Skip to main content

Full text of "Silas Marner"

See other formats


Geschichte 
des 



Militar-Erzieh 
und 

Bildungswes 





Bemhard von 
Poten 




Digitized by Google 



Digitized by Google* 



Monumenta Germaniae Paedagogica 



Schulordnungen 
Schulbucher und padagogisehe Miseellaneen 

auB den Landen deuteoher Zunge 



Unter Mitwirkung einer Anzahl von Faohgelehrten herausgegeben 



von 



KARL KEHRBACH 



BAND XV 

Geschichte des Militar-Erziehungs- und Bildungswesens 
in den Landen deutscher Zunge 3 



BERLIN 

A. Hofmann & Com p. 
1893 



Digitized by Google 



Gesehiehte des 



Militar-Erziehungs- und 
Bildungswesens 

in den Landen deutscher Zunge 



Dritter Band 

Osterreich 



BERLIN 

A. Hofmann & Comp. 
1893 



Von 




Digitized 



STANFORD UNIVERSITY 
LIBRARIES 

JUN 2 81982 



Vorwort 



Die Bearbeitang dieses 3. Bandes der Geschichte des Militar- 
Erziehungs- und Bildungswesens hat dem Verfasser mehr Schwierig- 
keiten gemacht als die der beiden vorangegangenen ihm verursachte: 
tells weil er mit den Verhaltnissen des osterreichisch-ungarischen 
Heeres weniger bekannt war als mit den dort behandelten, teils wegen 
deT Massenhaffcigkeit and Mannigfaltigkeit des zn bewaltigenden Stoffes. 
Sie waren unuberwindlich fur ihn gewesen, wenn er nicht bei alien 
kaiserlichen und koniglichen Behorden, an die er sich mit der Bitte 
urn Forderung seiner Zwecke wandte, das grosste Entgegenkommen 
und im schriftlichen wie im miindlichen Verkehr bereitwilligste und 
in hohem Grade sachdienliche Unterstutzung gefunden hatte. Samt- 
liche Herren, welche ihm solche gewahrt haben, bittet er, Ihnen hier 
nochmals seinen warmsten Dank aussprechen zu diirfen. 

B. Poten. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 

(Abgeschlossen am 1. Oktober 1891.) 



Germaniae Paedagogica XV. 



Der Gang der Entwickelung des Militar-Erziehungs- raid -Bil- 
dungswesens im osterreichischen Kaiserstaate ist kein gleichmassig 
fortsehreitender gewesen. Wir begegnen haufiger jahem Bruche mit 
der Vergangenheit als reiflich uberlegtem und beharrlich durch- 
gefuhrtem Weiterbau auf dem Grunde des Bestehenden. Nicht 
selten blieb die Ausfuhrung grosser Entwurfe und umfassender 
Plane hinter dem Erstrebten zuruck. Erst in den beiden letztver- 
flossenen Jahrzehnten macht sich ein zielbewusstes Streben dauernd 
bemerkbar: Die Mittel entsprechen dem Zwecke, der Erfolg lohnt 
die Arbeit. 

Die plotzlichen Wandlungen, durch welche seit 140 Jahren jener 
Gang mehrmals in ganz neue Bahnen gelenkt wurde, entsprangen 
teils dem Eingreifen thatkraftiger, von der Wichtigkeit ihrer Aufgabe 
erfullter Personen, teils waren sie Nachwirkungen welterschutternder, 
das Wesen des Staates umgestaltender Ereignisse. Ihr Eintreten 
giebt die Marksteine for die Zeitabschnitte, in welche die nach- 
stehende Darstellung gegliedert ist. 

Die erste jener Personlichkeiten war Maria Theresia. Erst von 
ihrer Regierungszeit an giebt es im k. k. Heerwesen Militar-Er- 
ziehnngs- und -Bildnngsanstalten in nennenswertem Umfange und 
von bleibender Bedeutung. Was vorher geschaflfen wurde und geschah, 
von Wallensteins bohmischer Akademie an bis zu der altesten unter 
den jetzt in Osterreich bestehenden Lehrstatten, der von Kaiser 
Karl VI. errichteten Ingenieurakademie, ist daher als 1. Zeitraum 
behandelt worden. 

Einer Fulle von Neuschopfungen begegnen wir im 2. Zeitraume; 
die meisten darunter sind der Konigin selbst zu danken, darunter 
die Begrundung ihrer Lieblingsanstalt, der Militarakademie zu Wiener- 
Neustadt. Wahrend diese noch gegenwartig blflht, ist manches 
andere, was die hohe Frau ins Leben rief, bald wieder verschwunden, 
Ihres Sohnes, des Kaisers Josef II., auf anderen Gebieten so um- 
fassende Thatigkeit hat sich im Militar - Bildungs wesen nicht 
wesentlich bemerkhch gemacht; nur fur die Artillerie, welcher er 
das Bombardierkorps gab, war sie von Bedeutung. 

l* 

Digitized by Google 



4 



Osterreich-Ungarn. 



Wir datiren den Beginn des 3. Zeitraumes daher von der 
Zeit, in welcher der seit 1801 an der Spitze des Heeres stehende 
Erzherzog Karl dem militarischen TJntenichtswesen seine besonders 
dnrch rege Eursorge for das Kadettenwesen gekennzeichnete Auf- 
merksamkeit zuwendete, und haben als den Schluss des Abschnittes 
den Zeitpunkt gewahlt, an welchem, nachdem durch die Stfirme von 
1848 und 1849 das alte Osterreich in Stucke gegangen und der 
Wiederaufbau auf ganz veranderten Gnindlagen unternommen war, 
auch auf dem hier behandelten Gebiete vollstandig neue Bahnen 
eingeschlagen wurden. 

Der 4. Zeitraum zeichnet diese Bahnen bis zu der neuen 
Krise, von welcher das Kaiserreich 1866 betroffen wurde. Es ist 
der Abschnitt, dessen Wesen mit dem Namen Scudier eng ver- 
knupft ist. Wenn auch der zunachst betretene Weg nicht durchaus 
innegehalten wurde und nicht alle damals gemachten Plane Ver- 
wirklichung fanden, so blieben doch die zu Anfang der fiinfziger 
Jahre geschaffenen Einrichtungen bis zum verhangnisvollen Jahre 
1866 im wesentlichen bestehen. 

Von letzterem ab hebt eine ganz veranderte Auffassung der 
Verhaltnisse und eine gegen friiher wesenthch verschiedene Behand- 
lung derselben an. Die tlberzeugung, dass sie neugestaltet werden 
mussten, stand bei jedermann fest und die Einfuhrung der all- 
gemeinen Wehrpflicht schrieb vor, in welchem Sinne es zu geschehen 
habe. Erst jetzt ward das Vorhandensein wissenschafthcher Bildung 
allgemeine Bedingung fur die Verleihung des goldenen Porteepee. 
Aber man fand nicht sofort die Mittel, welche geeignet waren, zum 
Ziele zu fuhren. Ein grosser Teil der getroffenen Anordnungen 
erwies sich als verfehlt und rascher noch, als Scudiers Stern er- 
blichen war, ging die Ara Pechmann voruber. Wir haben sie als 
den 5. Zeitraum bezeichnet. 

An Stelle von Pechmann trat im Jahre 1874 Wurmb, der 
Begrunder der gegenwartigen Einrichtungen. Sie sind teils Neu- 
schopfungen, teils zeitgemasse und zweckentsprechende Umformungen 
der vorhanden gewesenen Anstalten. Die Vorgange des bis zur 
Gegenwart reichenden 6. Zeitraumes haben wohl noch nicht auf 
alien Gebieten des weiten Arbeitsfeldes das gesteckte Ziel ganz er- 
reicht; was aber geschehen ist, hat das Werk demselben nahe ge- 
bracht, und mit Genugthuung darf die Heeresleitung auf die Er- 
gebnisse ihrer Thatigkeit in den letztverflossenen siebenzehn Jahren 
zuruckblicken. 



Digitized by Google 



Erster Zeitraum. 

Von Wallenstein bis zum Hegierungeantritte der Konigin 
Maria Theresia, 1624 bis 1740. 

L Die friedlandisehe Akademie zu Gitschin. 1 ) 

Der erste, welcher in osterreichischen Landen der militarischen 
Jugenderziehung eine Statte bereitete, war Albrecht Wall en stein, 
Herzog von Friedland, der Begrtinder der friedlandischen Akademie 
zu Gitschin: die altesten Nach rich ten uber dieselbe stammen aus dem 
Jahre 1624. Am 14. September d. J. schreibt er aus Prag, vermut- 
lich an seinen Statthalter Taxis: „Es gehen mir noch ein paar Knaben 
ab, wollte nicht gern tolpische bohmische Janku (Hanse) nehmen; 
Schant, ob dorten etwas, das taugt, ist und scbickt mir's her; schaut 
aber, die eine Lust zur Virtu hatten, denn ich halte ihnen nicht nur 
einen Bereiter, sondern auch einen Sprachmeister, Fechter und Tanz- 
meister". Damals wird also die Akademie im Entstehen begriffen 
gewesen sein. Dass sie elf Monate spater in roller Thatigkeit war, 
geht aus einem Schreiben des Herzogs aus Eger vom 3. August 1625 
hervor: „Sehet, dass sie ebbesweilen in der Woche mit dem Bereiter 
ausreiten, dass sie sich gewdhnen zu Ross zu sitzen. Auch dass sie 
die Arithmeticam fleissig lernen und etwan ein musicam instrumen- 
talem. Es wird sie der Organist auf dem Instrument lehren konnen. 
Konnt ihnen auch ein Clavicordium kaufen lassen." Ferner aus zwei 
anderen, am 9. September in Schweinfurt und am 4. Oktober 
1625 im Hauptquartier zu Gottingen geschriebenen Briefen. In 
jenem heisst es: „Die Knaben, so ich studiren lasse, befieissigt Euch 
auch, dass sie die walsche Sprach lernen und halt't ihnen Jemanden, 

J ) J. M. Schottky, Ober Wallenateins Privatleben, Munchen 1832; Oster- 
reichische mihtarische Zeitschrift, Wien 1846, 3. Band, 7. Heft: WaUenateina 
Eraehungaan8talten zu Gitachin und beaonders die dortige Ritterakademie; J. 
Ritter Rechberger von Rechkron, Das Bildungswesen im Osterreichischen Heere 
(Mittheilungen dea k. k. Kriega-Archiva), Separatbeilage der Oaterreichiachen 
militariachen Zeitachrift, Wien 1878. 



Digitized by Google 



6 



Geschichte dee Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



der sie instruirt. Die musicam voi all em will ich wohl, dass sie 
lernen, aber nicht publice exerziren. Sonsten konnt Ihr sie in aller- 
lei Sachen exerziren lassen". Und im zweiten: „Die Schulen nehmt 
in Acht and thut in Ernst nnd Glimpf darzu, dass die Umliegenden 
von Adel, insonderheit die nnter mir meynen, ihre Kinder und Freunde 
hienin zum Studiren thun, doch selbst darauf die spesa bezahlen. 
Ich will auch zum wenigsten an zwolf Knaben Herren- oder Kitter- 
standes, doch nicht von den schlechtesten von Adel, halten, die spiri- 
tuosi seyn, die dorten studiren. Und Euch remittir ich's, dass Ihr 
fleissig Achtung gebt, wie sie erzogen werden; vor alien Dingen 
aber musst Ihr sehen, dass sie auch die walsche Sprache begreifen. 
Berichtet mir bald wiederum wegen Alles." 

