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Full text of "Versuch eines neuen Systems des natürlichen Rechts"

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Bayer. Staatsbibliothek 



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V e r f u c h 



eines 



neuen Syflems 



des 



natürlichen Rechts 



von 

Johann Chriftian Gottlieb Schaumann. 



Erßer TheiL 

Die Grundlage des Naturrechts, 




H alle, 

bey Johann Jacob Gebauer. 

1796. 



1 

* 



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Bnyaritch« J 
StaalsölbtiotNk 
Münchtn I 



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Immanuel Kant, 

* dem 

■ 

Gründer der Wif fen fch af t, 

'S. 

Lehrer der reinen Wahrheit, 
Authentifchen Ausleger des Selbftgefetzes, 
Unfterblichen Wohlthäter der Menfchheit, 



■ 



mit * 

Achtung und Ehrerbietung 

* 

gewidmet 

von 

dein Verfaffer. 



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Vorerinnerung. 



hrere Männer, deren Forderungen mir, 
Vie fie felbft intereflant find, haben mich 
aufgefordert, die Satze der kritifchen Philo- 
fophie, befreyt vom Zwange der fcholafti- 
fchen Terminologie, fo darzuftellen, dafs 
fie auch dem, welcher nicht fchulmäfsig den- 
ken gelernt hat, wenn er nur überhaupt den- 
ken will, verftändlich werden. Die Ueber- 
Zeugung, dafs alle Wahrheiten der Philofo- 
" pbie einer folchen Popularität, als diefe 
Männer verlangen, fähig find, und meine 
i Achtung und Liebe gegen fie haben mich be- 
nimmt, ihre Aufforderung anzunehmen. , 

Aber ich weifs wol, dafs der grofse 
Haufeder populären Schriftfteller unrecht hat, 
und dafe Popuiarifirung der Wahrheit, Wif- 
fenfchaft derfelben, und diefe, Grundfor-^ 
. , . " A j ' ' ' fchung 



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6 Vorerinnerung. 

fcbung notwendig vorausfetzt. Ich habe 
mir deswegen aufgegeben, vor Anfang jenes 
GefchafFts mit aller Anftrengung, deren meine 
Kräfte fähig find, nach einer möglichft kla- 

* ren Anfchauung der Selbftgründe oder unbe- 
dingten Bedingungen des Wittens zu ftreben. 
Nur dann , wenn man bis zu den reinen Quel- 
len der WilTenfchaft hindurchgedrungen ift, 
kann man hoffen, das Gold der reinen Wahr- 
fceit zu findfrn, uncl, was man felbft gefun- 
den hat, andern, welche darnach verlangen, 
mittheilen zu können. 

Da ich fchon feit einem Jahre mit der 
neuen Ausarbeitung meines Syftems des Na- ^ 
^ türrechts befchä'fftigt bin- fo habe ich die 
Ideen, zu welchen mich mein eignes For- 
jfchen nach dem der WilTenfchaft zum Grunde 
liegenden Abföluten und die Winke einiger 
Selbftdenker geleitet haben, zuerft zur Grund- 
legung und wiflenfchaftlichen Vervollkomm- 
nung die/er Wiflenfchaft angewendet. Die 
gute Aufnahme, welcher meine erfte Ausar- 

t beitung des Naturrechts gewürdigt worden 
ift, war unter den äufseren Motiven zum 
angeftrengteften Streben nach Verbeflerung 
mteines Vortrags von Grund aus gewifs nicht 
das unwirkfamfte. Meinen Dank dafür habe 
ich dem Publicum nicht mit Worten bezeu- 
gen, fondern durch That beweifen zu muf- 
fen geglaubt, und mich daher angelegentlich 

be- 



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Vmrinmrung. 



beftrebt, die Ideen von dem Naturreehte des 
JVIenfchen, der Wiflenfchaft diefes Rechts, 
dem Rechtsfatze u. f. w. reiner darzuftellen 
Uad bündiger zu deduciren; . die Gränzeti 
diefer Wiffenfcbaft genau zu beftitntne>n ; die 
einzelnen Lehren mit der Grundlehre und 
unter einander inniger zu verbinden, und 
das ganze Syftem derfelben richtige* zu arti- 
culiren. Inlanderheit habe ich die Methode 
iq. meiner erften Ausarbeitung wefentlich 
verändert; denn in diefer ift fie, uneraqhtet 
ich damals das Gegentheil glaubte, dogma- 
tisch und ganz analytifch, da doch die Me- 
thode des Naturrechts im Wefentlichen (was 
da§ Recht betrifft) fynthetifch, und nur in 
Beziehung auf das Object des Rechts, (die 
Katur) analytifch feyn mufs. 

Des fo eben gefagten unerachtet, bitte 
ich das Publicum, diefe Schrift nicht als die 
zweyte Auflage meines wiflenfchaftlichen 
Naturrechts, fondern als ein ganz neues und 

für lieh beftehendes Werk zu betrachten, 

•* • ... 

Weil fie dies in der That ift. Das Buch, wel- 
ches die eigentliche zweyte Auflage der er- 
wähnten Schrift ift, fall, wie diefe es war, 
mein Leitfaden in meinen Vo riefungen feyn, 
und wird daher in einer, diefem Zwecke ge- 
mäfsen, äufsern Form, ebenfalls ganz neu 




ausgearbeitet, erfcheinen. 





Es 



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g Vorerinnerung. 

Es ift mir wohl bekannt, dafs nach den* 
gewöhnlichen Schulgehrauch das Naturrecht 
zu der praktifchen Philofophie gezählt wird ; 
allein, mich dünkt, fchon der Name Natur* 
recht , defien erfter Beftandtheil etwas theore» 
tifches (Natur) bedeutet, zeigt an, dafs die- 
fer Schalgebrauch nicht ganz richtig ift. 

Ich habe zwar in dem erften Hauptftück 
meiner Schrift meine Gedanken über dielen, 
für die Wiflenfchaft fehr erheblichen , Punct 
fo beftimmt und deutlich, als mir möglich 
War, vorgetragen : halte es aber doch nicht 
für überflüflig, hier noch folgendes darüber 
zu bemerken, um jedem, welchem daran ge- 
legen ift, meine Vorftellung von diefer Sache 
anfchaulich zu machen. 

Jeder Zufammen fetzung CSynthefis, Com- 
pofition) und jeder Auseinanderfetzung (Ana- 
lyfis , Expofition.) liegt etwas , vor der Zu- 
fammen - und Auseinander, fetzung Gefetztes, 
d. h. etwas Boraus- gefetztes, alfo auch eätife 
Vorausfeizung (Hypothefis, Suppofition) not- 
wendig zum (gründe; denn eine Zufammen. 
oder Auseinanderfetzung ohne vorgehende 
Setzung ift ein nihil pegativum, oder hebt 
fich felbft auf. Da diefes von jeder Syntbefis 
und Analyfis, d. h. allgemein gilt, fo gilt 
es auch von der wijfenfchaftlichen , mithin von 
allen wiflenfchaftlichen Syßemen oder foge- 
nannten Wifienfchaftem 

• Auch 



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Vortrinnerung« 9 

Auch die Wiflenfchaft der Wiflenfchaften, 

- 

d. i. die Wiflenfchaft der fynthetifchen Sätze 
a priori, und der, durch diefe möglichen, 
Analyfen — * man nennt fie bekanntlich Phi- 
losophie — ift, fo fern fie Ifißenfchaft iß, 
jenem Gefetze unterworfen; aber, die, ihr 
zürn Grunde liegende, Hypothefis (dafs doch 
ja niemand bey diefemWort an das, was man 
gewöhnlich Hypothefe, d. i. einen im vor- 
aus, ohne Deduction, angenommenen Sate 
nennt, denken und dem Verfafler fremde 
Gedanken, unterfchieben wolle ! ) ift wefent* 
Vieh von denen unterfebieden , welche die 
Bedingungen der übrigen Wiflenfchaften find* 
Denn die Philofophie ift in der Idee die Wif- 
fenfehaft der Wiflenfchaften ; von ihr em- 
pfangen alfo alle Wiflenfchaften ihre Hypo- 
thefen ; aber fie felbft kann die ihrige nicht 
von irgend einer andern Wiflenfchaft ablei- 
ten; mufs alfo eine ursprüngliche Hypothefis, 
eine Hypothefis fchlechthin a priori haben. 

Das Einzige, welches fchlechthin a priori, 
i. i. nicht blos diefem und jenem, fondem 
jf//iro^orausgefetzt ift: das Einzige alfo, wel- 
ches lieh zpr Hypothefis der Ur -wiflenfchaft 
qualificirt, ift das UrdiHg, das Ding an fich y 
d. h. das Selbfi oder das Ich. Der Satz, wel- 
cher die Ur- wiflenfchaft fetzt, mufs ein Z7r- 
fatz feyn, ein Satz, welcher das Ur-ding 
oder das Ich fetzt. Das Ich allein ift gefetzt, 

A 5 ohne 



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I i 1 

/ 

I 

tfo Vorcrlnncrung* 

s ohne geworden (durch etwas Anderes gefetzt) 
zu feyn : das Ich allein verßeht fich von felhft, 
weil es in fich fetbß iß: das Ich allein ift ohne 
Grund , weil es Selbßgrund ift: das Ich allein 
hat Glauben (fein Creditiv in fich Selbß), al- 
les übrige mufs beglaubigt werden. Ohne 
das Ich iit kein Seyn in dem Ich, d. h. kein 
Bewufstfeyn (Bey fich feyn): und ohne Be- 
wufstfeyn kein Handeln und Werden, kein 
^Thun und Haben in dem Ich, d. h. kein Den* 
ken und keine Wiffenfchaft möglich. Durch 
" Mcilebranches : Nous vovons tout-en Dieu, 
und durch Spinotza's: Ev aut Tlav kann die 
höchfte Wahrheit, der wahrhaftige Grundfatz 
alles Wittens treffend ausgedruckt werden. 

Die ursprüngliche Hypothefis, welche 
der Philolbphie zum Grunde liegt, beftimmt 
zugleich das Kiefen, die eigenthümliche Form 
diefer Witten fchaft, das, welches diePhilofo- 
phie zur Philofophie macht. Sie ift nemlich: 
Die Wiffenfchaft durch das Selbß, die Witten- 
fchaft durch den fich Setbß verflehenden Qeifl. 

Man könnte daher diefe, aus dem das 
Selbftgefühl beftimmenden Selbftbewufstfeyn, 
d. h. aus dem Selbfttriebe oder Geift (dem 
Haupte Jupiters) entfpringende Wiffenfchaft 
mit dem, wie mir fcheint nicht unpaffenden, 
deutfehen Namen Selbßwi ff en fchaft bezeich- 
nen, wodurch zugleich an die, fo oft aus 
der Acht gelaffene, Wahrheit erinnert würde, 

dafs 



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Vorerinnerung; u 



dafs niemand ein Philofoph feyn känn , wenn 
er nicht Sclbßdenker (welches m$hr. bedeutet, 
als das Wort origineller Denker für die Mei- 
ßen ausdruckt) ift, und dafs das Hauptbeftre- 
ben der Philofophen darauf gerichtet feyn 
foil, fich und ihre Brüder zu der Idee des rei- 
nen Ich, der reinen Selbftheit zu erheben. 

Durch ihre Form kann die Philofophie 
nicht in fich felbft unterfchieden oder eioge- 
tbeilt werden; denn was nicht aus ✓diefern 
Glauben (dem unmittelbaren , Selbftbewufst- 
feyn) ift, das ift niöht philofophifch. Der 
Gefichtspunct zur Eintheilung der Philofo- 
phie mufs alfo durch den Gehalt derfelben, 
durch dasjenige beftimmt werden, wovon 
die Philofophie Wiffenfchaft nimmt und giebt. 
Diefes ift nun aber entweder das Ich felbft, 
oder das, was nicht Ich ift, d. i. die Natur. 
Ein drittes läfst fich a priori nicht finden, und 
darf a pofteriori nicht gefacht werden. 

Wir haben demnach zuerft zwey Haupt» 
theile der Selbftwiflenfchaft: 

x) Die Philofophie von dem Ich, d. i. die 
Wiffenfchaft, Jeren ot und w die Selbft- 
heit oder Freyheit ift. Sie wird die 
präktifche Philofophie genannt, weil fie 
ihre Sätze von dem Ich , d. i. von dem 
fich felbft fetzenden, beftimmenden oder 
formenden, mit einem Wort yon dem 
Selbfigefetz empfängt; • w 

a) Die 

v I 



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Vor er inner ung. 

ä) Die Philofophie von dem Nicht. Ich oder 
der Natur. Sie heifst theoretifche öder 
«AfoJttrphilofophie, weil ihre Satze dem, 
Gehalt nach nicht durch das fich felbfl: 
fetzende, wollende oder trachtende^ 
fondern durch das von fremder Kraft 
gefetzte, werdende oder betrachtete. 
beftimmt werden. 

Durch diefe beiden Haupttheile der Phi- 
lofophie werden die beiden untergeordneten 
Theile derfelben — Refultate des erfteren — 
gegeben. Diefe fiAd : 

3.) die theoretifch - praktifche Philofophie, 
d. i. die Wiflenfchaft von det objectiyen 
oder Caufal -beziehung zwifchen dem Ich. 
und dem Nicht- Ich — - von der Macht 
des Ich, als der £/r- fache, über das ihm 
entgegengefetzte - (gewirkte) Nicht- 
Ich. Diefe theoretifch -praktifche Phi- 
lofophie heifst mit einem Worte die 
juridifche , weil lie eine Wiflenfchaft 
der Gefetze ift, nach welchen das dem 
Ich entgegengefetzte Nicht« Ich der 
Form des Erften gemäfs zu beftim- 
men — * die Natur zu Recht zu fetzen — - 
das Reale zu idealifiren ift : 

4) die prakiifck - theoretifche Philofophie, 
d. i. die Wiflenfchaft* von der fubjectiven 
oder Modalbeziehimg zwifchen dem Ich 

und 



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Vorcritmcruitg. 13 

• 

und d$ffi Nicht -leb — von dem Ver~ 

mögen des Ich zur Vereinigung mit 
dem Nicht* Ich , d. h. zurBefeelung der 
Natur, . Diefe praktifch - theoretifche 
Philofophie kam* kurzer die liberale 
oder Ättw/Jphilofopfiie genannt werden, 
weil fie eine Wifienfchaft der Regeln 
ift, wie fich das Ich dem Nicht - Ich 
mittheilen — die Freyheit in der Natur 
lieh darftelien — das Ideale fich reali- 
firen kann. 

Diefe Bemerkungen, verglichen mit dem, 
was in dem erften Hauptftück diefer Schrift * 
vorgetragen ift, werden hoffentlich hinrei- 
chen, urri meinen Satz, dafs das Naturrecht 
nicht praktifche, föndern theoretifch-prakti- 
fche Philofophie fey, Jedem, welcher darii- 
• her nachdenken will, wo nicht annehmlich, 

doch deutlich zu machen. 

• ■ 

Ein fehr wefetotlicher Punct der kritifchen 
Philofophie fcheint mir felbft von vielen ih- 
rer Bekenner noch nicht genug gefafst und 
beherzigt worden zu feyn , und hierin liegt, 
nach meiner Einficht, die ürfache, dafs die 
Philofophie noch nicht alles gewonnen hat, 
was fie durch die Kritik gewinnen kann , und 
dafs die Zwietracht unter den Philofophen 
noch fo grofs ift. Ich meyne den praktifchen 
Gefichtspunct, weicher in der Kritik fo offen 

und 

* 1 



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Vorarinmrufig. 



und War vor Augen geftellf ifh Sehr viele 
Philofophen verkennen in ihren Lehren über 
Freyheit, Un'fterblichkeit und Gott den Pri- 
mat der praktifchen Vernunft, und tragen 
diefelben daher, obgleich fie fich Kritiker 
nennen,' doch fehr theoretifch und dogma- 
tifch vor. IVlart fage es doch endlich einmal 
laut, d. h. fo, dafs es jedermann verfteht, 
dafs der ünfterbliche Urheber der Kritik der 
Freyheit., Unfterblichkeit und Gotte nur 
praktifche — nicht aber theoretifche Realität 
zufchreibt, Freyheit iß nicht, , fondern fie 
foll feyn: fie iß uns nicht gegeben, fon- 
dern wir follen fie uns felbß geben, d. h. wol- 
len: Unfterblichkeit iß nicht, fondern fie 
foll feyn, fie wird uns nicht nach diefem 
Leben gegeben, fondern wir follen fie uns in 
diefem Leben geben : Gott iß nicht, (in dem 
gemeinen, theoretifchen Sinne diefes Worts.), 
fondern et foll feyn: er ift nicht da, fon- 
dern er foll hier (im Bufen jedes Menfchen, 
in meinem Herzen) feyn: Gott giebt fich 
uns nicht, fondern wir follen ihn felbft uns 

•geben, d. h. ihn wollen oder praktisch an 
ihn glauben. Wir felbft follen uns den Va- 
ter (das Ideal der Heiligkeit) geben, damit 

v der Sohn Gottes (Annäherung an diefes Ideal 
in unfrem Lebenswandel) in uns erzeugt 
werde, und von uns durch diefe beiden ein 
heiliger Geift ausgehe* Kurz: Freyheit, 

Un- 

* 



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Parcrinnerung. 15 

Unfterblichkeit und Gott Und in Her Theorie 
nichts (der natürliche Menfch erkennt fie 
nicht): fie find blos Etwas in Praxi (nur 
durch den Sohn Gottes kann man zu Gott 
kommen). Ich müfste mich fehr irren* 
W&nn nicht durch eine größere, feibftthä- 
tige Aufmerkfamkeit auf den praktifchen Ge* 
fichtspuhct der Kritik die WiflenTchaft unend- 
lich gewinnen, und Wahrheit und Friede . 
auf Erden unaufhaltfam und leicht fich aus- 
breiten foliten: und dies ift der Grund, 
warum ich feiner hier erwähnt habe. Dafs 
ich an diefem Orte aber nicht ausführlicher 
feyn kann, verlieht der Kenner von felbfiv 

Was mir fonft noch in Beziehung auf 
den Gegenftand diefer Schrift der Rede Werth 
fcheint, werde ich vor dem dritten odW letz- 
ten Theile mittheilem Wenn ich kann, wie 
ich will, wird auch diefer zur Michaelmeffe 
1796 erfcheinen, mithin um diefe Zeit die 
* ganze Schrift vollendet ieyn. Ich hoffe um 
fo fichrer diefen meinen Wunfeh erfüllt zu 
fehen, da ich, nach einer überftandnen Un- 
pafslichkeit, neue Kräfte fühle und im Gan- 
zen alles fchon ausgearbeitet ift. 

Von denen, welche diefe Schrift mit 
einer öffentlichen Beurtheilung beehren wol- 
len, fordre ich nichts, als was fie von fich 
felbft zu fordern haben j Gerechtigkeit, und 

die 



Di 



i6 



Vorerinncrung. 



die nothwendige Bedingung derfelben : ifonrg. 
fältiges Nachdenken deffen, was fie beurthei- 
len wollen. Andre Beurteilungen mögea 
gefchrieben werden ; ich lefe fie. nicht. 

I . ■! 

Für diejenigen endlich f welche fo frey* 
gebig mit dem Vorwarf find , man wolle fich 
das Anfehen geben, weiter als Kant geforfcht 
zu haben, u. d. g. fey das Einzige gefagt, 
was ich fchon fonft erklärt habe : Ich freue 
mich keines Lobes mehr, als des Zeugniffes, 
nachgedacht zu haben , was Kant gedacht hat : 
x aber bin auch überzeugt, dafs zu einem ge- 
gründeten Anfpruch auf diefes Zeugnifs mehr 
erfordert wird , als das nachzufchreiben , was 
in der Kritik gefchrieben fleht. 

\-* 

Giefen, den 9. Nov. 1795* 



■ M 

■ 

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Die 

juridifche Philofophie. 



1 



i. 



Deduction des Naturrechts 



aus 



reiner Vernunft. 



Schaum, ntuts Syfi. des nat. R. 



B 



. > 



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■ 




Vorftellung 

der gefammten Philofophie zum Behuf der 
Deduction des Naturrechts* 



L 
x. 



Das Ich ift dasjenige, welches fich- (al- 
lein von felbß verßeht, alfo auch) allein 
von Jelbfi, d. h. fchlechthin a priori fetzt. • 

Ich bin. 

Denn das Ich fetzt fich (i), und ift alfo 
in der That^ d. h. es h*t Seyn (EJfe, noch 
nicht Exßflere). 

Ich bin durch das Ich. 

Denn das Ich (verficht und) fetzt fich 
von felbß (i) und ift alfo in der That durch- 
fielt felbß, d. h. es hat Sclbßfeyn (Effe a fe). 

B a 4. 



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2o I. Deduction des Nat Utrecht f , 

■ 

Ich bin durch das Ich gefetzt. 

Denn Ich bin (2) durch das Ich (3); mit- ' 
hin hat das Ich (i) fich felbfi fein Selbftfeyn 
gegeben , d. h. es hat fich felbft gefetzt und 
ifi ein Selb fige fetz (ens). 



Ich weifs. 

Derth das Ich ift gefetzt dörch däslch (4); 
was durch das Ich gefetzt ift, ifi gefetzt durch 
das Ich, d, h. es befleht in dem Ich, und was 
ein in dem Ich beflehendes Seyn hat, hat Be- 
temfstfeyn, d. h. es weifs (feientia). 

6. 

Ich weifs das Ich. 
t f Denn das Ich ift gefetzt durch das Ich; 
das gefetzte hat alfo ein in dem Ich befte- 
hendes Seyn oder Bewufstfeyn (5) von fich, 
d. h. es weifs von fleh oder hat SelbfibewufsU 
feyn (3 cowfcientia). 

7* 

Ich weifs das Ich durch das Ich. 

Denn das Ich fetzt das Ich (2); das ge- 
fetzte ift alfo durch ßch felbfi gefetzt, hat alfo 
ein in dem Ich beftehendes Seyn (5. 6) durch 
ßch felbfi, mithin ein fich felbfi vernehmendes 
Seyn , d. h. ein vernünftiges Selbfibewufstfeyn 
oder Vernunft (mens). 

8. 



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aus reiner Vernunft. azx 

8- ' 

Ich weifs das Ich durch das Ich (ohne 
weitern G/und) von felbß. 

Denn das Ich fetzt fcklechthin oder von 
felbfl (i ) ; das gefetzte vcrßeht fich alfo von 
felbß (ohne weitere objective Gründe), hat 
mithin einfielt von felbß verßehendes (wie über 
alle Gründe, fo auch über allen Zweifel erha- 
-bienes) Seyn, d, h. Glauben (fiAes). 



9* 

Ich habe WiffenfchafU 
Denn das Ich weifs etwas ($); feitj Wif- 
fen ift alfo ein reales Wiflen. 

' 10. ■ 

Ich habe Wiflenfchaft von dem Ich. 

Denn das Etwas, welches das Ich weifs, 
ift das Ich (6), fein reales Wiffen (9) eine 
reine Wiflenfchaft (mit nichts fremdartigen, 
dem Ich ungleichen vermifcht — eine Wif- 
fenfehaft lediglich und allein von dem Ich). 

11. 

Ich habe Wiflenfchaft von dem Ich durch 
das Ich. 

Denn das Ich hat fein reales Wiffen durch 
fielt felbfl (7), feine Wiflenfchaft ift alfo eine 
Wiflenfchaft durch das vernünftige Selbftbe- 
wufstfeyn oder die Vernunft (7) , d. h. eine 
Wiflenfchaft a priori (von oben her), 

B 3 12, 



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%% I. Deduction des Naturrtchtf 

12. 

«■ 

Ich habe Wiflenfchaft von dem Ich durch 

das Ich von felbfi. 

Denn das Ich hat fein reales Wiffen von 
felbfi durch den Glauben (8)> mithin ms. eig- 
nem Triebe (durch den Selb fitrieh) , d. h. die 
Wiflenfchaft des Ich ift Philofophie. 

Ich kanil in die Behauptung des achtungs- 
würdigen Selbftdenkers Fichte, dafs der Na- 
me Philofophie einen blofsen Dilettantism, 
blofse Kenneretf u. f. w. bedeute, alfo d£r 
Wiflenfchaft zu gering fey, nicht einftim- 
men; und: darf es diefem wahrhaften Phiio- 
fophen und Kenner der philofophifchen, d. u 
griechifchen Sprache nicht fagen, dafs ich 
darumzieht einftimtnen kann, weil die Wör- 
ter <piksu> und cöCp/« nicht auf Liebhaberei/ und 
^ eine Dilettantenfache , fondern auf Gdfl und 
Gründlichkeit deuten, mithin den Urquell 
diefer Wiflenfchaft und fie felbft treffend be- 
zeichnen. Aber das wünfehe ich mit ihm, 
dafs diefer Name und alle Namen in der 
Philofophie deutfeh werden, und das wird 
gefchehen, fobald alle deutfehe Philofopheti 
von Profejfion, den deutfehen Urheber der 
Philofophie verßehen. Vielleicht findet der 
Selbfidenker den Namen Setbflwiffenfchaft nicht 
ganz unpaflend für die Philofophie. Ich ge- 
brauche ihn felbft noch nicht, weil ich mir 

wol 

I 

- 

I 

I 

> 



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. aus reiner Vernunft. 23 

wol die Kraft vorzufchlagen , aber nicht, zu 
erfinden zutraue. 



T 3- 

Die Forderung Ac? fxoi treu ?&> ift nun be* 
friedigt; denn wir haben gefunden 

2l) die urfpriingliche That: Das Ich fe- 
tzet das Ich. 

b) die urfpriingliche Thathandlung: Das 
Ich iß gefetzt durch das Ich (1 ff.)* 

14. 

Wir haben ferner gefunden die nrfprüng- 
iiche, reine Philofophie a priori, die Glau* 
benswijjenfchaft , welche keine Ableitung (De- 
duetion), kein empirifches Bewufstfeyn a po- 
fteriori (keine Theorie, keine Vorftellung) 
zuläfst, und ihr Creditiv durch das Sel^Ä al- 
lein hat (9 — 12) — die Wiffenfchaft, wel- 
che den notwendigen, aber auch einzigen, 
von Kant offenbarten, Glaubensartikel ent- 
hält. Ohne diefen Glaubensartikel ift alles 
Wiffen nur Stückwerk: was ihm zuwider ift, 
ift fielt felbfi widerfprechend und grundlos. * 

Diefe Wiffenfchaft (14) gründet fich auf 
eine urfpriingliche Setzung (1) , d. h. Thefis. 
Diefe Thefis iß das (fich felbft fetzende) Ick. 
Die Wiffenfchaft Hann daher ihrer Form nach 
thetifche Philofophie heifsen, 

B 4 16, 



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i4 Dtditction des Natürrcchts 

16. 

r 

Die thetifche Philofophie (15) ift Wif- 
ienfchaft von dem Ich C9 ff J. Das Ich ift, 

a) in wie fern es lieh felbft fchlechthin 
a priori fetzt, ein urfprünglieh fetzendes, 
ein abfolutes Ding, d. b. ein Ding an fich: 

b) in wie fern es durch fich felbft 
fchlechthin a priori gefetzt iß, ein urfprüng- 
lieh gefetztes, abfolut bedingtes Ding, d. h. 
eine £7r- fache. 

Daher kann die thetifche Philofophie (15) 
ihrem Gehalte nach fo befchrieben werden: 
fie ift 

die Wiffenfchaft von dem Dinge an fich 
w»<f von der Urfache (16). \ 

Beyl'iufig. Man fieht aus allem diefem, 

a) dafs das Ding an lieh und die Urfache 
Glauben haben, aber keine Theorie (Vorftel- 
lung) derfeiben möglich ift: 

* b) dafs die Skeptiker mit Recht ihre An- 
griffe auf die r t%eorieen über das Ding an fich 
und die Urfache gerichtet und warum fie dies 
gethän haben: 

c) däfs clie Glaub enswi ff enfehaft oder die 
kritifche, auf einer ftrengen Unterfcheidung 
des Ich und Nicht- Ich beruhende, Philofo- 
phie über allen Skepticismus erhaben, dem* / 

fei- 

♦ 

» 

V 

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aur reiner Vernunft* : . a 5 

felben n/r/*f ■ entgegengefetzt und warum fie 
dies ift f. Wi 



18. 

Das Ich fetzt fich felbft gleich wie das 
Ich. . . . 

Denn das Ich fetzt fich felbft rfwnrA /fcA 
felbß(i fi.) ; ift alfo fich felbft ein Ge- 
ietz (4,) — - oder — das Ich beftimmt fich 
felbft, gleich lieh felbft (durch feine eigne 
Selbftform) und fetzt fich alfo in der That 
und Wahrheit (in Uebereinftimmung, Gleich- 
heit, Einheit mit fich felbft,). 

D. K Das Ich ift praktifch — felbftbe- 
Äimmend — ein Selbftgefetz. 

19. 

Das Ich iß gefetzt gleich wie das Ich, 
fl. h. Ich = Ich. 

Denn das Ich fetzt fich felbft gleich wie 
das Ich (18); das Gefetzte ift alfo beftimmt 
durch die Selbftform, gleich dem Selbftge- 
fetze, d. i. gleich wie das Ich (18) — - 

oder das Ich iß in der That lind Wahrheit 

[iß ein fich felbft gleiches, einiges Ich). 

D. h. Das Ich ift innerlich praktifch — m 
fich felbft durch fich felbft gleich fich felbft be- 
ftimmt — d. i. mit einem Worte, moralifch. ^ 



B 5 .ao. 



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/. Deduction des Uatttrrechtt 



« - • : . ' 



20. 



Das Ich fetzt gleich wie das Ich durch 
fich felbß. 

Denn es fetzt gleich wie das Ich 
mithin, gleich diefem durch fich felbft (3). 

D. h. In wie fern das Ich durch fich. felbß 
fetzt, hat es praktifche Frcyheit oder Selbfl? 
vermögen, welches auch, fo fern das Ich 
felbfl dadurch Thal an fich felbft nimmt, fich 
felbfl: zu einem Ur-Theile feiner felbft macht* 
praktifches Urteilsvermögen genannt werden 
kann und ift. 

21, 

> « / I < r 

Das Ich fetzt gleich wie das Ich durch 
fich felbft. 

Denn es fetzt gleich wie das Ich (18)* 
d. h. durch fich felbft.(3): und nimmt mithin 
fich felbft in die Selbftform und unter das 
Selbftgefetz — oder — - das Ich vernimmt, 
fich felbft. 

D. h. In wie fern das Ich fich felbft durch 
fich felbft fetzt, hat es praktifche Vernunft (ift 
fich felbft vernehmlich) oder Selbßgefetzes* 
kraft — praktifche Urtheilskraft vgl. 20. 

22. 

Das Ich fetzt gleich wie das Ich durch 
fich felbft. 

Denn es fetzt gleich wie das Ich (18), 
d. h. es fetzt fich felbft durch fich felbft mit 
fich felbft Eins (zufammen). 

D. h. 



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aus reiner Vernunft. a? 

D. h. In wie fern das Ich fich feM durch 
fich felbft gleich fich felbft fetzt, hat es 
praktifche Wahrheit (ift, wie es war, und 
war, wie es ift) oder Selbßgleichheit . Sctbfi* 
einheit — ein prafctifches (fich felbft glei- 
ches) Ur-Theil (vgl. 20) und Recht. 



2 3- 

, Das Ich iß gefetzt gleich wie das Ich 
durch fich felbß. 

Denn es iß gleich wie das Ich (19), alfo, 
gleich diefem durch fich -felbß in fich felbft 
%eCetzt oder beftimmt. 

D. h. In- wie fern das Ich durch fich felbß 
gefetzt ift, ift es im Stande der praktischen 
Freyheit und hat moralifche oder fittliche (in 
dem Selbft wohnende, fitzende, verweilende 

[von morari] ) Freyheit oder Selbflwacht 

moralifches Urtheitsver mögen vgl. 20. 

. r • 

Das Ich ift gefetzt gleich wie das Ich 
durch fich felbft. 

Denn es ift gefetzt gleich wie das Ich (19), 
alfo, gleich diefem durch fich felbft: ift mit- 
hin , fo wie das Ich fich felbft in fich felbft 
ein Gefetz und vernimmt fich felbft in fich 
felbft vgl. 2r. 

D.h. In wie fern das Ich durch fich felbft 
in fich felbft gefetzt (in und an fich felbft zur 

Ver- 



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28 L Dedttction des Naturrechts 

Vernehmung feiner felbft gewiefen) ift, hat 
es moralifche Vernunft, d. i. Gewiffen oder 
eine Selbftflimme — ein inneres Gericht — 
innere 9 moralifche Urtheilskraft vgl. 20. 

Das Ich ift gefetzt gleich wie das Ich 
durch fich felbft. 

Denn es ift gefetzt gleich Wiedas Ich (19), 
alfo, gleich demfelben , durch fich feibft mit 
lieh felbft in fich felbft Eins. 

D. h. In wie fern das Ich durch fich felbft 
mit fich felbft in fich feibft gleich ift, hat es 
moralifche Wahrheit oder innere Selbßeinheit, 
d. i. Heiligkeit — ein moralifches Ur-Theü 
und Recht. 



26. 

Das Ich fetzt fich felbft durch fich felbft 
gleich wie das Ich nicht gleich wie das 
Nicht - Ich. 

* I r 

Denn das Ich fetzt fich felbft gleich wie 
das Ich, alfo nicht gleich wie das Nicht Ach — 
oder — das Ich nimmt Theil an dem Ich (20), , 
alfo nicht Theil an dem Nicht -Ich, d. h. das 
Ich fetzt fich felbft das Nicht- Ich zum Ge- 
gentheil — oder — fich felbft das Nicht- Ich 
entgegen (e regione). 

D. h. In wie fern das Ich fich felbft das 
Nicht -Ich eritgegenfetzt (fich in der Th*t 

und 



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■ 

x am reiner Vernunft. 29 

\ 

nni Wahrheit der Falfchheit entgegenfetzt), 
i(t es theoretifch — objectiv - felbftbeftini. 
mend — - Qegenflände fetzend« 

37. 

Das Ich iß durch fich felbft gefetzt gleich 
wie das Ich, nicht gleich wie das Nicht -Ich. 
Ich Nicht -Ick 

Denn das Ich ift gefetzt gleich wie das 
Ich (19)9 alfo nicht gleich wie das MVA* -Ich ; 
das Ich ift alfo gleich wie das Ich entgegenge- 
fetzt dem Nicht -Ich (a6) — oder — das 
Ich ift in der That und Wahrheit der Falfck- 
heit entgegengefetzt, d. i. durch das Selbft- 
gefetz gefetzt gegen das Nicht- Ich (zum Be- 
fchrä'nker, Herrn , Richter des Nicht - Ich 
beftellO. 

D. h. In wie fern das Ich durch das 
Selbftgefetz gegen das Nicht -Ich gefetzt ift; 
ift es theoretifch -praktifch — aufser ßch felbß 
jpraitifch — mit einem Worte juridifch. 



28. f> 
Das Ich fetzt fich felbft durch fich felbß 

das Nicht- Ich entgegen. 

Denn es fetzt gleich wie das Ich entgcj- 
gen (26), mithin gleich diefem durch fuft 

felbft C3)> > 
D. h. In wie fern dg$.Ich durch ßch felbß 
«ntgegenfetzt, hat es theorctifche Freiheit 

oder 



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I 

30 1. Bedttction des Näturrcchtf 

oder ein Vermögen, fich felbft durch fich 
felbft Gegenftatnde zu fetzen — objectives 
Selbftvermögen. - J 

29. 

Das Ich fetzt fich felbft durch fich felbft 
/das Nicht -Ich entgegen* * 

Denn es fetzt gleich wie das Ich entge- 
gen (26) und vernimmt alfo das Nicht- Ich 
negative — nicht wie das Ich, fondern wie 
das Nicht- Ich. 

D. h. In wie fern das Ich fich felbft durch 
fich felbft das Nicht- Ich entgegen fetzt, hat 
es thtoretlfche Vernunft oder negative Setbfi^ 
gefetzeskrafU J 

, 30. v 

Das Ich fetzt fich felbft durch fich 'felbft^ 
das Nicht - Ich entgegen. 

Den u es fetzt fich . felbft gleich M^ie das 
Ich entgegen (26) oder negative gleich das 
Nicht -Ich. 

D. h. In wie fern das Ich fich felbft durch 
fich felbft das Nicht -Ich entgegen oder neg(U 
tive gleich fetzt — in wie fern es das, wel- 
ches nicht Eins mit ihm felbft ift, von fich 
ffetbft abföndert und fich alfo aus dem Wider- 
spruch verfetzt , hat es theoretifche Wahrheit 
(und feine Richtigkeit). 



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aus reiner Vernunfu . - 31 

31. 

Das Ich iß durch fich felbfl dem Nicht - Ich 
entgegengefetzt. * 

Denn das Ich ift gleich wie das Ich , mit- 
hin durch fich felbft (3) dem Nicht-Ich ent- 
gegengefet^t (27). r 

D. h. In wie fern das Ich durch fich felbfl 
dem Nicht- Ich: entgegengefetet ift, ift es 
im Stande der theoretischen Freyheit und hat 
theoretifch - praktifche , juridifche (27) Frey- 
beit, d. i. Persönlichkeit , Freyheit gegen das 
Nicht . Ich. 

3^ 

Das Ich ift durch fich felbft dem Nicht- 
Ich entgegen gefetzt. 

Denn es ift dem Nicht -Ich gleich wie das 
Ich entgegen gefetzt (27). 

D. h. In wie fern das Ich durch fich felbft 
dem Nicht-Ich entgegen gefetzt ift — in wie 
fern es als Selbftgefetz das Nicht -Ich zum 
Gegenftand hat und über diefes richtet, hat 
es theoretifch - praktifche , juridifche Vern unf t — 
eine gefetzliche Sttimme (Jurisdiction) über 
das Nicht - Ich — - ein äufseres Gericht 



33- ' 

Das Ich ift durch fich felbft dem Nicht- 
Ich entgegen gefetzt. 

Denn es ift gefetzt gleich wie das Ich 
negative gleich dem Nicht - Ich (2j). 

D. h\ 



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3 z /. Vedifction des Naturrechu 

* 

D. h. In wie fern das Ich durch fich felbft 
iem Nicht -Mich entgegen gefetzt — in wie 
fern es durch das Selbftgefetz Macht gegen 
das Nicht • Ich hat — Mächt hat, die aus 
dem Nicht - Ich entftehenden Widerfprüoh« 
gegen das Ich zu nicht zu machen oder auf- 
zuheben, hat es theöretifch^praktifche , juru 
difche Wahrheit — änfsews Recht. 

■ 

34* 

Das Ich flellt das Nicht -Ich vor fich felbft. 

Denn das Ich fetzt fich felbft das Nicht- 
Ich entgegen (26), beftimmt alfo das Verhält- 
nifs des letztern zu dem Ich oder die Stelle 
des Nicht- Ich , d. h. das Ich ftellt das Nicht- 
Ich; und fo fern das erftere diefes letztere 
fich' felbft entgegen ftellt, ftellt es dafielbe in 
feine Gegend, d. h. vor fich felbft (e regione). 

D. h. In wie fern das Ich das Nicht -Icjj 
vor fich felbft ftellt, hat es ein thätiges (acti- 
ves) Vorflellwngsvermögen oder Forfieltungs- 
jirafi, Spontaneität, theoretifchen, objectiven 
Verftand — und — activ - beßimmte Vorfiel- 
fangen oder Begriffe. 

' ' ' 35. 
Das Nicht- Ich wird in dem Ich vorge- 

fleltt. 

Denn das Ich ftellt das Nicht -Ich vor fich 
felbft (34). * ' 



I 



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aus t einer Vernunft. 33 

« 

D. h. In wie fern dem Ich das Nicht- Ich 
vörgeftellt Wird f hat das Ich ein leidende* 
fpaffives) Vorfteliungsvermögen oder Vor- 
flellungsfähigkeit > Receptivitüt , theoretifcke, 
objective Sinnlichkeit — und — pajfiv - be* 
flimmte Vorftellungen oder Jinfckauungen* 



* 

< 36. 

Das Ich flelli ( das Nicht . Tch ) vor fich 
felbft. . _ ; ' 

Beweis 34. 

D. h. In wie fern das Ich vor fich felbft 
fleltt oder in fich felbft fetzt — in. wie ferii 
es in fich felbft etwas halt und klfo in fich 
felbft etwas in Verhältnifs mit fich felbft fetzt 
(Vyo$), hat es ein logifches, inneres Vorfiel« 
lungsvermögen oder Denkvermögen — Denk* 
kraft — Gedanken. 

Das Ich ftellt das Nicht. Ich vor fich felbft. 

Beter. 34. * 

D. h. In wie fern das Ich itas Weht - Ich 
Vor fich ftellt ~ Öbjecte denkt G*gm. 
/läW* in feine Gegend (Horizont) fetzt, hat 
es ein fpeculatives , äufseres Vorftellungsver- 
mögen oder Erkenntnifsvermogen — Erkennt* 
nifskraft — Erkenntnijfe.' 

Sthaunt* neues Syfi. des nau R. C Q$. 



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34 /• Bcäuction des Natur nchtr 

: 38- r ^ 

Das Ich Hellt da* Nfcbt-Ich vor fich felbß.< 

Brno. } 
D. h. In wie fern das Ich das Nicht. Ich; 
vw fich ftellt Gegenftände in feinen Ge« 
fichtskrets hineintragt, d. h. hervorßhrt ~*j 
das, was aufser ihm ift (das entgegengefetzte 
Nicht -Ich) doch in Beziehung mit fich felbft 
fetzt , hat es ein produktives , logifch - fpecu- 
latives, aufserltqh - innerliches Vqrftellungs- 
vermögen — Einbilänngsverqiogen — - Ein* 
bildungskraß — fpeculative Ideen. 

39* 

Das Nicht- Ich wird in dem Ich vorgeftellt. 
% Bew. 35- 

D. h. Iii wie fern in dem Ich vorgeftellt, 
in ihm etwas gefetzt wird — in wie fern das' ' 
Ich innerlich beftimmt (afficirt) wird , hat es 
inneren Sinn und innere Anfchaunngen , d. h. 
Gefühlt — Gefuhlvermogen — Gefiihlkraft. 

Das Nicht -Ich wird in dem Ich vorgeftellt 

Bew. 35» • »• 
D. h* In wie fern das Nicht -Ich in dem Ich 
vorgeftellt — das Ich von Gegenwinden (von 
aufsen her) afficirt wird, hat es äufseren Sinti 
und äufsere Anfchauungen , d. h. Empfindwu 
g m — Empfindungsvermögen — Empfin- 

dungskraft# 

- 4*» 




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aut reiner Vernunft* /. 

4r. * • 

Das Nicht -Ich wird in dem Ich vorgeßetlt, 
Beta. 35. 

D. h. In wie fern das Nicht-Ich in dem 
Ich vorgefitllt wird — in wie fern das Ich. 
durch das Cproducirte) Nicht. Ich (38.) inner- 
lich (in feinen Gedanken) zur Production be- 
ftimmt wird , hat es reproduktiven , ä'ufserlich> 
innerlichen Sinn und reproduäiv - beftimmt« 
Anschauungen, d. h. Erinnerungen — Eifa, 
nemngsvermögen — ^ Erinnerungskraft. 

r -1 

Bas Ick flellt durch das Ich das Nicht. 
Ick vor. 

Denn das Ich fetzt fich felbft durch ßck 
felbfl das Nicht - Ich entgegen (ag # 3^ 

D.Jb. In wie fern das Ich durch das Ich 
das Nicht-Ich vorftellt, ift es praktifch . theo, 
retffch, d. b. technifch und hat einen techni* 
fchen Verftand oder JCurfverßand und tech- 
fiifche Begriffe oder Kunßbegriffe — For* 
inen — c Regeln. f 

43- 

Das Nicht wird dunh das ich in dem 

Ich vorgefitllt. 

Denn das Ich fleüt durch das Ich das 
Nicht -Ich vor (4*. 35). 

C % D. h. 



Digitized 



3$ 1. Deduction Jtt Naturtcchts 

D. h. In wie fern das Nicht- Ich durch 
jjas Ich in dem Ich vdrgeftellt wird , hfifc die* 
fes technifchen oder Kunflfinn (Kunftfähigkeit) 
and technifche Anschauungen oder Kunflath 
tagen: jenes aber (das Nicht- Ich f fo fern ete 
durch d^slch vorgeftelit wird, fich alfo durch 
d*flelte vorteilen läfst) ift tteteotogifch und 
Jiat JLunß* (Zweck.) mäfsigkeit. 



- j - 



- 



- 



- 



Das Ich Hellt dwch das Ich das Nicht- 

■ 

Ich vor. 

Bew. 42. . 
D. h. In wie fern das Ich durch fich fetbß 
vor fich felbft ftellt, in fich felbft durch fich 
felbft etWas fetzt hat es ein technifches Denk 
vermögen, d. h. Dichtverritögen — • Dickt* 
traft — Gedichte. * ' 

45. 

Das Ich ftellt durch das Ich das Nicht 1 . 
Ich vor. * 
Beter. 42. 

D. h. In wie fem das Ich durch fich felbft 
das Nicht. Ich vor fich ftellt — in fich felbft 
durch fich felbft Objecte . fetet, hat es ein 
teehnifches Erkenntnifsvermögen , d. h. Erfife 
dmgsver mögen «— Erfindungskraft — Er- 
findungen. - 

.* - 46. 



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, mu reiner Vernunft* 37 

• 

4& 

■ t Das Ich fleltt durch das Ich dis Nicht. 
Ich vor* v 
2tew. 42. 

D. h. In wie fern das Ich durch fich felbft 
das Nicht - Ich vor fich fietlt — durch fich 
felbft Objecte producirt, hat es Originalität 
fein origineiles Productionsvermögen ) und 
technische Einbildungskraft, , d. h. Genie und 
ißchnifcbe (praktifch-theoretifche) Ideen, rf, 
h. Idtqtt. 



47- 

Das Nicht -Ich wird rfwvA das Ick in dem 
Ich vorgeftellt. 
Bew. 43. 

D. h. In wie fern das Nicht - Ich tfzircA 
da* Ich in dem Ich vorgeftellt — das Ich 
durch fich felbft in fich felbft afficirt wird, 
hat das Ich Kunflgtfühl und ift das Nicht-Ich 
aßetifch (technifch fühlbar). . 

48* 

Das Nicht-Ich wird durch das Ich in dem 
Ich vorgeftellt. 
Bew. 43. 

D. h. In wie fern das Nicht . Ich durch 
das Ich in dem Ich vorgeftellt — das Ich 
durch fich felbft äufserlich afficirt wird, hat 
das Ich Qefchniack und ift das Nicht -Ich fchön 
(technifch empfindbar). 
•* * C 3 49. 



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3% f. Tkduction des Watuvrcchts 

49- 

Das Nicht- Ich wird durch das Ich in dem 

Ich vorgeflellL 
Bew. 43. 

D. > h. In wie fern das Nicht - Ich durch 
das Ich in dem Ich vorgefietlt wird — das Ich 
durch fich felbft zur Prpduction des Nicht« 
Ich beftimmt wird, hat das Ich technifche 
öder praktifch-theoretlfche Erinnerungskraft, 
d. h. Phantafie und ift das Nicht -Ich erhaben 
(technisch gedenkbar oder erinnerlich}. 



59 # 

Ich weifs (5) , 
a) das praktifche Ich (18), 
B) die praktifehe Freyheit (20% 
c) die praktifche Vernunft (21)* 
die praktifche Wahrheit (as). 

Ich weifs ($) 
a) das moratifche Ich (19), 
h) die maratifdie Freyheit (23% 

c) die moratifche Vernunft (24}, 

d) die moratifche Wahrheit (25). 

: 5*- 

Ich weifs alles diefes (50* 51 ) durch 

den Glauben. 

Denn ich weifs es durch das Ich von dem 

Ich, alfo, von fetbfi (im Selbftbewufstfeyn 

v- 

* 

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äus reiner Vernunft. 39 

rg — 25). »(reih Witten ift affp in Bezie- 
hung auf alles diefes rein innerlich (durchaus 
/«cht äufserlich -und objectiv). 

' 53- 

Ich habe alfo oder in dem Ich ift 

A) Praktifche Phiiofophie (50. z) , d. i. 
Phiiofophie von dem Selbftgefetz (ig): 
mithin 

a) Phiiofophie von der praktifchen Frey* 

heitp 

b) Phiiofophie von det praktifchen Ver* 
nunfl, 

t:) Phiiofophie von der praktifchen Wahr* 
fait (50. b. c* d). 

B) Moralißche Phiiofophie (51. a)* d. f. 
Phiiofophie von dem innerlichen Selbftge- 
fetze (19): mithin 

a) Phiiofophie von der rooraüfchen 

Freyheit, 

b) Phiiofophie von der moralifchen 
Vernunft, 

c) Phiiofophie von der moralifchen 
Wahrheit (51. b. c. d). 

54. 

Diefe Phiiofophie (53) gründet lieh auf 
eine nrfprüngliche Zofammenfetzung (18)» 
d. h. Syntkefis. Diefe Synthefis ift (die ein- 
zig mögliche urfpttinglicke a priori) Glaichfe- 
tzung des Ich mit lieh felbfl. Man kann daher 

c 4 die 



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» 

/o 7. Dcduction des Katurnchtt 

die praktlfqto u*d moralilche Philofophie ttk 
Itr ^brm n*ch die fynthetifche nennen. 

SS- 

Dem Oehalte nach kann die fynthetifche 
Philofophie fo befchrieben werden. Sie ift 

„ Philo fophie von dem Selbft überhaupt 
und dem innerlichen insbefondere, „ 



•« Icli weift (5) 
a) das theoretische Ich , mithin 
fO die theoretifche Freykeii, 

c) die theoretifche Vernunft, 

d) die theoretifche Wahrheit (26. 28-30). 

■f 57 * 

Ich fewj/3r .(5) 
das begreifende ich (34)» 

58« 

Ich weifs (5) 
das anfchatmde Ich (35)« 

59- 

Ich »fi/j (5) 

das to gif cht Ich (36). 

60. 

Ich ar«i/3r (5) ' 
das fpeculative Ich (37)« 



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v aus reiner Vernunft* 41 

6r# . ... „ 

Ich «fft/j (5) 

das einbildend (idealiftifche) Ich (38). 

Ich weifs (5) 
das fühlende Ich (39). , 

63. 

Ich weifs ('S) 
das empfindende Ich (40), 

64. 

Ich weifs (5) 
das erinnernde (reprodücirende) Ich (41^. 

65. 

Ich weifs alles diefes (56-— (54) vermit- 
telft des Glaubens (8) von dem Nicht -Ich. 

Denn ich weifs es vermittelft der ur- 
fprunglichen Setzung des Ich durch Entge- 
^etrfetzung des Nicht-Ich (26^ alfo, mit- 
telbar durch den Glauben, unmittelbar aber 
von. dem Object oder Gegenftand, Mein 
Kliffen ift alfo in Beziehung auf alles diefed 
fmnrittelbar objectiv, d. i. ein Wiflen im un» 
terfcheidenden Sinne des Worts. 



66. 

Ich habe alfo 
A) theor etif che Philo fophie (56. a); 
*) Pbilofophie der theoretifchen Freyheit, 

C 5 W Phi- 



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4^ /• Deduction des Naturrecht i 

b) Philofophie der tfaeoretifcben Vers 

nnnfl, 

* c) Philofophie der Hieoretifchen Wahr* 
keit (56. b. cd). 

67. i 

B) Philofophie des Verbandes (und der 
Begriffe), d. i. intellectuelle Philofophie (57)* 

6g. 

C) PhUofopbte des Sinnes (und de$ An- 
fchauungen), d. i. Senfual- philofophie (58)- 

69. . 

Philofophie des Denkvermögens pder 
togifche Philofophie (aber nicht Logik im ge- 
wöhnlichen Sinne) (59)* 

7°- * 

E) Philofophie des Erkenntnifsvermogens 
<tt4er fpeculative Philofophie (60). * 

F) Philofophie des EinbildwigsuertnS» 
gens oder idealißifche Philofophie (61). 

72. 

G) Philosophie des Qefühlvermogens oder 
aeßhetifche Philofophie (62). 

73- 

H) Philofophie des Empfindungsvermo- 
gens oder Senfations -philofophie 

74- 

J) Philofophie des Erinnerungsvermögens 
oder JReproductions- philofophie (64). 

" 75* 



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■ 



Mü reiner Vernunft* ' 4$ 

■ ' r: 75. -\ 

Diefe Philofopbie (66 — -74) gründet 
J?ch auf eine urfyriingiiche Entgegen fetzung 
(2.6), d. h. Jntitkefis. Diefe Ahtitheßs ifr 
(die einzig mögliche a priori) Abfondertmg 
des Nicht - Ick von dem Ich (Analyfis). Daher 
kann die gefamtnte tbeoretifche Pbilofophie 
der Farm nach die antithetifche heifsen. 

76. 

Dem Gehatte nach kann die antithetifche 
Philofopbie (75) *° befchrieben werden» 
Sie ift die 

Phihfophie von dem Nicht * Ich. 

__ ' 

A 

77- 

Ich ($) 

a) das theoretifch - praktifche oder jiiritfiV 
JefceJirÄ (27); < 

b) die theoretisch • praktifche oder /»rii^ 
^Ä* Freyhettf 

c) die thearetifch -praktifche oder juridi* 
fche Vernunft^ 

d) die theoretifch . praktifche -oder jarirf/* 
/cAe Wahrheit (31 — 33). 

78- 

Ich weifs diefes (77) relativ. 
Denn ich weifs es von der, die Entge- 
gen feUung des Nicht- Ich betreffenden, Be* 

iiim- 



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44 J. Df4mHmdefN 

ftimmung des Ich — ypn der objectiven (durch 
das Objecto beftimmten) Concurrenz t>der 
Wechfelbeftimmang des Ich und des Nicht* 
Iph — von dem Caufalverhältnljs beider*, 
4. i. ihrer Relafan (27 ff,). 

79- : , 

Ich habe alfo 
gfuridifche Philofophie (77. a); 

a) Philofophie von der juridifchen Jfay- 

b) Philofophie von der juridifchen Ver^ 
nrmftj 

c) Philofophie von der jijridifchen IPahr* 
hext (77; bVc. d). 

Diefe Philofophie (79) gründet fich auf 
eine antithetifche Synthefis (27), Diefe an- 
tithetifche Synthefis. ift Gieichfetzung (Erhal- 
tung) des Ich gegen das entgegengefetzte 
(gegen die Gewalt des) Nicht .Jch, Es kann 
daher die juridifche Philofophie ihrer Fort* 
n^ch dl*, ßntithetifch . fyntketifche heifsen. 

81« 

* Ibrete Gehalte nach kann diefe Philofo* 
phie (80) befchrieben werden durch die 

Philofophie von dem CaufaU (oder Zwang-) 
Verhältnis zwifchen dem Ick und dem Nicht* 
Ich (27 iL 78 ff.)- 

- >i 

8^» 



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8». 

Ich weiß ($} '•'«•■ I 

das praktifch - theoretifche oder* tick* 
nifche Ich, ' 1m ] ^ ' 

b) die praktifch- thebretffche oder tech* 
nifche Freijheit)^ r " ' ; 

c) die prahtifitt* theoretische oder tectt- 
nifche Vernunft} " v ' ' / 

d) die praktifch - theoretifche öder ieck* 
nifche Wahrheit (42), und das, in diefem 
enthaltene , Dichtvermogen , Erfindungsv er mö- 
gen und Genie (44 — 4 6 X 

83- , 

<.j ' Ich weifs (5} , i i 

a) das technifch . äßhetifche oder kunßfa* 
hige , künßerifcfa Ich* / 

b) die künftierifche Freiheit, s\ 

c) die künftierifche Vernunft, 

d) die künftierifche fVahrheit C43) und 
Jas, in diefem enthaltene Kunßgefühl, den 
Gefchtnack, die Phantaße (47 -— 49). ' j 

84- 

Ich «v(/Sr (5) ' J 

a) das technifch - teleotogifche oder ATaw/J- 
(Zweck-) mäßige Nicht- Ich (43)> J 

b) das Aeßhetifche, 

c) das Schöne , und 

d) das Erhabene Nicht- Ich (47 — 49). 

- •!* 
85* 



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4.6 f. Dcduction du Haturnchtt 

SS- 
Ich weifs alles diefes (%% ~ 84) relativ. 

Denn ich wei/s,esyon der, die Gl eich fe- 
tzung des Ich betreffenden, Beftimmung des 
Nicht- Ich — von der fubjectiven (durch das 
Subject beftimmten) Concurrenz oder Wech- 
felbeftimmung des Ich und laicht -Ich — von 
ihrem Modalverhältniß p d. u ihrer idealen 
Relation (42 iQ* 

Ich habe alfo \ 
A) Technifche Philofophie^ 
v a) Philofophie von der technischen 
Freyheit, 

b) Philofophie vo& r der technifcheu 
Vernunft^ 

c) Philofophie von der technifchea 
Wahrheit (82). 

87* 

f B) Technifch - äßhetifche Philofophie, ■ 

a) Philofophie von der technifch - äfthö« 
tifchen Freyheit, 

b) Philofophie von der technifch - äfthe- 
tifchen Vernunft, 

c) Philofophie von der technifch - äfthe- 
tifcben Wahrheit (83). 

88- 

C) Technifch - teleotogifcke Philofophie, 
a) Philofophie von der Zweckmässigkeit 
des Nicht • Ich zum Aeßhetifcken, 

b) Phu 



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. tut rthur Pernunft. 47 

b) Phüofophie von der Zweckmässigkeit 
des Nicht- Ich x zum Schonen, 

c) Phiiofqphifc von der Zweckmäfsigkeit 
des Nicht -Ich zum Erhabenen (84)« 

89? s 
Die technifche Philo foph Je fS&r— 88) 
gründet lieh auf eine fyntketifche Antitheßs 
fo* ff.). Diefe fynthetifche Antithefis ift 
Entgegensetzung des Nicht - Ich für <ias 
gleichfetoende Ich (Vernichtung des Nicht- 
Ich, für die Freyheit des Ich < — Vernichtung 
der Materie durch die Forju — freyes Spiel 
des Ich mit dem Nicht- Ich). Es kann daher 
die technische Phüofophie ihrer Form, nach 
die fynthetifch - antltlietifche genannt werden. 

9°. 

Ihrem Qehalte nach kann man die techni- 
sche Phüofophie (8p) beschreiben durch die 

Philofophie von dem Modal- (Ideal- Spiel-) 
Verhäünifs zwifchen dem Ich und dem Nickt- 
Ich ( 4 2 ff, 89 ff.). 



Die juridifche und techuifche Philofophie 
refuitiren aus der praktifchen und theoretu 
icbetu 

Denn die erflere ift theoretifck - praktifch 
(27 ff. 77 ffO, und die andere praktifch» 
theoretifch (43 ff. «a ffO. , 



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4 8 f. Deduction des Natumchts 



9n 0 
Das Ich vernichtet das Nicht- Ich. 
Denn das Ich fetzt das Nicht -Ich negaüvi 
gleich dem Ich (26) , macht alfo das Nicht- 
Ich zum Nicht -Ich. 

D. h. In wie fern das Ich das Nicht « Ich 
zinrr Nicht -tch macht, formt es das letztere 
und ift alfo die Form für diefes. 

■ 

Das Nicht -Ich wird durch das Ich zut$ 
Nicht * Ich. 

Bew> or. 

D. h. In wie fern das Nicht- Ich durch 
das Ich zum Nicht - Ich wird, t wtrd es durch das 
Ich geformt und ift alfo die AZateWe des Ich. 



• • 4. t 



1 ■ 



93* v 

Das Ich reatißrt das Nicht - Ich. 

Denn das Ich fetzt das Nicht-Ich negativ^ 
gleich dem Ich (26), macht alfo das Nich^ 
Ich zu einem Nicht •Ich. 

D. h. In wie fern das Ich das Nicht: Ich 
fcum -Nicht- Ich macht 9 bedingt es das letz- 
tere (macht es zum Dinge) und ift die BedirH 
gung (das Bedingende,) des Nicht - Ich ±** 
fein Real-Gnmd. 

94* 

Das Nicht-Ich wird durch da* Ich realifirÜ 
Bew. 93» 

D. h. 



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aus reiner Vernunft. 49 

< 

D. h. In wie fern das Nicht- Ich durch 
das Ich zum Nicht- ü;Ä wird, wird es durch 
das Ich bedingt, und ift alfo ein bedingtes 
Ding, ein Ding unter der Bedingung des 
Ich 9 d. i. eine Subfianz. 

95- 

Das Ich bewirkt das Nicht -Ich. 

Denn es reaUfirt das Nicht - Ich (93^ 
macht alfo diefes zum Nicht -Ich. 

D. h. In wie fern das Ich das Nicht -Ich 
zum Nicht - Ich macht, veritrfacht es das 
letztere, und ift die Caufal- Bedingung des 
Nicht- Ich (hatCaufalitat in Betreff diefes) — 
fein Exfißential. Grund. 

96. 

Das Nicht- Ich wird bewirkt durch daslch. 
Bew. 95. 

D.h. In wie fern das Nicht- Ich durch das 
Ich zum Nicht- Ich gemacht wird, wird es 
durch das Ich bewirkt, ift alfo ein bewirktes, 
ein aus der Caufalität des Ich entftandenes, 
d. h. ein Effect upd hat ein aus dem Ich 
angefangenes (inceptum von capio, fangen) 
Seyn, d. Ii. Exfißeaz (von ex und fifto, es ift 
aus dem Ich hervorgegangen, entftanden). 

97- * 

Das Ich befeelt das Nicht -Ich. 

Denn das Ich fetzt das Nicht- Ich negative 
gleich dem Ich durch das Ich (31), beftimmt 
Schaum, neues Syß. des nat.R. D alfo 



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£0 1 t Deduction des Naturreckts 

alfo das Nicht - Ich durch den Setbfltrieb, 

d. h. jflri/I. 

D. h. In wiefern das Ich da$ Nicht -Ich 
durch den Setbfltrieb oder Geifl beftimmt, be- 
freit es das letztere und ift alfo das Befeetende 
(die Seele) des Nicht- Ich — fein Lebens- 
grund oder {natura) naturans. 

98- 

Das Nicht- Ich wird befeelt durch <Ias Ich* 

• Bew. 97. 

b. In wie fern das Nicht. Ich durch 
den Geiß dfcs Ich beftimmt wird, ift es ein' 
Befeelt es , etwas was befeelt, ins Leben ge- 
fetzt, geboren wird, d. h. Natur, Natura 
(naturata). 

1 

99- % . 1 
Das Ich nimmt einen Korper an. 
Denn es befeelt das Nicht -Ich und er- 
fcheint in der Natur (97. 98). 

100. 

Das Ich beftimmt den angenommenen . 
Körper zu einem Leibe. 

Denn es bewirkt denfelben, macht ihn 
au einem Effect der Seele, zu einem Organ 
feiner Erfcheinung in der Natur (95- 9 6 ^ 

101. 

Das Ich fetzt den Leib ins Leben. 
Denn es bedingt ihn (93. 94) — es rea- 
lifirt dis befeelt* Natur, 



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aus reiner Vernunft. g X 

TOS. 

Das Ich wird Menfch. 

Denn es formt die Materie ($t. 92 ) f 
und fetzt alfo feinen Geift in Verbindung 
(Zusammenhang) mit einem Körper. 

103. 

Der Menfch ift ein natürliches (gebor- 
nes), exfißirendes (gewordenes) , fubßantielles 
("bedingtes.), materielles (äufserliches) Ich. 
Bew. 91 — 102. 



X04. 

Der Menfch weifs (5. 103.), 

105. 

Der Menfch weifs ßch felbß (6. J04), 

106. 

Der Menfch weifs fich felbft durch fich 
, felbft (7. 105). 

107.' 

Der Menfch weifs fich felbft durch fich 
felbft von Natur. 

Denn der Menfch ift ein natürliches Selbft 
(103); verfteht fich alfq nicht ganz (rein, 
abfolut) von felbft, hat mithin nicht ein „rein 
von felbft fich verftehendes, fondern von der 
Natur angenommenes Seyn, d. h. empirifches 
Bewufstfeyn oder Erfahrung. 

• \ 

D 2 10g. 



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5* /. Dcduction des Uaturrechts 

* 

108. 

i Der Menfcb hat Wijfenfchaft. 
Bew.xo^. 9. 

109. 

Der Menfch hat Wiflenfchaft von fich felbfl. 
1 Bew. 105. 10. 

110. 

Der Menfch hat Wiflenfchaft von fieli 
felbft durch fich felbfl. 
Bew. 106. ii, 

_ 

in. 

Der Menfch hat Wiflenfchaft von fich 
felbft durch fich felbft von Natur — oder — 
die Wiflenfchaft des Menfchen ift eine Natur- 
wiflenfehaft, d. i. Erfahrungsphilofophie. 
Bew. 107, 12. 



112. 

■ 

Die Erfahrungsphilofophie (irx) grün- 
det fich auf ein , durch das Urfprüngliche, 
Gefetztes, d. h. auf einen Satz oder ein 
Thema. Diefes Thema ift der Menfch, d. I 
das empirlfch beflimmte Ich (10^). Die Er- 
fahrungsphilofophie kann daher, 

a> ihrer Form nach, thematifche Philo fo- 
phie heifsen, 

b) ihrem Gehalt nach aber beschrieben 
werden durch die 



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aus reiner Vernunft. 53 

Phitofophie des Lebens (roi) — oder — 
W/flenfchaft von dem Dinge an fich und der 
ür fache, fo fern fie in der Natur exfiftiren, 
<f. i. erfch einen* 



IV. 

Der Menfch fetzt fich felbft (durch feine 
Menfchheit, von Natur) nicht gleich wie 
das Ich. 

Denn der Menfch ift ein Menfchen - Ich, 
alfo nifcht ein reines, fondern ein unreineslch. 

D. h. In wie fern der Menfch lieh von 
Natur nicht gleich wie das Ich felbft fetzt, ift- 
er nicht praktiftk (vgl. 18).. 

"4- 

Der Menfch ift von Natur nicht gefetzt 
gleich wie das Ich. , ' 

Denn das Gefetzte (der Menfch) ift durch 
das Menfchen -Ich, alfo nicht durch ein reu 
nes Ich gefetzt. 

D. h. In wie fern der Menfch von Natur 
nicht gefetzt ift gleich wie das Ich, in fo 
fern ift er nicht moralifch (19). 

Der Menfch foll fich felbft,, fetzen gleich 
wie das Ich. 

D 3 Denn 



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£4 f. Dtduction des flaturrechts 

Denn der Menfch ift gefetzt durch das Ich 
(xo2. 103), und das Ich oder Selbftgefete 
ift aifo das Menfchengefetz oder der Menfch 
ftsht unter dem Selbftgefetz, welches den 
Merrfchen, weil er nicht von Natur densel- 
ben gleich ift, wider feine Natur beftimmt, 
d. h. nöthigt. 

In wie fern der Menfch unter dem nöthi- 
genden Selbftgefetze' fteht — alfo mit dem- 
felben untergeordnet verbunden ift — findet 
für denklbery praktifche (thetifche) Nothwen* 
digkeit, d.i. Verbindlichkeit ftatt. 

116. 

Der Menfch foll fich felbft gleich wie das 
Ich durch das Ich fetzen. 
Bew. 115. 

D. h. Der Menfch foll praktifche Freiheit 
haben (vgl. 20) . • t , 

117. 

Der Menfch foll fich felbft gleich wie das 
Ich durch das Ich fetzen. 
Bew. 115. 

D. h. Er foll praktifche Vernunft haben 
(vgl. 21). 

118. 

Der Menfch foll fich felbft gleich^ wie das 
Ich durch das Ich fetzen. 
Bew. 115. 

D. h. Er foll praktifche Wahrheit haben 
(vgl. 22). 

119. 



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ms rsiner Vßtnmfu 53 



1x9. 

Der Menfch foll gleich wie das Ich durch 
das Ich gefetzt fey n. 

Denn er fleht unter dem, wider feine 
Natur fich fetzenden Selbftgefetze (115J, 
oder unter einem abfoluten Imperativ. 

D. h. In wie fern der Menfch dem nöthi- 
genden Selbftgefetze gleich feyn — ' es mit 
diefem wider die Natur halten — ihm inner- 
lich angehören (unverbrüchlich 9 eidlich zu- 
gethan und gehorfam feyn) foll, ift er inner- 
lich, moratifch verbunden, d. h. verpflichtet, und 
firfdet für ihn eine moralifche, innerliche (fyn- 
thetifche,) Nothwendigkeit, d. h. Pßicktßfrtt^ 

... 120. 
Der Meafch fall gleich wie das Ich durch 
das Ich gefetzt feyn. 

Bew.119. 
D. h. Er foll moralifche, innerliche 

Freiheit oder Witkn haben (vgl. 23). 

• • --. 

121. 

Der Menfch foll gleich wie das Ich durch { 
das Ich gefetzt feyn. 
Bew. 119J 
D. h. Er foll moralifche, innerliche Vir- 
mmft oder Qewiffen haben (vgl. 24). 

122. 

Der Menfch foll gleich wie das Ich durch 
das Ich gefetzt feyn. v 
Bew. 119. 

D 4 D. h* 



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$6 I. Dcduction des Naturrechts ■ 

D. h. Er foll moralifche, innerliche 
Wahrheit oder Heiligkeit haben (vgl. 25)* 



123. 

Der Menfch. fetzt fich felbft nicht gleich 
wie das Ich die Natur entgegen, • 

Denn er ift ein Menfchen-lch 9 v alfo nicht 
ganz gleich dem Ich. 

Aber es ift unmöglich , dafs der Menfch 
fich felbft anders, als wie das Ich die Natur 
entgegenfetze. 

