 400 waf- 
fenfähige Männer. Die Ruinen der Burg find heute fast 
vollständig verschwunden, indem aua ihren Steinen im 
vorigen Jahrhundert die Brücken über die Murg erbaut 
wurden. Auf Burg Tannegg lebte im 13. Jahrhundert der 



Heinrich von Rugg. 



TANNEGGERBACH (Kt. Thurgau. 

wilen). 835-576 m. Linksseitiger Nebenbach der Murg; ent- 



Bez. Münch- 



springt mit mehreren Quellarmen am N.-Hang den 
Ausläufer des Hörati, llieast gegen NO. und mündet nach 
6 km langem Lauf 400m n. Oberwangen. Treibt in Schür- 
ten eine Mühle und eine Säge, sowie in Tannegg eine 
kleine Fabrik. 

TANNEGQLIi Kt Schwvz. Bez. March).1217 m. Oestl. 
YorbergdeaG rossen Aubrig ( 1698 m) ; bildet mit dem gegen- 
überstehenden Gugelberg (1150 m) den schmalen Engpass 
zwischen Innerthal und Vorderthal (Wäggilhal). den die 
WäggithalerAaunddieThaUtrasse (mit der Schrähbrücke* 
durchziehen. Trigonometrisches Signal. 

TANNEN (Kt. Appenzell A.R., Vorderland, Gem. Wald). 
1050-1087 m. 7 Häuser; 3,5 km «w. der Station Heiden 
der Bergbahn Rorschach- Heiden. 26 reforrn. Ew. Kirch- 
gemeinde Wald. Milchwirtschaft. 

TANNEN (Kt. Bern, Amtsbez. Aarwangen. Gem. Lei- 
miswil). 700 m. Gruppe von 3 Häusern; 3.3 km sw. der 
Station Lindenholz der Linie Langenthal-Wolhusen. 28 
reform. Ew. Kirchgemeinde Rohrbach. Viehzucht. 

TANNEN (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald. Gem. 
Affoltern). 792m. Gruppe von 2 Höfen; 1,3 km sw. Afloltern 
und 4 km no. derStation Weier-AIToltern der Linie Ramsel- 
Sumiswald-Huttwil. 21 reform. Ew. Kirchgemeinde Affol- 
Land Wirtschaft. 



TANNEN (Kt. St. Gallen. Bez. Alt Toggenburg. Gem. 
Kirchberg). 713-728 m. Gruppe von 5 Häusern, 6 km sw. 
der Station Bazenheid der Toggenburgerbahn. 25 kathol. 
Ew. Kirchgemeinde Kirchberg. Viehzucht. Käserei. 
Stickerei. 

TANNEN (Kt. und Bez. Schwyz. Gem. Morschach). 
883-950 m. 5 Hofe auf einer Terrasse am W.-Hang de« 
Fronalpstocks und rechts über dem Urneraee; 2,5 km s. 
Morschach und 1,5 km n. der Station Sisikon der Gott- 
bardbahn.33kathol. Ew. Kirchgemeinde Morschach. Obst- 
und Wiesenbau. Viehzucht. 

TANNEN (HINTER und VORDER) (Kt. Bern. 
Amtsbez. Signau, Gem. Langnau . 750 m. Gruppe von 5 
Häusern, am linken Ufer der Ulis und 1 km sw. der Sta- 
tion Langnau der Linie Bern-Luzern. 27 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Langnau. Viehzucht. 

TANNEN ( mittler, OBER und UNTER) 'Kt. 
Luzern, Amt Willisau, Gem. Grossdietwil). 613-666 m. 
Drei Hofe, 1 km nw. Ebersecken und 6 km w. der Station 
Nebikon der Linie Luzern-Olten. 24 kathol. Ew. Kirch- 
gemeinde Grossdietwil. Ackerbau, Viehzucht und Mi Ich- 



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TAN 



TAN 



759 



TANNEN (UNTER DEN) (Kt. Aargau, Bez. Kulm. 
Gem. Dürrenäsch). 599 m. Gruppe von 5 Hausern, 500 m 
bw. Dürrenäsch und 2,5 km bw. der Station Nieder ilallwil 
der Seethalbahn (Wildegg- Emmenbrücke). ,38.ceforin. Ew. 
Kirchgemeinde LeutwiT. "Viehzucht und Milchwirtschaft. 

TANNEN ALP(Kt.Obwalden,Gem. Kerns). 197*- 2078m. 
Alpweide zwischen demMelchsee imSW., der Spicherfluh 
im NU., dem Tannenband im W. und der Tannenfluh. 
dem Schwarzhorn und Graustock im N. Zerfallt in 408 
Stosse für Grossvieh und 11 für Kleinvieh. Wird von Mitte 
Juli bis Anfangs September bezogen. Kleine Kapelle. 16 
Hütten. 

TANNENBACH (Kt. Zürich, Bez. und Gem. Borgen). 
446 m. Gruppe von 6 Häusern; 1,5 km nw. der Station 
Borgen der linksufrigen Zürichseebahn ( Zürich- Wädens- 
wil-Ziegelbrücke). 41 reform. Ew. Kirchgemeinde Borgen. 
Wiesen- und Weinbau. 

TANNENBAD (Kt. Bern, Amtsbez. Trachselwald. 
Gem. Sumiswald). 754 m. Beilbad im obern Griesbach- 
graben ; 4.5 km nö. Sumiswald und 2 km sö. der Station 
Afloltern- Weier der Linie Bamsei-Sumiswald-Buttwil. 

TANNENBAND (Kt. Ubwalden). Zum Teil schuttiges 
Basenband längs dem ganzen SO. -Fuss des am Melchsee 
(1880 m beginnenden und über die beiden Bohmatt (2181 
und 2495 m) zum Berglen (2670 m) ziehenden Kammes. 
Teil der Tannen- und der Melchseealp. 

TA NNENBERQ (Kt. Glarus, Gem. Baslenl. 919 m. 
Gut besuchter kleiner klimatischer Kurort, am W.-Bang 
des Salengrntes und 1 km so. der Station Nidfurn-Baslen 
der Linie Glarus-Linthal. Sehr schöne Aussicht ins Linth- 
thal und auf den Glärnisch. 

TANNENBERQ (Kt. St. Gallen, Bez. Goasau). 853m. 
Südl. Ausläufer des Bohentannen. mit Wiesen und 
Tannenwald bestanden. Schöne Aussicht auf den Thur- 
gau, den Bodensee, Appenzell und die Vorarlbergeralpen. 

TANNEN BERO (Kt. Zürich, Bez. Pfäffikon). 821 m. 
Molassehöhe, 3 km w. der Station Saland der Tossthal- 
bahn ( Winterthur-Wald). 

tannenbühl (Kt. Bern, Amubez. Thun, Gem. 
Blumenstein). 688 m. Weiler in gebirgiger Gegend, 5 km 
s. der Station Burgiatein-Wattenwil der Gürbethalbahn. 
11 Häuser, 51 reform. Ew. Kirchgemeinde Blumenstein. 
Gehörte 1536 als Lehen des Klosters Interlaken den Edeln 
von Burgistein und bildete bis 1667 einen Teil der Pfarrei 
Amsoldingeu. 

TANNENBÜHL. (HINTER, MITTLER und VOR- 
DER) (Kt. Schwyz. Bez. und Gem. Küssnacht). 542 m. 
Drei Böfe, w. vom Kühlochbad und n. Baltikon; 2,5 km 
nw. Küssnacht am Vierwaldslättersee. 25 kalhol. Ew. 
Kirchgemeinde Küssnacht. Obstbau. Viehzucht. 

TANNEN FE LS (Kt. Luzern, Amt Suraee. Gem. Notl- 
wil). 678 m. Schloss mit den Bausergruppen Ober und 
Unter Tannenfels, 3 km w. der Station Noltwil der Linie 




Schloss Tsnnenfel« bei Sempacb. 



I.uzem-Olten. Postwagen Nottwil-Willisau. Zusammen 5 
Häuser, 39 kathol. Ew. Kirchgemeinde Nottwil. Acker- 
bau und Viehzucht. Üaa Schloss Tannenfels, ehemals 



Lehen der Grafen von Neuenburg, wurde 1348 von der 
Witwe Burkhards von Tannenfels an den Deutschritter- 
orden verkauft, kmn aber bald in andere Hände. Im 
Sempacherkrleg 1386 von den Eidgenossen zerstört und 
spater wieder aufgebaut, ist es heute Eigentum der Fa- 
milie Segesser. 

TANNENHOF (Kt. Bern, Amtsbez. Erlach, Gem. 
Gampelen). 436 m. 2 Böfe, am rechten Ufer der Zihl 
(Thiele) sw. Gampelen. 44 retorm. Ew. Kirchgemeinde 
Campelen. Landwirtschaft. Seit 1889 Asyl für Arbeitslose 
und entlassene Sträflinge. 

TANNENMOOS (Kt. Aargau, Bez. Kulm, Gem. 
Gontenswil). 655 m. Weiler 2 km sw. der Station Gon- 
tenswil der Winenthalbahn ( Aarau-Kulm-Menziken). 13 
Bäuser, 87 reform. Ew. Kirchgemeinde Gontenswil. Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft. 

TANNENMOOS (Kt. Bern, Amtsbez. Nieder Sim- 
menthal. Gem. Spiez). 630 m. Gruppe von 4 Häusern am 
N.-Bang der Höhe des Buslwaldes; 2,5 km nw. vom 
Bahnhof Spiez. 27 reform. Ew. Kirchgemeinde Spiez. 
Landwirtschaft. 

TANNENSEE (Kt. Obwalden. Gem. Kerns). 2008 m. 
Kleiner Bergsee am Weg zur Tannenalp, 1 km nö. vom 
Schutzhaus zwischen Melchsee und Tannen. 

TANNENTHAL (HINTER und VORDER) (Kt. 
Bern, Amtsbez. Konolfingen, Gem. Landiswil). P33 m. 
Zwei Bäuser 2 km sö. Landiswil. 20 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Biglen. Landwirtschaft. In den 1830er Jahren 
stiftete hier Johann Ulrich Liechti eine mystisch- religiöse 
Sekte, deren Angehörige den Namen der Tannenlhalcr 
tragen. 

TANNE VERQE oder TENNEVBRQE (COL DE) 

(Kt. Wallis, Bez. Saint Maurice). 2486 m. Passübergang 
in der das Wallis von Savoyen trennenden (Irenzkette, 
zwischen dem Pic de Tanneverge (2990 m) und der Pointe 
de Finive (oder Pointe de Praz Riond ; 2840 m) ; ver- 
bindet die Hütte und Alpweide Barberine mit der franzö- 
sischen Alp Tanneverge (Gemeinde Sixt). Bequemer Auf- 
stieg von der Barberinehütte des S. A. C. in 2 Stunden ; 
Abstieg über die Croix de Moccand und den Pas Nais 
nach Sixt in 5 Stunden sehr schwierig und gefährlich. 
Wird daher nur selten begangen. Aus dem selben Grund 
' haben die Bewohner von Sixt darauf verzichtet, die auf 
ihrem Grund und Boden liegende Alpweide Tanneverge 
selbst zu bewirtschaften, und sie daher den Leuten von 
Salvan überlassen. Während daher auch die Ausgabe 
von 1879 des betr. Blattes der Siegfriedkarte die S NW- 
Flanke des Passes noch der Schweiz zuweist, lässt die 
Ausgabe von 1900 die Landesgrenze vom Col de Tanne- 
verge an bis zum Pic de Tanneverge dem wasserschei- 
denden Kamm folgen. Schon 1414 erwähnt eine Urkunde 
die Alp als Eigentum von Salvan, welchem Dorf sie von der 
Abtei Sixt geschenkt worden war. Eine weitere Urkunde 
aus 1785 erklärt : «en egard ä l'impossibilit^ physique et 
absolue d'y conduire et inalper de Sixt des bestiaux, tels 
que chevaux, juments, mulels, mules, Units, vaches, 
mais seulement chevres et moutons. cependant avec grand 
danger de les precipiler. In commune de Sixt ratifie les 
anciens droits des Salvanins ». Salvan zahlt dalier der 
Gemeinde Sixt für die Benutzung dieser Alp keinerlei 
Abgaben oder Steuern, was wohl zu der Annahme ge- 
fuhrt hat, sie liege auf Schweizerboden. Vergl. Goquoz, 
L. Hütoire et detcriplwn de Saivan-Finhaut . Lausanne 
Ispfl 