Die Zahl der auf eigene Kosten Studirenden sollte 60 betragen. 
Es gelang aber zunachst nicht, diese Ziffer zu erreichen. Der all- 
gemeine Wohlstand war zu gering, als dass viele Eltern sich einen 
so betrachtlichen Aufwand fur die Erziehung ihrer Kinder hatten er- 
lauben konnen wie der Aufenthalt in Gitschin erforderte, obgleich 
der Herzog sich bemiihte, inn moglichst wohlfeil zu gestalten. In 
Beziehung auf diejenigen „so von dem Ihrigen spendiren", schrieb er 
am 20. August 1627 : „Darum suchet sie mit Losamenten zu versehen 
und die Patres Jesuiten mit Praceptoren, auch dass in einem Losament 
beysammen ein 15 oder 18 allezeit sein. Doch dass die Burger ihnen 
Kost und Losament urn ein billiges geben und sie nicht sortiziren." 

Trotzdem gab die Unterbringung in Gitschin zu Verdriesslich- 
keiten Anlass. Die horzoglichen Beamten scheinen auf die Unter- 
thanen einen sanften Druck ausgeubt zu haben, um sie dem auf das 
Gewinnen von Schulern gerichteten Wunsche ihres Herrn gefugig zu 
machen, und so waren deren nach Gitschin gelangt, fur welche die 
Mittel zum Unterhalte fehlten. Wallenstein aber, so freigebig er 
war, beabsichtigte nicht alles auf seine eigene Tasche zu nehmen, 
„denn hatte ich Bettler wollen und fur diese selbst zahlen, die 
hatte ich uberall auf der Gasse aufklauben k6nnen." Es handelte sich 
um Waisenknaben aus Sagan, von denen die Stadt behauptete, dass 
sie arm seien, wahrend dem Herzoge berichtet war, dass sie Ver- 
mogen hatten. Schliesslich liess letzterer sich herbei, „vier der Mittel- 
losesten auf seine Kosten erziehen zu lassen", wogegen vier schlechte 
bohmische Studenten entfernt wurden. Dass die auf Wallensteins Kosten 
Erzogenen Offiziere werden sollten, geht aus der ganzen Einrichtung 
und vielen der getroflfenen Anordnungen hervor und steht im Ein- 
klange mit dem Geiste der Zeit sowie mit deren thatsachlichen Ver- 



Digitized by Google 



Osterrdch-Ungarn. 



7 



haltnissen. Dass es mit der zweiten Art yon Schiilern ebenso ge- 
weseii sei, kann nicht behauptet warden. Die Scheidung der Zog- 
linge in solche, welche auf des Herzogs Kosten ausgebildet, in alien 
ritterlichen Kunsten geiibt und als Edelknaben bezeichnet wurden, 
und in solche, welche nur die Schule besucht zu haben soheinen, 
bestand wahrend der ganzen Dauer der letzteren. 

Des Herzogs Vertrauensmann, welcher die Aufsicht uber die 
Anstalt fuhrte, uber dieselbe berichtete und seines Gebieters Wei- 
8ungen in Empfang nahm, war Gerhard von Taxis, Freiherr von 
Huls auf Wallet8chow, r5m. kaiserl. Majestat Truchsess und Obrister- 
Lieutenant, des Herzogtums Friedland verordneter Landeshauptmann, 
ein Welschtiroler, der aber, wie der Herzog einmal schrieb, so lange 
in Deutschland gewesen war, dass er „hatt wohl konnen Knaben auf 
deutsch und nicht auf die cojonische walsche Sprach nennen." Der 
Fried! a rider nahm an all em, was jener that und anordnete, regen A ri- 
te il; er fragte und liess sich melden, regte an und befahl. Was er 
schrieb und verfugte, zeugt von tiefem Verstandnisse, praktischem Sinne 
und grossartiger Denkungsweise; dabei verschmahte er nicht, sich 
auch urn das anscheinend Geringffigige zu kummern. 

Grundlegend far unsere Kenntniss von der Akademie ist eine 
Jnstruktion 1 ) oder Bericht uber Dasjenige so zur Anrichtung 
Dero Euer Furstlichen Gnaden vorhabenden Akademie von nothen". 
Der Titel kennzeichnet das Schriftstuck als einen Entwurf; was von 
den getroffenen Anordnungen bekannt ist, zeigt dass die in demselben 
gemachten Vorschlage zur Ausfuhrung gelangt sind. Die Instruktion 
lautet: 1. „Erstlich mussen die jungen Edelknaben in alien gueten Sitten 
und Tugenden erzogen, und zu der Furcht Gottes angehalten, und 
zu dem Endt Ihnen eine taugliche geistlichePersohn vorgesetzet werdten. 
2. Einen qualificirten Praceptoren halten, welcher die Jugend in dem 
Studijo unterrichte, und alsso die Zeit nicht unniltzlich zngebracht 
werde. 3. Die Knaben zu allerhand nutzlichen Exercitiis, als nem- 
lich zum Reuthen, Fechten, Danzen, Ringelrennen, Kechnen und 
andern mehr loblichen tTbungen anhalten lassen. 4. Hierzu mussen 
unterhalten werden geschickte Meister, welche die Knaben zu gewissen 
Stunden hierin instruiren und allem denn, So Ihnen der Rector 
Academiae befehlet, fleissig nachkommen. 5. Ein, oder da vonnothen, 
zwo Persohnen anzunehmen, welche sich auf die Ross verstehen und 
den Rectori assistire konnten, jedoch dass der Rector das Commando 



>) K. und K. Kriegs-Archiv zu Wien: 1628, Fasc. XIII ad 6. 



Digitized by Google 



8 



Geschichte des Militar-Erziehungs- nnd -Bildungswesens etc. 



darflber habe. 6. Einen Schmidt, Sattler, Sponnacher und Tischler, 
so die Lantzen und andere nothwendige Sachen fertigen, halten lassen. 

7. Jem an dts aufzunehmen, welcher gleichsam eines Einnehmers Stell 
vertrette, und alle und jedte, zu Verpflegs- und Unterhaltung der 
Academia bedurfftige Sachen und Ausgaben der Besoldung annotire. 

8. Item einen guten Hauswirth zu halten, welcher auf die Kuchen 
fleissig achtgebe und darum richtige Raittung thue. 9. Item wieyiel 
Ross E. F. D. zu In8truirung der Knaben zu halten bedacht sein. 1 ) 
10. Dass dem Rectori Academiae das vSllige Directorium fiber alle 
und jedte Offizir, Maister und andere Diener aufgetragen werde. 12. 
Da sie mit Fleiss bedacht sein, welcher Gestalt alle und jede zu die- 
sen Exercitiis gehorige Persohnen in der Academia wohnen, und also 
allezeit zur Hand sein und ihren Functionibus desto besser obliegen 
konnen. 13. Der Herr de la Sure, Ihrer Durchlaucht in Niederland 
aggregiret, hat sich erbothen, den Chargo dieser Akademia uber sich 
zu nehmen, dafern Ihme das vollige Commando daruber trensportiret 
wurde. 14. Dieser Begehre vor sein Dienstamt und Verwaltung jahr- 
liche 2000 Kronen und dann den Unterhalt auf sechs Persohnen und vier 
Ross. 15. tTberdies begehre er eine Somma Gelts vor seine Reiss, 
soviel nemblichen, als Euer furstliche Gnaden ihme geben zu lassen 
beliebigen. 16. Anlangent der Maister Salare und Reissgeldter, wolle 
Herr de la Sure Euer furstlichen Durchlaucht gnadig Gefallen die- 
selbige anheimstellen. Dero Versicherung, dass er die oft Genannte 
Academia mit so guter Ordre anrichten wolle, dass Euer furstliche 
Durchlaucht verhoffentlich geziemende Satisfaction darob empfinden 
werden." 

Das Jahr 1628, aus welchem die „Instruktion" stammt, be- 
zeichnet einen Wendepunkt in der Geschichte der Akademie. Fast 
scheint es, als ob letztere erst jetzt eine feste Gestalt angenommen 
habe. Es wurde ein herrschaftliches Gebaude fflr sie eingerichtet, 
der Baumeister musste sich anheischig machem es binnen zwei 
Monaten zu vollenden, und es wurde ein „Reuthaus" gebaut, um 
„darinnen in Winters zeit und im Sommer, wenn's regnet, die Rosse 
zu reiten. 8 ) Von jetzt an ist mehrfach von einer „Fundation" die 
Rede, welche der Herzog zum Unterhalte der Schule bestimmt hatte; 
wie hoch sie sich belief ist ebenso wenig bekannt wie Niheres uber 

■ ■ ■ • 

] ) Nach einem Schreiben des Landeshauptmann in Sagan an W aliens tein 
vom 13. September 1628 waren es damala sechs Polleder (Schottky, a. a. 0. 
S. 45). 

*) Kriegs-Archiv: Fasc. XIII, ad 17. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



9 



ihre Verwendung. Schon am 17. Juli 1628 schreibt er aus dem 
Lager vor Stralsund: „Ich hab' euch zu Gitschin befohlen gehabt, 
ihr sollet gegen dem neuen Jahr die Knaben, so ich studiren lass, 
wie die Fundation vermag, kleiden und in Allem, wie's in der foun- 
dation geordnet ist, unterhalten; werdet derowegen sehen, dass diesem 
wirklich und unfehlbar also nachgelebt wird. Dem Doctor, was ihm, 
dass er sie curiren soil, in der Fundation geordnet ist, lasst fleissig 
reichen; wie auch, was in die Apotheken aufgehen wird, zahlen. 
Und dieweil aus lauter Unsauberkeit sie pflegen kratzig zu werden, 
und welche itzt kratzig sein, dass sie der Doctor mit Badern und 
anderen dazu bedurftigen Remedien curirt; wie er denn den Knab, so 
bei mir ist, curirt hat. Sehet auch, dass sie alles das lernen, was 
die Fundation vermag." 

In Gemassheit dieser Weisung paradirten die Knaben am 
Neujahrstage 1629 zum erstenmale mit ihren neuen Kleidern samt 
Leibwasche, TTberschlagen und aller Zubehor. 

Die Zahl der auf Kosten des Herzogs Unterhaltenen betrug 20. 
Es geht dies .aus einem Schreiben 1 ) hervor, in welchem er von 
Gustrow aus am 5. Marz 1629 an Taxis mitheilt, dass er in Mecklen- 
burg eine zweite Erziehungsanstalt fur junge Adelige errichten wolle, 
und aus einem anderen vom 19. Mai d. J. ebendaher, 1 ) dass er junge 
Mecklenburger nach Gitschin zu schicken wiiDsche, aber „die Zahl 
der 20 nicht excediren wolle". Der letzte Brief beweist von 
neuem, dass der Zweck der Einrichtung war, Ofnziere heranzuziehen : 
„Berichtet mich deswegen, wie viel ihrer dorten seindt, auch wie alt 
sie seindt, denn welche etwas gross seindt, die wollte ich zum Heere 
geben, dass sie dienten und wiederum Kleine an ihre Stell hinschicken." 