Denn nur Ich — Nicht - Ich : Nicht- 
Ich = Nicht. Ich: d. h. nur durch das Ich 
ift das Nicht-Ich , Nicht-Ich , und die Natur, 
Natur, alfo kann auch der Menfch nicht an- 
ders, als durch das Ich die Natur fich felbft 
entgegen fetzen. 

D. h. In wie fern es unmöglich ift, dafs 
der Menfch fich felbft anders als das Ich die 
Natur entgegenfetze — in wie fern er ein- 
zig und allein durch das Ich (die Einheit), 
nicht durch das Gegentheil des Ich (Nicht- 
Ich, Nicht- Einheit) die Natur von fich felbft 
unterfcheiden kann, ift er an das theoretifche 
Ich gebunden und findet für ihn theoretifche 
(antithetifche) Noth wendigkeit, d. i. ein 
Mufs ftatt 

124. b. 



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aur reiner Vernunft* 57 

v 124. J>. 

Der Menfch kann fich felbft gleich wie 
das Ich die Natur entgegenfetzen. 

Denn er ift ein Menfchen - Ich. 

D. h. In wie fern es dem Menfchen ge- 
geben (angeboren) ift, fich felbft gleich 
wie das Ich die Natur entgegen zu fetzen — 
giebt es für ihn theoretifche Möglichkeiten — 
natürliche Vermögen — Anlagen. % 

Der Menfch kann fich felbft durch fichfelbfi 
die Natur entgegen fetzen. 
Bew. 124. b. 
D. b. Er kann theoretifche Freyheit haben 
und hat Anlagen zur theoretifchen Freyheit. \ 

126. 

Der Menfch kann fich felbft durch fich 
felbft die Natur entgegen fetzen. 
Bew. 124. b. 

D. h. Er hat Anlagen zur theoretifchen 
Vernunft. 

127. 

Der Menfch kann fich felbft durch fich 
felbft' die Natur entgegen fetzen — dps dem 
Ich widerfprechende (Widerfpriiche.) aus fich 
felbft entfernen. 

Bew. 124. b. 

D. h. Er hat Anlagen zur theoretifchen 
(negativen) Wahrheit. 

Dg 128. 



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58 /• De du et ton des Natumchts 



12$. 

Der Mpnfch kann die Natur fielt vorfielUn. 

Bew. 124. b. 34. 
D. h. Er hat Anlagen zum natürlichen 
Verßandt (Perceptionskraft). 

129. 

Der Menfch kann die Natur fich vorflelten. 

Bew. 128. 36. 
D. h. Er hat Anlagen zum naturlichen 
Denken (Apperceptionskraft). 

130. 

Der Menfch kann die Natur lieh vorftellen. 

Bew. 128* 37. 
D. h. Er hat Anlagen zum natürlichen 
Erkennen (Apprehenfionskraft). 

Der Menfch kann die Natur fich vorftellen, 

Bew. 128, 38. x 
D. h. Er hat Anlagen zum natürlichen. 
Einbilden (Imaginationskräft). 



*3 2 - 

Der Menfch mufs fich durch das Ich die 
Natur vorßellen. 
Bew. 124. 

D. h. Es giebt für den Menfchen eine 
durch das Ich, d. h. a priori beftimmte, theo- 
retifche (die N^tur betreffende.)* d. i. mit 
einem Worte eine metaphyfifche Notwendig- 
keit 



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aus reiner Vernunft, i 59 

kcit (außerhalb der -Natur gelegene Bedin- 
gungen des natürlichen Vorftellsns). . 

133- 

■ • 

Der Menfch mufs fich durch das Ich die 
Natur vorftelien. 
Bew. 13a. 

- 

D« h. Die Bedingung der theoretifchen 
Freyheit (12$) ift die metaphyfifche. 

*34- 

Der Menfch mufs fich feibft durch das Ich 
die Natur vorflellen. 
Bew. 132. 

D. h. Die Bedingung der theoretifchen 
Vernunft (126) ift die tnetaphyßfihe. 

*35- 

Der Menfch mufs fich feibft durch das 
Ich die Natur vor Hellen. 
Bew. 132. 

D. h. Die Bedingung der theoretifchen 
Wahrheit (127) ift die tnetaphyfifche. 

136. 

Aus 12g — 131 verglichen mit 13^ 
folgt weiter 

a) der metaphyfifche Verftand mit Vor- 
flellungen a priori oder Vor fiellungs formen: 

b) die metäpbyfifcbe Denkkraft mit Be» 
griffen ä priori: oder Begriffsformen — Ka- 
tegorien* . m t „; 

c) die 



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60 L Dtäuction des Naturrechts 1 

./ c) die metapbyfifche Erkenntnifiskraft mit 
Notionen a priori oder Urtheilsformen : 

A) die metapbyfifche Einbildungskraft 
mit theoretifchen Ideen a priori oder Princu 
jjieh — Schlufs formen^ 



VI. 

Der Menfch iß glßich wie das Ich der 
Natur entgegengefetzt. 

Denn er ift ein Ich (103).» 

D. h. In wie fern der Menfch gleich wie 
das Ich gegen die Natur gefetzt ift, hat er 
einen theoretifch-praktifchen oder juridifchen 
Stand und ift ein juridifches Subject (vgl. 27). 

138. 

Der Menfch ift gleich wie das Ich der Na- 
tur entgegengefetzt. 
* Bew. 137. 

D. h. Er hat juridifche Freyheit oder Per- 
sönlichkeit und ift eine Per Jon (31.). 

139- 

Der Menfch ift gleich wie das Ich der 
Natur entgegen gefetzt. 
Bew. 137. 

D. h. Er hat juridifche Vernunft — Ju- 
risdiction über die Natur — - ein äufseres Ge- 
richt und ift Richter der Natur (32). 

140. 



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r 

aus reiner Vernunft* 6x 
140. 

Der Menfch ift gleich wie das Ich der 

Natur entgegen gefetzt 
Bew. 137. 

D. b. Er hat juridifche Wahrheit jari- 
difche Macht gegen die Natur — ein Natur- 
recht und ift Herr der Natur. 

Es giebt alfo für den Menfchen eine theo* 
retifch - praktifche Wirklichkeit (Exfiftentiali- 
taO, d. i. eine juridifche Erlaubnifs oder ein 
Dürfen, und er hat durch diefes Dürfen eine 
juridifche Macht, d. u Befugnifs, eine, durch 
das Ich ihm verliehene, antithetifch . fynthe- 
tifche (durch Entgegenfetzung zur Gleich fe- 
tzung wirkfame) Macht, d. h. eine Macht, 
die Natur zu idealifiren oder das Reale den 
Rechtsideen gemäfis zu formen. 



14T. 

Die Natur wird dem Menfchen vorgeftettt. 

Bew. 103- 35. 
D. h. Die Natur wird in Beziehung auf 
den juridifchen Stand des Menfchen beftimmt, 
oder fie ift ein juridifcher Gegenfland (und 
hat eine juridifche Lage), und wird für das 
juridifche Subject beftimmt, oder ift ein jurU 
difches Object. v 

142. 

Die Natur wird dem Menfchen vorgeftellt. 
Bew. 141. 

D.h. 



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6a /• Deduction des Naturrechts 

D. h. Die Natur wird für die Perfönlich- 
keit des Menfchen beftimmt, d. h. juridifch 
bedingt und ift eine Sache (13s)« 

M3- 

Die Natur wird dem Menfehen vorgefiellt. 

Bew. 141. . . 
D. h. Die Natur wird von der juridifch ea 
Vernunft gerichtet, d. h. juridifch behandelt 
und ift mit dem Menfchen in juridifcher Qe- 
meinfchaft (communio negativa). 

144. 

Die Natur wird demMenfchen vorgeftellt- 
Bew. 141. 

D. h. Die Natur wird von dem Natur- 
rechte des Menfchen bewirkt, d. b. berechti- 
get (titulirt) und zu einem Rechtsobjecte ge- 
formt ( fpecificirt, modus* adquirendi); ge- 
hört alfo in juridifcher Hinficht nicht fich 
felbft an (ift titellos) und ift nicht im Eigen- 
thume (res nullius). 

vn. 

. ' r A 145. 

Der Menfch fletlt durch das Ick die Nhtur 

vor. 

Bew. X03. 42. \ 
D. h. In wie fern der Menfch durch das 
Ich die Natur vorftellt, ift er praktifch-theo* 
retifch, d. h. Uchnifch und hat Kunfiverflaud 
(vergib 

J46* 



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aus reiner Vernunft, . $ 3 

Der Menfch ; ftellt durch das Ick die Na- 
tur vor. 

Bew. 145. 

D. h. Der Menfch hat DichtvermSgen 
(vgl. 44% 

147. 

Der Menfch flelk durch das Ich die Na- 
tur vor. 

- 

Bew. 145. 

D. h. Der Menfch hat Erfindungsvermo* 
gen (vgl. 45X 

J 48* 

Der Menfch flellt durch das Ich die Na- 
tur vor. 

Bew. 145. 

D. h. Der Menfch hat Originalität und 
Genie (vgl. 46). 

Es giebt alfo für den Menfchen eine, 
prai^A-theoretifche Wirklichkeit (Exfiften- 
tiaiität) , d. i. eine technische Kruft oder ein 
freyes Können , und er hat durch diefes freye 
Können ein Kunßv er mögen, ein fynthetifch- 
antithetifches (durch Gleich fetzung zurvEnt* 
gegenfetzung geftimmtes) Vermögen, ein 
Vermögen /freye (genialifche) Ideen zu na* 
tnralißren — - das Ideale in das Reale hin- 
überzufpielen (Spielmacht), 



149, 



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64 duttton des Hat ur rechts 

149. 

-> Die Natur wird durch * das Ich in dem 
Menfchen vorgeflellt. 
Bew. 145. 
D. h. Der Menfch hat Kunfifinn und die 
Natur i&teleologifch — zweckmäßig (vgl. 43). 

Die Natur wird durch das Ich in dem 
Menfchen vorgeftellt. 

Bew. 149. 
D. h. Der Menfch hat Kunflgefühl und 
die Natur ift aefihetifch (vgl. 47). - 

151. 

Die Natur wird durch das Ich in dem 
Menfchen vorgeftellt. 
Bew. 149. 
D. h. Der Menfch hat Qefchmack und die 

Natur ift fchön (vgl. 48.). 

Die Natur wird durch das Ich in dem 
Menfchen vorgefiellt. 
Bew. 149. 
D. h. Der Menfch hat Phantafie und die 

ifatur ift erhaben (vgl. 49). 



VIII. 

/ Der Menfch weiß (104) 

a) feine natürliche Ungleichheit mit dem 
praktifchen Ich (113): 

b) feine 



/ 



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■c. ant r einer Vemmfi. \ 6% ' \ 

i 

* b) feine natürliche Ungleichheit mit dem 

mraUfchen Ich fr 14): , 

c) feine natürliche Ungleichheit mit dem 

tkeoretifchen Ich (r*3>. - 

Der Mpnfch hat alfo, überhaupt 
Wiffenfchöift von feiner : Naiur, d. f h. von 
dem, was im Mehfchen von Natur dem Ich 
entgegenftrebt , ^ d: i. mit ithein Worte An- 
thropologie , und zwar 
: - *)' ptäktifche*, ' 4 • *; 

b) rnoralifche, ■ '* e ~ 1 

c) theorettfche Anthropologie 

• " 154. b. : f'^ — "< 

Diefe Anthropologie CTV4) ;i g^ d «t ßch 
auf eine Entgegenflrebmg der Menfchennatur 
gegen das Menschen ^— I<tb C f 53; 1 54} — ei- 
nem Facto des. empjrifchen Bewufstfieyns — » 
Und kann daher ihrer Fotm nach 

JntagqniJKfch* Erfahrunjg^afophi* 
genannt werden , und zwar 

,a) heteronomifche , welcjif fich anf^den 
Antagonism der Menfchennatur gegen das 
jraktifeh? un^^Qraiifchetlch^ r v v 
ri bj) antwotiifyh&i welche ficb auf den Wl- 
derfpruch de r Menfchennatur gegen ,da$ the* 
retifche Ich bezieht ; k / f 

,j • • , 1.55* ■ r ' ^ 7r 
Ihrem G*Äa/fc nach kann"die^Aropö/ög^ 

befchrieben werden durch die ' % 

Sthamn, mm Syfl. des nai.R* E JEr* 

1 

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, * * - I • . » 



• .1 



56 f. Deduotion da Naturruht t 

i . ErfahruhgsphUofophie k)on dem Verhaltes 
der Menfchennatur zu dem Menfchen • itf* 

LIT ~- ~ 

f > 

Der Menfch weifs (104) 

. A) feine . ^ *r f & pnci tieft k* i t 
,a) ^r v p?aktifchen ^yfta# f 

b) zur praktifchen Vernunft, 

c) zur praktifchen Wahrhit (l 1 5 • 1 1 8) i 

B) feine Pflicht - . 
. a> ^urjftKj^ifcöfen Frejffteü, 
b) zur moralifchen Vernunft f 

- ' ; Der Meitifth hat alfo (1 5<S) Wiffenfchaß 
" a) votiHteirter FetüindUthktit : » * 
b) von feiltet" i^Af, t • 
Die Wiffenfchaft von der Verbindlichkeit 

fcum ; ' 1 

Praktifche Menfchenphilofophie ( Ph. )pr. 

. üniverfalis) ' : * 
genannt werden , deren GmlQj&ge das Qefetz 
der praktifenen Vernunft zur gefetzlichen 
Richtung derWillkiihr (Krifik'-der praktifchen 
Vernunft) ift. 

Die Wiffenfchaft Von der Pflicht kann 
Moralifche Menfchenphilofophie (Moral) s 

: > hei- 



- . ■ 



0 



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aur reiner Pernunfi; ^ 

neifsen, deren Grundlage d'er Stttenfpruck 
des Gewiffens zur fittenrichferlicheh Beftin*. 
JDiuig des willkiihrlichen TBrutfs lind Laffeas 
(Cenfar des Gewiffens; ift. ■ '\ 

<■'■'•;■ * * . *• J • 

Die praktische und moralifche Menfchen* 
philofophie (157) gründen fich als Wiffen- 
fchaften auf einen durch daä ich beftimmten 
Ürmidfate der Conßitution desMänfchen (con. 
ftitutives Gefctz),*und können deswegen ihrer 
Form nach den Namen der conßitütiven (fyn- 
thematifchen) Mefnfchenphilofophie fuhren. 

Ihrem Qehatte nacn kann 

a) die praktifche Philofophie durch die " 
Philofophie von der praktifcken, und 

b) die Moral 9 durch die 
Philofophie von der moralifchen Conßk 

iuiion des Menfchen y \ 
befchrieben werden (156 — 155)/ 



Der Menfch weifs (104} 

fc) fein theoretifches Können und Muf- 
fen — fein theot etifches Vwtoögfen und die 
Bedingung deflelben (104 — 127^: 

b) die dureh Nätüf , a pofteripri beftimm- 
ten oder phyftfcfariy und : 0 b „ 

B * c) die, 



«.1 ; , . 

1 ? . . 



« ■ ■ 



Digitize 



I. 



> e) die, die Vorftellung der Natur be» 
trefFende^ P . aber nicht durch Natur beftimm,- 
"ten , alfp.jn JBe^phung auf die .Natur fraw*. 
jcendentate» , a priori beftimraten ; oder /«er«. 
phyßfchen Bedingungen der Theorie (des Vor. 
ftellens) 128 — 136. ,.. .-„•;., ' . , . 

' ! '" Der Menfch hat alfo mjfenfchaft ; 

r a) von feinem theoretifehen Vermöge^ 
und den Bedingungen deüelben , d. i. theoff, e 
iifche Phitofopkie : yia ^ ti * 

b) . von den phyfifche n , und - . 
- ' c) von dfen metaphyftfchen Bedingungen 
des theoretifehen Vermögens, d^i. phyfifche ? 
und metaphyfifche Ehilofophie oder Pbyftk \ 
und ~ fijteiaphyßk (160;. 

Die Grundtage der gefamten theoretifeben 
Philofophje ift das Vorftellungsgefetz der theo. i 
retifchen Vernunft , kraft Üenen die Natur von- 
dem Menfchen-Ich unterfchieden wird un| 
diefes in de*r Betrachtung jener loch felbft leitet. 

I^>2. 

Die theoretifche Philofophie, als Wif- 
fenfehaft, gründet lieb *uf einen durch das 
theoretifche Lfo beftimmten (nicht <löich fich 
felbft gewiflen * ■-. fondern dureh das Object — I 
ebjective Gründe — bedingten.) ..Lehrfatz ■ 
über das menfebüche Vorfallen — r auf .ein 
Regulatives Prjpcip der Entgegeofetzung des 

Subjeets und Objects durch das Medium de» 

» Vor- 



I 



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auf reifte Vtrmrift7 * 69 

Vdrftellung ; Und kann deswegen ihrer Form 
ftach antithetrtatifche (regulative.) Philofophie 
genannt werden, 

163. - 
Ihrem Oehalte nach kann die theoretifche 

PJ)ilqfophi^ befch rieben werden .durch die 
Philofophie von den Bedingungen derPhae* 

pomene — von den Bedingungen, unter weU 

eben das Ding an lieh und die Urfache im 

erapirifchen ßewufstfeyn erfcheinen, d. In 

yargeftellt werden : 
die Phyfik ift, 
Philo fophie von den phyfifc he n(ob]ecti- 

ven, durch die Natur , a pofteriori, beftünra- » 

tefl); und » * " 

die Metaphyfik 

* ' Philo fopkii von den metapkyßfchen (f ab-. 

j&Ctiven, durch das vorftellende Ich, a priori 

beftinamten) Bedingungen der Phaenomene. 

e 

X. 

164,'- ) - ' < ". . 
Der Menfch' weifs (1:04) 
feinen juridifeken Stand und Gegen ftand 
*M feine Befugnifs ( I 37 — *44) # 

165. 

Der Menfch hat alfo Wijfenfchaft 
von feinem juridifchen Stande und öe- 
genftande und von feiner Befugnifs, d. i. ja- 
ri <iifche Philofophie oder Naturrecht (164). 

E 3 Die 



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7a 1. DedHctüm dts Uaturrechtt 

Die Groiidlage des Nttftfrechts ift die 
reehtfprechende Macht des juridifchen leb 
Über die (illegale) Natur, d. i. die Jurisdi- J 
£tion des aufsern Gerichts. 



• ' 1 6 6. 



Das Nätümtfht, als Wifffenfchaft, griinl 
det fich auf einen durch das juridifche Ich be- 
ftimmten Rechts/atz über die illegale Natur 
zur Incöturriität '(ffufserh Heiligkeit) Men* 1 
fchen , und kann feiner Form nach die legis* 
(atorifche, antithematifch-fyhthetnatifche Phu 
lofophie heifsen (vgl. 8o). 

Seinem Gehalte nach ift das^ Naturrecht die 
Philofophie von dem juridifchen Verhättnifs 
des Menfthen zu der Natur — von der juridi- 
fcheirMacht des Menfch^n gegen die Natur-— * ( 
Von dem Naturrechte oder Rechtszwange. 
Der erße Theil des Naturrechts ift die 
Philofophie von dem abfoluten Naturrecht* 
oder Rechtszwange —y von dem Rechts- 
zwange t fo fern er durch das Men fchen - Ich, 
*Ifo abfoli*te beftimmt wird — • abfolutes Nfr 
turrecht — Philofophie von den Urrechten. l? 
' Der zweyü Theil des Naturrechts ift die 
Phitofophie von dem hypothetifchen Natur- 
rechte oder Rechtsxtvange — von dem Rechts- 
zwange, fo fern er objective, durch die N* 
tur, alfo hypothetifch beftimmt wird — 



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\äutr einer Vücmnfi. r 

hypotketifches Naturreckt Philofophie von 
dea abgeleiteten Rechten. 



XL . 
168. 

v Dcr Menfch «w/3r ("104) 
fein praktifch - theoretisches oder technU 
fches Vermögen und fein Kunßobject oder die 
Zweckmässigkeit der Natur (1 45 — . 1 5 a). 

169. 

Der Menfch hat alfo fPiffenfchaft 
von feinem technifcben Vermögen und Ge?. 
genftande, d. h. technifche Philofophie (168). 

Die Grundlage der technifchen Philofa? 
phie ift die künftlerifche Macht des techni- 
fchen Ieh über die rohe Natur — Technik 
der Urtheilskraft. , # , , 

170. 

Die technifche Philofophie* als Wi|Ten. 
fchaft, gründet fich auf einen durch die tech- 
nifche Urteilskraft beftimmten Kwiflfatz über 
die rohe Natur zur Luft (innern Seligkeit) des 
Menfchen > und kann ihrer Form nach die IU 
berate , fynthematifcb. antithematifche Philo«* 
fophie heifsen, weil fie die technifche Men- 
fchmfrejfheit > die Befeelungskwh des Men- 
fchen, alfo eine freye Mitthälfamkeit deffel- 
ben, d. i. Liberalität zur Grundlage hat 
O69X 

£ 4 171% 



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f3? /. Dcdmion dei Vatumchts etc. 

J u r ' ; \ ' - 171. • *' \ 

Ihrem Gehatte nach kann man dife technii> 
fche Philofophie betreiben durch die Wif- 
fenfchaft oder 

Philofophie von dem techhifchen Verhältnis 
, des Menfchen zu der Natür — von der tech- 
nifchen Macht des Menfchen über die Natur — 
von dem Kunftfpiele. 

Der etfle Theil der technischen Philofo- 

phie ift die 

Philofophie von dem abfohlten d. i. freyen 
Kunftfpiele, d. ti. von dem Kunftfpiele, fo fem 
daffelbe durch die genialifche Kraft des Men- 
fchen -M, alfo frey und abfahrt beftimmt 
wird — ahfötutei Technik , welche man, weil 
vor Kant wol ihre fubjective Beziehung auf 
Ais Lufigefiiht,- aber nicht ihr Grund entdeckt 
war, der erfteren (fubjectiven Beziehung> 
wegen Aefthetik genannt hat. 

r Der ztt/eyte Theil der technischen Philo- 
fophie ift die / 
Philofophie von dem hypothetifchen d. u na-- 

türtichenKunfifpiete, d. h. von demKunftfptele, 
fo fern daffelbe objective, durch die Natur, 
älfo hypothetifcb beftimmt wird — kypothe* 
tifche Technik, welche man wegen der in der- 
feiben zu erwägenden Zweckbeziehung auch 
Teleotogie genannt hat. 



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II. 

Das 

# 

Fundament des Naturrechts. 



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» I.-. » . > I —T 



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i 

\ 



- » 



Das Fundament des Naturrechts. . 

, i . ir . ... ... \ 



* t. ' 



Erfter Abfchnitt. 
Der Rechtsfatz des äufsern Gerichts» 

« fr 

" L 

DfV Kriterien diefss Rechts fatzes. 

ir fachen die Beftinimungen, welche den 
Satz, welcher der Jurisdiction des Menfchen 
über die Natur zum Grunde liegt, oder das 
Fundament der Naturrech te v des Menfchen ißr* 
im allgemeinen charakterifiren. . 

Wir haben daher 2u£ordet& zweyertey z* 
finden: 

. a) Wodurch charakterifirt fich diefer 
Rechtsfatz, als Satz wie fetxt oder be- 
fiimmt er — welches find die Kriterien fei-» 
»er Form? ~ : ^ 
: h) Wodurch charakterifirt fich diefer 
Rechtsfat», als Xechtf-Skto ^ was ift das,} 
Welches in' ihm beftimmt wird — welches 
find die Kriterien feiner MaUru£ {ifa). 



1 



A) Die 



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. A) Die Kriterien der Form des 

Rechtsfatzes. 

Der Rechtsfatz hat 

ay eine poßtive Qualität, oder er ift ein 
bejahender Satz. * % .. v - 

Denn er fetzt /iir den Menfchen ein Rechte 
fetfct alfö ein Präedicaty$r das Subject, d. h. 
demfelben gleich, und ift mithin affirmativ.. 
S. meine Logik von der Qualität der Urtheile. 

175; 

<• b) eine nntheilbäre Quantität, oder er i|f 
ein einiger , individueller Satz (rtfiht fingufa- 
ris, ein einzelner > fondern Mividualis). 

Detm er fekt für den Mek feiten ein 
Recht, fetzt alfo ein Prädicat für das Subject 
überhaupt oderiw Ganzen, nicht aber für dätf 
Subject im hefondern öder theilweife genom- 
men C fär dttäJMknfchen überhaupt, t\\thi für 
einen MenfchenM*//), und ift mithilf- eiit 
Satz, weicher! das PfSdicat mit dem Subjfccte 
tiniget oder witheilbar verbindet, d. h; indU 
viduell. j.v ' 

(Bey diefer Gelegenheit zugleich ein« 
logifche Beridhtigutig , welche mich felbft 

trifft CLog.~ §. 33o>ff0 . 1 ;t 

Alle Sätze habe* Quantität, <di i. Zufam* 
menfetzteng des «PratficatfrAinit dem Subject kür 
logifchen Mejfmg -oder Qroßenbeflimmung 
*; ö de*- 1 



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tf, Da* Fandamm mtomfos. 7T 

d*s, letzter?; ; denn alle .£ftz» vergleichen 
t cortippniren ) . ßi® ; Subject mit einem Prädi- 
kate und ^flm»!-Cveroitflbit) durch das 
letztere -4as erftere.o. ; . ..»I- •' * 
. .Nun ift .bierbey ein. tbppeütf Fall mögs. 
«lieh , , dabef euch . zwey Arten der Sätze der 
jÖi|«ntkät nach : , Neinlich , .' | .9 

Ä , l> entweder ,%ad Subject upd Praedicat 
[oßifch comtnfpfurabel — das le.tztte,beftimrat 
das" Eir/rere überhaupt oder jm. )jßwzeyi , ,. fp 
dafs kein logifcher Bruch übrig bleibt (kein 
Theil des Sabjects übrig bleibt, welcher 
nicht durch das Praedkat beitimmt oder mit 
gemeffen wftfcU fondern das ganze Subject, 
ohne getfoftüfr.SP: werden, von dem Praedicat 
gemeffen wird*., tarnt hat der Satzj eine un, 
theilbare Quantität und ift individuell > ... < • 

*) oder Subject und PraedrcaJ: find lo> 
pkhincommejnßirqbd — das-letztre beftimmt 
das Erftei;e :: DUC ; %#«/f, ib d*& ein logi- 
Icfie> Refi übrig bleibt ::Ce|3Waa„ vom Subjeet 
fibrig bleibt, -^ü*e« nicht .dujph, das Pra* 
dicat m i tge m e Ifen wird ) un d das S u bj e c t ge» 

tbellt werden , m'ufs , um von .«je^ßsaedicate 
gemeffen zu werden; dann hat der Satz eine 
theilbare Quantität und ift dividuell, ein theil» 
iarer Sai*.>~-ii»pl'Oi' . .:> " . 1 > ■'■ 

3) die individuellen Sätze zerfallen iq. 
f«n« und vermifchte;.' jene find nicht blos ih- 
rer Form, fondern auch ihre* Materie nach, 

alfo 



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fr8 IL Dar FvHdamtä NaiuYrechti. 

alfo rein individuell; diefe £hd zwSr ihref 
Form , aber nicht ihrer Materie nach unth eil- 
bar (ihrer Materie nach mannigfaltig, da* 
Sabject an fich eine Vielheit),' alfo vermifcht^ 
unreine individuelle, d. h.ifitiverfelle Satze« 

4; Auf gleiche Weife fiftdet man reine 
und unreine, tktflbnre Sätze: jene heifsen 
partMare ; tfiefe generelle und fpecietle Sätze. 

v Soviel zur Erläuterung und Rechtfertig 
jgung des 175. Satzes). 

Der Refcbtsfatz hat r r ». - I i 1 

, c) eine kategorifihe Relation,' oder ef 
ift iin thetifcher ^ fetzender y'riiohfc aber voraus* 
fetzender (hypothetifcher) Sate. ' ; 

Denn tt ßtzt fSr den JMeHfehbn ein Recht, 
fetzt alfo fiir das Subject ein PÄdicat im en* 
gern Sinne des Worts, d. h: etwa* , weichet 
mit dem Si#jecte fchlechtliini nicht hyprqi 
thetifch ' (unter der Bedingung einer Vorsm* 
fetzung), noch disjunctiv ' (unter der Bedln- 
gung einer Entgegen fetzung) gefetzt wird 
und ift mithin -kategorifcln Log. 340 ff. 

d) eine affertorifche Modalität, oder er ift 
ein wirklicher, nicht blos fetsjbarer Satz» 

Denn et fetzt für denMenfchen ein Rechte 
fetzt alfo ein äradicat mit dem Subjecte <h 

der 



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//. Dss fmdfmeus des Xatumchtt. 79 

dtr Tkat ( wirklieb) zufammen und ift mithin 
oQtttorijdi, Log. §. 346 ff. 

' " 4 's m ' * *■ 

B) Die Kriterien der Materie des 
r ( Rechtsfatzes. 

i' * i t ; • ) : , • . ' « i; • . .* I 

Der Rechtsfatz hat . , 
0 eine negative Qualität, oder feine 

Materie ift ducch Negation aftfeirt . .. 

Denn er fetzt ein Recht übet' 1 die Natur, 

mithiti üb$r etwas, --Welches eine Negation 

des Ich, ein Nkht.lch negativ* gleich dem 

Ich (08% 26)) ift. 

V : b) eine theUbeert Quantität, oder feine 
Materie ift eine Vielheit. r ^ t t 

;. Denn er fetzt ein Recht töfcer die Natur, 
mithin über etwas , welches nicht einig f wie 
das Ich, fondern die fem eritgegengefetzft alfo 
divers und mannigfaltig (in fich felbß ohne 
Haltung und widerfptecbend ift pa^Xi 

I<80« ...... 

■ «ifte^jlwA&rf^Ä^ ReJatt&*v>oder feine 
Materie ift ein bedingtes , weiches eine Vor* 
ausfetzung bat* v 

Denn er fetet ein Recht über die Natur, 
mithin über etwas, welches picht Ding an 
üch , fondern ein durch das Ich bedi#gte$ t oder 

eine SubftanzJft (94>* 

i8r- 



. ► • 



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I 

d) eine probletnatifc^t Modalität, oder 
feine Materie ift ein gegebnes. 

Denn er fetz.t ein , Jfecbt über die Natur, 
mithin über etwas ? welches, nicht durdh fich 
felbft, fondern durch das Ich, d. i. durch 
Freyheit exfiftirt, alfo etwas gegebnes , d. h. 
Zufälliges ift. y _ 

Q Die Km/- Kriterien des fcechtsfetzes 



' • [ r 



i, .^WiiMraben . ferner aussen formalen nrid 
Kriterien (174— •* $ t) des Rechts- 




71 


1 




Ii 


1 





lcll v ....„ rifiren* welche dem Sattln 

•f ReaKMfö (ab gefetztem Satze > *i gen 
kuräirt^ wir haben zu fragen : ; Was 
ift der Sitte ? (nach feiner iQuiddität). -A - b 

Der Bechtsfatz ift! i: • - ; ' ):r:kii 

a) ein unendlicher Satz. 

Den» er ifljfeiner Fbrm*«c1i pofltiv (1 74)» 
and fej^^aterie natb tw^atlv (I78>; es 
ift daher ein Satz, in welchem für dasSübject 
«in Prä^feat gefetzt wird , welches jenem ne- 
gative gleich , d. h. entgegengefetzt ift, mit- 
hin in alle Ewigkeit nicht eine Realität für 
das Subject werden , für^affelbe rtatütr nicht 

erreich- 



■ 

■ 

■ 

1 



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IL Das Fundament des Natur recht f. gl 

< 

weichbar, d. h. unendlich ift. Ein folcher 
Satz aber, in welchem für das Subject ein 
unendliches Praedicat gefetzt wird, d. h. ein 
folches, welches das Subject niemals haben 
(obwohl fich demfelben ins unendliche nä- 
hern) kann, ifl ein unendlichen Log. §.328. 

184- 

Der Rechtsfatz ift 

b) ^ ein witverfeller Satz. 

Denn er ift feiner Form nach einig und 
untheilbar (175)* und fetner Materie nach 
theilbar und mannigfaltig (179); alfo ein 
Satz, in welchem eine diverfe Materie geei- 
niget, oder durch die Form der Einheit be- 
ftimmt ift. Ein folcher Satz aber ift ein unu 
wrfeljer, das Mannigfaltige zu Eins fetzendet 
Satz (175). 

185- 

c) ein idealer Satz. 

Denn er ift feiner Form nach kafregorifch 
(176), und feiner Materie nach hypothetifch 
(180), mithin ein Satz, in welchem etwas 
bedingtes durch die Form der Unbedingtheit 
beftimmt, d. h. ideaüfirt wird. Ein folcher 
Satz aber, in welchem eine bedingte Materie 
ideaüfirt wird , ift ein idealer Satz. 

186. 

d) eine Aufgabe. 

Denn er ift feiner Form nach afferto- 
rifch (177)» feiner Materie nach problema- 

nmt fyß. des wa#. R. F tifch 

1 



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, 8 a II. Das Fundament des Naturrechts. 

tifch (18O* mithin ein Satz,, in welchem 
etwas durch Freyheit exfiftirendes^ als wirk- 
lieh exfiftirend, d. h. ein Ideal vorgeftellt 
wird. Ein foicher Satz aber, in -welchem 
ein Ideal gefetzt wird, ift ein wirkliches 
Problem , d. h. eine Aufgabe. 



D) Die Erörterung des Rechtsfatzes. 

• i 8 y • 

Wir haben endlich noch zu fragen , wq ift 
der Rechtsfatz gefetzt? damit wir ihn finden 

.oder deduciren könne«, welches ohne Wif- 

> 

.fenfehaft van feinem Orte nicht möglich ift, 

188. 

• * . Der Rechtsfatz ift ein unendlicher Sate 
( r 83); er ift mithin feiner Materie nach 
durch das, dem Ich entgegengefetzte, Nicht- 
Ich, d. h. objective beftimmt; alfo 

• a) ein objectiver Satz feiner Materie nach, 
tm-d in diefem Betracht aus dem objectiven, 
d. h. empirifeken Bewufstfeyn zu finden. Ein 
Factum a pofieriori liegt ihm materMiter zum 
Grunde» 

X89. 

Der Rechtsfatz ift ein univerfeütr Satz 
(184.) 9 er ift daher feiner Form nach durch 
das, dem mannigfaltigen Nkht-Ich entge- 
gengefetzte, einige Ich, d. h. jubjective be- 
ftimmt; alfo 

' . » ....... W ^M» 

4 

« 



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th Das Fundament des Natur rechts. 83 

b) ein fubjectiver Satz feiner Form nach 
und in diefem Betracht durch eine nrfprüng- 
liehe Th&thandhmg de$ Ich , (durch die Selbft. 
wirkfamkeit.) im Selbfibcwufstfeyli beftimmt. 

Eine Thathandlung a priori liegt ihm forma. 

liter+pum Grunde. 

Der Rech tsfatz ift ein idealer Satz (185% 
er ift daher feinem Qegenßande nach durch 
dasjenige Vermögen beftimmt, welches das 
bedingte durch die Form der Unbedingtheit 
beftimmt oder das empitifehe idealifirt, d. i. 
das theoretifche Vernunft vermögen der pro« 
duetiven Einbildungskraft (38); mithin 

c) ein theoretifcJur Satz feinem Gegen-* 
ftande nach und in diefem Betracht durch 
die urfprüngiiehe That/ac&£ im theoretifchen 
Selbftbewufstieyn beftimmt. Durch die That. 
fache a priori hat er Objectivität. 

191. 

Der Rech tsfatz ift eine Aufgabe (186), 
er ift alfo dem Stibjecte durch das Vermögen 
der Aufgaben oder Poftulate, d. i. das praktu 
[che Vernunftvermögen gegeben, und alfo 

d) ein praktifcher Satz für das Subject, 
mithin in diefem Betracht durch die urfprüng- 
iiehe That im reinen Cpraktifchen) Selbftbe- 
wufstfeyn beftimmt. Durch die That a priori 
(13) hat er Siibjectivit'dt oder praktifche Real 

F a lität. 



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84 Ä Dm Fundament des Naturrechtu 

Mär. Er ift durch die praktifche Vernunft 

ftmetionirt. 

Der Rechtsfatz ift alfo überhaupt 

a) relativ, denn er ift feiner Materie nach 
objectiv (188), feiner Form nach fubjeetiv 
(189)» mithin überhaupt durch Wechfelwir- 
kung des Nicht -Ich und Ich beftimmt, d. h. 

relativ. • . 

b) juridifch, denn er ift in Beziehung auf 
feinen Qegenßand theoretifch (vorftellend, 
erkennend), für das Subject aber praktifch 

(Gefetz 190. 191); das leiztre alfo fo11 
nach diefem Satze über das Object erkennen, 
d. h. Recht fprechen, d. b. er ift ein jundi- 

fcher Satz. , * ■ 

193. 

Das Refultat unfrer Unterfuchungen ift 

t m 

demnach : 

„Der Satz, welcher für den Menfchen ein 
„Recht über die Natur fetzt, ift ein Rechts, 
''fatz für den Menfchen über die Natur (juri- 
„difch und relativ 192. a. b). „ 

Wir find alfo wieder da , von wo wir 
ausgiengen, denn wir find zu der Forderung 
unfrer Aufgabe (I) zurückgekommen, alfo 
an derfelben Stelle mit ihr , alfo ihr gleich, 
* und die Forderung felbft ift befriedigt (keine 
Forderung mehr); die Aufgabe gelöft (keine 
Aufgabe mehr). ^ 



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//. Dat Fundament des NaturrediUi 85 

II. 

Der Rechtsfatz fdbfi. 
194. 

Wir fachen den Satz, welcher der Juris- 
diction des Menfchen über die Natur zum 
Grunde liegt, in feinem Spruche felbfi, mithin 
das Praedicat, welches dem Subjecte in die- 
fem Satze in juridifcher Hinficht zukömmt. 

195- 

Wir wiffen zum Behuf unfrer Aufgabe 
aus dem vorigen 

a) der Satz, nach deflen Spruch wir for- 
fchen, ift ein relativer und juridifcher Satz: 

b) die Correlata, d. h. das Subject und 
das, auf diefes bezogene Object find, als die 
notwendigen Data zum Rechtsfatze, gegeben: 

c) wir haben ihre juridifche Relation, 
d.h. das Prädicat, welches dem Subject in 
Beziehung auf das Object von Rechtswege*!, 
zukömmt, zu finden: 

d) wir haben das zu findende aus einem 
theoretifch- praktifchen Princip zu fuchen, d. 
h. aus einem theoretifchen Grundfatz unter 
derSanction des praktifchen Gefetzes; denn 
der Spruch unfres Satzes foll auch theoretifch- 
praktifch feyn, und kann alfo, weil nur aus 
gleichem gleiches refultirt, nicht anders als 
aus einem tbeoretifch - praktifchen Princip 
deducirt werden. , 

, F 3 A) De. 



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8 6 //♦ Das Fundament der Natur rechts. 

> 

A) Deduction des Rechtsfpruches. 

196. 

Das theoretifch-praktifche Princip ift: 
Der Menfch ift gleich wie das Ich der 
Natur entgegengefetzt (137). 

*97- 

Die Natur ift gefetzt oder gegeben. ^ 
Denn ihr ift etwas entgegengefetzt, fie 
felbft alfo gefetzt (196). N f 

198- j 
Die Natur ift gefetzt in Beziehung auf 

den Menfchen. 

Denn der Menfch ift der Natur entgegen* 

gefetzt, die letztre alfo ein Gegenfland des 

erftetn, alfo in Beziehung auf diefen gefetzt 

(196. 197). 

199. 

« Der Menfch ift über die Natur gefetzt. 

Denn er ift der Natur entgegen gefetzt, 
d. L feinem Gegenftande gegenüber (19%), 
. alfo nicht nur gegen, fondern auch über den- 
felben (196. *97« I 98)* 

200. 

Der Menfch hat die Macht, fich der Na- 
tttr entgegen zu fetzen. 

Denn er ift über die Natur gefetzt, mit- 
hin in dem Stande, dafs er fich ihr entgegen- 
fetzen kann (199). . 

: 20 r. 



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//. Das Fundament des Naturrechts. 87 

» 

aor. * 

Der Menfch ift gteich wie das Ich über die 
tetur gefetzr. ' ' 

Denn er ift gleich wie das Ich der Natur 
entgegengefetzt C*99- *9&)* 

202. 

Der Menfch bat ein Recht über die Natur, 
d. h. ein Naturrecht und ift juridifch. 

Denn er ift gleich wie das Ich über die 
Natur gefetzt; feine Macht über diefelbe ift 
alfo dem Ich gleich, d. h. ein Recht, oder er 
hat dipfe, Macht von Rechtswegen. . 

■ 

503. 

Der Menfch hat gleich wie das Ich Macht, 
fich der Natur entgegen zu fetzen. 

Denn er ift gleich wie das Ich über die 
Natur gefetzt (201. 200). 

204. 

Der Menfch hat ein Recht* fich der Natur 

r 

entgegen zu fetzen. 

Denn feine Macht hiezu hat er, gleich 
wie das Ich, d. h. von Rechtswegen, undfie 
ift mithin eine jttridifche Macht* d. h. ein 
Recht (202. 203). 

205. 

Das Refultat unfrer Deduction ift gteich 
dem Pri neip derfelben (196), denn „der 
Menfch hat ein Recht, fich der Natur entge- 

F 4 gen 



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88 !/• Dm Fundament des Naturrechtx. 

gen zu fetzen , „ und „ der Menfch ift gleich 
wie das Ich der Natur entgegengefetzt,, find 
gleichlautende Sprüche. Wir haben alfo un- 
fre «Aufgabe aufgelöft und unfre Deduction 
vollendet, denn wir find mit unfrem Refultate 
(204) zur Stelle des Princips (196) gekom- 
men, und haben jenes alfo aus diefem abge- 
leitet und mit ihm vereinigt, d, h. dediicirt. 
Unfer Refultat ift nun kein Refultat mehr, 
fondern gleich dem Princip, d. h. felbß ein- 1 
Princip. j 

B) Analyfe des Rechtsfpruches. 

206. 
Der Menfch hat 
a) der Qiialität nach : ein Recht zur juri- 
dlfcheh Limitation, d. h. ein Recht, den Wi- 
derfprüchen der Natur gegen fein juridifches 
Seyn Schranken zu fetzen. 

Denn der Menfch hat ein Recht, fich der 
Natur entgegen zu fetzen und iß von Rechts- 
wegen der Natur entgegen gefetzt (204. 
405); er ift alfo 

ä) von Rechtswegen gefetzt, d. h. er hat 
r juridifche Realität, 

ß) von Rechtswegen der Natur entgegen 
Qder negative gleich, d. h. die Natur ift 
in Beziehung auf den Menfchen eine 
- juridifche Negation ; und diefer hat 
demnach 

7) ein 

- 



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//. Das Fundament des Naturrecht f. 89 

y) ein Recht, die juridifchen Negationen 
der Natur von feiner juridifchen Realw 
tat auszufchliefsen , d. h. ein Recht zur 
juridifchen Limitation* 

207. 
Der Menfch hat 

b) der Quantität nach : ein Recht zur 
juridifchen Univerfalitat , d. h. ein Recht, die 
mannigfaltigen Widerfpriiche der Natur ge- 
gen feine juridifche Einheit ins Gleiche zu 
fetzen, zu legaliliren. 

Denn der Menfch hat ein Recht, lieh der 
Natur entgegen zu fetzen und ift von Rechts- 
wegen der Natur entgegen gefetzt (204. 
205) : er ift alfo 

ä) von Rechtswegen ein Gefetz über die 
, Natur, d. h. die juridifche Einheit, das 
juridifche Maafs : 

ß) von Rechtswegen ein Gefetz über die 
Natur , d. h. die Natur ift in Beziehung 
auf den Menfchen eine juridifche VieU 
heit f der juridifchen Einheit negative 
gleich, alfo nicht das Rechtsmaafs (die 
Rechtsform), fondern das mit dem 
. Rechtsmaafs zu meffende (die Rechts- 
materie): der Menfch hat demnach 

7) ein Recht, die Natur mit dem Rechts- 
maafs zu meffen, die juridifche Vielheit 
durch die juridifche Einheit zm beftim- 

F 5 men, 



90 U: Das Fundament des Naturrechti. 

tuen, der Natur Gefetze zu geben , ijnd 
auf diefe Weife alles zur Rechtsgieich- 
- heit zu wenden, d. i. ein Recht zur 
juridifchen Univerfalität 

208. 

Der Menfch bat 

c) der Relation nach : ein Recht zur juri- 
difchen Caufalit'dt, d. h. ein Recht, den Wu 
derfpruch der unter ihm flehenden (207) 
Natur durch feine Kraft zu zernichten, über 
* die Natur juridifch zu fchalten und zu walten. 

Denn der Menfch hat ein Recht, fich der 
Natur entgegen zu fetzen, und der Menfch 
äft von Rechtswegen der Natur entgegenge- 
fetzt (204. 205): er ift alfo ' 1 

cc) von Rechtswegen ein juridifcher Herr 
oder Oberer, d. h. eine juridifche E7r- 

fache: 1 

* 

ß) von Rechtswegen ein juridifcher Herr 
über die Natur, d. h. die Natur ift dem 
lAenfchenuntertkan, d. i. die juridifche 
Subflanz: und der Menfch hat 

7) ein Recht, die juridifche Subftan^ 
durch feine juridifche Kraft atz bewir* 
ken, die Entgegen fetzungen der Natur 
gegen feine Herrfchaft zu zernichten, 
d. h. sin Recht zur juridifchen Caüfa- 
lität. ' 



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//. Dar Fundament des Haturrcchtr. 91 

Der Menfch hat 
d) der Modalität nach: ein Recht zur 
joridifchen Exfifienz, d.h. ein Recht, den 
Widerfpruch der blinden Natur gegen feine 
juridifche Wirkfamkeit zu verttändigen , mit 
feiner naturrechtlichen Wirkfamkeit zufam- 
men zu reimen. 

Denn der Menfch hat. ein Hecht, Geh der 
Natur entgegen zu fetzen, und ift von Rechts« 
wegen s der Natur entgegengefetzt (204. 
505): er ift aifo 

x) von Rechtswegen über die Natur 

mächtig, d. h. juridifch wirk/am: 
0) von Rechtswegen über die Natur mach- 
tig , d. In die Natur ift in Beziehung 
«■ auf ihn nicht ihr felbft ein Gefetz, fon- 
dern fremder Macht unterworfen, d. h. 
juridifch blind: und der Menfch hat alfo 
7) eim Recht, feine juridifche Aufgabe iu 
■ der blinden Natur auszuführen, d. h. 
ein Recht zur juridifchen Exfiftenz» 

210. ■ 
Die aufgegebne Analyfe ift vollendet; 
denn die vier Satze 

a) der Menfch hat ein Recht zur juridi- 
fchen Limitation, 

b) der Menfch hat ein Recht zur juridi- 
fchen Univerf alitat, 

. c) der 



Di 



j> a IL Das Fundament des Naturrechtr* 

c) der Menfch hat ein Recht zur juridi- 
fchen Caufalität, 

d) der Mepfch hat ein Recht zur juridi- 
fchen Exfiftenz, 

k 

lind gleich dem Einen: 

„Der Menfch hat ein Recht, fich der 
Natur entgegen zu fetzen, „ wie die Analyfe 
felbft (206 — 209) beweift; das durch 
Analyfis gefuridne ift alfo dem, was zu ana- 
lyfiren gegeben war, vollkommen gleich 
und unfe^ Gefchäft mithin vollendet. 



Zweyter Abfchnitt. 
Das Naturrecht*. 

L 

Die Kriterien der Naturreehts, 

211. * • . 

Wir fuchen die Beftimmnngen, wodurch 
fich das Naturrecht im allgemeinen charakte- 
rifirt, und wilTen zum Behu? unfrer Aufgabe, 
dafs diefelben den Beftimmungen des Satzes 
des Naturrechts oder des Rechtsfatzes gleich 
find. Denn durch den Rechtsfatz wird das 
Naturrecht gefetzt (204), und hat mithin, 
weil gleiches das gleiche fetzt, diefelben 
Beftimmungen, welche jenen auszeichnen. 

A) Die 

< 



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//. Das Fundament des Naturrechts. 93 

A) Die Kriterien der Form des 

Naturrechts. - 

212. 

Das Naturrecht ift 

a) ein affirmatives Y\echt, d« Ii, ein Recht, 
Welches feiner Form nachtet was bejahtes, einl 
pofitives Praedicat des Menfchen ift (174): 

213. 

b) ein individuelles Recht, d. h. eitjL 
Recht, welches feiner Form nach ein Prädi- 
cat des Menfchen überhaupt , von derMenfch- 
heit unzertrennlich ift (175.): 

c) ein kategorisches Recht, d. h* ein 
Recht, welches feiner Form nach in den 
Menfchen fchlechthin und unbedingt gefetzt, 
ein Prädicat des Menfchen im eigentlichen 
Sinne ift (176): . ' 

215. 

d) e3n affertorifches Recht, d. h. ein Rechjt, 
welches feiner Form nach in der That und 
Wirklichkeit dem Menfchen inwohnt (177): 

B) Die Kriterien der Materie des 

Naturrechts. 

-r 1 ' . 2l6. • 

Das Naturrecht ift 
; a) ein negatives Recht, d. h. ein Recht, 
Welches feiner Materie nach .etwas ver^ 

nein- 



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94 Dat Fundament dts tfatvrmhtt* 

neintes ift, ein Recht über, da*, was nicht 

Ich ift C178): \ 

217. 

b) ein theilbares Recht, d. h. ein Recht, 
welches feiner »Materie nach eingeschränkt ifi> 
ein Recht, nicht über das Individuelle, fon- 
dern nur über das nicht individuelle (179^; 

218- 

c) ein hypatketifches Recht, d. h. ein Recht, 
Welches feiner Materie nach aus der Natur 
folgt, ein Recht über das bedingte, nicht 
aber über das unbedingte undabfolute (180): 

219. 

d) ein problematifchcs Recht, ( d. h. ein 
Recht, welches feiner Materie nach zufällig 
ift, ein Recht über das Zufällige, nicht über 
das durch fich felbft beftimmte und notwen- 
dige (18O. 

• C) Die /ta*/- Kriterien des Naturrechts, 

2.2 O. 

Das Naturrecht ift 
a) ein unendliches Recht, d. h. ein Recht, 
welches in der ewigen Annäherung, der Ma- 
terie an die Rechtsform befteht; den Men- 
fchen befugt, die Natur, welche dem die 
Rechtsform habenden Tch entgegengesetzt ift, 
Iiis [Jnendliche fort diefer Rechtsform gemk'fs 
zu beftimmenXiga; : 

321. 



1 



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J7, Dti Fundament des Naturrcchtt. 95 



b) ein univerfelles Recht j d. h.~ ein Recht, 
welches in . der Beftimmung der .materialen 
Vielheit durch die Rechtseinheit beftebt, den 
Menfchen befügt, alles was in der Natur ift, 
«riter allgemeingültige Rechtsgefetze zu 
thun, die Natur zu einem Univerfo zu ma- 
chen (183)- 

222. 

r) ein ideales^ Recht, d. h. ein R«cht, 
welches in der Beftimmung der fubftantielleu 
Natur <lurch die Rechtskraft befiehl, den 
Menfchen befugt, die Natur zu idealifiren, 
Ideen gemäfs zu formen (184) z 

223. ;'• . 

d) ein aufgegebnes Recht, d. h. ein Recht* 
Wiehes in der Beftimmung der Natur durch 
das Poftulat des Seibftgefetzes befteht, den 
Menfchen befugt, die Aufgabe des prakti&hea 
ich in der Natur 'aufisulcj fen (185). ; 



D) Die Erörterung des Naturrechts. 

224. / 

Das Naturrecht ift - 

a) feiner Materie nach objectiv, <J% h. 
durch die Natur beftimrat (188)* 

225. - 

b) feiner Form nach fnbjectiv, d. h. durch 
die Selbftheit des Ich beftünmt (189) • 

. . x 226. 

- 



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96 IL Dat Fundament det Naturrechts. 

226. 

Das Naturrecht ift alfo 
c) ein relatives Recht, d. h. ein Recht, 
welches durch eine Wech fei Wirkung des 
Nicht -Ich oder der Natur und des Ich voll- 
ftändig wird (192) , in einer Beziehung des 
Nicht- Ich auf das Ich befteht. 

227. 

Das Naturrecht ift * 

a) feinem Gegenftande nach theoretifch, 1 
*L h. durch die erkennende Vernunft be- ' 
ftimmbar (190): v i 

228. 

b) in Beziehung auf das Subject praktifctt, 

d. h. durch die praktifche Vernunft beftimmt, f 
etwas , welchem gemäfs der Menfch über die 
Natur erkennen foll (191}. 

229. 

c) alfo ein juridifches Recht, "d. h. ein 
Recht zur Rechtfprechung oder zum Gericht 
über die Natur (192). j 

IL . - K 

Die negativen Kriterien des Naturrecht f. 

230. 

A) Das Naturrecht ift feiner Form nach 
a) nicht ein negatives Recht, d. h. ein 
Recht, welches ein dem Subjecte (Menfch) 
widerfprechendes Pradicat, mitbin von dem- 
felben zu verneinen wäre (212): 

b) nicht 

r 

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IL Das Fundament det Naturreckt t. 97 

-bj nicht ein theilbares Recht, welches, 
von (einigen , Arten, Qaffen der) Menfchen 
getrennt, nur einem Theiie derfel|>en, nicht 
allen zukäme (213): 

c) nicht ein hypothetifches Recht, wel- 
ches erft aus Bedingungen erfolgte, durch 
Zeit und Umftände bedingt würde (214): 

ä) nicht ein probtematifches Recht, wek 
ches von irgend einer Willkühr oder einem 
Belieben feinem innern Dafeyn nach ab» 
hienge, mithin zufällig wäre (215). 

I s 

231. 

B) Das Naturrecht ift feiner Materie 
nach ^ % * 

a) nicht ein affirmatives Recht, welches 
Macht gäbe über etwas durch das Ich gefetz- 
tes, d. h. felbßfländiges (216): 

b) nicht ein individuelles Recht, welches 
Macht gSbe über etwas von fich felbft unzer- 
trennlich es und in fich felbft untheilbares, 
d. h, per jonliches (217}: ' 

c) nicht ein kategorifches Recht, welches 
Macht gäbe über etwas abfohlt es, d. h.freyeS 
(«8): 

d) nicht ein affertorifches Rechte Welches 
Macht gäbe über etwas nicht von Willkühr 
und Belieben, fondern von fich felbft beftimm- 
bares, d. h. nicht ein Recht über das, was 
Selbflheit hat und ein Ich ift (219)* 

Sckautn.n€u*s$yß.dcsnat.R. G 23 a. 



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98 //• Dat Fundament des Naturrechti. 

C) Das Naturrecht ift, feiner Form und 
Materie, d. i. feiner Vollkommenheit nach 
betrachtet 

a) nicht ein limitirtes (welches Wohl von 
dem limitirmden zu unterfcheiden ift) Recht, 
welches einer Vollendung in der Zeit fähig 
Wäre, mithin irgend einmal ein Ende neh- 
men oder cefllren könnte (220): 

b) nicht ein particulares Recht, .welches 
keine Allgemeingültigkeit hätte, fondern auf 
irgend einen Theil der materiellen Welt ein- 
gefch rankt wäre (22 j): 

c) nicht ein realifirtes Recht, welches 
irgendwo ganz ausgeführt wäre, fo dafs die- 
fes ausgeführte , fichtbare Recht (irgend ein 
Rechtsinftitut auf der Erde) ftatt des idealen 
zum wahrhaften Mufter dienen könnte (222)1 

d) nicht ein gegebnes Cpolitives) Recht, 
welches irgendwo (in irgend einer Gefell* 
fchaft, Staat u. f. w. ) durch menfchiiche 
Willkühr vollkommen dargeftellt wäre, fo 
dafs es die Aufgabe des Selbftgefetzes völlig 
auflöfte und diefem letztern mithin gleich 
wäre (223). 

1 *33- 
D) Das Natürrecht ift zu fuchen 

a) nicht blos und allein in der Natur, es 
ift alfo nicht ein phyfifches Recht : 

- ' \ h) nicht 

/ 



Digitized Oy vj 



IL Das Fundament des Naturrecht t. 99 

- 

b) nicht blos und allein in der Setbfiheit 
(FreyheiO des Ich, es ift alfo nicht ein 
moralifches Recht : mithin überhaupt 

c) nicht ein abßractei Recht, welches 
durch die ifolirende Betrachtung der blofsen 
Freyheit oder blofsen Natur gefunden wer- 
den könnte (22$ — 226)1 

d) das Naturrecht ift nicht zu fachen in 
der theoretischen, aber auch nicht 

e) in der praktifchen Vernunft allein: 
mithin ift es überhaupt 

f) nicht ein blos rationales oder Ver* 
mmfirecht (22j — 229). 

Aus allem diefem folgt 
a> Das Naturrecht ift feiner Form nach 
ein reelles, allgemeines, angebohrnes 
und notwendiges Menfchenrecht (230. 
212 — 2x5.): 

b) Es ift feiner Materie nach { 

ein Recht über das veränderliche, ding* 
liehe * abhängige und zufällige (23t. 
216 — 219): 

c) Es ift in feiner Vollkommenheit 

ein ewiges, allgemeingültiges, unfichU 
bares und unveräufserliches Menfcheü* 
recht (232. 220 223) : 

G % d; Es 

■ . 



Di 



ioo //. Bas Fundament de* Naturrechts. 

■ 

d) Es iß: endlich feinem Urfprunge nach 

ein reflectirtes und empirifches Recht 
(233; 224 — 229), d. h. mit einem 
Worte ein Naturrecht; und unfre Auf- 
gabe ift aufgelöft. 

■ ■ ■ 

r 

Dritter Abfchnitt. 
Der Zweck des Naturrechts. 

w ir follen dasjenige finden , welches durch 
den Rechtsfatz im Naturrechte aufgegeben ift, 
d. h. den Zweck des Naturrechts. 

236. ; 

Diefer Zweck (235) kann dem Natur- 
rechte und deffelben Fundamente nicht ungleich 
oder entgegengefetzt feyn. 

Denn wäre diefes, fo wäre er, fo fern 
'er Zweck des Naturrechts feyn £bil f in Har- 
monie mit diefem, d. h. ihm gleich; fo fem 
er aber dem Naturrecht entgegengefetzt feyn 
follte, demfelben nicht gleich, alfo mit ihm 
im"Widerfpruch und nichj im Widerfprucb, 
d. h, in fich felbft Nichts. 

Der Zweck des Naturrechts ift dem Na- 
turrechte und feinem Fundamente gleich. 

^ Denn 

» 



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II. Las Fundament des Naturrechts, i o r 

f 

Denn er kann demfelben nicht entgegen» 
gefetzt feyn (236,). 

1 

238. 

Der Zweck des Naturrechts befteht in 
Gleichheit der Natur mit dem Rechts/atze ~ 
oder — f AngemefTenheit der erftern zu dem 
letztern» 

Denn er ift dem Naturrechte und feinem 
Fundamente gleich (237). 

*39- 

Der Zweck des Naturrechts ift das du* 
fsere Recht. 

Denn er befteht i) in Gleichheit mit dem 
Rechfsfatze, d. h. Recht, und 2) in Gleich- 
heit der Natur mit dem Rechtsfatze, d^ h. 
äufserem Recht. 

240. 

Das aufsere Recht (239) ift 

a) nicht ein limitirtes, fondern ein tm- 
endliches und ewiges Recht (232. a. 234. c) : 

b) nicht ein particulares, fondern ein unu 
verfales und allgemeingültiges Recht (232. b. 

c) nicht ein reaKflrtes, fondern ideales 
und unsichtbares Recht (232, c. 234. c): 

d) nicht ein gegebnes, fondern ein durch 
^den Rechtsfatz in dem Naturrechte aufgegeb* 

nes Recht (232. d. 223). 



G 3 Vier- 



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xo2 IL Das Vundament des Naturrechts. 

■ 

Vierter Abfchnitt. 
Das Mittel des Naturrechts. 

341. 

Wir fueben dasjenige Mittel, welches der 
Rechtsfatz zurRealifirung des äufseren Rechts 
giebt. 

242. 

Diefes Mittel kann der Natur nicht un* 
gleich feyn. 

Denn durch dafielbe foll die Natur gemafs 
dem äufseren Rechte gerichtet werden, es 
mufs alfo in die Natur eingehen (der Natur 
durch daflelbe zugefetzt werden) können, 
mithin mit derfelben nicht unvereinbar, d. h* 
ihr. nicht ungleich feyn, 

2 43- 

Diefes Mittel mufs der Natur gleich feyn. 
Denn es kann derfelben nicht ungleich 
feyn (242), •> s 

244, 

Es mufs alfo ein natürliches Mittel feyn* 
Denn es mufs der Natur gleich feyn 

(343)- 

In feinem Gebrauche kann das Rechtsmit- 
tel der Natur nicht gleich feyn. 

Denn es foll ein Rechtsmittel feyn , d. i. 
ein Mittel zur Realifirung des Rechts gegen 

die 



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IL Das Fundament des Ndturrechts. X03 

die Natur, und kann alfo in feinem Gebrauch 
nicht einen und denfelbeh .Gang mit der Na* 
tur gehen, d. h* ihr nicht gleich feyn« 

246. 

Das Rechtsmittel ift in feinem Gebrauche 
der Natur ungleich oder entgegengefetzt. 
Denn es kann der Natur nicht gleich 

Das Rechtsmittel ift demnach in feiner 
Völligkeit (quoad fubftantiam et exercitium) 
Entgegensetzung der Natur gegen die Natur. 

Denn es ift a) quoad fubftantiam der 
Nätur gleich, d. h f Natur (2,42 — 244); 
b) quoad exercitium der Natur ungleich, 
<L h. Entgegenfetzung gegen die Natur (245 
bis 247}, 

■ 348. 
Das Rechtsmittel ift Zwang. 
Denn es ift Entgegenfetzung der Natur 
gegen die Natur, alfo Einfchrankung der Na- 
tur durch Natur, alfo Zwang (247). 

249* 
Der Zwang ift 
ky feinem Beßand nach 

a) ein titnitirtes 9 endliches, 

b) ein mannigfaltiges, 

c) ein fubflantielles und abhangiges, und 

d) ein heteronomifches (durch Naturge- 
fetze bedingtes) und äufseres Mittel. 

G 4 Denn 



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104 //• Fundament des flaturrechtt. 

* 

Denn er ift feinem Beftand nach der Na» 
tur gleich (244)» 

250. 

B) feinem Gehranch tiach, 

a) ein limitirendes Mittel, d. h. ein fol- 
ches, welches zur Realifirung des Rechts den 
Negationen der Natur entgegengefetzt ift: 

b) ein legales Mittel, d. h. ein folches, 
welches die Natur unter das Naturrecht oder 
den Rechtsfatz fetzt oder einschränkt: 

v c) eine rechtliche Triebfeder, d. h. ein 
Mittel, wodurch die Natur zur Rechtsbeftan- 
digkeit beftimmt wird, und 

d) ein von dem Rechtsfatz zum äufsern 
Gebrauch gegebenes, d. h. rechtlich verliehe* 
nes Mittel. , 

Denn es ift in feinem Gebrauch «in 
Rechtsmittel, d. i. ein Mittel für das Recht 
gegen die Natur. 



251. 

Da*s äufsere Rpcht C239) ift durch fein 
Mittel, d. h. feiner Realifirung, Durchfetzung 
(exercitium juris) nach, diefem Mittel felbft, 
mithin auch der Natur gleich. 

Denn es ift feiner Realifirung nach etwas, 
was in die Natur eingehen foil, alfo auch mit 
ihr vereinbar, d. i. ihr gleich feyn mufs. 

252. 



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//• Das Fundament des Ndturreehts. 105 

V 

252. 

Das äufsere Recht ift demnach in feiner 

Realifirung 1 

a) ein litnitirtes und endliches Recht, weU 
ches zu nicht gemacht werden, aufgehoben 
werden kann : 

b) ein, durch die Mannigfaltigkeit der 
Natur eingefchränktes , Recht, welches auf 
vielfache Weife verletzt werden kann : 

c) ein Zwangsrecht, und 

d) ein heteronomifches und materiales, 
d. i. ein natürliches und äufseres Recht, 

253. 

Durch die Unterfuchungen des dritten 
und vierten Abfchnitts ift die Zweck und 
Mittel beftimmende Formel des Rechtsfatzes 
gegeben : , 

Der Menfch hat ein Recht, das äußere 
Recht durch Zwang durchzusetzen. 



Fünfter AbfchnitU 
Das Gericht des Naturrechts» N 

VVir fuchen dasjenige, welches .nach dem 
Rechtsfatze über ,die Natur richtet, d. h. be* 
ftimmt , was von Rechtswegen in der Natur 
ift und gefchieht. 

G S »55» 



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JZ» Dat Fundament des NaturrechtU 

255. 

; Das . Gericht des Naturrechts befleht im 
Menfchen. 

Denn der Menfch hat das Recht zur juri- 
difchen. Limitation (206). 

356. 

Das Gericht des Naturrechts ift feinem 
Beftand nach ein inneres Vermögen des Men- 
fchen.. ' 4 , 

Denn es beftehj xm Menfchen (25 S). 

Zu diefem innern Vermögen des,Men« 
fchen, Richter über die Natur zu feyn^wird 
erfordert 

a) ein Vermögen , den Rechtsfatz zu be- 
greifen; denn nach dem Rechtsfatze foll ge- 
richtet werden : 

b) ein Vermögen, etwas (die Natur) 
unter den Rechtsfatz zii fetzen (zu fubfumi- 
ren, applicatio legis ad factum); denn nach' 
dem kechtsfatze foli über etwas gerichtet 
werden: 

c) ein Vermögen f aus dem Rechtsfatze 
über etwas Recht zu fprechen (fententiam 
ferrej; denn nach dem Rechtsfatze foll ge- 
richtet werden (254), 

Zum Richteramt des Menfchen über die 
Natur wird alfo erfordert 

a) ein 



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//• Dar Fundament des Näturrecht /• 107 

a) ein Rechtsverßand (257, a), 

b) ein Rechtsurtkeil (257. b), 

c) ein \Rechtsfchlufs (257. c). 

»59, 

Dag richterliche Vermögen des Menfcheti 
ift feinem Beftand nach dem Menfchen gleich, 
denn es ift im Menfchen (255. 2 56)i 
ein vernünftiges Vermögen, d, h« juridifche 
Vernunft (theoretifch-praktifche Vernunft}. 

360. 

Die juridifche Vernunft, oder das Vermö- 
gen der Rechtsfpriiche (der Jurisdiction), 
hat zur innern Bedingung das Vermögen, ju- 
ridifcb zu fchliefsen : zu äufsern Bedingun- 
gen das Vermögen, juridifch zu urtheüea 
und den juridifch en Verftand (259. 258)« 



261. 

Das Gericht des Naturrechts betrifft die 
Natur. 

Denn es ift ein Gericht über die Natur. 

* 

262. 

Das Gericht des Naturrechts ift ffeiner ob- 
jektiven Beziehung nach ein äufseres Gericht* 
Denn es betrifft die Natur (261). 

263. 

Das Gericht des Naturrechts erfordert in 
feiner fPirkfamheit, aufser dem innern Men. 
- v fchen- 



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io8 IL Das Fundament des Naturrecht f. 

■ 

fch en vermögen f noch ein äufseres , d. i. ein 
Vermögen , die Natur juridifcb anzufcbauen, 
dl h. Rechts ftnu, wodurch das richterliche 
Vermögen der Natur gleich wird. 

Denn das Gericht des Naturroch ts ift ein 
äufseres Gericht (262). , 

■ 

• *. ■■ 264. 

Das Gericht des Naturrechts befteht ifi 
feiner Wirkfamkeit in der vermitteln des 
Rechtsfwnes über die Natur richtenden Ver- 
nunft, d. h. in der juridifchen Urtheilskrafl 
<259 — 263). 

265. 

Das Gericht des Naturrechts ift feinem 
Befiand nach ein ganz gewijfes und untrüg- 
liches Gericht. 

Denn es ift feinem Beftand nach der Ver. 
nunft gleich , alfo auch ohne Zweifel und 
Trug, wie diefe (259). 

266. 

- 

Das Gericht des Naturrechts ift feiner 
Wirkfamkeit nach nicht durch fich felbft ge- 
wifs und unfehlbar. ' 

Denn es ift in feiner Wirkfamkeit bedingt 
durch den Recktsftnn (263), aUo theoretifch 
beftimmt und von Vorflellungen abhängig, 
mitbin, wie alles dergleichen , dem Zweifel 
und Irrthum ausgefetzt, 

267. 



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//. Das Fundament des Naturrechts, xog 

- 

267. 

Aber diefes Nichtgewifs- und Nichtun- 
fehlbar- feyn ift dem Rechts fatze entgegen. 

Denn es ift mit der Reaiiftrung , Execu- « 
tion deffelben im Widerfpruch, verbindert die 
Durchfetzung, Geltendmachung deffelben. 

268. 

Die Zweifelhaftigkeit und Fehlbarkeit des 
aufsern Gerichts foll und mufs nicht feyn. 

Denn der Rechtsfatz foll und mufs gel* 
ten, Naturrecht foll und mufs feyn; alfo das 
nicht feyn, was diefem entgegen ift (267). 

269. 

Mit dem Rechtsfatze ift daher zugleich 
die Aufgabe gegeben, die Zweifelhaftigkeit 
und Fehlbarkeit des aufsern Gerichts in feiner 
Wirkfamkeit aufzuheben. 

Denn diefe Zweifelhaftigkeit und FehU 
barkeit foll und mufs nicht feyn (26&). 