TANNEVERGE, TENNEVERGE oder TENNE- 
VERDZE (PIC DE) (Kt. Wallis. Bez. Saint Maurice). 
-IRK» m. Gipfel in der die Heut du Midi mit dem Buet 
verbindenden Grenzkette zwischen der Schweiz und 
Frankreich, zwischen dem Mont Buan und der Pointe 
de Finive. Nach der Grenzbereinigung von 1902 liegt die 
höchste Spitze auf französischen linden, während die O.- 
Flanke der Schweiz angehört. Üer Aufstieg erfordert von 
der Barberinehütte des S. A. C. her 4 Stunden und bietet 
zu oberst einige Schwierigkeiten. Prachtvolle Aussicht, 
namentlich in der Bichtung auf den Mont Blanc. die 
Walliser Alpen und das Thal von Sixt. Der Pic de Tan- 
neverge ist ein Kalkberg von unvergleichlich kühnen und 
eindrucksvollen Formen. Der Absturz der gewaltigen 
Bergpyramide westwärts gegen den Ungeheuern Kessel 
I des Per ä Cheval von Sixt steht mit seinen schroflen 



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Wänden, Felsbändern und Felslürmen den riesigen Wan- 
den dei Coloradocanons in nichts nach und hat vor ihnen 
den Schmuck der Kisfelder und Wasserfalle, sowie des 



einandergepressten liegenden \1. ilmfalten mit eingefalte- 
tem Neokom; derCol de Tanneverge ist in die Argovien- 
und DivtUienschiefer des untern Malm eingesenkt. Vergl. 



fic de Tännevaye 



7etc du ßM/ton 



Moni ffudf 



Co/ de 
Tjnnarar y e 




Atb'nger sc 

Gruppe des Pic de Tanneverge, von La Yogaalle her ge»ehen 
Ne Neokom; IIa. Oberer Malmkalk (Porlland-Sequan); Mi. I'ntere Malmmergel i Argovien-Diveslen); D. Dogger. 



die sanftem (iehängepartien bekleidenden Pflanzentep- 
pichs voraus. Bemerkenswert ist auch der geologische 
Aufbau des Herges. Auf die am Boden des Zirkus des Fer 




Pic de Taonevcrge. vom Per a Cheval de Sixt 
her gesehen. 

ä Cheval in etwa 1000 m Höhe anstehende triadische Hauh- 
wacke folgen nach oben der Beihe nach Lias. Dogger und 
Malm. Die obersten Felswände bestehen aus drei auf- 



Collet, L< W. Tour» Salü-re» — Pic Tanneverqe. (Bei- 
trüge zur geolog. Karte der Schweiz. N. F. 19). Bern 

TANNQRABEN i Kt. Bern. Amtsbex. Trachselwald. 
Gem. Eriswil). 775 m. Gruppe von 3 Häusern, 300 m w. 
Eriswil und 5 km -. der Station Huttwil der Linie Lan- 
genlhal- Wolhusen. 29 reform. Kw. Kirchgemeinde Eris- 
wil. Landwirtschaft. 

TAN NHAiU SERN (Kt und Amt Luzern. Gem. 
Malters). 693 m. Gruppe von 2 Häusern, 2 km sw. Hell- 
bühl nnd 5 km nno. der Station Malters der Linie Berti- 
Lu/ern. 20 kathol. Ew. Kirchgemeinde Hellbühl. Acker- 
bau und Viehzucht. 

TANNHCELZLl (Kt. Bern, Amtsbez. Burgdorf, Gem. 
Alchenslorf). 510 m. Gruppe von 6 Häusern zwischen 
Ober und l'nter Alchenstorf; 3,5 km nw. der Station 
Winigen der Linie Olten-Bern. 50 reform. Ew. Kirch- 
gemeinde Koppigen. Landwirtschaft. 

TANNHORN iKl. Bern. Amtsbez. Interlaken). 2223m. 
Gipfel in der den Brienzersee im NW. beherrschenden 
Kette; bildet den ersten, im SW. stehenden Gipfelpunkt 
des bis zum Brienzerrothorn reichenden Brienzergrates. 
Während der NW. -Hang steil, felsig und von Bunsen 
durchfurcht ist, trägt der sanftere SU -Hang Wiesen und 
Alpweiden. Bequemer Aufstieg von Brienz her in .">' . 
Stunden. Prachtvolle Aussicht, namentlich auf die Biesen 
des Berner Oberlandes. 

TAN NH ÜBEL» (Kt Aargau. Bez. Brugg. Gem. Hau- 
sen). 392 m. Gruppe von 7 Häusern. 500 m sw. Hausen 
und 2,5 km s. der Station Brugg der Linie Zürich- Baden - 
Brugg. 42 reform. Ew. Kirchgemeinde Windisch. Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft. 

TANNKOPF (Kt. Graubünden. Bez. Unter Land- 

Suart). 1809 m. Schieferberg in der Falknisgruppe des 
ätikongebirgea, 4 km n. vom Städtchen Maienfeld; t,7 
km nö. der Festung Luzisteig und westl. der Falknishöhe 
An der N. -Flanke ist das Guschatobel eingeschnitten, und 
am NW.-Fuss des Gehänges liegt der zu Maienfeld ge- 
hurende Hof (tuscha 1 117 m). Der Tannkopf kann von 
Maienfeld und Fläsch her über die Luzisteig und Guscha 
erstiegen werden, erhält aber nur selten Besuch. Er setzt 
sich nach Lorenz' Untersuchungen in der Höhe NM 
Flyschschiefern der untern Kreide zusammen, die auf 
grauen Kalken mit Hornsteinen und Falknisbreccie des 



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Tithon (obern Jura) ruhen. Diese Tithonkalke aber lagern 
im S. und SO. bei Bargün in verkehrter und überscho- 
bener Stellung auf oligozänen Flyschschiefern. Jun*- und 
Kreideschichten lind hier nicht in helvetischer Faziee 
wie am Fläscherberg, sondern in ostalpiner Ausbildung 
vorhanden. 

TANNSTAFELALP (Kt. Schwyz , Bez. March). 
1382 m. Alpweide zwischen dem rechten Ufer des Schlie- 
renbaches, der Heizlihöhe und dem Mützenstein, an dem 
von Innerthal im Wäggithal nach Studen im Sihlthal 
führenden und stark begangenen Weg. 

TANNSTEIN (Kt. Zürich, Bez. Morgen, Gem. Thal- 
wil). 478 m. Gruppe von 8 Häusern, 600 m s. der Station 
Thalwil der linksufrigen Zürichseebahn ( Zürich- Wädens- 



Kornblendeschiefer. Serizit- und Talkquarzitschiefer an, 
worauf Verrucano, alpiner Muschelkalk, Arlbergdolomit, 
obere Rauhwacke und Hauptdolomit mit angesetzten 
Liaskalken (Steinsbergkalk), hössenermergeln und Lias- 
schiefern folgen. Die Juraschichten sind im ganzen ober- 
sten Thalteil und auf der linken Seite bis über den Muot 
Sainza Bon herab entwickelt. 

TANTIN (TOR R ENT ) (Kt. Waadt. Bez. Aigle). 2,5 
km langer Wildbach; entspringt am W.-Hang des Cha- 
mossaire, bildet die Cascade du Dard, geht unter der 
Strasse Aigle- Kxergillod hindurch und mündet oberhalb 
Aigle und gegenüber Vuargny tan der Strasse nach den 
Ormonts) von links in die Grande Eau. Trias und I.ias. 

tanuza (Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquarl, 




Kurlandscbafl Tsraip- Vulpsra-Scbuli. 



wil -Ziegel brücke». 69 reform. Ew. Kirchgemeinde Thal- 
wil. Wiesenbau. 

TANNZAPFENLAND I Kt. Thurgau ). Volkstümlicher 
Name für den klimatisch rauhen hintern Thurgau, d. h. 
das grosse Nadelholzwaldungen aufweisende Gebiet der 
Gemeinden Fischingen, Dussnang und Bichelsee. 

TANTERMOZZA (VAL) (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 
2600-1520 m. Rechtsseitiges Nebenthal des Engadin. das 
seinen Ursprung am Piz d'Ksen in der Caaannagruppe der 
Ofenpassalpen nimmt und sich zwischen Brail und Zernez 
zum Inn öffnet. Die Richtung ist auf • , der Länge (vom 
Ursprung an gerechnet) S.-N., dann NNW. und NW. ; die 
Länge beträgt 5.8 km, dasThalgefälle IS' „. Im W. ragen 
die Ausläufer des Piz d'Esen (3130 ml bis zum Muot 
Sainza Bön (2410 m) im N.; im O. die vom Piz Uuater 
Vals (3157 m) in der gleichen Richtung strebende Kette 
zwischen Tantermozza und Valetta- Val Cluoza von Zernez. 
Der Vordergrund des Thälchens ist durchschluchtet. Die 
vordere Hälfte trägt Wald und sehr wenig Weideland 
(Zernez gehörend); die obere Hälfte erhebt sich in 3 
kurzen felsigen Stufen, aufweiche aus dem Hintergrund 
kleine Kisfelder des Piz d'Esenstockes und Piz Quater 
Val» herabschauen. Der Bach des Val Tantermozza ist 
sehr wild, liefert grosse Geschiebemassen und fliegst 
durch seinen Gerölischuttkegel ungeordnet in den Inn. 
Am Thalausgang stehen Gneis und granatenführender 



Kreis und Gem. Jenaz). Alpweide. S. den Art. Dasusa. 

TANZBODEN (Kt. Bern, Amtsbez. Interlaken). 2136m. 
Gegen das Lauterbrunnenthal und den Alpkessel von Am - 
merten vorspringender Ausläufer des Tschingelgrates, 
über der Steinbergalp und unter dem Felszahn des Spitz- 
horns. Prachtvolle Aussicht auf die benachbarte Berg- 
und Eiswelt. Aufstieg von Ober Steinberg oder Stechel- 
berg her in 1 Vj Stunden. 

TANZBODEN (Kt. Graubünden, Bez. Unter Land- 
quart, Kreis Fünf Dörfer, Gem. Mastrils). 1050 m. Alp- 
weide mit 6 Hütten und Ställen, am O.-Hang des Calanda ; 
2,5 km nnw. Untervaz und 3 km saw. Mastrils. 

TANZBOZDELIPASS (Kt. Bern, Amtsbez. Inter- 
laken). 1880 m. Passübergang zwischen den Schwalmeren- 
hörnern (2256-2727 m) und dem Morgenberghorn (2251 
m). Leichter I 'ebergang mit Fussweg zwischen Sazeten 
und dem Saxelenthal einerseits, dem Suldthal und Müli- 
nen andrerseits (4 1 , Stunden). Bequemer Aufstieg vom 
Tanzbödeli aufs Morgenberghorn (1 V 4 Stunden), wahrend 
die Besteigung der Schwalmercn von dieser Seite her 
ernsthafte Schwierigkeiten bietet. 

TANZENB EINBROCKE ( Ki. tri, Gem. Goache- 
nen). Reussbrücke in der Schöllenen, an einer lawinen- 
gefährlichen Stelle. 

TARANTSCHUN (PIZ) (Kt. Graubünden, Bez. 
Heinzenberg). 2767 m. Gipfel in der Bärenhora-Piz Be- 



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TAH 



verinkette der Adulaalpen, zwischen dem Bruachghorn 
(3044 m und dem Piz Beverin (3000 m), sowie 2.4 km 
•w. dieses letztern entfernt. Im S. liegt das Hochthälchen 




FonUna mit Schlau T»r»»p 

Annarosa im Schams, und im NW. nimmt das in den Sa- 
fierrhein (Hahius.. ) ausmündende Carnuaathälchen seinen 
Ursprung. 300 m lt. lies nach 3 Seiten in einer Felsen- 
stufe abfallenden und nach SO. hin bald sanft geneigten 
«üpfeli liegt der kleine Schottensee, an dessen O. -Seile 
in 2603 m Höhe ein Pass nach Carnusa und Sailen Platz 
hinüberfuhrt. Der Piz Tarantschun wird, wie der w. von 
ihm ragende Piz TulT (2834 m), wenig genannt; beide 
können von Zillis aus in etwa 6 Stunden erstiegen wer- 
den. Gesteine sind Hötidolomil. der Trias und grauer 
liundnet schiefer (eozäner 'Pfjsch Vi, welch letzterer, NO. 
streichend und SO. fallend, den Gipfel bildet. 