Johann de la Sure, ein Niederlander, ubernahm damals die 
Leitung und behielt dieselbe fast drei Jahre lang. Unter dem 
3. September 1631 bewilligte ihm Wallenstein, da er „ihme hoch- 
angelegener Sachen halber" um seinen Abschied gebeten hatte, in 
sehr gnadigen Ausdrucken, und, obgleich er ihn „hatte langer dulden 
und leiden mogen", die Entlassung. In welchem Zusammenhange 
mit de la Sures Abgange ein vom Herzoge am 6. April 1630 dem 
Oberst Wengersky, seinem Statthalter in Pommern, ertheilter Auftrag, 
„sich nach einem tuchtigen Akademlemeister umzusehen", steht, ist 
nicht erkennbar. 

*) Dr. Friedrich Forster, Wallenstein als Feldherr und Landeaherr, Pots- 
dam 1834, S. 355 (eine aus Urquellen ijeschopfte Lebenabeschreibung). 



Digitized by Google 



10 



Geschichte des Militar-ErziehungB- und -Bildungswesens etc. 



Des Herzogs eigene Sorge urn die Anstalt aber wurde trotz des 
Vorhandenseins eines Akademiemeisters nicht geringer. Seine Fragen 
und Entscheidangen sind es, denen wir die Kenntnis des Wenigen, 
was wir von der Anstalt wissen, verdanken. 

So iiber den Umfang des TJnterrichts. „Bitt," schreibt er 
dem Landeshauptmann Taxis, „gebt Ihr selbst fleissig Achtung und 
wenn man's nicht thun wird, arisirt mich, als namlich: dass die 
Knaben sollen sich in Allem sauber halten, friib in die Schul gehen 
auf dass sie die lateinische Sprach begreifen, Nachmittag Deutsch 
und Welsch sollen sie schreiben lernen, wie auch die Arithmetieam 
und Tanzen und auf der Laute schlagen." Und am 14. September 
1628 fragt er Taxis aus Braunsberg: „Schreibt mir, was die Knaben 
lernen, ob sie zu den Jesuiten gehen und wie viel ihrer sind, auch 
ob sie schon einen Tanzmeister bekommen haben." Ein solcher 
ward aus Welschland verschrieben; er lehrte zugleich Fechten und 
Voltigieren. Da aber, wie Wallenstein am 1. September 1629 aus 
Halberstadt an den Akademiedirektor schrieb, „der welsche Tanz- 
meister ein toller Franzos und fur die Knaben, selbige zu lehren, 
nicht tauglich war", so gestattete er ihm, wiederum nach Italien zu 
Ziehen, und befahl, „sich um einen Andern umzusehen". — Die Ver- 
teilung des Unterrichts geht aus einem Schreiben hervor, in 
welchem der Herzog am 18. November 1628 aus dem Feldlager 
bei Crempe (Holstein) den Obrist Taxis darauf achten zu lassen 
befiehlt, „dass alle fruh in die Schul gehen, auf dass sie wohl 
lateinisch lernen, und Nachmittags die Exercitia". — Tiber die Lehr- 
mittel giebt ein in den friedlandischen Kammerbuchern von 1630 
und 1631 enthaltenes Verzeichnis von Buchern 1 ) Auskunft, welche 
der Prazeptor der Edelknaben von dem Gitschiner Buchbinder 
Joachim Mense fur seine Zoglinge gekauft hatte. Dasselbe lautet: 
„The8aurus politicus, in Weiss mit Band 4 fl. 4 kr. ; Trimegistus 
in 12° 1 fl. 16 kr.; Parnassus, Pars II, 2 fl. 12 kr.; Dictionarium, 
italienisch und deutsch in gr. 8°, 4 fl. 6 kr.; Lubesche Donat mit 
der Grammatica 1 fl. 6 kr.; Vita Christi in 8°, 1 fl. 20 kr.; himm- 
liche Bergstrasse 1 fl. 16 kr.; Drexelii Sonnenwend 1 fl. 12 kr.; 
Zodiakus mit dem Bande 1 fl. 2 kr.; Nicetas mit dem Bande 1 fl. 
14 kr.; Martyrographia Augustini 1 fl.; 2 Buch vom besten Bautzen- 
schen Papier 18 fl. 20 kr. — Der Unterricht lag in den Handen der 
Jesuiten. Der Herzog hatte diesen anfangs viel Gutes erwiesen 



«) Schottky a. a. O., S. 172. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



11 



und ihre Thatigkeit sehr gefordert; spater war er wenig gunstig 
gegen sie gesinnt 1 ) und sehr ubel nahm er, dass sie anfingen, unter 
seinen Edelknaben far ihren Orden zn werben. Als gar einer seiner 
Verwandten, der Franzl von Harrach, welchen der Vater ihm gegeben 
hatte, „dass er einen Soldaten aus ihm machen solle", „Jesuiter" 
werden wollte, schickte er zwei Harrach und einen Waldstein mit 
einem Prazeptor, der sie weiter unterrichten sollte, nach Bohmisch- 
Aicha. 

In der Auswahl der Zoglinge war er sehr vorsiehtig. Als 
ihm zwei junge Bohmen, Zlysky de Laban mit Namen, vorgeschlagen 
wurden, schrieb er am 14. September 1628, dass er sich noch nicht 
resolviren konne, „ob er sie unter die anderen Knaben zu den 
Patribus thun wolle"; man solle ihm zunachst berichten, „wie sie 
seyn und ob etwas von ihnen zu hoffen ist, denn man thut oft grobe 
Pengel hinein und ist alles an ihnen verloren". Als im Herbst 1628 
die neue Einrichtung zu stande gekommen war, verlangte er am 
20. Dezember 1628 von Gustrow aus zu wissen, „wie viele Knaben 
die von Adel seynd und daselbst studiren, jeder mit seinem Namen, 
wie alt" und „was man vor Hoffhung habe, dass aus ihm werde". 
Nach Taxis' Berichte vom 27. d. M. waren es erst 11, dar- 
unter die beiden Zlysky. Vielleicht hatte ihr Alter von 16 bezw. 
17 Jahren dem Herzoge Bedenken gegen ihre Aufnahme ein- 
geflosst, indem ihre Genossen meist weit weniger, bis zu 9 
Jahren zahlten. Italien, Ungarn, Bohmen, Schlesien und Mecklen- 
burg waren die Heimatlander. Wallenstein liebte es, junge Leute 
verschiedenerNationalitat unter seinen Edelknaben zu haben; man findet 
auch Namen darunter, deren Trager in den Reihen seiner Feinde standen. 
Auf die Frage nach der Aussicht fur die Zukunft hiess es: „Sie 
scheinen fast alle einer guten Inclination zu sein." Deutsche zog 
er im ganzen den Bohmen vor, namentlich forderte er den Besuch 
seitens der Mecklenburger. Der Zudrang zur Akademie mehrte sich 
mit der Zeit. Rechkron (a. a. 0., S. 4) schreibt, die Zahl habe sich 
bis auf 175 gesteigert, womit aber die Summe aller Schiiler gemeint 
ist; es waren Adelige und Sohne wohlhabender Burger darunter. Be- 
sonders interessirten den Herzog erstere, am meisten naturlich die auf 
seine Kosten Erzogenen. 1 ) Wenn diese „ausgemustert" wurden, ge- 
wahrte er ihnen Mittel zu ihrer Ausstattung und Einrichtung; dass 



J ) Schottky a. a. O., S. 36 ff. 

«) Schottky a. a. O., S. 130; Rechkron a. a. 8. 48. 



Digitized by Google 



12 



Geschichte des Militar-Eraehungs- und -Bildungsweaens etc. 



er einem Edelknaben einmal uberdies ein Gut und 1000 Fl. gab, 1 ) 
wird einen besouderen Grund gehabt haben. 

Von der K lei dung der auf des Herzogs Kosten unterhaltenen 
Zoglinge geben wiederum die Kammerbucher Kunde. Sie melden:*) 
r ,Verzeichniss, was vor Ihr. furatl. Durchlaucht Edelknaben an weisser 
Wasch und anderen mehrers hierbei ubersendet wird: Verfertigte 
Hemder 15 Dutzend, Schnoptuchel 15 Dutzend, Leilacher 40 Stuck, 
Stiefeln mit denen Galloschen und Spornledern 15 Paar, Kordoanisch 
Niederschuh 15 Paar; auf 15 Dutzend tTberschlagel, wie auch auf 
15 Dutzend Handtatzel schdne niederlandische Leinwand 120 Ellen; 
auf 15 Dutzend Strumpfe Leinwand, in allem 270 Ellen; blauer 
Pfaffentaffet 9 Ellen, Liberayschnur 200 Ellen; rothseidener Filosell 
und Tertionall 90 Ellen; rot hen. schwarzen und weissen Zwirn 3 Fl., 
roth- englische Strumpfe 15 Paar; lange Handschuh mit rothseidenen 
Franzen 15 Paar; funf sammetne Giirtel 8 fl. 50 kr.; 9 Ellen blauer 
glatter Sammet zu 6 fl. 54 kr., ein Paar lange mailandische Strumpfe 
mit Zwickeln; */» Elle rother Carmoisin-Sammet zu 3 fl.; l J /t Elle 
Carmoisin-Doppeltaffet 4 fl. 7 kr.; 70 Dutzend Knopfe zu 6 kr., 
tbut 7 fl." 

Die Zahl der Edelknaben betrug also damals 15. Dass der 
Herzog auf ihre aussere Erscheinung grossen Wert legte, zeigt 
ein Schreiben an Taxis, in welchem er rugt: „Der Praceptor hat den 
Knaben das Haar so kurz schneiden lassen, dass die so hierher 
kommen seyndt, wie Juden ausgesehen haben," und dass er auch 
fflr ihr Vergnugen Sorge trug, beweisen die Rechnungen durch 
Buchung von 500 fl. zur Ausstaffierung eines Ballets auf Ihro furst- 
lichen Gnaden Befehl. Ein anderes Mai befiehlt er, 160 Gulden zur 
Anfertigung von Kleidern als Kosaken fur die jungen Herren von 
Harrach zu zahlen. 

Der ganzen Einrichtung machte des Herzogs am 25. Februar 
1634 zu Eger erfolgte Ermordung ein Ende. 

■ 

II. Weitere Vorschlage und Anordnungen. 

Als der nachste, welch er in Osterreich seine Stimme zu gunstenkriegs- 
wissenschaftlicher Bildung erhob, wird haufig Montecuccoli genannt. 
Der eine hat es dem anderen nachgeschrieben. Don Raimondo war 

*) Schottky a. a. O., S. 129. 
») Schottky a. a. O., S. 173. 



Digitized by Google 



Oeterreicb-Ungam. 