270, 

Die Zweifelhaftigkeit und. Fehlbarkeit 
des aufsern Gerichts in feiner Anwendupg 
kann nur dadurch aufgehoben werden, dafs 
die Theorie des Gegenftandes , welchen das 
fiufsere Gericht betriff dem Rechtsfatze felbft 
an Gewifsheit gleich gefetzt wird. 

Denn Gewifsheit ift. das* einzige Mittel 
gegen Zweifel und Irrthum. 

> / 



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wo II, Dar FundameM des Naturrecht& 

Mit dem Rechtsfatze ift alfo zugleich 
eine (theoretifche.) Wiffenfchaft von der Be? 
Ziehung der Natur auf die juridifche Ver. 
nunft (259)9 i- die Idee einer jwriflifchen 
Wiffenfchaft ode* einer Jurisprudenz (Rechts* 
gelehrfamkeit) aufgegeben. 

Denn nur. durch Erhebung zur Wiffen. 
fchaft wird die juriftifche Theorie der Natur 
gewifs (270). 

*7*- 

Die Jurisprudenz (271) fetzt 

a) juridifche Vernunftwijfenfchaft , als 
conditio fine qua. non voraus* denn ohne 
Wiffenfchaft des Rechtsfatzes felbft, ift an 
die Wiffenfchaft feiner Anwendung gar nicht 
zudenken: &e begreift 

b) die juriftifche Theorie, um den Geift 
des Rechtsfatzes einzufehen, ficli feines 
wahren Sinnes zu bemächtigen: 

c) die juriftifche Praxis (Kunft), üm die 
Naturbeftimmungen zu treffen» welche dem 
wohlverftandnen Rechtsfatze gemSfs find, um 
in der Anwendung des Rechtsfatzes immer die 
Wahrheit (den rechten Punct) zu treffen : 

d) beide (b und c) gründen fich auf 
Rechtskritik, d. h. auf eine gründliche Unter- 
fcheidung der juridifchen (rechtfpreche'nden) 
Vernunft, und der juriftifchen (zu Recht zu 

fe- 



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//. Dar Fundament des Naturrecht f. 1 1 r 

fetzenden) Natur r weil ohne dfiefe Unter- 
febeidung weder eine praeife Theorie noch 
eine treffende Praxis möglich HL 



Das naturrechtliche Gericht ift 

A) feinem Befland nach 

a) ein limitirendes Gericht , welches 
gegen die Widerfpruche der Natur 2ur Reali- 
ßrung des Rechts fpricht: : 

b) ein flrenges Gericht, Welches jede 
Entgegenfetzung der Natur gegen den Rechts* 
fatz ohne Ausnahme verürtheilt: 

c) ein freueSf oberes Gericht, Welches 
feine Jurisdiction durch fich felbft befitzt: 

d) ein Vernunftgericht) ein Gericht des 
rechtfprechenden Ich. 

»74« 

B) feiner Wirkfamkeit nach 

a) ein endliches, limitirtes Gericht, blo§ 
gegen die widerftrebende Natur: 

b) ein legales Gericht, in feiner Juris- 
diction eingefchränkt auf die Natur, d. h. 
auf das Sufsere , auf blofse Legalitat : 

c) ein abhängiges 9 unteres Gericht, 
Welches zur Urtheilsfällung einer Unterfu- 
chung der Natur bedarf. 

d) ein 

■ 

— 



Di 



x i % IL Dar Fundamtnt des Naturrechts. 

■ 

d) ein Weltgericht^ ein Gericht des Ich 
über die Welt, d. h. über alles, was in der 
Natur ift und gefchieht. 



Sechster Abfchnitt. 
Die Ideale des Naturrechts* 

Wir fachen die Rechtsmufter, weiche darch 
die Ideen des Rechtsfatzes zur Nachbildung 
aufgegeben find, d. h. die Ideale des Natur- 
xechts. . * 

076. 

Der analyfirte Rechtsfatz ift das leitende 
Princip (der Faden) zur Auffindung diefer 
Ideale. u 

Denn er ftellt die Formen vor> durch 
welche die (materielle) Natur in rechtlicher 
Hinficht zu beftimmen ift. 



I. 



*?7- 

Der Menfch ift von Rechtswegen in Ver- 
haltnifs zu der Natur rechtfprechend ; diefe 
aber in Verba'ltnifs zu dem Menfchen zu 
Hecht zu fetzen. 

Denn der Menfch hat ein Recht zur juri- 
difchen Limitation (206). 

278. 



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//. Dat Fundament des NatuMehu. irj 

278* 

Der Menfch ift demnach von Rechtswe. 

gen juridifch : die Natur jurißifch. 

Denn der Menfch ift von Rechtswegen 
recht fer eckend : die Natur f elften Kecbtsüprü- 
cHen imterthan (277). 

279/ 

Der Menfch fleht alfo von Rechtswegen 
zu der Natur in einem $tmsdictionsverhättnifs. 

Denn er ift von Rechtswegen juridifch: 
die Natur juriftifch (278). 

m 

4 * 

280. 

Das erfte , von dem Rechtsfatz zur Nach- 
bildung aufgegebne» Rechtsmufter ift alfo 
ein juridifcher Naturfiand. 

Denn der Menfch fteht von Rechtswegen 
in einem folchen Verhältnifs zu der Natur, 
dafs er über diefe die Jurisdiction hat. 



l m I 



281. ^ ^ 

Der juridifche Realismus ift die Maxime, 
dafs de? Menfch juridifche Realität habe, 
*lfo die Maxime des juridifchen Naturftandes 
(a8o). 

Der juridifche Realismus ift wahr. 
, Denn er ift dem Rechtsfatze gleich (28 1. 
277 — 280. 2o6> 

Schawfß.nen€sSyft.dcsn*t.R. H 283. 



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ZT. Dar Fundament des Matu.mchtt. 

■ 

Der juridifche Realismus begründet ' das 
Regiment des Naturrechts , d. i. der Weisheit 
und Humanität. ; 

Denn er gefteht, gleich dem Rechtsfate,^ 
dem Menfchen juridifche Realität zu und lafst 
alfo die juridifche Urtheilskraft Recht fpre- 
«jhen , 

Der juridifche Nihilismus ift die Maxime, 
dafs der Menfch (als Menfch) ein juridifche^ 
Nichts fey, alfo die Maxime eines Standes 
der Natur (nach welcher, nicht der Menfch 
die Natur, fondern diefe jenen zu Recht 
fetzt — mithin, nicht der Menfch; fondern 
die Natur juridifche Realität hat). 

Der juridifche Nihilismus ifl; falfch. ; 

Denn er ift Rechtsfatze entgegen, 
d. i. im Widerfpruch mit demfelben (284. 
206). \ 

286. 

Der juridifche Nihilismus begründet -das 
Regiment der Natur, d. i. der Wildheit und 
Tyranney. 

Denn er macht .den Menfchen zu einem 
juridifchen Nichts, und läfst die blinde Na. 
tur über den Menfchen fchalten und walteti 

(284^ 

IL 



1 



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//. Hat Fundament des **$ 

287* 

Die mannigfaltige Natur ift von Recht* 
wegen dem allgemeinen Rechtsfatz, welcher 
durch den Menfchen zu der Natur fpricht, 
unterworfen. 

Denn der Menfqh hat ein Recht zur juri* 
difchen Univerfalitfft (207). 

288. 

Es ift demnach von Rechtswegen aufge- 
geben, die gefammte Natur durch die Legis- 
lation des Rechtsfatzes 2u legalifiren« 

Denn diefer Legislation ift die Natur von 
Rechtswegen unterworfen (48? J!» 

289. 

Das zweyte Ideal des Naturrechts ift alfo 
juridifche Natur einheit. 

Denn es ift von Rechts wegen aufgege- 
ben § die mannigfaltige Nqtur gem$fs dem 
einigen Rechtsfatze zu beftimmen (388J>* 



290* 

De; juridirche Mongkratispms ift die M** 
xime, dafs die Natur dem einigen Rechts« 
fatze unterthan fey f alfo die Maxime der juri* 
difchen Natureinheit C289X 

291. 

Der juridifche Monokratismus ift wahr* 
Denn er ift A*m Rechtsfatze gleich 
(290. 307). 

Ha 292. 



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1 1 6 Iii- Dar Fundament dci tiaturrechik * 

Der juridifche Monokratlsmus begründet 
das Regiment des Friedens. 

Denn er enthält die Aufgabe, die Natur 
in Einigkeit mit dem Rech tsiatze, alfo auch 
ipit fich felbft zu fetzen (290), und läTst 
einen allgemeinen Willen regieren. 

Der juridifche Polykratismus ift die Ma- 
xime, dafs die mannigfaltige Natur durch 
den Rechtsfatz nicht gebunden, fondern fich 
felbft überlaffen fey. 

294. 

Der juridifche Polykratismus i& falfcki 4 
Denn er widerfpricht dem Rechtsfatze 

Der juridifche Polykratismus begründet 
das Regiment des Streites ( bellum omnium 

conto» omneO. ' 

Denn er überläfst die mannigfaltige Natuf 

fich felbft, läfst fie alfo ih der ihr eignen Un» 

einigkeit und blinde Willkühr regieren. , > 



-V 



296. 

Der Menfch hat von Rechtswegen eine 
juridifche Obermacht über die Natur. 

Denn er hat ein Recht zur juridifchen 
Ca 08). 

- 1 297. 



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- * » 9 ^ * ■ ^ ~ 

i Es ift demnach von Rechtswegen aufge-v' 

geben, die Natur unter die juridifche Ober- 

macht des Menfchen zu fetzen. 

Denn der Menfch hat von Rechtswegen 

diefe Obermacht über die Natur (296). 

. . , . ... 

,Das dritte Ideal des Naturrechts ift alfo - 
• , Jwridif eher t -Natur zwang. 

Denn er ift von Rechtswegen aufgege- 
ben, die Natur unter die juridifche Obermacht 
des Menfchen zu fetzen, d. h. diefelbe dem 
Recbtszweck durch das Rechtsmittel (III. IV. 
Äbfchn.) unterzuordnen. 



j -- v: < ' . 299. ' ' ' 

Der juridifche Autokratismus ift die Ma* 
xirte, dafs die Nätiir der juridifchen Ober- 
macht des Menfchen unterthan fyy , alfo die 
Mafcime des jtkiAiCthih Naturzwanges (298)« 

\ 300. 

Der juridifche Autokratismus ift wahr. 
Denn er ift dem Rechtsfatze gleich 

3or. 

Der juridifche Autokratismus begründet 
das Regiment derFreyheit (Repubiicanismus) 
und die Herrfchaft des Gefetzes (Autonomie). 

H 3 Denn 



Di 



«fc Jf. Das Fundament Act tfäturrcchtr. 

Denn er giebt dem Menfchen juridifclie 
Obermacht über die Natur und unterwirft 
diefe dem legalen Rechtszwange (in einer 
bürgerlichen Gefeilfeh aft). 

Der juridifche (nicht der ökonomifche 
oder cameraliftifche) Phyftokratisnws ift die 
Maxime, dafs die Natur Herr fey über den 
Menfchen (der JMenfch kein Recht, aber die 
Natur Gewalt habe). / 

3°3- 

Der juridifche Phyfiokratismus ift falfch. 
Denn er widerfpricht dem Rechtsfatz« 
C302. 308^ 

1 3°4- 

Der juridifche PhyfiokraHsmus begründet 

da» Regiment d*r blinden Wiltkühr ( Defpo- 

tismua) und das Recht des Stärkern, (Hetero* 

nomie, Sclaverey). 

Denn er unterwirft den Menfchen der 

Naturgewalt (302). 

3Ö5- 

Die zufällige Natur ift von Refcfrtswegeri 
dem .unendlichen Rechtsfatze, mithin auch 
dem Menfchen, welchem die Realifirung di& 
fes Rechtsfatzes aufgegeben ift* ins Unendi 
liehe unterworfen. 

Denn 



1 

1 



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//. Das Tundäient des müneeük * i $ 

- Denn der Mettfeh hat ein Recht, feine ja* 
ridifche Aufgabe in der Natür auszufahren 

(209)- 

306. 

Es ift demnach aufgegeben, die zufällige 
Natur der unendlichen Rechteaufgabe gleich 
zu fetzen, d. h. fie rechtsbeßändig zu machen 
oder zu conßituiren* 

Denn die Natur ift dem juridifchen Pro* 
Wem unterworfen. 

307. 

Das vierte Ideal des Naturrechts ift alfo 
eine juridifche Naturverfaffung. 

Denn es ift aufgegeben, die Natur zu 
conftituiren ($06). 

■ 

' 308. 

Der juridifche Kosmopotitisntus ift die Ma- 
xime, dafs die wirkliche Natur (die ganze 
Welt) dem Rechtsfatze gertmfs zu conftituiren 
fey, alfo die Maxime der juridifchen Natur- 
Verfaffung (307). 

309. 

Der juridifche Kosmopolitismus ift wahr. 
Denn er ift dem Rechtsfatze gleich 
(308. 209). 

3 to - 

Der juridifche Kosmopohtismus begrün- 
det das Regiment 4er Beßandigkeit, d. i. ei- 
nen Staat. 

H 4 Denn 



Digitiz« 



lao IL Dar Fundament, dit THaturrechtt. 

Denn er will die Natyr rechtsbeftSndig 
gemacht oder confyituirt haben (308^ 

3". 

Der iuridifche Anarchismus ift die Ma- 
xime , dafs die Natur einer .Rechts verfaffung 
nicht bedürfe, mithin die Maxime des ro 
hen (emjarU'chea) Naturfta^Jes. 

31a. 

Der juridifche Anarchismus ift fatfeh. 
Denn er widerfpricht dein Rechtsfatze 
(3x1. 209). 

3*3- 

Der juridifche Anarchismus begründet 
das Regiment der Unbeßändigkeit, d. b. ein 
revolutionäres Regiment. 

Denn er will von einer Rechtsverfajfung 
der Natur nichts wiffen und läfst blos einen ro* 
hen (nicht qrganifirten) Naturftand zu (3* 1). 



3*4- 

Alle vier Ideale find zufammengefafst in 
dem einen Satze: Die Aufgabe des Rechts, 
fatzes ift 

ein bürgerlicher Weltjlaat zur 
Erhaltung eines ■ewigen, Frie- 
dens für das Menfchenrecht. 

Ende der Grundlage des Naturrechts. 

< . • '■ 



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77. Dat Fundament des, fypfätift iax 

i 

Der zweyte Theil dief er Schrift wird das 
abfolute und hypothetifcbe Sachenrecht: jund 
der dritte das abfolute und hypothetifche Per« 
Jqnenrecht oder die Lehre von den negativen 
Perfonenrechten, den Verträgen, der Gefell- 
fchaft überhaupt und den verfchiednen natur- 
rechtlichen Arten derfelben enthalten. Au- 
fserdem findet rna^ in dem erften Abfcbnitt 
des zweyten Theils einige Abhandlungen, in 
welchen ich die Grundlehren diefes erften 
Theils (welche freylich als Grwwdlehren nicht 
durch oberflächiges Nachdencken gefafst wer- 
den können) zu erläutern verfuche. Diefe 
Abhandlungen und überhaupt die folgenden 
Theile bitte ich zu lefen, ehe man meine 
Schrift beurtheift. , 

{ * . . Ä Tl7 ' 

Was diefen erften Theil und infonderheit 
das erfte Hauptftück betrifft, in welchem ich, 
um das Unterfcheidende des Rechtsfatzea* 
defto befler zu bezeichnen , die Grundfä'tze 
aller Theile des philofophifchen Wiffens vor- 
getragen habe; fo wefls~3er denkende Lefer 
von felbft, dafs es meine Schuldigkeit war, 
die zur Grundlegung der Philofophie und in- 
fonderheit des Naturrechts gehörigen Ideen 
fo rein darzuftellen, als es unfer empirifches 

Darftellungsmittel — die Sprache und 

meine Darftellungsgabe, deren Mangelhaftig- 
keit ich gern abhelfen möchte, verftatteten. 
Alan wird fich daher nicht über Trockenheit 
*•/ H s be- 



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befchweren t wo Trockenheit Verdien« ifts 
und (ich felbft bemühen, jene Ideen fo reift 
als möglich anzüfchauen , damit man nicht 
durch empirifche Zu (atze (indem man z. B. 
bey dem reinen Ich an Egbi Egoismus denkt 
u. d. g.) meine Gedanken zu folchen mache, 
welche mir ganz fremd find. 

Die Sorgfalt meines Herrn Verlegers und 
Freundes für Correctheit des Drucks ift allge- 
mein' bekannt; foüten fich indefs dennoch 
(welches in einer folchen Schrift auch bey 
der gröfsten Sorgfalt mo^tich ift) nach dem 
Abdruckt welcher nicht. unter meinen Augen 
gefchehen kann, noch Corrigeqda finden; fo 
werde ich dieselben , weil ein unrichtig ge- 
drucktes . oder ausgezeichnetes Wort eiherl 
ganzen Satz entftellen Kann , genau bemerken 



"* und bekannt machen. 



.> 



r 



I 



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V e r f n c h 

eines 

V 

neuen Syftems 

des 

natürlichen Rechts. 



Zweyten Tb eil s Erßes Stück.' 
Abhandlungen 

Grundlage des Naturrechts. 



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Gottlieb Hufeland, 

welcher 

> 

das Naturrecht wieder herftellte, 

allgemeines Intereffe für daflelbe erweckte, 4 

den Weg zur gründlichen Bearbeitung 

deflelben zeigte, 

- 

^ widme ich 

diefen zweyten Theil 



aus 

Achtung für feine Verdienfte> 
Dankbarkeit für f*ine Lehren 

« » 

und 

s 

I 

inniger Liebe* 



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I 



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* • I 



i *» Vorrede. » 



» « » • « 



f. 

» • i • ] * 



Die Abhandlungen des erften Stücks find 1 
dazu belb'mrpt, die Grundlage des Natur, 
rechts zu erläutern, einige Lehren^ derfelbea 





n 







was vor dem Studio des objectiven Natarp 
rechts zu wiflen noth wendig ift, vorzutra- 
gen. Auch Tollen fie den dusdruck der Fun«* 
<[amen tallehre poch beftimmter und richtiger 
machen ; denji j^der Pbilofoph mufs es wi£ 
fen, dafs in dem Beftreben, reine Ideen (wel- 
che man nicht m[t abßracten Begriffen yer- 
wechfeln ibllte) in reinen Formeln darzuftel- 
len, das Gefühl der Un Vollkommenheit de^ 
Ausdruck? recht peinlich ift und zur Reini- 
gung ^^j^J^B i.V ne P^^Vfi?«t antreibt, 
fo dafs man fich felbft nip vollkommen be- 
friedigt, r . . r - 

? Das z^ey te Sitück enthält den viel 
ich weifs erften .-— Verflach , das Sachenrecht 
ganz rein — ~oh$,e alle Rückficht auf die da- 
bey möglichen jfwjfäukpn Rechtsverhältniffe 
vorzutragen. Mir "h'at diefe Idee eines rei- 
nen 



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nen Sachenrechts ungemeine Dienfte bey der 
Ausarbeitung diefes Theils des Naturrechts 
geleiftet, uqd mir ift dadurch die Wichtigkeit 
des Gedankens zweyer vortrefflichen Juri- 
ften — Hugo und. Uafaetow *— das Sachen- 
und Perfonen- recht ganz abgefondert zu be- 
handeln, recht anschaulich geworden. Gewifs 
ift die bisher übliche Vervielfältigung der ^e* 
fichtspuncte in der Lehre vom Eigenthurn 
Schuld an der Verwirrung diefer Lehre, wor- 
über man uch allgemein beklagt und wodurch 
auch vornehmlich die Rechtstheorie der Ver- 
träge verfälfcht worden ift/ 

. Die Methode ift auch hier fynthetifck. Ich 
habe nicht, zuerft meine Erklärungen gemacht^ 
dann aus ihnen entwickelt, und wenn ich Iii 
diefer Entwicklung etwa auf Satze gekom- 
men wäre , welchen Gefühl ode* Obfervahar 
U. d. g. widerfprachen, durch IncOnfequenZ 
nachzuhelfen geflieht; fondern ich bin vöflf 
fynthetifcben Satzeh a priori ausgegangen, 
habe diefen gemä'fs die Rechtsfätze richtig 
zufammenzufetzen mich beftbebt und alfo mit 
ErklSrungeri gefchloffen. 

Möchte ich doch durch diefe Verfuche 
der Wahrheit und Wiffenfchaft nur einen klei- 
nen Diepft geleiftet und meine achtungs 



digen Lehrer dadurch erfreut haben ! 
Gieren, clen I. Dec. 1795. 



X 

Nach- 



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» 



Nachfchrift 

r 

- > • 

Aus einer Recenfion meiner Kritifchen Ab« 
handlangen in der Staatswiflenfchaftlichea 
und jijriftifchen Literatur, welche ich fo eben 
zu lefen bekomme, fehe ich, dafs die. Wahr-» 
heit von der Gründung der gefammten Wif* 
fenfchaft durch Einen Ur-fatz noch immer 
nicht recht verftanden wird. Selbft der 'ach- 
tungswürdige Recenfent, welchem ich für 
(eine gute Meynung von der genannte» 
Schrift und feine forgfältige Kritik: danke, 
hat den Glauben, dafs aus dem Grundfatze 
*ller Philofophie alle mögliche Sätze der fei* 
ben abgeleitet werden follten und köoriten* 
Alfo : in dem Grundfatze alles Wiffens follea 
alle Sätze embryonifch enthalten feyn ! Wahr* 
Uch eine fehr materialißifcheliypqtheCex eine 
hvolutlons- (Ein fchachtelungs-j) \theorie, weif 
che, mit Kant zu reden, ein gewagtes Aben. 
theuer der Vernunft wäre. — Das ift keu 
nesweges der Gedanke derer/ welche von 
einem Fundament alles VPiffens mit Wahrheit 
reden, dafs aus diefem alle Sätze entwü 
ekelt werden fallen: der Gedanke ift viel» 
mehr diefer ILvolutionsmethode (der analyti- 
fchen) grade entgegen und enthält blos diefes, 
Schaum, nms Syß. des n*h & I dafs 



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t 



130 ^achfchrift^ur^Vorrede. 

dafs die Gewifsheit aller möglichen Sätze 
durch einen Ur-fatz begründet oder deducirt — 
werden miiffe. Nicht die Subjecte und Pni- 
rficate follen -aus diefein Satze abgeleitet; 
fondern die Gewifsheit und ffahrheit der Cö- 
(man mag Subject und Prädicat herneh- 
men, woher man will) toll durch den Ur- 
fatz beurkundet werden : und darum die Me- 

- 

thode, was die Form der Sätze betrifft, nicht 
analytifch, fondern fynthetifch feyn; durch 
eine Synthefis gemäfs dem Ur-fatze follen 
die PrÜdicate mit ihren Subjecten verbunden 
werden. Wer kann und will auch z. B* aus 
dem Seyn das Bewufstfeyn , ableiten , entwi- 
ckeln , im materiellen Sinne folgern? Bewufst- 
feyn ift ja ein Zufatz zu dem Seyn, kann alfö 
nicht aus diefem analytifch heraus genommen, 
fondern mufs ihm fynthetifch zugefetzt wer« 
den. —~ Man will — wozu der vortreffliche 
Reinhold unwülkührlich veranlagst hat — 
Thatfachen, (res facti) zum Grunde des Kif- 
fens haben und zum Grunde alles Wißens 
eine urfprüngtiche Thatfachei Wer nicht wei- 
ter zu gehen verlangt, dem will ich feine 
Befugnifs dazu nicht ftreitig machen : ein je« 
der ift Herr über feine Manier zu denken; 
aber er mufs dagegen auch feine Manier der. 
Wiffenfchaft nicht aufdringen und diefer ihr 
Recht nehmen wollen, fich felbfl zu gründen f 
auf einem durch fich felbft feilen Fundamente 



■ 



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üachfchrift zur Vorretä 13 y 

zu beruhen. Thdtfachen aber find fich doch 
wohl nicht felbft genug? — Eine Thatf^che 
fetzt meiner Einficht nach a) eine Sache und 
b) eine That voraus, und die urfprüngliche 
alfo a) eine ZTr- fache und b) eine £7r-that, 
und diefe wiederum c) eine Ur-ftandlung der 
Ur- fache. Der Gehalt der Wiflenfchafteii 
befteht nun eben darin, dafs fie Thatfa* 
chen m mfrer Wiffenfihaft bringen , d. h, 
dieselben von Grund aus ver flehen lehren , fie 
aus Principien fetzen. Für jeden Satz einer 
Wiflenfchaft alfo , d. h. für jeden Satz, wel- 
cher eine Thatfache wilTenfchaftlich fetzt, 
poßulirt die Wiflenfchaft 

j) als conditio fine qua non 

a) einen Satz der Sache, welche eine 
That fetzt im Subjecte: 

. b) einen Satz der That, welche durch 
die Setzung der Sache gefetzt wird 
im Prädicate : und 

a) als conditio poßtiva f. formalis 

c) einen Satz der Handlung, welche 
die That (im Prädicate) mit der Sa. 
; che (im Subjecte.) verknüpft in der 
Copula. 

» 

In Abficht ihrer Form poftulirt die Idee 
der Wiflenfchaft etwas wijjenfchafilich felbfl. 
fiandigesp d. h. durch fich Selfcft gewifies, 

I a Denn 



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?3 a yuckfchrift zur Forrede, 

Denn dte Form der Wifienfchaft ift das,, wäst 
fie zur H^iffenfchaft macht und befteht alfo in 
der gründlichen Gewifsheit, d, h. 
Beurkundung aller Thatfachen, welche 
den Gehalt der Wifienfchaft ausmachen. Die. 
Form derWifTehfcbaft erheifcht alfo eine wiG* 
fenfchaftliche Ur - künde, d. h. Eins, wei* 
ches allem andere Gewifsheit giebt, mithin 
von keinem andern Gewifsheit nehmen kann, 
alfo von Selbfl Gewifsheit hat:' fie erheifcht 
kurz, einen Ur - J atz für die Wiffenfchaft,, 
d. h. einen urkundlichen Satz. 

* * * 

Diefer urkundliche Satz poftulirt nun 
aber 

l) als conditio line qua non f. materialis 

a) einen Satz der Ur- fache, welche 
f die [Ir - that fetzet im Ur - fubjecte, 

d.h. eine ur kundliche Sache: 

b) einen Satz der Urthal, welche durch 
die Setzung der Ur - fache gefetzt 
wird im Ur-prädicate, d. h. eine 
urkundliche That: 

i 

t , 

a) als conditio formalis 

- .. • 

c) einen Säte der Ur-handlung, wel- 
che die Ur- that mit der Ur- fache ver- 
knüpft in der Ur-coputa,, d. h. eine 
urkundliche Handlung. 

t /II . * ., ^ ,1 . 

ü..-'^ s ^ Die 



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Wächfihrtfi zur Vorrede i 3 $ 

Die Tltätfache nun, welche. durch die £7r- 
kandlung gefetzt wird, ift die Ur . thatfache*, 
und der Satz, welcher diefe fetzt, die ur- 
Rundliche Thatfache , welche die Urkunde 
für alle ändern Tbatfachen, mithin der ur. 

kundliche Satz felbft ift. ■ 

■. 

Die Formehl für diefe Satze laflen fich 
nun leicht beftimmen. 

r 

a) Formd für die Ur- fache: 

Selbfl. (diefer Ausdruck fcheint mir 
noch reiner und beflimmter , als M). 
Denn 'A/fyl ift eine Selbflfache. 

. b) Formel für die Ur-that: . 

fetzet. Denn das Selbßfetzen 
ift eine Selbflthat. 

c) Formel für die Ur - Handlung : 

ä/ä/I /«tatf* ditrrA ias S<?/&^. Denn 
das Selbftfetzen durch das SelÜft ift eine 

Selbflhandlung. 

d) Formel für die Ur - thatfache : 

Sei hfl fetzet durch das Selbft, Selbfi, 
oder — das ift urkundliche Thatfache* 
dafs die Selbfifache die Selbflthat durch 
Selbfihandlung fetzet, mithin in ihrer 
Handlung und That Stlbfi ift , alfo fich 
„r- durchaus gleich ift. Selbfi iß frW in 
der That mid {Wahrheit! — 

!. : l 3 Die. 



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134 Nachfchrift tur Vorrede. 

Diefes ift nun der urkundliche Satz, wel- 
cher feine Urkunde von Selbft hat und keiner 
JDeduction bedürftig und fähig ift. Er ift der 
f ynthetif che Satz' a prior i > welcher allen än- 
dern Sätzen (auch denen , welche ihrem Ge- 
hair nach anatytifch find,) Gewifsheit giebt und 
Sie alfo beurkundet. Seine Probe muffen alle 
Sätze aushalten, fonft find fie ein wiffen- 
fchaftliches Nichts: das Bewufstfeyn feiner 
(das Selbftbewufstfeyn) mufs alles wiflen- 
fchaftliche Setzen (Denken) begleiten, fonft 
fehlt den Sätzen und Gedanken das Siegel der 
Gewifsheit und wird dem Denker der praktU 
fche Gefichtspunct entrückt, deffen Difciplin 
die Kritik der Vernunft ihn unterwirft, damit 
er nicht dialektisch (mit fich Selbft) und fo- 
phißifch (mit der Wahrheit in Widerfpruch 
gefetzt) werde. 

V 

I 

Aber! man laffe doch endlich den Wahn 
fahren, als könnte man alle mögliche Satze 
aus dem urkundlichen (diefer Ausdruck ift 
beftimmter, als urfprünglich ) entwickeln. 
Wie könnte das Nicht - Selbft in dem Selbfi 
eingefchachtelt feyn? wie das Etnanations* 
und Evolutions - fyftem in der transfcefidenta* 
len Wiffenfchaft beftehen? — 

Man frage doch nicht mehr, wo die 
Brücke fey, welche den urkundlichen Satz 

mit 

• 



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Nachfchriftzur, Vorrede. 



*35 



mit den andern verbindet! Wer diefe Brü- 
cke an irgend' einem Ort facht, verlangt, 
dafs fie ihm gegeben werden foll, der höre 
nur auf, zu denken. Dem Thiere ift diefe 



Brücke mit dem Inflinct gegeben : dem Men* 
fchen kann fie gar nicht gegeben werden. 
Die Secunda Petri foli fie ihm felbft er- 
bauen! 



Statt des r fcholaftifchen Controvertirens 
der Kantianer und, Antikantianer und jener 
mit einander, mufs man fich endlich einmal 
zu dem Beftreben vereinigen, die Ideen der 
Vernunftkritik zu erreichen! Man lege es 
mir ja nicht als Machtfpruch aus, denn es 
ift reine Ueberzeugung , wenn ich behaupte, 
dafs die Meiften — ich nehme mich wahr« 
lieh nicht davon aus — die bewundrungs- 
Würdige Tiefe der Wahrheit und Weisheit 
in der Kritik noch nicht ergründet haben. 
Aber Reinhotds Theorie, Fjchte's Wiffen- 
fchaftslehre (welchen ich unendlich viel 
verdanke) und Becks Erläuterungen (deren 
dritten Theil ich mit Sehnfucht entgegen 
{ehe) können dazu verhelfen. Wie fehr 
würde ich* mich freuen, wenn diefe Männer 
meine Verfuche ihrer zureehtweifenden Prü- 
fung würdigen wollten. 



14 



Uebri- 



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oogle 



y$6 Jüaehfchrifi ttir Vorrede* 

i 

tfebrigens \tfrd jeder aufimerkfarae Lefer 
meiner Schrift von felbft entdecken, dafs ich 
vorzüglich darauf bedacht bin , meine eignen 
Satze zu berichtigen und auf andre nur da 
Rückficht nehme, wo es zur wiffenfchaftli- 
chen Ebnung meines eignen Weges not- 
wendig ift. Denn ich bin nun einmal der 
Meynung, dafs bey dem Controvertiren ge- 
gen diefen oder jenen Satz eines andern fürs 
Ganze nichts gewonnen wird, dafs es dage- 
gen die Schuldigkeit jedes Schriftfteliers ift, 
feine eignen Arbeiten immer beffer zu ma- 
chen und die Unvollkommenheiten derfelben 
zu bemerken. 



Giefen, den 2. De£. *795< 



• ■ : 



- *. 



4 " 

I 4 



* 

t t . J •' ... i - - 



Juri- 




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Juridifche Philofophie. 

Zwtyten Theils Etßes Stück, 



Abhandlungen 

• • • 

zur 

Grundlage des Naturrechts, 



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« < 





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: ■ 



• • • 



Erfic Abhandlung. 



Die 



Idee eines Grundfatzes des NaturrechtSi 



1 A ^* 

XJLlleg, was iß 9 mufs gefetzt feyn; und er- 
fordert alfo, als noth wendige Bedingung, 
Etwas, wodurch es ift und worauf es be- 
ruhet. . „ 

Denn, was das mufs /*yn; fein iSVi/n 
mufs alfp gefetzt r mithin auch Etwas feyn, 
wodurch das, was iß, feinem Seyn nach ge- 
fetzt ift ixnd worauf es beruhet A nihilo 
nil fit. 

■> Alles, was iß, hat Grawi. 

Denn , es kann nicht feyn ohne Etwas, 
Wodurch es gefetzt ift und worauf 'es beru- 
het (i); diefes Etwas aber heifst und ift 
Qrund. . Nur das Nichts iß ohneGrund, weil 
es Nichts , alfo auch nicht ift. Ne hiluni qui- 
detn eft, ergo nihil eft ac non eft. Daher 
find auch „das Gjrundlofe, „ das Nichts,,, 
Non enSj) Worte, welche das Gleiche be* 
' zeich. 



Digitize 



zeichnen ; fo wie man gleichbedeutend von 
Etwas und von dem, was Grund hat, re- 
den kann. 

Das Naturrecht hat Grund. 

Denn es foll feyn ( weil es l in der Ver- 
nunftidee ift, wie die Kritik der Vernunft 
lehrt) (2. i). 

Wenn man das Naturrecht wi^in will 
(wie man foll. Krit. d. Vern J ; fo mufs man 
auch den Qrund des Naturrechts wiffen. 

Denn, wenn man das Naturrecht wiffen 
will ; fo will man fich deffelben mit Qewifs* 
heit bewufstfeyn, eine fefle Ueberzeugung 
von demfelben haben ; mufs daher auch das- 
jenige wiffen, wodurch es* (feft) gefetzt ift 
und worauf es (feinem gewiffen Seyn nach) 
lieruhet. Kürzer: Das Naturrecht wiffen 
heilst: es aus dem Grunde verßehen ; erfordert 
alfo, dafs man diefen Grund inne habe oder 
wiffe. 

5- 

Wiffenfchaft des Naturrechts wird alfo be- 
dingt (zur wirklichen Wiffenfchaft) durch 
Wiffenfchaft des Grundes des Naturrechts (4). 

6. * * ■ 

Der Grund des Naturrechts mufs alfo zur 

■ * ■ 

Begründung der Wiffenfchaft des Naturrechts' 
w'tjfenfchafttich gefetzt werden (5). • ; " 1 

7. 



■ 



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zur Grundlage' des Naturrechtt. 141 

j 

1 

Die IPiffenfehaft des Naturrechts wird be. 
gründet durch, den Qrundfatz des Naturrechts, 

Denn, Qrmd mufs diefe Wiffenfchaft 
haben (2, 4); qr kapn ihr aber nicht anders 
als durch den Grund desv Naturrechts gegeben 
werden (4. 5). Wenn alfo der Grund des 
Naturrechts nicht wiffenfehaftlich« gefetzt ifo 
fo ka*in auch die Wiffenfchaft des Naturrechts 
©ieht wiflenfchaftlich gefetzt werden, d. h. 
nicht als Wiffenfchaft feyn. Was aber wif- 
fenfchaftlich (fürs Wiffen ) gefetzt ift, ift 
ein Satz, und diefer, wenn fe^in Gehalt ein 
Grund ift , , Qrundfatz. Die Wiffenfchaft des 
Naturrechts wird Alfo begründet durch den 
Satz, welcher . dgn Grund des Naturrechts 
enthält (Nur f ft r manche mufs ich hier aus* 
drücklich bemerken , dafs ich Wiffenfchaft des 
Naturrechts (jurisfeientia) von dem Natur- 
recht feiblfc (jus), w * e noth wendig ift, un. 
terfcheide,). 

8. 

Wenn man feine Wiffenfchaft des Natur r 
rechts zu einem Syyfem*, ausarbeite^ will, fo 
mufs man von« dem Grundfatze.aw/#ng£tt. 

Denn, wenn man feine Wiffenfchaft de$ 
Naturrechts zu einem Syftero ausarbeiten will; 
fo will man einen Satz durch den andern be* 
gründen, und fife -auf diefe Weife alle in Eins 
iufammenfetzen , in ein Wiflenfchaftlich e* 

Gan- 



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f4» Abhandlungen 

Ganze bringen. Wie kann man aber anfan- 
gen, einen naturrechtlichen Satz an den an- 
dern wiflenfchaftlich zufügen, ehe und be-? 
vor man weifs, dafs das Naturrecht überhaupt 
Grund hat? Wie kann ein Haus auf - und 
ausgebapet werden , "ehe und bevor fein Fun- 
dament zu Stande ift? — • Alfo die Allheit 
der juridifchen Sätze (Syftem) mufs die Ge- 
4 wifsheit für jeden einzelneu von dem Grund« 
fatze empfangen (in (ich fangen), darum das 
Ganze von ihm anfangen. 

Der Grundfatz des Naturrechts ift das Pfiff* 
cip der fyftematifchen Wiffenfchaft deflelben. 

Denn, mit ihm mufs der Bau des Syftems 
angefangen werden (8) ; er ift alfo der erfle 
Satz deflelben. 

10. 

Der Grundfatz des Naturrechts ift das 
prineipium ejfendi für die fyftematifche Wif- 
fenfchaft des Naturrechts ihrer Form nach; 
das prineipium feiendi (cognofeendi) für diefe 
Wiffenfchaft ihrem Geholte nach. 

Denn, ohne einen Grundfatz des Natur- 
rechts wäre die fyftematifche Wiffenfchaft 
deflelben, als Syftem und als Wiffenfchaft 
nicht möglich; und aus ihm werden alle Si- 
tze, welche zu dem Gehalte diefer Wiflen- 
fchaft gehören, gewnfsi: fie leiten von ihm 
ihre Gewifsheit ab C7. 

zr. 



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zur Grundlage des ükturrtchtt. J43 

Folgende Kriterien des Princips der Wifr 
fenfchaft des Naturrecbts werden aus dem 
blofsen Begriffe deffelben gefunden. 

a) Diefes Princip mufs ein Satz feyn, wel- 
cher nicht blos im Allgemeinen gilt und general 
ift f fondern allgemein gilt und univerfal ift. 

Denn , es foll das Naturrecht überhaupt, 
nicht blos einen Theil deffelben begründen: 
es foll der Grundfatz der Naturrechte feyn f 
welche — nicht Nlenfchen, ein genus homi- 
num, fondern der Menfch , die univerfitas hu« 
mani generis hat« » 

12. 

b) Das Princip des Naturrechts kann nicht 
aus der Erfahrung gefchöpft, nicht a p ofle* 
riori beftimmt feyn. 

Den?*, aus Erfahrung, a pofteriorl kann 
fcan wohl wiflen, was im Allgemeinen, aber 
nicht wass allgemein gilt (11). Noch mehr: 
15ach dem Princip des Naturrechts foll über 
das, was erfahren wird, d. h. die Natur ge- 
richtet werden; es mufs alfo auch etwas 
feyn, welches über alle Erfahrung ift. 

13* 

c) Das Princip des Naturrechts mufs ein 
Satz * priori, durch Vernunft beftimmt feyn* 

Denn es kann nicht a pofteriori durch Er- 
fahrung beftimmt feyn (12) : und mufs alfo 

durch 

■ 



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I 

I ■ 

*44 ' ; Handlungen - 

durch die Bedingung alles Wittens a pofteriori, 
d. b. a priori, durch die Bedingung aller Er- 
fabrung, d. Vernunft gegeben werden. -\ 

In welcher Function die Vernunft, als 
Gründerin des Naturrechts erfcbeine, ift im 
erflen Theil aüseinandergefetzt worden, als 
wir den Rechtsfatz erörterten. Hier nur noch 
foviel, weil' diefe ganze Unterfuchung hieher 
Dicht gehört. Die Vernunft aft überhaupt 
praktifch, felbftbeftimmend, fofern fie durch 
das Selbftgefetz in ihr conftitutiv ift; fip ift 
rein praktifqb oder moralifch, fofern fie.di? 
Conftitution feftfetzt, welche dejMenfch fich 
felbfl in feinem Innern geben toll:, theoretifch- 
praktifch oder juridifch, fofern §e die Confti- 
tution beftimmt, welche der Natur in Ver- 
hältriifs zu dem Menfchen gegeben werden 
foll. Die rein praktische Vernunft verfügt 
(als Gewiffen) über das Verhalten dps Innern: 
die £Ä*or£f //rÄ-praktifche (als äußeres Gericht) 
über das Verhalten des äufsem Menfchen (des 
Menfchen gegen die Natur). Jene ift rein 
praktifch, denn fie ift auf keine Weife durch 
Theorie bedingt, weil fie fich einzig und al- 
lein auf die trachtende Mentehenkraft bezieht: 
diefe ift fA^or^^A- praktifch , denn fie zieht 
a s theoretische , was be trachtet wird , die 
Natur in Erwägung, um das Rechtsverhält- 
nifs des Menfchen gegen diefe zu beftimmen. 
Die Gründung des Natun;echts alfo Und fein 

; Grund- 

i 

r • 

i 

\ 

! 



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zur Grundlage des Naturrechts* 145 

Grundfatz ift ein Werk der theoretifch . prakti* 
fchen Vernunft. 

d) Das Princip der Wiflenfchaft des Na- 
turrechts mufs ein reiner und wahrer Rechts* 

* ♦ 

fatz feyn. ■ t 

v Denn, er foll weiter nichts als das Natur- 
recht, aber diefes aüch in Wahrheit wiffen. 
fchaftlich begründen. 

15- 

Das Princip des Naturrechts ift daher ein 
reiner Permijßvfatz (14). 

Nur verwechfele man nicht den Permifllv- 
fatz mit einem Permifilv gefetz ("wie ich 
in der erften Ausgabe meines Naturrechts ge- 
than habe); fondern fehe die fünfte Abhand- 
lung von juridifcheh Gefetzen. 



Zweyte Abhandlung. 

Gründung des Naturrechts und der 
Wiflenfchaft deffelben. 

16. 

Alles, was ift, hat feinen Grund entweder 
in Jich felbft oder cmfser fich. 

Denn, Qrund mufs es haben (1), und 
diefer entweder in ihm felbft oder nicht in 
ihm, d. h. aufser ihm feyn. Ein drittes ift 
Schaum, neues Syfl. des na$. R. K niefit 

4 

-■ 

1 



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446 Abhandlungen 

nicht denkbar, aufser in fo fem wir etwafc 
annehmen, welches zum Theil ra, zum 
Theil aufser fich Grund ljat. Diefes wird 
aber hier dem letztern beygezäblt, weil uns 
liier an einer voltftandigen Entwicklung die- 
fes Satzes nicht gelegen ift. 

fn lieh Selbft hat allein das rein? Selbft 
und, was dem gleich ift, das (innere.) Reckt 
feinen Grund. 

Denn, allein das Selbft ift durch fich 
felbft gefetzt (ein Selbftgefetz, ens a fe) und 
beruhet auf fich felbft (ift fich felbft genug). 
Eben fo auch das reine Recljt, welches in 
Gleichheit mit dem Seibftgefetze befteht. 

18. 

Alles Uebrige hat feinen Grund (wenig- 
ftens zum Theil) außer lieh (16). 

19. 

Von dem , was feinen Grund in fich felbft 
hat, weifs man den Grund , fobald man es 
felbfi weifs. 

Denn , fein Grund ift in ihm felbft : mit 
dem Selbft habe ich alfo auch feinen Grund 
inne, , 

CLO. / 

Von dem reinen Selbft und dem reinen 
Recht hat man alfo unmittelbare Wiffenfchaft. 

Denn, man weifs mit dem Selbft und 
dem Rechte auch zugleich ihren Grund (19. 

*7)i 

s 



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zur Grundlage des Naturrechts. i 47 

17); diefer braucht alfo nicht aus etwas an- 
derem erft wiflenfchaftlich herbeygeführt zu 
werden. Das Selbft bedarf keiner Beglaubi- 
gung: das Recht keiner Rechtfertigung. 

21. 

Demjenigen, welches feinen Grund au- 
fser fich hat, mufs derfelbe, wenn es be- 
gründet werden foll, von aufsen her sntge- 
führt werden': (wie fich ohne Beweis verlieht). 



22. 



« 

Wenn man alfo von diefem (21) Wif- 
fenfchaft haben, d. h. es von Grund aus 
vergehen will; fo mufs man diefen Grund 
von aufsen her wiflenfchaftlich herbeyführen, 
ä. i. deduciren , und, wenn diefe Deduction 
eine vollkommne Beglaubigung, vollkommm 
Rechtfertigung feyn foll, fo mufs fi e voo 
dem ausgehen, welches durch fich fetbfl be- 
glaubigt und gerechtfertigt ift und mithin 
keine weitere Frage und Zweifel übrig läfst. 

' Denn , allein das Selbft verlieht fich von 
felbft; bey allem übrigen lä'fst fich noch nach 
einem höheren Grunde, wodurch und wor- 
aus es fich verlieht, fragen : alles übrige alfo 
läfst fich noch bezweifeln. 

Das Naturrecht hat feinen Grund nicht 
ganz in fich felbft, mithin zum Theil aufser 
fich. J 

> 

K * Denn, 



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148 Abhandlungen 

- Denn, es ift Natur - Recht. Das Recht, 
als Recht verlieht (ich von felbft: aber nicht 
das Recht über die Natur. Dafs ich recht 

j r 

feyn folle, weifs ich unmittelbar: dafsJch 
gegen die Natur Recht haben folle, weifs ich n 
nicht unmittelbar; denn beym iVtf/wrrecht 
kömmt auch die Natur in Erwägung und de- 
ren Grund liegt aufser ihr (17. 18). 

Das Naturrecht aifo und die Wiflenfchaft 
des Naturrechts müflen deducirt werden (23. 

21. 22). 



'A. Deduction des Naturrechts. 

25» 

Der Menfch foll dem reinen Selbfl gleich 
feyn. , Er foll 

a) Vernunft, d. h. die Kraft haben , fich 
das Selbftgefetz zu geben, oder, fich Selbfl 
zu vernehmen: 

b) Freyheit und Willen, d. h. die Kraft 
haben, fich felbfl autonomifch zu regieren: 

c) Wahrhaftigkeit , d. h. die Kraft ha- 
ben, ewig fich felbfl gleich zu feyn, zu feyn, 
wie das reine Selbfl: von Ewigkeit war, recht 
zu feyn. 

Alles diefes lind Axiome, welche keiner 
Deduction bedürfen (20. ty). 

26. 



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zur Grundlage des Naturrecht f. 149 

* * ■ 

26 • 

Der Menfch ift älfo von- dem Selbft in 
Pflicht genommen/ 

Denn, das Selbft kündiget fich ihm an, 
als das *Ev kxi Flav, welchem er allein ange- 
hören folL < \ 

Aber! wozu das gebietende Sollen ? — 
Der Menfch mufs alfo auch anders können! 
Er mufs auch fremde Gefetze vernehmen, 
durch fremde Kräfte heteronomifch regiert 
werden, fremden Dingen gleich und fich 
Selbft ungleich feyn können ! Kurz: es mufs 
Etwas feyn, welches heteronomifch ift, durch 
fremde Kraft gefetzt (gebaren ) wird: es 
mufs, mit einem Wort, Natur feyn qrid der 
Menfch mit diefer in Verhältnifs flehen. Denn, 
das? majeftädfche Sollen , mit welchem das 
Selbftgefetz zu dem Menfchen fpricht, zeugt 
von einem entgegen gefetzten Seyn und Seyn 
können. 

Allerdings ift der Menfch, in welchem 
fich das Selbftgefetz gegen ein ihm entgegen- , 
gefetztes Princip fetzt, nicht ein reines Selbft, 
Es giebt eine Natur und der Menfch ift in 
Verhältnifs mit ihr. Et kann auch fremde 
Gefetze vernehmen, von fremden Kräften 
regiert und dem Selbft untreu werden. Aber, 
von Selb flgefetzeswe gen ift er ganz unabhän- 

k 3 



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■ 



15° Abhandlungen 

glg von aller Heteronomie, frey von aller 
Naturgewalt; denn er ift von dem Selbflge- 
fetz in Pflicht genommen (26) und niemand 
kann zweyen, d. h. entgegengefetzten Her- 
ren dienen. 

29. * 
Un erachtet alfo der Menfch mit Hetero- 
nomie umgeben ift (27. 28), foll er den- 
noch autonomifch feyn (28). Auch in der 
1 Natur foll er fich Selbft vernehmen, fich Selbft 
regieren, fich Selbft gleich feyn. Er foll 
feine Pflicht (recht) thun 9 mit beftändigem 
Selbftbewufstfeyn leben, eine Selbftheit in 
der Natur, d. i. eine Perfon feyn. 

30. 

Aber! die Natur ift nicht Selbft, alfo die- 
fem entgegengefetzt , und mit ihm, wie Hete- 
ronomie mit Autonomie, in fPiderfpruch ! 

Das mag feyn, wie es ift! Der Menfch 
hat den imbedingten Auftrag, eine Selbftheit 
in der Natur oder eine Perfon zu feyn (25. 
26. 29): und ift hiedurch alfo zugleich au- 
torißrtf die Widerfprüche der Natur gegen 
feine Selbftheit zu nicht zu machen; denn 

* 

gegen den unbedingten Spruch des Selbftge- 
fetzes gilt aller Widerfpruch nichts. 

Durch den heiligen Beruf des Selbftgefe- 
tzes ift dem Menfchen alfo Macht über die 

'' Na~ 

i 

/ 

f 



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■ 

zur Grundlage des Naturrecht f. 15t 

■ 

Natur gegeben (31), Alle Welt foll ihn 
achten als den Herrn der Schöpfung, denn 
x durch die Verpflichtung an das Selbft ift er 
zum Ebenbild des Schöpfers gefetzt: fqjne 
Menfchenkraft foll eine (unabhängig von al- 
ler heteronomifchen Materie.) Selbfiformende, 
durch das Wort (Werde) des . Splbftge fetze* 
Schaffende Kraft feyu. . } 

33* . % »» 1 

Diefe Macht über die Natur (32) ift dem 

Menfchen/ durtk das Selbßgefetz verlieben 

(daf.), rnid alfo diefem gleich. Sie ift mit T 

hin eine praktische oder Rechts- Macht (17), 

d. h. mit einem Werte, eip' Reght. 

■ 

' Der Menfch hat alfo ein. ReM 'über dit 
Natur (33). Er foll recht tkün (29), darurii 
foll er auch ein Recht haben (30 — 33). 

Wit haben das Naturrecht deduclrt, denn 
wir haben derafelbetj aus dem durch das 
Selbftgefetz beftimmten Verhältnifs des auto. 
noraifch feyn fotteMen Menfchfcn äü* der böte* 
> fonomifch feyenden Natur feinen Grund zuge- 
führt, aus diefem Verhältnifs bewiefen, dafs 
erf Grund hat und es aifo gerechtfertigt (22). 
Das Näturrecht iß, ^dehn 'fcs feilt feyn. 

35- 

Der transfcendeniale Begriff eines Rechts* 
ift nach dem vorhergehenden dief^r: 

K 4 Z>/* 



\ 

s 

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15a Abhandlungen 

\ , Die von dem Selbflgefetz verliehene Macht 
iß ein Recht (33). 

36. 

-Das Recht C35) & eine (praktifch) a/ß 
gemeingeltende, alfo öffentliche Sache (res 
publica). 

Denn , das Sfclbftgefetz ift der allgemeint 
Wille und eine Sache, deren Url fache diefet 
ift, eine öffentliche. 

37* 1 

Puhlhität im praktifchen Sinne ift alfo dbr 
transzendentale Charakter des Rechts (36). 

38. 

Was der Pubficität praktifch tingleich ift, 
ihr praktifch widerfpricht, kraft des allgemei- 
nen Willens jiickt öffentlich feyn foll und 
tfarf, ift Unrecht: was der Publicität praktifch 
gleich ift kraft des allgemeinen Willens öf- 
fentlich feyn foll und darf, ift Recht (37)% 
Wo du dir bewufsj bift, dafs du von Selbfi> 
gefetzes wegen etwas in der Natur auszufüh- 
ren, allgemeingeltend zu machen Macht haft, 
wo theoretifche Publicit'dt ein prakti- 
sches Bedürfnifs ift, das haft du gewifs ein 
Recht. Wovon die Pflicht gebietet^ dafs e$ 
öffentlich werde upd was du alfo ohne Schelf 
der ganzen Welt offenbahren follft und darfft, 
das ift gewifs Recht. Recte faciendp neminem 
timeas. 

I. Kant. Zum ewigen Frieden. 

39- 



■ 



Digitized 



zur Grundlage des Naturreeht /. 153 

1 

• r ♦ - . 

39 # 

Aus dem transzendentalen GeGchtspuncte, 
d. fc. der raw*«s Idee nach, betrachtet, enthält 
das Recht 

a) der Qualität nach: eine unendliche 
Macht, eine reelle Macht, welche (wegen 
der unaufhörlichen Negationen der Natur) in 
keiner Zeit realißrt wird, nie zu Ende gehtr 

b) der Quantität nach : eine Allmacht*. 
welche allgemein gilt , gleich dem allgemei- 
nen Willen : 

-* c) der Relation nach: eine Selbßmacht, 
deren Ur- fache das Selbftgefetz, Autono« 
mie ift: 

d) der Modalität mch: eine Vollmacht, 
eine Macht, Vielehe ein wahres, in fich felbft 
übereinftimmendes, d. h. vollkommenes Recht 

ift (35 — 38). • 

Man redet ailch von unvoltkommnen Rech- 
ten; allein diefer Begriff ift für die Wiffen- 
febaft ein ganz leerer Begriff: ja, ihrer Wifc 
fenfehaftlichkeit nachtheilig. Ich erlaube 
mir, diefes zu beweifen und den Begriff des 
unvoilkommnen Rechts 2u berichtigen, fol- 
gende Bemerkungen: 

a) Das voltkommne Recht hat in fich felbft 
Realität, ift wirklich ein Recht über die Natur; 
denn es ift durch dafielbe eine reelle Macht 
über die Natur gegeben, nach welcher diefe ' 
fich fügen foll : was man unvoltkommnesRechb 

R 5 nennt, 



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» p 

154 Abhandlungen 

nennt, ift in {ich felbft eine blaffe Negation, 
^twas nicht böfes, nicht rechtswidriges, ;aber 
gär kein reelles Naturxecbt,, dem .alle Welt 
nachgeben foli. Man vergleiche das Recht,, 
feine ßerufspflicbt zu : thun mit dem foge- 
nannten Recht des. Armen auf AUmofen. 

ß) Das vollkommne JR,echt ift ein allge- 
meingültiges Recht: das unvollkommne, nichts 
Jenes foli alle. Welt gelten lafien, : denn es 
ift ein reelles* Naturrecht:: das letztre aberifi^ 

- - . 

dies nicht, foli alfo auch nicht dafür . er- 
kannt werden. Man vergleiche das Recht, 
fich nicht beleidigen zju laßen mit dem fpge- 
nannten Rechte, von Bekannten zu fordern^ 
dafs fie litis <e*tyras : leihen; 

y) Das vollkommne RechJ: ift nnfadingfo 
nnd unabhängig: das unvollkommne, nicht* 
Das erftere ift weder bedingt durch die IflejU 
gungen Andrei (man braucht in Rückficht 
«feflelben niemand zu fragen oder zu bitten),; 
noch hingt es von Zeit und Umftanden ab* 
es iß fich felbfl genug. Nicht fo, das andere : 
es hängt von der Natur (z,$., Neigungen* 
Umftanden) ab, ob die Wünfeb^^ . >velche f 
das unvollkommne Recht, nähtt, befriedigt 
werden füllen. Man. denke an das Recht, 
ficb das . Seinige nicht nehmen zu laflen und 
an das fogenannte Recht ajuf Liebesdienftp., , 
#) Endlich: das vollkommne Recht ift 
ein wahres. Recht: das unvollkommne, nichts 
< - . In 



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zur Grundlage; des Naturrecht /. 155 

h jenem ift uns iii der That und Wahrheit 
Macht üb«r die, Natur gegeben: es enthält 
eine juridifche Forderung ; diefes aber nichts, 
als eine politifche (auf die Natur gegründete,) 
Hoffnung. 

Der metaphyßfche £a priori in Abficht auf . 
das, was a pofteriöri ife, durch Beziehung der 
Idee des Rechts auf ihr Object überhaupt, be- 
ftimmte) Begriff des Rechts ift diefer: 

Die von ctem Sclbßgefeiz verliehene Macht 
über die Natyr iß ein Recht ("33. 34). 

Das Recht ift eine Obermacht, eine yiw- 
veräne Sache (jus eminens). 

Denn es ift Macht über die Natur (40)* 

■ 

- 42. 

Souveränität im praktifchen Sinne ift alfo 
der metaphyßfche Charakter des Rechts (4O. 
Es giebt dem, welcher es, hat, Majeßät, 
d* h. eine Macht, welche größter, als alle 
Naturgewalt, über alles in der Welt erhaben 
ift. Vor dem Recht foll Alles fich beugen. 

Was der Souveränität praktifih ungleich 
ift, kraft des allgemeinen Willens die Über- 
macht nicht haben foll und darf, ift nicht 
Recht: was $er Souveränität praktifch gleich 
ift, ift Recht (4z). Wo man mit Gewifsheit 

weifs, 



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156 . — Abhandlungen 

weifs , dafs theoretifche Souveränität ein 
pr a kt ifch es Bedürfnifs ift, das Selbfl* 
gefetz für etwas die wirkliche Übermacht über 
die Natur unbedingt fordert, da ift gewifs 
ein Recht. Fiatjuftitia etpereat mundus. 

44« ~ . . 
Aus dem tnetaphyfifchen Gefichtspuncte 
betrachtet, ift das Recht 

a) dem Subjecte nach, ein Menfchen- 
recht, denn dem Menfchen ift es gegeben: 
es ift fubjectiv, persönlich: A 

b) dem Objecte, dem, was ihm entgegen i 
fteftt, dem Gegcnßande nach, ein Natur* \ 
recht; denn es ift gegen und über die Natur 
gegeben : es ift objectiv, dinglich: 

c) dem Zwecke nach, ein äufseres 
Recht, denn die Rechtsmacht betrifft das, 
was nicht Selbft* alfo etwas Aeufseres ift: 

d) dem Mittel nach, ein zwingendes 
Recht (jus cogens), denn es wird vermit- 
telt durch Entgegenfetzung der Natur gegen 
die Natur, d. h. durch Zwang. Man fehe 
Theil L Das Naturrecht, Der Zweck. Das 
Mittel des Naturrechts. 

Es. i^fprachwidrig , wenn man das Na- 
turrecht (und die Wiflenfchaft deflelben,) das 
Recht der Natur nennte denn es ift ein Recht 
des Menfchen über die Natur. 



B. De- 



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1 

i 

-m 

zur Grundlage des ttaturrechtr. 157 
- ■» 
B. Deduction der Wi ffenfehaf t de« 

Naturrechts. 

45- 

Der Menfch welfs feine Verpflichtung an 
das Selbftgefetz und hat alfo Wijfenfchaft da- 
von (20.. vgl. Theil L). 

46. 

Die Verpflichtung v an das Selbftgefete 
fchliefst Berechtigung über die Natur, ein 
Naturrecht ein (31 — 34); weifs der 

Menfch mit feiner Verpflichtung zugleich 
auch fein Naturrecht und hat mithin IViffen* 
fchaft davon (45). 

47-, 

Aber, der Menfch foll fein Naturrecht 
nicht blos im Ganzen, fondern auch in allen 
feinen Theilen (vollftändig) wiffen. 

. Denn , er [oll das Recht vollßändig (zu 
allen Zeiten und Orten, in allen Dingen, 
unter allen Verhältnifl'en" und Umftänden) 
üben: das Recht abermals etwas im Selbfl- 
bewufstfeyn, durch /^rwtm//gefetze beftimm- 
tes, Ideales, kann nur in fo fern geübt wer- 
den , als es gewußt wird , als man es in fich 
felbft vernimmt, Idee davon hat; alfo foll 
das Recht von dem Menfchen vollftandig ge- 
wufst werden, (Welches aber nicht fo ver- 
ftanden werden mufs, als CoUte jeder Menfch 
es vollftandig fludiren). 

48- 

« 



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15$ Abhandlungen "• 

* » «■ ■ • « . r 

*'' " '• 4 O • 

Der Menfch ftaan das Naturrecht in allen 
feinen Theilen vollftändig wiffen. 
Denn er [oll es '(47X 

49- v 
Alfo ift nicht nur Wiffenfchaft vom N* 

turrecht im Ganzen, fondern auch [yflematim 

[che Wiffenfchaft von demfelben möglich 

C48. 8). / 

5°* 

Wiffenfchaft des Naturrechts im weitem 
Sinn ift alfo : ' 

Wiffenfchaft von der Berechtigung des 
Menfchen über die Natur im Ganzen: im en~ 
gern Sinn ( fyftematifche Wiffenfchaft) : 

Wiffenfchaft von der Berechtigung des 
Menfchen über die Natur in allen ihren Theilen 
(46. 47). 

5*. 

Der Grundfatz des Syftems des Natur- 
rechts, d. h. der Satz, welcher enthält, dafs 
das Naturrecht Grund hat (5. 6. 7), die fcien^ 
tififche Realität deffelben begründet, wird 
durch diefe Formeln ausgedruckt: 

a. Transfcendentale Formel. 

Der Menfch iß Repr'dfentant des allgemei- 
nen Willens (in der Natur) und hat dadurch 
«) ein unendliches, ' 
ß) ein allmächtiges, , 1 
- y) ein 



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zur Grundlage des Naturrechts, ti 5 p 

y) ein öffentliches (autondmifthes.), 
S) ein vo{lkommnes Recht (35 39). - 

b. Metaphyjlfche Formel. 

Der Menfch iß S ouverain (hat Ma* 
jefiät über die Natur): : » 

a) Der Mmfch hat ein Recht afor die 
Natur: /, „ « 

p) Der Menfch hat ein Recht g^gwz die 
Natur, d. i. ein Recht, die Wider fptiiche 
der Natur gegen feine Selbftheit zu nicht zu. 
machen — oder — die Natur auf die Be- 
dingungen einzufchränken , dafs feine Selbft- 
heit in der Natur (feine £*erfönlichkeit) he- 
flehen kann : . 

y) Der Menfch hat ein Recht, das Aeu- 
Jsere zu Recht zu fetzen : 

^) Der Menfch hat ein Recht, das Aeu. 
fsere durch Zwang zurecht zu fetzön. 

Alle diefe metajphyfifchen Formeln find 
gleich dem Einen Grundfatze: Der Menfch 
hat ein Naturrechi. Je nachdem man das Sub- 
ject, oder das Object, oder den Zweck, oder 
<3as Mittel des Naturrechts wiffenfchaftlich 
hervorziehen will, bedient man lieh der ei- 
nen oder der übrige« Formein (40 — 44)* 

■ 

DHU 

: 

1 1 

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x6o Abhandlungen 

Dritte Abhandlung. 

Das Urrecht und die urfprüngUchen 
Rechte des Menfchen. 

- 

Das Naturrecht des Menfchen wird durch 
feine Verpflichtung an das Selbftgefetz be- 
gründet und beruhet auf diefer (S. diezweyte 
Abb. und Theil L). Die Pflicht ift alfo der 
Stamm oder der Urgründ alles Menfchen- 
rechts. 

53- 

Mit und in dem Urgründe alles Menfchen- 
rechts (52), alfo unmittelbar durch die Pflicht 
ift das Recht, recht (feine Pflicht ) zu thun, 
gefetzet. * 

Denn, dufch die Pflicht erhalt derMenfch 
den unbedingten Befehl, feine Menfchehkraft 
dem Selbftgefetze zu weihen, alfo auch die 
Rechtamacht dazu (29). 

54- 

Das Recht des Menfchen, feine Pflicht 
ZW thun (53) , ift fein ürrecht. 

Denn f es ift unmittelbar durch die Pflicht, 
der t/rgrund alles Menfchenrechts fetzt es 
durch fleh felbfl allein (53); es ift alfo die fem, 
feinem Gehalte nach, gleich, ein Recht, 
welches feinen Gehalt nicht von der Natur 
(dem Gewirkten) awfängt, fondern von dem 

Selblt- 



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zur Grundlage des tiatjtrrechtt. »6t 

Selbftgefetze (der Vf. fache) hat, d. h* ein 
Ur -recht, welches vor allen aridem Rechten, 
ihre reine, wahrhaftige Quelle ift. 

Das ift das Wefen des Ur- rechte, da& 
es dem Ur- gründe aller Rechte gleich ift, alle 
übrige Rechte zu. Rechten macht, d* h* fie 
heiliget Darin ; befteht alfo A\e Heiligkeit 
des Menfchenrechts, dafs es in feiner Quelle 
dem, welches allein heilig ift — der Pflicht — 
gleichet, und ein Angriff auf das geringfte 
Recht des Menfchen fich bis in das Heilig* 
thum der Menfchheit fortpflanzt 

Ich weife wohl, dafs toati Von mehreren 
Urrechten fpricbt; allein, ohne vop dem 
bekannten Szttt Principia praeter neceffita* 
tem non funt multipUcanda, hier Gebrauch 
2U machen , ift es fchon , wie ich überzeugt 
bin, aus dem eben vorgetragnen evident, 
dafs \*ir, wenn wir nicht in Worten leicht, 
finnig feyn wollen, Wohl von mehreren ur* 
fprünglichen und Qrund - rechten , aber nur 
Von einem Urrechte reden können» 

Da dem Menfchen durch das Urrecht die 
Macht verliehen ift, die Pflichtidee 2u realU 
firen oder den Befehl des Selbftgefetfces in 
der Natur auszuführen (54. 53}; fo hat er 
auch ein Recht zu demjenigen , was er haben 
toufs, um von diefer Macht Gebrauch zu. 
Schdum. neue* S}fi> da nau & h ma» 

y 

4 

* 

/ 

• * 



Di 



%6z Abhandlungen 

machen — ein Recht auf die Natur -bedin* 
gütigen feines- Urrechts. 

Denn, wenn diefes nicht wäre, würde 
das Urrecht kein Urrecht , » keine von dem 
Selbftgefetze verliehene Macht über die 
Natur feyn. Die Natur würde aufheben, was 
die Selbftheit fetzt, die Selbflmacht würde 
durch jene zu einer Ohnmacht werden, wel- 
ches unmöglich ißt. 

56. 

.Folgende Rechtsfprüche ergehen daher 
von dem Urrechte aus an die Natur : 

a) DerMenfch hat ein Recht zum Dafeyn. 
Denn , er hat ein Recht, die Pflichtidee 

in der Natur auszuführen ; mufs daher auch 
in der Natur feyn, und, weil diefe ein un- 
aufhörliches Werden, d. i. dem Zeit- gefetz 
unterworfen und aufser dem Selbft, d. i. von 
dem Selbft geräumt , in Raum gefetzt ift, iqt 
Zeit und Raum, d. h. da feyn (53 — 55). 

. 57- 

b) Der Menfch hat ein Recht zu Leben., 
\ Denn, er hat ein Recht, die Pflichtidee 
in der Natur auszuführen; mufs daher auch 
durch den Pflicht- oder Selbßtrieb die Natur 
formen, d. r. durch den Qeifl die Materie be- 
feelen, d. h. leben. 

Was phyßfch nothwendig ift zu den Na- 
turbedingungen des Urrechts , das mufs phy- 
ßfch (aus der Natur , a pofteriori) erkannt, 

w d. u 

- 

r 

, Digitized by Googl 



zur Grundlage des Natur recht f. 163 

& i.' erfahren werden : und der Menfch bat 
auf alles diefes um feines Urrechts willen ein: 
Recht Alfo ; 

a) Der Menfch hat ein immerwährendes 
Recht auf einen- P/ate auf der Oberfläche der 
Erde, (Eine Univerfal- Monarchie läfst fich 
fchon um diefes Rechts willen nicht denken. 
Denn Ein einziger foli und darf nicht , die 
Territorialhoheit über die ganze Erde haben« 
Diefe hat der Menfch, d. h. Einer wie Alle, 
und Alle, wie Einer). 

Denn , dies ift zu feinem Dafeyn noth« 
wendig (56). Keine Naturgewalt darf ihn 
Von einem beffimmten Platz auf der Erde 
herabftofsen , wenn dadurch fein Dafeyn auf- 
gehoben wurde. Des Menfchen Sohn foli 
haben, wo er fein Haupt niederlege. 

ß) Der Menfch hat ein Recht auf einen 
Korper. 

Denn, diefer ift, als Wohnfite des Le- 
bens, zum Leben notwendig. Keine Na- 
turgewalt foli den Menfchen des Körpers be- 
rauben, den Körper entfeelen. ' ( 

y) Der Menfch hat ein Recht auf die 
Körper - elemente* 1 

Denn, in diefen befleht die Natur des 
Körpers (ß). Keine Naturgewalt darf den 
Menfchen der Luft, des Lichts, des Feuers, 
des Wafiers, der Erde berauben. 

La £) Der 



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i64 Abhandlungen 

* 

$<) Der Mellich hat eih Recht auf Körper* 
Nahrung. 

Den^, durch diefe tnufs der Korper fefc 
«er Natur nach erhalten werden und keine 
Naturgewalt darf ihm alfo diefes noth wen- 
dige Mittel des Lebetos entziehen (53 — 55). 