TARASP (Kt. Graubünden, Bez. Inn, Kreis Obtasna). 
1414 m. Gem. am rechtsseitigen Gehänge des Unter Knga- 
din, in einer Erweiterung des tiefen und düstern Thaies 
des Inn geschützt gelegen, 8 km ö. Ardez und 52 km no. 
der Station ßevers der Albulabahn. Postbureau, Tele- 
graph, Telephon; Postwagen Uevers-Tarasp (5 Stunden), 
Davos-Fluela-Tarasp (6 Stunden) und Landeck (Arlberg- 
bahn)-Tarasp (9 Stunden). Die Gemeinde umfasst die 
Weiler und Häusergruppen Chants, Chaposch. Klurina, 
Fontana, Sparsei», Yallalscha und Vulpera mit zusammen 
69 Häusern und 278 zur Mehrzahl kaihol. Kw., wovon 241 
romanischer Zunge. Tarasp verdankt seine Berühmtheit 
als Heilbad den seit dem 16. Jahrhundert bekannten und 
von den Leuten der Gegend benutzten kalten Mineral- 
quellen verschiedener Art, die heute von Kranken und 
Erholungsbedürftigen aus allen Weltteilen aufgesucht 
werden. Vortreffliche lebergangsstation nach und von 
höher gelegenen Kurorten. Verhältnismässig mildes Klima. 
Grosses Kurhaus links \om Inn. Hotels und Pensionen in 
Vulpera. Die Quellen zerfallen in 2 Gruppen: 1) stark 
saure und leicht salinische alkalinische Natronquellen, 
von denen die Luzius- und Knieritaquelle zu Trinkkuren, 
die weniger stark mineralische neue Ursusquelle zu Bade- 
kuren verwendet werden : 2) vier Eisensauerlinge. Die 
Luziusquelle( 1200 m l enthält in 1000 Teilen Wasser: 12.8gr 
feste Bestandteile, wovon 2,2 gr schwefelsaures Natron ; 
4.3 gr doppeltkohlensaures Natron ; 3,9 gr Chlornatrium 
und 0,02 gr doppeltkohlensaures Eisenoxydul ; ferner 
1608 cm freie Kohlensäure. Ihre Temperatur beträgt 
5,0° C. Die Tarasper Quellen sind von vorzüglicher Wir- 
kung Ihm Erkrankungen der Verdauungsorgane, Stoff- 
wechselkrankheiten, Ernährungsstörungen etc. Die auf 
weitschauendem Hügel stehende Burg Tarasp ist zer- 
fallen und wird nur noch von einem Wärter bewohnt. 
Hier hausten bis gegen das Ende des 12. Jahrhunderts 
die frommen Bitter von Tarasp, die auch in benachbarten 
Thalschaften Güter beBassen. Eberhard von Tarasp stiftete 



1095 in Schuls ein Benediktinerkloster, das 1146 nach 
Marienberg im tirolischen Vintschgau verlegt wurde. Nach 
dem Aussterben des Geschlechtes war das Schloss Tarasp 
lange Zeit ein Zankapfel zwischen dem Bischof 
von Chur und den Grafen von Tirol. Schliess- 
lich blieben Schloss und Herrschaft Tarasp dem 
Hause Oesterreich, und zwar bis zum W iener 
Frieden von 1815, durch den sie dem Kanton 
(iraubünden zugesprochen wurden. Diesem 
Verhältnis ist es auch hauptsächlich zuzu- 
schreiben, dass die Gemeinde katholischer Kon- 
fession geblieben ist. Die von alters her nach 
Schuls kircheenösaigen Tarasper hatten sich 
zwar schon frühzeitig der Reformation zuge- 
wandt, wurden aber von den österreichischen 
Fürsten gezwungen, zur römischen Kirche 
zurückzukehren. Am Fuss des Schlosshügels 
liegt malerisch neben einem klaren blauen 
See der Hof Fontana mit der Pfarrkirche, 
einem 1734 gestifteten Kapuzinerhospiz und 
einem Hause barmherziger Schwestern. Beste 
einer ehemaligen Letzt {cluta). 1150 : villa 
Traspensis ; 1160 : Traspes ; 1301 : Darasp. 
Vergl. Lechner, Ernst. Graubünden. Chur 
1903. 

TARDI8BR0CKE (Kl. Graubünden, Bez. 
mm - Unter Landquart, Kreis Fünf Dörfer, Gem. 
— ' Mastrils). 523 m. Gemeindeabteilung und Wei- 
ler, am linken Ufer des Rheins bei der nach 
ihrem Erbauer iMedardus Heinzenberger 1526) 
benannten Tardiabrücke und 1 km nw. der 
Station Landquart der Linie Sargans-Chur. 28 Häuser, 
126 reform, und kaihol. Ew. Kirchgemeinden Mastrils. 
Wiesenbau und Viehzucht. Vor dem Bau der Eiseubahn 
ging der Hauptverkehr von N her nach Chur und dem 
Bündnerland über die damals sehr bedeutende Brücke. 

T4RENT oder PIC ROMANO (Kt. Waadt, Bez. 
Aigle). 2551 m. Höchster Punkt der den Chaussv mit der 
Cape au Moine verbindenden Kelte zwischen dem Thal 
der Ormonts einerseits, dem Plateau von Les Mosses und 
dem Thal von L'Elivaz andrerseits. Steilwandiger Fets- 
kopf, dessen Ersteigung zwar nicht besonders schwierig 
ist, aber doch sichern Kopf und Fuss erfordert. Aufstieg 
von Vers 1'r.glise über die Wand ob der Alpweide Marnex 
oder über den W.-Grat und N.-Hang in 4 Stunden, sowie 
von La Comballaz über die Hütte von I.audallaz in 5 Stun- 
den. Prachtvolle Auasicht auf die Gruppe der Diablerets. 
die Berner Alpen und das Massiv des Mont Blanc. Der 
von einigen Alpinisten vorgeschlagene Name Pic Bomand 
wird heule nicht mehr verwendet. 

TARICHE (Kt. Bern, Amtabez. Freibergen. Gem. 
Saint Brais). 452 m. Gasthaus mit Nebengebäuden, am 
rechten Ufer des Doubs ; 5,8 km sw. der Station Saint 
L'rsanne der Linie Del sberc- Delle. Nahe dem hübschen 
Wasserfall des Buisseau de )a Taiche in reizender Ijmdschafl 
gelegen. Sehr beliebtes Ausflugsziel. Vorzügliche Korellen. 
Sehr malerischer Fussweg von Saint l'rsanne dem Doubs 
entlang nach Tariche. Abstieg von Saint Brais durch 
weite Sennberge und prachtvolle Waldungen in I' _ Stun- 
den. 

T A R LI EOG (Kt.Glarus). 1839m. Sehr auffälliger dach- 
förmiger Felsvorspmng am N. -Abhang des Rüchen Glär- 
nisch. Sein Scheitel besteht aus Bernasmergeln, die da- 
runter gegen das Klönthal abstürzende Felswand aus 
Malm und Dogger. Der schone, aber schwer zugängliche 
Erosionszirkus, derzwischen dasTarliegg und daa w. davon 
liegende Wiggtsegg (1673 m) eingeschnitten ist, wurde 
früher als Schafweide benutzt. Die Tarliruns, welche 
diesen Zirkus durchlliesst, stürzt unterhalb desselben mit 
hübschem Wasserfall ins Klönthal hinunter. 

TA R N ATEL (Kt. Graubünden, Bez. Plessur. Kreis 
Schanllgg. Gem. Peist). 1788 m. Alpweide am S.-Hang 
der Hochwangkelle, 800 m. nö. Peist. 

t ar n uz (M ALANS und Fl de R i S) (Kt. Graubün- 
den. Bez. Ober Landquart, Gem. Fideris, und Bez. Unter 
Landquart, Gem. Malans). 1916 und 1897 m. Alpweiden 
am N.-Hang des Kislensteins, ö. und W, von dem sie 
trennenden Bach. 

TARON (Kt. Waadt. Bez. Aigle). Gipfel. S. den Art. 
CiiATit.i.0N. 



TAH 



TAS 763 



TARTAR (Kt. Graubünden. Bez. Heinzenberg, Kreis 
Thutia). 995 m. Gem. und Dorf am frachtbaren 0. •Ge- 
hänge des Heinzenberg«) 4 km sw der Station Cazia der 
Albulabahn. PosUblage ; Postwagen Cazia - Prix . Ge- 
meinde, mit Praubiet und Schauenburg: 34. Häuser, 146 
zur Mehrzahl deutsch sprechende Ew. (wovon 92 Katho- 
liken and 54 Reformiertet; Dorf: 22 Häuser, 79 Ew. 
Reform. Kirchgemeinde Masein und kaihol. Pfanei Cazia. 
Wiesenbau und Viehzucht. 1298: Tariere, Tariar. 

TARTeqnIN (Kt. Waadt, Bez. Rolle). 500 m. Gem. 
und kleine« Dorf in der Mitte des Weinlandes der Cöte; 
2.3 km wnw. Rolle und 1,3 km aw. einer Haltestelle der 
Linie Rolle -Gimel. Poslablage. Telegraph, Telephon; 
Postwagen Rolle- Begnlns. 30 Häuser. 174 reforro. Ew. 
Kirchgemeinde Bunins. Acker- und Weinbau. Der Wein 
von Tartegnins gehört zu den besten Sorten der Cöte. 
Daa Dorf gehörte früher zur Herrschaft Mont le Vieux. 
Im 11. Jahrhundert: villa Tritiniaco; 1018: Tritigniaco; 
im 12. Jahrhundert: Tertinnie ; 1214: Tertinins; 1252: 
Tertignins. 

TARVIKRSCH (Kt. Graubünden. Bez. Unter Land- 
quart, Kreis Fünf Dörfer, Gem. Mastrils). 800 m. Maien- 
sass mit 14 Hütten, am S.-Hang des Calanda asw. Mastrils 
und 2,5 km ssw. der Tardisbrücke. 

TARVIESCM ( Kt. Graubünden. Bez. Albula. Kreis 
Oberlialbstrin. Gem. Savognin). 1944 m. Alpweide am 
NO. -Hang des Piz Arlös; 2,7 km s. Savognin. 

TARZAIL oder TARZIEL (Kt. Graubünden, Bez. 
Heinzenberg. Kreis Domleschg, Gera. Scharansi. 1677 m. 
Alpweide mit 10 Hütten una Ställen, am W.-Hang des 
Piz Scalottas und 3 km ö. Scharana. 

TA» BERG (OBER und UNTER) (Kt. Freiburg, 
Bez. Sense, Gem. St. Ursen). 697 m. Zwei Gruppen von 
zusammen 6 Ilausern am Tasbergbaeh; 1,5 km nw. St. 
Ursen und 4,5 km so. vom Bahnhof Freiburg. HO kathol. 
Ew. deutscher Zunge. Kirchgemeinde St. Ursen. Vieh- 
zucht und Wiesenbau. Eine dem h. Udalrich geweihte 
Kapelle. Hier stand die von den Bernern 1386 im Sem- 
pacherkrieg zerstörte Feste Dachsberg. 