13 



freilich ein gelehrter Herr und frachtbarer Schriftsteller, welcher die 
Wichtigkeit des Besitzes von Kenntnissen fur den Soldaten sehr 
wohl wurdigte und lebhaft beklagte, „dass beim Offizier mehr Wert 
auf die Gescbicklichkeit im Vorschneiden als auf Bekanntschaft mit 
den Wi8senschaften gelegt werde" ; der Mathematiker Erhard Weigel, 
welcher wieder Pufendorf und Leibniz unterrichtete und eine „Auf- 
losung des Militar-Problematis: „Warum jedoch der Turke dem Christen 
nun mehr weichen musse" (1689) schrieb, dankte dem Verkehr mit ihm 
seine militarische Bildung; 1 ) sieht man aber naher zu, so erfahrt 
man, dass er im Bereiche des Mihtar-Bildungswesens nichts empfohlen 
hat als die Errichtung von Soldatenschulen,*) in denen man „die 
Waysen, uneheliche, Bettel- und andere arme Kinder, welche man 
in den Hospitalern zu unterhalten pflegt, in den Kriegsubungen 
unterrichten" sollte. Einen Erfolg hat der Vorschlag ubrigens nicht 
gehabt 

Ahnliche Ziele verfolgte bald nach ihm ein alter kaiserlicher 
Hauptmann, Ulrich Kollmann mit Namen, welcher mit einem 
bestimmten Vorschlage an die Offentlichkeit trat. Letzterer ist in 
einem Buchlein enthalten, welches 1699 zu Klagenfurt im Druck 
erschien und dem Furstbischof von Gurk gewidmet ist. 3 ) Es fiihrt den 
Titel „Entwurff gymnasii militaris oder unvorgreiffliches Dafur- 
halten wie ein hoher Potentat oder Kriegsfurst sowohl in Friedens- 
als Kriegs-Zeitten etliche tausend junge und wohlexerzirte Mannschafft 
aufbringen kann." Das Buch zielt nur auf praktische Krieger- 
erziehung hin und will daneben die Bevolkerung von der Landplage 
liederlicher Vagabunden befreien, aber es tritt dafur ein, dass ausser- 
dem fur den Offiziersnachwuchs gesorgt werde und fordert eine 
Akademie fur ihren theoretischen Unterricht. 

Die erste unter mehreren bier zu nennenden Anstalten, in 
denen Militarwissenschaften gelehrt wurden und welche 
ihre Zoglinge, ausser fur burgerliche Berufsarten, auch fur den 
Offizierstand ausbildeten, war die Niederosterreichische Land- 
schafts-Akademie zu Wien. 4 ) Ihre Errichtung wurde von den 
Standen 1682 beschlossen. Die Turkennot bewirkte aber, dass sie 



») Lebensbeschreibung von E. Spiees, Leipzig 1881. 

*} M. Jahns, Geschiehte der Kriegswissenschaften , Munchen und Leipzig 
1890, H 1170. 

•) Streflleure Osterreichische militarische Zeitschrift, Wien 1863, 1. Bd., S. 55. 
*) A. von Geusau, Geschichte der Stiftungen, Erziehungs- und Unterrichta- 
anstalten in Wien. Aus echten Urkunden und Nachrichten. Wien 1803, S. 224. 



Digitized by Google 



14 Geschichte des Militar-Erziehongs- und -Bildungswesens etc. 



erst 1693 ibre Thatigkeit begann. 1692 erschien eine Nachricht 
von ihrer Einrichtung im Druck. Nach dieser waren Lehrgegen- 
stande: Reiten, Fechten, Tanzen, militarische tJbungen; Mathe- 
matik, Geometrie , burgerlicbe und Kriegsbaukunst, Erdbeschreibung, 
Staaten- und Weltgeschichte; die Rechte; die lateinische, spanische, 
italienisohe und franzosisehe Sprache. Die Akademie lag in der 
Alsergasse und war fur vornebme Leute bestimmt, welche auch 
Hoftnei8ter und Bedienten mitbrachten ; dieselben wohnten in der 
Anstalt. Als die Savoyische Ritter-Akademie (s. unten) erricbtet 
war, gaben die niederosterreichischen Stande 1748 die ihrige auf und 
begrundeten 1749 in jener zwolf Stiftsplatze. 

Auch in der „Pagerie" zu Wien wurde seit dem Ende des 
17. Jahrhunderts neben anderen allgemeinen Unterrichtsfachern die 
Ingenieurkunst gelehrt. 1 ) Die Anstalt, deren Ursprung bis auf die 
Zeiten Kaiser Friedrich IE. zuruckgefuhrt wird, ging 1767 gleich- 
falls in der Savoyischen Ritter-Akademie auf. 

Ein Gleiches geschah in den Horsalen der in der damals osterreichi- 
scben Stadt Liegnitz 1708 eroffneten Ritterakademie. Ein von 
dem an letzterer angestellten Professor Dr. August Bohse, einem 
unter dem Namen Talander auf verschiedenen anderen Gebieten 
sehr fruchtbaren Schriftsteller, verfasster „Ausfuhrlicher Bericht 
uber die von Kaiser Joseph I. auffgerichtete Ritterakademie'" 
Liegnitz 1709 (Bibliothek der Anstalt) nennt auf S. 38 unter 
den Vortragsgegenstanden die Fortifikation und sagt auf S. 40 
unter „Privat-Lectione8" : „3. Wird der Professor Matljeseos, Herr 
Chr. Gottlieb Hertel, ein Collegium Arithmeticum und Geometricum, 
wie auch eins uber Architecturam militarem eroffnen." Nach einem 
im Jahresberichte der Anstalt fur 1828/29 abgedruckten „Versuch 
einer Geschichte der Ritterakademie" von Professor F. W. Kaumann ist 
dieser Hertel fur die Stellung durch den fruher bei der Ritterakademie 
zu Wolfenbuttel thatig gewesenen L. C. Sturm (vgl. 1. Band, S. 324), 
welcher damals Professor zu Frankfurt a. 0. war und die Annahme 
der St ell e fur sich selbst ablehnte, empfohlen worden. Hertel reiste 
auf Kosten der Anstalt nach den Niederlanden, um Coehorns Meister- 
werke kennen zu lernen. Er wurde 1726 wahnsinnig In demselben 
Jahre ward (Kaumann a. a. 0., S. 24) der Lehrplan etwas erweitert, 
und es wurden einige Vortrage in den offentlichen Unterricht auf- 



J ) Th. Cicalek, Geschichte des Theresianums, im Jahresbericht uber das 
GymnaBium der k. k. Theresianischen Ritter-Akademie fur 1871/1872. 



Digitized by Google 



Osterreich - Ungam. 1 5 



genommen, welche bis dahin privatim gehalten waren, darunter die 
Architectura militaris. In dem Stundenplane far die 1. der beiden 
Abteilungen der Akademie ist taglich fur die Zeit von 10 bis 11 Uhr 
Geometria practica, Architectura militaris et civilis angesetzt Auch 
Pyrobologia findet sich unter den Lehrfachern. Der gesammte 
Unterricht8plan von 1726 wird 1749 in einer bei der Anstalt vor- 
handenen „Relatio de statu praesenti Regiae Academiae equestris 
Ligniciensis" als unverandert fortbestehend bezeichnet. 



III. Das Chaos- Stift. 

Inzwischen war ein Werk gescbaffen, welches, wenn auch seine 
Ziele nicht die Forderung militarischer Erziehung und Bildung 
waren, fur diese reiche Fruchte getragen hat. Lange Jahre hindurch 
war der Ort, an welchem dasselbe zuerst in Angriff genommen wurde, 
eine Statte militarischer Jugenderziehung und noch heute tragen 
zwei Freiplatze in der Technischen Militar-Akademie den Namen des 
Bcgrunders. Das Werk war eine Stiftung, welche Johann Conrad 
Richthausen, kaiserlicher Hofkammerrat und oberster Erbland- 
Mfinzmeister in Osterreich unter der Enns, am 2. Februar 1663 zu 
gunsten „unerzogener Hausarmen, Kinder und Waisen" gemacht 
hatte. Richthausen war vom Kaiser, wegen seiner Verdienste um 
den Bergbau in Ungarn, dessen Verhaltnisse sich, als er die Leitung 
ubernommen, in ein em Chaos befunden hatten, zum Freiherrn und 
Edlen von Chaos ernannt worden, und mit letzterem Namen 
werden die Einrichtungen bezeichnet, welche aus seiner letztwilligen 
Verfugung hervorgingen. 

Schon bei Lebzeiten, am 25. Februar 1661, hatte er einen 
Platz auf der Laimgrube zu Wien der Erbauung eines Staft- 
hauses gewidmet, welches, nachdem er am 25. Juli 1663 ge- 
storben war, 1670 dort hergestellt wurde. Daneben waren bereits 
seit 1666 Stiftlinge in der Stadt untergebracht, weil die Testaments- 
vollstrecker aus Furcht vor Kriegsgefahr Bedenken trugen, auf der 
vor der Stadt belegenen Laimgrube grossere Bauten auszufuhren. 
Als dieFurcht geschwunden war und ausRucksicht auf die ungunstigeren 
Gesundheitsverhaltnisse innerhalb der Mauern, sowie auf den Willen 
des Stifters, liess 1715 der Landmarschall Thomas Alois Graf 
H arrach, welchem die Chaos-Stiftung unterstand, „das grosse Ge- 
baude auf der Laimgrube" erbauen. 



Digitized by Google 



16 Geschichte des Militar-Erziehunga- und -Bildungawesens etc. 



In diesem fand bald die Ingenieurkunst eine Statte. 1 ) Dass es 
geschah, war dem Hofkammerkanzlisten Georg Franz von Griener 
zu danken. Da von den zur Bildung der Jugend vorhandenen 
Stiftungen „keine unmittelbar zur Erlernung der Ingenieurkunst 
abgesehen und errichtet seyn", beschloss er mit den chaosischen und 
des Burgerspitals Stiftsknaben den Anfang zu machen und ubergab 
am 4. Februar 1735 der Hofkammer zu einer „Grienerischen Stiftung" 
20 000 Golden, deren Zinsen verwendet werden sollten, urn 50 
muntere, geschickte und woleifrige Jiinglinge anfanglich in der Arith- 
metik, als dem Grande der Ingenieurwissenschaften, und der Geometrie 
vollkommen zu perfektioniren , nachher aber in der Ingenieurwissen- 
schaft und Mechanik, im gleichen, welche Lust hatten, kunftighin 
auch in der Feuerwerkskunst, nebst deren Militarexercitien (lurch 
wolerfahrene und accredirte Kriegsoffiziere vollkommen zu unter- 
richten. „Und da das chaosische Stift ihre Knaben mit Kost, Klei- 
dung und den ubrigen Nothdurften ohnehin aus ihrem eigenen Fond 
versieht, sich auch auf ewige Zeiten verbunden hat, auch das hierzu 
benothigte Zimmer nebst der Beheitzung im Winter, dann zu den 
militarischen Cbungen sowohl, als zur Trainirung einiger Laufgraben, 
Parapeten, Redouten, Grabeh und derlei Werken, im kleinen, von 
*>de oder Rasen, und was immer zu diesem Studium erforderlich 
sein wird, einen bequemen Platz in ihrem Garten, im gleichen Tinte, 
Federn, Papier und alle benothigte Instrumente aus Liebe der Jugend 
und des Vaterlandes herbeizuschaffen: so sollen von den gewidmeten 
Stiftungsinteressen die Professoren der Ingenieurkunst, der Civil- und 
Hihtar-Baukunst, wie auch der Militarubungen fur gedachte Stifts- 
knaben alle Quartale baar bezahlt werden." Der erste Professor 
erhielt jahrlich 200, die beiden anderen empfingen je 150, der Exer- 
ziermei8ter bezog \on Georgi bis Michaehs wochentlich 1 Gulden. 