58* 

c) Per Menfch hat das Recht cter äufsern 
Freiheit. 

Denn, er hat das Urrecht, die PfiichMee 
in der Natur abzuführen ; mufs alfo auch 

ot) das Recht haben, fich die Natur un+ 
bedingt %u unterwerfen. Gleichwie vor der 
Pflicht die ganze Natur fich beugen foll, fo 
foll der Menfch — — der Mandatarius der 
Pflicht — unbedingter Oberherr über die Na« 
1 tur feyn, d. h. pofitive, aufsere Freyheit ha- 
ben. Aber er tnufs kraft feines Urrechts 

ß) auch das Recht haben, der Pflicht 
gleich geachtet zu Werden Und gleich ihr über 
alle Natürgewalt erhaben zu feyn. Gleich- 
wie die Pflicht heilig ift, fo foll auch der 
Menfch heilig feyn und das Recht der Unver- 
letzlichkeit , d. h. negative , aufsere Freyheit 
haben (53 — 55)- 

d> Der Menfch hat das Recht der Persön- 
lichkeit. 

Denn, er hat das Urrecht, den unbedingten 
Befehl des Selbßgefetzes in der Natur aitszuftih- 

rem 



1 



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zur Grundlage des U^turrechts. 165 

ren; nraft. alfo auch das Recht haben, fick 
fefyß anzugehören, d. i. eine Perfon zu feyn. 
Diefes Recht der Perfönlichkeit enthalt 
*) das Recht des Menfchen, fich wäh- 
rend feines lebendigen Dafeyns zum Selbß- 
bewufstfeyn — Bewufstfeyn des Selbftgefe- 
tzes — zu erheben, damit er die Stimme 
diefes Gefetzes r vernehme und über feine Be* 
ftimmung « — Beruf zur Selbftheit — fich 
aufkläre. Diefes Recht iß mit zwey Worten 
das Recht der Cultur und Aufklärung, und 
giebt dem Menfchen die Macht, feine durch 
Natur afficirte Menfchenkraft zu bearbeiten, 
auf dafs er die Forderung des Selbftgefetzes 
bore und das Mufter, nach welchem er fich 
bilden foli, in reiner Klarheit anfchaue. 
Wenn der Menfch aber zu d^m Befitz diefes 
Rechts der Cultur und Aufklärung feinem Ge- 
halte nach gelangen foil; fo ift phyßfch noth- 
u/endig, dafs er die Kraft habe, fich feibft 
in der Natur zu verftehen, die Kraft innerer, 
geiftiger Anfchauung, Denkkraft: und diefe 
Kraft kann er nicht haben, als wenn fein 
Denkvermögen in Wirklichkeit übergeht, in 
dem Kleide der Sprache und der Schrift in 
der Natur erfcheint, Der Menfch hat alfo 
durch das Recht der Cultur und Aufklärung 
a) DenkfreyheiU Keine Naturgewalt foli 
fich erkühnen, dem felbftanfchauenden 
Geifte Feffeln anlegen zu wollen : 

L 3 b) Rede- 



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i66 Abhandlungen 

' t) Rede • x\x\& Schreib - FreyheiU Keine 
Naturgewalt darf es dem Menfchen weh- 
ren, feine Gedanken durch Worte, 
Schrift, Druck u. f. w. in Wirklichkeit 
zu fetzen. 

ß) Das Recht der Perfönlichkeit giebfc 
dem Menfchen auch das Recht, feine Men- 
fchenkraft nach dem Selbftgefetze in feinem 
Bewufstfeyn zu richten , feinen Lebenswan- 
del nach der Selbftftimme in ihm zu beftim- 
inen, in feinem Thun und Laffen dem Selbft- 
gefetie anzugehören. Dies ift das Recht det 
Stlbflthätlgktit : und kraft deflelben hat der 
Menfch * 

a) Gtw'iJJetisfreyheitJ Das Setbßgefete in 
feinem Bewufstfeyn foll und darf fein 
Thun und Laßen beftimmen, aber keine 
Naturgewalt lieh erfrechen, ihn wider 
diefe Stimme des Gewiffens zu irgend 
etwas nöthigen zu wollen : - 

6) Religionsfreyheit , d. u das Recht, lieh 
dem Ideal der -Heiligkeit (Gotte), .Wei- 
ches das $elbftgefetz im Gewiffen vor- 
fchreibt, ^ zu verbinden (verpflichten). 
Keine Naturgewalt foll fo frevelhaft 
feyn , fich in (tiefe Selbftverpflichtung 
des Menfchen mifchen, oder fie auf ir- 
gend eine Weife Äören oder befchrän- 
ken zu wollen. . - 

6o. 

* 

■ 



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zur Grundlage des Nattirrechts. x6j 

~ 6o. " .'• . i " 

Die bisher 5<5 — 59 vorgeftelltenReclite 
find urf'prüngliche* • 

Denn, fie entfpringen unmittelbar aus 

dem Urrechte (56). • 

1 




Vierte Abhandlung 
Von dem 

Naturftande und Naturzuftaride* 

♦ 

Es ift bekannt, dafs der fogenannte Natur* 
ftand lange Zeit hindurch einen grofsen Ein- 
flufs auf das Naturrecht gehabt und zumTheil 
(infonderheit bey den gofitiven Juriften) noch 
hat. Es ift nicht weniger bekannt, dafs 
man fich unter diefem Naturftand, den Zu- 
ftand des Menfchengefchlechts gedacht hat, 
wo jeder einzelne nach feiner Natur, d. h: 
nach feinem Privatwillen oder Willkühr lebt, 
niemand öffentliche Gefetze und ein Jus cer- 
tum anerkennt. Diefer Naturftand war die 
Sphäre, für welche Pufendorf und Viele nach 
ihm ihr fogenanntes Naturrecht fchrieben 
und auf welche fie es einschränkten. Aber! 
wie war es möglich, nach diefer Manier ein 
Naturra&J zu entdecken ? Wo die Natur gilt, 
kann «da ein Recht ü h e r die Natur gelten ? 

L 4 Kann 



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i68 Abhandlungen 

Kann die Herrfchaft der Gefetze und des alU 
gemeinen Willens da gegründet werden , wo 
Natur und PrivatmWe herrfchen foii? Auch 
liefs fich auf diefem Wege eine Wiffenfchaft 
des Naturrechts nimmermehr zu Stande briiK 
gen. Denn der Hauptgefichtspunct war hier 
immer etwas fmpirifches und die Principieti 
fo wenig . allgemeingeltend , dafs man nicht 
nur zweifelte» ob fie irgendwo Realität hat* 
ten (ob überall fo etwas , als diefer Natur* 

A 

ftand, da wäre) , fondern auch utufste, dafs 
«in folcher Zuftand , wo fie allenfalls gelten 
konnten , durchaus nicht feyn füllte* Kein 
Wunder, dafs unter diefen Umftanden die 
Machthaber und ihre Diener (die poütiveii 
Juriften) das Naturrecht nicht achteten , die 
Machtfprüche der Wiilkiihr für das einzige 
Recht hielten und durch diefe regierten. — > 
w Der Zuftand, welchen das N*t urrecht vor- 
„ausfetzt', foll ja nicht feyn; da würden die 
„Menfchen in einem bello omnium contra 
„omnes einer den andern verzehren Und alfo 
„fehr unglücklich leben; um das Glück der 
„Menfchen zu beforgen, mnfs die natürliche 
„Menfchenfreyheit eingefchränkt, und, weil, 
;,wo alle ihren Willen haben, nichts als Un. 
„glück herauskömmt, die Oberherrfchaft ei* 
i,nem Pr/Va^willen übertragen und diefem die 
„ öffentliche Gewalt übergeben' werden. „ — 
So beschönigte und begründete das Natur. 

recht 

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zur Grundlage ät$ tfaturrcchtf. t6(> 

recht in feiner alten Geftalt den Defpotismuf 
und ift Schuld an dem abfcheulichen Satze, 
<dafs die Oberherreh ihre Gewalt dazu haben* 
das Glück des Volkes zu machen. 

Auch neuere Naturrechts - und Stä^ 
fechts • Lehrer fetzen das Burgerrecht den* 
Naturrecht noch entgegen, leiten die Koth« 
wendigkeit des Staate aus c|en Uebeln des 
Natitrßandks ab und fprechen von Atn&trung 
oder wohl gar von Aufhebung des -Naturßan« 
des durch den Staat, unter welchem rnaa 
noch immer die Obergewalt f welche einem 
Privatwilleri von einer Summe Mehfchen ge- 
geben (oder diefen Von jenfem geraubt ift), 
*u verftehen pflegt Beweis genüg, dafs 
die alte Vorfteliung von dem Naturftandi 
noch immerfort eine, auf nichts als Verjähr 
rung gegründete Autorität über die Wiffeir. 
fchaft des Naturrechts ausübt Aber diefe 
Autorität ift mit der Reinheit der Witten, 
fchaft unverträglich, ' Darum fallen folgende 
Sitze hier ihren Platz finden* 

62. 

Durch das Urrecht (53 ff.) ift derMenfch 
berechtiget, in der Natur zu feyn und zu bleU 
fewi d. ht fetten Fufs in derfelben zu fafien. 

Wenn man irgend wö zu feyn und zu 
bleiben oder fetten Fufs zu faffen berechtigt 
ift, fö hat man dafelbft von Rechtswegen ei- 

L 5 neu 



Di 



*7o Abhandlungen^ 

npn Stand. Der Mettfeh hat alfo von Rechte^ 
wegen einen Stand in der Nfrtur, d. h. einen 
ffaturfland (flatus naturalis). 

Diefes ift die wahre Idee eines Natur* 
ftandes in der Wiflenfchaft des Naturrechts; 
denn fip ift allein dem Urrechte des Menfchea 
gleich 453, ff.). 

+ 6 4 • 'j- 

In einem Zu flande (conditio, ein treffen- 
des Wort , . wenn man bedenkt, dafs es aus 
cum und ditio zufammengefetzt ift) ift man, 
fofern einem etwas äwfteht, d. h. fo fern 
man nicht: durch fich allein 9 fondern auch 
jjoch durch etwas Anders beftimmt wird: 
picht reine Autokratie, fondern ^uch Hete- 
rokratie (^owditio) ftatt findet. 

65. 

Der Menfch ift alfo im Natura wftande 
(conditio naturalis), fofern die Natur in Ab- 
ficht feiner etwas b.eftimmt, er nicht Selbfi- 
inacht hfit, fondern aus der Naturgewalt Mos 
geftellt ift; nicht dei* allgemeine Wille des 
Selbftgefetzes allein , fondern auch Naturkraft, 
Z. B. Willkühr über ihn herrfcht (64). 

* 66. 
Diefer Naturawftand (65) foli nicht feyn. 
Denn, der Menfch foll unbedingte Ober- 
, herrfchaft, äufsere Heiligkeit und Persönlich- 
keit haben C58. 59). Der Zuftand des Men- 
fchen foll ein Recht sznfland (ditio juridica) 

feyn : 



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zur Grundlage des Naturrechts. 171 

Ufni Mos der allgemeine Wille des Rechte 
föll und darf ihn beftimmen: nicht der 17«- 
wilU der Natur (eine Naturkraft, welche gar 
kein Wille ift, fondern alles Wollen, wo 
möglich , zernichtet). 
*' 6j. . u 

Diefer Naturewftand kömmt in der Wif- 
fenfchaft des Naturrechts, blos^ negative, als 
etwas dem' Naturrecht entgegengefetztes, in 
Betrachtung. 

Denn, diefe Wiflenfchaft enthält die Ge- 
fetze zur Löfung der unendlichen Aufgabe: 
Den Naturauftand durch den Rechtszuftand zu 
vernichten^ Den Natur/fcwrf (62. £3) grün* 
det'dzs Naturrecht: den Naturettftand aber 
(65. 66) foll es von Grund ans vernichten. 

Darin haben aifo viele Naturrechtslehrer 
gefehlt, dafs fie den Natur/fawd tnit dem Na- 
tunswftande verwechfelten und nicht bemerk- 
ten, dafs in einem *Naturzuftan de, wo jeder 
nach feiner eignen Natur lebt, vom Recht 
nicht die Rede feyn kann. Der Natur/fawrf ift 
aber eine Rechtsidee und etwas allgemeingültig 
ges. Weit entfernt, dafs ihn der Staat auf- 
heben oder ändern dürfe* foll. er. vielmehr 
durch diefen befefiiget werden. Um des Na* 
turßandes willen Jollen Staaten feyn. 

68- 

Zum Schlüfs noch einige Gedanken über 
die verfebiedenen Arten des Naturftandes, 

um 



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ija Abhandlungen . z 

um deft nattirrechtikhen defto befier zu cht. 

■ 

rakterifiren. r 

a) Naturftand überhaupt ift der Stand de« 
Menfcben in der Natun 

b) Er zerfallt in den praktifchen und theo, 
retifehen, d, h. in den, welchen der Menfch 
haben foll und welchen er hat, 

c) Der praktifche Naturftand theijt fich 
wiederum in den moratifchm und juridifchen. 
Jener ift der Naturftand, welchen fich der 
Menfch in feinem Innern geben foli und be- 
fteht in der Fettigkeit des Menfcben gegen 
alle Reize und Drohungen der Natur, in dem 
fejlen Charakter* Der juridifche ift der Na- 
turftand, weichen der Menfch kraft feines 
Urrechts in der Natur haben foll, die oben 
befcbriebene äufsere Freiheit und Perßntictu 
keit, der Naturftand, von welchem wir hier 
eigentlich reden (6a. 63. 67V 

d) Den theoretifchen theilen wir in den 
empirifchen und transfcendertialen, Diefer b$- 
fteht in der ß priori beflimmten Möglichkeit, 
dafs der Menfch einen Stand in der Natur 
habe: und jener ift der Stand, welchen «in 
Menfch in der Natur wirklich hat Diefen 
letztern kann man aufs neue in den rohen 
Naturftand (in welchem fich rohe Menfchen 
befinden) und in den atltivirten (in weichen 
Cultur z. B. bürgerliche Gefellfchaft Men- 
fchen verfetzt hat.) unterscheiden t und die 

Auf- 



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zur Grundlage des Uaturrechtt. 173 

* 

Aufgabe, welche der Wiffenfchaft des Natur* 
rechts zum Grunde liegt, fo faflen : 

„Den etnpirifchen Naturftand der Men- 
archen (welcher immer noch ein Natura 
„ftand ift) dem juridifchen ins unendliche ZM 
„nähern* ,j * 

Der tt>A* Naturftand ift«, aufweichen 
die meiften», befonders altern Naturrecht sie h f 
rer und die politiven Juriften, wenige aus- 
genommen, das Naturrecht beziehen. Der 
Widerfpruch fcwifchen einem folchen Stande 
Und dem Recht ift vorzüglich dadurch ver* 
borgen geblieben* dafs man es bey einer 
Nominal - erklärung des rohen Naturftandes 
bewenden liefs» Dem Namen nach ift aller- 
dings diefer Naturftand ein Stand und nicht 
fcu leugnen, dafs der rohe (und cultivirte) 
Natürmenfch ( fo lange er nicht auf irgend ; 
eine Weife wirklich hinweggeräumt wird} 
fo etwas von einem Stande , welcher freylich 
fehr prekär und unßcher, aber doch wenig, 
ftens ein Schatten eines Standes ift, habe» 
Allein, wSre man nicht auf der Oberfläche 
geblieben, fondern tiefer eingedrungen , um 
eine Real- erklärung; d«s empirifchen Natur- 
ftandes zu finden, fp würde man den Wider- 
fpruch entdeckt und bemerkt haben * dafs der 
roke Naturftand der Thai und Wahrheit nach 
dem Naturawftande gleich ift. Der felbft- 
denkende Hufetand ift uns, wie in der Be- 
rich* 



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I 

I 

v 

174 Abhandlungen • 

richtigung der Wifienfchaft überhaupt, fö 
vorzüglich diefes Punctes vorangegangen*; 
Seinen lehrreichen Winken verdanke ich mei- 
nen Skepticismus über den Naturftand. Die. 
Kritik hat mich zurecht gewiefen. 



fünfte Abhandlung, 

* ■ 

Von iuridifcheft Gefetzen. 

J 

69» ' ! 

Kani ftellt in feiner Schrift: Zum ewigen 
Frieden ("welche jeder, der den Willen und' 
dre Macht hat, fein Volk durch gerechte Po- 
litik vor einer Revolution zu bewahren, ftu- 
diren und beherzigen folp folgende Satee, 4 
als Präliminarartikel zu diefem wahren Frie- V 
den auf: 

a) Es foll kein Friedensfcblufs, der n>it 
dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem 
künftigen Kriege gemacht worden, für ei. 
nen Friedensfcblufs gelten» 

b) Es foll kein für fich beftehender Staat 
(klein oder grofs , das gilt hier gleichviel) 
von einem andern Staate durch Erbung, 
Taufch, Kauf oder Schenkung erworben 
werden konnep. 

c) Stehende Heere foll*n mit der Zeit 
ganz aufhören. . 

d) Es 

f 

S 

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zur GruMlägi des Noturreehtr. 175 

d) Es foll^n keine Staatsfchulden in Be- 
ziehung auf äufsere Staätshändel gemacht 
werden. ^ ^. 

e) Kein Staat fall fich m die Verfaffung 
od£r Regierung des andern gewaltthätig ein» 
mifchen. *• * v * - . 

f) Es foli fich kein Staat im Kriege mit 
einem andern iblche Feindfeligkeiten erlau- 
ben , welche das wechfelfeitige Zutrauen im 
künftigen Frieden unmöglich machen muffen 5 * 
als da find, Aufteilung der Meuchelmörder, 
Ctifimifcher , Brechung der Capititlation 9 An» 
ßifimg des Refraths in dem bekriegten Staat 
u. f. w. 

•> Ueber diefe Präliminarartikel macht der 
verehrungswürdige Verfaffer folgende Bernes 
kongen, um welcher willen ich in diefer 
Abhandlung mit jenen Artikeln felbfi: den An- 
fang gemacht habe. " 

In Rückficht auf ihren Gegenstand (obje- 
ctive), d. i. da^ willkührliche Streben derer, 
Velche die Gewalt in Händen haben, find di£ 
aogefuhrten Gefetze lauter Verbot gefetze (le- 
ges prohibitivae). Wenn man fie aber aus 
dem Gefichtspunct der transfcendentalen Qttcu * 
/^betrachtet, d. h. wenn man, ohne Rück- 
ficht auf diejenigen, gegen welche fie gerich* 
tet find und auf die empirifche Sache, welche 
*n ihnen feftgefetzt wird, blos in Erwägung 
zieht, wie und in wiefern diefe Gefetze über- 

haupt 

» 

• > 



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* 

176 • Abhandlung» 

haupfc verfügen äquales fiftt>; ib entdeckt 
man einen Unterfchied unter ihnen. 

Der £orm nach find fie alle fich felbft 
gleich; d; i. ira*t<?, ßrtnge* wahre Verbote: 
fie fprechen unbedingt und zu allen ohne 
Ausnähmet Ihr follt nicht. Aber nach 
Form und Materie, d. }n nach ihrer realen 
Befcb äffen heit betrachtet , find einige von 
der flrengen (leges ftrictaej) , die andern von 
der weiteren Art (leges latae)» Die erflern 
tietolieh verbieten durchaus* die Sachen, voit 

. welchen fie fprechen , . follen Schlechthin nicht 
feyn, und, waren fie auch, doch nicht mehr 
feyn, fondern, ohne Zeit und Umftände in 
Anfchlag zü bringen , fofort und ganz aufge« 

> hoben werden» Hieher gehören Nr. a. e. f. 
Die andern verbieten nicht durchaus, fondern 
nur zum Theit: die Sachen , von welchen fie 
fprechen , follen unter keiner Bedingung fer* 
Her geschehen* undi' Waren fie auch ibnft 
gefchehen, doch in Zukunft aufhören* Das 
Verbot diefer Gefetee (b»c d ) betrifft nur 
einen Theil der durch ihre Form beffimtntett 
Materie» Sie verordnen nicht, dafs die Sa« 
chen> welche ihr Verbot betrifft, zu keiner 
Zeit und unter keinen Umftanden gewefeft 

, leyn oder feyn follen (diefes würde ihnen 
felbft, wie wir nachher fehen werden, wU 
derfprechen); fondern Mos diefes, dafs fie 
nicht wieder gefchehen und dafs fie aufkoren 

fbk 



: 



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zur Grundlage des Näturrechtf. 177 

füllen. Sie betreffen nicht das Vergangne: 
fordern nicht, dafs das, was von den Sa- 
eben , gegen welche fie fich ^erklären , in der 
vergangenen Zeit gefchehen ift und unter 
den bisherigen Umftänden war, gegenwärtig, 
d. h. fofort und unter allen , ^d. h. auch den 
bisherigen Umftänden vernichtet werden, tolle ; 
fondern fie betreffen blos das Zukünftige, for- 
dern , dafs die vergangnen ( böfen, unjuri- 
difjchen) Zeiten flicht fortgefetzt und die bis-, 
herigen Umftände (des das Recht befehdenden 
Naturzuftandes) nicht erhalten werden Collen. 
Gefetze diefer Art enthalten alfo aufser } dem, 
einen Theil der Materie (das Zukünftige) be- 
treffenden Verbot, zugleich die Erlaubnifs, 
ihre Ausführung auf (die Zukunft) zu fchie- 
behf; welches jedoch nicht foviel fagen will, 
äls Wenn fie erlaubten, ihre Ausführung auf 
den Nimmertag' ( ad caiendas graecas) oder 
nur auf die lange Bank zu fchieben ; fönderri 
es wird im Gegentheil dpreh folche Gefetze 
die Verbindlichkeit auferlegt, auf Zeit und 
Umftände Rückficht zu nehmen , d, h. dahin — 
zu ftreben , dafs die böfen Zeiten und Um* 
ßänd& (wo das Verbotne Noth ift) verbeffert 
werden , auf dafs das Verbot der Gefetze in 
der wahren Zukunft wirklich ausgeführt 
werd-e. 

Aber, wie reimt fich die Rückficbt auf 
Zeit und Um (lande mit- der Reinheit und 
Schaum, neues Syfl. des na$. R. M Stren* 



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■ 



178 Alhandlungen 

Strenge der Gefetze? Wie läfst lieh ein Ge» 
fetz denken , welches zugleich die Befugnifs 
giebt, feine Ausführung aufzufchieben , alfo 
gegen fich felbft zu fprechen fcheint? — 
Diefe Zweifel fallen durch das folgende ge- 
hoben werden* 

Der Qeifl der jurfdifchen Gefetze befteht 
darin , dafs fie für das Recht , gegen die iVa- 
tur (Wilikühr, Gewalt.) gefetzt find. Die' 
Gefetze find aifo das Palladium des öffentli- 
chen Rechts. 

Wen« man nun die Natur oder die wirk., 
liehe Welt nach ihrem Verbältniffe zu dem 
Recht beurth eilt; fo findet fich 

a) einiges, welches unbedingt rechts- 
widrig ift, lieh zu keiner Zeit und unter Jcei- 

, nen Umftünden mit dem Rechte verträgt, wie 
z. B. das Morden, Rauben, Betrügen im 
privat- oder öffentlichen Leb^n ; al>er 

* 

b) nimmt man auch andre Inftitute der 
Gewalt und Willkühr wahr, welche nur be* 
dingt rechtswidrig find* d. i. floh mit dem 
reinen Rechte zwar nicht vereinigen laffea 
tind alfo , wo diefes allein herrfcht, durchaus 
»icht feyn fallen*, aber doch zum Schutz des 
Rechts gegen 4i* fcife Natur «noth wendig find^ 
und alfo da, wo die böfe Nptur ( weichet 
man nur durch Natur herkommen Mann) noch 
kerrfcht (im Naturzuftande), feyn milffen.. 



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zur-Gruüdlage des Naturrechts. 179 

Zu diefen gehören 1. B. ftehende Heere, 
Verteidigungskriege u. f. w. 

Da nun das Reckt feyn foll Alles in AI- 
lern, und der Geift der Gefetze dahin treibt, 
denNaturzuftand in den Rechtszuftand (S* die 
vorhergehende Abh.) zu verwandeln, fo er- 
gehen in Abficht dep unbedingt und bedingt 
rechtswidrigen folgende gefetzliche Verfü- 
gungen : 

et) Das unbedingt Rechtswidrige ift unbe- 
dingt, durchaus verboten. Es foll fchtechter* 
dings nicht feyn , mithin, wenn es doch ift, 
fogleich und ohne alle Rückficht auf Um« 
ftände aufgehoben werden (aj. 

ß) Das bedingt Rechtswidrige ift gleich« 
falls, fofern es rechtswidrig ifl^, flreng ver» 
boten, und jeder foll fich diefes Verbot ge« 
fagt feyn lafien; niemand wähnen, dafs er 
davon eine Ausnahme machen dürfte. Sofern 
es indefs zum Schutz des öffentlichen Rechts 
gegen die böfe Zeit feyn öde? bleiben mufs, 
ift es nicht rechtswidrig, und alfo erlaubt, die 
Vollendende Ausführung des Verbots auf die 
beffere Zeit zu fchieben , doch mit der, durch 
die Strenge des Verbots auferlegten, tiner- 
lafslichen Bedingung, dafs man ungefäumt 
und unaufhörlich darnach ftrebe, diefe bef- 
fere Zukunft (den Rechtszuftand) herbey. 
zuführen, um fo allmShlig die Verteidi- 
gung des Rechts gegen die feindfelige Natur 

Dia durch 



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i8o 



Abhandlungen 



durch die eignen Waffen derfelben unnothig 
zu machen. 

Durch diefe Bemerkungen ift es denn er- 
klärt, wie ein ftrenges Verbot zugleich die 
Eriaubnifs, feine Ausführung aufzufchieben,, 
einfchliefsen könne. Jedes Verbot fchliefst 
eine folche Erlaubnifs ein, wenn es ohne 
diefelbe fich felbft (feinem Geifte nacji) ver. 
nichten, ohne diefelbe nicht für, fondern 
gegen das Recht feyn wühle; wenn feine 
Ausführung durch die Vernichtung der böfen 
2eit und Umftande bedingt ift, diefe alfo zu- 
vor durch ihr eignes Werk (das im Gefetz 
verbotne) zerftört werden muffen, ehe man 
diefes felbft aufheben kann. 

Die oben ftehenden Präliminarartikel mö- 
gen, als Beyfpiele das bisher Gefagte erläu- 
tern. 

Falfche Friedensfchlüffe (X), gewalttha- 
tige Einmifchung in fremder Staaten Verfaf- 
fung und Regierung (e), ehrlofe, allen Frie- 
den zerftörende Stratageme (f) find durchaus: 
verboten ; denn fie find unbedingt rechtswi«< 
drig, fie follen alfo fchiechthin nicht feyn» 

Dafs ein Staat von einem andern, wie 
man Sachen erwirbt, erworben werde, ift 
ftreng verboten (b) ; wenn fich aber ein Staat 
während der böfen Zeit des Natitrzuflandes eu 
nen andern auf diefe Weife einverleibt hat 
und fie , nun einmal bey der Stiftung des 

Rechts- 



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zur Grundlage des Naturrecht f. igt 

Reehtszuftanifes als Ein Staat angetroffen 
werden; fo ift es erlaubt, dafs diefes, was 
nun einmal obwohl rechtswidrig geschehen 
ift, itzt aber doch als bürgerlich rechtmäTsig 
(feinem Befitzftande nach) erkannt f wird , fo 
bleibe. Denn, jenes Verbot galt im Natur- 
gitßande nicht, gilt ; aber im /fofc-zuftande 
Allgemein, d» h, v für alle Staaten, f fie mögen 
fich in jenem Zuftaqde zufammengefetzt ha- 
bep, wie fie wollen), welche aqs dem rechts- 
^widrjgen in den Rechtszuftan 4 treten. Das 
Verbot würde fich alfo ohne jene Ertaubnifs 
felbfl: zerftören, feine Strenge zernichten 
und wahre Ausnahmen zulaflen. Mag ein 
Staat, der da weifs, dafs er einen andern 
rä'uberifcher Weife an fich gebracht hat, die? 
fen frey willig losgeben: das wäre fehr % löb- 
lich und ein fchöner Beweis, dafs es ihm mit 
* » » 

der Stiftung des Recbtszuftandes ein Ernft 
fey; nur foli er hiezu nicht, weder von an- 
dern Staaten noch von dem unrechtmäfsig 
erworbenen, gewaltthätig getrieben werden; 
von diefem nicht, denn da hätten wir den 
Naturznßand — gewaltthätigen Aufftand ge- 
gen die nun einmal (in den Rechtszuftand) 
hergebrachte und ihrer gegenwärtigen Lage 
nach nicht rechtswidrige Staatsordnung; vori~ 
andern nicht, denn da hätten wir einen Na- . 
turzuftand — gewaltthatige Einmifchun^ in 
fremde Staatshändel; alfo in beiden Fällen % 

M 3 w irk* 

. » 



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iS2 .. . Abhandlungen 



wirkliche Ausnahmen vor* dem Verbote > wo- 
durch der Recbtszuftand und mit ihm diefes 
und alle andre Verbote zerftört würden, 

StehendeHeere und Schulden zu Kriegen 
find ftreng verboten (cd); denn fie find mit 
dem Rechtszuftande unverträglich (S. die 
Kantifche Schrift). Allein, es ift erlaubt, an 
der Vernichtung diefer defpotifchen Inftitute 
allm'dhlig zu arbeiten , wie man an der Ver- 
nichtung des Naturzuftandes arbeiten foll. 
Denn, ohne diefe Erlaubnifs, wurden diefe 
Verbote die Stiftung des Rechtszuftandes unä 
fich felbft unmöglich machen. Wer fie fofort 
im währenden Natürzuftande ausführen woll- 
te, würde dem Rechte die Mittel nehmen, 
'Wodurch es fich in diefem Zuftande der Un- 
gerechtigkeit fchützen tnufs: und würde da- 
^ durch diejenigen, die fich vor der Heiligkeit 
des Rechts nicht beugen, zu heftigem und 
glücklichem Angriffen auf daflelbe reizen« 
Der Naturzuftand mufs fich felbft, durch den 
in ihm immerfort währenden Kampf der Na* 
tur gegen Natur, fein Grab graben.. Man 
habe nur ftets den Geiß diefer Verbote vor 
Augen , trachte an feinem Theil durch ftren- 
ges Halten an den, Recht nach dem Reiche 
der Gerechtigkeit, fo werden jene verbotnen 
Sachen nebft ihrer Bedingung, dem Natürzu- 
ftande, von felbft fallen. 

- 

1 k 

Die. 



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■- 



zur Grundlage der Naturrecht f. x 8 3 



, Diefen Kantifcben Ideen — der grofse 
Mann verzeihe es , dafs ich fie mir zu eigen 
zu macheij verfocht und aus eigner An- 
fchauung vorgetragen habe l — * verdanke ich 
die folgende Theorie der juridifchen Gefetze, 
welche ich durch das bisher Gefägte genug. 

fatn eingeleitet ^u haben glaube. 

■ - 
■ * 



7°* 

Der Menfch fotl ein Recht über die Natur 
(WiUkühr und Gewalt) haben. S. Abb.. II. 

in. iv. 

7 T - 

Aber! das Recht findet an der Natur ei? 
neu ßegenfand: die Natur unterwirft fieb 
demfelben nicht, fondern wirft fich ihm 
entgegen (objectum). Die (mannigfaltige) 
Natur ift mit dem (einigen) Recht im Wl« 
derfpruch (30). - « 

7*. . 

Da das Recht aber feyn fotl (70); fo 
mitfs dem ßegenßande des Rechts (71) van 
Rechtswegen etwas ewige gengefetzt werden. 

73- ' 

gfuridifeke Gefetze alfo fallen und muffen, 
fetfn (jo — 72). 

74. 

Die Idee eines juridifchen Gefetzes (73) 
ift demnach: Es foll Etwas feyn, welches 

M 4 



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i$4 Abhandlungen 

der Willkühr und Gewalt von Rechtswegen 
entgegen gefetzt wird (70 -^72.). 

75- 

Durch ein juridifches Gefetz foll alfo 
Willkühr und Gewalt gebunden werden. 

Denn es foli lieh der Natur von Rechts^ 
wegen entgegenfetzen (74J), alfo Willkühr 
und Gewalt einfehränken , damit das Recht 
beftehe. Es foll die Noth aus Willkühr und 

Gewalt von dem Rechte wenden. 

...... ■ » » 

76. 

Durch ein" juridifches Gefetz wird aifq 
der Willkühr und, Gewalt Verbindlichkeit (ob- 
ligatio, lex obligat,) auferlegt, , oder ihnen 
eine juridifche, gegen den Gegenftand des 
Rechts gerichtete (objective) Nothwendig- 
keit entgegen gefetzt (75). 



Nach diefem, einzig richtigem, Begriff 
eines juridifchen Gefetzes, fcheint es nun al- 
lerdings widefiprechend zu feyn, wenn man 
von Permijfivgetetzen redet; denn ein Per* 
miffivgefetz ift nach der gemeinen Meyoun^ 
dasjenige, welches eine Erlaubnifs ertheilt; 
wäre alfo hiernach ein Etwas, weiches eine 
Verbindlichkeit auflegte und doch nicht ver- 
bindlich (fondern vielmehr frey) machte, 
kurz, ein Gefetz, weiches kein Gefetz wäre. 
Allein folgende Sätze werden darthun, daß 

zwar 

■ 



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zur Grundlage dts Näturrechtt. »85 

zwar die gemeine Meynimg von den Pertmffiv- 
fcefeteen falfcb itt, aber fie an fich felbtt ihre 
Dichtigkeit b«teo. , 

WiilHühr und Gewalt können (ich auf eine 
doppelte Art dem Recht entgegensetzen : 

a) Sie fetzen nicht (unterlaßen , fetzen 
Negation) , was:ße von Rechtswegen fttzep 
( thun , -Realität Retzen ) . foilten : " > 

b) oder: fie fetzen f was fie' von Rech ts» 
Wegen nicht fetzen foilten. - , ; 

r 78,* 

Das juridifebe Gefetz foll und tnufs fich 
daher der Willkühr und Gewalt gleichfalls auf 
doppelte Weife, entgegen fetzer) * fie auf dop. 
pelte Weife binden (74. 75). Es mufs nem- 
lich der Willkübr >ind Gewalt N 

i) Verbindlichkeit aijflegep, aqfdafs et- 
was gefetzt £77.3.), , 
" b) auf dafs etwas w/ditf gefetzt Tyer.de 

(77- b). 

In der erftern Function (78* O ift das 
flehte, ein (?^fq£ .(lex praeceptiva) f d. i. ein 
Gefetz, welches Verbindlichkeit, zu einef 
Realität: in der andern (78. b) ein Verbot 
(.lex projiibitiva,),. welches. Verbindlichkeit 
zu einer Negation auflegt. 

im 

i M 5 80. 

* 

■ 

• * 

1 

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Abhandlungen 

Ferner: Ein Act oder Factum ( commifr 
lionis oder ominionis) der Witlküh* ttfld Ge- 
walt ift 
. : a) entweder unbedingt, 

b) oder bedingt rechtswidrig (69,). 

Dem erftern foll und mufs das, juridifche 
GeCetz unbedingt, dem andern bedingt 1 
fich en]tgpg£nl$tzen (74)/ 

Denn, das j uridif che Qe feto ift zufar fei* 
per wesentlichen Beftimmung nach immer 
fynthetifch £es foll die Natur zu Recht, dem 
Rechte gleich, fetzen) und in diefer Ablicht 
alfo lediglich von dem reinen Recht abhän- 
gtg: aber feinem Objecte n&dh Wird es anaty. 
iifch (antithetifch) beftimmt, weil diefes 
ject etwas antithetifches, d. h. Natur ift und 
das Gefetz fidh alfo "objective nach der Art 
der Antithefis der Natur gegen das Recht 
richten muft. 

82. 

Es find alfo unbedingte und bedingte Ge- 
fetze: 

a) Sofern das Gefetz einem negativen Act 
oder Facto der Wiltkühr und Gewalt fich un- 
bedingt entgegenfetzt — unbedingte Verbind- 
lichkeit zu einer ' Realität auflegt, ift es ein 
unbedingtes Gebot (78. 79): 

b) So- 



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zur Grundlage des Naturrechts. x8? 

b) Sofern es einem poßtiven fich unbe- 
dingt entgegenfetzt — unbedingte Verbind - 
liebkeit zu einer Negation auflegt , ein unbe* 
dingtes Verbot, z. B. Du follft gerecht 
feyn: du follft nicht ftehlen (8i)» 

83- 

Unbedingte Gebote und Verbote find 

a) der Qualität nach : reine Gefetze, wel- 
che blos eine Verbindlichkeit und fonfi nichts 
enthalten: " 

b) der Quantität nach: fubjectiv und 
objectiv allgemeingeltend: es d*rf fich nicht 
nur kein Menfch von denfelben ausnehmen, 
fondern fie gelten auch in Ruckficht aller 
Dinge , der vergangenen , gegenwärtigen 
und zukünftigen: * 

c) der Relation nach: abfotute - Gefetze; 
welche ohne alle Bedingung gelten, mithin 
ohne alle Rückficht auf Zeit und Umftände 
Ausführung fordern: N , 

d) der Modalität nach : Gefetze, welche 
eine wahre, vollkomtnne Notwendigkeit ent- 
halten, alfo wahre, vollkommne Gefetze find. 

84* 

Auch die bedingten GeCetze (82) find 

a) entweder bedingte Gebote, welche 
bedingte Verbindlichkeit zu einer Realität 
auflegen: ' 

b) oder bedingte Verbote, weiche zu ei. 
ner Negation bedingt verbinden , z. B. Die 

Con- 
/ 



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i88 ' Abhandlungen 

Cotiftltution des Staats (oll republicanifch, 
ftehende Heere Tollen nicht mehr ieyn. 

• , • ■ • . i ^ 

\ 84- 

Bedingte Gefetze C83). find . . . \ 

a) tinreine; denn fie enthalten neben der 
Verbindlichkeit zugleich die Erlaubnifs, das 
,Gefetz nur Dnter den Bedingungen , welche 
in feinem Geifte liegen, auszuführen: 

b) fubjectiv fireng, aber objectiv 
weit, denn fie find zwar allem , was Willkühr 
hat, gefagt, aber gelten^nur für einen Theil 
,der Natu*., nemlich, für die durch den 
Rechtszu&and zu verbeffernde Zukunft: 

i c) ihypothetifch , denn fie gelten unter der 
Bedingung des Rechtszuftandes, der aber utU 
bedingt geftiftet werden foll : 

d) Gefetze , welche au fser der Nothwen» 
digkeit , welche fie zu Gefetzen macht, auch 
juridifche Zufälligkeit enthalten, ihre Ausfuhr 
rnrig dem Zufall* der beflern Zeit überlaffen 
und blos ihren Geiß tinbedingt anbefehlen. 

85- 

; Diefe bedingten Gefetze find wahre Per* 
mifflv ge fetze 9 weil fie neben einer Verbind- 
lichkeit auch eine Erlaubnifs enthalten. Man 
kann fie auch befchreiberi als Gefetze, wel- 
che Verbindlichkeit zu einer Limitation auf- 
legend 

86. 

V 



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zur Grundlage des Naturrecht f. 189 

! Von ihnen mülTen die Pertniffiv/ate*,- 
weiche eine Erlaubnifs fetzen, wohl unter- 
fchieden werden, Permiffivgefetze find «w-i 
reine Permiffivlatze, denn lie enthalten auch 
Verbindlichkeit: reine Permiffivlatze- muffen 
blos eine Erlaubnifs und weiter nichts enthal- 
ten, z. B. Der Eigenthümer ift befugt, fein ? 
Eigenthum zu veräufsern. — Man vergleiche 
über das Ganze meine Anzeige der Kantifcheti- 
Schrift: Z um ewigen Frieden in der Staatsw» 
ond jurift. Literatur* Bayreuth 1795. 



Sechste Abhandlung* 

Ueber das Nothrecht. " 

87 • 

Der Menfch ift, wie oben deducirt ift 
(Abh. TL) 9 - der Heteronomie ausgefetzt und? 
kann daher frerfide Gefetze erfahren, durch 
fremde Kräfte regiert werden, Gegenftände 
(fremde Dingel haben und in fich felbft ent- 
iWeyet (fich felbft entgegengefetzt) feyn. 

88. - ■ \ 

Wenn der Menfch die Heteronomie der 

Natur an fich erfahren kann (wie er käntt 

87) ; fo mufs es 

a) möglich feyn , dafs die Naturkraft in 

ihn eingehe, er mufs Fähigkeit fut diefelbe? 

K ' * l • Em* 

- 

- 

1 

\ Digitized by Google 



.< Abhandlungen 

Empfänglichkeit, Receptivität , Sinnlichkeit ha- 
ben (es mufs ihm etwgs fremdes in den Sinn 
kommen und die Natur ihm etwas an/innen, 
können): , 

,b) mufs die Naturkraft ihm auch wirklich 
zufetzen>> (lieh" an ihn fetzen), ihn anregen 
und bewegen, ihm einen Zufk&nd geben kön- 
nen. Aufser dem Setbfltriebe der Pflicht 
muffen auch fremde Triebe (Antriebe) an ihn 
kommen können. 

89- 

Es ift; alfo. möglich , dafs der Menfch 
Zwang erfahre. 

Denn , er kann durch fremde Kraft getrie- 
ben (aufser ihm felbft kann noch etwas ande- 
res ihn mit treiben : cogere cum und agere): 
er kann gezwängt (feine Menfch enkraft kann 
durch etwas ihm zufetzendes eingeengt, zu* 
geengt) werden, alfo Zwang an ihn kom- 
men (88). 

90. 

In wie fern der Menfch Zwang erfahrt^ 
in fo fern wird er nicht durch fich Selbfl be. 
ftimmt, in fo fern hat er alfo keinen Willen 
0*5- b). 

Denn, Zwang ift ein fremdes Treiben und 
nicht ein Treibeq der Selbßkrzft (89). 

91. 

Es ift möglich , dafs der Menfch ein Mufs 
erfahre oder dafs ein Muffen für ihn ftatt finde. 

" Denn, 



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zur Grundlage des JUaturrechts. ^94 

Denn, er kaiin gezwungen werden (% 9)* 
alfo ift es auch möglich, dafs et (der Selbft* 
kraft ermangle, Set) feinen Willen nicht habe, 
<L h. muffe. 

Da der Menfch Natur an fich hat ( nicht 
blos ein Selbftwefen r fördern auch durch die 
Sinnlichkeit <&8) ein Natorwefen Jift) und 
die Natur ihm zufetzen kabn 89-); fo 
ift es möglich, dafs die übrige Natur mit JeU 
ner Natu* im Wideirfpruck fey, die erftere 
4er letztem mtgegenfkehe. % ' • 

Denn, Natur ift etwas mannigfaltiges, 
alfo nicht, wie das S-elhfl^., ewig mit fich 
feihft.l&ns,, fondern in .{kh entZte/eyet, als ein 
Werk fremder-Jfojiite unaufhörlich von fich 
tntfremdet. 

Es ift alfo möglich, dafs^ der Menfch 
2Vo£/i erfahre. 

Denn , die übrige Natur kann triit jWftir 
Natur rm U^derfpruch feyn (9?)* kann fei. 
nen Naturtrieben , feinen Naturhedürfnifleiu 
dem Wünfchen und Sehnen feines Herzens, 
feinem Thun und Laffen entgegen feyiu 

Der Menfch kann alfo nicht Mos tn einem 
Zuftande feyn, in welchem er keinen Witten, 
hat 'Cpo)^ fohäern auch In einem folchen, 
wo er wider {einen A/ginwillen ( der nur un- 

eigenU 



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19* ^Abhatidlunpti, 

eigentlich Wille heifst), d. h. wider das Ver- 
langen feiner Natur beftimmt wird , wo die 
übrige Natur /mur Natur zufetzt* die letz* 
tere von jener gedrängt wird. , 
Denn, der Menfch kann Noth erfahren 

(93> ■> ^ ■ • ~ - 

95* 

Es ift möglich, dafs der Meli fch g*wa- 
thiget werde und ein &«ra Mufc für itirt 
ftatt finde. •'.,</' - : 

Denn, feiner Natur kann durch die übrige 
Natur zugefetzt, er kann durch den Verdruß^ 
den fein. Eigenwille erfährt, gedrängt — 
in einen Zuftand, wo er nicht'ftach Belieben 
w ählen , nicht zaudern und zögern kann ( ne* 
cefle von ne und cejfare) verfetzt — werden; 

96. - 

Jüridifche Gefetze follen die Notb von 
Sern Rechte wenden (75) t und dürfen es alfQ 
derfelben durchaus nicht gefiatten, lieh an dem 
Rechte zu vergreifen. Wenn auch deine Na* 
tur ( die Materie, .welche du befeelft.) zer- 
trümmert werden follte, darfft du darum doch 
flicht gegen das ätäJ freveln. . Du haft dein 
Leben ünr des Rechts willen : aber nicht das 
Recht um <Jes 4 Lebens willen» Es giebf kein 
fyothtpeht in dem gemeinen Sinne; denn die 
Noth kann kein Recht geben.' . Fiat jufliti& 
et pereqt A mwdusl ; 

9< • 



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zur Grundlage des Not urr cchu . 

• ■ 97- 

Aber! aus dem Gebote: Der Menfcb fall 
ewig das Selbftbewufstfeyn haben, ewig fleh 
feiner Selbft bewufst feyn , *wig vor Qott 
"wandeln, erhellet, dafs diefes auch nicht 
feyn könne. Es ift alfo möglich, dafs der 
IWenfch des Selbftbewufstfeyns ermangle, fich , 
Selbft vergejfe. r 

98. 

Sofern derMenfch des Selbftbewafstfeyns 
ermangelt, ift er nicht Menfßh* fondern 
blofses Naturwefen: kann fich alfo in fo 
fern auch nicht nach dem Selbftgefetze des 
Menfchen, fondern allein nach Natur gefetzen 
richten, mithin auch Mos nach diefen gerich- 
tet werden. 

99- 

Wenn alfo ein Menfch in der Noth feines / 
Selbftbewufstfeyns ermangelt und fich in der 
That Selbft vergifst; fo kann das, was er in 
äiefem Momente thut, blos nach Naturgefe- 
tzen behandelt und gerichtet werden (98)» 
Thut er alfo in diefem Zeitpunet etwas, wel« 
ches dem Rechte entgegen ift, fo kann die- 
fes zwar phyfifch, aber nicht juridlfch gerich- 
tet, d. h. es kann zwar als ein Fergehen 
verwehrt^ aber nicht als ein Verbrechen 
Verdammt werden. Das ift der Sinn des 
bekannten: Necejjttas efl exlex und des hier- 
auf beruhenden favör (nicht jus.) neceflltatis. 
Schaum, nwsfyfl. du not. R. N AI- 



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^Handlungen . 2 

i 

Allein der Menfch foll und darf nicht vergef- 
fen, dafs jener Spruch und diefer fevor feine 
$hat in der Selbftyergeffenbeit blos gegen dlt 
Natur, gegen Willkührund Gewalt (vor 
dem Süßeren Gerichte) entschuldigen. Vor 
dem inneren Gerichte des Selbftgefetzes in 
ihm wird über ihn der Wahrheit und nicht der 
That nach erkannt: fich Selbft ift und bleibt 
«r darüber verantwortlich, dafs er feiner 
Selbft Vergeflen und Unrecht gethan- bat- 

Beyläufig: ieh begreife nicht, wie man 
die Nothtüge — nicht blos im- äufsern Recht; 
fondern fogar in der Maral, —r rechtfertigen 
wiU. • Das ift ein e» treffliche Mpral , welche 
fogar erlaubt, die Ngthlüge. in feine Maxif 
men (denn, foviel ich weifs, betrifft doch 
die Moral blos das innere Recht) aufzuneh- 
men! Noth kann zwar, wie wir gefehen 
•haben , die applicatio juris externi ad factum 
aufheben } . aber Noth bricht kein Gebot , ob 
£e gleich — wie richtig und beftimmt fich 
doch der gefunde Menfch enverftand auSr 
druckt! — Elfen bricht. Die Inftanz, wet> 
che mehr beweifen foll, als alle Be weife, 
ift diefe : Wenn ein wütbendter Menfch einen 
Unfchuldigen , der fich mit meinem Wi.ffen 
in njeinem Haufe verfteokt bat, verfolgt und 
mich fragt, ob der gefachte hier zu finden 
fey; fo foll ich ihn verleugnen. — Das 
ift allenfalls (bey weitem nicht einmal im- 



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> • t 

zur Grundlage def.Nafurrechtt. fpj 

mr) pötitifck, aber auch ptor+Ufth? .fcfc 
foll durchaus nickt Mgen.: durch diefen kate, 
gorifchen Rechtsfpruch ift das Rechte alfo 
meine Wiche kurz und gut, und für alle 
Umßände beftimmt : was ich unter, diefen bi» 
fondern Vmfländen zu tbun habe, um nicht 
blqs meine Pflicht, föndern auch den Unfchut- 
digen zu erhalten, das foll ich von meine*, 
gefundenFernunft, d. h. von der Urthetlskrafi, 
die; ich haben foll, erfahren. Die moralu 
fche Politik, welche mit dem, was im allge* 
meinen gilt, bekannt macht, wird mir über 
diefen Fall z. B. folgendes fagen: fuche den 
Wüthenden zu beßfnftigen — halte ihn auf, 
damit fich der fliehende unterdefleo weifet 
zurückziehen könne — widerfetze dich dem 
Wüthenden erkläre ihm. ohne Feigheit, 
dafs du ihm feine Frage nicht beantworten. 
w/olleß u. C w. nur •—• lügen foljft du durch- 
aus nicht, das ift das einzige allgemein gel- 
tende, was dir vorher gefagt werden und du 
dir felbft fagen kanhft. Hat ein fchwacher 
Menfch vor Angft fich felbft vergeffen, und, 
Um den andern zu retten, gelogen; fo follen 
wir dies freylich dem AeUfsern nach entfchul- 
digen: aber Qewiffen und Moral richten iA 
einem andern Gericht; das wird jener fchou 
an fich felbft gewahr werden. Frey lieh, fo 
lange noch bey allem Schein von Kritik ärger 
dogmatifirt wird, als je ein Woifianer gethan 
• : Na hat: 



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■ 



z$6 Abhandlungen 

hat: fo lange man Wahrheit noch nich£ Für 
ein Selbftgut hält; wird man über den kite* 
gorifchen Imperativ gegen die Nothluge li- 
ebeln, das heifst ajier (der Wnh% -heit nach) 
feine eigne Meynung belachen* 

, • ' IOC. % 

Aach in Rückficht feiner Pflichtübung und 
feines Utrechts kann der Menfch durch die 
übrige Natur (Wilikühr 1 und Gewalt) gedrängt 
und in Noth verfetzt werden. Wiilkiihr und 
Gewalt 1 können fich der Menfchennatur ent- 
gegenfetzen, um fie zu verhindern, der 
Pflicht und dem Urrecht zu dienen. 

Denn, der Menfch kann wegen feines 
Thuns und Laflens überhaupt in Noth kom- 
men (93 ffOf ^lfo auch wegen desjenigen, 
was durch die Pflicht und das Urrecht gehei- 
ligt ift. 

iot. 

Wenn die Pflicht und das Urrecht von 
Willkühr und Gewalt befehdet werden und 
der Menfch in Abficht ihrer in Nöth gefetzt 
Wird; fo foll und tnufs er fich hiegegen 
wehren. 

Denn, die Pflicht und das Urrecht foüen 
ihm heilig feyn und muffen alfo gegen jedes 
Attentat vertheidigt werden. 

10a. 

Der Menfch hat für feine Pflicht und fein 
Urrecht das Recht der Nothwehr. , 

Denn, 



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zur Grundlage des flaturrechti. ry? 

i^r'Deiwi, er" foll und ntufs lieh wehren, 
wenn er in Ablicht ihrer in > Noth gefetzt 
wird (iqi). Die Pflicht und das Urrecht 
gebieten ihm , diefes Recht zu haben uiyl als 
ein Heiligthum ewig zu bewahren : Willkuhr 
und Gewalt nothigen ihn, es auszuüben» 

103. : : 

Das Recht der Nothwehr ift kein Noth* 
recht. ' * ' 1 

* « r 

Denn, das Selbfigefetz verleihet es dem 
Menfchen , nicht die Noth : es ift kein Recht 
der Noth , fondern gegen, dle Noth für Pflicht 
utfd ürrecht (102J. -f 

1 



Siebente Abhandlung. 

Darftellung der Rubriken der Wifleu-f 
fchaft des Naturrechts aus einem 

Princip. 

■ • . . ' • • .-. ■ 

104. 

D. * 
as Syftem des Naturrechts foll eine voll- 
fti'ndige Wiffenfchaft von der Berechtigung 
des Menfchen über die Natur in allen ihren 
Theilen enthalten (50). Wenn man daher 
ein folches Syftem für ein wahres ßyfiem ge- 
halten wiffen will, fo mufs man die objective, 
Vollfländigkeit deffelben rechtfertigen, weil 

N 3 * x ßch 



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V t 

198: ; Abhandlung^* * 

fich diefe, da ein folches Werk zum Theil 

NaturproAuet ift , nicht von felbß verfteht. 

■< • • • • . ■ , 

105. 

A poßeriori läfst fich diefe Rechtfertigung 
(1 04) nach richtiger Methode fuVA* vorneh- 
men;* denn a pofteriori erfahrt und weifs 
man zwar Vieles, aber nicht Alles. Wer alfo 
in Abficbt der Rubriken feines Syftems Mos 
der bisherigen Schulobfervanz, oder feinet* 
^anfallen, ode£. f dem periodischen Interefle, 
oder dem Corpus Juris u. d.w. folgt, mag 
wohl Etwas i vom Naturrecht? fagen , aber er 
giebt kein Syßem. 

h priori a&er kann die Rechtfertigung der 
objeetiven Vollftändigkeit diefeff Syftems auch 
nicht gefchehen; denn fie mufs deduciren, 
dafs man von cten Objecten des Rechts voll- 
Händig gehandelt habe, und diefe find nicht 
(wie das Recht) a .priori gefetzt, fondern in 
der Natur , mitbin a poßeriori dem Recht 
gegengefetzt (71). 4 

107. . 

Wenn nun diefe Aufgabe nicht ganz un- 
auflösbar feyh foll, (weiches fie nicht feyit 
kann, J da fie ein Poßutat der Vernunft ent- 
hält, alfq ^tufgelöflr werden fotl); fö tnufo 
die Deduktion der Rubriken des Naturrechts* 
da fie weder a pofteriori (106) f noch a priori 

(107) 

< 

- - 



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zur Grundlage Vfe/; NMurrechtr. tpgt 

(V107 J Mein bewerkftelligt werdtfn kann? 
tkeils a pofterioti, tkeils a priori gefcheheh. 

108. 

Nemlich:' r 5 - 

' a) A poßertöri tnufs die Vielheit der Ob* 
jede , welche in Abficbt auf das Recht be<* 
trachtet werden Tollen , erkannt, 

b) a priori aber diefer Vielheit der Ob- v 
jecte Einheit gegeben werden. \ 

Denn, nur dann ift die Allheit (TotaUtät) 
vqn Etwas gerechtfertigt, wenn bewiefen 
ift, dafs dje a pofteriori gegebene Vielheit 
in Wahrheit durch Einheit a priori befiimtnt, 
alfo ein vollkommenes Ganze, d. i. vollßän* 

; DieWiffenfchaft des Naturrechts foll über 
alle Dinge, welche zur Gründung eines Na- 
turßandes des* Menfchen (Abh. IVO not- 
wendig find, d. h. über die objectiven Bedin. 
gnngen des Rechtszußatides , wiffenfchaftlich 
belehren (104 u. a.)« N . 

110. ^ 
Di*fe objective Möglichkeit des Rechtszu* 
flandes (die objectiven Bedingungen der Ver- 
nichtung des Naturswftandes und Stiftung de* 
Nnturßandes) ift das Princip zur Dfcductioir 
der Rubriken des Naturrechtsfyftems. Wenn 
aus einem Syfteme! Alles gewöfst «ird, wa* 

N 4 w 

•j . 



■ 



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*oq Abhandlungen 

von Rechtewegen (ztir Stiftung des Rech ts- 
zuftandes) notbwendig ift} dann ift es voll- 
ftä'ndig. 

Denn f alsdann ift die a p.ofteriori gege- 
bene Vielheit der Recbtsobjecte unter dem ei- 
nigen Gefichtspunct des a priori beftimmten 
Rechts gefammlet, aifo durch die wahre> 
hieher gehörige Einheit beftimmt worden« 



— 



» ■ 



II** 

Wenn der Menfch in der That eifaen ju/fjZ 
difchen JVatorftand haben folj? fo mufs 

a) Natur feyn : es mute etwas feyn , wel- 
ches dem Selbft contradictorifch entgegenge- 
fetzt, ein blofses Nicht- Selbft — keine £7r- 
fache, fondern eine blofse Sache ift. 

Denn, wie könnte fonft der Menfch, 
welcher der Jurisdiction der Ur» fache, des 
Setbflgerichts unterworfen ift, über et- 
was Jurisdiction, einen juridifchen Stand 
haben? Das Recht ift objectiv dinglich 
Es foil und mufs ein Sachenrecht feyn. 

112. 

Die Natur ift in den Raum gefetzt (56): 
alfo mufs auch der Menfch, wenn der Rechts* 
zuftand in der Natur geftiftet werden foll, 
in dem Räume der Natur feyn. , Wie die 
Natur in Räume getheilt ift, fo mufs fich 
auch der Menfch theilen, d. h. es muffen 
' ^ b) in 



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zur Grundlage des Käturrechu. 20 r 

b) in den Räumen der JNatur Mtnfchen, 
d. h. mehrere Menfchen feyn. . r 

Denn, wie könnte fonft der Menfch die 
Natur, d. h. die ganze, Natur zpjechtfetzen? 
wie allmächtig über di^felbe feyn (39. gi) fV 
Wenn er nicht allgegenwärtig r wafe? Der 
Menfch mufs in n?ehrer,en Perfqnen tf (iQ plu- x 
rali) in der Natur, erscheinen. . Es foll und 
mufs ein Perfanenrecht feyn. » 

• . i- 113. ,v ■ 

* Wenn durch diefe mehreren Menfdien 
C113) da^ Recht über die Natur' im Räume/ 
d. i. auf Erden eingefetzet werden foll; fo 
muffen fie 

c) einander von Rechtswegen nicht zu*. 
Wider feyn; fondern fich in Abficht ihrer k 
Ijlaturrechte vertragen. M r 

Denn» entzweyte Menfchen ftehen nicht, 
für Einen Mann : im Kriege frat das Recht, 
keinen Frieden, da ift ein mannigfaltiges und 
getheiltes Intereffe (Factionen). Es foll 
und mufs ein Vertragsrecht feyn» 

114. 

Allein, diefe negative Einigkeit (113) 
ift nicht genug; denn, da der Rechtszuftand 
von der Natur für fich allein nicht hervor- 
gebracht wird, diefe vielmehr ihm entge* 
gen (fein Object) ift, fa mufs derfelbe durch 
die Kraft des Menfchen, als Rechts Subjects, 

N S gegen 

• t 

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&o& Abhandlungen 

gegen die Natur durchgefetet, d/h. gefliftet 
-werden. * ' - ■ 

Wenn alfö das Recht über die Natur gel- 
tend gemacht und der juridifche Naturftand 
des Menichen gegründet werden foll; fo 
muffen die mehreren Menfchen auf Erden 
ihre krdftik für 'den gemeinfckdftlichen Rechts- 
zweck gegen den Rechts ge gen fiand zufämmen* 
fügen (organiliren.) ; tfnd (ich alfo 
r d) poßtive einigen , &.h.;gef$Uen (114). 
Ks foll und mufs ein Qefeltfchaftsrecht feyn. 

♦ 

■ * > x 116. * 

Die Natur ift, dem Zeitgefetze unterwor- 
fen (56), in einem unaufhörlichen Wechfel, 
einem unaufrrö Wichen Entftehen und Verge« 
hen, Zerftörerin ihrer eignen Werke. Wenn 
daher der ewige Frieden des Rechtszuftandes 
auf Erden geftiftet werden und das Men- 
fchenrecht ein' unendliches Recht feyn foll, 
wie es in der Idee ift (51. a); fo muffen 
die mehreren Menfchen (welche in ihrer 
Mehrheit die Natur angenommen und lieh 
slfo zum Theii unter ihr Gefet? gethan ha- 
ben.) dahin ftreben, dafs der Menfch (nicht 
nur in den Räumen, fondern auch) in den 
Zeiten der Natur fey, dafs immer und ewig, 
d. h. ins Unendliche fort Menfchen auf Er- 
den feyen. ; 

* Ä v t 117« 

I 

I 

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1 



zur Grtmdlag^ics'NatSirrechts. jcy 

'Die Menfcb«n auf Erdeh f muffen fick 
demnach glg&'dtekerflSrendeKnh der Na. 
t»r vereiniget} und 1 die Entflekungsge fetze der-' 
Älsen für die fkyfifche Erhaltung des Mfeiü 
feilen ben atzen »• d/h. üe möffen fich 

e) in iSfawm.gefeÜfchaften oder FamU 
tien vereinigen (116). Es Toll Und ffiufi 
ein Familienrecht feyn. 

1 i > ' > *♦.» 

• . 1 , ...... 

1 1 8. 

Die Natur, als Rechtsg*g£wftand , befeh- 
det unaufhörlich die Rechte der einzelnen, 
IWönfchen um! Familien auf Erden ; wenn da- 
her der Rech tszuftand allgemein geltend ge* 
macht tverdeii und das Recht allmächtig feyn 
fotl, wie dlp Idee pöftulirt (51. b) ; fo roüf- 
foi üch die etiwekifen Menfchen und Fami- 
Iten'gegen diefe, fie alle treffende, Befeh- 
dung ihrer R^bt* vereinigen. Alle für Ei- 
nen und Einer fu* Alle flehen , Einer dem 
Andern fein Rtcbit gegen die Natur verbür- 
gen f d. b. fie /muffen fich 

< f) in bürgerliche Gefellfchaft vereinigen, 
öder ein Bürgerrecht &iften. 

HO. 

., ^ . 

Auch das Bürgerrecht (n8) wird von 
Set Natur befehdet, denn fie ift dem Recht 
überhaupt durch Willkühr und Gewalt entge- 
gen. 



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3P4 r ' Abhandlungen 0 

gen. Wenn daher der Rechtszüftand y^/Äyt* 
7?a>frfi« ftyn foll, wie dfc^Mee föifdert 
(5 x • c) J , muffen fich die j bürgerlich en Cie-t 
fellfchaften fo organifiren und formen» dafe 
fie gtgeQ die Befehdungen der Natur beßehen 
können oder eine Conflitution haben» d. h # 
es muffen , . ! 1 

g) ? bürgerliche Gefelifchaften mit: einer 
Conflitution , d. i. Staaten feyn. Es fqU und 
mufs ein Staatsrecht geftiftet werden. 

m - ' r ... X20. • ' * 

Aber! auch Staaten und das Staatsrecht 
werden von\ den ewigen Feindeti des Rechts 
überhaupt in der Natur befehdet (vgl. 119X 
Wenn daher der Rechtszuftand voltkommen 
feyn föli, wie poftulirt wird (51. d); fo 
muffen fich die Staaten fo verbinden ( föde- 
ral! firen), dafs fie gegen alle Welt beliehen 
können» oder. ein Einiges Volk, einen WtlU 
flaut ausmachen, d. h. 

h) Staaten muffen fich zu einem Staat 
der hochflen Potenz, einem Volk» einem 
Weltftai^t vereinigen. Es foli und mufs 
ein weltbürgerliches, ein Völkerrecht geftiftet 
werden* 

r 

121. 

v 

Das Syftem de£ Naturrechts hat alfo fol* 
gende Rubriken : 



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zurGrtmdldge des Xaturfechtt; S05 

*• ' A) Sachenrecht, 
i[ J$) . Perfonenrechtf 

( C) Vertragsrecht, - « ^ 

- D) Gefell fcltaftsr echt ..•,!;<> f 
% vi a) Familienrecht (jus domefticum, £ 
gentium), - - 1 • , 

b) Bärgerrecht (jus civilö , • f # civita- 
tum), . ' * ♦ , < ; * / 

c) Staatsrecht (jus pbliticum, f. fta- 
, > . tuum), 

; d) Völkerrecht (jus cosmopoliticum, & 
nationuro). , ; . 

X22» ^ ■ 

Eih Syftem, 1 Welches r diefe RubrikeÄ 
(131; ausfüllt, ift votlfiändtg. ' ^ ' 

Denn, es fangt an mit der conditio fine 
qua non des Rechtszuftandes und fchliefst* 
• nachdem es alle pofitive Bedingungen deflel- 
ben durchgegangen ift, mit dem, was den 
Rech tszuftand vollendet , (1 1 o. 1 1 1 — 1 zo)* 

Ich habe an ein paar andern Orten die 
Aufgabe diefer Abhandlung aus dem Princip 
aufzulöfen gefacht: Welche Rechtsdinge 
feyn fallen , die müffen im Syfteme vorkom- 
men. Allein ich hatte nicht bedacht, dafs 
fürs iVaforrecht das follen nicht genug ift und 
in diefes Mos dasjenige gehört, was feyn 
folt und mtffs. Daher hat fich auch in je- 
fi^n Orten das Kirchenxecht in das Syftem 

deä 



■aoti Ahhanil: zur 'Grundlage det Ihtturr. 

A. 

/ 

des Naturrechts eingefchlicHen und ich habe 
mich in die Sphäre der Moral verirrt, weil 
ich mich durch ein blos nwralifches Priricip 
a priori leiten liefs, Kirchenrecht iß kein iVo- 
turtecht, Wie Jeder weifs, dem bekannt ift, 
dafs die Kirche ein geißliches, kein weltliches 
•Inftitnt.'ift. und der Kants Reiigionslehre 
verftanden hat. Das ift a poßeriori. auch dar- 
aus klar, dafs diejenigen, welche ein Kir- 
chenrecht haben fchreiben wollen , t. B. ich, 
was fiein einem Satze tagen , in dem andern 
wieder aufheben muffen. Z. B. die Kirche 
hat das Recht, Symbole vorzu fchreiben ; 
abetv,fftzt man hinzu, fie darf fie keinem 
aufzwingen ! ~ 



» • r > 



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I • • • 

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■ 



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Ver- 



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V e r f o c h 



eines 

neuen Syftems 

des 

natürlichen Rechts. 



Zwtyten Tbeils Zweytes Stück, 



* - 1 



Das 

reine Sachenrecht, 

nebft einer 

Deduction der Verbrechen und Strafen. 



: ,1 



1 



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Vorrede 

zum Sachen - und Perfonen - Recht , enthal- 
tend eine Abhandlung über Verbrechen 

und Strafen* 

4 

T 

JLch eröffne diefes 2weyte Stück des zwey* 
tep Theils mit der fchon betitelten Abhand* 
hing, weil ihr Inhalt für das objective Natur- 
recht, wie ficb zeigen wird, zu wiffen noth- 
wendig ift> Sie hatte fchon im erfien Stücke 
gegeben werden können, und, wenn das 
Syftematifche des Syftems durch den Raum 
bedingt ift, dafelbft gegeben werden fotlen. 
Aber, weil ich nicht der letztern Meynung 
bin, fo habe ich äufseren Gründen, z. B, dem 
möglichft gleichen Volumen beider Stücke, 
erlaubt, diefe Abhandlung hieher zu bringen. 
Es ift übrigens um fo mehr Bedürfnifs, zum 
Selbftdenken über Verbrechen und Strafen zu 
veranlagen, da in den meiften Philofopliieen 
über diefe Sachen, ftatt philofophifcher De- 
ductionen, dogmatifche SubtilitSten und So- 
phifticationen angetroffen werden und das 
gröfsteLob, wornach man zu ftreben fcheint, 
Schaum, ncitts Syfl. des nat. R. O dari n 



2io Vorrede zum Sachen- u. Verf. Reckt, 

- 

» 

darin befteht, feine Meynung analytifch 
deutlich dargeftellt zu haben , worüber denn 
die Beurkundung der Sätze ganz und gar ver> 
geflen und verfäumt wird. Daher entftebeti 
denn die ewigen Kriege eines gegen den an- 
dern über Sachen, die gar nicht zur Sache 
»gehören: - Inconfeqüenzen , wodurch das, 
was oben behauptet ift (z. B. Heiligkeit des 
Pafeyns desMenfchen), unten wieder (durch 
Behauptung der Todesftrafen, wo fie nicht 
notkwendig lind) aufgehoben winj: Dedu-' 
/ctionen , die es dem Namen nach lind, und 
Manieren , wodurch das jus certum fo unli- 
eber und veränderlich gemacht wird, wie 
der Dogmatismus derer, die es in diefer 
Maniec bearbeiten. Es ift ein grofses Glück 
für die Menfchheit, daf$ die Menfchen im 
Leben, nicht durch das analytifche Spielwer^ 
der Schule , fondern, wenn gleich nur durch 
dunkle Ideen, d. i. Gefühl, doch durch 
Ideen , alfo fynthetifch geleitet werden , und 
eben deswegen das politive Recht und die 
juriftifche Praxis im Ganzen, die gewöhnlichen 
Kartenkäufer der Schule in der Schule läfst. 

Dafs der Verfafler von der gemeinen 
Schulmanier und überhaupt von mnfsiger 
Speculation nichts hält und feine Schrift 
nicht damit anfüllen mag, zeigen die vor- 
hergehenden und folgenden Abhandlungen. 
Ob fein Verfuch, die genannten Sachen me»- 

thodijch 

■ 



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Ahhandkmer Verbrechen u. Strafen. 