TASBEROBACH l Kt. Freiburg, Bez. Sense». 860- 
fl04m. Linksseitiger Zufluss des Galternbaches (Gotteron); 
entspringt in den nassen Wiesen zwischen dem Dorf 
Rechthalten und dem Moosholz, wendet sich zuerst nach 
SW., biegt um die Höhe und den Wald von Farnera, 
durchmesst Kinkerain und biegt dann nach NW. ab, 
um nun mehrere Mühlen (Buntschuz, Tasberg etc.) zu 
treiben und nach 8 km langem Lauf in Oberwuhlellial 
unterhalb Tafers zu münden. Trägt im Oberlauf bis Her- 
misberg den Namen Kinkerainbach und erhalt mehrere 
kleine Nebenadern, wie den Bühlacker-, Obertsv. il-, 
Froh matt-, Christi isberg- und Schwandbach, sowie den 
aus dem Römerswilweier kommenden Bach. Mittleres 
Gefalle 32 °/ vg . Ziemlich fischreich. 

TASCHINES BACH (Kt. Graubünden, Bez. Unter 
Landquart). 1100-680 m. Rechtspeitiger Zufluss der I.and- 
quart. Entspringt am Cavelljoch (2305 ml in der vom 
Falknis (2566 m) zur Scesaplana (2968 m) ziehenden Kette, 
lliesst ö. Seewis im Pratigau in tiefen Schluchten und 
mündet 1.2 km unterhalb Grüsch. Das Einzugsgebiet um- 
fasst 73,5 km*, wovon 13.8 (18.7 %) auf Fels und Schutt 
und 59,7 (81,2 %) auf Kulturland (inkl. 20.3 km« oder 
27,6% Wald) entfallen. Das Tobel des Taschinesbaches 
ist das westlichste der Querthäler der s. Neben ketten des 
Rätikoogebirges, es zeigt aber nicht wie das St. Antönier- 
ihal (Schanielabach), oder das Samina-, Gamperton- und 
Brandnerthal der nördl. Nebenketten auch eine mittlere 
Thalslufe ausgebildet. Die untere Thalatufe des Taschines- 
baches ist eine Schluchtenge, in der das wilde Wasser 
zwischen dunkeln Schieferfelsen hervorbricht, die auf 
der W. -Seile hoch hinauf reichen und oberhalb Grüsen- 
Schmitten die malerischen Ruinen der Burg Solavers 
tragen. Von diesem Ausgang an wendet sich der Bach, 
einen breitgedehnten Schuttkegel bildend, nach WSW. 
und ist auf dieser, früher häufig von ihm verwüsteten 
Strecke korrigiert. Hinter Grüsch und unterhalb Seewis 
ftrömtdas Wildwasser auf eine Strecke von etwa 4,5 km 
in s. Richtung bis zur Mündung des Valsertobels, und 
zwar ist das Thal auf diesem ganzen Wege wild und tief 
durcuschluchtet. ohne Thalboden ; das Gefälle beträgt 
hier etwa 8,5 % . Von (). her mündet auf dieser Strecke 



I das wildzerrissene Munttobel ein. Etwa bei 1020 m. beim 
Ein tl Iis» des Yalserbaches, beginnt die Thalgabelung, die 
nach O. (Valsertobel) bis zum Girenspitz und Lünereck 
unter der Scesaplana-Alpstem kette, nach W. bis zur Alp 
Serina und .Ins seengebchmiickte HLascherlhal . Itaila u Li s) 
im Falkniastock hinaufreicht. Von N. kommt aus der 
Alp Fasons unter dem Alpstein-Scesaplana das ins Val- 
sertobel sich öffnende Stegcntobel und aus der Gegend 
unter der Kleinen Furka am O.-Rand der Palknisgruppe 
der Valpeidabach her, der unterhalb des ehemaligen 
Schwefelbades Ganey sich dem Hauptstrang zugesellt. 
Weiler westl. kommen der Jesbach aua den Maieufelder 
Alpen (Stürvisl und der Wallobach aus den Seen des 
Flaschenhals. Durch den Taschinesbach wird also fast 
die ganze S. -Seite des Palknivkette und des Alpsleinge- 
birges (Scesaplana) entwässert. Es ist dieses in ganz 
entgegengesetzte Gebirgspartien hinauf und hinüber grei- 
fende Sammelgebiet an Fläche ungefähr so gross wie 
das des weit verästelten Schrauhaches von Schiers im Ge- 
biet des mittlem und östl. Rätikon. Die Gesamtbreite des 
Einzugsgebietes des Taschinesbaches beträgt auf der Linie 
der beiden obersten Quellthäler vom Fläscherfürkli bis 
unter Lünereck hin etwa 14 km. Die oberste Thalstufe, 
die hier unmittelbar auf die lange und enge Schluchten- 
reihe hinterm Ausgang folgt, ist ein von mehrern Hoch- 
thälchen durchschnittenes Gehänge und bildet in ihren 
Verzweigungen Iz. B. Fläscherthal und Jea) freundliche 
kleine Mulden mit Alpweiden. Die Alpen im west). Zweig- 
gebiete gehören Maienfeld und Plüsch, diejenigen unterm 
Alpstein Seewis und Fanas an. Auf den Terrassenhängen 
des vordem Thalteils breiten sich Maiensasse und Heu- 
berge aua. Stürvis (1590 ml, jetzt Alp, soll vor Zeiten von 
über einem Dutzend \Val*erfamilien bewohnt gewesen 
und im Beginn des 16. Jahrhunderts verlassen worden 
sein; Sererhard (1716) sah noch Reste des ehemaligen 
Kirchleins. L'cber der mitten im Wald und unter zerris- 
senen Felsenstufen gelegenen Wiesenoase von Ganey 
(1300 ml lliesst eine schwache, Schwefelwasserstoff füh- 
rende Mineralquelle. Es bestand hier ein Schwefelbad, 
von dem eine Beschreibung au« dem Jahr 1649 existiert 
und dessen Mauerreste noch heute nicht ganz verschwun- 
den sind. 1742 wurde das Schwefelbad Ganey renoviert, 
aber 1799 durch österreichische Truppen zerstört. Zu 
beiden Seiten des vordem Taschinesbaches, sowie in den 
grossem Seitenlhälern und meist auch noch im Beginn 
von deren obera Verzweigungen dehnt sich dunkler Wald 
aus, der zusammen eine imposante Fläche ausmacht und 
in dem der Edelhirsch seit mehr als 2 Jahrzehnten an- 
sässig ist. Der Taschinesbach ist von seiner Schlucht- 
mündung unter dem Burgfelsen von Solavers an in (wie 
es scheint) meist eozänen Flyschschiefer (und Liaa) ein- 
geschnitten; der obere Teil des Valsertobels (Alp Vals) 
verläuft in ritsch, der zur Hauptsache aus Sandsteinen 
besteht, und ein Teil der obern Seilenzweige des Stranges 
in der Falkniskette in Kalken, Schiefern und Breecien 
des Tithon oder obersten Malmkalkes, sowie auch des 
Flysches der untern Kreide. Die beiden letztem Schicht- 
komplexe aber finden sich in ostalpiner Ausbildung, wie 
Th. Lorenz gezeigt hat. Kreide und Tilhon sind von N. 
her über den Tertiärflysch geschoben. In der Gegend von 
Ganey, am Jeafürkli etc., wie übrigens im ganzen Gebiet 
findet man Versteinerungen, besonders Fucoiden ; Stein- 
mann fand Rad iolarien, Foraminiferen und Apioerinut — 
Slielglieder in Jes (Tithon), Th. Lorenz Orbitoides am 
Cavelljoch, Orbituliua lenticularis und Siphoneen in Jes 
und an der (irauspitz (untere Kreide). Grossartige Ero- 
sionswirkungen in den lonigkalkigen, tonigen und blät- 
terigen Schiefern in der Schluchtenreihe des vereinigten 
Wildwassers, im Munttobel und am Hang der «Tobel» 
unter der Hochterrasse Sannalada bei Ganev. 

TASNA (FUORCLA) (Kt. Graubünden. Bez. Inn). 
2857 in. Vergletscherter Passübergang zwischen Piz Tasna 
13183 m) und Piz Faschalba Breite Krone (3051 und30B3 m). 
Fuhrt aus dem Val Tasna von Ardez im Unter Engadin 
durch das östl. Seitenlhal von Val Tasna, Val Urschai. 
nach dem tirolischen Fimberthal. Das auf der Engadiner 
Seite am Pass liegende Gletscherfeld dehnt sich zwischen 
den drei genannten Bergspilzen der Silvreltagruppe aus, 
dann betritt man den Fimbergletscher und gelangt in 
den Quellkessel der Alpen Fenga, die den Gemeinden 



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764 TAS 

Sent und Remüs gehören. Interessante Wanderung, die 
mit Führer unschwierig auszuführen ist. Von Ardex bis 
zur Passhöhe 5 Stunden, Abstieg durch das Fimberthal 
nach Ischgl im Paznaunerthal ebenfalls etwa 5 Stunden. 
Grossartige Gletscheraussicht. Der Putschölpass, durch 
Val Tasna- Val Urschai ins tirolische Jamthal führend, ist 
nur 2,5 km w. von der Fuorcla Tasna entfernt. 

TAIN« (PIZ) (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 3183 m. 
Gipfel am O.-Rand der Silvrettagruppe ; zwischen Val Ur- 
schai, dem ö. Quelithal von Val Tasna, Val Laver. dem 
w. Quellthal des Val Sinestra im Unter Engadin. sowie 
dem Fimberthal über der Schweizergrenze. Die mächtige 
Bergpyramide ragt fast 4 km so. vom Fluchthorn und 
1.7 km sö. vom Pix Faschalba oder Grenzeggkopf (3051 m i 
auf. Nach S. setzt sich der Gebirgskamm zum Serpentin- 
gipfel des Piz Nair (4971 m) fort; im SVV. liegt die Slufen- 
landschaft Muot da Lais mit alten Gletscherwirkungen 
und winzigen Seebecken, im O. das Val Tiral, südösll. 
Quellthal des Val Laver. Zwei kleinere Gletscherfelder 
ziehen sich von den Kämmen und Jochen des Piz Tasna 
auf die N. -Seite hinab, von denen das o. der Vadret davo 
Lais ist und das westl., grössere zu der 1,2 km weiter n. 
gelegenen Fuorcla Tasna sich absenkt. Gegen den Piz 
Faschalba zu liegen mehrere kleine ilochneen, darunter 
der Lai da Faschalba. Hauptgesteine sind Kalksandsteine, 
Kalksandschiefer und Cnnoidenbreccien der mesozoi- 
schen Schieferreihe der linken Gebirgsseite de* Unter 
Engadin. Im 0. und S. ruhen die oft mauerartig hinrei- 
chenden und turingleich aufstrebenden Schieferbanke, die 
in der letztern Richtung noch über den Gratpunkt 3042 m 
hinaus reichen, auf mächtigen Serpentinmassen, die sich 
weit gegen Muot da Lais hinabziehen, den Pix Nair ganz 
und die NO.-Ausläufer des Piz Minschunstockes, wie den 
Piz Champatsch aufbauen helfen, einen Teil von Val Tiral 
und die Fuorcla Champatsch (2733 m) im SO. des Tasna- 
stockes xusammensetzen und überhaupt in diesem Gebiete 
eine Verbreitung gewinnen, wie sie nur vom Serpentin- 
revier zwischen Klosters und Davos in Graubünden über- 
troflen wird. Der Piz Tasna wird von Ardez durch Val 
Tasna und Val Urschai mit Führer gefahrlos in 6 Stunden, 
sowie auch von der Jamhütte im Jamthal und von der 
Heidelberger Hütte im Fimberthal aus erstiegen und ge- 
währt eine imposante Fernsicht. 