Am 29. Dezember 1736 ward der Allerhochste Stiftsbrief aus- 
gefertigt und es erhielt nun das Chaosstift eine neue „Verfassung'\ 
deren Beschaffenheit aus einer wahrscheinlich 1739 aufgesetzten 
Beschreibung hervorgeht. 8 ) 

Nach dieser Beschreibung bestand die Anstalt aus einer deutschen 
und einer lateinischen Schule. Zwischen beiden ward in Beziehung 



') Geusau a. a. O., 8. 238. 

«) Die Urschrift befindet sich in den Akten der Milit&r-Akademie zu 
Wiener-Neustadt; C. F. v. Leitner, Seite 42 ff. giebt in seiner „Auafuhrlichen 
Geschichte der Wien.-Neustadt. Militar-Akademie*', Hermannstadt 1852, ihren 
wesentlichen Inhalt. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn 



17 



auf die Lebensweise der Zoglinge ein grosser Unterschied gemacht. 
Namentlich die Verpflegung war fur die Lateinschuler eine ungleich 
bessere, sehr reichliche (Leitner a. a. 0., S. 46); Sonne von Adeligen 
und von Kriegsoffizieren wurden aber schon in der deutschen Schule 
den Ingenieurs und Studenten gleich gehalten. Auch hatten die 
Ingenieurschuler und Studenten eine bessere Eleidung als ihre Ge- 
nossen, welche die gewohnlichen „blauen Stiftskleider" trugen. Aus 
d§r deutschen traten die geeigneten Zoglinge in die Lateinschule 
iiber; aus den besten unter den Zoglingen der letzteren wurde die 
Ingenieur-Schule gebildet. Als Grundsatz fur die Aufnahme gait, 
„keinen zuzulassen, welcher nicht besondere Fahigkeit, Lust und Fleiss 
in den vorhergehenden Jahren hat verspuren lassen, anbei selbe vor 
allem anderen auszuwahlen, welche sich im 16. Jahre befinden und 
die 6. lateinische Schule (die hochste Klasse) gut vollendet, mithin 
einen besseren Begriff deren mathematischen Buchern erworben haben." 
Das Nahere uber die Einrichtung des Stiftes, namentlich auch uber 
den Unterricht, ist auf Grund einer aus der Zeit Kaiser Karls VI. 
stammenden Handschrift bei Leitner a. a. 0., S. 42 — 53 ab- 
gedruckt. 



IV. Die kaiserliche Ingenieur-Schule zu Wien. 

Schon fruher als Griener's Stiftung erfolgte, hatte Kaiser 
Karl VI. auf Anregung des Prinzen Eugen von Savoyen der Ingenieur- 
kunst eine bleibende Statte geschaffen. Es war durch ein Patent 
vom 24. Dezember 1717 geschehen. Dasselbe sprach aus, dass die 
Errichtung geschahe, „damit den kaiserlichen Kriegsoffizieren zu Ross 
und zu Fuss und den Land-Vasallen die Gelegenheit zur Aneignung 
der Ingenieurkunst geboten werde" und um die Verwendung aus- 
landischer Ingenieure entbehrlich zn machen, Die Ausbildung war 
unentgeltlich ; fur ihren Unterhalt mussteD die auditores selbst sorgen. 
Nach und nach entstanden Privatstiftungen, aus welchen den Schulern 
Unterkunft und Verpflegung gewahrt wurden ; es ward damit die Um- 
wandlung in eine Erziehungsanstalt eingeleitet, welche noch mehr 
Bedurfhiss wurde, als seit 1747 auch Knaben von 10 bis 14 Jahren 
Aufnahme in die Anstalt fanden. Die „Akademie" ward unter die Juris- 
diktion und die Ober-Direktion des Hofkriegsrates gesteilt Die 
Aufsicht soUte als Superintendent" FM. Graf Wirich Daun, der 
Vater von Leopold Daun fuhren, welchem zur Unterstutzung FML. 

Monumsnta QermuiUe Paedagogioa XV. 2 

Digitized by Google 



18 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



vonRappach zugeordnet war. Da Daun erst 1719 aus Neapel zuriick- 
kam, fuhrte Rappach zunachst allein die Geschafte. Die Leitung ward 
gleichzeitig dem Ober-Ingenieur und Oberst^Lieutenant Conte Leander 
deAnguisola 1 ) auch Aquisola geschrieben, iibertragen; als Subdirektor 
oder Adjunkt ward der Hofmathematikus und niederdsterreichische 
Landesingenieur Marinoni bestellt. 8 ) Sie waren zunachst die einzigen 
Lehrerund hatten ihre Stellen als Nebenamter inne. Es ward „vornehm- 
lich die Architectura militarii nebst denen dazu gehorigen matkematj- 
schen Wissenschaften als Arithmetica und Geometria, tarn tbeoretica 
quam practica, dann Statica und Mechanica und alles, was deme an- 
hangig, methodice tradirt." Anguisola erhielt jahrlich 1200, Marinoni 
800 Gulden Gehalt, fur Miete waren 200 Gulden ausgeworfen. 

Der Unterricht fand wochentlich viermal, von 8 bis 10 Uhr vor- 
und von 3 bis 5 Uhr nachmittags zuerst in Marinonis Hause, in welchem 
sich eine Sternwarte befand, statt. Spater ubernahm der Abt Marcy, 
Direktor der mathematischen und philosophiscben Studien an der 
Wiener Hochschule, die Aufsicht fiber die Ingenieur-Skolaren, welche 
jetzt den mathematischen Vorlesungen der Universitat beiwohnten. 

Zoglingen, welche sich nicht nur der Ingenieurkunst „mit 
allem Fleiss und Eiffer widmeten, sondern auch zur Zeit des halten- 
den Collegii mit bescheidentlicher Auffuhrung" sich also verhielten, 
dass sie anempfohlen wurden, ward zugesichert, diss sie „nach ihrer 
Capacitat und uberkommenen Wissenschaften" nicht nur in den 
kaiserlichen Dienst aufgenommen, sondern auch „nach und nach 
ihrem Wohlverhalten gemass weiter befordert werden sollten." 

Den Superintendenten ward besonders aufgetragen, „keine un- 
berechtigten Zuhorer zuzulassen, ferner vierteljahrlich zu relatoniren 
und diejenigen auditores, welche am besten und fleissigsten sich 
appliciren thuen, namhaft zu machen". 

Die Thatigkeit der Schule begann am 3. Januar 1718. 

tTber den Fortgang der Anstalt giebt ein Bericht des Prinzen 
Eugen vom 17. Mai 1718 Aufschluss, welcher die Namen der Schuler 
und ihre Leistungen nachweist. Aus diesem Berichte und einem 
spateren geht hervor, dass im Jahre 1718 45 Scholaren aufgenommen 
sind, unter denen sich hochadelige Junker, absolvirte Philosophen 

*) Kartograph; geboren 1670, gestorben 1730; bei Wurzbach a. a. O., 1, 
Anguissola genannt. 

■) Geboren 1670, gestorben 1755. 

8 ) Kriegs-Archiv : Kanzlei-Archiv IV, Nr. 8 und 9. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungam. 



19 



und Kunstler befanden ; 3 von ihnen traten im namlichen Jahre als 
Fahnriche in das Heer, 1 in den diplomatischen Dienst; 1719 und 
1720 wnrden je 19 aufgenommen. Unter den Namen kommen 
italienisch klingende am meisten vor; dann folgen die deutschen. 

Die Anstalt war also eine freie Hochschule fur die technischen 
Kriegsstudien, deren Horer in keinem militarischen Verbande standen 
und freien Unterricht, sonst aber vom Staate keine weitere unmittel- 
bare Zuwendungen erhielten. Sie war mit Geldmitteln schwach aus- 
gestattet und hatte nur zwei Lehrer. Diese aber waren besonders 
tiichtig; ihre Wahl und die der fur die Oberaufsicht besteilten hohen 
Offiziere waren ganz geeignet, die Anstalt in der offentlichen Meinung 
hocbzustellen. XTber die Entwickelung der Schule, auf welche wir 
im zweiten Zeitraume zuruckkommen werden, ist aus der nachsten 
Zeit nichts bekannt. 1 ) 

Gleichzeitig ward inBrussel eine zweite Ingenieurakademie 
errichtet. Ein Schriftstuck uber dieselbe, datiert Bruxelles, 3. F^vrier 
1718, wird im Kriegsarchive 8 ) aufbewahrt. Da die Unterricbtssprache 
dort die franzosische war, wie iiberhaupt das Ingenieurkorps damals 
in Deutsche und Niederlander zerfiel, gehort sie nicht in den Rahmen 
der vorliegenden Besprechung. 



*) Streffleur'8 osterreichische militiiriBche Zeitachrift, Wien 1866, 1. Bd., S. 2. 



Digitized by Google 



20 



Geechichte dee Militar - Erziehungs- und -Bildungswesena etc. 



Zweiter Zeitraum. 

Vom Regierungsantritte der Konigin Maria Theresia bis 
zum Beginne der umgestaltenden Thatigkeit des Erzherzog 

Karl, 1740 bis 1805. 

Das Verdienst, zuerst feste Grundlagen fiir das TTnterrichtswesen 
des Heeres geschafifen, sowie dauernde militarische Erziehungs- und 
Bildungsanstalten errichtet zu haben, gebuhrt vornehmlich der Konigin 
Maria Theresia. Inmitten der Drangsale, von denen ihre Lander 
heimgesucht wurden, und ungeachtet der durch Feinde von aussen 
und Verwirrung im Innern ihr auferlegten Arbeitslast daehte sie 
bereits in den ersten Jahren ihrer Regierung an die Verbesserung 
und Erweiterung der bestehenden Unterrichtseinrichtungen und an 
die Errichtung neuer Anstalten und ehe noch der letzte der Friedens- 
schlusse zu stande gekommen war, welche sie nach und nach, teil- 
weise unter schweren Opfern, von ihren Drangera befreiten, ward 
die erste dieser Anstalten begrundet. Bevor wir uns mit dieser be- 
schaftigen, haben wir noch die Einfuhrung kriegswissenschaftlichen 
Unterrichts in den Lehrplan der 1743 von den Benediktinern zu Krems- 
munster errichteten „K. K. Akademie und Ritterschule" zu 
erwahnen. Unter den Wissenschaften, welche dort vorgetragen werden 
sollten, erscheinen Architectura civilis et militaris ; als Lehrer ward 
Johann Blasius Frank, Ingenieur aus Nurnberg, berufen, welcher 
seines Amtes bis 1783 waltete. Dann ersetzte ihn Thaddaus 
Derfflinger. Als dieser 1787 ausschied, ward die Stelle nicht 
wieder besetzt und 1789 ging die Anstalt ein. Die Pflege der Kriegs- 
wissenschaften kann also dort nicht von Bedeutung gewesen sein. 1 ) 



J ) Das Wirken der Benediktinerabtei Kremsmunster fur Wiasenschaft, Kunst 
und Jugendbildung von T. Hagn, Linz 1848. 



Digitized by Google 



Osterreicli-Ungarn. 