211 



thodifch zu behandeln, gelangen fey, wer- 
den Selbßdmker beurtbeilen können ; denn 
nur diefe haben das Maafs der Wahrheit; die 
eignen Denker können Mos nach ihrer eig- 
nen Manier mefien , alfo nicht kritißren. 

• « -. » 

0 

Juridifche Gefetze haben Realität. 
Denn , fie foüen und müffea feyu (St. L 

Die Anwendung diefer Gefetze auf die 
Natur hat Realität. 

: , Denn, die Natur ift iJjnen unterthan: fie 
follen fich diefem Gegenftandp des Rechts 
(St L 71) von Rechtswegen entgegenfetzen 
X74) und die Noth, welche aus der Natur 
für das Reckt entfteht, wenden (75. 76;. 

h " Die NTatur kann gerichtet werden* 

Denn , die juridifchen Gefetze follen die 
Natur von Rechtswegen wenfon (fie dem 
Rechte gemäfs richten) und können auf fie 
angewendet werden (fi). 



Es giebt ein üufseres Getickt (forum ex* 
ternum). 

Denn, die Natur, d. u das Airfserehmti 
gerichtet werden (3> 



»*a Vorredt zum Sacha u. Mfc Recht* 



Das. Recht ift heilig. , 
Denn, es ift Recht., ; d. h. dein 5e/£yZ 
gWich (St. I. Abh.lLJL 



.. . 



Die juridifchen Gefetze follen gehatten 
werden, d. h. für das Recht gegen die Natur 
beliehen. 1 

Denn, das Recht iA heUig (5). 

7- 

Legalität, d. i. äufsere Gerechtigkeit 
föll feyn. 

Denn, die Gefetze follen gekaltm wer* 
den. Das Recht Iß heilig und ihjr"follt es 
heilig kälten (5. 6). ; 

8. 

- 

Aber! die Natur Äaw« das Recht ver- 
letzen. * ; ' ' 

Denn, es ift feinem Gekalt nach Natur* 
recht, mithin dem Naturgefetz, d. i. feifoem 
G^gßwftande ausgefetzt (St. L Abb* IL)* 
(Urphede) ift möglich: 

9. 

Gefetze können gebrochen werden. 
Denn, die Natur kann das Recht verle- 
tzen (8/6,). Verbrechen find möglich, 

10. 

fflegdßtat, (ätifsere) Ungerechtigkeit kann 
feyn. . 

Denn, 



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MüuiUifoer V&trecheti u. Straftn. 

■ Denn, Geföfäe' können gebrochen werden 
(9-7)- 

ir. 

,;: 'Unbedingte Gefetze können gebrochen 
werden (St. I. %2). % >' ■<' ' 

Beweis, wie 10. - 
Es giebt Wo unbedingte Verbrechen (ma- 
leficia.) , welche fchlechthin Verbrechen lind. 

12. 

Welche Willkühr und Gewalt ein folcheg 
Verbrechen begeht, die iß: im Anklage fland 
(reatus). / 

Denn f das aufsere Gericht (4) nimmt fie 
Von Rechtswegen in Anfpruck (6). 

Praceptiv • gefetze (St. I. 79) können ge- 
brochen werden. , 
Beweis r wie ri. ^ 7 

, Es giebt aifio fehlende Verbrechen , detü 
cta , • verbrechen , Fehler (in fenfu juri- 
dico). Es kann feyn, dafs Willkühr und 
Gewalt verfehlen (unterlaffen), das zu thun, 
.was das Gebot fordert. . < , 

14. 

Welche Willkuhr und Gewalt etil fehlen. 
'4es Verbrechen (13) begeht, die ift in Schuld 
(culpa). ; 

Denn, fie hat nicht geleiftet, was das 
Gebot fordert, hat den Tribut nioht bezahlt, 
- L O 3 wel- 



&X4 Vorreie zum Sachen- u. Perf. Reckt. 

i 

welchen fie dem Gefetze von Rechtswegen 
fchuldig ift. 

Prphibitiv- gefetze (St I. 79) können ge- 
brochen werden. 

Beweis , wie 13. 
k . . Es giebtalfo empörende Verbrechen, cru 
nthia, Criw/wa/verbrechen, Bosheiten (In fenfa 
juridico). Es kann feyn , dafs Willkiihr und 
Gewalt aufflehen, um das zuthun, was das 
Gefetz verbietet. 

16. 

Welche Willkühr und Gewalt ein empö- 
rendes Verbrechen (15) begeht, die ift in 
vorfätzticher Schuld (dolus). 

Denn, fie hat nicht blos mit Hintanfetzung 
des Gefetzes, diefem den fchuldfgen Tribut 
verfagt, fondern fich offenbar dem Gefetze 
vorgesetzt, und in diefem Vorfatze gegen 
das Gefetz gehandelt, ihm Fehde und Feind« 
fchaft zugefagt. 

17. 

Bedingte Gefetze, d. h. Pertnißivgefetze 
(St. L 82. 84*85) können gebrochen werden. 
Beweis , wie 11. 

Es giebt alfo bedingte Verbrechen (vitia), 
Verbrechen, welche nicht fchlechthin, aber 
doch unter Bedingungen Verbrechen find, 
Irregularitäten, Polizeyverbrechen, Anomalien, 
Defordres. _ , :- 



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Jdhandl. Uber Verbrechen u. Strafen, aig 

* 

ig. 

Welche Wülkühr und Gewalt lieh etwas 
Unter folchen Bedingungen erlaubt, unter 
welchen das Permiffivgefetz es nicht gut 
: heilst, ift im Verdacht (fufpectus). 

Denn , das äufsre Gericht hat offenbaren 
Grund zu dem Gedanken, dafs das Gefetz 
von ihr gebrochen fey, weil fie fich etwas , 
unter Bedingungen erlaubt hat, unter wel- 
chen das Gefetz es nicht erlaubt: weil fie 
fich , eine Eriaubnifs genommen hat, welche 
das Gefetz nicht 



19. 

Vexmlffxv geböte (84. a. St. I.) können ge* 
brachen werden. 

Beweis 9 < wie 17. 

Es giebt alfo Irregularitäten , in welchen 
man fich erlaubt, etwas nicht zuthun, was 
unter diefen Bedingungen doch gethan wer? 
den foilte, d. h. Verfetten (vitia omiflioöis). 

Welche Willköhr und Gewalt ein Verfe* 
hm (19) begeht, - die ift im Verdacht där 
Fahrt affigkeit (negligentia). A - . 

Denn, das äufsere Gericht hat offenbaren 
Grund zu denken, dafs das Geböt 'des Gefe. 
tzes ganz von ihr vergeffen ünÜ v^achläffigt 

*i O 4 «• 



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i » 



ai6 Vorrede btim Sachen • u. Verf. Recht, 

4 ♦ 
h 

2 T. 

PermilTivwrfofe (84, f>. St. I.) können 
gebrochen werden. 1 ' 
Beweis/ wie 19. 
Es giebt alfo Irregularitäten , in welchen 
man fich erlaubt, etwas zu thun, was unter 
diefen Umftänden nicht gethan werden follte, 
d. h. Fergehen, Excejfe (vitia commifltonis). 

2a. 

Welche Willkühr und Gewalt ein Vergehen 
(21) begeht, die ift des juridifchen Leichtßnns, 
der Zügelloßgkeit (licentia.) verdächtig. 

Denn, das äufsere Gericht bat offenbaren 
Grund zu denken , dafs das Verbot des Gefe- 
tztes von ihr gar nichts geachtet werde. 

. Wenn nun gleich Unrecht, Ungerechtig- 
keit und Verbrechen feyh können ("8 — 
fo yb//iff und muffen fie doch nicht- feyn. 

Denn, das Recht ift heilig (5) und Lega- 
lität und Haltung der Gefetze geboten. Weil 
das Recht feyn /o//, darum follen jene Sachen 
.nicht feyn i, und, ^eü, das Recht nicht feyn 
:konnte 9 wenn fie feyn dürftep , darum muffen 
fie nicht feyn. /. ' 

Verbrechen follen und muffen Äther keiye 
Publicität haben« 

Denn, weil fie antinomifch , mithip dem 
Recht entgegen find, fo follen und müflen 
' J fie 



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Mhändl.ffler Verbrechen s. Strafen, a i y 

i 

«fie gar tiitfä'feyn und durchaus "nicht gelten* 
-Vgl. St I. Alh. II. 

Wenn aber dennoch Verbrechen gefchehen 
•{welches mögtick ift 8 ff.) ; fö feil und mufs 
das äufsere Gericht fie verurtheilen. 

Denn , der Zweck des aufseren Gerichts 
ift Recht ünd Gerechtigkeit '(Tb. I-)*; es foü 
und mufs alfo Verbrechen der Publicität un- 
würdig erkenn *nv d. b. verurtheilen (24). 

26. 

Unbedingte Verbrechen (n ff.) follen und 
miiflen unbedingt yerartheilt 9 d.h. verdammt 
.werden. • ■ ' < 

Denn, fie find offenbare (pofitive oder 
negative) Feinde des Rechts, und follen und 
muffen alfo dahin verurtheilt werden, dafs fie 
gar nicht innerhalb der Granzen des Rechtsge- 
biets feyn, ganz zu Nichts \ werden follen. 

27. , " • 

Irregularitäten (17) follen iind miifleh 
Mingt verurtheilt, d. b. verwiefen werden. : 

Denn, fie find zwar nicht unbedingte 
Feinde, aber doch StÖrer desRechtszuftandes, 
müflen und follen alfo dahin verurtheilt wer- 
den, dafs fie in ihren ßränzen bleiben, d. h. 
fich auf die im Gefetz enthaltenen' Rechtsbe- 
Eingängen der Erlaubnlfle elnfchranken. 

' Verbrechen follen und mftflWnicht über* 
%nd nehfrie'n. ' « ~ 

0 5 Denn, 



« 1 8 Vorr&ie %m Sachen- u, Perf. Rechte 

Pep.9jf.daft Recht foll überhand nehmen* 
oder Souveränität die Oberhaid haben (St. J* 
Abb. IL). 

Den Verbrechen fall und mufs alfo Ekb* 
halt gefchehen. - 

» Denn, fie folien und miiffen nicht über* 
hand nehme» ($8). 

Die Naturgewalt foll und mufs von Vet« 
brechen ab gif ehr eckt werden. 

Denn , den Verbrechen foll Einhalt ge- 
schehen (29), foll und mufs auch dasje- 
nige , von dem die Verbrechen ausgehen fo 
geftimmt werden , dafs es fich nicht mehr zu 
Verbrechen beftimme: es mufs zum Qegen« 

theil der Verbrechen beftimmt werden. 

• "> * 

% * Die Naturgewalt kann nur durch äußern 

Zwang, abgefchreckt werden. 
1 Denn, die Natur kann nur durch Natur 

beftimmt, mithin auch nur durch Natur zu 

einem Gegenlheil beftimmt, d. h. abgefchreckt 

werden. Vgl Th. I. 

32. 

Verbrechen folien und müflen beßrafi: 
der Gegenftand, von dem fie aasgehen, ge* 
flrafl werden. 

Denn, . die Naturgewait foll und mufs 
durch äufsern Zwang von Verbrechen abge- 
fchreckt 



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AhUiiäl tfqe. Vwireehen u. . Strafen, a 1 9 

/ 

fchreckt werden (30. 31). Den Verbrechen 
ioll und fflttfs Strafe folgen. 

Dies ift der Satz und der Reät- begriff der 
Strafe; dehn er fetzt diefelbe, fagt, als Re- 
sultat einer Tynfch etlichen Deductioh, aus, dafs 
Strafe Realität habe. Diefer Satz fetzt nun 
««gleich mit jedem juridifchen Gefetz ein 
Straf gefetz züfarnmen und verpönt jenes; 
*Jenn er- erklärt : wenn das Gefetz nicht durch 
fich felbft Auctoritat gegen die Natur haben 
follte, ,fo föll ihm diefelbe durch Strafe ver- 
fchafft werden. 

Aus diefer Deduction erklärt (ich auch der 
alte Glaube, dafs die Realität der Strafe durch 
Oberherren bedingt fey. Das ift fi'e allerdings : 
denn nur der, welcher Souveränität über et* 
Was hat, foll und dajf dasjenige, was ihm tm. 
terthan ift, durch äufsern Zwang feiner Sou- 
veränität gemäfs beßimmen. Gäbe es alfo 
^nichts Souveränes, fo gäbe es auch kein Ob- 
ject der Souveränität und keine Strafe. Aber 
.eben hieraus ift auch evident, dafs nicht die 
foßtive Oberherrfchaft die Bedingung der 
Strafe fey. Es giebt eine Oberherrfchaft, 
die hoher ift., als alle pofitive, eine Souverä- 
nität a priori , nemlich des Rechts und einen 
objecttven Unterthan des Rechts, d. i. 
Nßtitr. Gegen diefe fetzt jenes a priori das 
Straf gefetz. \ 

•t 33- 



» V 



&2b Vorrede tüm Sachin t UWfrfi Wctit. 



Unbedingten Verbrechen fr i) foll und mufe 
unbedingte Strafe , d. b. Verbannung folgen. 

Denn, fie follen verdammt werden, d» f>. 
durchaus nicht feyn. Es Coli und mufs alfö 
der Schreck des äufseren Zwangs die Natur- 
gewalt, von welcher ,{Jas Verbrechen aus? 
gieng, ohne Gnade treffen und fie für immer 
und ewig in den Bann thuu (poena rigorofa), 

' 34* a * -u > i 
Fehlern (delicta) foll unbedingte Rüge 
folgen. 

Denn, Schuld foll durchaus nicht feyn: 
die Naturgewalt alfo, von welcher das üeli- 
ctum ausgieng, foll durch den Schreck des 
äufseren Zwanges ohne Gnade fo getroffen 
werden, dafs fie für immer dadurch angeregt 
werde, ihre Schuld dem Gefetz zu bezahlen 
(poena admonitoria). 

3.4: b - 

Bosheiten (crimina.) foll unbedingte Pein 
(Hauptftrafe) folgen. 

Denn, vorfätzliche Schuld foll durchaus 
nicht feyn: Empörung gegen das Gefetz nie* 
dergefchtägen werden. Der Schreck des äö- 
fseren Zwanges foll und mufs daher die Bos- 
heit, welche fich gegen das Gefetz empört, 
ohne Gnade aufs Hßupt fchlagen, damit fie 
nimmer Avieder ihr Haüpjt gegeti das Gefetz 
erheben könne (poena capitalis). 

_ 3S« 



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35- 

Bedingten Verb re ch en ( 17^ foll bedingte 
Strafe, d. h. Verweis folgen. 

. Pqnn 9 y bedingte Verbrechen follen ver+ 
wiefen (27) wenden» Der Schreck des äufse-, 
rön Zwangs foll daher die Naturgewalt, von 
Welcher die Irregularität ausgieng, nicht un* 
bedingt,, fontjLetn iiur in die gefetzmäfsigen 
Schranken der. Erlaubnifs bagncn, d. h. ver* 
weifen (poena correctoria), 

Dem Verfetten (vy) ioXi Warnung folgen» 
: Denn, die Erlaubnifs, etwas nickt zu 
thun, gilt nur unter der Bedingung des Gex 
bots. Der Schreck des aufsern Zwanges foll 
daher die Naturgewalt, welche fich verfah,\ 
fo treffen, dafs fie immer auf diefe Bedin- 
gung merke , fie nimmer wieder xrernuchläfßge* 
(animadverfio,). ■ 

% \ > Y 37- • /■ ' - ^ •> 

Dem Vergehen (21) föll Züthtigung 
folgen. . < ,.*:„;■ 

Denn , die Naturge*walt, welche lieh ver- 
geht, hadert leichtfinnig und muth willig mit 
dem Verbot. Der Schreck, des' aufsern Zwan- 
ges foll fie daher fo treffen, dafs fie (ich nirti-* 
ftier wieder ihrer Erlaubnifs mit Aus getäjfenheiP 
bediene, fondern immer ihren MuthwiUen un^ 
ter der Zucht des G*fetees halte (caftigatio). 

••4. 38. 



i 



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Vorrede zum Sachen- ui Verf.* Recht rir* 

38- 

Der Menfctihat das Strafrecht. 
Denn 

a) er folt es hafyen, weil das Recht 71fotz- 
fihenrecht und er Subject detf Rechts ift, und : ' 

b) niemand auf der Welt, aufser ihm, 
kann es haben : denn er ift dnröfi'dieSynthefis 
des Selbft und der Natur in ihtn das einzige 
Wefen* weltheS mit der Hand des Rechte 
auf die Natur treffen kann. 

39- 

' Die Strafe foll und mute 

a) juridifch Umitirend feyn., denn iie foll 
und mufs für das Reeht(\und' feine Realiii- 
Tung) gegen die juridifche JNegfction des Ver. 
Drechens gerichtet werden : 

b) jufridifche UniverfaUt'dt haben, denn fie 
foll und muf& durch die Einheit des allgemein 
nen Willens gegen den Widerftreit der Ver- 
brechen gegen denfelben gerichtet feyn : 

c) ]\irv&\fch; flrenge feyn, denn fie ift das 
Schwerdt der Gerechtigkeit 9 welche abfolut 
gilt, und durch keine Naturbedingung zur 
Nachficht beftochen wird:- 

... d) juridifch wirklich, d. h* exemplarifch , 
£eyn; denn fie foll und mufs die Willkühr 
und Gewalt für immer und ewig von der Be- 
fehdung des Rechts abfehrecken, 

> 

Juri- 



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1 



Juridifche Philofobhie. 

- 

Zweyten Thcils Zwcytes Stück. 



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Das abfolute Sachenrecht 

Die Natur an und für fich allein betrachtet 
ift dem Seibft contradictorifch entgegenge- 
fetzt, nichts anders als Nicht-Setbfl. S. Th.L 

und Th. H. St. I. 

* • 

2. 

Die Natur ift daher 

a) eine Sache. 

Denn, da fie dem Seibft entgegen gefetzt 
ift; fo ift fie zwar gefetzt, d. h. fie hat Rea* 
Ii tat, aber doch nicht gefetzt durch fich felbß, 
d. h. keine Ur* fache (welche Selbftfeyn, 
Selbftrealität hat), fondern eine blofse Sache, 
welche zwar gefetzt ift, aber nicht durch fich 
Seibft, alfo gar keine Selbftheit hat, fondern 
eine blofse res und weiter nichts ift (r. und 
die Citate dafeibftj). 

3- 

Die Natur ift * ' 

b) eine Vielheit von Sachen oder ma- 
teriell. 

Schaum, neuts Syfl. des na$ t R. P Denn, 



226 1. Bai abfolute Sachenrecht. 

Denn , da fie nicht durch fich Selbft ift, 
fo mufs fie durch Etwas Anderes feyn , d. h. 
aus einem anderen Dinge entßehen und diefes 
* alfo vor ihr, eher als fie feyn : ihr Seyn wird i 
alfo, und fie fängt es von einem anderen 
Dinge an, d. h. fie ift in der Zeit. Ferner: 1 
da {\e< Ni<fa- Sell}fl iflr; fo ift fie aueh nicht in 
dem Selbft, mithin nichts innerliches (imma- 
nentes), fondern etwas äufsertiches (trans- 
feendentes); was von dem Selbft geräumt, 
mithin im Räume ift. Dasjenige aber, wel- 
ches feine Realität in Zeit und Raum hat, ift 

• 

durch die Form der Zeit und des Raumes be- 
nimmt, alfo theilbar, wie fie, d. i. eine 
J/ielheit, und erfüllt mit feiner Vielheit die 
Zeit und den Raum, d. h. ift Materie. 

,4- 
Die Natur ift 

c) eine herrenlose Materie (3). 

r 

Denn, da fie Nicht- Selbft ift, fo kann 
fie auch nicht fich Selbfl angehören (eine Sa* 
che ift keine Perfon)i da fie ferner dem 
Selbft ew*g*g*wgefetzt ift, fo kann fie mit 
keinem Selbftwefen zufammen gefetzt feyn, 
ift alfo an und für fich betrachtet Jedermann 
(jeder Perfon) fremd und Niemanden ( kei- 
ner Perfon) angehörig, d. h. herrenlos (res 
nullius). x 



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/. Das abführte Sachenrecht. 



227 



Form. 




Denn , da fie an und für lieh betrachtet 
herrenlos ift (4). fo ift das juridifche Gefets 
noch nicht auf fie angewendet, fie ift alfo 
ohne Rechtsform oder titellos. — Die Na- 
tur an und für fiqh ift nach allem diefem eine 



l 6. 

Der Menfch hat ein Recht, die Natur 

juridifch zu bedingen. 
Denn er hat 

aj ein Recht über die Natur, Th. I. Th. II. 
St I. und 

b) ift die Natur eine Sache (2) ; er darf 
änd kann alfo die Natur venirfachen , d, h. 
fie durch fein Recht bewirken und dadurch zu 
einer Rechtsfache (aus einer blofsen Sache) 
«Jachen, d. i. fie juridifch bedingen, zu ei- 
nem juriftifchen Ding fetzen. 



«at und diefe eine mannigfaltige Materie ift 
(3); fo darf und kann er diefelbe als Mittel 
C»W Erfüllung} feiner Zwecke behandeln, 



juridifch rohe Materie (2 ■ — 4). 




P 2 



fie 



aas I. Das ab folutc Sachenrecht. 

fie aus einer blofsen Materie zu einer Rechts- 
materie (einem Rechtsmittet) machen , d. h. 
fie juridifcb bezwecken. 

8. 

Der Menfch hat ein Recht, die Natur 
juridifch zu ergreifen. 

Denn, da er ein Recht über die Natur 
hat und diefe herrenlos ift (4}; fo darf und 
kann er fich zum Herrn derfelben fetzen 
(fich ihrer bemächtigen, fie zu fich nehmen), 
fie aus der negativen Gemeinschaft (commu- 
mo negativa) in eine ifct/ttogemeinfchaft 
(communio pofitiva) mit fich bringen, d. i. 
fie j uridi fch ergreifen. 

9- 

Der Menfch hat ein Recht, die Natur 
juridifch zu formen. 

Denn, da er ein Recht über die Natur hat 
und diefe titellos ift (5); fo kann und darf 
er fie durch fein Recht tittdiren, aus einem 
problematischen zu einem wirklichen Recht?- 
gehalt machen, ihr einen Rechtscharakter 
(titulus) geben, d. h. fie juridifch formen. 

10. 

Der Menfch hat ein Recht, fich die Na- 
tur zuzueignen- 

Denn, er hat ein Recht, die Natur 
a) juridifch zu bedingen (6). 
J>) juridifch zu bezwecken (7), 

■ 

. t c) juri- 



1 



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I. Dar abfolute Sachenrecht* 229 

c) juridifch zu ergreifen (g), 

d) . juridifch zu formen (9), alfo Recht, 
die Natur durch feine Menfchenkraft für 
feinen Menfchenzweck zu fich Selbfl 
\eu nehmen, d. h. fich diefelbe zuzu« 
eignen* 

ir. 

Der Menfcb hat ein Recht, fich diejeni- 
gen Sachen zuzueignen, welche die phyfi- 
fchen Bedingungen lind 
aj zum Rechtthun : 

b) zum Dafeyn: 
a) irgend wann, 

ß) irgend yoo zu feyn: 

c) zum Leben: 

a) einen Körper zu haben, 

ß) einen Qeifl 9 jenen zu befeelen: 

d) zur äufsern Freyheit: 
et) zur pofitiven, 

ß) zur negativen: 

e) zur Perfdnlichkeit: 

u) zum Selbftbewufstfeyn — Cultur — 
Aufklärung: 
a) zur Denkfreyheit, 
. b) zur üferf* - Schreib - Druckfreyheit : 
ß) zur Selbflthätigkeit — inneren Frey* 
heit: 

a) zur Gewijfensfreyheit, 

b) zur Religionsfreyheit 9 10. vgl. mit 

Th. IL St. L 53 — 59. 

P 3 ^ Ich 



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»30 1* D** abfolute Sachenrecht. 

Ich üb er laße es dem denkenden Lefer, 
ielbft zu prüfen , wie heilig die deducirten 
Rechte in der wirklichen Welt gehalten wer- 
den ! Ich überlaffe es ihm , fultanifche Nö- 
thigungen mit dem Recht, feine Pflicht zu 
thun: die Inhofpitalitat im ^leinen und Gro- 
fsen mit dem Rechte des Dafeyns: die Be- 
fchränkung des Wirkungskreifes manches 
Mannes von Geift und Kraft durch die Prae- 
togative des Zufalls und die jacobinifche 
Wuth gegen den Adel der Aufklärung mit 
dem Rechte des Lebens: die Chikane in 
Proceflen und den Defpotism der Vezire mit 
dem Rechte derFreyheit: die Machtfpriiche 
unwürdiger Cenforen gegen Manufcripte und 
Druckfeh riften, die Donnerworte jefuitifcher 
Priefter gegen die Layen und die juridifebe 
Behandlung des Kirchengiaubens mit dem 
Recht der Persönlichkeit und der Zueignung 
der phyfifchen Bedingungen aller diefer 
Rechte — zu reimen. Aber des Krieges — 
der alle diefe Rechte befehdet — kann ich 
nicht vergeffen. Selbft den edlen Befehls- 
habern , welche den Willen haben, nimmt 
er die Macht , ihre Pflicht zu thun. Sie 
rauben und plündern, fie fengen und bren- 
nen , fie fchftnden das Weib und morden die 
Unfchuld , fie nähren fich mit der teuflifchen 
Freude böfes zu thun, und den, welcher 
ihnen wehren follte — feffelt die Furie des 

Kriegs ! 

« 



s 

t 



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/; Das äbfolutt Sachenrecht* a 3 r 



Kriegs ! Hier wimmert eine Mutter mit dem 
«arten , Säugling an ihrer Bruft und fucbt eine 
Höhle, wo , die Unfcbuid fich berge: dort 
treibt eine Rotte barbarifcher Krieger den 
zitternden Flüchtling aus feinem endlich ge- 
fundnen Afyl und dort — bey Oczakow 
und lfmail und Prag fpielt ein Mann, den 
ihr Heid nennt und von Norden und Süden 
her lobpreift, mit deip Leben geheiligter 
Menfchen ! < Dahin ift die Herrfcbaft über die 
Schöpfung, dahin die Heiligkeit in der Na* 
tur, die Wuth der Heerfchaar,en verjagt den 
Menfchen mit Feuer und Schwerdt aus dem 
Paradiefe der Menfchheit, und dürftet nach 
Blut und fchont des Embryo nicht im Leibe 
der Mutter! Und, wenn 'fie fich im Blut 
ihrer B rüder gebadet und in thierifcher VöU 
lerey und viehifcher Wolluft erfSuft haben, 
fo fallen fie felbft durch den DQ£*er des 
Götzen* welchem fie dienten! Zerftört wer- 
den die Werke der Kunft, zu Afche die 
Monumente der Weisheit, verfcheucbt ihre 
Pfleger! Es verftummt die Stimme des inne- 
ren Richters vor dem Gewalt wort, däfs Krieg 
ift! und der Krieger verhöhnt feinen Spruch 
mit dem flammenden Schwerdte! Sie find 
gewichen von Gott, um auf den Hügeln 
ihrer erfchlagenen Brüder fremden Göttern 
lärmende Hymnen zu fingen! Inter arma 
fiient legesl 

p 4 Und 



*3* I. Das ahfolute Sachenrecht. 



Und ihr wollt, dennoch die Kriege 
entfchnldigm ? und uns täufchen, dafs ü\ef 
Menfcbheit ihnen Gutes verdanke? — Wohl 
uns! dafs die Natur die Werke der Bos- 
heit zernichtet und felbft aus Gräbern le- 
bendiges Seyn und aus verödeten Feldern 
Seegen hervorruft! Und wohl euch, die 
ihr die Geifsel des Kriegs mit imgerechten 
Händen fchwingt, wenn ihr durch das, 
was die Natur gutes thut, um auch das 
Böfe zum heften zu kehren, das Verdatn- 
mungsurtheil aufheben könnt, welches der 
Richter über euch fpricht, welcher recht 
richtet t 



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— < 

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IL 



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« 

TL 

Das hypothetifche Sachenrecht 

12. 

Der Menfch hat ein Recht auf die Naturbe- 
dingungen des Zueignungsrechts (10), d, h. 
ein Recht, das zu thun , was gethan werden 
mufs , um fich in der That etwas zuzueignen. 

Denn, fein Zueignungsrecht ift ein wah- 
res und votlkomrnnes Recht (10). 

Der Menfch hat alfo ein Recht , die rohe 
Materie (5) 

a) durch feine Kraß za bewirken, d. h« 
zu bearbeiten : 

b) durch feine Qeißeskraft zu bezwecken, 
d* h. zu beabßchtigen: 

c) durch feine Korperkraft zu ergreifen, 
d. h. 2a beherrfchßn, fich ihrer zu bemäch* 
tigen: 

d) durch fein Ä^rA* arw tituliren, d. h. /w* 
ridifch zu beurkunden — fein urfprüngliched 
Recht auf die rohe Materie zu deduciren 
(hinab zu leiten) und diefe dadurch zu be- 
rechtigen. 1 

Denn , er hat ein Recht auf die Naturbe» 
dingungen feines Zueignungsrechts (ia): 

P 5 und 



f 

a 3 4 IL Das hypmhctifchd Sachenrecht. 

und die vorgeffiellten Dinge" gehören iflazti; 
denn, da die Natur an und für fich eine rohe 
Materie ift, eine Vielheit von blofsen Sachen, 
welche keinen Herrn und Titel haben ; fo 
mnfs der Menfch , wenn er die rohe Materie 
nicht fo laflen , fondßrn fie in der That fich 
zueignen will, feine Menfchenkraft feinem 
Menfchenrecht gemafs auf Hiefelbe anwenden, 

14. 3 
In wie Fern der Menfch die rohe Materie 

- 

bearbeitet hat (13- *Ü, in fo fern ift fie — 
nicht eine blofse Sache, fondern — von 
Rechts wegeA Seine Sache oder das Seihe xmä 
in feinem Befttz. 

Denn * er hat fie durch feine Bearbeitung 
in der That zu ßch gefetzt , fie durch feine 
wirkende Kraft cuttiviret und ihr dadurch fein 
Siegel aufgedruckt: und hat hiezu ein Recht 

<*3- *)• 

Dies ift der Satz des juridifchen Seinen 
• , «nd des Beßtzes überhaupt oder der ReaU 
begriff der letzteren, denn er ift nicht durch 
Auseinanderfetzung des in den Worten gege- 
benen Gedankens ( Nominälerklarmg ) ent» 
ftanden, fondern durch Deduction der Be- 
dingungen feines Gehalts zuf ammenge fetzt : 
er ift alfo wVÄfanalytifch gefunden und feine 
Realität dogmatifch angenommen; fondern 
er ift fyniketifch gegeben lind feine Realität 
kritifch deducitt worden.^ «Daher erhält man 
i •' t", auch 



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IL Das hj/pothetifche Sachenrecht. 035 



auch durch diefen Satz nicht Mos einen Bei- 
griff von dem Begriffe (und feinem Worte) 
allein (einen formalen, logifchen 9 analytU 
[chen, räfonnirten Begriff) ; fondern auch ei- 
nen Begriff von der Realität des Begriffs, 
d. h. einen realen , metaphyfifchen , fynthetu 
fchen , deducirten Begriff. 

\ ' • ... . - J5. y .> 

In wie fern der Menfch die rohe Mäterie 
beabfichtiget hat (13. b); in fo fern ift fie — — 
nicht ein blofses Mittel, fondern — von 
Rechtswegen fein Mittel der Abficht nach und 
jpr (der Menfch) im geißigen Befitze derfelben. 

Denn, er bat fie durch feine Beabfibhti* 
gung in derThat geifligerweife zu fich gefetzt 
und fie durch feine Geifteskraft mit den Zwe- 
cken feines Geiftes , d. b. feinen AbfichteÄ 
verknüpft, fie in geifiige 9 idealifche Verbin« 
dung mit fich gefetzt, wozu er ein" Recht hat 
(13. b). 

Dies ift der Satz des bezweckten , virtua- 
len Seinen (Suum virtualiter tale) und des 
geifligen , mentalen Befitzes ( Quafi - poffeffio, 
mentalis), alfo der RealbegciS derfelben« 
Vgl. 14. 

16. 

i , In wie fern der Menfch die rohe Materie 
ergriffen hat (13. c), in fo fern ift fie — 
nicht eine herrenlofe, fondern — von 
Rechtswegen eine beherrjchte Sache (welche 

einen 



a$6 IL Das hypothetifche Sachenrecht. 

einen Herrn hat) und er (der Menfch) ihrer 
Herr, im körperlichen Befitze derfelben. 

Denn , er hat fie durch feine Ergreifung 
in der That materieller, körperlicher weife zu 
fich gefetzt und lieh durch feine Körperkraft 
derfelben bemächtigt , fich ihr zum Herrn ge« 
fetzt , fie in körperliche 9 materiale Verbin* 
dung mit fich gebracht, wozu er ein Recht 
hat (13. cX r 

Dies ift der Satz des beherrfchten , fdrmlU 
- fA*n Seinen (Suum formaliter tale f Befitz- 
fand) und des körperlichen, handgreiflichen 
fielitzes (Pofleffio (re) wra, corporalis), 
•lfo der Ä*a/begriff derfelben. Vgl. 14. 

17. 1 

In wie fern der Menfch die rohe Materie 
berechtiget (juridifch beurkundet.) hat (13. d), ! 
in fo fern ift fie — nicht eine titellofe , fon- 
dern — von Rechtswegen eine titulirte (mit 
dem Namen des Rechts bekleidete) Sache und 
er (der Menfch) im Rechtsbefitze derfelben. 

Denn , er hat ihr durch die juridifche 
Formung in der That einen Rechts- (zu Recht 
beftandigen) Gehalt gegeben und fie mit fei- 
nem Recht zuf ammengefetzt i wozu er ein 
Recht hat. 

Dies ift der Satz des juriflifchen Seinen 
(Suum titulo tale) und des juridifchen Befi* 
tzen (Pofljßflio juridica, titulata) x alfo der 
RealhegriS derfelben. 

18* 



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IL Das hypothetifehe Sachenrecht, 93? 

In wie fem der Metifch die rohe Materie 
abfichtlich ergriffen und in juridifeben Befitz 
genommen hat, in fo fc?rn hat er fie von 
Rechtswegen occupirt. 

penn , er hat alsdann die rohe Materie 
zu feinem juridifchen Gebiete hinzugefetzt, fie 
für fein Recht hinweg (in Befehls^ genom- 
men , und dazu hat er ein Recht (14 — xy)*. 

Satz und Realbegriff ^er juridifchen Occu- 
pation, d. i. der Befitzrükmung von Rechts* 
wegen. 

In wie fern der Menfch die rohe Materie 
occupirt hat, in fo fern hat er fich diefelbe zu 
Eigen gemacht und fie iß fein Eigen. 

Denn, er hat fie durch die jurldifche 
Occupation in der That in das Gebiet feines 
Rechts i alfo auch in das Gebiet defien, wel* 
ehern fein Recht gleilh ift, d. i. des Selbfles 
gefetzt. Sie gehört alfo nun zu ihm Selbß, 
<L h. fie ift fein eigen. 

Satz der wirklichen Zueignung (Res nul- 
lius cedit occupanti) und des eignen Seinen 
(proprium , Suum occupatione tale). 

20. 

Der Menfch hat ein Recht, fich dte rohe 
Materie zu Eigen zu machen. 

Denn, er hat ein Recht, fie zu occupiren 

(18. 19-)- 



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4 $8 iL JDäx hypothetifihfi Sachenrecht* 

In wie fem der Menfch diefeg Recht über 
die rohe Materie ausgeübt, ficb diefelbe in 
der That zu eigen gemacht hat, ift fie feia 
Eigenthum und er ihr Eigcnthümer. 

Denn, er bat fie zu jenem und [ich zu 
diefen* gemacht, er hat an der rohen Materie 
etwas gethan , wodurch fie feiner Selbjlheit 
angehörig geworden ift (18. 19). 

Satz des ^igenähums und Eigentümers 
(proprietas et prdprctariusj). 

22. 

Der Menfch hat ein Recht , die rohe 
Materie zu feinem Eigenthum und fich zu 
ihrem Eigenthümer zu fetzen. 

Denn, er hat ein Recht, fich diefelbe ztt 
eigen zu machen (20. 21). 

Das Recht zu Eigen th um ift ein wahres 
Recht. 

Denn , es ift von dem Selbftgefetze ver- 
liehen, mithin diefem gleich, d. i. wahr und 
recht (1 — 22. vgl. St. L Abh. 2. u. a). 

24. 

Das Recht zu Eigenthum ift alfo, 
A) feinem transfcendcntalen Charakter 
»ach, ein öffentliches Recht: Der Menfch folt 
und darf es kraft des allgemeinen Willens 
Baben. Es ift daher 

a) ein 



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IL Las hypothetifchc Sachenrfcfa 339 

aO ein wendttchet R«cfct, d. h. kefne WilU 
kiihr und Gewalt foll und darf denselben lieh 
entgegenfetzen und es befchränken : 

b) ein allmächtiges Recht, d; h. ein flren- 
ges Recht, welches keine Naturgewalt unter 
irgend einem Vorwand dem Menfchen zu 
nehmen fich herausnehmen foll : 

c) ein autonomifches Recht, d. h. frey, 
von keiner Naturkraft abhängig, kein Ge* 
fchenk willkührlicher Inftitute, fondern eine 
Gabe des Selbftgefetzes. (Und doch hat 
man das Eigenthum a poßeriori deduciren 
wollen und die Deductionen a priori verlacht 
und mit triumphirendem Hochmuth zu einer 
folchen Deduction herausgefordert! Nun — 
hier iß lie: und kann den Herren, die das 
Recht (fehr gründlich!) aus Grund und Bo- 
den hervorfpriefsen laffen, eine neue Gele- 
genheit geben, zu zeigen, wie fchön iie fich 
auf das Recht verliehen und wie diejenigen, 
welche die reine Vernunft verlachen , fich al* 
lein lächerlich machen ! ) : 

d) ein vollkommnes Recht, d. h. in fich 
felbß wirklich und wahr: keines Zufalls und 
Glückes bedürftig (S. St I. 35 — 39). ■ ' ~ 

■ 

Das Recht zu Eigenthum ift 
* B) feinem wtaphyfifchen Charakter nach 
ein fouveränes Recht. Der Menfch foll 

und 



a4o U* D* s hyfothetifcht Sachenrecht, 

und mufs es kraft der unbedingten Auctorität 
des Selbftgefetzes über die Natur haben. Es 
ift daher 

a) fubjectiv persönlich : die Perfon foll 
und mufs es haben: 

b) objectiv dinglich: die Sachen follen 
und muffen ihm untergeben feyn : 

c) ein Haptens Recht: es foll und mufs 
das Aeufsere betreffen : 

d) ein zwingendes Recht : ihm foll und 
mufs Zwang zu Geböte ftehen (St I. 40-44.). 

26. 

Eigenthum mufs von dem Menfchen er- 

tvorben werden. 

Denn , an und für fich ift die rohe Mate, 
rie nicht das Eigenthum des Menfchen (2-5); 
fie kann es aber auch nicht werden 

a) weder durch fich allein (a pofteriori), 
denn als ein ZV/cÄr- Selbft kann fie fich dem 
Selbfi nicht eigenmächtig mittheilen (auf- 

dringen): m 

b) noch durch das Selbft allein (a priori), 

denn diefes kann eben fo wenig feine Selbft- 
macht dem Nicht - Selbft unmittelbar mitthei- 
len. Sie mufs alfo 

c) durch die Synthefis des Selbfi und NichU 

fetbfi im Menfchen zum Eigenthum gemacht 

werden, d. h. der Menfch mufs die rohe Ma- 

terie durch die Menfchennafar (durch das 

; Wirken der Menfchenkraft in Zeit und Raum) 

zu 

* 

r 

I 



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, IL Das hypothttifihe Sachet&ichtl 241 



2ü dem Menfchen/^/J/f hinzuzufügen (in das 
Gebiet des Selbfts zu fetzet) .Jüchen (arf* 
quirere). 4 • ••' < 

Eigenthum kann von dem Menfchen er. 
Worben werdet** 

Denn, er;/o// ein Recht über die Natur 
überhaupt (St 10 und ein Recht zu Eigen- 
thum insbefondere (22) haben: kann es alfo 
auch haben ,, und hat mithin das Vermögen, 
ohne welches -diefes fein Recht Nichts wäre, 
das Vermögen , JSigenthum zu erwerben (2,6). 

Das, wodurch Eigenttium erworben 
wird — die Erwerbungsart t (f»oi^' adqui- 
rendi), ift Occupation. 

Denn, durch die Occupation wird die 
rohe Materie von, der natürlichen Menfchen- 
kraft in das Gebiet des Menfchen/tf/ty? gefetzt 

06. i8J>. 

9, . • 

_ Ä • *• - 

Durch die Bearbeitung der rohen Materie 
*Wird allein kein' Eigen thum erworben. 

Denn, der« modus ad^uirendi des Eigen« 
thums ift Occupation (28): durch die Bear- 
beitung allein fetzt man fich blös in Befitz 
(14). ■ - 

30. ■ * - • " * 

Durch die Beabfichtignng der rohen Mate- 
rie wird aUeiH k^k ^eMhumßmot^h. 
Schern, neues Stf. des nat. R. Q Be-^ 



• 



I 

a4« iL Dm hypothetifihe Stchenreckt, , 

Beweis, Steic vorher (29). • Die Abfifchtjr 
welche; der IW^nfth auf die rohe Materie rieh-* 
tet f fetzt ihn blos in geifligen Belitz derlei* 
ben (15). * 

Durch die Bemächtigung der rohen Mate- 
rie wird -allein kein Eigenthum erworben. 
■ Beweis , wie vorher (2 9). , Die Bemäch- 
tigung einer Sache fetzt den Menfchen blos 

in körperlichen Belitz derfetben (16). 

...... ^ 

Auch durch jene drey Acte (29 — 31) 
zusammen wird noch kein Eigenthum er- 
.worben. 

Denn , auch fie machen zufammengenom« 
men noch keine Occupation (18) aus (28). 
Sie find blos Acte der Menfchennafwr (phyfi- 
fche Acte) und gewähren dem Menfchen die 
Sache, fetzen ihn in Gewehr -J Im, förmlichen 
Belitz (poffefllo formaliter talis). 



33- ■ 



Wenn aber zu jenen drey Acten ( 3»> 
noch die Juridifche Formation (17. 12. d) 
hinzukommt, wenn die abfichtlich ergriffene 
Sache nicht .blos durch die .Kraft, (die phyfi- 
fche Macht), Sondern auch durch das Recht. 
(die juridifche Macht) des Menfchen bewirkt, 
juridifch beurkundet (dedUcift) ift ; fo wird 
von Rechtswegen EigeathiÄ erworben. x 
,» j y .■ -Dean, 



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IL Das hypothetifche Sachenrecht. 343 

Denn/ alsdann find jene Acte der Occu- 
pation gleich (2%. 26. Für lieh allein 

Jind fie zwar Erwerbungsm/tf*/, aber nicht 
die (juridifche) Erwerbungsari (methodus ad« 
quirendi): tnodi adquirendi follte man blos 
die Erwerbungsroaw^m* nennen, die zufJlli- 
gen 9 mannigfaltigen Weifen der Erwerbung, 
die z. B. das pofitive Recht beftimmt 

34- 

Btofse Willkikr giebt von Rechtswegen 
kein Eigenthum. 

Denn , Eigenthum foll und tnufs durch 
Qccupation erworben werden (33. 2%). In 
Abficht des Eigenthums kann und darf nichts 
beliebt werden. 

Teflamente aifo — dafs ich hier dem Per* 
fonenrecht vorgreife — d. h. was Jemand, 
der zu fterben gedenkt, über fein Eigenthum 
beliefet, lind, als Acte in einem Natur zuflande, 
d* b. als Acte der blofsen WUlkühr ("denn 
Naturcwftand ift kein Rechtszxxfand ) faetrach. 
tet, nicht rechtskräftig. Sie haben mithin 
keine natürliche Gültigkeit, wie denn über- 
haupt die Natur vor dem Rechte nichts gilt 
und über daffelbe nichts zu fagen bat. 
Ob fie naturrechtliche Gültigkeit empfangen 
können, d.h. pb ihre Einführung dem öf- 
fentlichen Recht nicht widerfpreche und der 
Staat fie legalifiren könne, werden wir zu 
feiner Zeit fehen. Hier nur fo viel noch, 

Q 2 Te- 



■ 



&44 ä Dat hypothetifihe Sachmrecht. 

- 

Teftamente , als Jjtte eines Naturzuflandes be. 
trachtet, follen nimmer und nirgends gelten.^ 
Wenn ihre Gültigkeit überhaupt möglicK 
feyn fpll ; fo muffen fie Acte des Kechtszix. 
ftandes feyn. Es mufs daher ein rechtliches 
Teftament 

a) du feyn. E nihilo'nil fit: 

b) allgemeingeltend 9 kein Werk der Will- 
kühr und Gewalt, fondern des allgemeinen 
Willens feyn; 

c) autonotnifch , nicht durch Lift oder 
überhaupt durch Naturkraft erprefst oder er- 
fchlichen, fondern mit Selbftbewufstfeyn, 
frey verfafst feyn ; 

d) ein wahres, vollkommnes Teftament* 
nicht erdichtet, untergefchoben, verfaifcht 
feyn. — Ueberdies kömmt es nun freylkh 
noch darauf an, ob der Teftatarius von die- 
fem Erwerbungsmittei Gebrauch machen will 
und (in Rückficht der Teftamente überhaupt) 
ob der Teftator einen Vogel verfchenken 
dürfe, wenn er gar nichts mehr verfchenken 
kann; allein über diefes alles mufs uns das 
Perfonewreckt Aufklärung geben. 

35* 

Blofse Gewalt ^iebt k6in Eigenthtnn. 

Denn, Eigenthum mufs erworben wer- 
den (33. 26). Gewalt kann erobern (offent* 
liehen Raub begehen), aber nicht erwerben. 
Eigenthum kann nicht geraubt werden* 

> 36- 



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IL Das bypotketifcke Sachenrecht, 345 

36. 

< 

Blindes Qlück giebt kein Eigenthum. 

Denn, Eigenthum mufs erworben wer- 
den (33. 26): man kann es nicht finden. 

37- 

Die blofse Zeit giebt kein Eigen thum. 

Denn,. Eigenthum mufs erworben C33* 
36): es kann-- nicht verjährt werden. 

Hat die Verjährung Gültigkeit? Im 

<Naturzuftande mag fie wohl gang und gebe 
feyn, denn da gilt kein Recht. Dein Eigen* 
thum kann nie verjähren: fie fprechen ja felbft 
auch nur von Genufs, ufucapio. Aber! — 
wie fchwer würde oft die Entscheidung über 
das Mein und Dein werden , wenn keine Ver* 
jährung gölte ! — Das mag feyn ! dazu feyä 
ihr ja da, um im Schweifs eures Angefichts 
euer Brodt zu eflen. Trachtet nur ernftlich 
nach der reinen Gerechtigkeit und fcbeuet die 
rfnßrengung nicht; fo werdet ihr auch ohne 
Verjährung die Proceffe über Mein und Dein 
entscheiden können! — 



38- 

0 - 

: Nichtsthun giebt kein Eigenthum* 
Denn, Eigenthum mufs erworben wer* 
^ en (33* 26). Nichtsthun giebt Nichts. 
\Ver i^icht arbeitet f verhungert von Rechts* 

0 3 39- 



> y 



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*4Ä IL Dai hypothetifihe Sachenr^ckK 

39- 

Blofses Wünfchen giebt kein Ergenthüm. 
Denn, man mufs es erwerben (33; a6). 
Eigenthum kann nicht erfeufzt werden. 

4°* 

Btofses Nehmen giebt kein Eigenthum* 
Denn, man mute es erwerben (33. 26), 
d. h. durch Selbßthätigkeit nehmen , mit Fug 
«und Recht! Eigenthum kann nicht erßohleft 
werden. 

41. 

Eigenthum ift heilig. 
Denn, es ift eine Ii eckt stacht (33). 

42. a. 

/ Alto: 

a) Keine Jftffltiifc and Gewalt foll das 
Eigenthum nehmen. Wie heilig mufs alfo 
denen das Eigenthum feyn, welche Plünde- 
rungen erlauben, neutrale Schiffe kapern, 
Requifitionen Cftatt Adquifitionen ) machen, 
fremde Lander theilen und wer weifs^ was 
tonft noch für actus leoninos vornehmen ! — 

b) Blindes Glück (oder Unglück) foll das 
Eigentbum nicht nehmen! — Eigenthum 
kann nicht verloren werden : 

c) Die Zeit foll das Eigenthum nicht 
nehmen ! — Eigenthum kann nicht exßinctive 
verjährt werden : 

d> Nicht- Beßtz foll das Eigenthum nicht 
nehmen ! Und wenn auch der Menfch fein* 

eigen. 



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//. Das hyfothetifcht Sachenrecht. 147 

«i'genthüroliebe Sache vernachlnffigt, ver- 
gifst undVerläfst, foll doch fein Eigenthum 
bleiben! 

Denn, Eigenthum iß heilig! (41). 

Welche Willkiihr und Gewalt Eigenthum 
nimmt, die ift des Raubes (rapina,) fchuldig.. 

Denn, fie entreißt dem Menfchen, v was 
ihm nicht entriffen werden /o// (4*)r; •> 

43- »• 

Das Dafeyn des -Menfchen , und alfo 
1 a) feine Zeit (die Momente , auf welche 
fein Dafeyn befchrtnkt lft>, 
h) fein Raum (der Platz, auf 'Welchen 

•»• fein Dafeyn 'befchränkt iftX' • ■ 

find fein Eigenthum. St, I. 56. ' f 
Denn, er hat fie occupirt: er hat durch 
feine Merifcbennatur das Zeiti und Raumge- 
fetz für fein Menfchenfelbft von Rechtswe- 
gen eingenommen (St. L 56. — 11. 38). 

* 43. 0* • - • • 
Welche Willkühr und Gewalt das Dafeyn 

des Menfcheir befehdet, die ift des Mordes 
(internecio, irotKksfyut) fehuildig. 

Denn , fie will den Menfchen vernichten, 

44. a. 

* Das Leben des Menfchen , mithin 
- a) fein Leib; ' ,b 

' b) feine Seele 
find fein Eigenthum. 

'■ " ! Q 4 Denn, 



«48 Dai JppothetfifoSMhMrecto* 

- Denn ; ef hat fie occupirt : er hat den le* 
bendigen Odem feines Geiftes in die Materie 
des Körpers gehaucht St L 57. ? 

- i t / - 44. b. 

Welche Willkühr un£ Gewalt an da$ Le* 
ftm.'des Menfchen Hfcnd anlegt, die ift des 
Todfckläp fchutdig (homicidiurn, (Atxitpovtxy. 

Denn, fie \vill den Menfchen entleiben: 
feinen Kdrpei* entfetten. * 

\ . , 45» * 

Die Hufsere Freiheit und Perßntichkeit - , 
des Menfchen find an fich felbfi betrachtet, 
fi/VA* fein" .Eigentkuttt. 

Denn, er hat fie nicht durch feine Natur- 
kraft für fein Selbft von der Natur, erworben, 
d. L occupirt; fpndern faß Menfchenfeibft hat 
fie von Selbft. Tin L Tb. II. St I. Abb. IL IIL 
u. a. a. O. : Sie find daber 

a) „ q\n reinef Eigenthüip — « Realität aus 
«/12er Vernunft, etwas I&tates (Ueberirdi- 
fches): - ; , / 

b) ein einiges Eigenthum nipbt dqixfc 
und jftium bedingt, etwas Untheitbar^ 

CEwiges):- ..... * j , r ;: v 1 

c) ein abfohttes Eigen th um — nicht von 
der Natur k un/i ihren Sßchen angenpmmen, 
fondern dem Menfchen durch die £frr fache, 
d. h. durch fich Selbft gegeben, etw^s, was 
er durch den Willm hat ^Himmlifches): ; , 

j ; , dj em 



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R. Jk$;hjtpotheti/ihe> Sachenrecht. .349 

- » 

- r :d) ein inrnfts Eigentum — nicht vön 
tfetn Zeitlichen (Aeufsen*) dera'Menfcben ^w- 
gefatlen, fondern in deta Selbfifeyn befte- 
hend — etwas 9 deffen Exßßenz Inhaerenz ift 
(Göttliches)* • • 

Das jwWrfi/cA^ Eigen thum hingegen ift 
..•'*) ejn .unreines Eigen th um: Naturnega* 
tion beftitnnjt durch Veto unftreaH tat: 
o.,' b) ein ; w«wg^, &* u mannigfaltiges Ei- 
genthum: Naturvieiheit beftitumt durch Ver- 
Aunfteihbeit: 

' v P> ein hypothetifches Eigenthum : Ver- 
imnftkraft (ürfache^in Concurrenz mit Na- 
turfubftan? : 

;[d) ein äußreres Eigentfcuni: Vernunft- 
UOthwendigkeit vereinigt mit Naturzu Fällig- 
keit — etwas, was m\\,diefer Welt, zeit- 
lich, irdifch.und menfchlich ift.. , v 

: ^Jene fitfd alfo ein Eigenthum, welches 
fei»,<.}ucidifthes) JLigenthuw iß> d. h. ein 

Stibfithw<:< ; : 

h\n Dafey&s M*4 Leben find mathematifche : 
wfswe.Fxeyheit <und Perfönlickkeit aber dyntu^ 
mifcbe Rechte. , 

; : Nqqh mufs iqhjHer ein fSf; allemal fol- 
gendes anmerken : An unä tür lieh felbß kann 
toan pur ds^fflige betrachten,, was Selbß, 
Oder rffi- 4n« (dem SeiWk gleich) ift; 

JiÄthift . rdtfreh pefiec&ifßnfa Selbftänfc^ammg 
Syntk*t\&h : w ^ej-de^ k^nn. : Die 

^ ^ Q s !\far- 



*$b lt. Da/ hypöthettfek Safhmrtcht; 

'Natur känn nicht 'an und für fich fetbfl be- 
trachtet werden, denn fie Ifl nicht an und 
für fich fetbfl (ift kein Ding an fich, Letten 
-Dingheit an ihm felbft haftete, von ihm felbft 
fich felbft (unmittelbar) gegeben wäre) ; foil- 
dern zeigt fich dem Seibft gegenüber (e re, 
gione) an andern Dingen in Zeit und Raum 
(erfcheini, ift alfo Erfcheinung, dem Auge 
andrer, ab fie — dem Beobachter Acht- 
bar ) und kahl) mithin nicht durch ' reflecti- 
rende (auf fich Seibft gerichtete und in fich 
Seibft zurückgezogene) Selbftanfchauung fyn- 
thetifch, foridern nur durch appreHendirenie 
(das, was fich zeigt, auffallende, aus dem 
Seibft herausgehende) Anfchßuung antithe- 
tifch (ariälytifch, im Gegetihtz gögeft das 
Seibft* als Gegenfand) wahrgenommen wen- 
den. Aber, wenn gleich dieNatur nicht an 
tind für fidi fetbfl betrachtet werden kann; fo 
kann fie doch an und für fich atUin betrac!^ 
tet werden. Denn der freye Geift kann in 
'Oedanken von fich Seibft abflrdkiKn und auf 
die Natur allein fpeculireto, wie in der fpe- 
culativen Philofophie, d. i. in der reinen 
Naturwiffeftfcliaft { Mathematik und Dynamik 
der Natur) gefchieht» Wenn der Menfch 
nicht blos in Gedanken {wie ,Pfiickt ift> weä 
er reine Naturwiffenfchaft haben /o/Z,- um Wäfch 
rend feines empirifchen Lebenswandels^ die 
Natur von dem Seibft aus PrintipitöVti ufr 

i; i> ter- 



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» . 

//. D*t hyfothetlfcke Sachenrecht. z$x 

terflcheiden), wefiri er, f fage ich, nicht blot 
in Gedanken, fondern auch in der That von 
fich Selbft abftrahirt und blos auf ^lie Natur 
fpeculirt: wenn die Speculation ihr eigner 
ünd für ihn letzter Zweck ift; fo ift fie mü* 
fsige Speculation , d. h. ohneSelbfttbätigkeit, 
für das praktifche Leben , d. h. das Reckt von 
keinem Gebrauch. 

Wenn man dem Gefagten, welches an 
einem anderen Ort weiter ausgeführt werden 
foii und für den Selbftdenker in der Vernunft- 
kritik fo gründlich ausgeführt ift, nachdenkt; 
fo wird der Sinn und die Beantwortung der 
Pr'äliminarfrage alles Philofophirens : Wie 
find fynthetifche Sätze a priori möglich, nicht 
fchwer zu finden feyn. v 

■ / 

I 

Nemlich: die Frage will nichts anders 
fagen , als diefes i Wie kann der menfchliche 
Geift die Sätze wiffen , deren' Gehalt dict 
Gleichheit (Synthefis) mit dem Setbft ift (weU 
fches a priori ift). Diefe Gleichheit mit dem 
Selbft ift dem Menfchen zur Pflicht gemacht : 
wie kann er aifo dasjenige wiffen, waa ihm 
über feine Pflicht und die in derfelben enthal- 
tenen unbedingten Forderungen* durch Un* 
abhffngigkeit von der Natur (Freyheit), An* 
tiSherung an feine Beftimmung (Unflerbtich* 
heif) 9 und wahren Glauben an das praktifche 
Ideal {Gottheit) feiner Selbft würdig, d. L 

dem 



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2$z II- Du hypothetifche Sachenrecht.. 

- 

dem Selbft gleich zu werden , .zu wiffen nöttu 
wendig ift? — 

Diefe Frage hat ihre Antwort in lieh 
feibft. Synthetifche Sätze, a priori find nur 
durch Syntheßs a priori möglich. Wenn 
du die Gleichheit mit dem Seibflr wiffen willfi:, 
wie du foüft; fo raufet du das Setbfi wiffen 
und diefes kannft, du nicht anders, als aus 
dem Selbft, d. i. dui;ch Selbflanfchaimng im 
Selbflbewufstfeyn. Ich bewundre die Philoso- 
phie, welche das Alte: yvw&i gxvtov enthält r 
ich bewundre die Popularität der Wahrheit 
in Chrifti Ausfpruch : Niemand kann zu Gott 
kommen, als durch den Sohn Gottes. Beide 
Sentenzen enthalten die wahre Antwort auf die 
grofse Frage, welche Kant uns verfteken und 
von Grund aus zu beantworten gelehrt hat. 

Für manchen ift in deffen diefe< Frage noch 
immer nichts weiter, als ein Spiel werk mü* 
fsiger , Speculation , und fie wähnen daher, 
dafs diejenigen, welche den praktifchen Sinn 
dieler Frage von dem grofsen Lehrer der 
Wahrheit gelernt haben , von feinem Geifte 
entfremdet und fie allein im Befitze der Wahr* 
heit feyen. Ja wohl find fie im eigentlichen 
Befüze derfelben (poffeflio corporalis) und 
meynen, als genügfame Schüler, des geifli- 
gen Befitzes (der hier allein der wahre ift und 
nur durch felbfttbStigeZernicbtung jenes kör- 
perüche# de* tödten Buchftabens erworben, 
- * wer- 

j 



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//. Dar hjrpothetifihe Sachenrecht. »53 

\ werden kann) als einer Quafi • pofiefiiö ent- 
behren zu können. Diefer Wahn beruhet 
vornehmlich auf einem volligen Mifsverfte* 
hen d eilen, was Kant über die Principien 
der reinen Natur wiflenfehaft gefügt hat, und, 
unerachtet der Erläuterungen des grofsen 
Mannes felbft und feiner originalen Commen* 
tatoren, Schultz, Beck u. a., noch von man- 
chem ganz falfch ausgelegt wird. 

Man ift in einem verderblichen und das 

! Mifsverftehen der ganzen Kritik documentK 
renden Irrthum, wenn man meynt, dafs Kant 
die Sätze der reinen Natur wiflenfehaft in eben 
dem Sinne fynthetifch und a priori nenne, in 
welchem er die Satze der Pbilofophie im 
fitengen Verftande fo nennt, Und man irrt 
eben fo fehr, wenn man dafür hält, dafs et 
die naturwifl'enfchaftüche Mathematik und 
Dynamik auf eine Synthefis a priori gründe« 
Das hätten fchon die Merkmaie, wodurch er 
die Philofophie von der Mathematik unter* 
fcheidet, lehren follen und können. Jene 
ift ihm Wiflenfehaft aus reinen, d, h. felbfl 
angefchauten : diefe aber aus conflruirten, 
d. h. in Zeit und Raum angefchauten Ideen : 
darauf hätte wenigftens der Primat der prakti- 
fthen Vernunft, von welchem fo nachdrück* 
lieh geredet wird, aufmerkfam machen follen. 
Der wahre Sinn der hieher gehörigen Sätze 
der Kritik ift folgender ; 

- 



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454 Dss fypothetifchc Sachenrecht* 

i • 

a) Die Philofophie, als reine Selbfiwii* 

fenfehaft, gründet lieh auf Synthefis a 
priori, d. h. Zufammenfetzung ( Gleichfe- 
tznng) der reinen Thefis, d* h. des Selbß 
mit fich Selbfi ; 

b) Die Mathematik und Dynamik, als 
reine Natur wiflenfehaft, gründet fich auf 
Antithefis (Anaiyfis) a priöri 9 d. h. Ent» 
gegen fetzung (Auseinanderfetzung) der Natur 
(der bedingten Thefis, des hypotbetifeben) 
mit dem Selbfi : 

c) Beide Wiflenfchaften (a. b) werden 
verbunden in der reinen Theorie, d. h. 
durch Relation des Selbfts und der Natur in 
der Vorfiellung* welche wiederum Modi» 
ficirung der Natur (als Objects) durch das 
Selbft, (als Subject) in dem Gedanken — 
oder — Specificirung der Natur durch den 
denkenden Geift, als Bedingung vorausfetzt. 

d) Populär: Von fich Selbfi könnte der 
Menfch nichts griffen, fich Selbft nicht ver- 
liehen, wenn er fich nicht mit fich Selbft 
vergleichen, d.-h. refiectiren konnte (a). Von 
der Natur könnte der Menfch nichts wiffen, 
fie könnte ihm nicht erfcheinen, wenn er fie 
nicht von fich Selbft unterscheiden (abfirahiren) 
könnte (b). Der Menfch könnte die Natur 
nicht betrachten , d. h. in Beziehung auf fich 
felbft fetzen, wenn er fie nicht Vor fich Selbft 
Hellen, d. h. vorfiellen* repraefentiren könnte* 

und 



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IL Dai hypothttifite SachenrichK 

k i 

und Hefe* Wäre wiederum unmöglich , wenn 
er nicht im Unterfcheiden (äbftNhiren) auf: 
fich Selbfi reflectiren,' d. h, recognofciren 
könnte : — Wem* nicht die Idee : Lch abftra* 
ljjre £das fynthetifche , das jJWi?/2bewufstfeynX 
alle feine Abftractiopen (das analytifche Be- 
^ufstfeyn) }>ggleitete — wenn er nicht rf*n» 
km könnte. 

e) Die Sätseder reinen SilbßwittenCchäfh 

(a) _ lind ihrer Form und ihrem Gehalt nach; 
fynthetifche Sätze ß priori ; denn iie werden 
begründet ("gefeteO durch Gleichfetzung des 
Selbft mit dem Selbft (a^ und enthalten im* 
Sijbject und Frffdiqat Gleichungen des Selbft 
mit fich Selbft, d. h. fynthetifche Aequa-' 
tionen. 

f) Die Sätze der reinen iVaf «rwiffenfcbaft 

(b) find ihrer Form nach analytifche Sätze 
a priori , denn fie werden begründet durch 
Entgegenfetzmg a priori (bj; aber ihrem* 
Qehalt nach find fie fynthetifch f denn fie ent- 
halten Gleichtmgen der Natur mit Natur (arialy- 
tifche Gleichungen,) und lomparativ * priori, 
denn in Vergleichung mit dem, was blos a ^o- 
fieriori gegeben wird (dem Stoffe) find fie, /• 
da fie die Bedingungen des Stoffs , die Form 
deffelben enthalten, Sätze a priori — ihrem 
Stoffe voraus gefetzt, Sie find nicht reini 
d..h. der Form und dem Gehält nach, fon- 
dern nur der Form nach a priori. - * , 

g) Die 



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1 

_a5<S H* Dar typothctifiht Sathenrcckt. 

g) Die Satze der iheöretifchen Wiffen- 
fcbaft (c) find relative Sätze a priori und zwar 
ihrer Form nach Modalfotze 9 denn fie wer-' 
den begründet durch die Modification der 
Natur, durch das Setbft a priori (cd) : ihrern^ 
QfAa/i nach Cauffal&tze , denn fie enthalten 
die Beziehung des Seibft und der Natur, d. i. 
die Wechselwirkung a priori. — Die Dedu- 
ction der Form und des Gehalts der foge- 
nannten empirifchen Philöfophie "aus dem Ge- 
fegten ift leicht ; aber ich behalte fie mir für 
eine andre Schrift vor, weil ich mich hier 
nicht langer unterbrechen kann und will. 

Sollte jemand der Veranlaflung zu dieffer 
Digrerfiön das beliebte : In verbis finfirus faciles, 
cntgegenzufetzen belieben j fo bitte ich iha* 
zu bedenken , dafs der Grift durch das Wort 
dem Menfchen ficlr offehbahren mufs und die- 
fis der Sohn des Geiftes ift. 

46. 

Obgleich äufsere Freyheit und Ferfon- 
lichkeit an und für fich felbft kein Eigenthutu 
find (45); fo find dies doch die äufseren Sü- 
then , welche der Menfch durch diefe Rechte 
bedingt hat. . x 

Denn, äufsere Sachen können occupirt 
werden und find es, wenn der Menfch 
fie x kraft feines Rechts rechtskräftig ge- 
macht hat. 

A *T 

47- 

> - \ 



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IT. Datvbypothetißhc Sachenrecht. 357 

r: ' 47* 

Die Schutz- und Trutz • mittet des Sufsera 
Freyheit des Menfchen , mitbin 

» das, was er hat, um feine Souverä- 
nität, 

b) das , was er hat , um feine Incolumu 
tat ( St. L 58 ) in der Natur zu bewahren, 
ift heilig. 

Denn, es ift Eigenthum (46. 41). 

48. 

Welche Willkühr und Gewalt 

a) die Souveränität des Menfchen an- 
greift, die ift des Aufruhrs (rebeilio): 

b) die Incolumität, teWerbrechens der 
beleidigten Majeflät (crimen iaefae majeftatis,) 
an dem Menfchen lchuldig. > / ? 

Denn , iie -greift im erften Fall die Sou* 
veranitat (unbedingte Oberherrschaft), im 
ändern die Heiligkeit des Menfchen an (47). 

' v «• 
49. 

' Die Geftalt, in welcher die Ferfönlich- 

kejt des Menfchen in der Natur erfcheint 

der äußere Menfch, d. lu feine Perfon (irtpcu« x 
nov) ift heilig. 

Denn, fie ift fein Eigenthum (46. 41), 

5°* 

Welche Naturgewalt ßch an der Perfon 
**s Menfchen vergreift, die ift des Hochver- 
raths fchuldig Cperduellio;. • • 

■ s ÜM>m.ntH<tSyfi.dtsuM.R. R Denn, 



358 11. Dts-hypothctifcke Sachcnrtctik 

r 

Denn, fie vergreift ficb an dem, was m 
' der Natur das Hochfle ift (49). 

* ■ * * 

Die Mittel, weiche' der Menfch zum 
Selbßbewufstfeyn — zur Cultur und Aufklä- 
rung^ — hat, mithin 

a) feine Gedanken, 

b) f^ine Rede, kurz , feine geißigen Acte 
find heilig. 

Denn, fie find fein Eigenthum (46. 41. — 
St I. 59. a). 

5 2 * , - : 

Welche Naturgewalt fich gegen die Ge~ 
danken und. die Rede des Menfch en vermifst* 
begeht ein Verbrechen gegen, den Geiß, d f 
h. einen Frevel (fcelus nefandum, infeftum 
* immane). 

Denn, fie will wenigftens zerfloren, wa? 
fie nicht ganz zernichten kann (51). 

53* » . \ 

Die Mittel, welche der Menfch zxvcSelbflr 
thätigkeit hat, mithin \. ( ;> 
a) feine Gewiffens* 
* b) feine Religions - äufserungen kurz, 
feine geißlichen (moralifchen und kirchlichen,) 
Acte find heilig. ♦ 

. Demi, fie find fein Eigenthum (46, 41* 
St. L 59. b). 



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//. Das hypothetifihc Sachenrecht. S59 

54. 

Welche Willkuh r und Gewalt fich gegen 
die moralifchen und kirchlichen Acte des JVlen- 
fchen vermifst, begeht ein Verbrechen wider 
den heiligen Geift, d. h. einen gottesläflerlü 
eheti Frevel (blasphemia.) , welcher auf Erden 
nie vergeben werden kann. 

Denn, fie frevelt / 

a) unmittelbar gegen das Ur- recht (St I. 
53) und darum gegen den heiligen Geift: 

b) gegen den Gott, an welchen der 
Menfch praktifch glauben — im Geiß und in 
der Wahrheit anbeten — /oll; darum begeht 
fie eine Gottesläßerung und ift Sünde (Frevel 
gegen Gott) , welche keine weltliche Macht 
zu vergeben im Stande ift. 

55* * 

In wie fern, der Menfch die rohe Materie 
-durch feine Kraft bewirkt (6. hat er Gut 
(bonuW) und ift begütert (bonus.). 

Denn, in fo fern verdient er die rohe 
Materie und hat alfo Etwas zu Gut. 

In wie fern der Menfch die rohe Materie 
durch feine Geifleskraft bewirkt (7. 15), hat 
er Mittel (divitiae.) und ift bemittelt (dives). 