TASNA (VAL) (Kt. Graubünden. Bez. Inn». 2500 bis 
1270 m. Linksseitiges Nebenthal des Unter Engadin, 
zwischen Val Tuoi und Val Clozza und etwa 1,3 km unter- 
halb Ardez zum Inn ausmündend. Val Tasua (im Jahr 
1161 als Tassima genannt) verläuft zwischen Ardez und 
Fetan und teilt den Bezirk Inn in die Kreise Ob- und 
Untertasna ab. Die Gebirgsumrahmung ist : im W. der 
Muot del Horn von Ardez 42334 m) und der scharf ge- 
schnittene, wilde Pitz Cotschen (3034 m) ; im O. der Gra- 
nitwall dea Sass Majur (2012 m), der Muot del Horn von 
Fetan (2493 m). Clünas (2796 m) und der von schauer- 
lichen Tobein zerrissene Schieferstock des Piz Minschun 
(3072 m). Im Hintergrund spaltet sich das Thal in die 
Quellarme Val Urezzas und Val Urschai, von denen das 
nach W. gewendete entere in die Berg- und Gletscher- 
welt der Jamthalergruppe. daB östlichere Val Urschai da- 
gegen in die Gipfel und Eisfrlder des Augstenbergs und 
des Piz Faschalba-Piz Tasna hinaufgreift. Val Tasna ist 
von der Mündung am Inn in 1260 m bis zur Thalgabelung 
(etwa 2000 m) 6,3 km lang und besitzt auf dieser Strecke 
ein Gefälle von etwa 12°/«. Von der Mündung bis an den 
nördl. Granitrand bei 1712 m beträgt das Gefalle 16,1 */ 0 , 
von letzterm Punkt bis zur Thalgabelung unter der Alp 
Urezzas 8.2 %. Der Ausgang des Val Tasna bei Punt da 
Tasna an der von Ardez nach Schul* führenden Landstrasse 
ist ein wildes, teils felsiges und teils schuttiges Tobel, von 
dessen ostl. Gehängeseite ein kleiner Zulluss durch das 
Hutschgebiet von Suat Duas herabkommt. Weiter nördl. 
erweitert sich das Thal und trägt neben Waldstreifen 
beiderseits reiche Alpweiden ; zur Linken breitet sich 
die Ardezer Alp Tasna (1899 m) und höher rechts die 
Fetaner Alp Laret (2185 m) aus. Es folgt das z. T. schuttige 
fluche Thalstück mit den Prada Tasna. worauf bei den 
Alphütten der Alp Valrnala (1982 m) das Bett durch die 
Schieferfelsen der Seiten sich stark verengt und die oberste 
Thalstufe beginnt; darüber dehnt sich zur Linken die 
Alp Urezzas, die wie Valrnala Ardez angehört. Die Wälder 



TaS 

und Weiden der östl. Thalseite sind Gebiet der Ge- 
meinde Fetan. Herrliche Quellen in den Alpen Tasna 
und Valrnala, bei der Thalgabelung unter Urezzas und in 
Urschai. Die Gebirgsumrahmung des Hintergrundes mit 
seinen Gletschermassen ist grossartig-schon, die Aussicht 
beim Austritt aus dem Thal wie von der obern Strasse des 
Plateaus von Ardez und des Gebirgshanges gegen Fetan 
auf das Innthal und die in dessen S. ragenden Gebirge 
recht bemerkenswert. Die Haupt wege des Val Tasna führen 
von der Säge an der O.-Seite des Baches über die Prada 
oder kurz vor der Säge am westl. Bachufer unter der Alp 
Tasna hin nsch der Alp Valrnala. Ausserdem leiten Pfade 
direkt von Ardez aus über Clüs und Plans Grischans nach 
der Alp Tasna auf den zuletzt genannten Fahrweg und aus 
der Alp Laret höher hinauf nach Urschai; auch ist der 
über der heuligen Obern Strasse von Ketan zum Val Tasna 
herreichende alle Weg bemerkenswert. Val Tasna ist als 
eine Schiefermulde aufzufassen, die zwischen den Gneis-, 
Hornblende- und Serizitsc hie fern des Piz Cotschen, den 

I ähnlich zusammengesetzten, in der Tiefe wohl mit dem 
Bücken des PizCotschen zusammenhängenden kristallinen 
Inseln von Alp Laret-Fetan und dem untern Gebiet von 
Piz Clünaa-Piz Minschun, sowie dem Granit im Vorder- 
gründe des Thaies eingesenkt erscheint. Die Kalktonachie- 
fer und Kalksandsteine reichen auf der westl. Thalseite 
über den Muot del Horn bis Ardez herab ; am linken Gehänge 
erscheinen sie, von N. an gerechnet, nicht einmal bis in 
die Thalmitte, worauf der Zweiglimmergnois der Alp 
Laret auf eine Länge von 1,2 km bis an den Rand des 
Baches heranreicht und von Punkt 1712 m der grüne, 
dem Juliergranit ähnliche Taanagranit zu beiden Seiten 
des Bergflusses auftritt und auf der O.-Seite im Wall des 
Sass Maiur und Clüs sich zu Höhen von 4012 und 2098 m 
erhebt. Die Schiefer sind entweder graue, versleinerunga- 
leere Engadinschiefer dea basalen Gebirges oder Kalk- 
schiefer, Kalksandsteine und Brecclenbänke der meso- 
zoischen Schichtenreihe (Lias und wahrscheinlich auch 
Kreideflysch). Der ansehnliche Granitstock des Val Tasna 
erreicht* im vordem Drittel des Thaies die gmsste hori- 
zontale und vertikale Verbreitung und reicht über das 
Plateau von Ardez sw. bis über den Inn und in den Vorder- 
grund de* Val Sampuoir. Da er wieder auf der Felsen- 
schwelle hoch üher der Gabelung des Val Tasna aus den 
Schiefern hervorbricht , kommt dem Granitstock von 
Ardez- Val Tasna eine Längmausdelrmrag von etwa 9 km 
zu. Lappen- und apophysenarlig dringt er auch in die 
Gesteine des Muot del Horn und in das Minschungebiet ein. 
Serizitquarzite und -phyllite von ähnlicher chemischer 
Zusammensetzung, wie er sie selbst aufweist, begleiten 
ihn häutig. Ganz im Vordergrund des Thaies trifft man 
noch Quarzporphyr, Serpentin und alle Engadinschiefer 
(mit Gips bei Punt da Tasna und unter Ardex), und end- 
lich erscheinen auf dem landschaftlich malerischen Pla- 
teau von Ardex neben altern und jüngern (diabasischeni 
Eruptivgesteinen, Serixitquarziten etc. noch mächtige ver- 
brochene Massen von Steinsberg- oder Liaskalk. der in 
gar keinem Verband mit den zahlreichen Gesteinsarien 
der Umgebung steht und darum bei Ardez die Reste eines 
zusammengebrochenen Gebirges darstellen muss. Ueber- 
haupt ist der geologische Aurbau dieser Landschaft ein 
ungemein komplizierter. Auch für den Botaniker ist Val 
Tasna ein dankbares Gebiet (z. B. Cortusa Matthioli, 
Chenopodiuni foliotum, Thaiictrum minus, Dracocepha- 
lunt austriacum, Atplenum germanicum, Sparganium 
■iwipfar, Ranunculu» $celrratu* bei Ardex), desgleichen 
linde! der Entomologe reiche Ausbeute. 

TASNAN (lt.) (Kt. Graubünden, Bez. Inn). 4456- 
1270 m. Wildbach des Val Tasna; entspringt am S.-Fusa 
des Piz Urschai. wendet sich südwärts, bespült die Alp- 
weiden Urschai (2144 m) und Urezza (4047 m) und erhalt 
zahlreiche Nebenadern. Durchmesst weiter unten die Alp 
Tasna (1899 m), bildet bei der Säge (Resgia 1574 m) einen 
schonen Wasserfall, erhält beim Punt da Tasna (1328 m ) 
einen kleinen Nebenduss und mündet nach 8 km langem 
Lauf 4,5 km ö. Ardex von links in den Inn. Lauterburg 
schätzt die Abftussmenge des Tasnabaches an der Mün- 

1 dung auf 0.95 m 3 per Sekunde, die produktive Wasaer- 

| kraft des Tasna- Urschai Lac Ii es bei einer Fallhöhe von 
922 m auf 84 PS. Vergl. den Art. Tasna. (Val). 

I TASPIN <alp) (Kt. Graubünden, Bez. Hinterrhein). 



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TAS 



TAU 



765 



2300-2400 m. Alpweide in einem halbkreisförmigen Berg- 
kessel. Wird begrenzt: im W. vom Kamm de« Piz Neza 
und Curver Pintg das Neza, der sie von der Alp Neza 
trennt, im S. vom Piz Curver (2975 m) und im O. von 
dem den Curver Pintg da Taspin tragenden Kamm, hinler 
welchem die Alpen Munteer und Stürvia im Oberhalb- 
slein liegen. Die Alp Taspin wird von Zillis oder Reiachen 
im Scham«, welchen Dörfern sie zu eigen ist, in 3-4 
Stunden erreicht. Während die umrahmenden Gipfel 
und der obere Abschnitt der Alpweide aus Bündner- 
schiefern bestehen, findet sich tiefer unten das «Taspinit« 
genannte kristalline Silikatgestein, daa wahrscheinlich 
einen stark auagewalzten und aerizitiach gewordenen 
Granitporphyr darstellt. Nahe den Alphütten hat man 
früher einen Gang von «überschüssigem Blei abgebaut. 
Vergl. auch den Art. Cirvrr Pintg da Neza und Curver 
Pinto da Taspin. 

TASPIN (curver PINTO da) (Kf. Graubünden, 
Bez. Albula und Hinterrhein). Gipfel. S. den Art. Curver 
Pinto da Neza und Ci rver pintg da Taspin. 

tassino (Kt. Teaain, Bez. und Gem. Lugano). 331 
m. Quartier der Stadt Lugano. 500 m s. vom Bahnhof 
Lugano inmitten eines üppigen Pflanzenkleides gelegen. 
6 Häuser. 102 kathol. Ew. Kirchgemeinde Lugano. Land- 



ete. Ortsnamen der welschen Schweiz : 
Gegend, in der sich der Dachs (tasson) mit Vorliebe auf- 
zuhallen pflegte. 

tassonn* IRE ( Kt. Wallia, Bez. Monthey, Gem. 
Troistorrents). 784 m. Gruppe von 8 Häuaern an der 
Sirasse nach Champery, unter dem Weiler Torrent See 
und 500 m s. der Kirche Troistorrents. 23 kathol. Ew. 
Kirchgemeinde Troistorrents. 

TASBONNEYRE8 ( Kt. W r aadt, Bez. Vevev, Gem. 
Chardonne). 856 m. Gruppe von 3 Häuaern am SW.-Hang 
des Moni Pelerin. 3 km nw. Chardonne und 5 Minuten 
von der Endstation Baumaroche der Drahtseilbahn auf 
den Moni Pelerin. Gasthof. 21 reform. Ew. Kirchgemeinde 
Chardonne. PrachtvoUe Aussicht auf den Genfersee. 

TA8SONNIERES (Kt. Wallis, Bez. Martinach. Gem. 
Fully). 707 m. Gruppe von 5 Häusern, 1 km w. Kuli y und 
rechts über der mit Weinreben bepflanzten Combed'Enfer, 
die eine der wärmsten Lagen des Wallia darstellt. 23 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Fully. 

TAS SONS (ile AUX) (Kt. Waadt. Bez. und Gem. 
Aigle). Inselchen im Bett der Grande Eau, unterhalb der 
Grands Hochers. Liasfossilien der Heltangischen Stufe. 

TASSON V (Kt. Wallis, Bez. Martinach, Gem. Fully). 
571 m. Kleine Häusergruppe im Weinberg über dem 
Dorf Chälaigmer und 3U0 m nw. dieses leUlcrn. 

TATCNIKT ILE), auch Le Tag oder Le Ta«i E ge- 
nannt (Kt. Wallis. Bez. Martinach, Gem. Trient,. 1307 m. 
Siedelungszentrum der Gemeindeabteilung Les Jeurs, 
auf einer Terrasse rechts der Kau Noire und über der 
Strasse und dem Engpass von Tele Noire; 2,2 km w. 
Trient. Schulhaus, Karlskapelle (Karl dem Grossen ge- 
weiht i, 4 Wohnhäuser und einige Scheunen und Ställe. 
16 kathol. Ew. Kirchgemeinde Trient. Vergl. den Art. 
Jeirs (Les). 

TATLISHORN (Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen). 2505 
m. Letzter NW.-Augläufer der Allels, o. über der Spital- 
malle am Gemmiweg und «w. über dem tief eingeschnit- 
tenen Gasterenlhal. Aufstieg von Kandersteg her in 2 V« 
Stunden. Schmier' Tiefblick ins Gasterenthal. Neokom. 