21 



L Die Theresianische Ritter- Akadeinie. 8 ) 

Jene durch die Konigin ins Leben genifene Anstalt war das 
heutige Theresianum, schon damals zor Heranbildung for den hdheren 
Zivilstaatsdienst bestimmt; ihr Lehrplan nennt die Militar-Baukunst, 
jedoch nicht als selbstandigen Unterrichtsgegenstand, sondern als 
ein Anhangsel der Mathematik, das nicht von einem Soldaten, son- 
dern von einem Jesuiten vorgetragen wurde. Als die 1746 begrundete An- 
stalt, weil sie die an ihreErrichtung geknupftenHoflhungen nicht erfullte, 
bei einer 1755 vorgenommenen Umgestaltung in eine Ritter-Akademie 
und in ein Kollegium geteilt wurde, ging der Vortrag uber die Militar- 
Baukunst auf letzteres fiber. Dabei ward angeordnet, dass mehr 
Wert auf denselben [gelegt werden solle, was urn so weniger ge- 
schehen sein wird, als inzwischen den Mihtarwissenschaften andere 
Statten bereitet waren. Gelegentlich einer durch Kaiser Joseph II. 
1784 verfugten grundlegenden Neueinrichtung des Theresianums 
horte jener Vortrag in der Anstalt ganz auf. 



II. Die Savoyische Ritter-Akademie, 

nach ihrer Stifterin, der Herzogin Theresia von Savoy en, 
einer geborenen Furstin Liechtenstein, geheissen, zuweilen die 
„Theresianische M zubenannt, aber mit der oben erwahnten nicht zu 
yerwechseln, raumte gleichfalls den Kriegswissenschaften einen Platz 
ein. Die Herzogin hatte nach dem 1729 erfolgten Tode ihres Gemahls, 
des Herzogs Emanuel, ihr Leben den Werken thatiger Menschen- 
liebe gewidmet. Solches Ziel vor Augen gedachte sie im Chaosstifte 
zwolf Platze fur arme Offizierssohne zu begrunden, welche „nach 
ihrer Lust und Talenten in den Studien und militarischen Wissen- 
schaften unterwiesen werden" und den Ingenieur-Skolaren gleich- 
gehalten werden sollten.*) Ihr Vorhaben gelangte nicht zur Aus- 
fuhrung, denn mittlerweile schuf sie eine eigene hohere Lehr- und 
Erziehungsanstalt „die Savoyische Ritter-Akademie", deren Heim auf 
einem 1746 von ihr im Garten des Chaosstiftes angekauften Platze 
errichtet wurde und welche 1748 ihre Thatigkeit begann. 



^) Cicalek a. a. O. 

•) Rechkron a. a. 0., S. 82. 



Digitized by Google 



22 Geschichte dee Milit&r-Erziehunge- und -BildungswesenB etc. 



Die Zoglinge waren teils Stiftlinge, von der Herzogin oder 
von den niederosterreichischen Standen unterhalten, teils Kostgeher 
aus dem Adel und dem Ritterstande. Bedingung der Aufhahme 
war, dass sie die Grammatikalklassen durchgemacht hatten. Die 
Kriegswissenschaften wurden in gleichem Umfange und nach 
den namlichen Grundsatzen gelehrt, wie im Chaosstifte geschah. In 
Beziehung auf diesen Unterrichtszweig heisst es in einer „Benach- 
richtigung", 1 ) welche 1749, auf vier Quartseiten gedruckt, veroffent- 
licht wurde : „Zumalen aber auch einige aus dem Adel sieh unter das 
Militare begeben, also ist zur Lehre der Ingenieurkunst einer der 
geschicktesten Professoren gewahlt worden, und ist das Absehen 
diese Wissenschaft grundlich durch eine perfekte Rechenkunst, Geo- 
metrie, Elementa Euclidis, die Fortifications und Attaques nach 
den verschiedenen Manieren und neuester Art samt der Mechanique 
und Artillerie nach seinem Begriff und Erforderniss beizubringen ; 
nebstbei die junge Cavaliers zu der Praxi durch Aussteckung ver- 
schiedener Werke, nach den verjungten Massstab, Aumehmung von 
Gegenden, Abwagung des Wassers, und Ausmessung der Landschaften 
anzuleiten: Anbei durch das Militar-Exercitium im Feuer und die 
darin vorkommende Wendungen solchergestalten geschult zu machen, 
damit sie bei Zeiten von ihren Schuldigkeiten und erforderlichen 
Eigenschaften einen guten Begrif haben; daher denn auch diese 
Kunst nicht ubereilet, sondern wie andere Wissenschaften in 
mehrere Jahr wird eingetheilet werden." Die Akademie hatte ihre 
eigene Reitschule; es wurden T arizen und Fechten gelehrt; die Er- 
ziehung war die gewohnliche, durch Geisthche geleitete, far die hoheren 
Stande berechnete; die Kosten entsprachen den Mitteln der letzteren. 

Die Anstalt wurde 1778, nachdem sie einige Jahre vorher in das 
Eigentum des Staates ubergegangen war, mit der Theresianischen 
Ritter- Akademie vereinigt. Am 1. November siedelten die Zoglinge 
von der Laimgrube nach den Wieden uber. 

Die bekannteste unter den zur Heranbildung von Offizieren be- 
stimmten Anstalt en, welche in diesem Zeitraume en t standen, und 
zugleich die, welche am wenigsten unter alien in Osterreich er- 
richteten der Zeiten Wandel erfahren hat, ist 



*) Im Besitze der k. und k. Kriegs-Bibliothek. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



23 



III. Die Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt, 1 ) 

1752 bis 1756. 

Die Anstalt verdankte ihre Errichtung ebenso sehr dem Wunsche, 
tuchtige Offiziere, namentlich far Fussvolk und Reiterei, zu erhalten, 
welche geschickt seien, die hoheren Befehlshaberposten wahrzunehmen 
oder deren Inhaber in ihren Dienstverrichtungen zu unterstutzen, 
wie dem Streben, aus dem Vorhandensein eines zahlreichen Landadels 
mehr Nutzen fur den Staat zu ziehen als bisher geschehen war. 

Nach Beendigung des 2. Schlesischen Krieges richtete sich das 
Augenmerk der Regierung auf die Entwickelung der Hilfsmittel des 
Landes, als der unentbehrlichen Grundlage fur die Hebung des Volks- 
wohles. Der oberste Kanzler der osterreichischen Hofkanzlei, Graf 
Haugwitz, bereiste damals Earnten und Krain, um zu unter- 
suchen, weshalb diese Provinzen in ihren Leistungen fur den Staats- 
haushalt zuruckgeblieben seien. TTber das Ergebnis erstattete er am 
10. August 1747 einen Vortrag,*) welcher einen Teil der Schuld der 
Jugend - Erziehung des Adels beimisst. Letzterer sei „zahlreich, 
mit vielen Kindern und wenig Mitteln versehen und genohtigt sein 
Einkommen zuviel auf die Kinderzucht zu verwenden"; der Nach- 
wuchs aber „verlege sich aus Mangel anderer besserer Education und 
occupation auf das Jagen, Fischen und dergleichen". Haagwitz 
glaubt, dass sich daraus tuchtige Offiziere machen lassen wiirden; 
er schlagt vor „interimaliter u aus dem karntnerischen und krainischen 
Adel ein Kadetten-Korps zu bilden, und giebt anheim, auf kunftige 
Errichtung eines „Totum eines Kadetten-Korps aus alien oder doch 
den osterreichischen Erblanden" Bedacht zu nehmen. 

Der Adel ergriff die Gelegenheit zur Erziehung seiner Sonne 
fur den Offiziersberuf und deren spateren Unterbringung im Heere 
keineswegs mit Begier. Den Wohlhabenderen standen andere Anstalten 



») Ausfuhrliche Geschichte der Wiener- Neustadter Militar-Akademie. 
Nebst einem Annan ge uber die Leistungen dereelben dnrch ihr Zdglinge 
in der Armee und vor dem Feinde von Th. Ig. Leitner v. Leitnertreu, k. k. 
Major, Hermannstadt 1862 (auf Grand umfassender Quellenforachung aus An- 
lass der Feier des hundertjahrigen Bestehens der Anstalt sehr sorgsam bearbeitet). 

Die k. k. Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt von Johann Svoboda, k. k. 
Hauptmann, Wien 1873 (weniger eiugehend als Leitner, wichtig fur die Zeit 
seit 1852, mit zahlreichen AbbUdungen der OrtUchkeiten). 

«) Die von Eechkron a. a. O., 8. 10, benutzte Urkunde ist im Reichs- 
Kriegs-Archive nicht mehr vorhanden. 



Digitized by Google 



24 Geschichte des Milit&r-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 

zur Verfugung, deren Besuch eine allgemeine Bildung vermittelte, 
und die jungen Leute selbst zogen das ungebundene Leben daheim 
dem Schulzwange vor. Die Stande fiirchteten, dass es sie Geld kosten 
wurde. 

Es wurde nun eine Kommission 1 ) berufen, urn den Plan der Er- 
richtung eines „adeligen Kadetten-Korps'V zu begutachten. Da die 
Denkungsart des Adels bekannt war, wurde vorgeschlagen, dass, wenn 
die beabsichtigte Zahl von 64 Zoglingen „vom Adel und Ritterstand" 
nicht aufgebracht werden konne, auch „Offiziers-Kinder admittiret 
werden sollten". Obgleich durch diese Massregel der erforderliehe 
Zudrang, sowie die fur notig erachteten Gelder (jahrlich 15450 Gulden) 
als gesichert betrachtet werden konnten und Prinz Wilhelm yon 
Sach s en-Hildburghausen und Haugwitz bereits Direktiven fur 
das Korps ausgearbeitet hatten, liessfdas Zustandekommen auf sich 
warten. 

Im Jahre 1751 wurde der Plan von neuem verfolgt Am 28. 
November ward unter Haugwitz' Vorsitze eine andere Kommission, 
welcherFZM.Graf Leopold Daun, a )Graf JohannChotek und derVorsteher 
der Chaosstiftung, Leopold vonMoser, 5 ) angehorten, zur Regelung der 
Geldfrage zusammenberufen. Sie schlug vor, behufs Deckung der 
Kosten am Stande einer jeden Kompagnie des Heeres einen Mann 
fehlen zu lassen, was einen Betrag von 95 094 Gulden 4iy 18 Kreuzer 
ergab. Zur Unterbringung der Anstalt war „die landesfurstliche Burg 
in der Wienerischen Neustadt" 4 ) in Aussicht genommen. Jene Summe 
ward fur hinreichend erachtet, wenn das Holz aus dem nabegelegenen, 
der Ministerial -Banko- Deputation gehorigen Herzogswalde bezogen 
werden wurde. „Sie moge schon mit dem Beginn des Militarjahres 
1752 zur Verfugung gestellt werden, damit die notigen Einriehtungen 
beschafft werden konnten." 

Maria Theresia war einverstanden und erklarte durch eine „Kur- 
rende an alle Lander" ihren Entschluss, ,4n besonderer Erwagung, 
dass eine namhafte Anzahl von der in den Erblandern befindlichen 
adeligen Jugend teils wegen grosser Durftigkeit der Eltern, teils 



») Ministerium des Innern, Oaterreichische Abteilung, Jahr 1747, V, Band I 
(laut Rechkron a. a. O., S. 133. Im Kriegsarchive nicht mehr vorhanden). 

a ) Der bekannte Gegner Friedrichs II. im Siebenjahrigen Kriege. 

*) Karl Leopold Friedrich Freiherr von Moser, Land-Untermarschall in 
Niederosterreich, geboren am 16. Oktober 1688, gestorben am 5. November 1770. 