Denn, in fo fern wendet er die rohe 
Materie nach feinen Zwecken und macht fie 
alfo zum Mittel. NeqUpquam mihi äives eft, 

K a quam* 



260 //. Das hj/pothetifche Sachenrecht. 

quamvis multa poffideat, qai neque finem 
1 habet cupiendi, neque modum itatuit utendu 
Rutil. Lupus. 

57- 

In wie fern der Menfch die rohe Materie, 
durch feine Körpevkvaft bewirkt (8» x6) 9 hat 
er Vermögen (opes) und ift vermögend (bpu* 
lentus). 

Denn , in fb fern kann er in der Welt et- 
was ausrichten und vermag alfo etwas. 

In wie fern der Menfch die rohe Materie 
durch fein Recht bewirkt C9. 17), hat er Fug 
und Recht (Bef ugnifi'e , facuitates , bona pro- 
pria, bona med) und ift befugt (beatus). 

Denn, in fo fern bat er etwas, worüber 
er von Rechtswegen verfügt, d. h. Befugnifs. 



Die Befugniffe des Eigenthlitners* 

59- 

Der Eigenthütner hat ein atieiniges Recht 
über fein Eigen th um» 

Denn , es ift von Rechtswegen fein Eigen, 
feiner Perfon dllein angehörig (19.). 

■60. 

Der Eigenthümer hat ein ausfchliefsendes 
Recht über fein Eigenthum (jus excludendi). 

Denn, 

1 



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II. Dar hypothetifche Sachenrecht. a6i 



- r Denn, er allein hat ein Recht darü- 
ber CS9)- 

61. 

Eigenthum ift alfo dasjenige, worüber der 
Menfch ein ausfchtiefsendes Recht hat (60). 
* Darin lagen hauptfächlich die Schwierig* 
keiten, welche jman in der Deduction des 
Eigenthums fand, dafs man diefen Satz, wel- 
cher das abgeleitete Moment der Quantität 
des Eigenthqms enthält, als Grundfaps des 
Eigerithums ( dogniatifch ) annahm. Aber 
wie kann dusfchlieftung / welche, durch die 
Form der Sinnlichkeit bedingt ift , urfprüng* 
tiches Merkmal des Eigenthums feyn ? — 

62. 

» . . > ■ 

WUlkühr und Gewalt können fich dem 

Recht der Ausfchliefsung entgegenfetzen. . 
Denn, es ift feinem Geholt nach durch das 

Natitrgefetz des Raums und der Zeit bedingt* 

Aber fle fallen es nicht. 
Denn, diefes Recht ift feiner Form nach 
ein Recht, alfo heilig* 

64. a. 

Welche Willkiihr und Gewalt fich in das 
Eigenthum des Menfchen eindrangt, ift des 
Verbrechens der ' Tyranney fchuldig und ftraf- 
wiirdig. 

R 3 Denn, 



26z IL Das hypothctifihe „Sachenrecht,. 

Denn, fie bricht ein Prohibitivgefetz (63), 
und übt Tyranney, weil fie lieh dasjenige uifr 
terwirft, in das einfetzt, welches dem Men- 
fchen ausfchliefsend zu Eigen gehört (61). 

64* b« 

Die tyrannische Willkühr kann fich zwa* 
mit Gewalt dem Rechte zuwider in die Sache 
eindrängen, aber doch nicht in das Eigen* 
thutn derfelben. 

Denn, nur jene ift in Raum und Zeit: 
die/es der Ä^AWcharakter von jenem. 

Der Eigenthümer bleibt alfo gegen die 
Tyranney Eigenthümer : und diefe hat 
ewig vor der Rechtsmacht des Eigentümers* 
fie aufs Haupt zu fchlagen und aus dem Ei- 
genthüm zu werfen — zii zittern (reftitutio 
in integrum). x * 

+ # • r * \ 1 

n. 

* 65. 

/ * 

Der Eigenthümer ift Herr (dominus) über 
fein Eigenthum. 

Denn , er hat fich deffelben von Rechts- 
wegen bemächtigt und ift feiner alfo auch von 
Rechtswegen mächtig (16). ( 

66. 

Der Eigenthümer ift befugt, fein Eigen- 
thum in Befitz zu haben (jus poffidendi). 

Denn, 



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.i; Denn, >*r> ift deffelben fkrr ,(65) von 
Rechtswegen, und hat alfo auch das Recht, 
xfeffelbe in feiner lVJacht zu haben und zu be- 
fcslten (poffeflio caufalis , detentio). 

67. 

Eigenthiihr ift. : älfo dasjenige, toorüber 
-der Menfch ein Befitzrecht hat /oder Eigen- 
thum ift juridifches Befitzthum. 
,r Expofition v des Eigenthums nach dem 
Moment der Qualität (65. 66). 

68 v ' ; - - 5 y 

Willkühr und Gewalt können fich dem 
Recht des Belitzes entgegen fetzen. 4 ♦ 
Beweis, wie 02. ? 

: v 69« - . - v v • i« 

^ Aber J ^ falten es nicht. * 
. ... Beweis, wie 63. * . • - . v : 

Welche Willkiihr und Gi r ^l« 1 fe^ de A 
Beßtzrecht des Eigentümers entgegen fetzt, 
an das Eigenthum Hand legt und es entwen- 
det, ift des Z?/>^/2faA/Wchuldig undftrafwürdig. 

Denn, fie bemächtiget fich einer Sache, 
die fchon einen Herrn hat. " 1 : 

Aber! die diebifche Wi|lkühr kann fich 
blos desBrßtzes, nicht de&~fcigerithumes be- 
mächtigen. 

R 4 Denn, 



a6'4 -D** hypothetißhe Sachenrecht. 



etwas handgreifli- 
ches und katrn abhanden kommen: Eigefa 
thnm ift , als ÄffAfctitei , etwas felbß&SnäU 
ges und. überirdifches und kann nicht ent- 
wendet werdep. 

Daher bleibt der Eigenthümer äei Ge- 
ftohlnen ewig Eigenthümer und die diebifetie 
Wiilkühr mufs fich vor der Befugniß des Et 
'genthüraers, Ire zu ergreifen und ihr das 
Geftohlne wieder abzunehmen, ewig verfte- 
. cken und bange feyn. 

Wenn' Wmrfrt- (abfichtlofer > Zufall Üie 
eigenthümlicbe Sache abhanden bringt; fo 
ift zwar die Sache, aber «/VA* das Eigenthum 
verloren C71). - Der Eigenthümer »ft alfb be- 
fugt, das verlorne wieder zu fachen und es 
zu lieh zu nehmen , wenn und wo er es fin« 
det (vindicatio). ■ ; . 



\ 

' ' ' -u, '• 1 



in. 



73«. . 

Der Eigenthiimer hat ein Recht, fein Ei- 
genthum auf feine Zwecke zu beziehen, d. 
h. es diefen zu fetzen oder für fie an« 

zuwenden« * 

r . . . • 

, , • . ■ ^ -. . • t ^ 

Denn, es jft von Rechtswegen fein Mit» 
*<i (15). ' 

74. 



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hfpotkctifihe Sachmrt 



t: 



74* 

, J)er Eijgenthiimer hat ein Recht, fem 
Eigenthum zwjbmutzen (jus utendij. 

Denn, ejr hat ein Recht, es feinen Zwe* 
cken gleich zu fetzen (73;. 

Eigenthum ift dasjenige, worüber der 
Menfch ein Benutzungsrecht hat, oder was er 
für [ich zu befitzen befogt ift (poffeflio civi- 
lis). — Expofition des Eigen thums nach 
dem Moment der Modalität 74), 

76. 

Wilikühr und Gewalt können fich dem 
Benutzungsrecht entgegen fetzen t aber 



f • : 



77- 



* * 



v - Sie yb/fcn nicht. 

Bete/eis, wie 63. 63. 

> 

78. 

WewM, Willkühr und Gewalt (ich diefem 
Rechte des Eigentümers dennoch entgegen* 
fetzen, wenn fie die eigentümliche Sache, 
•welche er feinen Zwecken gleich zu fetzen 
befugt ift, diefem entgegensetzen, ihm alfo 
Schaden zufügen ; fo find fie der Betrügereff 
fchuidig. 

Denn, fie vereiteln eine gerechte Erw 
Wartung (73 — 75;. 



R 5 



79< 



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% 66 IL Das hypothetifthc Sachenrecht. 

79* 

< - " Aber! die betrügerifche Wfllkühr kann 
fich btos des 'Nutzens, nicht des Eigenthumh 
bemächtigen, ' 

Denn, nur um jenen 9 welcher als etwas 
phyfifches der Lift ausgefetzt ift, kann 
der Eigenthümer getäufcht werden : feinen 
Xeehtstitel kann nichts vereiteln. 

Daher bleibt der Eigenthümer ewig Ei* 
genthümer des Nutzens, welchen Betrügerey 
aus feinem Eigenthum gezogen hat und diefe 
mufs Geh vor der Befugnifs des erfteren, die 
Spitzbübterey aufzudecken und Entschädigung 
zu fordern, ewig fchamea und kann nie ifc 
res hinterliftigen Erwerbs ficher und froh 
werden (reparatio dämni, . praeftatio ejus, 
quod intereft). 

- 

80. 

Wenn blmder Zufall das aus dem Eigen- 
thum erwartete Intetefle pofitive oder nega« 
tive täufcht; fo mufs der Eigenthümer diefefc 
Unglück tragen. Kann es ihm doch fein Eu 
genihiim nidht nehmen und er felbfl: alfo den 
erfahrnen Schaden gegen das Scbickfal wie- 
der gut machen (Cafus non praeftatur. Cafum 
fentit dominus^. • ; 



r 

J 

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//• Das hypothetifche Sachenrtckt. 267 

':- St. 

Der Eigenthümer hat ein Recht, über 
fein Eigenthum zu gebieten (zu befehlen). 

Denn, es ift Sein, d. h. im Gebiete fei- 
ner Kraft und das von Rechtswegen (14). ' 

82. 

Der Eigenthümer hat ein Verfngungs* 
recht über fein Eigenthum (jus difponendi). 

Denn , er hat darüber zu fagen,, zu ge- 
bieten (87)- 

* * ■* 8 3 * 

Eigenthutn ift alfo dasjenige, worüber 
der Menfch ein Verfügungsrecht — worüber 
fr zu befehlen hat. 

... Expofitioij des Eigenthums nach dem 
Moment der Relation. 

84- 

Willkühr und Gewalt können fich dem 
Verfügungsrechte entgegenfetzen ; aber 

SS- 
Sie folten nicht. \ 
Beweis, wie 6%. 63, 

8.6. 

Wenn fie es dennoch thuh , wenn fie fich 
anmaafsen über das Eigenthum zu difponi- 
ren fo find fie der Ufurpation fchuldig. 

Denn, 



a68 . & Das bypothetißhe Satksnrectö* v 

r 

I 

Denn, fie maafsen fich an, über etwas 
zu difponiren , worüber fie nichts zu befeh* 
len habe» fotlen* 

Aber, die Ufurpatioti kann fich 1fUs in die* 
Difpofition, nicht in das JEigenthum milchen. 

Denn, ein Äflr&itatitel läfst fich nicht a«* 
maafsen: fondern bleibt da f wo er von 
Rechtswegen ift. 

Daher, bleibt der Eigenthumer ewig Ei- 
gejithümer über das Ufurpirte uni die Ufur* 
pation hat wegen der Befugnifs des Eigen- 
thümers, feine Befehlshaberfchaft zu jeder 
Zeit wieder geltend zu machen und die Ent- 
fernung jener und Gemigthuung zu fordern, 
ewig zu gewärtigen , dafs fie entfetzt werde, 
Recbenfchaft ablegen und büfsen muffe (Sa- 
tisfactio). < 

Wenn blinder Zufall lieh dem Verfu- 
gungsrecht des ^igentbümers entgegen fetzt, 
fo kann er zwar mit diefem nicht darüber 
rechten, aber feiner Difpofition doch, fobald 
er ihn gewahr wird, von Rechtswegen ein 
Ende machen. 

89. 

Das Eigenthum kann feinem Qehatt nach 
natürlich verändert werden. 

Denn, 



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IL Das .hypothttißbt Sachenrecht! $69 

Denn, es ift, als eine materielle Sache, 
der Natur ausgefetzt* mithin durch ihre Ge. 
fetze beftimmbar. 

Das Eigenthum kann feinem Gehalt 
nach. 

a) verbeffert (durch Realität) und ver* 
fchlechtert (durch Negation beftiuimt), d. h. 
feiner intenßven Gröfse nach, 

/b) vermehrt und vermindert, d. h. feiner 
txtenftven Gröfse nach verändert werden : , 

, c) feiner Subßanz und feinen Accidenzm 
nach, d. h. durch Entflehen und Vergehen: 

d) feiner Modalität nach, d. h. durch 
Seyn und Nicht - Seyn beftimmt werden. 

Denn, es ift natürlicher Veränderung 
fähig C89> 

Der Eigenfhümer ift befugt, fein Eigen« 
thum natürlich zu verandern (Specificatto). 

Denn , er hat über daffelbe von Rechts- 
wegen zu verfügen (gl ff,> # 

1 > - \ 

Der Eigen thümer ift befugt, fein Eigen- 
thum 

zu verbeffern (jus meliorandi), 

b) zu verfchlecktern Qxu deteriorandi). 



270 IL Das hypothctifch* Sachenrecht, 



93* 

Er ift befugt, es 
a) zu vermehren (jus augendi, adjuneftöy 
commixtio, adferruminatio u. f. w.)f 
b> zu vermindern (jus minuendi). 

94- 
Er ift befugt, es 

a) feiner Subltanz nach vergehen zu ma- 
chen, d. h. es zu verzehren (jus confumendi.): 

b) Accidenzen an ihm entflehen zu ma- 
chen, d. h. es zu bebauen (jus colendi). 

95- 

Endüch ift der Eigenthümer befugt, fem 
Eigenthum » 

a) im Seyn zu erhalten, d. h. zu ver- 
wahren (jus confervandi), 

b) ins Nicht -feyn zu verfetzen , d. h. zu 
verbrauchen (jus abutendi). 

Beweis für 92 — 93. in 91. 

/ * 

96. . 

«... ... ^ • • 

Die Verbesserungen , welche, die 
TVaiwr an feinem Eigenthum hervorbringt (ao 
ceflio), die Vermehrungen (infula, alluvio), 
die Früchte (fruetus^, die natürliche Dauer, 
hafligkeit feines Eigenthums, ift der Eigen- 
thümer von dem ZufaU anzunehmen 7 befugt 
(occupatio aeeeiforia^. 

Denn, 



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Denn, fein* Ei gentium ift in feinem Ge* 
bjfiU (8^ ff*)* mitbin auch dasjGiiiekj, - t wel* 
ch.es jenem widerfährt. Accejforiwn fequitur 
fuum principßle. ,,, . . , . 

97- 

Den unglücklichen Zufall — mag er x zu 
verhüten' und zu vergüten fuchen ; aber, 
wenn er ihn trifft, mufs er ihn tragen. 

Denn, mit dem Zufall kann er nicht rech* 
ten! Verfchlechterung, Verminderung, Un- 
tergang und Verrichtung der eigerithumüchen 
Sache ift ein Stihaden des Unglücks und w<& 
f er nichts. ■ • * w t 

98. ■ V ■ 

' Aber! — Willkühr und Gewalt folleri 
"die eigenthümliche Sa^he nicht antäflen: ihr' 
weder etwas zafetzen noch entziehen. 

<-* 4 Denn, Eigenthum ift A^'/ig / 

Auch der Elgenthümer ift natürlicher Ver» ' 
#nrfi?rtt»gw unterworfen, , _ , . , , 

Denn, er ift Menfch ! 



■ 



ioö. 



Befchrä'nkung oder Abwefenheit feiner 
iTrö/i kann ihm die Difpoßtipn über fein Ei- 
genthum zum -Tb eil oder ganz unmöglich 
machen (81. 99), 

101. 



%1% IL Vas lypothctifchc Sachenrecht. 

■ 

Befchrffnkung oder Abwesenheit feiner 
Qeifleskraft känn ihm die Benutzung zum Theil 
oder ganz unmöglich machen (73. 99). 

102. 

Befchrankung oder Abwefenheit feiner 
KÖrperkritt kann ihm die JDetention zum Theil 
oder ganz unmöglich machen (65* 99). 

103. 

Befchrankung oder Abwefenheit feiner 
JtömfchenkTaft — Einfchränkung oder Auf. 
fcebung feines Wirkens und Seyns in Zeit 
und Raum — kann ihm die Aitsfchtiefsung 
zum Theil oder ganz unmöglich machen 

(59-99)* 

10 4- 

Aber auch umgekehrt kann Ausdehnung 
/ynd Erhöhung feiner Kräfte und ihres Wir- 
kens die Difpofition , Benutzung , Detention 
und Ausfchüefsung in Abficht auf fein Ei* 
genthum extenfiv und intenfiv grofser ma- 
chen (9P)* 

VL 

s 

105. 

Die Form des Eigenthums kann und foll 
nicht phyfifch verändert werden* 

Denn, fie ift eine Rechts fache. 

xq6. 



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//. Das hypothetifche Sachenrecht. 1173 

106. 

Der Eigenthumer aber ift befugt, feine 
eigen thumiiehe Sache auch der Form nach zm 
verändern. ' r 

Denn, fie ift von Rechtswegen fein 
eigen. 

107. ^ 

Der Eigentümer ift alfo befugt, fein 

Ausfchliefsungsreckt (59 ff.) { 

a) entweder zum Theil, 
. f b) oder ganz aufzugeben (106). 

Im erften Fall entfteht eine fervitus realis, 
denn die Sache ift nun nicht mehr dem Ei- 
genthümer altein dienftbar: im andern wird 
die Sache Preis gegeben (derelicta) , denn der 
Eigenthumer veräufsert fie, oder richtiger, 
entäufsert lieh derfelben, und macht fie wie- 
der titellos (5). 

108. ' 

Der Eigenthumer kann von Rechtswegen 
fein Detentionsrecht (65 ffj 

a) zum Tkcil, 

b) ganz aufgeben (106). 

Im erften Fall entfteht ein onus reale, im 
andern wird die Sache eine verlafsne Sache 
(relicta) und herrenlos (4). 

Sikaum.ngH9sSyfl.<lcsnat.R, $ ^109. 

» 

* 

1 



a74 ä Daf hypothttißhe Sachenrecht. 

f 

I09. 

Der Eigenthümer hat das Recht, fein 

Benutzungsrecht (73 ff.) 

a) zum Theit, 

. b) ganz aufzugeben (106). 

Im erften Fall entfteht ein getheittes Ei- 
genthum (dominium divifunO, im andern 
-wird die Sache eine vernachläffigte (neglecta) 
und zu einer blofsen Materie (3). 

116. 

Der Eigenthümer kann endlich mit Fug 
und Recht fein Difpoßtionsvecht (81 #0 

a) zum Tkeil, 

b) ganz aufgeben (106). 

Dann entfteht im erften Fall ein befchränk* 
tes Eigenthum (dominium limitatum)* und 
im andern lüfst der Eigenthümer die Sache 
liegen (res jacta) und fie wird wieder zu ei- 
ner blofsen Sache (2). 

Ende des zweyten Theils. 



Ver- 



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V e r f u c h 

eines 

neuen Syftems 

des 

natürlichen Rechts* 



Dritten Tbeils Erftes Stück. 

i 

Das , 

P e r f o n e n r e c h t. 



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I 



1 



t 

* 

I. 

Das abfolute Perfonenrecht, 

ein 

blofses Gedankending/ 

Er. 
s follen und muffen Menfchen (homines) 
feyn. 

Denn, alle Welt foll durch den Menfchen 
zu Recht gefetzt werden, und diefes kann 
flicht gefchehen , wenn der Menfch nicht in 
aller Welt gegenwärtig ift , die Allgegenwart 
des IVJenfchen in der Natur ift alfo ein Poftu- 
lat der Rechtsidee. 

i 

Diefe Ailgegenwart des Menfchen, eir 
«es natürlichen Selbft, in der-Natur mufs na- 
fürlich feyn. Da nun die letztere in einer 
unendlichen Menge von Theilen im Räume 
befttht, fo mufs der Menfch, wenn er in der 
Natur allgegenwärtig feyn foll, fich in der- 
selben ins unendliche fort vertheilen, alfo 
in einzelnen Menfchen auf der Welt erfcheu 
nen, d. h. es muffen Menfchen feyn. Die 

S 3 Ver- 



278 L Di; abfolute Ptrßmenrecht. 

Vertheilung ( Vercinzelun g ) des Men fch en 
durch das AU der Natur ift eine poflulirte 
Aufgabe der Rechtsidee, VgL Th. I. und 
IL a. m. 0. 

; Menfchen (i) find von Rechtswegen - 

a) felbflgefetztiche Wefen ( autothetifch 
oder fchtechtkin thetifch). 

Denn, fie find Menfch und der Menfch 
folt eig durch fich Selbft gefetztes Wefen feyn. 
Vgl. Th. I. und IL und Moral. 

Menfchen find 

b) Eins (fynthetifclO. 

Denn, fie find felbflgefetztiche Wefen (a) f 
mithin gefetzt, wie das Selbft, d. h. diefem 
gleich. Sie machen alfo von Rechtswegen 
eine Vielheit aus, die doch (der Rechtsidee 
nach) keine Vielheit ift, d. h. eine Einheit 
(Identitas). 

4- 

Menfchen find 

c) Selbflherren (autokrätifch). 

Denn, fie find felbflgefetztiche Wefen 

(a), haben alfo eine Macht, wie das Selbft, 

d. h. eine Selbftmacht und find ihrer Selbft 
mächtig. 

5- 



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/. Dir abfolute Perfoncnrecht. 379 

5- 

Menfchen find 

d) fich Setbfl zugehörig (autonomifch). 

Denn f . fie find felbfigefetzliche Wefen (a), 
haben alfo eine Behörde,, wie das Selbft, 
d. i. eine Selbfibehdrde und find von Rechts- 
wegen fich Selbfi zugefallen (fui juris). 

6. 

Menfchen find Perfonen. 
Denn, fie hören und gehören von Rechts- 
wegen fich Selbfi (5). 

Menfchen find frey. 
Denn, fie find ihrer felbfi mächtig (4). 

8. 

Menfchen find gleich. , 
Denn , fie find Eins (3), 

9- 

Menfchen find berechtigt und haben das 
Naturrecht des Menfchen. 

Denn t fie find felbflgefetzliche Wefen (2). 

10. 

Alfo: Meli fchen haben 
a) das Urrecht: 
, b) die urfprünglttken 
a) des Dafeyns 

a) im Raum, 

b) in der Zeil 

S 4 ß) des 



a 8 o f. Dat abfolute Perfonenrecht . 

i 

/3) des Lebens 
/ ö) mit und 

b) iSV*/*: 
7) der auf sern 
<0 pofitiven und 

b) negativen Freyheit : 
5) der Perfönlichkeit, 

c) des Selbfibewufstfeyns 
da) der Cw//wr 

6b) der Außlämng 
caa) der ZfewÄ- 
bbb) der Ätföfe- freyheit 
f>) der Selbftthätigkeit 

a<0 Gewiffens- 

bb> Religions- freyheit 

t) das Sachenrecht 
u) das Zueignungs» 

ß) das Eigentimms -reckt. S. Th. IL 
St. I. und II. 

11. 

Aber Per fönen find heiligt 
Denn, fie gehören /k& an ((5. 5). 

12. 

Keiner hat ein Recht über Per fönen. 
Denn, fie find Ä^i/ig (11). 

13- 

Kein Menfch hat ein Recht über das Ei- 
genthum und die Zueignung einer Perfon (12). 

, Jeder 



\gnu 



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/. Bat abfolute Pcrfonenrecht. 381 

Jeder foll dem Andernt laflen, was des Andern 
ift und niemand feinen Erwerb ftören. 

14. 

l£ein Menfch ift befugt, fich eine Perfon 
zuzueignen und fie zu feinem Eigenthum zu 
machen (12)* Perfonen find unerwerblich* 

15- 

Kein Menfch kann feiip Recht auf eine 
Perfon mit Wahrheit deduciren (12). Die 
Perfon ift nicht titellos, fondern hat den Ti- 
tel der Sel£ftheit und ift durch fich Selbft ti« 
tulirt Perfonen find unbefugbar. 

* 16. 

Kein Menfch kann fich einer Perfon mit 
Recht bemächtigen (12) Perfonen find un^ 
hefitzbar. ; 

Kein Menfch kann eine Perfon als ein 

* 

-blofses Mittel beabsichtigen (12). Perfonen 
find unbezweckbar. 

18. 

Kein Menfch kann von Rechtswegen ein© 
Perfon als blofse Sache bewirken (12X Pe* 
Ionen find unbedingbar. 

19. 

Kein Menfch foll und darf fich ein aus* 
fthtießendes Recht über eine Perfon anmaa« 

S 5 fsen. 



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igx 1. Dax äbfolute Perßnenrtcht. 

fsen. Perfonen find fich Selbft ausfchliefsend 
zugethan und von fich Selbft mveräufsertick. 
Beweis 15. 6. 5. 

20. 

Kein Menfch foli und darf fich elti Beßtz. 
recht über eine Perfon anmaafsen und fich 
zum Herrn derfelben aufwerfen. Perfonen 
find ihre eignen Herren und keiner fremden 
Herrfchaft untertfiän. 
Beweis 16. 7. 4. 

21. 

I^ein Menfch foll und darf fich ein Bern* 
tzungsrecht über eine Perfon anmaafsen und 
ifie als blofse Mittel gebrauchen. Perfonen 
find Selbßzwecke und über alle Menfchenwill- 
kühr erhaben. 

Beweis 17. 8- 3» 

r * 

22. 

Kein Menfch foll und darf fich ein Difpo* 
ßtionsrecht über eine Perfon anmaafsen und 
fie wie fein Gebiet bearbeiten. Perfonen find 
Setbflgebieter und haben allein über ficb zu 
fagen. 

Beweis x%. 9. 2. 

Es giebt kein abfolutes Perfonenrecht. 
Denn, es foll und darf nicht feyn 
-32). 

Das 



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I. Du abfohlte Pirfonen&cht. «83 

■ 

Das fogenannte abfölut« Perftmenrecbt ift 
eine Frucht der beliebten analytifch- dogma*. 
tifchen Manier. :\ Der Schuiwitz, weichet 
überall Analogieen ausdenkt, findet es fehr 
hübfch, ein abfolutes Perfonen recht, wie 
ein abfolutes Sachenrecht zu haben, weil fein 
Syftem dadurch einen Schein von Vollfti'ndig- 
keit erhält,^ welche nichts ausgelaufen hat. 
Darum finnt er einem folcben Perfonenrechte 
nach und meynt, zum mindeften ein negati* 
ves ausfündig gemacht zu haben. Allein zum 
Unglück mufs das negative Recht doch auch 
ein Recht feyn, und fällt alfo wegen des fyn* 
thetifchen Satzes: Es giebt gar kein abfolu- 
tes Perfonenrecht in lieh allein zufammen. 
Wie ltffst ficli auch ein negatives abfolutes 
Perfonenrecht ohne ein affirmatives geden- 
ken? Jenes kann doch nichts anders feyn, 
als das Recht über eine Perfon, ihr etwas 
zu verwehren, ein Negationsrecht über die- 
feibe : und ift alfo durch ein Realitätsrecht 
bedingt. Denn, wenn ich befugt bin, je- 
manden zu beftimmen, dafs er etwas nicht 
fetze, fo mufs ich doch auch befugt feyn, 
ihn zu beßimmen, in Abficht feiner etwas zu 
fetzen. Ich weifs wohl, dafs der iWenfch ein 
negatives Recht über die Natur. (Willkühr, 
Gewalt u. f. w.) hat; aber das ift eben der 
Fehler, welchen ich in der erften Ausgabe 
meines Naturrecl^ts begangen habe, dafs ich 

nach 



a84 ähfohte Perfonenrecht, 



nach der vorbin belobten Manier, die Satze 
nicht rein auffafste, Natur uhd Perfon nicht 
foharf unterfchied und daher ein negatives 
Perfonenrecht behauptete , wo der Kriticismus 
mich hätte belehren folien, von einem nega. 
tiven Natunecht zu reden. 

24. 

Es giebt kein abfolutes Recht 

A) über die Selbflheit einer Pferfon : 

i 

*) über ihr Setbßfeyn, 
ß) über ihr Selb&handeht, 
•y) über ihr Selb&gefetz, 
3) über ihre Selb&beflimmung* 

b. 

*) über ihr Selbßbewufstfeyn, 

ß) über ihre Selbüverpßichtung, 

y) über ihr Selb&gerickt, 

5) über ihre Selbfkflitnme (Urtheil, Satz), 

B) über die Natur einer Perfon : 

a. 

*) über ihr natürliches Seyn (Dafeyn), 
0) über ihr natürliches Thun (Leben), 
7) über ihr natürliches Qefetz (Zweck), 
$) über ihre natürliche ßeßimmung (Stre- 
ben). 




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/. Das abfohtc Perfintnrtcht. *85 

b. \ * 

. «) über ihr natürliches JBewufstfejfn (Er- 
fahrung), ; 
ß) über ihren natürlichen Verfiand (theo* 

retifche Vernunft), 
7) über ihr natürliches Gericht (Klugheit), 
S) über ihr natürliches Urtheif (Meynung). 

C) über das, was Selbftheit und Natur in ei« 
ner Perfon vereinigt, über die Menfck- 
heit derselben — Humanität — 

a. 

m) über ihr menfchliches Seyn (das moralU 
/che), 

ß) über ihr menfchliches Thun (das mora» 

lifche Leben), 
y) über ihr menfchliches Gefetz (den mora« 

lifchen Zweck), 
i) über ihre menfchliche Beßimnmng (das 

moralifche Streben), 

ä) über ihr menfchliches Bewufstfeyn (mo- 
ralifche Erfahrung), 

ß) über ihren menfchlichen Verfiand (mo- 
ralifche VernunfO, < 

7) über ihr menfchliches Gericht (morali- 
fche Klugheit), 

S) über ihr menfchliches Urtheil (Maximen). 



4 



ä&6 /. Das tbfolute Perfonenrecht. 

D) über die Macht der Humanität über die 

Natur, d/i. über die Jurisdiction einer 

Perfon : 

» 

** • 

m) über ihr juridifches Seyn, 

* /9) über ihr juridifches Tliun, 

" 7) über ihr juridifches Qefete, 

: f S) über ihre juridifche Befiimtnung. 

b. 

- 

*) über ihr juridifches Bewufstfeyn 9 
ß) über ihren juridifchen Verfland, 
y) über ihr juridifches Gericht, 
$) über ihr juridifches UrtheiL 

E) über das det Humanist in die 

Natur , d. i. über die Technik einer Per- 
fon und die hiedurch bedingte CWtor 
(teleologifche Bearbeitung, Annähe- 
rung der Natur zu dem Selbft) der Na- 
tur durch die Perfön : 

-- 

* ^ a» 

#0 über ihr technifches Seyn, 

ß) über ihr technifches Thun, 

y) über ihr technifches Qefetz, 

5) über ihre technifche Befiitnmung und das 
hiedurch bedingte teleologifche /Kr- 
öten, Leiden, und die teleologifche Or- 
ganifation der Natur durch Perfonen. 



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/. Das abfüuti Ptrfoncnrecht. N $87 

D. ' , 

ä) über ihr technifches Bewufstfeyn, 

ß) über ihren technifcheu Ferßand, x 

7,) über ihr technifches Gericht, 

S) über ilir technifches ürtheit und die hie* 

durch bedingte Befeetung der Natur 

durch Perfonen. 

Aus dem Vorgetragenen erhellet, dafs es 
mit allen dogmatifch angenommenen abfüll- 
ten Perfonen rechten iV^/ite ift, und dafs es 
z. B. kein abfoiutes Recht auf Wahrhaftig, 
keit, Ehfe, guten Namen, Erhaltung des 
leiblichen Lebens andrer Perfonen durch Ver- 
wehrung des Selbftmordes u. f. w. giebt. 
Alle diefe und ähnliche Rechte würden ein 
Recht des Menfchen über den Menfchen, als 
Bedingung vorausfetzen f das Subject des Na- 
turrechts zum Object deflelben machen das 
Reclit mit fich felbft entz weyen und fleh alfo 
felbft widerfprechen (23)* 



1 



n. 



j 



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a88 



^» TT TTTT TTT TT 




IL 



Das hypothetifche PerfonenrechL 



IVlenfchen find, dem reinen Begriffe nach 
betrachtet, , 

a) natürliche Selbflwefen : 

b) eine natürliche Einheit, d. h. mehm 
rere einzelne Menfchen, welche aber doch 
in der Idee Ein Ganzes ausmachen, alfo eine 
Totalität, eine Universal - einheit find : 

c) natürlich frey, d. h. in ihnen herrfcbt 
«icÄi der allgemeine Wille allein, fondern auch 
Willkühr, Privatwille findet ftatt in ihnen : 

d) theils fich feibß, theils der Natur zu- 
gethan; fie haben fowohl Selbßteyn und 
Ä/Ä/Ibewufstfeyn , als heteroviomijches Seyu 
und Bewufstfeyn. , 

Denn, Menfchen find nach dem reinen 
Begriffe Synthefen des Selbft und der Natur« 



Menfchen find dem transfcendentalen Ge- 
fichtspuncte nach : 



A. 
*5- 




26. 



phyßfche Perfonen. 



, Denn, 



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IL Das hypotlietifche Perßmcnrecht. »89 

Denn, fie lind theils fich felbft, theils 
der Natur zugethan (25. d): aifo phyfifch 
frey, phyfifch gleich und ihre Rechte natür- 
liche Rechte, welche ihrem Qehalt nach na- 
türlich bedingt find, ihren Gehalt in der Na- 
tur haben, \ 

27. 

Metaphyßfche Befchreibung der Menfchen. 

Wenn man das Verhäitnifs der Menfchen 
(der Subjecte des Rechts) nach dem reinen 
Menfchenbegriff zu ihrem gemeinfchaftlichen 
Object (der Welt, Natur) in Erwägung zieht; 
fo find die Menfchen 

a) ritt einander in die Welt gefetzt: haben 
einer, wie der andre, eine intenfive Gröfse, 
erfüllen die Zeit und den Raum : 

b) neben einander in die Weit gefetzt: 
haben einer, wie der andre, eine extenfivt 
Gröfse , nehmen die Zeit und Raumtheile ein 
und befchränken einander: 

c) um einander in die Welt gefetzt: die 
Subftanz des Einen bewirkt die des Andern, 
fie find mit einander in Wechfelwirkung: 

d) bey einander in der Welt: die Exil* 
ftenz des Einen fällt der Exfiftenz des Andern 
zu : fie find mit einander in Co-exfiflenz. 

Denn, Menfchen find nach dem metaphy- 
fifchen Begriffe Subjecte, deren gemeinfchafU 
liches Object die Welt oder Natur ifh 
Schauin. neues Syß.itsnat.R. T a8» 



zgo IL Das hj/pothetifche Perfimerirecht. 

28. 

Menfchen find dem metaphyfifchen Ge- 
ficht^pancte nach : * 

eine phyfifche Gemeinde. 

Denn fie find in der Welt bey, um, ne- 
ben und mit einander; alfo in phyfifcher Ge- 
meinfchaft, unter phyfifchen Gefetzen und 
ihre Rechte haben pbyfifcbe Realität und,find 
weltliche Rechte , welche ihrem Objecte nach 
durch die Welt bedingt find, ihr Gebiet in 
der Welt haben. 

« 

■ 

Phyfifche Befchreibutig der Menfchen. 

» 

Menfchen find von Natur 

a) fremdgefetzliche oder bedingte Wefen 
(hete.rothetifch) : 

b) mannigfaltig, einer dem Andern un- 
gleich oder zuwider (antinomifch oder illegal): 

c) von fremder Macht beherrscht (hete* 
rokratifch) : 

d> fremden Qe fetzen zugethan (heterono- 
mifch). 

Denn, fie find von Natur, Natur , d. i. 
Wefen, wie diefe* 

Menfchen find aus dem phyfifchen Gefichts* 
puncte betrachtet: 
Gegenfiände des Rechts (RechtsobjecteO 

Denn, 



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I 

IL Dar hj/pothetifche Pirfoncnrecht. apx 

Denn , tie find von Natur fremden Gefe- 
tzen zugethan und können fich mithin durch 
Wilikiihr und Gewalt dem Recht entgegen- 
fetzen. 



B. 

31. 

Menfchen können fich der Heiligkeit 
(dem juridifchen Stande) der Perfonen will* 
kührtick entgegen fetzen. , 

Denn, fie find, phyfifch betrachtet, Rechts- 
objecte (36). v 

3 a. 

Menfchen können fich 

a) dem Ur* rechte, 

b) den urfprünglichen (Th. II. Ablt. HF. 
vglTh. III. iö), 

c} den äbfoluttn Rechtep der Perfonen, 
*ä) dem dinglichen — der Zueignung 
(io) $ ' 
' b\r) den persönlichen) 

u) der Selbflbeh'ötde (5. 6. 15), 
/3) der Selbflherrfchaft (4. 7. 16), • 
- r y) der Selbfieinheit (3. g. 17), « 

5) der Selbftgefetzlichktit (2. 9. 1.8V 
d) dem hypothetischen Sachenrecht dersel- 
ben , d. i. dem Eigenthum (Th* IL St. 
IL Th. IlL 13) willkührlich entgegen- 
fetzen (31). 



292 //. Das hjipothetifchc Perfmenredii. 



33- • 
Aber! das foll nicht feyri. 

•* 

Denn, es ilt unbedingt verboten (iz ff.}. 

34- 

Welcher Menfch diefes unbedingte Ver- 
bot willkükrtich bricht, der ift ein Crirninaf- 

9 

Verbrecher oder Miffctliüter , , in vorjatzlicher 
Schuld , ver fehint und der Haitptflrafe würdig. 
S. die Vorrede zum Perfonen-und Sachen- 
recht Tb. II. St. II. 

Ich bin fchuldig, hier ein Supplement zu 
jener Vorrede beyzubringen. 

Zu dem Satze nemlich : Unbedingte Ver- 
brechen follen verdammt werden, gehören 
noch -folgende zwey. 

a) Civil, verbrechen follen >zur Haft ver- 
dammt werden, d. h. die Willkühr, welphe 
ein fölches ^erbrechen begieng,i foll dahin 
verurtheilt werden , dafs fie aus dem Rechts- 
kreife verbannt, d. i. verhaftet fey , J)is üe 
den Rech tsfebler wieder gut und fich alfo 
zurecht gemacht hat. 

b) Crhninal -verbrechen follen zum Tode 
verdammt werden , d. h. die Willkühr, wel- 
che ein folches Verbrechen begieng, ifoll 
dahin verurtheilt wenden, dafs fie aus dem 
Rephtszuftand aiif ewig verbannt, <d. h. ver- 
ächtet oder verfehmt fey. , 

: jyiuis 



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//. Das hypothetifchc Verfonenvccht. .293 

Mufis ich es hier noch ausdrücklich erin- 
nern, dafs ich nicht von Ver -f ehtnung und 
Todtung des Menfchen, fondern der WilU 
kiihr des Verbrechers rede? — Nicht der 
Menfch, fondern die Willkühr des Menfchen 
iftj ein Gegenftand des ä'ufsern Gerichts: 
über diefe follt ihr, wenn fie Mijfethaten aus- 
übt, das Todesurtheil ausfprechen , aber nicht 
über jenen. Doch — es ift dem fpeculatT- 
ven fowohl als dem ausübenden Witze leich- 
ter, das Ganze als den Theil zu treffen, denn 
zu dem letztern wird die müh fame> Andren^ 
gung des Scharffinns erfordert. Aber ift 
das, ^as leichter ift, darum auch nicht un- 
gerecht? — : — 

35» 

Wer das Urrecht einer Perfon willkühr* 

■ 

lieh befehdet, ift ein verruchter Mifl*ethä'ter$ 
fchandet das Heiligthum der Menfchheit 
felbft (kofiis facrorum teligionumque. Cic. 
in Verr. I, 9. 3O und verwirkt dacurch 
feine eigne Heiligkeit. Er ift von Rechts- 
wegen v o gel f reif ("exlex, hors de la loi): 
die Perfon hat gegen ihn das Recht der hoch- 
ßen Nothwehr. 

1 

x Denn , er vergreift fich an dem Heiligen : 
für ihn ift alfo offenbar das Heilige Nichts. 
Er verwirft fich in die Sphäre der unheiligen 1 
Raubthiere. Sacer eßo. 

T 3 36. 



^94 H* & as hypothetifche Perfonenrecht. 

r 

36. 

Wer die urfprünglichen Rechte einer Per- 
fon willkührlich verletzt, vergreift lieh an 
dem, was in dem Heiligthum des Menfchen 
ift (Th. IL St. L Abh HL) , ift alfo zwar 
nicht ein Rauher des Heiligthums felbft, aber 
doch ein Berauber defleiben (facrilegus.) und 
gleich jenem vogelfrey (35). 

37- 

Wer Geh dem Zueignungsrechte einer Per- 
fon willkührlich ~entgegenfetzt und fie in ih- 
rem Erwerb ftört, macht derfeiben etwas ab- 
wendig oder abfpenßig (intereeptor), und die 
Perlon ift befugt, aufser der Strafe, die er 
verdient, Erfatz von ihm zu fordern. 

Denn , er bringt die Perfon um etwas, 
was fie von Rechtswegen zu lieh nehmen 1 
kann und ift daher fchuidig, die Stelle deffen, 
warum er fie gebracht hat, durch ein Aequi» " 

valent zu erfetzen (13). 

» 

38. 

Wer fich über eine Perfon ein Eigen- 
thumsrecht anmaafst und fie alfo Leibeigen 
macht (zu Boden oder nieder drückt), ift ein 
Tyrann (Menschenfeind); denn er maafst fich 
ein Eigenthum über etwas an, welches für 
ihn ewig fremdes Eigenthum ift. Die Per- 
fon ift befugt, fich von der Gewalt des Ty- 
rannen zu erlofen (ihn zu verbannen) und 

ihn 



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Das hypothetifche Ptrfonenrtcht. ap$ 

* 

ihn um' feiner Tyranney willen zu ftrafen 
Cr4. 15. 19) 

39- 

Wer eine Perfon, als wäre fie eine her- 
renlofe Sache, willkührlich beherrfcht und 
fie zum Sclaven macht (imtcrdrückt) f ift ein 
Defpot (MenCchenfchänder) , denn er wirft 
die Perfon, welche ihr eigner H err ift, un- 
ter fremde Macht. Diefe ift befugt, den un- 
terdrückenden Defpoten feiner Herrfchaft zu 
entfetzen und ihn um feines Defpotismus wil- 
len zu ftrafen (16. 20). 

Wer eine Perfon für feine eignen Zwe- 
cke willkührlich benutzt und fie zu einem 
blöfsen Mittel macht Cfie prefst, abdrückt) 
ift ein Ufurpator (Menfchenfchinder), dennj 
er benutzt etwas, deffen Benutzung Miffe- 
that ift. Die gemi fsbrauchte Perfon ift be- 
fugt, den Ufurpator zuriickzudriicken und 
ihn zu fefleln, damit er Recbenfchaft ablege, 
Genugthuung leifte und die Strafe feines 
Menfchenmifsbrauchs empfange (17. 21). 

■ 

Wer eine Perfon feinerDifpofition will- 
kührlich unterwirft und fie zu einer blofsen 
Sache macht (fie erdrückt,) ift ein Barbar 
(Unmenfch), denn ihm ift der Menfch in der 
That eine fremde Sache. Die barbarifcb be-< 

T 4 hau- 



1 



296 iL Das hypotheiifchi Pcrfottenrecht. 

bandelte Perfon ift befugt, die Menfchheit 
an dem Barbaren zu rächen und ihn um feiner 
Barbarey willen peinlich zu ftrafen (18. 22). 

42. 

Wer das Eigenthum einer Perfon will, 
kührlich verletzt und ihr alfo etwas entwen- 
det, ift Wiedererjtattung fchuldig und ftraf- 
würdig. 

Denn, etwas zu entwenden ift unbedingt 
verboten und £igenthum foli heilig feyn 
(13). Wenn es aber dennoch verletzt wird, 
fo mufs das entwendete juridifch wiederge- 
geben oder wiedererftattet werden, damit 
das Eigenthum unverfehrt fey und der Ver- 
brecher mufs Strafe leiden , damit das Eigen- 
thum Sicherheit habe* Man vergleiche über 
alle diefe Verbrechen die oben angeführte 
Vorrede. 

43- 

Ein Menfch kann aus Unwiffenheit und 
Irrthum dem Sachenrecht einer Perfon zuwi- 
der feyn. , 

Denn , der Kreis des Sachenrechts, wird 
von der Natur befchrieben , und in Rücklicht 
diefer (des Empirifchen) ift der Menfch gei- 
ftigen Negationen (Unwiffenheit) und Hetero- 
thefen (Irrthümern) ausgefetzt, fo dafs er 
die Sache, welche einer andern Perfon zuge- 
hört, entweder, weil er nicht weifs, dafs 

fie 



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IfcüJ^^^A'#^ Etrfoncnrtcht. 297 

jQe von diefer fchon pra^occupirt ift, occupi- 
ren, oder weil er in dem Wahn ift, dafis fie' 
fein eigen 1 fey, befitzen iann (occupatio po- 
fterior et putativa). , ^ 



Aber diefem Nachtheil, welcher dem Sa« 
chenrechte aus Unwißenheit und Irrthum wi- 
^erfährt , foll upd mufs entgegengearbeitet 
werden. , . 

Denn , der Naturzuftand foll und rtmfs 
dem Rechtszuftande durchaus weichen Th. I. 
und IL 

45. 

Unwiffenheit kann nur durch Wiffenfchaft 9 
Trrthum durch Wahrheit zernichtet werden. 

Denn, die erftere ("die Wiflenfchaft) kann 
durch reelle Erkenntnifs den Mangel derfei- 
ben, die andere (Wahrheit) durch allgemein- 
gültige Erkenntnis die ungültige einzig und 
allein aufheben. 

: 46. 

Wenn alfo eine Perfon aus Unwiffenheit 
eine Sache occupirt, welche in der That 
fchon von einer andern zuvor occupirt ift; 
fo mute diefe von ihrer erften Occupatioa 
jener JViffenfchaft geben , d. h. beweifen (pro* 
batio~ facti. Affinnanti factum incumbit pro- 
batio. 4S). 

T 5 47. 



«9$ II. Das hypotketifihe Perfoncnrtcht. 



* « 



47 # < -u, 

Wenn eine Perfon aus Unwiflenheit eine 
Sache occupirt hat, welche fchon praeoqcu- 
pirt ift; fo foll und mufs lie diefelbe an deri 
Eigenthümer herausgeben , fobgld die Praeoc- 
cupation bewiefen ift. - h ' 

4 

Denn , die Sache gehört von Rechtswe- 
gen dem Eigenthümer. Res nullius cedit 
primo occupantif (S, das l^pothetifche Sa- 
chenrecht). Der Eigenthümer hat ein Recht 
zur Sache (ad rem); denn er hat fein Recht 
auf die Sache durch Occupation gegründet 
Cjus in re). 

48. 

Wer diefem Praeceptivgefetze (47) un- 
bedingten Gehorfam leiftet, ift ein ehrlicher 
Befitzer (poffeflbr bonae fidei) und feine 
Unwiflenheit ift fchutdloS (ignorantia invhu 
eibitis). 

Denn, aus feinem Gehorfam gegen das 
Gebot ift offenbar, dafs er an das Recht glaubt 
Cdiefem huldiget), mithin einen guten Glau- 
ben hat. Er ift daher auch von Rechtswe- 
gen in gutem Credit (in bona fide) und feine 
Unwiflenheit kann von dem ä'ufsern Gericht 
, nicht als eine willkiihrliche (vincibilis) ver- 
urtheilt werden. Quilibet praefumitur bo- 
nus, donec probatur contrarium. . 

49. 



1 

1 



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IL Das hypothctifche Perfonenrcchu 299 

fr * 

Der Eigentümer empfängt mit der Sache 
auch alle feine Befugniffe §ber diefelbe (S.* 
hypoth. Sachenrecht.) wieder: hat aber fonft 
an den. ehrlichen Beßtzer (48) und diefer an 
ihn gar keine Rechtsanfprücbe. 

Denn, jene Befugnjffe gebühren ihm, 
als Eigenthümer, von Rechtswegen; aber 
von dem ehrlichen Erwejrb des Befitzers ge« 
bührt ihm nichts und von Strafe fpricht den 
letztern feine Unfchuld frey. Allein — auch 
diefer hat für die Herausgabe an den Eigen* 
thümer nichts von Rechtswegen zu fordern; 
denn das Recht wird nicht bezahlt. Alfo: 
jeder läfist dem andern fein Recht und den 
Zufall tragen beide verhältnifsmäfsig. 

Wer, dem Praeceptivgefetze (47) unge- 
horfam, dem Eigenthümer feine praeoccu- 
pirte Sache vorenthält, ift ein unehrlicher Be- 
fitzer Cpoffeflbr malae fidei) und feine Un- 
wiflenheit ift Schuld (vincibilis). 

Denn, aus feinem Ungehorfam gegen 
das Gebot ift offenbar, dafs er das Recht nicht 
ehrt, mithin einen bofen Glauben hat. Er 
ift daher auch von Rechtswegen in bofem 
Credit (in mala fide) und feine Unwiflenheit, 
welche dem gewiflen Rechte trotzt, mufs 
von dem äufseren Gerichte, als eine nicht 



500 11. Las hypoihctißhc Pcrfitocnrecht. 

unwillkührliche 9 d. h, als eine Unwifienheit, 
«lie keine Unwiflenheit, fon dem Schuld ift, 
yerurtheilt werden. , : , 

5 T - 

DerEigenthümer nimmt dem unehrlichen 
Befitzer (50) 

j a.) die eigentümliche Sache mit allen 
Befugnifien wider Willen ab, 

b) belegt er den unehrlichen Öefitzer mit 
einer Civil (traf e , aber 

c) weitere Rechtsanfprüche hat keiner an 
den andern. 

Denn, der Eigenthiimer hat ein jus ad 
rem, der unehrliche Befitzer ift ein Civiluer» 
brecher (Th. IL St. II. Vorrede) : was durch 
diefe beiden Puncte beftimmt wird , gilt von 
Rechtswegen und weiter nichts C4£)- D er 
Eigenthiimer empfängt fein Recht: der un- 
ehrliche Befitzer feine Strafe und bezahlt 
feine Schuld. Von Zufall ift hier gar keine 
Rede, denn hier ift Schuld und diefe kann 
Von Rechtswegen mit Nichts entschuldiget 
werden. 

Wenn eine Perfon aus Irrthum eine Sache 
hat, welche in Wahrheit das Eigenthum ei- 
ner andern ift; fo mufs diefe jener die Wahr- 
heit offenbaren und ihr Eigenthumsrecht 
dadurch bewähren, d. h. deditciren, beurkunden 

(De- 



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IL BmtypMctifehe PerföncnrechU 30* 

CDeductio juris. Neganti jus incumbit proba- 
tio. Beatus j^offeffon 45). 

♦ 53- ; >./ 

Wenn das Eigenthum von feinem wahren 
Eigenthümer deducirt ifi> {rechtfertiger Befi- 
tzer); fo foll und mufs die Perlon, welche 
es bisher aus Irrthum befafs, daflelbe jenem 
wieder einhändigen. 

Denn, der Eigenthümer allein ift im 
JRechtsbeütze feines .Eigenthums. L Hypothek 
Sachenrecht. 

54- 

Wer diefem Gebote C53) unbedingt ge- 
horcht, ift ein redlicher Belitzer (poffeflbr 
yerus) und fein Irrthum ift fchuldlos (invii?- 
cibilis). 

Denn , aus feinem Gehorfam gegen das 
.Gfefetz ift offenbar, > dafs er aus wirklichem 
Irrthum das fremde Gut befafs und der Wahr- 
heit die Ehre giebt, fobald fie beurkundet ift. 
Er mag dies aus reiner Wahrheits- und Ge- 
{ rechtigkeitsliebe oder aus Politik ("Furcht u. 
d. g. ) thün : er mag fich des Irrthums erft 
itzt oder fchon vorher betmfst gewefen feyn, 
darüber hat das äufsere Gericht nicht zu ur- 
theilen; genug er erfcheiiit in der That (au- 
fserliclO als redlicher Mann, d. h. er l&juri» 
difch redlich, alfo fein Irrthüra juridifch fchuld» 
los, nicht als willkuhrliches Attentat gegen 
cfcis Recht zu verurtheilen (Poffeffio Vera). 



30a IL Bat hypothetifchcPerßn^ürechL 

0 

Der Eigenthütfler empfängt von dem red- 
lichen BefiUer mit feiner Sache auch alle Be- 
f ugniffe über diefelbe wieder. Uebrigens ha- 
ben beide keine anderweitigen Rechtsanfprii- 
che an Einander. 

Beweis, wie 49. 

' 56. 

Wer, jenem Gebote ungehorfam (53), 
dem wahren Eigenthumer feine Sache nicht 
wieder einhändigt (fie entweder ferner für 

S fich behält oder hinterliftig wegthut — dolo 
poflidere deliitj; ift ein unredlicher Befitzer 
(pofieflbr falfus) und fein Irrthum ift Schuld. 

Denn, er erscheint in der That als ein 
unredlicher Mann, welcher das Recht durch 

'Irrthum verletzen (es belügen} will und ift 
alfo vor dem aüfsern Gerichte als ein ab ficht- 
licher Rechtsfeind verdammungswürdig. 

57. 

Der unredliche Beützer foll nicht nur das 
'fremde Eigenthum aushändigen, fondern 
überdies noch feine Schuld büfsen. 

Beweis, wie 51. 

t 

Wenn eine Perfon, welche Eigenthumer 
eitler Sache, die ein andrer in Befite hat, zu 
.feyn behauptet y ihre Praeoccup&tion nicht be* 
weifet (von dem modo adquirendi keine Wif- 



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IL Dat hypothttifcke ^rfin^nrecht. 393 

1 

fenfchaft giebt) öder ihr behauptetes Reiht 
nicht beurkundet (den Rechtstitel nicht dedu- 
-cirt) ; fo bleibt der Andre von Rechtswegen 
in dem Belitz der praetendirten Sache* , , , 

Denn, dafs diefer im Befitz der Sache, 
iie alfo gegenwärtig Sein lft, das ift offenbar : 
die Behauptung des Praetendenten aber kann 5 , 
weil fie nicht bewiesen und beurkundet ift, 
auch von dem äufseren Gerichte nicht als 
Beweis und Rechtsurkunde anerkannt und dem 
alfo, welcher fie vorbringt, kein Recht zu- 
gefprpchen werden. Er wird daher von 
Rechtswegen zur Ruhe verwiefen „ bis er 
(der ebenfalls irren und aus Wilikühr handeln 
kann) feine Praetenfion juridifch documentirt, 
und der Andre fetzt feinen Befitz ungeftprt 
fort Mag er übrigens in feinem Herzen, und 
Gewiffen noch fo feft von der Gewißheit und 
Wahrheit feiner Sache überzeugt feyn; das 
äufsre Gericht richtet nicht nach innerer, fon- 
dern nach äußerer Anfchauung: und ift nifchi 
befugt darnach zu forfchen, ob er feine Prae- 
tenfion mit gutetnöder böfem Qewijfen macht, 
fondern hat blos zu unterfuchen, ob lie ätt- 
f serlich wahr ift, denn hier gilt es dem 

fseren Recht. * > 

• • • • 

59* 

Wenn jemand, un erachtet er nichts be- 
Wiefen und beurkundet hat, . dennoch d<yi 

Befitz 



- 

304 //• Där hypothetifckc Perfonenrecht. 

Belitz des andern ftort, fo wird er als eyi 
Störer des Rechtsfriedens beftraft. 

. Denn , das iß er. Er chikanirt das Recht 
eines Andern, indem er es nach feinem Sinn 
pnodeln und eigenfinnigen [Behauptungen nach- 
gelebt Alflen will. Er bricht überdies das 
Gefetz ; Seelig ift der ßefitzer (58. S*)« 

60. 

Menfchen follen ihre eigentümlichen 
Sachen äußerlich charakterifiren oder forma- 
Hfiren. 

Denn, es foll dem Nachtheil, welcher 
dem Eigenthum aus Unwiffenheit, Irrthum, 
Chikane u. d. g. zugefügt werden kann, ent- 
gegengearbeitet werden (44) und diefes kann 
nicht anders gefchehen, als wenn das Eigeti- 
thum, als ein folches auch äufserlich offen- 
bar ift oder erfcheint. 

61. 

Diefes fiebqt ift ein P ermi ff iv gebot (Tb. 
IL St. I. Abb. V,). Wer den Rechtszuftand 
nicht ftöret, wenn er auch durch die Ver- 
nachläfligung der Bezeichnung um das Set 
nige kömmt, hat die Erlaubnifs, diefe zu 
unteriaffen. 

Denn, das kann keiner PerfQn von Rechts- 
wegen gewehrt werden , dafs fie in ihrer eig- 
nen Sache Shr eigner Herr fey und deswegen 
befchränkt ßch jenes Gebot (welches ohne- 
dies 



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■ 

W, Dar hjrpothttißhe Perfimtiireilit* 3 o$ 

dies ein abfolutes Recht der Perfonen aufhe- 
ben würde) auf die Bedingung derUngeftört- 
heit des Rechtszuftandes. Wer, wenn ihm 
Sachen abhanden kommen, dies gut feyn läfst 
und den Befitzlland andrer nicht angreift, mag 
fie baar und blos liehen und liegen lafien* 
Er hat ein Recht, auf feine eigne Rechnung 
- nachiäflig zu feyn. 

; _ Mancher meynt, dafs Logik und Urtheils* 
kraft beftimmenmufsten, wer von Rechtswe- 
gen für einen ehrlichen und unehrliche^ Be- 
sitzer zu halten fey u. f. w. - — Aber ! ich 
bitte, was haben Logik und die hier ver- 
ilandne Urtheilskraft über das Recht zu fagen» 
Mögen fie den einzelnen Menfchen in der 
Beurtheilung der einzelnen Fälle und der ap~ 
plicatio lp gis ad factum leiten; aber eine Ge- 
setzgebung, welche ihnen überliefse, was 
von Rechtswegen erkannt werden foll, 'wäre 
eine — feine und vollftandige Gesetzgebung. 
Es ift alfo nicht unnöthig, die äufseren Merk- 
male des Sufsern Rechts in der RechtswilTen- 
fchaf t zu beftimmen. Das verlieht lieh ja wohl 
ohne Ausführung, dafs hier allerdings nur 
von allgemeingeltendeh Merkmalen die Rede 
feyn kann, und .* das übrige der juridifchen 
Politik überfallen. wird. 

- 

Obgleich eine Perfon der andern ihr Ei- 
genthum nicht eigenmächtig nehmen darf 
Schaum, neues Sjft. des mt.R. U (13. 



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?Sf*6 .ft 0« fypinhttifihe Ptrfotienrecht. 

(T3> u* aO j • fö kann ihr dach yön diefer daf- 
felbe ganz oder zum Theü mit Fug und Recht 
gegeben werden; 

Denn, der Eigenthümer hat über feifi 
Eigenthum zu difponiren (hypoth. Sachenn) 
und eine jede Perfon kann , als Subject von 
Rechter*, Eigenthum empfangen. 

63. 

Der Eigentümer ift befugt, einer andern 
Perfon fein Difpoßtionsrecht zu geben (62). 

In wie fern diefes gefchieht, wird der, 
welchem gegeben wird, Machthaber über die 
Sache, Innhaber derfelben wie z. B. der Em- 
phyteuta: der andre aber bleibt Qrundeigen- 
thümer. 

64« 

Der Eigenthümer fiat das Recht, andern 
fein Benutzungsrecht zu geben (62). 

In wie fern jemand diefes Befugnifs em- 
pfängt, wird er Nutzniefser (ufufructuarius, 
dominus utflis, ufusfructus formalis): der 
andre bleibt Ober eigenthümer (dominus dire- 
ctus, Eigenthümer über die Subftanz). 

65. 

Er kann mit Fug und Recht fein Befitz- 
recht in andre ablaffen (6a). 

In wie fern jemand das Befitzrecht eines 
fremden Eigenthtims hat, ift er Gewalthaber 
über daffeibe, im körperlichen Befitze defleU 

... /..»,. ben 




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//. Das hypothetifche Perjbnenreclii. 307 

6en \ (z. B. der fuperficiarius} und der Eigen- 
thümer ift Mos Grundbefitzer und im geißigen 
Befitz. 

66. 

1 Der Eigenthümer darf fein Ausfdtliefsungs* 
recht für andre Perfonen aufgeben (6%). 

In wie fern diefes gefchieht, wird die 
eigen thumliche Sache auch andern dievjlbar 
(fervitus). 

67. 

Der Eigenthümer kann endlich lein JE*. 
genthumsrecht felbft, d. h. fein alleiniges 

Recht entweder mit andern theilen oder es 

• ■ 

ihnen ganz überlaflen. 1 

Im erften Fall entfteht Miteigentum und 
Mit eigenthümer (condominium, Condomini): 
im andern hört das Eigenthum auf, für ihn 
ein Eigenthum zu feyn, es wird eines frern^ 
den, d. i. veräußert. 

~. 68. 

Unmittelbarer Widerfpruch gegen das Ur- 
recht, die ursprünglichen und ab foluten Rechte 
der Perfonen — unmittelbare Profanation 
und Entheiligung einer Perfon >v Tyrajiney, 
Defpotifm, Ufurpation und Barbarey — kön r 
nen durch Unwiflfenheit und Irrthum nicht 
entfchuldiget werden. 4 

Denn, der Kreis diefer Rechte wird 
nicht von der Nattir, fondern von dem Selbfi 
befchrieben : fie verßehen fich alfo von Selbfi 

U % und 



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go8 W* Vas fypQtfietißfa&rfoitenreckt» 

' r 

- 

und jeder foll und kann fich die wahre Wif- 
fenfchaft dprfelben felbß geben, d. h. er foll 
und kann durch fein Wollen allein fich zur 
Wiffenfchaft und Wahrheit in Abficht diefer 
Rechte erheben. Wer denselben unmittelbar 
widerspricht ift mit nichts zu entschuldigen. 

> / * 69. 1 

" i: ' Abef die genannten Rechte können buch 
mittelbar verletzt werden. 

Denn» fie find in ihrer Ausübung durch 
das Sachenrecht bedingt. . Der Menfch hat 
allerlev Sachen nüthig, wenn er fich feines 
Uirrechts u. f. w. in der Thät erfreuen foll. 

70. 

Diefe Mittelbare Befehdung jener Rech- 
te — die mittelbare Profanation und Enthei- 
ligung des Menfcher\, die mittelbare Tyran- 
ney, Defpotism, Ufurpation und Barbarey — . 
kann aus Unwiflenheit und Irrthum ent- 
fpringen. . 

m 

■< Beweis 69. 43. 

Sie wird von dem aufsefen Gerichte wirk- 
tick entfihütiigt „ wenn man von ihr abfleht, 
fobald man zur Erkenntnifs und Wahrheit ge- 
langt, fobald die Befehdung jener Rechte 
als eine Xolche bewiefen und documtntirt ift 

C48...54X 



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'Wer dtefes (f t) nicht tbut, wer wohl 
gar difc Beförderung • und Ausbreitung« wah- 
rer 'WifleftfohafVü^ jene Rechte utid ihre 
Verlet&üflg verhindert; ift gewifv'fchuldig und 
der Hauptftrafe würdig (vgl. 50. 56). 

Das ift alfo der er.fte Beweis der Schuld- 
lofigkeit eines Merifchen , welcher mittelbare 
Tyranney, Defpot^smus u. f. w. aqsübt, dafs 
er das Licht der (Wahrheit nicht Kfchaut fon- 
dern die Strahlen dvflelben ungehindert und 
ungebrochen zu allen feinen Mitmenfchen 
und zu fich felbft dringen läfst. I>as ift aber 
^uch dagegen ein zureichender Beweis vor* 
pitzlicher Tyranney , Barbarey u. f. w., dafs 
man den Gang der Wahrheit und Wiflenfchaft 
feffelt und fie, wo möglich, von allen Völ- 
kern und von feiner eignen 'Perfön zu ver- 
bannen fucht. Ja wohl ift Prefsfreyheit das 
Palladium des Rechtes auf Erden und das 
leuchtende Sfchwerdt in der Hand des Che- 
rubs, welcher alle Tyrannen, Defpoten, 
Ufurpatoren und Barbaren aus dem Paradiefe 
der Menfchheit verjagen foll und wird! Wer 
ilcfr an der Heiligkeit diefer Freyheit frevle- 
rifch vergreift, dem braucht fein Urtheil 
nicht von andern gefprochen zu werden. 
Aber Ehre und Unfterblichkeit dem Einzigen 
Könige, der fein königliches Werk durch 
öffentliche Anerkennung und Befchirmung 

U 3 die. 



3 to H; Dai hypothetifcke Ptrßnetitecht. 

diefer Freyheit krönte! Ehre und Unfterb- 
lichkeit Allen denen, welche ße ehren/, wie 
Er! Ihr Ruhm ift reiner, als Heldenruhm, 
welchen das Blut der Erfchlagnen befleckt 
und der Jammer der Unfchuld verdunkelt! 

Wenn fich eine Perfon freywillig zum 
s Leibeignen , Sclaven, Mittel, Sache eines an- 
dern macht ; fo ift das fehr bofe und verachte 
tieft und zwifchen dem Defpoten und feinen 
Sclaven freyiich kein durch das Unrecht ge- 
heiligtes Rechtsblind; aber demunerachtet 
darf dies doch kein Dritter verwehren. 

Denn, Niemand hat über eine Perfon ein 
Recht. 



■ 



74- 

Das Recht der Perfon gegen die Befeh- 
dung ihrer perfönlichen und dinglichen 
Rechte, ift feiner Form nach von Zeit und 
UmtKnden nicht abhangig und durch äufsere 
Bedingungen nicht befchrankt* 

Denn , es ift ein Recht. 

Sie kann alfo zukünftigen Beleidigungen 
zuvorkommen, fich gegen gegenwärtige, yer- 
theidigen , für vergangne , Qenugthuung for- 
dern; unersetzlichen Schaden durch ein Ae- 
quivalent, erj etzlichen durch IViedererfiattung 
gut machen laffen u. f. w. und das alles von 
Rechtswegen, 

75- 



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IL Das hjpothetifike * Perßncnr'ecJa. $tt 

' . . 75. > » • 

Aber die Räche gegen den Beleidiger ift 
durch das Recht befchränkt. 

Denn, fie foll Recht feyn und bleiben. 

Wer alfo nicht beweifen »nd faeurkundqn 
kann, dafs die Rache, welche er an dem Be*. 
leidiger pimmt, nach allen Mpmenten mit, 
dem Recht in Proportion ift , : d, h. wer die, 
Strafgefetze über Verbrechen nicht pünktlich 
befolgt., ift firafbar. 

Denn, die Rache foll Recht feynamd' 
bleiben (75). Mag er den Beleidiger begna- 
digen, er hat , ja ein Straf -recht: aber er 
darf feine Rache nicht willkührlich fchärfen, 
denn feine Wülkühr fteht von Rechtswegen 
Unter der Zucht des Gefetzes. 

Ich weifs nicht, was das Paradoxon : 
Das Recht des Beleidigten iß unendlich, in der 
Rechtswiflenfchaft foll. Es -ift vielfinnig. 
Erftlich kann m?n es auslegen: Jenes Recht 
hat in feiner Ausübung weder phyfifcbe noch 
juridifche Schranken. Dann ift es ganz falfch. 
Denn , die Realität der juridifehen Schranken 
ift eben bewiefen und dafs es phyfifche Schran- 
ken habe, ift ja wohl fchon daraus klar, dafs 
es auf Erden, alfo in Zeit und Raum aus- 
geübt werden mufs. Aber gewöhnlich legt 
man jenen Satz fo aus: Das, Recht des Belei- 

U 4 dig- 



1 



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3i» IL Da/ hypothetifche Perfottenrechtl 

digten läfst fich nicht im allgemeinen beftim- 
men* Aisdana ift er halb wahr wid die wahre 
Hälfte fehr trivial. £furidifch läfst fich das 
Recht des Beleidigten allerdings allgemein- 
geltend beftimmeh, wie wir gethan haben. 
Aber! das kann man freyltch im allgemeinen 
nicht beftimmen, ob in dem einzelnen Fall 
der Hungqr oder die Ruthe, harte oder ge- 
linde Mittel u. d. g. nothwendig find. Ift 
es wohl der Mühe Werth , um diefer trivial 
len Behauptung willen, die überdies nicht 
einmal jurldifch ift, jenen Zankapfel in dem : 
Syftem aufzubewahren ? — Das Cardinalge- 
fetz diefes Abfchnitts (B) ift: Menfchen. 
f ollen nicht Ob jede y fondern Subjecte des 
Rechts feyn. 



77* 

Alle Menfchen haben, d. h. jeder einzelne 
hat das Zueignungs - recht auf alles Welt* 
liehe, auf alles, was in der Welt ift, d. h, 
auf alle Sachen. 

Denn, alle Menfchen find Menfch (a) 
und dem Menfchm, alfo ihm überhaupt, nicht 
blos zum Theil, d. h. nicht blos Einigen ift 
diefes Recht gegeben (Th. I. II. Sachen- 
recht). £fus in omnia omnibus commune. £?us 
ßngulorum in.fwgula. , 



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IL Daf ItJpQthftifihe PerfincnrccJü. 313 

-- 

■ 

Aber, Me'rtfch* & h, nicht ein einzi- 
ger üiat das Eigitothums- recht über n//* 
Sachen. 