TATLISHORN (OBER) (Kt. Bern. Amtsbez. Fru- 
tigen). 2966 m. Der Allels nach NW. vorgelagerter Gipfel, 
in dem mit dem Tatlishorn endigenden Kamm und o. 
über der Spilalmatte am Gemmiweg. Aufstieg von Kander- 
steg her über die Einschartung zwischen Tatlishorn und 
Ober Tatlishorn in 5Stunden. Erste Besteigung 1895 durch 
Benecke und Cohen. Bildet eine überkippte Jurafalle, die 
auf Neokom ruht. 

TATRIL ( Kt. Freiburg, Bez. Veveyse). 846 - 711 m. 
4 km langer Wildhach; entspringt am Cret Derrey 1 km 
nw. Chätel Saint Denis, fliesgt auf eine Strecke von 1 km 
südwärts, wird dann durch den Moni Vuarat schroff nach 
W. abgelenkt, begleitet die Strasse Chätel Saint Denis- 
Palezieux, fliesst unter Bemaufens durch, biegt um die 
Tatroz und wendet sich nun gegen NW., um 



gegenüber der Mühle von Franex von links in die Broye 
zu münden. Mittleres Gefälle 3,4%. Erhält die Bache 
von Le Pralet. Bemaufens und Le ßret und treibt die 
Muhle von Tatroz. 

TATROZ (Kt. Freiburg. Bez. Veveyse, Gem. Attalens). 
749 m. Dorf auf einer Anhöhe 80Ü m w. Bemaufens. Halte- 
stelle der elektrischen Bahn Palezieux-Bulle-Montbovon. 
Telegraph, Telephon. 19 Häuser, 128 kathol. Ew. franzö- 
sischer Zunge. Kirchgemeinde Attalens. Acker-, Wiesen- 
und Obstbau, Viehzucht. Strohflechterei. Mühle und Säge. 
Franz von La Sarraz. Herr von Bossonens. und Claude 
Nicod verkauften 1456 ihren Landbesitz zu «Tarlraud* 
dem Johannes und Wilhelm von Grandson. Joseph Bochud, 
Besitzer der Mühle von Pranex, verzichtete 1818 gegen 
eine Entschädigung von 800 Fr. auf seine sämtlichen An- 
sprüche an die hiesigen Slaatswaldungen und die Ge- 
meindewaldungen von Attalens. 1223 : Tartro ; 1230 ° 
Tartrout; 1456: Tartraud ; 1668: Tatrau ; 1715: Ta- 
traux. 

TATTK8 ( LES GRANDES ) ( Kt. Waadt, Bez. 
Bolle). 760-897 m. 1,5 ha umfassende Waldung am W.- 
Haag der die Cöte beherrschenden Höhen. Beicht vom 
Thälchen von Prevondavaux und dem die Maison Rouge 
tragenden offenen Land nö. Burtigny ostwärts bis zum 
Kamm der genannten Höhen hinauf und stösst an andere 
dieselben bekleidenden Waldungen. 2 km lang und im 
Mittel 800 m breit. 

t att e s d-oies (les) ( Kt. Waadt, Bez. und 
Gem. Nyon). 425m. Gruppe von 11 Häuaern; 1,4km 
wnw. der Station Nyon der Linie Lausanne - Genf. 46 
reform. Ew. Kirchgemeinde Nvon. Landwirtschaft. 

TATTE8 DE VESSV < LES ) ( Kt. Genf, Linkes 
Ufer, Gem. Veyrier). Häusergruppe. S. den Art. Vessy 
(Les Tattes de). 

tattets |i_ES) (Kt. Neuenburg, Bez. Val de Tra- 
vers, Gem. La Cöte aux Fees). I04o m. Gruppe von 6 
Hofen an der Strasse Buttes- La Cöte aux Fees. 800 m nö. 
Les I toi les de l'Eglise und 6 km sw. der Station Buttes 
der Begionalbahn des Val de Travers. 54 reform. Ew. 
Kirchgemeinde La Cöte aux Fees. Uhren macherei. Vieh- 
zucht. Sommerfrische. 

TATZ (Kt. Wallis, Bez. Westlich Baron, Gem. Nieder 
Gestelen). 1482 m. Maiensass auf einer hohen Terrasse 
unter dem Stockwald und w. über dem Ijollithal ; 1.5 km 
n. Nieder Gestelen. Etwa 20 Alphülten, von denen 
mehrere den grössern Teil des Jahres bewohnt sind. 
1407 : Tacx. 

TAUBEN (Kt. Bern, Amtsbez. Saanen). 4108 m. Be- 
graster Kopf unmittelbar n. über dem Trütlisbergpass 
(2040 m). von wo aus er in wenigen Minuten bequem er- 
reicht wird (3 Stunden von Lauenen oder der Lenk her). 
Hier vereinigt sich der das WiaUtthorn tragende Kamm 
mit dem Bücken Lauenenhorn - Giirerhorn, zwischen 
welch beiden das Turbachthal seinen Ursprung 

TAUBEN (HORN) (Kt. Bern, Amtsbez. Ober 
menthal und Saanen). Kamm S. den Art. Horntauben. 

TAUBENLOCH (Kt. Bern, Amtsbez. Biel*. 520-450 
m. 2 km lange, von der Schüss durchflossene tiefe Jura- 
kluse zwischen dem Vorberg im O. und der Seekette im 
W. Mündet auf daa Dorf Bölingen aus. das mit der 2,3 
km iw. liegenden Stadt Biel durch eine elektrische 
Straasenbahn verbunden ist. Der zunächst rechts der 
Schüss die Schlucht hinaufführende Pussweg zieht sich 
gegenüber der am jenseitigen Ufer stehenden grossen 
Drahtzieherei durch eine Gallerte, geht dann, ganz in den 
Felsen gehauen und mit solider Brüstung versehen, unter 
der hoch oben über den Fluss setzenden Bahnbrücke der 
Linie Biel-Sonceboz durch und dringt immer tiefer in 
den von hohen Felswänden umschlossenen Erosionsriss 
ein, in dessen Tiefe sich das Wasser schäumend und 
brausend seinen Weg bahnt. Hoher oben wird der mit 
zierlichen Stegen mehrfach von einem Ufer zum andern 
setzende Weg von der steinernen Strassenbrücke Biel- 
La Heuchenette, der sog. Taubenlochbrücke, überspannt, 
um dann an zwei Elektrizitätswerken vorbeizuführen und 
endlich Frinvilier (3,3 km s. der Station La Reuchenette 
der Linie Biel-Sonceboz, zu erreichen. Weder die hoch 
oben an den Wänden hinziehende und in zwei Tunneln 
den Fels durchbrechende Eisenbahn, noch die ebenfalls 
durch eine Felsgallerie führende Strasse vermögen die 



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76G TAU 

Naturachönheilen der grosearligen Schlucht derart auf- 
zuachlieaaen wie der Fussweg. der von der Sektion Biel 
des S. A. C 1889 angelegt worden iat. Zu aeiner Inatand- 
haltung wird von jedem Beaocher eine Taie von 10 Rap- 
pen erhoben. Vergl. auch die Art. SlZE und Gorges de 

LA SLZE. 

TAUBINMOOS (Kt. Bern. Amtsbez. und Gem. Frau- 
brunnen). 485 m. Gruppe von 3 Häusern in sumpfigem 
Gelände, linka der Emme und 800 m ö. Schal unen. 35 
reform. Ew. Kirchgemeinde (irafenried. Landwirtachalt. 

TAUBENMOOS (Kt. Schwyz, Bez. und Gem. Ein- 
«iedi'lni. KiS-y,'ll m. Baumloses Hochplateau, de»*en Torf- j 
boden zum gröaaten Teil schon ausgebeutet und jetzt durch i 
Wieaen und Kartoffelacker eraetzt ist. Grenzt im \V. an 
die Biber, im 0. an den Schwarzenbach, im N. an den 
Bezirk Höfe und im S. an den Bezirk Schwyz und umfaaat 
etwa 580 ha Fläche. Hier stehen die Hausergruppen Moos 
und Schwyzerbrücke mit zusammen 21 Ilausern und 109 
kathol. Kw. Filiale Bennau der Pfarrei Kinsiedeln. Daa 
Taubenmoos wird von der Kantons*trasse, der Bezirka- 
strasse, der Südoetbahn (Wädenswil-Eineiedeln-Goldaul 
und der Zuleitung der Wasaerversorgung von Thalwil 
durchzogen. Torfauaheute, Kartoffeln. Heu und Stroh. 

TAU BENTHAL oder TUBENTHAL (Kt. Bern, 
Amtabez. Ober Simmenthai. Gem. Boltigen). Thälchen. 
S. den Art. Dudentiial. 

TAUFSTEIN (Kt. Glarua). 2IÜ6 m. So nennt die 
Siegfriedkarte das SO.-Ende des aus eozänen Schiefern 
und Nummulitenkalk bestehenden Grates, der sich vom 
südlichsten der Bleitstöcke nach SO. erstreckt und die 
Kischofalp von der Embächlialp trennt. Die Bevölkerung 
von Elm bezeichnet jedoch mit dem Namen Taufstein 
nicht diesen Gratvoraprung, sondern einen höher oben 
auf dem Grat sitzenden, aus Verrucano bestehenden, auf- 
fälligen kleinen Felsturm. 

TAULAN (Kt.Waadt. Bez.Vevey) 664m. Soheissender 
da» Dorf Sonzier tragende Felsvorsprung und der tiefere 
Abschnitt der Gorges du Chauderon unterhalb dieser Fels- 
achulter. Unterer Liaskalk und fossilführende Mergel und 
Kalksandsteine der Heitangischen Stufe. Elektrizitätswerk 
Taulan vor der Brücke über die Bave de Montreux. 

TAURE oder TAUNE (LA) (Kt. Wallis, Bez. Marti- 
nach, Gem. Saxon). 480 m. Weiler ; 4,8 km von Riddea. 
12 Häuser, 76 zur Mehrzahl kathol. Ew. Kirchgemeinde 
Saxon. Wiesen- und Ackerbau. 

TAURETUNUM (Kt. Wallia, Bet. Monihey). Sagen- 
ha fies Schioes, das an der Porte du Sex 5 km oberhalb 
dea Genfersees gestanden und so den Hingang ina Rhone- 
thal gehütet haben aoll. Später Boll dann dieses Castrum 
Tauretunum (oder Tauredunum) zusammen mit dem der 
Ueberlieferung nach am Fuss der Suche stehenden Dorf 
Saveuroz durch einen Bergsturz zerstört worden sein. Von 
dieser Katastrophe, die sich im Jahr 563 im Unter Wallis 
ereignet hätte, berichten Gregor von Tours und Marius 
von Avenchea, welch letzterer achreibt : Hoc anno motu 
TattretlunensU . . . ita tubilo ruit ... et lacum . . . ita 
totum tuovit. Nach der von Gregor von Tours gegebenen 
Schilderung hat man den Bergsturz von der Cime de l'Eat 
der Deuts du Midi in die Schlucht von Saint Rartheiemy 
niederbrechen lassen wollen, wodurch daa Wasser der 
Rhone zu einem See aufgestaut worden sei, dessen plötz- 
licherAuebruch dann die grosse Flutwelle im Genfersee ver- 
ursacht habe, die alle Uferorte verheerend überzog. Hin- 
gegen läsat sich in der Rhoneebene zwischen dem Berg- 
hang und den Dörfern Crebelley und Noville daa Vor- I 
hanuensein eines im Mittel 4 m hohen Schuttwalles fest- 
stellen, der als ein Ueberreat einea in der Richtung gegen | 
den Mont Arvel ziemlich weit hinauabrandenden Berg- 
sturzes gedeutet werden muss. Ferner findet man in der 
Umgebung von Lea Easerta und Crebelley zerstreut ge- 
legene Blöcke, von denen einige, wie z. B. der sog. Chä- 1 
tellon, von ziemlich bedeutendem Umfang aind und die 
ihrer petrographiachen Beschaffenheit nach vom Gram- 
mont her« lammen müssen. Endlich ist auch zu beachten, 
da* s alle Ortsnamen unterhalb Chessel neueren Ursprungs 
sind als diejenigen der oberhalb gelegenen Siedelungen : 
Lei Eggerts. Crebelley, Noville, Rennaz. Clion da Vaux 
und Villeneuve unterhalb, dagegen lllarsaz. Islaz, Yvorne 
(als Et urnum in paao capitis /«ei, d. h. nahe dem Seee- 
haupt gelegen bezeichnet) oberhalb des genannten Ortes. 