*) Vorgeschichte von Wiener-Neustadt: Gleich, Geschichte von Neustadt, 
Wien 1808; Boheim, Ohronik von Wiener Neustadt, Wien 1830. 



Digitized by Google 



ftsterreich-Ungam. 



25 



aber aus Abgang der Gelegenheit, auch aus anderen Ursachen, an 
der standesmassigen Erziehung merklichen Mangel leide, auf ihre 
Kosten eine eigene Militar- Akademie zu entrichten". Ein General 
sollte die Oberaufsicht fuhren; der Stand einer jeden der beiden 
Kompagnien, aus denen die Akademie bestehen sollte, ward mit 1 
Hauptmann, 1 Ober-, 1 Unter-Lieutenant, 10 Kameradschaft-Inspek- 
tores und den Kadetten (2 Feldwebel, 10 Korporals, 20 Gefreite, 
68 ordinare Kadetten) neben 3 Spielleuten praliminiert; ausserdem war 
das notige Lehrpersonal „zur Erlernung der Mathematik, zum Tanzen, 
Reiten und Fechten, zur franzdsisch, italienisch und bohmischen 
Sprache und endlich zu deutlicher Untergreif und tfbung der Militar- 
Exercitien" in Aussicht genommen. 

Am 5. Dezember 1751 wurde FZM. Leopold Graf Daun 
zum Oberdirektor der Akademie, sowie einer gleichzeitig errichteten 
Pflanzsohule zur Heranziehung von Nachwuchs fur jene, GFW. Franz 
Ludwig Graf Thurheim 1 ) zum Unterdirektor in der Neustadt 
ernannt. Am 14. d. M. ward der Entschluss der Kaiserin durch 
ein gedrucktes Schreiben 8 ) zur Kenntnis samtlicher kommandierenden 
Generale und der Reprasentationen in den Erblanden gebracht. In 
demselben war gesagt, dass die eine der Neustadter Kompagnien aus 
100 adeligen, die andere aus ebenso vielen Kindern von Oberoffizieren 
bestehen solle. Dieselben mussten das 14. Lebensjahr erreicht haben, 
wurden unentgeltlich Kost, Kleidung und Unterricht in den zur 
Kriegskun8t erforderlichen Wissenschaften erhalten und nach Mass- 
gabe ihrer Befahigung demnachst im Militardienste verwendet werden. 
Gleichzeitig solle, abgesondert vom Kadettenkorps, aber als eine „nach- 
wachsende Pflanzsohule fur dasselbe" eine Militarschule errichtet werden, 
in welcher 100 adelige und Offizierskinder im Alter von 7 bis 13 Jahren 
,4ndenenzu obigemEnde diensamen Anfangsgrflnden behorig angewiesen 
werden sollten". Dieselben wurden gleichfalls unentgeltlichen Unter- 
halt empfangen und „bei verspurenden Wohlverhalten" nach zuruck- 
gelegtem 14. Lebensjahre nach Massgabe des Freiwerdens von Stellen 
in die Akademie versetzt werden. Von der Pflanzsohule wird spater 
die Rede sein. — Die Behorden wurden aufgefordert, die zur Auf- 
nahme geeigneten Knaben namhaft zu machen. Dieselben sollten 
wohlgewachsen und „mit keinem merklichen Leibesdefekte behaftet 



») Geboren am 27. Juni 1710, gestorben als FM. am 10. Juni 1782 
(Wurzbach a. a. O., 24. Bd., Wien 1882). 

») Svoboda a, a. O., 8. 33. 



Digitized by Google 



26 



Geschichte des Militar - Erziehungs- ub<1 -Bildungswesens etc. 



sein". Von den Kindern des Adels, „das ist Herrn- und Ritterstand", 
wnrde alien denen ein Anspruch auf Zulassung eingeraumt, deren 
Eltern die Mittel fehlten, jene selbst erziehen zu lassen, oder welche 
zwanzig Jahre lang in Zivil- mid Kameralsteilen treu und gut gedient 
hatten. Die Auswahl traf die Kaiserin selbst. Massgebend waren 
fur sie dabei vorzuglich die Bedurftigkeit der Eltern, der Mangel an 
Gelegenheit zur Erziehung im eigenen Hause und das Verdienst der 
Vater. In der Kegel fiel ihre Wahl auf die Annsten. Doch lassen 
die Akten erkennen, dass die Kaiserin in den ersten Jahren vor- 
wiegend Adelige nahm. 

In der Militar- Akademie bestand scheinbar ein Unterschied 
zwischen den Sdhnen des Adels und der Offiziere, da sie verschiedenen 
Kompagnien zugeteilt wurden, in Wirklichkeit war ein solcher nicht 
vorhanden. Namentlich Kinsky (s. unten) liess dergleichen nicht 
zu ; er verdammte jeden Standesunterschied und verlangte, „dass man 
im Hause nichts siehet, nichts sehen will als kaiserliche Cadetten, 
kaiserliche Diener". Maria Theresia selbst gab dieser Ansicht und 
Willensmeinung Ausdruck, indem sie in der Resolutio caesarea regia 1 ) 
vom 9. September 1752 sagt, dass jeder Offizier, welcher zehn Jahre 
„mit Approbation" seiner Vorgesetzten gedient habe „vor nobilitirt solle 
angesehen werden". Daher auch die anfangs meist gebrauchte Be- 
zeichnung „Adeliches Cadetten-Corps". 

Das Burggebaude zu Wiener-Neustadt war samt Zubehor 
bereits im November 1751 an Daun ubergeben worden, welcher sofort 
daran ging, es fur seine Bestimmung in stand zu setzen. Dasselbe 
war alt. Der 1386 bei Sempach gefallene Herzog Leopold hatte 1378 
begonnen es an Stelle eines anderen, durch Feuer grosstenteils zer- 
storten aufeurichten, welches von einem fruheren Leopold 1292 als 
ein Bollwerk gegen die Einfalle der Magyaren erbaut worden war. 
Kriegs- und Naturereignisse hatten mancherlei Anderungen an dem 
Neubau veranlasst, die Mauern waren Zeugen vieler Kampfe gewesen 
und hatten manchen Furs ten aus dem Erzhause beherbergt; eine 
lange Reihe von Jahren hi n durch war die Neustadt, „die allzeit getreue", 
ihr Lieblingsaufenthalt gewesen, jetzt war die Burg unbewohnt, ziemlich 
baufallig und in mancher Beziehung fur den Zweck, welchem sie 
dienen sollte, wenig geeignet, namentlich entsprach die Raumverteilung 
dem Bedurmis8e nicht. Es musste mit den thatsachlichen Verhaltnissen 



*) Die von Eechkron a. a. 0., S. 10, benutzte Urkuude ist im Reichs- 
Kriegs-Archive nicht mehr vorhanden. 



Digitized by Google 



Oeterreich-Ungarn. 



27 



gerechnet werden. Die grossen Sale wurden in kleinere Zimmer zu 
Wohnungen for Offiziere und fur Kameradschaften von je 10 Eadetten 
umgebaat, es wurden .Unterrichtssale und Sprechzimmer hergestellt, 
durch Einbrechen von Fenstern ward Licht geschafft. Trotzdem blieben 
viele Mangel bestehen. Manche Zimmer waren nnr durch Eiegel- 
wande von den benachbarten geschieden; andere teilten Fenster 
und Ofen mit jenen. Auch die Lage auf fruherem Seeboden und 
die Umfriedung durch einen Wassergraben, deren Ausdunstungen 
die Luft verdarben, brachten Unzutraglichkeiten. Eine Annehmlich- 
keit war das Vorhandensein des anstossenden Tiergartens „Thanel- 
garten", welcher grosstenteils der Anstalt uberwiesen ward; doch 
hatte auch dieser meist feuchten Untergrund. 

Am 30. August 1752 erfolgte die Ernennung der fur die Anstalt 
bestimmten 24 Offiziere und zugleich die Weisung an dieselben, 
Anfang Oktober in Neustadt einzutreffen. Am 1. November begann 
die Anstalt ihre Wirksamkeit. 

Der Stand an Offizieren war der von der Kommission vor- 
geschlagene, doch fuhrten Stabsoffiziere den Befehl der Eompagnien; 
Hauptleute thaten den Dienst der Oberlieutenants, Oberlieutenants 
den der Unterlieutenants ; an der Spitze der Kameradschaften standen 
als „Kameradschafts-Prafekten" Unterlieutenants oder Fahnriche. Die 
Auswahl war keine sorgfaltige gewesen; bald musste ein Teil der 
Subalternen durch „tauglichere" ersetzt werden. Von den Kadetten 
thaten die alteren und verlasslichsten den Dienst der oben genannten 
Unteroffiziere. 

Zur Erteilung wissenschaftlichen Unterrichts war zunachst 
nur 1 Ingenieurhauptmann vorhanden, welcher Befestigungskunst und 
Arithmetik vortrug ; 1755 kamen 2 Ingenieur-Lieutenants und 2 
Ingenieur-Konstrukteure hinzn. Im Reiten unterwiesen 1 Ober- und 
1 Unterbereiter, im Fechten 1 Fechtmeister und 1 Vorfechter, im 
Tanzen 1 Tanzmeister und 1 Vortanzer, ferner waren je 2 bohmische, 
italienische („wellische") und franzosische Sprachmeister, fur die 
Seelsorge 2 Kaplane, fur den Gesundheitsdienst 1 Medikus, 
spater noch 3 Chirurgen (Unterarzte) und 3 Krankenwarter angestellt. 
Alljahrlich einmal kam aus Wien ein Zahnarzt, dessen Kunst, ihrer 
damaligen Stufe entsprechend, nach den fiber seine Leistungen vor- 
handenen Nachweisen sehr gering war, nach Neustadt. 

Von dem zahlreichen anderweiten Personal erwahnen wir 
40 zur Bedienung der Zoglinge bestimmte Lakaien, welche auch den 
Haarputz zu besorgen hatten,und 6 Spielleute (4 Tamboure, 2 Pfeifer). 



Digitized by Google 



28 Geschichte dee Militar-Eraehungs- und -Bildungswesens etc. 



Eine Einteilung fur den Unterricht nach Jahrgangen und eine auf 
eine solche Anordnung begrflndete regehnassige Ausmusternng be- 
standen nicht. DieKadetten blieben 6 bis 8. Jahre in der Anstalt 
und wurden dann je nach Alter, Grosse und Bedarf als Fahnriche 
oder Kornets Regimentern uberwiesen. Es war befohlen, dass „bei 
samtlichen Regimentern zu Fuss und zu Pferd die erledigt werdende 
anderte Fahne vorbehalten werde"; da aber in den ersten Jahren 
nicht Kadetten genug vorhanden waren, am so viele Stellen besetzen 
zu konnen, wurde befohlen, dass es nach dreijahrigem Turnus ge- 
schehen solle. 