' ^Derin, Menfchea find in phyßfcher» Qe- . 
meinfchaft, mit einander; und djö Weit ift ihr 
gfnteinfchaftliches Object ( 28 >. Nicht ein , 
einziger kann alfqt alles 9 was den unend)iw f 
eben Raum und die unendliche Zeit erfüllt, 
durch feine Menfchepkraft be>yirken, beab- 
fichtigen und .ergreifen , weil jeder einzelne 
„nur einen Raum« und Zeit-J/ze/7 erfüllt, . d. 
h. endlich ift; und, wenn auch das unmög- 
liche möglich wäre.,- {o, du,rß doch nicht 
ein einziger occupiren , weil das, was 
die übrigen Mitmenfchen occupirt haben, 
fchon einen Rechtstitei hat, alfo nicht mehr 
titellos ift. Kurz': ein Einziger kann nicht 
alles erwerben und tituliren, weil ihm zu. 
dem erfteren die Macht und zu dem anderen 
das Recht fehlt Es giebt zwar ein jus fin« 
gulorum in fingu/a, aber nicht in üngalis. 

Das Zueignungsrecht der Menfchen auf 
alle Sachen ift in der Anwendung unvolL 
kommen. 

* 

Denn, uner^chtet jeder einzelne auf 
jede einzelne Sache ein Recht hat, fo iß 
doch das Recht keines einzigen in jeder ein- 

U 5 zelnen 



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3 14 & Dar hjqiothetiftke Perfonenrechti 

zelnen Sache. Kein einziger kann alles er- 
werben und darf alles tituliren C78). 

> 

Aber hier ift ein Widerfpruchl Denn 
hier ift 

a) eine Thefis:- AUeMenfchen haben ein 
Recht, fich Alles zuzueignen (7?), und 

b) eine Äntithefts: Kein Menfch hat ein 
Recht fich alles zu eigen zu machen (78)» 

Beides . — Satz und Gegenfatz — ift 
wahr, wie fchon directe bewiefen ift C77» 
78) und auch indincte bewiefen werden 
kann. Nemlich : 

< 

> 

a) Beweis der Thefis. 

Wenn jeder einzelne Menfch das Zueig- 
nungsrecht tut Alles nicht hätte; fo hätte er 

a) entweder ein Zueignungsrecht auf 
Nichts: oder 

ß) nur ein Zueignungsreqht auf Vieles. 

Aber im erften Fall, hätte der Menfch 
kein Natur- recht (ein Recht über nichts 
auf der Welt) : im zweyten Fall aber würde 
fein Zueignungsrecht nicht von dem einigen 
Selbftgefetz fynthetifch, fondern von der 
mannigfaltigen Natur analyiifch beftimmt, 
und fein Naturrecht wäre alfo kein Natur- 

■ # 

recht, welches beides gleich widerfpre» 
chend ift. 

% 

10 Be- 



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//. Dar hyyothfitifchc Pgrfenenreckt. 315 

hy Beweis der Antitle fis. 

Wenn ein einzelner Menfch das Recht 
hätte, lieh alles zu eigen zu machen , fö 
müfste er 

u) unendlich im theoretifchen Sinne des 
Worts feyn, und 

ß) ein Perfonenrecht haben, um alles, 
d. h. auch das, was andre Menfchen haben, 
allein zu lieh nehmen : welches beides gleich 
widersprechend ift. 

Wie wird diefer wirkliche Widerfpruch 
nun gehoben? Wie jeder andre, durch Ab* 

fofiderung des, ungleichen von dem gleichen. 
Alfo: 

a) jeder einzelne Menfch hat das Zueig- 
nungsrecht auf Alles der Wahrheit nach — 
hat.diefes Recht quoad fubßantiam: aber 

b) Kein Menfch hat es der That nach — 
hat diefes Recht quoad exercitium, wie oben 
beides bewiefen ift. 

Die Abfonderung der Wahrheit von der 
'That, der Subftanz von der Ausübung, d. h. 
des Rechts von dem natürlichen verbindet die 
Thelis mit der Antithefis oder beftimmter das 
Thema mit dem Antithema, und ohne den Ge* 
genfatz gegen den Satz würde diefer einen 
wirklichen, d. h. Unauflöslichen Widerfpruch 
enthalten, weil, wenn jeder einzelne das 
Zueignungsrecht auf alles in der That hätte, 

kein 

■ 



Di 



3 1 6 IL: Dat hypothetißhk PtrßinenrechL 

kein einziger es in IFahrhett ' haben würde* 
Die allgemeingeltende Wahrheit befqhränkfc 
Jiier , wie immer » die Tbat ; > das Recht das 
Natürliche. 

So. 

Menfchen können in Abficht der Zueig- 
nung der einzelne** Sachen zufammeritrejjfin — 
ihr Zueignungsrecht zufälligerweise auf die 
nemlifhen Sachen anwenden, i. * ■ 1 

Denn, fie cocxßßiren (27: d) und alle 
haben diefes Recht (77). 

Menfchen können in Abficht der Zueig- 
nung der einzelnen fachen Einflufs auf ein- 
ander haben — durch Anwendung ihres Zu- 
eignungsrechts auf die nemlichen Sachen ei- 
ner den andern beftimmen, einer dem andern 
entgegenwirken. 

Denn, 'fie find in U r echjelwirhing (27. cX 
und 80. 77., 

Menfchen können in Abficht der Zueig- 
nung der einzelnen Sachen einander einfchrän* 
ken — durch den Einflufs, den fie auf ein- 
ander haben, Sachen nehmen, welche ein 
Andrer beabfichtigte. ' . 

Denn, fie find neben einander (37. b) 
und gi. 7 7v . 

#3' 



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IL T><u hypathefifike Perfoitenrtckt. 317 

r 

83. 

n , Menfchen.-konnen in Abficbfe der Zueis- 
mmg der einzelnen Sachen einander wider* 
ßmten — - durch das Einnehmenden, was 
^in Andrer , (beabfichtigte , die .Abficht diefes 
vereiteln (zu Nichts machen)., , : 

Denn, fie find mit einander in der Zeit 
und dem Räume (47. a) und 8^- 77- 

«4. 

Menfchen können in Abficht der Zueig- 
nung einzelner Sachen in Collißon kommen. 1 

, Denn , fie konn en einander wider ßr eitert 

Dies ift der einzig wahre Begriff der Col*; 
iifion. Man fpricht auch VQn ^mer Collifioir 
der Rechte (und Pflichten), als wenn das ewig 
Einige mit fich felbft uneinig feyn könnte. " 
Aber eine CoUifion der Menfchen ift möglich, 
weil ihnen die Mannigfaltigkeit der Natur 
zugefallen ift. 



Im Naturzußande (wenn Menfchen Mos, 
ihrer Natur folgen, fo) erregen Coliifionen 
Krieg. 

Denn, vpn Natur fieht der Menfch, den- 
Jenigen, mit welchem er in CoUifion kömmt,, 
als Feind an und fetzt fich ihm feindfelig ent- 
gegen , d. BV blkrugt ihn. 

. i , » 86. 



Di 



I 

3 1 8 Dm fypetkctißhe Perfiiunrecht. 

86. 

Aber! es foll kein Krieg unter Menfchen 
feyn. 

Denn, fie folien Subjecie und nicht Ob-, 
jecte des- Rechts feyn (76) : nicht Natur, 
fondern das Recht foll regieren. 

Dpr Widerfpruch zwifchen diefem Satze 
und dem oben (B) deducirten Recht des 
Kriegs gegen den Beleidiger löft fich , wenn 
man erwagt ? dafs, das Verbot des Kriegs ein 
Per mijfw gefetz ift. Nemlich: Krieg foll in 
Wahrheit nicht feyn , d. h. wenn alles nach 
der Rechtsordnung geht, wie es foll, fo foli 
durchaus kein Krieg angefangen werden; 
aber er ift in der Thal erlaubt, fo fern die 
That die Wahrheit, d. i. das Recht befehdet.- 

> 

I 87- 
Collifionen folien in Frieden aufgehoben 
werden. 

Denn, es foll kein Krieg unter den Men- 
fchen feyn (f$6) 9 mithin die natürliche Quelle 
des Kriegs (85) friedlich abgeleitet werden. 
Fax fingulorum cum fingulis. 

88. 

Alfo: 

a) Wenn Menfchen in Abficht der Zu-, 
eignung einander widerflreiten ; fo foll diefer 
Widerftreit friedlich aufgelÖft, d^ h. gütlich 
beygelegt werden (ainicabilis cömpofitioj : 

b) Wenn 



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//. Dar Hppothetffeke Perfinenrecht. 319 

b) Wenn fie ip fiiefer Abficht einander 
Mifchränken ; fo fQÜ diefe Einfchränkung 
durch Nachgeben von beiden Seiten begrenzt, 
di lj, verglichen werden (transactioj: 

c) Wenn fie in der Zueignung Einflufi 
auf einander haben, fo foli diefer nicht feind- 
fchaftlicb , fondern freundfchaftlich , d. h. der 
Idee der wahren Qemeinfchaftlichkeit (commu- 
jiio negativa) gemäfs, d. i. Zufammenßinu 
mwg feyn (confenfus) : 

d) Wenn iie in Abficht ihrer Zueignung 
eoexfißiren; fo foli diefe Coexßßenz nicht an- 
einig, fondern einig feyn (concordia). 

89- 

Menfchen follen fich in Abficht ihrer Zu* 
eignung vertragen (pacifci). 

Denn , fie follen allen Widerftreit hierii* 
ber befeitigen, die gegenseitigen Einfchran- 
kungen vergleichen und in Einigkeit zufam- 
menftimmen (88). 3 

90. 

Das Vertragen (pactio 89) ift eine Sa- 
che, welche Menfchen unter lieh einführen 
follen und muffen. 

Denn, es ift nicht von Natur (85), aber 
es foli doch feyn (89) f und mnfs alfo von 

- 

den Menfchen in die Welt gebracht, d. h. 
eingeführt werden,, 



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320 //. Das hypothelißU Perfinenfecht 

91. 

Menfchen, welche fich vertragen wollen, 
muflen 

a) einander ihre Abficht erklären, d. hl 
fich verßiindigen. 

Denn , ehe fich Menfchen vertragen kön- 
nen, muffen fie wiffen, Was fie (von einan- 
der) wollen : von der Willensmeynung des 
andern an [ich hat aber niemand von feibft 
äufsere Wiffenfchaft, diefe müfs ihm daher 
von dem andern, der fie hat, gegeben wer- 
den (declaratio voluntatis). 



92. 

Sie muffen 

b) über die erklärte Abficht fich zufam« 
men verabreden , d. h. übereinkommen. 

Denn., wenn fie fich hierüber vertragen, 
follen, fo mufs einer deip andern das, was 
er für feine Abficht wünfcht, eröfnen (vor- 
tragen), der andre aber fich , erklären , ob 
und wiefern er den vorgetragnen Wünfchen 
geneigt oder nicht fey und beide diefe Sache 
fo lange befprechen, bis fie 211 einem ge- 
rn ein fchaftl ich eh Refuitate gekommen find 

(conventio). 

■ « 1 • * . 

V 

93* . 

Sie muffen » 

c) das, worüber fie übereingekommen 
find, einander zuerkennen, d« h. vcrfprechm. 

Denn, 



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IL Dar kypothttifike Pcrfonenrccht. gax 

Denn j Wenn fie fich über das, worüber 
fie vefabredetermaafsen übereingekommen 
find, wirklich vertragen Tollen, fo mufs ei- 
ner dem andern das, was für ihn verabredet 
ift , zufagen , ihm daffelbe als das Seinige zu- 
fprechen (Promißlo. Addictio). 

* 

94- 

Sie muffen endlich 

d) das Verfprochney als etwas, wornach 
fie fich zu richten haben, anerkennen, d. h# 

es annehmen. * 

Denn, wenn fie fich aber dasVerfprochne 
vertragen follen, fo mufs es Gültigkeit für 
fie haben, als etwas urkundliches von ihnen 
anerkannt werden (Acceptio. Adlegatio). 

95- 

Wenn Menfchen über ihre erklärten Ab- 
fichten übereingekommen find und das verab- 
redetermaafsen Verfpr'ochne angenommen ha- 
ben ; fo ift unter ihnen ein Vertrag (pactum,) 
geftiftet (Confenfudl- Vertrag). 

Denn, fie ftimmen alsdann in Einigkeit 
zufammen C89 — 9$)$ und vertragen fich 
mit einander» 

96. 

r In wie fefn ein Pacifcent das ihm Ver- 
fprochne v angenommen hat, ift es fein Qut 
und er rechnet fich daffelbe zu. 

Schaum, ntuts Syfl.Au nat.R. X Denn, 

- 

/ ' 



Diai 



33Z IL Das hypothetifchc Pcrfonenrecht^ 

Denn, es ift ihm in der von denPacifcen* 
ten angenommenen Urkunde des Vertrags zu 
Gut verfprochen worden. 

97- ' 
Diefes Gut'ift fein. 
Denn, er rechnet es fich zu (96}. 

98- 

Und zwar fein virtuates Sein — Sein 
dem Qeifle nach. 

Denn , er rechnet es fich (abßchtlick ) zu. 

# 

99. 

Aber nicht fein formliches Sein. 

Denn , der Promittent hat es noch inne« 

• . 100. , 

Und nicht fein Eigen. 
Denn, der Promittent ift Eigentümer 
deffelben. 

*or. 

Et hat alfo 

a) nicht das Eigenthumsrecht (106): 

b) nicht das Befitzrecht (99) über das 
Verfprochne: aber 

~c) das Recht, daflelbe zu beobachten 
oder zu wahren, dafs er nicht darum betro* 
gen, und . 

d) das Recht, es zu bewirken, dafs es 
ihm nicht abfpenßig gemacht werde (98^ 97- 
vgl. SachenrechtJ). 

los. 



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II. Das hypothetifthe Per/bntnrecht* 333 



loa. 



In wie fern ein Pacifcent dem andern et* 
Was Verfprochen hat* ift diefem von jenem 
das Verfprochne als Mittet zUgefagt, «uge» 
rechnet, oder überantwortet* 

Denn, der Promitten t hat dem Promiff» 
rius erklffrt, dafs er ihm das Verfprochne als 
Mittel für feine Zwecke zuerkenne, es ihm 
ieiften wolle. 

103» ••'»• •» 

Das Verfprochne ift! 

a) rwar des Promittenten Sein, aber 

b) nicht Sein dem Geifle nach* 

Denn, -\ *? . , « 

b) der Promlttent Aa* es, es ift im Ge» 

biete deflelben : aber 

b) er hat es dem Promißamts als itftffc/ 

zuerkannt» 

Das Verfprochne ift 

a) zwar im Jfc/for, aber ' 

'b,) n/VAf im Eigenthum des PromUtentem 
Denn, 

«0 der Promättent ift swar noch defiel. 

t i» *f . : * ....... i 

>en mächtig , aber 

b) w/c&f mehr alleiniger Herr des Ver. 
Iprochnem 

a) Ein VerWßgy ( pactum ) ift dasjenige, 
wodurch einer von dem andern den geiftigen 



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324 ff* Das hypothetifcke Perföntnrecht. 

Befitz einer Sache des letztern — einer von 
dem andern ein Gut erwirbt — etwas von 
dem andern fich zurechnet. Moment der Mo- 
dalität (96 — 101): 

b) Ein Vertrag ift dasjenige» wodurch 
einer die geiftige und eigentümliche Ge- 
mein fchaft mit dem Seinigen für clen Andern 
aufgiebt — einer etwas von dem Seinen zu 
einem Mittel des andern ausfetzt — diefem 
etwas überantwortet, Moment der Relation 
(10a —104): 

c) Ein Vertrag ift_ dasjenige, wodurch 
einer Eigenthümer zu feyn aufhört, ohne 
dafs der andre es zu feyn anfängt Dyna- 
mifckes Moment der Vertrage überhaupt 
(96 — 104). ^ 

106. 

In wie fern ein Pacifcent mit dem andern 
übereingekommen ift, hat er diefem fein Wort 
gegeben und ift einfiimmig mit ihm. 

Denn , er hat Abrede mit demfelben ge- 
nommen, 

107. 

Und diefer andre verläfst fich auf fein 
Wort; 

Denn, er hat fein Wort (106). 

108. 

Und hat das Recht, jenen bey feinem 
Worte zu halten. . 

Denn, 



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II. Dar hypothctifchc Pcrfbncnrecht.. 325 

r 

Denn, es ift ihm mit Zuverlä'ffigfceit vort 
jenem gegeben (ioör 107). • 

109. 

Aber noch kein Recht in dir Tftat (jus 
in facto)* 

Denn , nur das Wort und nicht die That 
ift ihm gegeben. 

110. 

Ein Vertrag ift dasjenige , wodurch einer 
dem Andern fem Wort giebt, fich dem andern 
in Worten zutheilt. Moment der Quantität. 

in« 

In wie fern ein Pacifcent dem Andern 

r 

feine Abficht erklart, lajfen fie fich jnit ein- 
ander ein. 

Denn, fie theilen fich ihre Willens- (ih. 
res Herzens) Meynung mit. 

1X2. 

Und vertrauen einer dem andern. 

•> ^ , ■ * 

Denn, fie lallen fich mit einander ein 
(111X 

I It. 

Einer hat alfo ein Recht auf die negative 
Treue des Andern. 

Denn, diefer läfst fich mit jenem ein 
und giebt dadurch dem letztern das Recht, da- 
hin zu fehen, dafs fein Vertrauen nicht ge- 
mifsbraucht, fein Recht durch diefe Hand- 
lung. welche in dem Belieben des andern 
fteht, nicht verletzt werde. 

X 3 114- 



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3*6 //.' Bat hjipothetifche Perfonenrccht. 



Aber kein Recht auf feine affirmative 
Treue. 

; Denft, der andre hat fiph blas mit ihm 
eingetaffen und lieh alfo noch keinesweges 
aar ßeginßigimg und- UfUerßiit%ung der er* 
klärten Abficht anheifchig gemacht. , 

"5- 

Ein Vertrag ift dasjenige wodurch einer 
fleh mit d«tn andern einlafst — einer Ver. 
trauen zu dem Andern aufsert (111 — 114). 
Moment der Qttatität* 

116. 

Ein Vertrag ift dasjenige, wodurch einer 
dem Andern mit Vertrauep fein Wort giebt. 
Mathetnatifchis Moment des Vertrags über- 
haupt. • ' : -y 

117. 

Ein Päcifcent kann dem aridem eine/a/. 
fche Abficht voi^iegeln, ihn alfo in der Er- 
klärung feiner Wiiiensmeynung tanfehen. 

Denn, JP^cifcentfcn tfnd Menfchen. 

118. 

■ • 

Nun hat zwar 
aj kein Päcifcent ein Recht auf die Wahr- 
haftigkesit und Gradh^it des Andern : 
$ b) aber haben , Upwahrhaftigkeit und 5 
Falfchheit auch kein Kecht f ;über einen Pa- 
eifeenten. . , - 

Denn, 



• 

• 



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IL Das hjtpöthetifike Verfmenrccit. $27 
Denn, 

a> es giebt kein Perfonenrecht , aber 

b) auch kein Recht der Wittkukr über 
den Menfqhen. 

Iip. 

Wenn die erklärte Abficht eines Pacifcen* 
ten zwar nicht dem 4nfchein jiach , aber in 
der That dem (Jrrechte, den urfprüngliehen 
und abfoluten Rechten und dem Eigenthum 
des Andern widerfpricht ; fo weift diefer fie 
als eine falfche Abficht. von fich \v$g und 4er 
Vertrag i&nutl und nichtig. . 

Denn, das Hecht foli heilig feyn: eine 
Abfipbt aber, welche dem Recht des Einen 
Pacifcenten widerfpricht, ift diefem Gefetze 
ungleich, mithin falfch , und der falfch beab- 
fichtigte hat mit Fug und Recht zu der gan- 
zen Sache.it/» Vertrauen (liis). 

ISO. 

Wenn ein Pacifcenfe fein? .als ( falfch be- 
wiefene (119.) Abficht dennoch durchtreiben 
will; fo erkennt der Andre ihn für einen vor- 
fätziichen Fätfcher (falfarius) und' firaft ihn 
mit Recht um feines Attentats willen. 

Denn, alsdann ift der Forfatz für feine 
falfche Abficht gegen das Recht offenbar und 
©in dotofes Verbrechen da (Vorrede zum Sa- 
chen- und Perfonen- Recht), / 

X 4 12& 

1 



Di 



3*8 /?. Bas hypothctifche Perßnenreckt* 



121. 



Ein Pacjfcent kann die erklarte Abficht 
des andern ntifsverßehen, d. K fie irrig als 
eine fatfche Abficht (119) auf fich beziehen* t 

Denn, Pacifcenten find Menfchen. 

122. > 

Wenn der mifsverftehende 

a) von dem falfch verftandnen abßeht, 
fobatd ihm das Verftä'ndnifs geöfnet ift; fo 
ift fein Irrthum für unfchtUdig zu erklaren: 
wenn er aber 

b) dämunerachtet beharrt; fo ift fein 
Mifsverftändnifs als fchuldhaß zu verdammen. 

Denn , im erften Fall huldiget er doch in 
der That?dem Rechte, fo wie er ficb im an^ 
dem demfelben zuwider auflehnt. 

* 

In wie fern Mifsverftandnifs unter den 
Pacifcenten herrfcht, ift kein Vertrag unter 
ihnen. 

Denn, fie haben fich nicht verfländigt 
(PO- 

Ein Pacifcent kann dem andern fatfche 
Worte geben (verba dare), d. h, lügen. 
Beweis 9 yiexi7* 

In wie fern ein Pacifcent den andern be- 
logen hat , ift der Vertrag Nichts. ? 

^ Denn, 



s 



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fl. Dat typthetifcU fcrßmtmchr. 329 

Denn, es ( ift kein wahres Wort gege- 
ben, worauf man lieh verlaffen könnt* 
(106 — 110). 

120. 

Aber, wenn 

z) das Qegebeiifeyn eines Wortes bewiefen, 
Und N 1 

b) die Verletzimg eines .forAto durch( die 
Unredlichkeit von dem Beiognen deducirt ift; 
fo hat diefer ein Recht, den Lügner zu ßra* 
fen und ihn zur Genugthuung anzuhalten. 

Denn , . weiin er ^gleich kein Recht auf 
die Redlichkeit des andern hat, -fo ift er doch 
befugt, ihn bey dem offenbar gegebnen Worte 
zu halten (108) und ihn alfo in Rechtsan- 
spruch zu nehmen, wenn fein Recht durcl^ 
das falfche Wort urkundlich verletzt ift. 

Ein Pacifcent kann das gegebne Wort des 
andern mifsdeuten^ d. h. falfch interpretiren* 

Beweis, wie 124. 

«. » • * - . . . 

«■» Q • 

Wenn der mifsdeutende , 

a) von dem mifsgedeuteten abfleht 9 fo« 
bald ihm der wahre Sinn des gegebnen Worts 
und der Verabredung erklärt ift; fo ift fein 
Irrthum juridifch unfchiiidig; wenn er aber 
demunerachtet - 

X 5 i) auf 

> 



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i 

330 Ä ZUi > .kyprihetifcke VerfoncnrtcKt* 

b) auf feiner Mißdeutung beharrt ; fo ift 
fie juridifch fchuldhafU 

Beweis , wie 122. . * _ v 

Uebrigens habe ich ja wohl nicht notfcig 
hier ausdrücklich zu bemerken , dafs die 

« 

Wahrheit oder Falfcbheit der Interpretation 
nicht von den Vorfiettungen im Bewufstfeytt 
der Pacifcenten abhängt Der ganze Geift 
meiner Arbeit ift dem zuwider, wie jeder 
weifs, der mich verlieht. Denn ich arbeite 
dahin, das Gebiet des äufsern Gerichts in 
feine G ranzet), d. h, auf die Welt der äufsern 
Erfcheinungen einzufchräVrk&i. Und diefe 
Arbeit ift hochft nothwehdig, fo lange man 
noch in, den Syftetnen des Naturrecbts auf 
Maximen Rjickficht nimmt und im auftereni 
Gerichtsgebratich auf innere inquirirt und 
innerlich imp'utirt. Der ffÜfsere dichter fbtt 
lieh um nichts weiter bekümmern, als um 
Traten und Thättr (imputatia^rfO, Wenn 
er es dahin , gebracht hat , dafs er mit math 
mattfeher Gewifsheit fa gen, kann; dok ift die 
That und hier ift ihr Thäter, fo ift er zu fei- 
nem Schlufsurtheil hinlänglich inftruirt. Er 
ftelit nun im Oherfatze das Qefetz und im £7»- 
terfatze die imputatio facti auf; und läfst 
dann im Schlufsfatze die imputatio jwris von 
den* Gefetze felbft ausfprechen. — Wollen 
die Pacifcenten (dafs ich auf das, wovon 
ich ausgieng, zurückkomme)* welche über 

eine 



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H. Dar hppotlirtißfo Pcrfinenrccht. 331 

eine Mifsdeutung utieins find,- fich ciufserge* 
rishtlich bedeuten, wer mag es ihnen weh.* 
reh ! -Aber das ä'ufsere Gericht urtheilt über 
die Wahrheit; *>der Falfchbeit einer Deutung 
blos nach dem aufseren Recht und dem rtinm 
Buchftaben der Gefetze, Wer das gegebne 
Wort eines Pacifcenteri fo auslegt, dafs die* 
fer den Widyfpruch der Auslegung mit fei- 
nem gewiffeii Reefit deducirt, hat jitridifch 
gertoifsdetttet , urid diefe Mifsdeutung kann je- 
der, der das Recht weifs und gefunden Men- 
fchenverftand hat (welches beides überall 
feyn fotl), beurtheilen und wißen« * 

v , Jp wie .fern ein Pacifcent; das, Wort de« 
Glidern nufcd^tet, ift kein Vertrag unter 
ihnen« r , v 

^ Denn, es ift alsdann, kein gemeinfckaftli« 

thes Resultat, Jkpine Uebereinkunft (93). 

r . ... ^ . 

Ein Pacifc eht kann das, was er dem an* 
zugefagt hat, wieder zurücknehmen; 
4. h. fein gegebnes Wort brechen. 
Beweis, wifc 127, 

In wie fern ein Pacifcent die dem andern 

geschehene Zufage bricht, «zirrf der Vertrag 

zu Nichts* . '■ ■ ' 

* - • • . .' 

: ' ' , Denn, 



- 



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33* Das hj/poihetifche PtrfonenrechK 

V 

Denn, das Mittet, welches dem Prom& 
farius von dem Promittenten ausgefetzt war, 
wird durch den Wortbruch von, die fern wie« 
der eingezogen , alfo für jenen aufgehoben 
(103. b). ^ 

• 13a. 

' Aber, wenn 

a) die Zufage bewiefen und 

b) die Verletzung eines Rechts durch den 
Wortbruck von dem ßetrognen beurkundet 
ift; fo hat diefer ein Recht, den Wortbrü- 
chigen zu flrafen und zur Schadloshaltung an- 
zuhalten. . 

Denn, wenn er gleich kein Recht auf die 
Ehrlichkeit des Promittehten hat, fo ift er 
doch befugt/ diefen nach der bewiefeneti 
Zufage und der durch den Wortbruch ihm ur- 
kundlich widerfahrnen Verletzung zu richten* 

Nur durch eine inconfeqtreifte [xsrxßoccii 
•1? ccXko ysvcg konnte ich fonft behaupten, 
dafs der Promiffarius ein. Recht aus dem Ver- 
trage habe, wen« gleich der Proipittent fein 
Wort zurücknimmt. Wie kann man doch ein 
Recht aus Etwas bekommen, weiches zu 
Nickis wird : und dafs der Vertrag durch den 
Wortbruch in der That und Wahrheit zu 
Nichts wird , ift doch wohl aus dem Vorher- 
gehenden klar? Aber freylich erfahren wir 
von der Politik, dafs es das befte und ficherfte 

Mit. 



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IT. Dar hypoihctißhe PcrfmenrccHt. 333 

Mittel ift vom Wörtbrach abzqfchrecken, 
wenn der Wortbrüchige dadurch geflraft wird^ 
dafs er des Wortbruchs unerichtet feine Zu- 
fage erfüllen mufs und fein Wortbruch ihni 
gar nichts hilft. Aber lauen wir der 

» 

Politik, was der Politik ift , und tragen die 
reine Rechtslehre rein vor. In der politifchen 
Gefetzgebung des pofitiven Rechts können 
wir dann die Politik um Rath fragen und ih- 
ren Rath benutzen, fo weit es das reine Recht 
gut heilst« x 

Ein Pacifcent kann die Ziifage des an- 
dern mifsbrauchen , d.h. fie auf eine falfche 
Weife benutzen. 

Beweis , wie 130. 

134- 

Wenn der mifsbrauchende 

a) von dem Mifsbrauch abßeht, fobald 
ihm der wahre Gebrauch beurkundet ift; fo 
ift er wegen deffelben juridifch fchuldlos: 
Wenn er aber 

b) dennoch auf feinen Mifsbrauch zu be- 
ftehen fortfährt; fo ift derfelbe juridifch 
fchuldhaft. , v . 

Beweis , wie i<2#. 

In wie fern ein Pacifcent die Zufage des 
andern mifsbraucht, tritt er auf dem Vertrage« 

' , , , Denn, 

< 



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334 & Dar hypotketifche Perßmenrtcht. 

Denn, in fo fern ift ihm nichts vetfpro« 
chen worden (93) t er nimmt etwas de facto, 
was ihm durch das Vertragswort nicht gege- 
ben ift. «* 

136. 

Pacifcenten kennen in "Rücklicht deflen, 
was fie im Vertrage angenommen haben, an* 
deres Sinnes werden , d. h* es bereuen. 
Beweis, wie 133. 

' *37* " * 

In wie fern die Pacifcenten das im Ver« 

trag angenommene bereuen, wird der Ver- 
trag äuf gehoben. 

Denn, in fo fern hören lie auf, es für 

gut zu hatten (96 — 98- 105. a) (Diffenfü* 
mutuusj. 

Aber, auch ein Pacifcent kann das, was 
im Vertrage angenommen ift, bereuen (poe- 
nitere). 

Beweis f wie ±36* 

139. ' * ^ 

Wetiti der Ppehitirende 

ä) feine Reue beurkundet* d». h» die Un* 
giiltigkeit oder Rechtswidrigkeit des im Ver* 
trage angenommenen deducirt, fo ift feine 
Reue jtiridifch fchuldtoSt wenn er aber 

b) diefelbe nicht beurkundet , fo ift fie 
juridifeh ' ftkulcfrg und et dam Andern fcum 
JSrfate verbindlich. * ^ - 

t\: Denn, 



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II. Bat hypofbetifcke Perßncnttcht. 335 

P 

x Denn, v 

a) das Recht ift äfor alles, und 

b) wenn man gleich kein Recht auf die 
Treue des Andern hat, fo ift man doch be. 
fugt, fich durch Untreue nicht verletzen zu 
laflen, aifb auch Erfatz zu fordern, wenn 
man durch dieselbe urkundlich verletzt wor- 
den ift. * u 

140» 

In Wie fern ein Pacifcent poenitirt, wird ' 
der Vertrag unkräftig (pactum invalidem), t 

Denn, er hat nun die vim legis verloren, 
ift nicht mehr gemeingeltend, wird nicht mehr 
von allen Pacifcenten als etwas, wornach fie 
fich zu richten haben , angenommen (94)- ' 

14*. 

Aber! Vertrage J ollen nicht unkräftig 
werden. - J 

Denn, der Friede des Rechtszuftandes , 
und nicht der Krieg des Naturzuftandes foll 
nnter den Menfchen herrschend feyn C87. 86). 

. Sie fotlen und muffen alfo bewährt werden... 
w Denn, fie fallen nicht unkräftig werden, 
$er können es doch (141. 140). Pacta 
funt fervanda. 

•? 143. 

Menfcken follen und muffen die Verträge 
bewahren* . 

Denn, 

* * 

S f Digitized by Google 



33$ Das hypothetifche Perßnenrechf. 

» 

Denn, von Natur und an und für lieh al- 
lein find fie nicht bewährt (140. u. a. a. OJ; 
aber fie folltn und muffen doch bewifhrt wer- 
den (142) und diefes Gebot gilt den Men- 
schen, denn nur diefe allein follen und.tnx& 
fen, nur diefe allein gehören dem Selbft an 
und hören zugleich die Stimme der Natur« 
Pacta funt cvnfirmanda* 

144. 

Menfchen follen und muffen das im Ver- 
trage gegebne und angenommene Wort in 
der That zur Wahrheit machen. 

Denn, fie follen und muffen die Pacta 
bewähren (J43); dies aber kann nicht anders 
gefchehen, als \tfenn das Wort durch die 
That zur Wahrheit Wird. Älfo follen und 
muffen die Menfchen ihr im Vertrage gegeb- 
nes und angenommenes Wort mit der That 
zufammenfetzen. 

Menfchen follen und muffen ihre Vertrage 
fchliefsen, d. h. contrahiren. 

Denn , fie follen und muffen ihren Wort- 
vertrag durch Tarifvertrag bewähren C r 44); 
aifo nicht blos fich mit einander in (Gedan- 
ken und} Worten vertragen, fondern auch 
einer an dem andern die Sache vertragen, 
worauf ihre Gedanken und Worte gerichtet 
waren. Alsdann wird der Vertrag wirklich 
zu dem Ende (Ziel) gebracht, zu welchem 

er 



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ZT. Dai hypothetlfche Perfmemecht. 3 3 ? 

feiner Stiftung nach hinausgefühlt werden 
foHte, d. b. gefckloffen: alsdann Wort 
und Tbat gleichgefetzt, d. h. contrakirt. 

r 

146. 

Wenn Menfchtn mit einander contrahiren 
wollen ; fo muffen fie 

a) die Sacken beftimmen , worüber con. 
trahirt werden foll (determinatio rei>* ^ 

Denn , wie könnten fie ein GefchäTt «her 
eine Sache zu Stande bringen , wenn fie von 
4fr Sache keine Wiffenfchaft haben ? — . 

147. 

Sie muffen 
B ~"t>> über die beftimmte Sache 
men <conventio de re). 

• Denn, wie konnte fie fonft verträgtick 
(friedlich) von einem an den andern vertra- 
gen werden? — " 

* ' Einer mufs dem andern ' 

e) die Sache, worüber fie übereingeJ 
kommen find, übergeben (traditio). 

Denn , fie mufs in der That von einem an 
«en andern vertragen werden, 

149. 
Der andre mufs 

d) die übergebne Sache von jenem übsr. 
nehmen — - (acceptatio). 

,s<h<'«m.ntiutStfl.desitat.R. y Denn, 





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338 Das hypofhetiJiU 



, fie mufe in der That von einem 
an den andern vertragen werden. 

150. > -* 

Wenn ein Menfch dem andern eine durch 
Uebereinkunft-beftimmte Sache überglebt und 
der letztre fie übernimmt; fo ift ein Sack 
vertrag (Real vertrag) oder ein Coniräct ge- 
ftiftet (cöntractus.). 1 ■ -1 

Denn, alsdann ift eine Sache von* dem 
Einen an den Andern wirklich' vertragen tmd 
der Confenfualvbfrajf in der That gefehlojfen 

In wie fern jemand im Contracte ,jeine 
Sache übernimmt (149), oc^upirt er diefelbe. 

Denn, er nimmt (lie Sache zu fichfelbfl, 
d. h. in das Gebiet f^^s Rechts (150 > 

Acceptatio efl Occupatio. f v 

■ 

Der accepürende (Kontrahent wird — 
nicht Mos geiftiger und körperlicher Befitzer, 
fondern — Ei genthümer der acceptirfin 
Sache. 

Denn, er occupirt diefelbe, das Recht 
alfo, welches er an ihr empfangt (jus ad 
rem), ift ein Recht in ihr (jus in re), d. h. 
Eigenthum (151. vgl. SachenK). Die Accep- 
tation erhebt das Vertragsgut : zu einem Ei- 
genthum des acceptirenden : duigh fie wird 



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ff: B^kyppthetißht PerfittenrtohK 33g 

die A^Jodfcfitlbn^ : dM'I%etlf'-exMttti]Pt' und das, 
was maij^lJch^tiil Wortlrertrage zurechnete, in 
der Thet* erhoben (eirigenoipnifen). 

*53v 

Der übernehmende empfängt alio auch 
die BejfUgnijjje des Eigenthumers an der im 
Contract ^rbobnen Sache, (15 a). 

Ein Sachvertrag (Contraet) ift dasjenige, 
Wodurch einer an Sachen des andern ein Ei- 
genthum erwirbt — - Sachen des andern zu 
feinem Eigenthum hinzu fetzt. Moment der 
Modalität des Contracts (151 w- 153^ 

Es war unmöglich, die Rechtsiehre von 
den Verträgen bündig utid widerfpruchsfrey 
vorzutragen , fo lange man den Begriff der* 
felben mit widerfprechenden Merkmalen dachte 
und die Verträge nicht deducirie, fondera 
(wie das der Erbfehler des Dogmatismus ift} • 
gradefcu behauptete und nach dem Begriff, wei- 
chen man fich gemacht hatte, analytifch be- 
Handelte. Diefer Begriff hat widerfprechende 
Merkmale in lieh* Denn, man Tagt; eitt 
Vertrag ift ein aeeeptirtes' fätfprechen* Nun 
fehe ich wohl ein, wie man ein Verfprecheü: 
annehmen f d. h* es zur Regel Seines Thuns 
machen und fich nach demfelben richten; abet 
nicht) wie man es übernehmen (aeeeptare) 
könne, als wenn es baar Geld wäre, und fich 

Y a in 



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3 4» XL Das bypothetifchc tirfi*e*rechs. 

in die Tafche ftecken oder in Kiften packen 
Uefae. Ich weifs wohl, dafs diejenigen, 
Welche fich, wie ich fonft, jenen Begriff 
ausgedacht haben, das Wort übernehmen 
oder aeeeptiren gemtffs der beliebten Leicht* 
finnigkeit in Worten anders gedacht haben. 
Das mag privatim immerhin gefchehen ; aber 
auf dem Gebiete der IPiffenfchafl tollen fol- 
che allotria nicht getrieben werden. Hätten 
wir es grade heraus gefagt, dafs wir unfern 
Begriff vom Vertrage (aus dem Wort» und 
Sack* vertrage zufammen.) mifchen und nun» 
um die feindfeeligen Elemente des Begriffs 
zu amalgatniren, dem Uebemehmen einen 
fremden Sinn züfetzen mufsten, weil fonft 
unmöglich die nun einmal beliebte Theorie der 
Vertrüge herauskommen könnte; fo hätte? 
doch jeder gewußt, woran er wäre. 

Wie ganz anders haben doch die romu 
fchen Juriften verfahren ! Ich weifs wenig 
von dem corpore juris, aber diefes wenige 
reicht hin, mir jene Manner und ihre Me- 
thode bewunderungswürdig zu machen und 
die Erfahrung zu befta'tigen, dafs der Menfch 
im Leben weit fyntbetifcher zu Werke geht, 
als in der Schute. Die römifchen Rechtsieh« 
Kr unterfcheiden fo wahr als fcharffinnig 
zwifchen einem angenommenen Vtrfprechen 
und einer übernommenen Sache , zwifchen 
Wort* und Sach* vertrag , Pactum und Con- 

tractus, 

> 



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iL Dar hypothetifcK$ Perfonenrecht. 34 t 

tractus, und bringen durch diefe Unterfchei* 
dung und ihr zwar gröfstentheils populäres, 
doch aber kritifches Verfahren eine Bündigkeit 
in die Vertragslehre, deren fich die Natur- 
rechtslehrer nicht rühmen konpen. 

Da nach meiner Ueberzeugung die Ab« 
fonderung des Pacti von dem Contract das 
einzige Mittel ift, den gerügten Widerfpruch 
in der beliebten Vertragstbeörie aufzudecken 
und unfchädlich fcu machen: fo erlaube ich 
mir noch folgende Bemerkungen über diefe 
Sache, welche dem nachdenkenden Lefer 
fchon durch die vorgetragne Deduction evl* 
dent feyn mufs« ^rfc'j v^v *^);' »■ , 

X < ... AA. ./ 

Deduction der Menfchenthat. 

Der Menfch /o// in feinem Lebenswandel 
auf Erden dem Selbftgefetze gleich feyn. 

b. 

Er foll alfo das Selbftgefetz wahrend fei* 
nes natürlichen Dafeyns ausüben, d. h. Recht 
thun , d. i. die Wahrheit in That fetzen. 

c. 

a * 

Menfchenthun und Menfchenthat iß alfo, 
denn jenes und diefe foll feyn 00. 

Y 3 

- 

' Digitized 



34a ff* Tbs Ijfctktlifcht. torfmnrcela* 

' » • 1 : ' F . , • ' < 

Wenn Men&henf/rzm ift,/fo lind auch die 
Bedingungen deffelben ; denn oline diefe 
konnte es nicht feyn. ^> 

Der Menfch tnufs alfo 
\ 1 a) überhaupt etwas tbun können, d.h. 
Kraft haben:. -S . •'»> 

ß) 6a&.Setbßgefet$ verflefhin 9 Wiffenfckaft 
davon haben können , d.hwsSelbftbewufstfeya 
oder Qeißeskraft , Denkkraft haben : m • 
i : 7) ficb fiÄcA 1 dem Selbft gefetz oder wie 
daa Selbftgefefe r;cÄ^ti , fich ß/iß btßimmen 
können, d. b< Selbßfeyn oder Wülen haben 

5) feine Denkkraft in Wirklichkeit fetzen 
können , d« b« Redekraft und 

0 feinen Wüten in/ Wirklichkeit fetzen 
können, d. h. Thalkraft im engern Sinne« 
^ üllhringungs - Ausführung^ • kraft haben. 

Denn das find die Bedingungen d*s deda« 
cirten Menfchenthuns (e. a. b)l f ' ' 

f- 

• Die Denkkraft und de^r Wilfc find die d\j- 
namifcken: die Rede- und Wirk. kraft (S. s) 
die mathetnatifchen Bedingungen des Men« 
fchenthuns. 

Denn durch die erfteren wird das Thun 
möglich , d. h, iß es dem Qeifle nuchx durch 
die andern wird es wirklich $ d. h, erfcheint es. 

Die 

- 



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Dm-lfooilietifike PetfmchhcWi 343. 

DIV «rftern : find die ' ! Iransfcendentalen { "> die 
letztem 'die inetapkyfifchen Bedingungen. 

1 > • 

~JDfle dgnamifcheri Bedingungen detf Men- 
fchenthuns find innere oder immanente: die 
mathematifchen aber äufsere, transfcendente 
Kräfte, . , : . •/ : 

die(e .aber natürliche * <Jer Natur gleiche l\ri(te, 
weil fie ,tiftli$ Itytijr, wirken (e« J, : sX 

- -Aua 4en Bedingungen^ des 7%?w£ C^rr-g) 
willen wir auch 4# ßedfpgjingeri der TbaL ^ 
cc) dynamische Bedingungen« 

olx) Gedanke. Bedingungen der That 



nach 6em>mhient W Modalität: 
ßß) Entfchlnfs. Bedingungen f ffer That' 
, :j • a mtch de in dornen t der Delation, 
ß) mathematische Bedingungen. 
\ äat) vWortJr Bediv&itigen d*r Tfeat naph 
ff -,; j , . dem Moment der Quantität ' * < 
^ . ßß) fPet-k, Bedingungen der Tbat nach 
dem Moment der (e-r-g). 

^ -V 1 Richtung ier MenfchentHat. ' r ' u 

^ .- Der aynamifctien Bedingung jiaich wird 
cias 37««« der IWeufchen innerlich gerichtet 
oder geurtneileU 

Y 4 Denn, 



Di 



344 Ä" hypothetifche Per/onenncktl 

Denn , Qeift und Willen find S#ibftkrSfte 
und werden aifo durch das Seibft, d. h. in- 
nerlich in Regfamkeit gefetzt, ihre Regun- 
gen werden ihnen zugetheilt von dem Seibft, 
Von der Ur . fache. 

Den mathmatifchen Bedingungen nach 
Wird das MWchenthbri ikfserfith gerichtet. 

1 Denn , Rede . und %irk • kraft find Natur. 
krafte: und werden alfo v6h de* Natur, d. h. 
äufserlich in Regfamkeit gefetzt, ihre Regun- 
gen werden ihnen zugetHailt von der Natur, 
fie regen ütih der Sache nich. 

B e richtet oder B e wtheilt yxxi das Men- 
fchenthun 

*) il«»-i^»^^ ( rBed]i«ung«ii nach, 

innerlich: 

t'fl) fleh tnathernatifchtti «*chv Ä^ r ^Ä- 

Denn, da es in Abfifcht aföf jene innerlich 
?/! und 1 feine Richtfchnur innerlich Aa* (g i); 
fo »können arnch die dynamlfchen Regungen 
in dem Menfchenthun nur innerlich gemeffen 
l Und mit dem Selbftgefetg verglichen werden. 
Aber das mathematifche lfifst lieh mit feiner 
Richtfchnur äufserlich vergleichen, darüber 
littst fich Recht fprechin, denn jenes fo* 
Wohl als ^diefe ift äufserlich (k). 



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ff. Dtt lppefhttifcht Ptrfepettrccht. 343 



♦ * IT!« 



•> G*<*W* und Entfchlnfs haben Mps ein 
steres: WortxmA Werk aber ein äußeres ode* 
ein iVatargericht (h — 1). D*a Naturtechiv 
fo\yohi das reine, welches wir abhandeln, 
als. das angewandte, welches eine £ache, des 
pofitiven Juriften ift, hat es .alfo Mos mit 
Worten und Werken und fohft^mit nichts za 
thun. Nur : die letztern fteheiv unter geßitrie. 
benen Gefetzen: die erften unter folchen,, 
Welche nicht geschrieben find.'- ,n 

CC. 'I 3»"-iv c ' V.* 'ut 

fr * % . ^ * 

Anwendung auf Pacta •und 5 Cbntraetur, '"" 

<' :■ <:■-•:'■ :><: u.i ns ~: ■ ;> «-, ■ rr.v- 

, Eine wtfhmmn* T»at raufciu* £Krjtg*; 
fetzt feyn.(,,,, ■••<*•.... . v> , T . 
, Denn, ehe uhd bevor diefes nicht ift, ift 
fie nicht nach allen ihren Bedingungen da, 
eine That, die noch keine j;hat ift. Aber, 
wenn g^ehen^^eßgt ^.^ ift.dift 
ihat, JJtaU ... - . (/ r . v:: - v .. 

Eine That, die Mos dem Gedanken nach? 
ift, ift eine : blofse Idee : ift fie auch dem.E«£ 
/cftfa/s nach , fo ift fie eine Idee , welche für 
den Willen Realität hat , das heifst , eine 
ideale Auf gäbe : aber auch in diefem Fall noch 
blos innerlich* dynamifch. Ift fie endlich 

Y 5 auch 



■ / 



Diaitized 



$4<S W. Dat- kfaotketlfibe P&ß9tenrtcht: 

» 

auch dem /IPorf* nach, fo wird fie äufseriich, 
aber ift dodh ndch unvollkommen * «4enn fie ift 
lioch blos gefugt, >d, h, ins /%r4» aber noch 
nicht ins IVevk ge fetzt. 

Das gleich* gilt nun von der That des 
fcrtrageus % - ^fän Vertrag ift blofse Idee* fo-' 
Zern er blos dem t Gf danken nach; Ideal, fo 
fern er depi //fy/m nach ift* In beiden Rück 
lichten ift er gar keine Sache für das Natum, 
recht, weil er blos etwas innerliches oder /or- 
mal es (was eine Form geben kann) ift. Er 
wird uaturr$cfytfyj;lfo rfo wie. v er^apfangt fich 
zu äufsern oder zu formaüjiren (einer natür- 
lichen Sache feine Förth mitzutheiien) ; aber 
i&:nhvöltkomfnto, fo f erri et bm in ' IVort* 
gefetzt (gefagt oder gefchrieben )* ift, uu£ 
xnüfcbin» WtitefaUm (gkhan) feyn, -wenn 
er vollkommen, & h. gefchlojfen werden foll; ! 

Ratte man hur auf das Wort. iinen Ver- 
trag ftutfeß'en,'* felbftd6nfcfenne 4 Aijtfmerfc 
famkeit wenden wollen, fo hätte'es flicht fo 1 
vieler Umftande bedurft, um die klare Wahr- 
heit ins Kferd zu 'fetaen , daß ein Pactum, 
di h. ein in (Porte gefetzter Vertrag etwas 
anders als ein Contract, d. k ein ins Werk\ 
gefetzter Vertrag fey, dafs nur diefer natur- 
rechtliche Vollkommenheit habe und die 
gewöhnlich {©genannten Verträge, d. i. die 

+ v accep- 



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ff. Dßt tyfQthttißh Perjbnentecfo 347 

icceptirten Verfprechen Baßarde (pacta fpo* 
ria) find, . 1 . r ^ , 

Es kann feyn , dafs jemand dem Satze 
ypn der Unvollkommenheit der^ Conlerrfual* 
vertrage den fophiftifchen Einwand entftegepj- 
fetzt 9 dafs diefer Satz geführt ich fey, ja daf? 
er wohl gar, ,wenn r er die.Gritazen des Na- 
turrechts nicht kepnt, von Mßx^en i9 ijn$* 
wenn er den allgemeinen Willen nicht ver- 
Ü?Mf 4* vo * ^,fprechen 5 anfa^g^ ob die 
^^Vollkommenheit ^er Verträge wohl allge* 
mein geupallt werden könne, 4 Damit ^fich 
ein folcher niclÄ vergebliche Mühe mache, 
will ich 

ihm rathep, die Sätze und jüi^ Cjegen- 
ittze gegen fefn ^eliWbtes SyÄMzii vet> 
ßehen, 'ehe er ficli geg&i fie rattet; 1 ' 

^ b). ihn fragen» wie er denn befugt Wör- 
den fey, von einer /4r* vori Verträge^ 
(Vertrage auf die Zukunft) zu fprecKen , alä 
feyen fie die Verträge überhaupt und allein 
Völllrohimen ? üridilim zu bedenken g&ben, 
öW wohl eine wideffp^uchvöllfe Theorie' VÖ* 
Hhrfichkeit fichere: und denn endlich 

c) noch bemerken, dafs diefe gfcfthrl!. 
che Lehre mit dürren Worten nichts anders 
fagt, als dies: Weil die fforiverttSge un- 
vollkommen find und blos durch iStoAvertrSge 
etwas in der That und Wahrheit vertragen 
wird; fo follen und müfien Menfchen es 

nicht 



Di 



348 tt» üas hypothetifcU ^frjbnenrechi. 

üickthty jenen bewendet* laßen/ fondern 
Wortvertra'ge realifiren ! — — » ' 

In wie fern jemand im Vertrage eine Sa- 
che übergiebt y übertäfst er diefelbe (derelin- 

' Denn , er tliut fie von ficn , aus dem Ge- 
biete feine« Rechts weg (148). ' 

156. 

Der tradirende Contirahent hört aüf — 
"nicht bloa der Befitzer , fondern auch — de: 
Eigenthtimer der tradirteri Sache zu feyn. 

Denn, er derelinquirt fie (155)« 

^57* 

Und befugt dadurch den occeptirtnden, 
fie in fein iEigenthum aufzunehmen, d. h. 
teijlet fie ihm. 

Denn, durch die Dereliktion macht er fie 
dem Conirahenten zu Gunften titeilos. 



el 


• 







fliner , dem Andern etwas leiftet — Einer 
dem Andern etwas überiäfst (155 — *57)« 
Moment der Retation. 

Dynatnifch überhaupt betrachtet ift ein 
Sachvertrag dasjenige» wodurch der Eine aut 
hört Eigenthümer von feiner Sache zu feyn 
und der andre es zu feyn anfingt (151 • *5&>* 

160. 



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x<5o* 

In wie fem die Vertragenden ^ iäfber die 
beftimjnte Sache übereingekommen find, ift 
Eintracht unter ihnen. 

' Denn , in fo fern ift die Sache von einem 
an den andern efam&thig vertragen, alfo' 
nicht blofse Einmuth! gkeit (confenfus) unter 
ihnen, fordern reale Einmuth igkeit, d, h. 
Hinfracht (contrarius). 

• 

Die Contrahirenden haben einer dem an» 
dem etwas zugegeben (accordirO , nicht bloa 
3üge/ag*: nioh* Wo« ihr Wert, fbndern ihre 
Sache gegeben i H ; >• r > 

Denn, es ift reale Eintracht unter ihnen 

1624 : ; > 

'1 . > y 

Und einer hat das Recht , deji. andern bey 
der zugegebnen Sache (bey dem Accorcfy zu, 
halten Cj«» ad rem;. 

Denn ,. fie iß einem, von dem andern zu- 
gegeben. 

»63. 

Ein Contract ift dasjenige, wodurch ei« 
ner dem Andern eine Sache zugiebt (zu- 
theilO — ein Accbrd (160— x6aj. Mo* 
raent der Q&a^ifÄ. 

- 

1 » 

164. 



Digit 



35 * nl^Däi hypMktißui $erßmgmrectö$ 



164* 

' In Wie fern die Cöntrahifaftden tfie Sä. 
chen beftipimen, worüber contrahirt werden 
foll, find fie in Unterhandlung (Tractaten)u.A 
4 . Df nn , ^erklären fich nicht . blos , ^on. 
dem fie erklären fich übfr, etwas , haben et* 
Was unter Händen* * . v . 

Die Contrabirenden vertrauen einer dem 
Andern eine Sache an* 

Denn, fie gebän fich etwas unter die ' 
Hände (*Ö4). ; ^ j 

1 Und haben ein* Rechfrifti fordern » dafc 
dies nicht veruntreuet (ab Händen gebracht) 

Denn, fie vertrauen es blos einander au I 

AW flacht kti* verlangen* dafs das 
fihgebotne lind anvertraute genommen und uti« 
ter Händen bekalten Werde, 

Dfcmir fie ; thögetf r eiher Peffoti' wblii et* 
Was anbieten , und Preis geben* aber nicht I 
aufdringen und ohne -fiteitre Frage äufchtagen* 1 

Ein, Contraet iß dasjenige* Wpdurcti el* 
ner dem Andern eirae Sache anvertrauet 
anbietet — Pre4a giebt (i6$-*-i67)* Mo» 
ment der Qualität, 

t6q. 



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ff, Da* fypothitifche Perßmnrecht. 

Matkematifih überhaupt uft ein Cbhtract 
dasjenige, Wodurch einer dem Andern eine 
angebotne Sache accordirt (161 — 168). 

170. 

Contracte find heilig. 

Denn, fie haben juridifche Vollkommenheit* 

I 7 I - ^ 
Sie find alfo an und für fich; 

a) reine. 

h) allgemeingültige, 
*' c) abfohtte. ■ ■ 

d) wahre Rechtsfachen.-' - ' 
Denn, fie find heilig C*?o). 



172. 

Aber! Menfchen können fie entheiligen — . ' 
ihre Reinheit beflecken, ihre Allgemeingül- 
tigkeit beschränken, ihre Abfolutheit beding 
gen und ihre Wahrheit verfalfchen. j 
; Denn, fie find Menfchm. 

Mehfcbett können alfo einander 

a) falfckes Gut, d* h. fechttwidrige Sachen 
anvertrauen, 
* b) falfch accordiren, 
c) falfch übergeben und 
a; falfch Übernehmen (17a.- 151 — 168). 

174. 



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« 



35* A B*' typothetifike Perfeuenrecto, 

»74- 

Aber! die*;/a// nicht feyi». 
..j. Denn, Contr acte find heilig. 

■ ' 175. 

j 

Wer es demunerachtet thut, ift ein Vet* 
brechet, und, je nachdem er in culpa oder 
|n dblo ift, ftraf würdig. . 

Denn , er bricht ein Gefetz« S. Deduck 
der Verbrechen und Strafen» 

176. 

Contracte follen heilig gehalten werden. 

Denn, fie find heilig und bleiben unveN 
letziieh C170): Contracte find eine flrepge 
Rechtsfache« . . 

177. 

Contracte find alfo von Rechtswegen 

\ a) unveränderlich, 

h) wibedinglicfu 
* c) unbefchranktich , und 

ö) unetidfick (unaufheblich). 

Denn, fie find flrenge Rechtsfachen: 
gelten alfo ewig, ohne Rückficht auf aufsere 
Bedingungen , als Dinge an fich* ohne Aus- 
nahme und ohne Ende. 



178- 

Aber! fie können von Menfchen gebrt* 
chen werden, l .1 

* 

'Denn , fie find Menfchenmerk. 



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//. Das kypothetifihe Perßmtnrcchi. 353 

v 

17^. 

Menfchen können alfo 

a} das in den Tractaten Preisgegebne ei- 
genmächtig wieder zurücknehmen : 
b) den Accord aufheben : 
. c) das Uebergebne wieder an lieh ziehen: 
das Uebernommene wieder von fich 
ftofsen (178. I5 1 — 168). 

180. 

Aber! das Jollen fie nicht thun. 

Denn , Contracte find unveränderlich, 
unbedinglich > unbefchränklich und unendlich 

> i8r. . . 

Wer es aber doch thut, ift ein Ferbn* 
eher und verhältnifsmäfsig ftrafwürdig. 

Beweis, wie 175. * " 

182. 

Der Contract bleibt folcher Unthaten un* 
erachtet kräftig. 

Denn , er ift heilig ! » 

183- 

Wenn er aber durchaus in feiner Kraft 
bleiben foll, fo mufs er ein wahrer Contract 
feyn. 

Denn, ein Contract, welcher nicht wahr 
ift, ift in Wahrheit kein Contract. 

Schaum, mnes Syß. des nas.R. Z J84* 



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354 & Ü** typotketifche Perfonenrecht. 

184* 

» * 

Er mu fs alfo, 

A)^was feine Form betrifft, 

a) beßimmte Sachen zur Grundlage ha* 
Ben. Contracte über nichts find nichts und 
über unbeflimmte Sachen fo gut, wie Nichts* 
Was blos im allgemeinen beftimmt ift, kann 
keinem unter die Hände gegeben werden» 
Was fich nicht mathematifch beflimmen täfst, 
darüber kann man nicht unterhandeln. 

b) accordirt feyn. Wo kein Accord ift, 
ift kein Contractu Wo man nicht Handels 
einig ift, ift kein Accord. Und was lieh 
nicht ausmeflen und ausrechnen läfst, darü- 
ber kann man nicht Handels einig werden. 

c) Uebergabe in fich fchliefsen. Wo 
nicht übergeben ift, ift nicht derelinquirt, 
Und was man nicht in feiner Macht hat, kann 
man nicht übergeben, und was keine Sub- 
ftanz ift, hat man nicht in feiner Macht. Im 
pacto werden IVorte derelinquirt : aber mehr 
kann auch der Andre nicht. occupiren., 

6) Uebernehmung in fich begreifen. Wo 
nicht übernommen ift, ift nicht occupirt. 
Was man nicht mit feinen Menfchenhfindea 
greifen kann, ift nicht übernommen, und 
was nicht da ift, kann, man nicht greifen. 
Worte und Werke und Hand und Mund könnt 
ihr antaften: aber an den Gedanken und Ent- 

v< fchliif- 



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iL Das hypöthetifihe Perfonenrecht* 355 

fchlüffen werdet ihr zu Schanden werden 
(146 — 150). , ' * 

185- , 

Was 

B) feinen Qehalt betrifft} fo mufs der 
Wahre Contract 

a) Sachen betreffen. Perfonen haben 
einen Rechtstitel und gehören fich felbft an. 
Sie mögen fich alfo felbft Preis geben, wenn 
fie böfe und niedertrachtig find; und der An- 
dre mag fie für baar Geld annehmen, wenn 
er es $uf gut Glück wagen will (denn ein 
JRechtsband ift hier gar nicht, weil es kein 
Perfonenrecht giebt); aber ihr follt fie nicht 
ausbieten. Habt ihr keine Sachen und wollt 
ihr nicht arbeiten, fo gebt lieber euren Leib 
der Natur Preis, als dafs ihr das, Recht feil 
bietet und Schaden nehmet an eurer Seele* 
welches am Ende doch auqh den Kopf trifft. 

b) Er mufs Sachen betreffen, über die 
accordirt werden kann ; aberDafeyn, Leben, 
Freyheit und Perfönlichkeit haben keinen 
Preis. Ueber die reine Lehre und Aufklärung 
kann kein Accord gemacht werden. In Kir^ 
chen und Schulen giebts keine Lieferanten. 

c) Er mufs Sachen betreffen, die überge» 
ben werden können. Kann man den Glauben 
tradiren, wie der Commendant eineFeftung? 
Gedanken in denFifcus liefern, wie Afflgnatefc 
fein Leben wegwerfen, wie einen Fingerhut? 

Z a i) end. 



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I 

356 lt. Das hypothctifchc Perfbnenrecht. 



d) endlich Sachen , die übernommen wer- 
den können. Wer mehr übernimmt, als er 
tragen kann, überladet fich, und wer lieh 
überladet , bedarf des Arztes. " Wer nach 
dem fchnappt, was er nicht erfchnappen kann, 
bekömmt Wind, und wohl ihm, wenn er 
deffelben los wird, wie im Hudibras fleht, 
und nicht platzt. Wehe dem Mann, der 
durch fein Uebernehmen in der -Welt bekannt 
ift, wenn das, was er aufs neue ausgebrütet 
hat, beliebt ^ird. Seih Schiff fch eitert an 
diefer Klippe (i840* 

186. 

Was 

O die Realißrung des Contracts durch 
Menfchen betrifft; fo muffen die Contrahen- 
ten, der Praeftator und der Praeftatarius 

a) Perforiert feyn. Denn nur diefe ha- 
ben einen flatum naturalem und ein Sachen- 
recht. 

b) Sie muffen frey feyn. Sonft find fie 
keine Perforiert. Uebrigens mögen fie durch 
Stock oder Degen, durch Lug oder Trug, 
durch Dummheit oder Herzensangft zu dem 
Accord bewogen feyn, wer kann ihr Herz 
oder ihren Kopf unterfuchen, und was gehn 
diefe natürlichen Dinge den felbftftändigeti 
Contract an ? Wenn fie nur juridifch frey wa- 
ren, d. h. nichts aecordirten, was dem fir engen 
Recht zuwider iß, fo ift von diefer Seite der 

Co»* 

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r 

< 

I 

//. Das kypothetifehe Per fonenr echt. 357 

Contract wahr.* Der Satz : erzwungnö, und 
Betrugs- vertrage ijnd ungültig , und die Di- 
ftinction zwifchen vis jufta und injuftafind 
herrliche Verftecke für die Friedensbrecher. 
Zwang und Betrug; aber nicht Contra et e 
find ungültig. Straft den Gewaltthuer und 
^Betrüger und entfehädigt euch an ihm: aber 
dasEhrwürdige in Ehren ! Gebt jenen, was 
ihnen Recht ift, aber auch Gotte, was Got- 
tes ift. Cpntracte find heilig! 

* c) Es muffen ihrer mehrere feyn. Ein 
Mer>fck ift nicht dreyeinig und kann mit fich 
allein nicht tractiren. i- 

d) Diefe mehreren muffen da feyn und 
zwar für fich da, d. h. bey fich, und für ein* 
apder d*, d. h. in Qemeinfchaft feyn , münd- 
lich oder fchriftlich mit einander correfpon» 
diren. Wer mit Verrückten contrahiren will; 
ift mindeftens auch verrückt: mit Kindern^ 
dummer als ein Kind, oder ärger, als ein 
Wucherer. Gegen* Gott und die Heiiigeli 
kann man wohl affectiren ; aber nicht mit ih- 
nen correfpondiren (150 u. a. a. 0. ). — 
Ferner: die contrahirenden muffen 

* 

e) Sachen haben f * • ' 

f) welche in ihrem geifiigen und * 
!g) körperlichen Befitz und 

h) ihr Eigenthum find. 

- Z 3 Denn, 

■ § 



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358 IL Dat hypothetifike Perßmenrecht. 

Denn, fonft könnten fie nichts Preis ge- 
ben, accordiren, tradiren und titellos machen 
(146 — 169). 

187- 

■ 

Im übrigen können die Contrahenten ihre 
Contra et e .auf verfqbiedne Manier machen: K 
fie können 

a) übör Sachen, die fie an fich haben 
(z. B. ihre Kräfte- im Dienfi - Bevollmächtig 
gungs- Verlags- contracte u. f. w.)* oder 
über folche, die fie nicht an fich haben (im 
Kauf- Mieth - Leih- contracte u. f. w.), coa* 
trahiren : ^ , ' 

: b) entgeldlich oder unentgeltich, 

c) bedingt oder unbedingt, 

d) zielfetzlich oder nicht contrahiren. 
Denn, wenn- nur die Methode wahr ift, 

fp fällt das übrige fchon zu. Auch die Ma- 
nier der Tradition und Acceptatlon kann man- 
nigfaltig feyni Solutio. Datio in folututn, 
Compenfatio u. f. w. 

188* 

Ein wahrer Contract kann durch Nichts 
aufgehoben werden. 

Denn, er ift ewig. Auch der Tod kann 
ihm nichts thun;^denn der kann zwar die 
Contrahenten , und die contrahirte Sache, 
wenn fie lebendig ift, treffen , aber der Con- 
tract feibftkann nicht getödtet werden. . 

*89» 



^ 



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iL Dat hypotketifche Perßmtnrccht. 339 

X89- 

Aber er kann fich felbfl durch fich feibfl 
aufheben, d. h. aufs neue thä'tlich vertrugen 
werden (Austrägaivertrage.). 

Denn, nur der Contractu der Sachvertrag 

ewig. Im übrigen haben Perfonen ein 
Sachenrecht und können daher die Sachen, 
Welche lie vorher dahin vertragen hatten, 
nachher wieder anders wohin vertragem 
Difir actus {nicht diC/enfus mutuus) bebt einen 
Contract in der That und Wahrheit auf, weil 
er ihn in der That und Wahrheit nicht auf« 
hebt, fondern erhält. 

Die Manier der Austragung i& $ wie jede 
Manier zufällig und verfchieden. 

Das Refultat diefe's Abfchnitts ift; Men* 
fchen < füllen und muffen aus der phyfifchen in 
eine juridifche Gemeinfchaft treten (2%* 

a 

IOO. 

Alle Menfchen , d. h. jeder einzelne hat 
das Recht, feine Sachen an andre zu ver- 
tragen. 

Denn, jeder einzelne ift eine Perfon und 
hat als folcbe ein Sachenrecht 

191. 

Aber, kein Menfch, d. i. nicht ein einzi« 
ger kann und darf alles an alle vertragen. 

Z 4 Er 

\ 



Di 



3$o IL Das hypothetifche Perfbnefirccht. 
Er kann nicht, denn er ift durch Zeit 

» 

lind Raum gebunden: er darf nicht, denn 
nicht alles ift fein Eigenthum und nicht jeder 
will mit ihm contrahiren. 

192. 

Das Recht zu contrahiren ift alfo in fei. 
tier Ausübukg unvollkommen. 

Denn, nicht ein einziger kann und darf 
alles an alle vertragen (19t). 

193- 

Menfchen können , wenn fie gleich das 
Recht zu contrahiren ausüben, doch noch 
einer gegen den andern widerrechtlich, gefetz* 
widrig verfahren. 

Denn, jenes Recht ift quaad exercitium 
unvollkommen (192), und Menfchen find 
nicb^ blos fich felbß, fondern auch der Natur 
zugethan und können alfo heteronomifch ge- 
gen einander verfahren (25. d). 

194- 

Sie*önnen , unerachtet der Ausübung je- 
lies Rechts, doch noch einer gegen den an- 
dern Willkühr und Gewalt beweifen. 

' Denn , fie haben nicht blos Selbßkx?Xt 
des allgemeinen Willens , fondern auch A T a- 
fwrkraft des -PWt/aJwillens und Heterokratie 
(25. c. 192). 

*95- 

Sie können , ob fie gleich über diefeis und 
jenes hier und da Verträge gefchlofien haben. 

doch 



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IL D^/ '* hypot hetifche VerfontnrtchU 361 

doch noch in Widerfpruch mit einander feyn 
und r irt Uneinigkeit ' leben. 

;" Denn, fie find nifcht blos iini£* Wefen, 
foie das Selbftgefetz, fonderfi auch mannigl 
faltig, wie die Natur und antinomifch (25. W 

J 9 2 > 

I96. 

( IVTenfchen^önnen , wenn gleich einzelne 
mit einzelnen contrahirt haben , cfoch noch 
einer des andern Recht befehden z und auf 

heben. . : .. . t „ ... , 

. Denn, nicht $as Recht alleifj erfüllst fie, 
fondern auch der Gegenwind, die Negation 
des Rechts, nemlich tyatur. Sie find antithe» 
ttfck .(25-. a. jpa). ... >tl: .. 



1 r 



x 97« 

Un erachtet' der einzelnen Oontracte bleibt 
im Ganzen immer noch Krieg. 

v Denn, wenn gleich, einzelne Menfchen 
iti Abficht ehwreltteti: Skchen den Naturzu* 

ftand unter einander aufheben : fo bleibet» 

• 

ITe doch im Ganzen phyßfche Perfonen und 
ihre Rechte natürliche Rechte (26) , mithin 
bleibt in dem Ganzen immer noch Naturzu« 
ftand. Durch Contracte wird das bellum 
fingutorutn cum ßngulis aufgehoberi, aber 
nicht bellum omniutn cum omnibus, pax fin* 
gutorum cum fingulit, aber nicht omniutn cum 
omnibus geftif tet. . 

Z-5 '98. 



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3 6a IL Das hypothctifthe Perßnenmkf. 

, . 198. 

Aber! Krieg foll durchaus* aufhören. 
Denn, der Naturzuftand foll ein Ende 

nehmen uno der Rechtszuftand allgemein 

gelten* . 