TAU 

Es erscheint daher als sehr wahrscheinlich, daaa der 
Rerfpturz vom Grammont durch daa ateile Thälchen von 
La DeVochiaz niedergebrocheo aei, den bis zur Porte do 
Sex hinaufreichenden obersten Abschnitt des lienfersees 
zugeschüttet und ►© die von Marius von Avenchea er- 
wähnte Flutwelle verursacht habe. (Vergl. die bezngl. Ar- 
tikel von Beraneck, Combe und Lombard im ßchodes 
>Wpes1876und 1885. aowie F. A. Forcl : U Union. III, 496). 
Die bisherigen Ausführungen liefern uns zur Lösung der 
Frage einen geschichtlichen und einen geologischen An- 
haltspunkt, nämlich die Existenz eines einstigen römi- 
schen Castrum in der Nähe von Port Valaia einerseits 
und andrerseits daa Vorhandensein von eckigen Fels- 
blocken, die aua den Allusionen der Rhoneehene zwischen 
Crebelley und Noville herausragen, petrographisch unter 
sich übereinstimmen und unzweifelhaft vom Grammont 
her durch die Kunse der Ücrochiaz herniedergebrochen 
aind. Wie und wann diea geschehen, kann nnr durch 
eine gründliche Untersuchung an Ort und Stelle festge- 
stellt werden. Während der Name La De*rochiaz für die 
vorn^ Gipfelndes Grammont gegen Lea Evouettes hinab- 

Venelz in dem erwähnten Haufwerk von Blöcken eine 
Rückzugsmoräne dea diluvialen Rhonegletschers, obwohl 
er anerkennt, dass hier aua dem Ober Wallia stemmende 
Gesteine vollständig fehlen. Moränenablagerungen des 
Rhonegletschers, wo solche vorhanden, sind aber von den 
vom Grammont stemmenden Blöcken durchaus verschie- 
den. Dieser Blockhanfen ist durch die Rhone, eine ziem- 
lich breite Fläche sumpfiger Ebene und den Schuttkegel 
des Wildbaches von Les Evouettes vom Bergfusa geschie- 
den. Hoch oberhalb des letztern findet sich im untern 
Abschnitt der Runse von La Derochiaz ein anderer, 
durchaus analoger Blockhaufen. Mnn darf wohl anneh- 
men, dass beide Haufen unter dem Schuttkegel und der 
Alluvialebene hindurch miteinander in Verbindung stehen 
und somit schon vorderen Ablagerung hier gelegen haben 
müssen. Aus der Anordnung der rechts der Rhone liegen- 
den Hügel, in denen die Blöcke stecken, geht ferner 
hervor, dasa diese in einem Kreisbogen angeordnet aind, 
dessen Mittelpunkt nahe dem Dort Creoelley, d. h. am 
Fuss der Wildbach runse, liegt. Diese Anordnung spricht 
zu gunsten eine» plötzlichen Absturzes, der die Blöcke weit 
ins Thal hinausgeschleudert und dort angehäuft hat, wäh- 
rend der Landstrich zwischen dem Bergfuss und dem 
frontalen Blockhaufen wenigeraurgerüllt wurde. In diesem 
Falle wäre aber der Bergsturz sehr alten Datums and 
jedenfalls prähistorisch, so daaa ihm die Zerstörung dea 
Castrum I au retunum nicht zugeschrieben werden kann. 
Da die Berichte die Zerstörung der Feate und dea Dorfes 
Saveuroz einer Ueberschwemmuno zuschreiben, die sich 
auch an andern Uferorten des Genferseea fühlbar ge- 
macht haben soll, hat F. A. Porel an die Möglichkeit einer 
durch ein Erdbeben verursachten Flutwelle gedacht. Doch 
wird diese Hypothese durch keinerlei anderes entspre- 
chendes Ereignis gestützt. Auch von einem Erdbeben zu 
dieser Zeit wissen wir nichts. Es bleibt also wohl einzig 
übrig, die Flutwelle dea Genfersees durch einen andrer- 
orte direkt in den See hernieder gegangenen Bergsturz 
zu erklären. Eine neue Schwierigkeit ergibt eich aber 
daraus, daas aich diese Katastrophe in der historischen 
Zeit ereignet haben aoll, zu welcher der verschüttete 
oberste Seeabschnitt sicherlich schon viel zu seicht war, 
um eine allee zerstörende Flutwelle erzeugen zu können. 
Anders erschiene die Sachlage, wenn der Bergsturz sich 
in einen tiefen Seeabschnitt geworfen hätte. Um diesem 
Standpunkt gerecht zu werden, hat Alph. Favre an 
die Möglichkeit eines zwischen dem Rocher de M£- 
mise und dem Hocher du Blanchard zwiachen Saint 
Gingolph und Meillerie abgebrochenen Sturzes gedacht, 
der aich zwiachen Locon und dem Weiler Bret, 3 km 
w. Saint Gingolph, in den hier sehr tiefen obern Genfer- 
see geworfen hätte. In der Tat sieht man an dieser Stelle 
an einem stark geneigten Gehänge einen Haufen von 
Sturztrümmern, die der Moräne dea Rhonegletschers 
aullagern. Ein solcher Sturz kann sehr wohl derart 
rezent und so mächtig geweaen sein, das» man ihn 
ina Jahr 563 verlegen und ihm die dem Sturz von 
Tauretunum zugeschriebenen verheerenden Wirkungen 
zumuten dürfte. [D* H. Sc«»ri»t.) 



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767 



ta v ANASA ( Kt. Graubünden, Bez. Vorderrheln, 
Kreis Disentis, Gem. Brigels). 709 m. Gemeindeabteilung 
und Weiler, am rechten Ufer des Vorderrheins und 11,9 
km wtw. der Station Banz der Bündner Oberlandbahn 
iChur-llanz). Postbureau ; Postwagen Ilanz -Disentis. 17 
Hauser. 98 kalhol. Ew. romanischer Zunge. Kirchge- 
meinde brigels. Wiesenbau und Viehzucht. Bis hierher 
steigt im Vorderrheinthal der Nussbaum hinauf. Mitten 
im Dorf entspringt eine Quelle, an der sich früher die 
zur Landsgemeinde nacbTruns begebenden Abgeordneten 
zu erfrischen pflegten, An die Hh*-inbrücke knüpfen sich 
einige Erinnerungen aus dem Kriegsjahr 1799. 

TAVANNES, deutsch Dachskelden (Kt. Bern, Amts- 
bez. Münster). Bahnhof in 756 m, 
Kirche in 771 m. Gem. und Pfarr- 
dorf im obern Abschnitt der Vallee 
de Tavannes. nahe den Quellen 
der Birs und I km nnö. der Pierre 
Perluis. Knotenpunkt der Strassen 
Biel-Münster, Saigneltigier-Tra- 
melan-Tavannes und Glovelier- 
Bellelay-Tavannes. 14,5 km wsw. 
Münster und 9 km nnw. Biel. 
Hauplort eines Wahlkreises. Sta- 
tion der Linie Biel-Delsberg-Basel 
und Kopfstation der Regionalbahn 
Tavannes-Tramelan. Postbureau, 
Telegraph, Telephon ; Postwagen 
Tavannes-Les Genevez. Gemeinde, 
mit Beifond, Le Doux. «»ränge. 
Sous le Mont und La Tanne : 156 
Häuser, 1591 Ew. (wovon 232 Ka- 
tholiken der Pfarrei ßevilard ; 
1096 Ew. französischer, 427 deut- 
scher und 68 italienischer Spra- 
che) ; Dorf: 131 Häuser, 1415 Ew. 
Elektrisches Licht ; Druckwasser- 
versorgung. Ackerbau und Vieh- 
zucht. Holz- und Viehhandel. 

Käsereien. Mühlen und Sägen. Brüche auf guten 
Haustein. Grosse Uhrenfabriken. Gut besuchte Jahr- 
märkte im April und September. Sparkasse. Sekun- 
därschule und Gewerbeschule. Eine ßuchdruckerei. Eid- 
genössisches .Zeughaus. Das an der Römerstrasse über 
die Pierre Perluis gelegene Tavannes ist eine sehr alte 
Siedelung. 866: Theisvenna ; 1147: Tasveno; 1181 : Tas- 
venna ; 1258 : Tasvanne. Die seit dem 13. Jahrhundert 
auftretenden Edeln von Tavannes sassen in einer 1448 
und dann wieder 1846 in Flammen aufgegangenen Burg, 
deren Beste auf einer Anhöhe 1,5 km n. vom Dorf, über 
der Ein du Chätelet und rechts der Strasse Tavannea-Le 
Fuet heule noch sichtbar sind. Die hervorragendsten An- 
gehörigen derer von Tavannes waren : Johannes als Be- 
sitzer der Burg Saugern (Soyhieres) 1337, Peter als Burg- 
herr von Saint Ursanne, Johannes als Chorherr des 
Münsters zu Basel 1492. 1518 Hess sich Jean de Tavannes, 
Herr von Delle, als Franzose naturalisieren ; er war ein 
kühner Kriegsmann, der die Engländer in der Picardie 
und die Spanier im S. des Landes zurückschlug, sowie 
unter Franz I. bei Marignano sich auszeichnete. Seine 
Schwester Marguerite vermählte sich 1504 mit Jean de 
Saulx, einem Vorfahren des später als > Marschall von 
Tavannes » bekanntgewordenen Gaspard de Saulx. Die von 
den Edeln von Tavannes in der Kirche St. Germain zu 
Pruntrut 1427 errichtete Kapelle ist in ihrer ursprüngli- 
chen Gestalt noch heute vorhanden. Aus Tavannes 
stammte ferner der französische General Voirol. Die refor- 
mierte Pfarrei Tavannes umfasst ausser dieser Gemeinde 
noch die Dorfer Ghindon, Beconvilier, Saicourt und 
Säulen. Die Kollatur zu Tavannes stand zuerst dem Kloster 
Itellelay zu, dessen Abt auch nach der Reformation bis 
1798 den dortigen Pfarrer ernannte. Der zum katholischen 
Pfarrer von Tavannes ernannte Jakob Mochler, Subprior 
von Bellelay, trat 1529 zur Reformation über, verheiratete 
sich und wusste die ganze Pfarrei zum neuen Glauben 
zu bekehren. Bern begünstigte diese Bewegung und 
sandte Farel zur Unterstützung des Pfarrers nach Tavan- 
nes. Wie Möchler selbst linterhielten auch seine Nachfolger 
im reformierten Pfarramt mit dem Kloster Bellelay bis zu 
dessen Aufhebunge durchaus freundschaftlich Beziehun- 



gen. Nachkommen von Jakob Möchler leben in Tavannes 
heule noch. Nahe dem Dorf befindet sich die Strom- 
quelle der Birs, die am Kontakt der betnahe senkrecht 
stehenden Schichten des Porti;« nd mit dem Kimeridge 
entspringt. 