*99- 

Der Krieg foll und mufs von Grund aus 
mufgehpben werden. 

Denh, er foll durchaus aufhören (198«) 

200. 

Unddie Quelle des Kriegs foll und muff 
zu Nichts werden. 

benrt, der Krieg foll nnd mufs von 
Grund aus aufgehoben werderi.' 

Coltifionen follen und tnüffen aufgehoben 
werden. ^ 

Denn » ixe find die Quelle des Kriegs 

(84« 85)* 

' \ * , 202. - 

Die Menfchen follen und müden fich 
confolidiren. 

Denn, Collifionen follen und muffen auf- 
gehoben werden , und das kann nicht anders 
gefchehen, als wenn die Einvelnheit der Men- 
fchen aufgehoben wird und die einzelnen. 
Eins werden. In fo fern Einheit ftattfindet* 
ift keine Colltfion: wo diefe ift, da mufs 
Eins und das Andere feyn , nur mit einander 
kann man züfqmmenQiofsen* 



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IL Das hppothetifche PerfontnfcchL 363 

»03. - 

Von Natur find die Menfchen nicht cotu 
folidirt , denn von Natur find fie Natur , eine 
Vielheit, einzelne Menfchen. Die Confoli- 
dation der Menfchen mufs alfo von ihnen 
felbft geflifiet werden. Depn, was fich nicht 
altein macht, mufs von Menfchen gemacht 
Werden, wenn es gemacht werden foll. 

1 

Aber die Confolidation, welche als Be« 
dingung des Rechtszuftandes poftulirt wird, 
ift nicht eine plvyßfche. 

Denn, gefetzt auch diefe wäre nicht un- 
möglich*, fo wird doch grade das Gegentheil 
derselben — phyüfche Vereinzelung (Diflipa* 
iion) der Menfchen — poftulirt (1) und es 
Jkann alfo von dem gleichen Gefetz (der 
Rechtsidee) nun nicht das Widerfprechende 
aufgegeben werden. 

Die poftulirte Confolidation ift alfo eine 
folche, welche keine (phyfifche) Confolida- 
tion ift — - eine Einigung, welche die Tren- 
nung nicht aufhebt — einZufammenthun der 

* JMenfqhen in ein Ganzes, wobey doch jeder 
' Theil für fich, jeder einzelne einzeln bleibt: 
\ kurz, keine Zufammenfchmelzung, fondern 
? eine Zafatnmenfammlung, Zufammengattung, 

* Congregation — (304). 

ao6* 



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364 IL Dat hypothetifche Perjonenrecht. 



ao6. 

Das Poftülirte mufs dem Poftuiirenden 
gtßick feyn, denn diefes kann fich felbft nicht 
widerfpreehen. Die poftülirte Confolidation 
der Menfchen i(t alfo eine juridifche^ durch 
die Rechtsform beftimmte, denn fie wird 
yon der Rechtsidee poftulirt. Diefe foli der 
ewige Einigungspunct für dieEinzelnen feyn, 
Sie follen ficb fammeln unter der Fahne des 
Rephts. 

Auch kann das Recht, einzig und allein 
die Menfchen iVi der That (nicht blos dem 
Scheine nach) und auf ewig ("nicht blos auf 
Jahre oder Jahrhunderte) vereinigen. Denn ? 
was nicht Recht ift, ift nicht Recht: alfo 
dem Selbftgefetz nicht gleich, alfo nicht eU 
nig in fich felbft, und mithin zur Einigung 
ungefchickt. Mag man immerhin Millionen 
von Menfchen phyfifch congregiren, d. h. fie, 
wie der Hirt feine Schaafe einzäunen, damit 
fie den Acker des Herrn düngen, naturam 
furca. 

Wenn Menfchen eine juridifche Congre* 
gation ftiften wollen, wie fie follen und muf- 
fen; fo wird dazu folgendes, als conditio 

r 

fine qua'non erfordert. Sie muffen 

a) ihrem antithetifchen, 1 

b) ihrem- antinomifchen, 

c) ihrem heterokratifchen, % 

X 

I 

\ 



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d) ihrem hetyronofnifcken Wef^n, d. h; 
ihrer IViderfetzlichkeit, Qefetzwidrigkeit, Will* 
kührlichkeit und Widerrechttichkeit eritfagen. 

• Denn, der Natur zufland mufs aufgeopfert 
-Werden, wenn der Rechtszufiand geßiftet wer« 
den foll. Niemand kann zweyen Herren 
dienen. Fiat juftitia et pereat mundus. Die 
Wtlt liegt im Argen. 
• * ao8. 

Dagegen haben fie> als poßtive Bedin- 
gung der juridifchen Congregation , folgen, 
des zu thun : - . ' 

a) Ihre gemeinfchaftliche Intention mufs 
auf die RechtSreaUtat gerichtet feyn , fie müf- 
Jfen aus antithetifchen Wefen fynthetifche wer- 
ben, d. h. fich juridifch zuf ammen fetzen : 

b) Diefe ihre gemeinfchaftliche Intention 
mufs auch allgemeine Extenfion haben, lieh 
auf fie alle ausdehnen , allgemein gelten ; fie 
muffen aus illegalen ( widergesetzlichen.) le- 
gale (gefetzliche) Wefen werden, d. h. fich 
juridifch richten. 1 

c) Damit diefe gemeinfchaftliche Inten- 
tion die gebührende Quantität (a. b) haben 
könne; muffen fie auch eine gemeinfchaft- 
liche Caufsalität, welche fie insgefatni rieh- 
tet, haben und fich daher einer allgemeingel- 
tenden Richtfchnur unterwerfen , Subßanzen 
der allgemeinen Ur fache feyn. Sie müffen 
aus heterokratifchen Wefen # welche will- 

kühr- 



) 



Di 



366 iL Das hypothctifihe Verfonenrechu 

kuhrlich handeln midieren jedes etwas an- 
ders will als das andre, autokratifche werden, 
d. i. folche, welche aus Selbftkraft, alfo frey 
handeln und deren Gefatntmlle (volonte de 
tous) der allgemeine Wille (volonte' univer- 
feile) ift : kurz , fie muffen fich juridifch f u b- 
ordiniren* 

A) Sie miiffen endlich, weil ihre Inten- 
tion in unbegrenzter Ausdehnung dem allge- 
meinen Willen unterthan feyn foll (a — c), 
alle das wollen, was der allgemeine Wille 
will, d. h. das Recht mufs ihr gemeinfchaft- 
lieh er Richtpunct feyn; fie muffen aus hete- 
ronomifchen Wefen, welche etwas anders, 
als das Recht (materiale Zwecke} begehren, 
autonomifche werden, welche das wollen, 
was das Selbftgefetz will und deren Zweck 
nicht eine Natur erfcheinung und bios regula- 
to ift, fondern reines, conflitutives Seyri bat : 
kurz , fie muffen fich juridifch modificiren 
oder einrichten. 

Denn, wenn diefes (a* — d) nicht ge- 
fchieht, wenn die Menfchen den Rechtsver- 
ein nicht intendiren , wie kann er dann geflif* 
tet werden? 

209* 

Wenn fich Menfchen juridifch Zufammen- 
fetzen, richten, fubordiniren und modifici- 
ren (208); fo gefeiten fie fich und fiiften 
eine GefeUfchaft (focietas jaridica), 

, Denn, 



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IL Dar hypothetifiJie Perfinerirecht. 367 

Denn ,, fie haben alsdann nicht Mos ein- 
«In über einzelne Sachen contrahirt und die 
Idee einer cbmmuriio negativa realifirt; foi*. 
dem fie haben fich felbfi in Eins vertragen und 
die Idee einer yo/fiiwwGeme : infchaFt ins Werk 
gefetzt. Einer will, wa9 alle wolleil , und 
alle wollen, was Einer will* Es ift ein 
JRechisverein da. 

In wie fern die einzelnen Menfchen fifch 
juridifch einrichten oder modificiren (208. d), 
haben fie in der That und Wahrheit einen 
gemeinfchaftlichen Zweck (fcopus cotnmunis}* 

Denn das, was in Wahrheit allen gemein 
ift, nemiich das Recht, motivirt üe in der 
That. 

211. 

Diefer getneinfchaftliche Zweck ift ihr 
gemeinfchaftliches Gut (bonum*commune) und 
eine öffentliche Sathe (res publica). 

Denn , an dem Recht haben alle etwas zu 
gut , yreil es allgemein gilt und es gilt allge* 
mein, Wsil es Publicität hat** 

312. 

Die öffentliche Sache ift der lebendige 
Centralpunct aller Einzelnen , d. h* dasjenige 
"Welches das Streben eines wie aller und aller 
wie eines thä'tig beftimmt: für einen wie 
* für alle exfiftirt und von einem fpie von allen 
bezweckt wird. ' 



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//. Dastypothetififofy 

Derm* . fie ift ihr gemeipffhaftliches Gat f 
alfo Mittel für fie, wie fie für <dies Gut und 
2 Weck für fie, wie fie für daflplbe. 

; Eitje (Jefeilfchaft ift organißrt und hat 
«ine Organisation^ Die einzelnen Menfchen 
find ihre Glieder. , . 

Denn, die Tendenz des Ganzen ift auf 
die Theiie , die Tendenz der Tbeile auf das 
.Ganze gerichtet: ihre Richtung alfo in der 
That eine, d. h, eine Einrichtung (unifor- 
mitas) und die einzelnen find Theile eines 
organifirten Ganzen , d. h. Glieder. 

214. 

Eine Gefellfchaft ift da, wo einzelne 
Menfchen fich zu einem öffentlichen Zweck 
organifirt haben (au — 213. Moment der 
Modalität. / . 

In wie ferh fich die Gefellfchaftsglieder 
juridifch fubordiniren (20&. c) j haben fie in 
der That und Wahrheit einen. Gemeinwillen 
(voluntas communis). , , > 

Denn, fie wollen das in der That, was 
in Wahrheit allgemeiner Wille ift: fie huldi- 
gen alle zufammen dem Recht ! 

Diefer Gemein wille (215) ift das gemeine 
Befle (fini^ communis) und eine fouveräne 
Sache (res eminens,). 

- ,1 Denn, 



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II. Dar hjipothetifihe Per forum echt. 369 

► 

Denn, das Recht gilt über alles Chat ein 
pretium eminens) und ihm ift einer wie alle 
unbedingt fubordinirt. Das Recht ift der 
einzige Optimat, welcher unbedingter Ofcer- 
herr ift. ; 

217. 

Diefe fouverSne Sache (216) ift die Ho- 
heit, vor welcher alle und jeder lieh beugen 
foll und hat in Wahrheit Majeflät (majeftas 
realis). 

Denn, fie ift das gemeine Befle: etwas 
befieres, als fie, wird von niemand aner- 
kannt; ihre Hoheit ift erhaben: ihre Majeftat' 
nicht Schein, fondern Wahrheit! 

218. 

Eine Gefellfchaft ift monarchifch und hat 
eine Monarchie. Die Gefellfchaftsgiieder 
find Ünterthanen. 3 / ' ~ y 

• 

Denn 1 , nur Einer ift Herr, nemlich das 
Recht, und diefem Einen dient alles, d. h. es 
ift ihm unterthan (217). 

Eine Gefellfchaft ift da, wo die Gefell, 
fchaftsglieder von der MajeMt des Rechts 
nionarchifch , d. h. ausfeh liefsend beherrfcht 
werden (215 — 218). Moment der Delation. 

220. 

Eine Gefellfchaft ift da, wo fich einzelne 
JWenfchen unter der Souveränität de« Rechts 
' Schaum, neues Syfl. dttnae.R. Aa or* 



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37 o //. Das hj/potbetißhe Perfoncnrechü 

orgatoiGren. Dynamifches Moment überhaupt 
(zu — 219). 

» • i 22 r# 

In wie fern die Unterthanen fich juridifch 
richten (208- b), haben fie in der That und 
Wahrheit ein gemeinfchaftliches Gericht (fo- 
rum commune). 

Denn , fie richten fich in der That nach 
dem, >Vas in Wahrheit allen gemein ift. 

222. 

Das gern ein fchaftliche Gericht (221) ift 
gemeine Wohlfahrt (Talus communis) und: 
der öffentlich? Potentat (rector publicus). 

Denn, das R^cht kommt allen zu gut 
ijnd keiner hat etwas Befferes, als dies ; bey 
i|em Recht Mo fahren alle wohl (falvifunt 
omnes) und das Recht fchreibt dasjenige 
Verfahren vor, welches Allen zu Gut kommt, 
allgemeinnützlich ift, Publicitat hat: es ift 
eine öffentliche Macht (potentia publica) und 
Was fie macht, ift öffentlich, wie fie ftlbft. 

v Der öffentliche Potentat allein hat öffent- 
liche Autorität (fides publica) ijnd in Wahr*: 
heit, HerrHchkeit (illuftratus, infigne imperiO« 

Denn , dem Recht allein tollen alle unbe- 
dingt glauben und unbedingt gehör fam feyn, 
fich nach demfelben nmflern (iuftrare). 



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IL Das kypothetiftht Vcrfontnncht. . 371 

224. 

■ • Eine Gefellfchaft ift ntonokratifch und hat 
'eine Monokratie. Die Unterthanen haben 
einen öffentlichen Stand. ^ 
r ; Denn, a//e/>* das Recht regiert in der Ge- 
fellfdhaft und theilt einem, wie allen die 
Würde feiner Herrlichkeit * mit. Alle Unter- 
thanen find Standesperfonen. 

225. 

Eine Gefellfchaft ift da, wo die einzel- 
nen Unterthanen unter öffentlicher Aüctori- 
tat einen gleichen Stand haben. Moment 
der Quantität (221 — 224,). 

226. 

Jn.wie fern die einzelnen Menfchen fich 
.juridifch ziifammenfetzeu (208« a), haben fie 
in der That und Wahrheit eine gemeinfchaft- 
liche Ordnung (ordo communis). 

Denn das, was in Wahrheit allen gemein 
Jft, beftimmt in der That die Zufammenfe* 
tzung, die Reihe deffelben. 

227. 

Diefe gemeinfchaftlfche Ordnung 1(226) 
ift das gemeine liefen und das öffentiiclü Band 
(vincnlum publicum). 

Denn, fie ift die Bedingung des gefeil* 
fchaftlichen Seyns und durch fie wird einer 
mit allen und alle mit einem zufammwgehalr 
ten (226). 

Aa 2 228- 

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372. ^ Dm typottetifchc Perfonenreckc. 

t Das öffentliche Band ift der Grund der 
i Gefellfckaft und Grundgefetz. ( lex fundaraenta. 
Iis) für alle die einzelnen Qefellfchßftsglieder. 

Denn , auf ihm beruhet die Gefellfchaft, 
durch das öffentliche Band wird fie gefetzt: 
durch daffeibe werden die einzelnen zu Ge. 
feilfchaftsgliedern zufammengefetzt und zu* 
fammengehalten, d. h. zu Gefellfehaftsglie- 
dem ttrfprnnglich verbunden. Wer die Ge- 
fellfchaft als Gefellfchaft, d. h. von Grund 

L • 

„ aus will, mufs an dem öffentlichen Bande? 
fefthalten , fich durch daffeibe verbinden laf- 
fen (2 2 7 ). 

229. 

Eine Gefellfihaft ift conßUuirt und hat 
eine Confittutian. Die Gefellfchaftsglieder 
find Mitglieder (ntembra focietatis). 

Denn, das Zufammehftellen der Einzel- 
nen in Eins, ihr Zufammenftehen , das Ste- 
hen für Einen Mann ift der Grund der Gefell- 
fchaft: und hiedurcft werden alle Einzelnen 
mit einander (insgefatpmt) verbunden ; einer 
Mittel und Zweck für alle und alle Mittel und ] 
Zweck für einen (228). ^ • 

230. » 

Eine Gefellfchaft ift da, wo, fich ein- 
zelne Menfchen zu einem öffentlichen Bund 
conftituirt haben. Moment der Qualität 
(226 — 229J. 



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JA ' Das hypatheliftht Perfoncnftchte 37 3 

■ 

! Eine Gefellfchaft ift da, wo fich einzelne 
Menfchen unter dem Regiment des Rechts, 
conftituirt haben. Mathematifches Moment 
überhaupt (2 21 — 230). 

232. 

Die Couftitution deir Gefellfchaft ift ihrer 
Form nach eine Synthefis a priori. 

Denn, fie fetzet der Rechtsidte gleich 
C229. 208. 

*33- 

Diefe Synthefis a priori verbindet ihrem 
Qehalte nach alle und jed^ Gefellfchaftsgtieder. 

Denn, die Gefellfchaftsglieder insgefammt 
find gehalten fabligati funt), der Conftitu- 
tion, als folcher, gleich zu feyn, fich durch 
ihre Synthefis a priori beftimmen, zufam- 
menfetzen zu laden' (22$). 

2 34- 

7 1 DieConftitution foll und mufs lebendiger, 
d. h. werkthätiger Grund/atz für einen wie 
für alle feyn, ' 

Denn, fie verbindet alle und jede (2 3 3)« 

*35* 

Sie foll und mufs daher 
a) von allen und jedem thätig angenom** 
tuen werden, jeder foli und mufs fie als 
Grundfatz auf feine gefellfchaftlichen Wprte 
und Werke anwenden: } ■ 

Aa 3 b) fie 

- 



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374 & at hj/pothettfche Perforunrechi* 

b) fie foll und mufs von jedem thätig an. 
erkannt werden : jeder einzelne mufs und foll 
ihr in feinen Worten und Werken huldigen : 

c) alle und jede follen und müflfen über 
fie thätig übereinkommen: einer wie alle und 
alle wie einer follen und muffen der Confti- 
tution in der That gleich feyn : 

d) von allen und jeden foll und mufs fie 
thätig erklärt feyn: jeder einzelne foll und 
mufs durch fein gefellfchaftliches Thun be- ( 
weifen, dafs er fie inne habe. 

Denn, die Conftitution foll und mufs le- 
bend iger Grundfatz fdr alle feyn (234). 

In Abficbt der Conftitution follen und 
> muffen lieh alle thätig vertragen (pactum in 
facto , L e. fociatio). I 

Denn , fie foll uod mufs von allen thätig 1 
angenommen, anerkannt, zugegeben und er- 
Ktfrt feyn (235. vgl. Ahfchn. C). AUe fol- 
len und muffen ihre gefellfchaftlichen Thaten . 
in das Gebiet der Conftitution vertragen: 
ihren gefellfchaftlichen Lebenswandel der j 
Conftitütionsordnung gleich fetzen. I 

2 37- 9 1 

Der Vertrag der einzelnen unter die Con- 
ftitution ift der Grundpertrag der Gefelifchaft 
(pactum fundamentale). 

Denn, in ihm überlafst man fich der Be- 
dingung des gefellfchaftlichen Seyns (228). 

1 < 




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t 

■ 

I 

I 

, IL Bas hy^htiifihe'Perßnenrechh 3 7 5. 

* / * • 

• « -* ^ö» ■ ' 

- Der Grundvertrag der Gefellfchaft ift der 
Geiß derfelben. ( 

Denn, er ift die Bedingung ihres lebendi- 
gen Seyns, durch ihn wird die Gefellfchaft 
befeelt; d. i. in That und Wahrheit gefetzt 
(233 — 237.328 — 230). 

1 

239- 

Der Geift der Gefellfchaft ift 

a) republicanifch und gründet 

b) eine öffentliche Macht (poteftas publica). 
Denn , er ift 

a) ein Geift (primus'iriotör) des gemei- 
nen ffafens: und 

b) durch ihn foll und kann eine öffentliche 

Ordnung exfiftiren 226. 227). 

-* 

> 240. 

Die öffentliche Mach* (339. b) beftimmt 
die einzelnen Gefellfchaftsglieder 
: a) gebietend: der öffentlichen Ordnung 
gemäfs zu feyn und ift in diefer Function 
eine, öffentliche Ordnung haltende, oder 
Civil- macht. - -\ 

b) verbietend: der öffentlichen Ordnung 
fich nicht entgegen zu fetzen und ift in diefer 
Function eine, öffentliche Unordnung abwel> 
rende, die öffentliche Ordnung vor Empö- 
rungen gegen diefelbe fiebernde, d. i. CrU 
minal -macht: ' * 

Aa 4 c> ver. 

* ■ 

1 



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376 It. Dat hj^othctifchePerßmcnreekt. 



c) verordnend: die Privat* macht auf die 
Bedingtmgen der öffentlichen Ordnung einzit- 
fchranken und ift in diefer Function eine Zucht 
haltende und dem Muthwillen wehrende, d. 
h. Polizey -macht. 

Denn f durch die öffentliche Macht foll 
und kann öffentliche Ordnung exfiftiren 

(*39)- . 

*4*- ) 
Die Conßitutlon (der Grundvertrag, der 

Geift, die öffentliche Macht) der GefelU 

Tchaft ift 

a) eine reine, 

b) allgemeingültige, 

c) abführte. 

d) wahre Rechtsfache. 

Denn, fie ift eine Synth efis a priori 
(232): die Einfetzung der Gefellfchaft ift 
eine Selbflfetzang. 

Die Conftitution ift das Heiligthum der 

Gefeilfchaft 0 ' 

Denn, fie ift eine Rechts fache (241) 

und Rechtsgrund der Societät. 

- *43- 

Aber ! fie kann in ihrem Gehalte entheilig 
get 9 nach Qualität, Quantität, Relation und 
Modalität ijerfälfcht werden. 

Denn , die fie fliften foflen und müden, 
find Menfchen l 

244. 

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& Das Hypotketifike Perßmenrtcht. 377 

*' DöcB — dicÄ foll nicht leyn; denn die 
Conftitution ift heilig (24a); und, "wer die» 
fes Verbot bricht, begeht ein Qrundverbre» 
ehen gegen die Gefellfchaft, denn pr befeh- 
det den Grühdvertrag (237), und ift ein 
Erbfeind der Gefellfchaft, denn er ift ein 
\Viderfacher ihres Geiftes (238)» wirft auf 
den/ Grund der gefelifchaftlicheft Macht den 
Saamen der Zwietracht und pflanzt in diefelbe 
den Keim der Zerftörung. Darum ift er des 
gefellfehaftlichw Todes fchuidjg (35. vgl. De* 

ductioh der Verbrechen und Strafen,). 

• ... 

Wenn gleich die Conftitution in ihrem 
Gehalte entheiligt worden ift, fö ift und 
bleibt fie doch an fich felbft, d. h. ihrer 
Form nach, 

a) unveränderlich, 

b) unbedingtich, 

c) imbefchränktich, 

d) unendlich, mit einem Wort 

e) unverletzlich. 

I>enn , 1 fie- ift eine Syntbefis a priori, 
dem 'Selbftgrande gleich, ein Heiligthum 
C24T. 242). Die Befugnifs zum Kriege ift 
einem Gefetze unterthan. Krieg nur gegen 
Kriege: aber Friede dem Frieden. , 

Aa 5 346. 



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378 Ä Bai hj/pothetifckc ferfmenrecht. 



Und ßc /öÄ alfo jieilig gehalten werden 

Aber! fie kann gebrochen werden. 
< Denn, de ift in den Händen der MenfcbeD« 

Allein! das /a// nicht geCchehen (246)* 

Wer die fes Verbot bricht, :begeht das Veri 
brechen der Grtmdßürmnng (revohitio) der 
Gefellfchaft, denn er bricht den Grundver* 
trag, . empört fich gegen das Grundgefetz f 
löft das öffentliche Band auf, trennt das ge- 
meine Wefen und verwirrt die öffentliche 
Ordnung : kurz , feine fjände fcljeide», was 
Gott zufammengefügt bat, denn die Conftir 
tution iß ^on Gott, d. h. recht. Revolutio- 
nen und Revolutionäre find verfehmt, auf 
ewig von der Gefellfchaft geächtet. 

249. 

Wenn, des Verbatgefetzes unerachtet, 
doch eine Revolution gefchehen ift, fo tol- 
len und muffen die einzelnen den Grundver- 
trag «ufs neue reaiifiren. 

Denn, Gefellfchaft foll und mufs geftiftet 
werden , alfo auch die Bedingung derfelben. * 

Wer fich der Schliefsting oder Erneuerung 
des Gr und Vertrages widerfetzt, ift ein Anar- 
' < ' . ■ chiß, 




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iL Daf kjfpothetifihs Pcrfmettrechu 374); 

efliß, dentii^er ift ein Feind der gefellfcbaft.f 
liehen Macht von Grund aus, » von Anfang r 
0*P?M) an * Er kein öffentliches Band, 
kein gemeines. Wefen, keine gemeinfehaft* 
liehe Ordnung (Antirepublicaner), 

25*- 

Wer den erneuerten Grandvertrag be- 
ftiirmt, ift ein Contrevolutionift, denn er 
ftürmt gegen das, wodurch die Revolution» 
«wieder gut gemacht wurden Beide — dieftr 
und der Anbrchiß (250) find um fo ftrafba- 
rer, je leichter es ift, durch Zerftörung und 
Zerftreuung >d?r einzelnen Materialien den* 
Bau zu vereiteln und ein neu aufgeführtes» 
Gebäude, ehe es fich gefettt hat, nieder« 
jzöreifsen. u ^ 

252. 

Wer fich dem gefchloffenetroder erneuer, 
ten Grundvertrage entzieht, fich von dem* 
felben ausnimmt (evolvit); hat fteh fein Ur* 
theil allein gefprochen. Er ift:,, als ein fol- 
cher, wefcher derGefellfchaft fremd gewor- 
den ift (emigrans), von dem Gebiete des 
Grundvertrages verbannt (exilium) und hat 
nichts an demfelben zu gut. Denn, w'er 
fich aus dem öffentlichen Bande ablöfet, ift 
ein Bundbrüchiger und hat an dem gemeinen 
Wefen keinen Theil. Wenn ein foleber ge- 
gen die Gefellfchaft in den Naturzufiand tritt 
und fie befehdet, fo hat die letztere Fcindes- 

reckt 



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38o //. * Das hjtppthetifitir&crfonmrc^ 

recht gegen ihn, bis er jeden- Zuftand auf.:, 
bebt, und er ift um fo ftrafbarer, je gefähr, 
lieber ein Feind, der fich vorher als Freund» 
in unferm Schoofse nährte, d.<h* ein Ferra* 
ther ift. 

253- 

Der Grnndvertrag beftiramt den öffentli. 
eben, gefellfchaft liehen Willen (volonte fo* 
ciale). 

Denn , der Grundvertrag ift der Qeifl der 
Gefellfchaft (2 38) und der Geiß formt den 
Willen, Reicher, als eine Setbßkrfkft, nur 
durclfr Selbfltritb , d» h. Geift getrieben wer- 
den kann. 

Der gefellfchaftiiche Wille ift repubtica-. 
nifch. 

Denn , Aer Geift der Conftitütiön beflimmt 
ihn (255), ertheiit ihm alfo aueh feine Form % ' 
welche republicanifch ift (339- a). 

Der republicanifche Wille gründet die. 
gefetzgebende Macht der Gefellfchaft (poteftaa 
legislatoria)., • • 

Denn, durch ihn foll ,Und Jcann ein g^- 
meinfchaftliches Gericht (aa*)» durch ihn köti. 
nen und follen alle einzelne Gefellfcbaftsglie^ 
der einer wie der andre gerichtet (beflimmt)" 
werden , nacbjhm foll und kann einer wie 
alle fich richten* 

• x 1256. 



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iL Dar hypoihttifche Perfirnnfecht. 381 



Was die gefetzgebende Macht befchliefst, 
Jft Gefetz .der Gefellfchaft (lex facialis). 
* Denn , Nvas diefe Macht zu Stande bringt 
eder vollendet* ift ihr Werk % hat alfo ihre 
Form und ift ein öffentliches Gefetz, ein 
Werk des öffentlichen Willens. 



2 57 



Die öffentlichen Gefetze find für die Öf- 
fentliche Wohlfahrt (222) Uber den Privat* 
willen gefetzt. 

Denn, fie find ein Werk der gefetzgeben* 
den Macht (256), welche der allgemeinen 
.Wohlfahrt gleich (222) und als eine Sache 
des allgemeinen Willens über alles gilt (255. 
£o8» b). r . *: » 



» 



.258. ' 



Die öffentlichen Gefetze beftinimen 

a) als Gebot gefetze , ; <dafs die einzelnen 
fich dem, deflen Setzung die öffentliche 
Wohlfahrt poftulirt, unterordnen Collen — • 
Civil ge fetze — Civilgefetzgebung: 

b) als Verbotgefetze , da(s die einzelnen 
fich das, deffen Nicht -fetzung die öffentliche 
Wohlfahrt poftulirt, nicht unterftehen fof- 

— ; Cr iminal gefetze — Criminalgefetzge* 



Ten — 

c) als Erfaitbmfsgefetze, üüfs die einzelnen 
fich der Limitation des Frivatwiliens durch die 



öffent. 



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38* iL Das hypothetifchv&etfinettrecJtt. 

öffentliche Wohlfahrt unterziehen follen — 

folizeyge fetze — Potizeygefctegebtmg: ■" 

6) als Straf gefetze 9 dafs die einzelnen, 
welche fich tfber die Gefetze hki weg und 
-der öffentlichen Wohlfahrt zuwider fetzen, 
durch den Schreck des A'ufsern Zwanges ge- 
bührend getroffen werden follen — PoenaU 
gefetze — Poenalgefetzgebung (vgl. Th. IL 
St» I» II.)« 

Deqg.» die Gefetze find für die öffentli- 
che Wohlfahrt über den Privatwillen gefetzt 

-0*57)- 

i 259. , 

* Der Vertrag der einzelnen unter die ge- 
fetzgebende Macht und ihre Gefetze ift ein. 
Unterwerfungsvertrag (pactum fubjectionis). 

Denn , diefe Macht und ihre Gefetze find 
über dem Prtvatwillen (257) : die Wülkühr 
der einzelne*! ift aifo, unter jene .vertragen. 



260. 



4 . 



Der Unterwerfungsyertrag verbindet alle 
und die gefetzgebende Macht beftimmt durch 
[ die Gefetze ihre gefeüfchaftlicben Verbind- 
Uchkeiten. 

Denn, der Unter werf ungsvertrag bindet 
den Privatwillen an die Auetoritat der Gefe- 
J^e und diefe febreiben alfp »jenem feine ge- 
JfeUfchaftlicW,Ki!pftbng oder Methode vor* 

•Irtji ~2ÖX. 



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II. Bas hej/pofhetifihe Perßm&nttctii* 383 

1 

Di« Ge Hetze verbinden ' ' ' 

' *) alle zur republicanifchen Ordnung, 
auf dafs jeder • -einzelne einen 1 öffentlichen 
Stand habe: 

b) alle 2ur republicanifchen Gefetzmlifsig* 
keit, auf dafs j^dtr einzelne öffentliche Gleich- 
heit habe: . ,,,, . 

c) a//* zur republicanifchen Unterord- 
nung, auf dafs ^Vdfer einzelne 'öffentliche Frei- 
heit habe: r..v: V V V 

d) zur republicanifchen Pflicht, auf 
dafs^ffcr einzelne ein öffentliches Recht habe; 
Kurz / 

e) fie verbinden zur republicanifchen 
Untertänigkeit, auf dafs jfrfer einzelne öf- 
fentliche Herrlichkeit habe. 

Denn, die Gcfetze legen -allen Verbind- 
lichkeiten auf, damit für jeden einzel- 
nen 'öffentliche IVoht fahrt exöftire (£57. vgl. 
32 r — 225). *' '7 ' ' u * + v •'• 

262. 

Die J5/«herrfchaft (Monokratie 224) der 
Gefellfchaft ift eine £W/?/Zherrfchaft (Auto- 
kratie). / — 

Denn , fie ift eine Herrfchaft der Gefetze 
und der gefetzgebenden Macht, welche dem 
Geiß der Gefellfchaft gleich ift 254). Durch 
diefe Ä/*j3herrfchaft wird der Widerfpruch 
gelöil, dafis einer Unterthan und doch Herr, 
, * - ge- 



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384 & & at hypothetijcju Peffoncnrtckf* 

I 

gebunden und doch frey fey (261); denn, 
wer ficb Selbft unterthanig macht, ift keines 
fremden Unterthan und wer fich Selbft bindet, 
nicht von fremden gebunden 

363. 

Da die Selbftherrfchaft (die gefetzge» 
bende Mächt, der gefellfcbaftliche Wille) 
dem Qeifle der Gefellfchaft gleich ift; fo ift 
lie heilig , wie diefer; aber kann auch, Jo 
fem fie in den Händen der Menfchen ift, enU 
heiliget werden, welches jedoch durchaus 
nicht gefchehen foll (253 ff. 241 ff.)* 

264. 

Wer es dennoch thut, ift ein Hauptfeind 
der Gefellfchaft, weil er der Heiligkeit des 
gefellfchaftlichen Willens zuwider ift und der 
Hauptftrafe würdig. Er mifcht feinen Pri- 
'vatwillen in den öffentlichen und fchändet 
dadurch die Kernigkeit des letztern. Er will 
IVtllküUr auf den gefellfchaftlichen Thron er- 
heben , welcher nur von dem republikani- 
schen Willen befetzt werden foll und ift da* 
her ein antirepublicanifcher Herrfcher, d. i. 
ein gefeilfchaftlicher Defpot. 

Ob er es nach dem Urtheii des äufseren 
GJerichts vorfätzlich oder unvorßtzlkh fey, 
lafst fich nach cfen fchon öfter angegebnen 
Kriterien beurtheilen* Entfagt er feinem 
Defpotismus, fobald ilym derfelbe bewiefen 

* 

■ 



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JT. Das hjtpQthttifiht Perfonenrecht. 385 

ift, fo wird derfelbe für unvorfätzlich er- 
kannt: bebarrt er aber nachher wie vorher in 
demfelben, fo wird er als ein vorlatzlicher 
Defpot verdammt. Wer fich alfo über Defpo- 
tismas gar nicht beiehren laßen, gar nicht 
datfon geredet haben will; wer alle Veran- 
ftaitungen, wodurch der Defpotismus aufge- 
deckt und er und andre auf dehfelben auf- 
merkfam gemacht werden können, z. ß. 
Schriften, Gefpti'che, Verfammlungen, wel- 
'che die Gefellfchaft betreffen ü. d. g. , ver- 
hindern oder vernichten möchte, der ift 
ein verlockter, alfo fehr arger Defpot, ein 
Pharao. ... 

265. 

Wenn aber gleich die gefetzgebende 
Macht entheiliget werden kann ; fo ift fie 
doch in fich felbft unverletzlich und foli da- 
her auch heilig geachtet werden (253. 245. 
246). 

266. 

Wer fie nicht heilig achtet, fondern, un- 
erachtet des Verbots : Du follft dich gegen 
den allgemeinen Willen nicht auflehnen, 
doch gegen fie äuffteht* der ift ein Infurgent 
lind des Verbrechens der Infurrection fchuldig. 
Er ift aufser dem Gefetz $ defcn er hat fich 
über dafielbe hinweggefetzt. 

* v 

Schaum» neues Syß. des nat.R* Bb 267. 



1 

1 



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386 IL Das hypothetifche Berfouenrechu 

467. 

Die Entfchrüjfe der Selbftherrfchaft (de. 
creta) haben Qefetzeskraft (vis legis) und 
alfo auch Qefetzeswirkung (effectus legis). 

Denn» wozu die Selbftherrfchaft lieh ent- 
fchüefst, das hat» wie fie felbft, die öffent- 
liche Auctorität des gefellfchaftlichen Wil- 
lens, alfo das Siegel der gefetzgebenden 
Macht und die Form des Gefetzes. Es ver- 
bindet mithin auch den Privatwillen aller ein- 
zelnen. 

268- 

Aber! der Privatwille kann der Kraft des 
Gefetzes widerftreben Amd ihren Effect auf 
fich zu nichts machen. 

Denn, er ift von Natur ein Objict des 
Rechts und der Gefetze. 

£69. 

Allein! — das foll durchaus nicht feyn, 
denn Gefetze follen heilig gehalten und alfo 
nicht unkräftig gemacht werden. Wer die- 
fes Verbot bricht, ift ein Ifödcr fpenßiger und 
des Verbrechens der gefellfchaftlichen Infub* 
Ordination fchuldig. Er wird als ein Wider* 
facher des Gefetzes mit der Criminalftrafe 
belegt, , ' 

1 



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II. Das hyyothetifche Pcrf 387 

370. 

Gefellfchaft iß nicht blas Idee und Ideal 
(irn Geifte und Willen) ; iie foll auch in ddr 
That feyn. Die Idee derfelben foil realifirt; 
das, Ideal derfelben von den Menfchen in der 
Natur copirt (nachgebildet) werden. Der 
Geift und der Wille der Gefellfchaft folien 
daher in Worten und Werken erscheinen: 
die innere Kraft derfelben (ihr dynamifches 
Wefen) foll äußerlich ( mathematifch ) wer- , 
den. .Denn die Gefellfchaft foll den üufsern 
Rechtszuftand bedingen und die in der Natur 
vereinzelten Menfchen zu einem juridifchen 
Ganzen confolidiren. 

271. 

Der gefellfchaftliche Geift und Wille be- 
ftimmen die gefellfekafilichen Sprüche oder das 
Wort, die Stimme der Gefellfchaft (fenten- 
tia fo cialis,). 7 

Denn , durch das Wort gehen Geift und 
Willen in Wirkfamkeit Uber: in ihm verwirk 
licht (ich der Gedanke des Geiftes und offen- 
bart fich des Willens Entfchiufs. Ohne Geift 
und Willen ift der Buchßabe todt: aber die 
Form des Geiftes befeelt ihn , und macht ihn 
durch den Gedanken zu einem Wort: die 
Form des Willens bekräftigt ihn und macht 
. ihn durch den Entfchiufs zu einer Stimme. 

Bb 2 2-72. 

# w 



\ 

j 



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388 //. D** hypothetifiht Perfinenmht. 



Die Stimme der Gefellfchaft ifkj-epublica* 
nifth. 

Denn f fie hat die Form des gefellfchaftli- 
eben Geiftes and Willens : fie fpricht nach den 
Gefetzen, d. h. gleich wie diefelben (27 O* 

*73- 

Die republicanifche Stimme gründet die 
richterliche Macht, die Jurisdiction der Ge- 
fellfchaft (poteftas judiciaria). 

Denn, durch fie foli und kann der Ge- 
meinwitle (215) laut; durch fie über alles, 
was von den einzelnen in Bezug auf die Ge- 
fellfchaft gefchieht, Recht gefprochen werden 
(271. 272). 

474. 

Was die richterliche Macht ausfpricht, ift 
ein öffentliches Urtheil oder ein Rechtsspruch 
(fententia juridica , judicium). 

Denn, es hat, als ein Wort der richter- 
lichen Macht die Form* derfelben , welche re- 
publicanifch ift (273)* 

a 75- 

Der Rechtefpruch fpricht für das öffent- 
liche Befte (216) über das Privatbelieben. 

Denn, er ift dem Recht gleich und hat 
mithin, Xvie diefes, Publicitat und Hoheit 
über alles, was nicht öffentlich ift. 

2.76. 



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ij. Lot hypothetifche Perßnenrechf, 389 

> 

Der 1 Rechtsfpruch fpricht 

a) nach GebotgeCetzen über das durch 
das öffentliche Befte gebotne, 

b) nach /^r^o/gefetzen über das durch 
das öffentliche Befte verbotne, 

c) nach ErlaiibnifsgeCetzen über das 
durch das öffentliche Befte bedingte oder be- 
fchränkte Privatbelieben. Civil - CriminaU 
Polizey. Juftiz (275. vgl. 258). 

♦ 

Der Rechtsfpruch wird bedingt 

a) durch ein rechtliches Erkenntnifs (cof 
gnitio); denn er fpricht für das öffentliche 
Befte über das Privatbelieben (275) und er- 
fordert daher als ä'ufsere Bedingung Fqrßel- 
lang deffen, worüber er fpricht: ohne Er- 
kenntnifs wäre der Rechtsfpruch ein blinder 
Spruch : 

b) durch das Dafeyn eines Rechtsobjects 
oder einer rechtlichen Erfcheinung (in Wor- 
ten oder Werken); denn ohne dafs etwas 
äufserlich iß, d. h. erfcheint, kann nicht vor- 
geflellt, nicht erkannt werden. Nichts ift 
Nichts und Schein ift fo gut, wie Nichts. 
Ohne Erfcheinung (factum phaenomenon ) 
wäre der Rechtsfpruch ein leerer, gehaltloser 
Spruch: 

Bb 3 c) durch 

1 

« 

t 

i 

I 

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$96 IL Das hypothetifche Perfimntiech& 

c) durch das Dafeyn eines Subjects zu 
dem Rechtsobject; das Dafeyn von Meti- 
(chen, welche das Rechtsobject privatim be- 
liebt haben ; denn , ohne dafs jemand eN 
fcheint, welcher das Factum beliebt hat, 
kann über niemand richterlich erkannt, das 
Object von niemand praedicirt werden. Ohne 
Subject wäre der Rechtsfpruch ein fubjectiv- 
leerer, von niemand geltender Spruch : 

d) durch Anwendung des Rechts oder Ge- 
setzes auf die That und den Thäter; denn, 
ohne dies hätte der Rechtsfpruch nicht die 
Rechtsform, weildie Copula deffelben nicht 
durch das Gefetz beftimmt wäre: er wäre 
alfo kein Rechtsfpruch. 

> 

278. 

Die richterliche Macht (273) enthält 

a) das Recht, auf das, was gegen die 
Gefetze anftöfst, zu merken, es wahrzuneh- 
men , d. i. die auffehende Macht (poteftas in- 
l^ectoriä); denn zum Rechtsfpruch ift Vor- 
ftellung deffen, worüber Recht gefprochen 
Werden foll, erforderlich '(277. a): 

b) das Recht, die gefetzwidrige That, 
welche beliebt wurde, zu erfahren, d. i. die 
erkennende Macht Cpoteftas cognofcendi) ; 
denn der Rechtsfpruch erfordert Vorftellung 
eines wirklichen Rechtsobjects, einer obje- 
ctiven Rechtserfcheinung (27.7. *0 : 

c) das 



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IL Das hypothetifche Perfonenrecht, $9* 

t) das Reefit, demjenigen, welcher die 
gefetzwidrige That beliebte, nacbzufor« 
fchen, d. i. unter juckende Macht (poteftas in« 
quifitoria ) ; denn der Rechtsfpruch erfordert 
Wiffenfchaft von dem Subjecte der That 
(277. c): 

d) das Recht, noch dem auf die That 
anwendbaren Gefetze über den Thffter zu 
fprechen, d. i. die urtheitende Macht (pote- 
ftas judicandi) ; denn der Rechtsfpruch poftu- 
lirt die Anwendung des Gefetzes auf die That 
und den Thäter (277. d). r s / 

In wie fern etwas in keiner Beziehung 
auf das gefellfchaftliche Recht ift, Wird es, 
wenn es auch vor. den gefellfchaftlicheti 
Richrftuhl gebracht würde, doch als etwas 
außergerichtliches abgewiefen ; weil die 
richterliche Macht nur zu Recht erkennt. In 
wie fern aber etwas in Widerfpruch mit ei- 
nem Gefetze erfcheint und aifo als etwas 
widerrechtliches angezeigt wird, in fo fern 
ift es zur Anklage qualificirt und wird voa 
der richterlichen Macht verhandelt. 

280. 

Wenn fich eine Begebenheit zur Anklage 
qualificirt, aHb ein Gefetz angegeben ift # 
welches durch diefe Begebenheit den Anzei- 
gen nach gebrochen wurde; fo erkennt die 

Bb 4 rieh- 

1 



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392 IL Das hypothetißhe Per fönen 



richterliche Macht auf Wiffertfchaft von der 

4 

Begebenheit (fpecies facti) /ind Wiflenfchafb 
von dem, der lie beliebte (imputatio facti). 
Nach diefetn wird erft gerichtet ( imputatio 
juris). Wenn die Begebenheit dem Gefetze 
wirklich zuwider ift und der Beklagte fie in. 
der That beliebte; To. wird er vcrurtheilt 
(condemno), und die gebührende Strafe- 
nach dem hieher gehörigen- Strafgefetz über 
ihn erkannt« Wenn aber der Inhalt der An- 
klage nicht als gefetzwidrig deducirt ; oder 
von dem angegebnen Urheber des gesetzwi- 
drigen Vorfalls bewiefen ift, dafs er denfel- 
ben in der That nicht beliebte; fo wird er 
iösgefprochen (abfolvo). 

Der Vertrag der einzelnen unter die rich- 
terliche Macht ift ein Ergebutigsvertrag (pa- 
ctum reßgnationis). 

Denn, die einzelnen fotlen und muffen in 
gefellfchaftüchen, d. h. in Rechtsfachen auf 
ihr Privatbelieben Verzicht thun und daffelbe 
unter die Hoheit des gemeinen Beftens ver- 
tragen, fich in die Rechtsfprüche ergeben. 
Der einige Befehl, welcher in der Gefell- 
fchaft gilt, ift kein Maehtfpvuch , fondern 
ein Selbftfpruch und diefes R^chtswort — » 
der Sohn des Geiftes, der die Gefellfchaft 
erfcbafffc ift der einige Souverän, der 

j über 



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U. Dar hypothetißke PerJbneffrächK' 393?; 

über alle Wbrte und Werke; der einzelnen in 
der Gefellfchaft Recht fpricht. .1 

282. 

Da die richterliche Macht und die Rech ts- 
fpriiche dem Geifte und Willen der Gefell- 
fchaft gleich find; fo find fie heilig, wie 
diefe, aber können auch gleich ihnen enthei* 
/ig* werden. Allein — dies foll fo wenig 
feyn, als die Einzelnen fich der richterlichen 
JYlacht und den Rechtsfprüchen, welche hei- 
lig gehalten werden follen , entgegen fetzen 
dürfen. Wer die richterliche' Macht durch 
Verfälfchung der Rechtsfprüche entheiligt 
(corruptor jndicii, rabula u. d. gj ift eben 
fo wohl ein Verbrecher, als diejenigen, wel-~ 
che den Rechtsfprüchen Gehorfarii verwei- 
gern und gegen die richterliche Macht felbfi: 
fich auflehnen (contemtor et hoftis iudicii. 
Tuthzmorder). 

Der Geiflr, Wille und die Stimme der 
Gefellfchaft beftimmen das gefellfchaftliche 

Wirken. \ 

Denn , ihnen gemä'fs foll und mufs die 
Idee einer Gefelifchaft realifirt werden. 

284. 

Das Wirken der Gefellfchaft ift repubtica- 
nifch. 

Bb 5 Denn, 



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394 hypothetifthe Pcrfoncnrecht. 

Denn , ihr Geift, Wille und Wort haben 
diefe Form (283). 

285- 

Das republicanifche Wirken gründet die 
vollziehende Macht der Gefellfchaft (poteftas 
executiva). 

Denn , durch daflelbe foll und kann eine 
Gefellfchaft in der That feyn. 

386. 

Die vollziehende Macht wirkt für den 
gemeinschaftlichen Zweck auf das Privatver- 
fahren. 

Denn , ihr Wirken ift repubtkanifch (28$* 
3- 8 4). Sie ift eine Synthefis a poßeriori, 
denn fie fetzt das Thun und Treiben der ein? 
zelnen dem fyntbetifehen Satz a priori, d. h. 
dem Qeiße der Gefellfchaft gleich : fie hat ob* 
jtctive.Caufsalität) denn fie fetzt die Qefetze 
der Gefellfchaft gegen die Willkühr der Ein- 
zelnen durch, ift die Handhabe des gemein« 
fchaftlichen Willens; fie hat endlich gefeil- 
fchaft liehe Energie und ift der Arm der rieh- 
terlichen Gerechtigkeit, denn fie giebt dem 
Worte der richterlichen Macht den Nachdruck 
der That. 

Die vollziehende Macht enthält die Re- 
gierung (gouvernemenO der Gefellfchaft. 

♦ 

Denn, 



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IL Das hypothetifihe Perfonenr echter 395 

i 

k~- Denn, fie wirkt für die öffentliche Sache 
auf das Privatverfahren und ift die objective 
Caufsalitat der Gefell fchaftsidee (a86). Durch 
fie, als die öffentliche Triebfeder, wird ein 
jeglicher für den öffentlichen Zweck in Tha* 
tigkeit gefetzt und zu den Mitteln angeführt,- 
welche auf ihn wie auf alle organifch zu- 
rückwirken, 

: - " / • ■" ' * • '• • , ' - . -. ^T. 

Die Regierung der Gefellfchaft fetzt die 
einzelnen in die Verfaffung, welche denn 
gemeinfchaftlichen Gut und, der öffentlichen 
Sache, d. h. allen gemä'fs ift. . / 

Denn, fie ift die Regierimg der Gefell- 
fchaft, d. h. die Rechtskraft, welche die 
Organifation der Gefellfchaft ins Werk fetzt, 
und im Werke erhält, einen für alle und 
alle für einen in Regfamkeit fetzt und auf 
diefe Weife die Verfaffung (IWodification) 
verurfacht, welche dem Geift der Gefell- 
fchaft gleich ift. 

. . r ''Vi' 

. ,. .. : 289. - ; l - . S. - ; • 

Der Vertrag der einzelnen unter die voll- 
ziehende Macht oder Regierung ift der Ver* 
fajfungsvertrag (pactum Ordination isj). 

Denn, die einzelnen folien und muffen 
in gefeltfchaftlicher Abficbt ihr Privatverfah- 
ren unter die Regierung der Gefellfchaft ver- 

tra. 



1 



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396 Ä hypothetifcke Perfonenrichti 

tragen und es durch diefe fo anordnen laffen, 
wie es dem Grundvertrage gemäfs Üh 

Die vollziehende Macht oder Regierung 
Jft der erfcheinende Souverain der Gefell- 
fchaft und hat äufsere Majeftät. 

Denn, in der Regierung offenbart fich 
der Geift, der Wille und das Wort der Ge- 
felllchaft; fie ift alfö der Abgefandte, der 

von der fouveränen Rechtsidee, als Manda- 

< 

tarius derfeiben, aus- in die Natur eingeht, 1 
und der Abglanz der Majeftät, kraft welcher 
fie wirket, 

* * 

291. 

Die Regierung ift, als der mit aufserer 
Majeftät erfcheinende Souverain, äußerlich 
heilig, d. h. ihr Wirken und ihre Werke find 
rein republicanifch ; aber fie kann entheiliget 
werden , da ihr Wirken und Werk durch die 
Hände der Menfchen geht. Allein — wer 
fie entheiligt, ift ein Verbrecher: nicht, 
wie er folite, ein Statthalter Gottes (wah- 
rer König) ? fondern ein Beelzebub (Schein- 
könig) und ftöfst fich durch feine eignq That 
von dem Thron der Gefellfchaft, welchen 
der Himmel des Rechts bedeckt, in die 
Hölle des Verderbens, welches das Unrecht 
verzehrt. 

392. 

< < 
< > 

1 

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JL.Dat hypothctifthe Perßmcnrccb* 397 

.293, 

Da die Regierung äußerlich heilig ift; 
fo foli und mufs fie auch äufserlich heilig 
gehalten werden , fowohi an fich felbft als 
auch in ihren einzelnen Werken. Wer fich 

der Heilighaltung der Regierung felbft entge- 
genfetzt, ein Widerfacher ihrer unbedingten 
Obermacht und Unverletzlichkeit ift, der ift 
ein Hochverräther und beleidigt die Majeftät 
der Gefellfchaft Wer das Werk der Regie- 
rung verwirrt, was fie anordnet, verrückt 
und ihrem öffentlichen Gang entgegengeht, 
ift des Verbrechens der Deforganifation 
fchuldig. Denn er fetzt die einzelnen aus 
der Verfaflung, in welche die Regierung fie 
fetzte. Welches ift der Grund , warum man 
in den meiften Gefetzgebungen des Criminal- 
rechts Miefes Verbrechen nicht findet? — 
Aber! wehe dem, der fein eigen Volk oder 
ein andres deforganifirt ! Die Mine, welche 
er für andre grub, iprengt über kurz oder 
lang fein eignes Bollwerk und zerreifst den 
Frevler gegen das Recht. 

j 293. 

Die Gefellfchaft ift eine Perfan. 

Denn, fie ift ein fynthetifches, legales, 
autokratifches und autonomifches Wefen 

j»_ ' er 1 /\ 

(209 ff. vgl. 6). 



2 



?4- 



uigitiz&u 



398 ft hypotkctifche Pirfoncnrecht. 

a 94» 

Sie hat die Freyheit, Weichheit und du 
' Recht einer Perfon. 

Denn, £e iß eine Perfon (293. vgl. 

7 — 9)- 

295. 

Aber fie ift nicht eine phyftfche Perfon. 

Denn, fie ift in fieh felbft eine reine 
Realität ohne Negation, eine ifeine Einheit 
ohne Mannigfaltigkeit, eine reine Selbft- 
kraft ohne Subftantialita't, ein reines Selbft- 
wefen ohne Zufälligkeit : fie ift, ttoit zwey 
Worten, nicht eine unreine Perfon, welcher 
Natur beygemifcht ift (209 ff.). 

— ' m 

296. 

Die Gefeilfchaft ift eine juridifche Perfon. 

Denn, fie hat ihre Perfönlichkeit durch 
die Rechtsform. Durch das Recht ift fie ge- 
gründet , geeinigt , verurfacht und geformt» 
Die Gefeilfchaft ift nicht eine erfcheinende 
'Perfon , fondern Perfon an fich felbfl ($er- 
fona ovrwq ovcot) : nicht ein Abbild des Men- 
fchen in der Rechtsidee, wie die einzelnen 
IWenfchen, fondern ein Urbild deffelben, 
d. h. er felbfl: nicht eine gegebne Perfon, 
fondern eine folche, welche yon der Rechts« 
idee poflulirt, den phyfifchen Perfonen zur 
Realifirung unbedingt aufgegeben wird: end- 
lich 



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IL Das hypothetifikt Perßntnrecht. ^9» 



li<fli nicht eine Perfon , die du als folche in 
Zeit und Raum anfchauen kannft, fondern 
eine folche, von welcher du nebft allea 
phyfifchen Perfonen durch die Rechtsidee 
eine Selbflanfchauung haben follfl. 

Gewöhnlich nennt man die Gefellfchaft 
ieine moralifche Perfon und denkt fich dabey 
'nichts, als eine Perfon im uneigentlichen 
Sinne. Aber wenn man blos eine uneigenU 
liehe PerfÖniichkeit der Gefellfchaft meynt, 
.was foli denn diefer leere Name in der 
Rech ts willen fchaft, der noch überdies un- 
richtig ift f weil zwifchen moralisch und 
metaphorifch ein grofser Unterfchied ftattfin* 
det? Wenn man fich aber auch unter def 
moralifchen Perfon wirklich eine moralifche 
denkt, fo ift auch dies falfch; denn wie 
fern etwas den Charakter der Moralität hat, 
'fo fern gehört es nicht in die juridifche 
Wißen fchaft. Dergleichen Benennungen find 
ein äufserer Beweis von der Ausdehnung des 
naturrechtlichen Gebiets über das Gewiffen 
und lehren, wie man es einleitete, um auf 
dem Boden des Nuturrechts auch ein Kirchen« 
reell t u. d. g. anzubauen» 

Uebrigens gewöhne man fich ja davon 
ab, dieldee der jnridifchen Perfön und der 
Gefellfchaft für ein Werk der (aus dem be- 
fondern das generelle) abßrahirenden Einbil- 

^ dungs- 



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<4po IL Das * kypothmfch* Ptrfimenrecht. 

«inngskraft zu halten. Die Werlte diefer 
beh nirgends , als in unfrem Kopfe, d. X b. 
blos logifche Realität. Die genannten Ideen 
find Prodacte der reflectirenden , fchaffenden 
' Einbildungskraft, welche aus dem Selbfl die 
Univerfalfprinen zur Bedingung des befon- 
s deren hervorbringt und deren Werke in der 
Wahrheit Realität haben und in der That Rea- 
litat haben fallen und muffen. 

. , 297- 

Die Gefellfchaft hat ihrem transfcenden* 
taten Charakter nach Publicität und daher ift 
ihre Macht 

a) eine unendliche, 

b) eine Allmacht, 

c) eine Setbßmacht, \ 

d) eine Vollmacht. 

Denn , fie ift eine Perfon in Form 
Rechtens (296), mithin dem Rechte gleich. 
S. Th. II. St. L Ihrer Macht, als welche 
dem Selbftgefetze vollkommen gleich, foll 
nichts auf der Welt entgegen feyn : fie foll 
allgemein gelten und in aller Welt offenbar 
werden. * 

Ä98« 

Die Gefellfchaft hat ihrem metaphyfi- 
fchen Charakter nach Souveränität und diefe 
haftet 

r 

i 

> 

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ILDäsbypothetifihePtrfinenrecht. 401 

a) fubjective: an der jurtdifchen Perfon 
:und ift » 

objective: über die phyfifchen Perforier* 

gefetzt. 

c) ihrem Zwecke nach betrifft diefe Sou« 
.veränität das Aeufsere der Perfonen und ift 

d) ihrem Mittel nach zwingend: in 
«£m Satze: Die juridifche Perfön hat Sou- 
veränität über die phyfifchen, um diefe (die 
aufsern, einzelnen Perfonen) durch Zwang 
jener (der juridifchen.) gleichzufetzen. 

Denn, die Gefellfchaft ift eine Rechts* 
perfon , mithin auch in metapbyfifcher Hin- 
ficht dem fechte gleich (296. vgl. Th. IL 

st. n.;. 

Ä99. ; 

Durch Gefellfchaft wird ein Per fönenrecht 1 
gegründet. 

Nemlich : oben hatten wir die 

Thefis. , ; , 

Es giebt kein Perfönenrecht. Und haben 
hierzu den , 1 v 

v Beweis. . }. • 1 ; 

Die Idpe desr_ Rechtszuftandes jboftulirt 
für alle, d> h. für jede einzelne Perfon Frey* 
heit 9 Gleichheit xmd Naturrecht ' ; Aftb kann 
kein einziger ein Naturrecht 'über irgeti£ 

Schtntn. neues Syß. des »*/. R. C C eine 



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403 ttf Dat hypothetifikt. Ptrßneitrccte. 

eine Perfön haben:, wsH diefes der Freyheit 
und Gleichheit widerfpricht, mithin juridifch 
^möglich ift. , 

Hifer haben wir nun die 

AntithefiS. 

Durch Qefellfchaft wird ein .Perfonenrecht 
gegründet und folgenden 

Beweis. ' ~ 

Pie Idee des Rechtszuftandes poftulirt, 
dafe die phyfifchen Perfonen ihren Privat* 
ftand zu einem öffentlichen zufammen fetzen, 
ihren' Privat willen dem allgemeinen, ihre 
Privatftimme der öffentlichen und ihr Privat- 
verfahreh def gemein fchaftlichen Verfaflung 
fubordiniren , kurz , dafs die phylifchen Per- 
fonen, als folche j fich unter die Gefell- 
fchaft vertragen fplien. Die Idee des Rechts- 
auftandes giebt alfo das Recht der Gefell 
fchaft über die phylifchen Perfonen als juri- 
difch nothwendig auf und fetzt alfo durch 'die 
Gefelifchaft ein Perfonenrecht. 
* Der Widerftreife zwifchen derThefis und 
Antithefis wird durch folgende Sätze geho- 
ben, d. h. als eiu Widerftreit dargeftellt, 
welcher es nicht ift. IjJemlich 

a) Keine phyfifche Verüh hat über irgend 
eine andre ein «echt , denn fie find alle ihres 
gleichen : abejr l 

r / *) yJf ■•- < / b) Die 

■ 

i 

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U. Dar hy^potheUßbe Perßiuurecht. 403.- 

b) i Die GefiUfchaft , als juridifcke Perfon, 
hit über alle phyfifcbe Perfonen ein Recht, 
denn fie alle folien ihre ' Natur dem Recht 
aufopfern , au» phyfifchen Perfonen fich zu 
einer juridifchen confolidiren. 

Auch ift keine andte JVTethode zur Grün- 
dung eines Per£onenrecht§ Jt als durch Gefell* 
fchaft, juridifch möglich. 

Denn , Perfonen gehören von Rechtswe- 
gen lieh felbß an, dafs fie ein urfpriin glich es 
Eigenthum andrer feyen ift- alfo eben fo juriU A 
difch widerfprechend, als dafs fie durch Oc. 
cupation erworben werden ^könnten. Zwar 
darf es den einzelnen von ändern einztfaen, 
eben weil fie ihre eignen Herren find ; nicht- 
verwehret werden, wenn fie fich zu dere- 
linquiren und in die Hände andrer zu über- 
geben belieben : aber die Rechtsidee Verbietet 
diefes allerdings. 

Ganz anders aber verhält es fich mit dem 
Perfonenrecht der Gefelifchaft. Das gehört 
zur Möglichkeit .des Rechtszuftandes, dafs 
die einzelnen — nicht Mos die reifte Sachen, 
weit, fondern apeh — die Sachen , welche 
• fie an fich haben , ihr fhyfifches Wefen , ihre 
Natur unter die RecHtsidee vertragen und 
fich dadurch aus einem in fich uneinigen Per- 
fonenhaufen zu einem juridifchen Perfonen- 

Cc % fyfl#n* 

♦ 

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404 & gs hypothctifcbc Pcrfonenrccht. 

fyflcm, zO einer Rechtseinheit cünfolidiren. 
Dadurch fahren fie nun auch in Wahrheit 
kein gewöhnlich fo genanntes Perfonenrecht 
ein, thun fich nicht unter die Macht eines 
andern; fondern weihen bios das» was an 
ihnen Nicht -Perfon ift, dem, was Perfon 
ilt, vertragen ihr phyfifches unter ihr per. 
fönliches Wefen und machen die Entftehung 
eines Perfonenrechts (Anmaafsung eines über 
den andern} eben dadurch unmöglich , dafs 
fie der Gefelifchaft ein Perfonenrecht über 
fie alle 19- der v That zueignen, , 

. • • v 1 ... y 

300. ,. 

Die Gefeilfchaft ift, wie jeder weife, 
der das vorhergehende verbanden hat, heilig 
und , wer fie entheiliget , ein Schänder ih- 
rer Majeftät. Sie foll deswegen auch heilig 
gehalten werden , Ä und unveränderlich , un- 
hedinglich, unbefchränklich und unaufheb- 
lieh feyn. 

Ich weifs wohl, dafs man von Aufhe- 
bung der Gefellfchäften fpricht und die Kunft 
lehrt, wie diefelbe gefchehe. Das mag von 
Gefellfchäften gelten, welche durch logifche 
Fictioniii den Köpfen oder durch phyfifches 
Bedürfnifs auf der Erde entstanden find. 
Diefemag man, die einen durch ausgedachte 
Manieren trennen, die andern mit dem phy- 

* , ; fifchen 



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IL Das hypothetifche Perfonenrechi. 405 

fifichen Bediirfnifs zugleich ein Ende nehmen- 
laffen. Aber* was haben wir mit derglei* 
chen un Sehten Gefellfebaften hier zu febafc 
fen? Die Gefellfchaft, welche zür Bedin- 
gung des RecbTszuftändes gehört, /©// nicht 
aufgehoben werden, denn fie ift Retht> und 
ewig, gleich diefem« 

> *. )•• 

Aber, das wird ?m ferner Zeit aus Grün- 
den erhellen , dafs die Natur das ( zeitliche) 
Dafeyn der Gefellfchaft durch Aufreibung der 
GeiellfchMftsglieder befehden , dafs die Ge* 
^ellTchaftsgUeder und auch Auswärtige Wit 
derfach^r der Realifirung -dpr Gefellfchaft; 
feyn und dfefe alfo innere und äufsere Ob- 
jecte haben könne. Deswegen wird eben: 
die juridifche Lehre von der Gefellfchaft 
hiermit noch nicht gefchloffen, fondern in 
dem Familien-, Staats - und Völkerrechte fort- 
gefetzt, * v ' 

Manchem wird die/es allgemeine Recht 
der Gefellfchaft nicht gefallen , weil es nicht 
in feiner Manier gearbeitet ift. Aber da« 
kümmert mich nicht. Ich bin nun einmal 
unveränderlich davon überzeugt, dafs die 
Gefellfchaft fynthetifch deducirt und nicht 
analytifch ausgedacht werden ; dafs das a//- 
gemeine jus fociale ein nniverfates und nicht 
ein generales Recht feyn mufs, welches letz- 
/ \ Cc 3 tere 



1 - • ■ 



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^06 //. Dar hyyothetifihe Perfonetircckt. 

tere doch noth Wendig herauskommt:, wenn' 
man das gemts der verschiedenen Gefellfchaf- 
ten zum Gefichtspuncte annimmt. Das alU 
gemeine Recht der Gefeiifchaft Weifs nichts 
von ungleichen Gefellfchaften : nichts von 
dem Unterfchiede zwifch en erften und nach- 
folgenden Gliedern» nichts von Entßekung, 
fondern Mos von Gründung der Gefeiifchaft. 
Familie. Staat und Volk find nicht Gefell- 
fchaften von befonderer j?ri, deren jede ei- 
nen andern Zweck hätte. Sie find Gefell- 
fchaften, deren gemeinschaftlicher Zweck 
die Gefeiifchaft ift, zu deflen Erreichung 
jede von ihnen als Mittel nach ihrem Ver« 
hältnifs mitwirken foIL 



r 



' 'S 

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andern Söücfjmt ou6 offen 5B tffenft&aff cn 

aud; folgen!)« ju fca&en. 

* * r # 

ßpodjen btr t>orjüg{(d)jten pfjüofopfyifcfren begriffe 
rte&fi ben nöt^igflen ©erlagen. <5r(ler $J)eil. 
@}>öd)en bev 3öem wn einem ©ecfr, uon ©ott 
tmb bei- menfcf)(icf)en ©eeie. @i)|tem unb Äecfce* 
f)eit ber beiben 9>i;tl)agoreer, ÖcelhiS unb $u 
m&uS, üon Cfcrifi* (Bottft* ÄarDili* gr. 8". 

- 17 f 2. 12 ©r. 

»etrtrams, Philipp iZmfl, (gntwurf einet* ®e* 
fcf)id)te ber ©etafyrtfyeit für biejentgen, welche 
jtcfy ben fernen SStfienfcfyaften ber 2BoUnm$f)ett 
unb ber SKectytfgelefyrfamfeit wibmen, ijter $f)eü, 
8. 1764. 16 ©r. 

»taftbergete , tn* Unterfue&ungen über 
ÄantS^rttif ber reinen 2}ernunft. gr. 8. 1790. 

- 1 9ttf)lr- 

flfcberibaröa, 3ob* 2tttg*, uermiföte ^d^riften^ 
ijter %ty\L 8. 1784. 12 ©r. 

JDefljelben SJorlejimg über bie Seiten ber 2(ufftö< 
rung einer Station, t>or ©r. Jperjogl. <Durd)L 
bem regierenben Jperjog twn SBürtemberg, af* 
9teid>Sgrafen t>on Urad>, geilten., gr. g. 1783. 
4 ©r. 

JDeflclben neue wrmtfdjte ©c&tffttn. 8. 178*. 
22 ©r. k 

JDeffelbcn p^ilofop^ifc^e« $0?aga$in, 1—4. S5<mb. 
8- 1788*1792- Seber <Banb 1 9itf)lr. 8 ©t. 

»♦äHcbmann, <t>tto S+tibwi$, Sammlung fleiner 
2t6f)anb(ungen auö ber 3led)t$gele£rfamf eit, Q^i* 
lofopf)ie unb Oe<onomie. 8-1782. 16 ©r. 

<BunDlinjgs , *3.p., tflad)tid)t t>on ben Commerz 
jien unb Sftanufacturen in ber €^urmarf Sötern* 
benburg, ben ^erjogt^flmern SKagbeburg, <Pom* 
mern, bem Prfient&um Jpalberfiabt — in bem 

3a$r 



« 

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%af)t 171 2; nebft einigen S3orfd)Iagtn, wie 
burd) bie SSerbefimtng berfetöin ba$ ganje 8anb 
; in 2ufna$mt gebraut werben ffinAte. J*>erau*/ 
gegeben t>on 3* <5« ^oebe* 4. 1795. 9 ©r. ^ 

Schaumann s , Joh. Chrift. Gottl. , Ideen zu ei- 

* Tier Kriminalpfychologie. Friedrich Wil- 
helm II. dein weifen Gefetzgeber und mil- 
den Richter geweihet* 8« 1792. 8 @r. 

Ejusdem wiflenfchaftlichesNätur recht. 8- I79 2 « 

• 1 5Htf>Ir- 

?Dcflelben 23erfud) über 2fafff<kung, 3rci?!)eit imb 
©lcid)l)eit. 3n ©riefen. Sftebfl einer Prüfung 
ber 3te{)bergifd)en Schrift fiber bie franä6ftfd>e 
Sievolutten. 8- 1793- 10 ®*' 

Ejusdem Philofophie der Religion überhaupt, 
und des chriftlichen Glaubens. 8« *793* 
14 @r. 

Tjusd. Kritifche Abhandlungen zur philofophi- 
fchen Rechts! ebre. 8- i?95*^ *8 ©?• 

Voigtei, JE* SBerfüd) eines f>oc^6eutfd&en 
Jpanbwörterbud)* für bie 2(uöft>vad)e, Ovtogra* 
j>f>ie, Biegung, Ableitung, Bebeutung uxvb 
SSerbinbung ber,SB6rter. u^ti). gr. 8- 1793- 
2 9W)lr. 

2)c|Telben bito 2. @^-0. gr. 8-1794- 2 StW** 

3D£ff«Ibett.MtD3*^- ® — 3-sr-8.i795- 2 W*- 
Sßörterbud) ber alten ©eograpf)ie naef) ben neueften 
Berichtigungen jufammengeftragen t>on p* 2** 
Xlitffot herausgegeben unb fortgefe&t tum D. <5* 



1 



♦ 



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