TAVANNES (VALLEE OK) (Kt. Bern, Amtsbez. 
Münster). 756-665 m. 13,6 km langes und 2 km breites 
Muldentnal im Ketteniura, zieht sich zwischen dem Monto 
im S. und dem Mont Moron im N. von der Pierre Pertuis 
bis zur Klus von Court. Das vom Überlauf der Birs ent- 
wässerte Thal senkt sich zunächst in der Richtung gegen 
NU., um von Reconvilier an direkt ostwärts umzubiegen. 
Nordwestl. Tavannes münden zwei kleine Seitenthälchen 




TavaDos* von Ontsn. 

ein, durch welche man zur N. -Flanke der Montagne du 
Droit und nach Tramelan hinaufgelangt; unterhalb Re- 
convilier öffnet sich von links das von der Trame durch- 
llossene Thälchen von Saicourt; oberhalb Court erhält 
die Birs von links den Bach von Champoz und am Ein- 
gang in die Klus den Bach von Le Chaluet aus dem gleich- 
namigen kleinen Thal zwischen dem Graitery im N. und 
dem Monto im S. Von Reconvilier bis Court ist der Lirs- 
lauf kanalisiert. Das lings der Birs sumpfige und an den 
heidseiligen Berghängen steinige und felsige Thal von 
Tavannes eignet sich wenig zum Ackerbau, trägt dagegen 
gutes Weideland und ist noch stark bewaldet, so dass 
sich hier ein starker Holzhandel entwickelt hat. Heisse 
Sommer und lang andauernde, kalte Winter mit starkem 
Schneefall. Das Thal wird aeiner ganzen Länge nach 
durch die Bahnlinie Biel • Sonceboz - Delsberg, die die 
Pierre Pertuis in einem Tunnel unterfahrt und durch die 
Klus von Court das Thal von Münster erreicht, durch- 
zogen und zudem noch von der Regionalbahn Tavannes- 
Tramelan bedient, die in naher Zukunft an die Linie 
La Chaux de Ponds-Saignele'gier Anschluss erhalten soll. 
Gute Strassen. Gleich der Bann betritt die Kantonsstrassc 
das Thal durch die Pierre Pertuis, um es durch die Gor- 
ges de Court wieder zu verlassen. Von Tavannes zieht 
sich eine Strasse nordwestwärts nach Tramelan-Saigne- 
legier und eine andere nordwärts über Bellelay und durch 
die Klus des Pichoux nach Glovelier. Ferner führt ein 
guter Weg von Court aus ostwärts durch «las Thälchen 
von Le Chaluet nach Gänsbrunnen, von woher der Weis- 
senstein bestiegen werden kann. In dem verhältnis- 
mässig engen Thal von Tavannes folgen sich die Siede- 
lungen auf kurze Strecken und bilden die Gemeinden 
Tavannes (1591 Ew.), Reconvilier 1 1730 Ew.), Loveresse 
(383 Ew.). Pontenet (234 Ew.), Malleray (1224 Ew.). ße- 
vilard (652 Ew.j, Sorvilier i438 Ew.) und Court (1082 Ew.) 
mit zusammen 7334 zur Mehrzahl reformierten und fran- 
zösisch sprechenden Einwohn«*rn. 2011 Ew. deutscher 
Zunge; 912 Katholiken der Pfarrei ßevilard; die deutsch- 
sprechenden Reformierten sind nach Münster eingepfarrl. 
Die Bewohner des Thaies von Tavannes sind arbeitsam, 
unternehmungslustig und sparsam. Di«? Uhrenindustrie 



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768 



TAV 



TAY 



besonders Tavannes. Reconvilier, Mallerav und Bevilard 
xu einem Wohlstand gehoben, der mit der unfruchtbaren 
und rauhen Landschaft in seltsamem Widerspruch steht. 
Grosse Messinggiesserei in Reconvilier ; Vieh-, besonders 
Pferdemärkte in Chindon ; grosse Sägen in Mallerav. 
Sekundärschulen in Tavannea und Reconvilier, Waisea- 
haus « La Ruche » in Reconvilier. Das ehemalige Alters- 
asyl in Loveresse ist 1906 aufgehoben und vom Staat zu 
einer Besserungsanstalt für verwahrloste Mädchen um- 
gewandelt worden. Seiner zentralen Lage im Berner Jura 
verdankt Tavannes ein eidgenössisches Zeughaus. Bas in 
seiner geschichtlichen Entwicklung mit der Propstei 
Münster eng verknüpfte Thal von Tavannes trug früher 
den Namen Dorval oder Borvau. der zwar mit der Ety- 
mologie Orval = aurta wllis nichts zu tun hat, wohl 
aber auf den unter Mark Aurel in Awnches residierenden ! 
römischen Statthalter Durvus sich beziehen konnte, unter « 
dem nach der Inschrift an der Pierre Pertuis diese be- I 
rühmte Strasse durch den Jura dem Verkehr übergeben 
worden ist. 

TAVAU. Rätoromanischer Name für Davos. S. diesen 
Art. 

TA VE (GRAND) kt Wallis, Bez. Entramonti. 3154m. 
Gipfel in dem langen Kamm, der vom Grand Combin 
nordwärts zieht und oberhalb Fionnay endigt ; unmittel- 
bar sw. über der Panossierehütte des S. A. C, von wo 
der Berg in 1»/, Stunden ohne Schwierigkeit erstiegen 
werden kann. Schöne Aussicht. 

taveda oder TOVEDA (Kt. Graubünden, Bez. 
Moesa. Kreis und Gem. Roveredo). 298 m. Kleines Dorf, 
am linken Ufer der Moesa und 500 m ö. der Station Ro- 
veredo der elektrischen Bahn Bellinzona-Misoz. 30 Häu- 
ser, 114 kathol. Ew. italienischer Zunge. Kirchgemeinde 
Roveredo. Acker-, Wiesen- und Weinbau. 

TA V EL (Kt. Preiburg, Bez. Sense). Gem. und Dorf. 
S. den Art. Takers. 

TA V EL (Kt. Waadt, Bez. Vevey, Gem. Le Chätelard). 
450 m. Dorf in den Obstbaumgärten am Fuss des alten 
Burgturmes Le Chätelard und des modernen Schlosses 
Les Criles, an der Strasse nach Chälel Saint Denis und 
500 m nö. von Bahn- und DampfschifTstation Ciarens am 
Genfersee. Telephon. 26 Häuser, .'i'15 reform. Ew. Filiale | 
Clarens-Brent der Pfarrei Montreux. Acker- und Wein- ] 
bau. Villen und Mietshauser. 1250: Tavelz. Miozäne Nagel- 
lluh mit Schieferkohlen. Vergl. die Art. Chatei.am» (i.e), 
Clarens und Montrei x. 

taverbach oder KALTWASSER BACH (Kt. 
Wallis, Bez. Brig). Wildbach ; entsteht aus den Schmelz- 
wasserbächen de» Kaltwassergletschers , die sich beim 
Schirmhaus V unterhalb der Simplonstrasse vereinigen, 
und erhält ausserdem noch das Wasser zahlreicher 
Quellen und anderer kleiner Seitenbäche. Mündet zu- 
sammen mit dem Nesselbach in 1070 m von links in die 
Saltine oder Ganter. Zungenende des Kaltwassergletschers 
in 2570 m und Vereinigung der Quellbäche unter dem 
Schirmhaus V in 1700 m. Lange vom GleUcher bis zur 
Veremigungsstelle 6 km und von da bis zur Mündung 4 
km. Der Name Taverbach bezieht sich auf die am alten 
Simplonweg unter dem Kapfloch stehende Taverna oder 
Tavernette, ein ehemaliges Wirtahaus, das heute als Alp- 
hütte dient. 

TAVERNA (Kt. Teasin, Bez. Locarno. Gem. Vairano). 
250 m. Kleines Dorf mitten in Weinreben und alten Ka- 
stanienselven, 1 km sw. der Station San Nazzaro der ! 
Linie Bellinzona - Locarno - Luino der Golthardbahn. 15 | 



Häuser, 36 kathol. Ew. Kirchgemeinde Vairano. Wein- 
bau, Viehzucht und Holzschlag. Stark« Auswanderung 
nach der Toskana. 

TAVERNE i Kl. Tesain, Bez. Lugano, Gem. Sigirino 
und Torricclla). 367410 m. Gemeindeabteilungen und 
Dorf am Vedeggio. an der Vereinigung der von Agno 
und Lugano gegen Bellinzona ziehenden Strassen und 1 km 
n. der Station Taverne der Linie Bellinzona-I.ugano- 
Chiasso der Gollhardbahn. Poslbureau, Telegraph, Tele- 
phon; Postwagen Station Taverne-Mezzovico. Taverne 
umfasat 1) eine Abteilung der Gemeinde Torriceila mit 
den beiden Weilern AI di lä del Ponte und Motto, dt m 
Dorf Taverne Inferiore und einem Teil von Taverne Su- 
periore : 48 Häuser, 269 kathol. Ew. ; 2) eine Abteilung 
der Gemeinde Sigirino mit einem Teil des Dorfes Taverne 
Superiore: 7 Häuser, 32 kathol. Ew. Taverne Inferiore 
und Taverne Superiore zählen zusammen 42 Häuser, P VI 
kathol. Ew. Kirchgemeinde Torriceila. Acker- und Wein- 
bau, Viehzucht und Zucht der Seidenraupe. Genossen- 
schafts-Molkerei. Kreishauptort. Periodische Auswande- 
rung der Männer als Maurer und Gipser in die franzö- 
sische Schweiz. Das Dorf hat seit der Eröffnung der Gott- 
hardbahn viel von seiner ehemaligen Bedeutung (Lafre an 
der Strasse über den Monte Ceneri) verloren. Der Name 
bedeutet s. v. a. ■ Herberge, Wirtshaus ». 

TAVERNE8 (LES) (Kt. Waadt, Bez. Oron). Schul- 
haus in 647 m. Gemeinde mit zerstreut gelegenen Siede- 
lungen, am linken Ufer der Broye und an beiden Ufern 
des Greuel. Das etwa in der Mitte der Gemeinde stehende 
Schulhaus befindet sich 2,5 km sw. Oron la Ville und 1,4 
km w. der Station Paletieuz der Linie Lausanne- Payerne- 
Lyss. Strassen Les Cornes de Cerf-Palezieoz und Chä- 
tillens-Lea Thioleyres. Gemeinde, mit Dausaz und Haut 
Cret: 24 Häuser. 137 reform. Ew.; Weiler Les Tavernen : 
15 Häuser, 83 Ew. Kirchgemeinde Oron la Ville. Land- 
wirtschaft. Brüche auf harten Molassesandstein. Mühle 
und Säge. Die Siedelung soll bis in die Römerzeit zurück- 
reichen und als « Tabernae » an der Romerstrasse Vevey- 
Moudon gestanden haben. Hier befand sich die 1134 in 
einer vollständigen Waldwildnis gegründete Abtei Haut 
CnH, um die sich später einige Höfe ansiedelten, worauf 
im 16. Jahrhundert auch eine Herberge entstand, worauf 
die früher Froideville geheissene Ortschaft allmählig mit 
dem Namen Les Taverneszu bezeichnen begonnen wurde. 
Es ist heute festgestellt, dass die erwähnte Römerstrasse 
ö. von Les Tavernes über Oron ging. Vergl. Pasche, 
Charles. I.a contree d'Onm. Lausanne 1895. 

tavetsch, romanisch Tiietsch ( Kt. Graubün- 
den, Bez. Vorderrhein, Kreis Disentis). Gem. mit zahl- 
reichen Dorfern und Weilern im Val Tavetach, dem 
obersten Abschnitt des ßündner Oberlandes. Die ausge- 
dehnte Gemeinde zieht sich vom Todi im N. quer über 
■ las Thal des Vorderrheins zur Grenzkette gegen den 
Kanton Tessin im S. und grenzt im W. an den Kanton 
Uri. 39 km w. Banz und 29 km ö. Göschenen. Postbureauz 
in Rueras und Sedrun, Postablagen in CamUcholas, 
Selva und Surrhein, Telegraph in Sedrun und Tschamut; 
Postwagen Ilanz-Disentis-Oberalp-Andermatt-Goschenen. 
Gemeinde, mit Bugnei. Camischolas, Cavorgia. Gonda, 
Rueras, Sedrun, Selva. Surrhein. Tschamut undZarcuns: 
117 Häuser. 810 kathol. Ew. romanischer Zunge. Pfarrei. 
Wiesenbau und Viehzucht. Berühmt sind der Honig, 
der Ziegenkäse und die Schinken von Tavetsch. Land- 
schaftlich schöne und grossartige Gegend. Der Name 
Tavetsch, Tuvetsch oder TuieUch ist vom mittellatein. 
forum, lorilium — Schlucht, Tobel herzuleiten. 



SCHM SS DES FÜNFTEN RANDES. 



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