Der gewohnliche Auf en thai t der Kadetten waren die Kamerad- 
schaftszimmer, in denen jeder sein Bett (Strohsack, Matratze, Lein- 
tucher, Lederpolster, Decken), einen Schubladkasten und einen Stuhl 
hatte; in jedem Zimmer standen zwei Tische. An Wasche erhielt jeder 
Eadett 9 Hemden, 2 Schlaf hauben, 4 Schnupf-, 2 Handtiicher, 4 paar 
baumwollene Unterstrumpfe ; anKleidung 1 mit Silber bordierten 
und 1 glatten Hut, 1 weisse Uniform mit hellroten, goldbordierten 
Aufschlagen, 1 weisses Kamisol, 1 rosshaarene Halsbinde, 1 paar 
weisse kurze und 1 paar zu taglichem Gebrauche bestimmte schwarze 
lederne Hosen, 2 paar weisse feme Duxer-Strumpfe, 2 paar Gamaschen, 
2 paar Schuhe; gewohnlich ward eine blaue Montur getragen. Der 
Anzug bedingte ausserdem den Besitz von Hemdertazeln, Chemisetten, 
Zopf bandern, Haarpuder, Schnallen u. s. w. Die Ausrustung bestand for 
die Kadetten in 1 Bajonnetgewehr, Bajonnetkuppel, Patronentasche 
samtLuntenverberger; die Unteroffiziere fuhrten Gewehre ohne Bajonnet 
und Degen. 

Die Bekostigung durch einen Traiteur bestand aus einer 
Morgensuppe und 5 Speisen mittags, 3 abends, an besonderen Feier- 
tagen ward noch eine Speise gegeben. Jeder Kadett erhielt taglich 
etwas mehr als 1 Seidel Wein. Eine so uppige Verpflegung erklart 
sich dadurch, dass man das Leben der Kadetten dem der hdheren 
Stande, in deren Reihen sie eintreten sollten, gleichstellen und dass 
man in den Zoglingen das Gefuhl der Zugehorigkeit zu den hochsten 
Klassen der Gesellschaft wecken und pflegen wollte, deren Gewohn- 
heiten die Einrichtung entsprach. Auch war die Gefahr der Ge- 
wohnung an Genusse, deren Befriedigung das spatere Einkommen 
nicht gestatten wurde, bei den niedrigen Preisen aller Lebensmittel 
vorlaufig nicht allzu gross. Als sich dies anderte, wurde die Anord- 
nung allerdings manchem verderblich, zumal sie bis zu Anfang des 19 
Jahrhunderts bestand, wo die Verhaltnisse sich sehr geandert hatten. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungam. 



29 



Der wissenschaftliche Unterricht hatte zunachst ge- 
ringen Umfang. Es wurden Befestigungskunst, Arithmetik, Fran- 
zosisch, Italienisch und Bohmisch gelehrt; den alteren Kadetten 
ward Sonntag8 Geographic vorgetragen, wahrend die jungeren in der 
Chri8tenlehre unterwiesen wurden. Auf der Wache ward „Stuck- 
unterricht" erteilt; da sich aber herausstellte, dass die Ausbildong 
auf diese Art wenig gleichmassig ward, wurden regelmassige Unter- 
richtsstunden fiber Geschfitzwesen eingerichtet. 

Mehr Wert ward auf korperliche tTbungen gelegt. Taglich 
wurde 2 Stunden exerziert, je eine gefochten und getanzt. Die grosseren 
Kadetten hatten wochentlich einmal Reitunterricht; daneben wurden 
sie im Satteln, Packen und Zaumen, sowie in Handhabung der Parti- 
sane, des Gewehrs und der Fabne unterwiesen. 

Die Erziehung war zunachst eine streng militarische, auf 
die Heranbildung tuchtiger Soldaten berechnet, denen der Geist un- 
bedingter Unterordnung unter ihre Vorgesetzten und Achtung vor 
diesen, Punktlichkeit und Ordnung zur anderen Natur werden sollten. 
Mit aller Strenge wurde auf die Erfullung der dadurch bedingten 
Pflichten gehalten und jeder Verstoss unnachsichtlich mit barter 
Strafe geahndet. Straffeste Manneszucht war fur alle dienstlichen 
Verrichtungen die erste Kegel. Dann war die Erziehung eine kirch- 
liche. So wollte es die Kaiserin. Religiositat und Sittlichkeit sollten 
fest eingepragt werden, vornehmlich dieses Ziel war den Kaplanen ge- 
steckt. Aus beiden Richtungen erwuchs eine fast klosterliche Zucht. 

Fur den Religionsunterricht waren besondere Lehrstunden nicht 
angesetzt. Er beschrankte sich auf die erwahnte sonntagliche dnter- 
weisung der jungeren Zoglinge und einen Unterricht in der Christen- 
lehre, welcher fur samtliche Kadetten Sonntag nachmittags von 
2 bis 3 Uhr stattfand. Aber allsonntaglich ward der Gottesdienst 
besucht; taglich horten die Kadetten die Messe, in jedem Monate 
gingen sie einmal zur Beichte. Morgen- und Abendgebet wurden in 
der Kameradschaft verrichtet, an hohen kirchlichen und weltlichen 
Festtagen fanden besondere Kirchenfeiern statt. An einigen solchen 
und am Namenstage des heiligen Georg, des Patrons der Soldaten und 
Schutzheiligen der Anstaltskirche, gaben wahrend des Hochamtes 
100 Mann drei Salven ab. 

Unter den Strafarten stand obenan der Arrest, von 1 Tage 
bis auf mehrere Monate verhangt und durch Schliessen in Eisen und 
Speisung mit Wasser und Brot verschiirft. Korperliche Zuchtigung 
war ausgeschlossen. Unteroffiziere konnten degradiert werden. Schlechte 



Digitized by Google 



30 



Geschichte dea Militar-Emehungs- und -Bildungswesens etc. 



Zoglinge wurden von ihren Kameraden abgesondert und speisten an 
einem eigenen Tische. 

Die Tageseinteilung, welche dadurch beeinflusst wurde, dass 
die Zoglinge wegen Mangel an Raum in zwei Abteilungen abwechselnd 
urn 11 oder am 12 Uhr speisten, 1 ) war die nachstehende : Im Winter 
wie im Sommer wurde am 5 Uhr aufgestanden, um 5 1 /* das Morgen- 
gebet verrichtet, um 6 die Suppe gegessen, um G'/a zur Eirche ge- 
gangen. Von 7 bis 11 und von 1 bis 7 fand Unterricht statt, und 
zwar waren je 12 Wochenstunden der Befestigungskunst und Arith- 
metik, dem Bohmischen, dem Tanzen und Fechten, dem Exerzieren 
(Infanterie- und Kavallerie-Exerzitium) , je 6 dem Franzosischen und 
dem Italienischen gewidmet. Kadetten, welche der Nachhilfe im 
Deutschschreiben, im Italienischen oder Franzosischen bedurften, 
erhielten solche auf Kosten der dem Tanzen und Fechten gewidmeten 
Zeit. Um 11 bzw. 12 Uhr ward der Befehl ausgegeben und dann 
das Evolutionieren ohne Gewehr gefibt. Nachdem um 7 zur Nacht 
gespeist und der mittags ausgegebene Befehl in der Kameradschaft 
wiederholt war, wurde das Abendgebet verrichtet und um 8 s /* Uhr 
schlafen gegangen. Wann der Reitunterricht stattfand, ist nicht 
gesagt; Sonntag Nachmittag ward bei guns tiger Wit tuning in den 
Tiergarten gegangen; zeitweise auch das Scheibenschiessen und 
das Lagerausstecken gefibt. 

Dass es daneben an Vergnugungen nicht ganz fehlte, be- 
weisen die Rechnungen iiber Komodienkleider fur die Zoglinge und 
Zahlungen an Schauspieler, welche in der Burg Vorstellungen ge- 
geben hatten. 

Besondere Festtage waren die in diesem Zeitabschnitte fast alljahr- 
lichenBesuche der von ihrem Gemahl begleiteten Kai serin, welche 
der Anstalt stets regen Anteil bewies. Meist wurden ihr militarische 
Schauspiele vorgefuhrt; der Kaiser hatte einAbsteigequartier in der Burg. 

Der innereDienst wurde nach den Vorschriften fur das Heer 
gehandhabt. Taglich bezogen 12 ordinare Kadetten nebst den erforder- 
lichen Vorgesetzten die Wache ; zu ihren Obliegenheiten gehorte es, den 
Verkehr der Burgbewohner mit der Aussenwelt auf das Allernotwendigste 
zu beschranken. Das weibliche Geschlecht war von den Anstalts- 
raumen so gut wie ausgeschlossen; Fremde erhielten schwer Einlass. 
Nach 9Vi Uhr durfte nur ein- oder ausgehen, wer besondere Erlaub- 

«) Abends speisten die Zoglinge gleichzeitig ; es ist daher nicht verstandlich, 
warum dies nicht auch mittags geschah. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



31 



nis vom Direktor hatte. — Den Dienst im Inneren der Anstalt ver- 
sah eine Invalid en wache. 

Im Jahre 1755 fand die erste Ausmusterung statt. Nur 
wenige Zoglinge traten in das Heer; als aber 1756 Krieg bevor- 
stand, wurden alle Dienstbrauchbaren entlassen. Die Anstalt steuerte 
sie vollstandig aus. Auch Thurheim nahm am Kriege teil; ihn er- 
setzte im August General Franz Karl Graf Cavriani; 1 ) Daun 
behielt die Oberleitung auch im Feldlager. 

Der Ersatz der Ausgeschiedenen kam aus der oben erwahnten 

IY. MiUtar-Pflanzschule zu Wien, 1752—1769. 

Die BemOhungen, den Adel zur tfberweisung seiner Sonne an 
die neuen Anstalten zu veranlassen, hatten nicht den gewiinschten 
Erfolg. Regierung und Stande wurden nicht einig fiber die Beitrage 
der letzteren. Maria Theresia bestimmte daher am 9. September 1752, 
dass „nichts als Kinder von Offizieren in die Pflanzschule aufgenommen 
werden". Es wurde fur letztere bei dem Chaosschen Stifte ein eigener 
„Tract" erbaut, der „Mosersche Tract" genannt. Ende September 
1752 war er beziehbar. Die erste Einrichtung kostete 4000 Gulden ; 
die Jahreskosten wurden far jedes Kind auf 150, insgesamt also 
auf 150 000 Gulden, veranschlagt, welche teils durch Ersparnisse beim 
Theresianum, teils durch Zahlungen, welche der Probst von Kloster- 
neuburg zu leisten hatte, gedeckt werden sollten. Die gedruckte 
..Benachrichtigung*) von der auf Allerhochste Anordnung Ihrer K. K. 
Majestat in der Wienerischen Neustadt errichteten Militar-Akademie", 
welche am 5. Januar 1752 durch das Directorium in Publicis und 
Cameralibus an den Hofkriegsrat ubermittelt wurde, sagt, dass im 
Lesen, Schreiben und Rechnen, im Lateinischen und Franzdsischen, 
in der mathesi juvenili und im Tanzen unterrichtet werden solle. 

Die Nachrichten uber die beiden ersten Jahre der Pflanzschule 
sind durftig. Das Lehr- und Erziehungspersonal bestand aus 2 
Hauptleuten, 10 Unteroffizieren, „Decuriones", von denen jeder uber 
zehn Knaben die Aufsicht fuhren sollte, 3 lateinischen Instructores, 
1 Sprach-, 1 Tanzmeister und 1 Geistlichen pro catechesi. 8 ) Be- 



*) Gestorben 1788 im Neukloster zu Neustadt. 

a ) Kriegs-Archiv: H. K. R. 1752. Januar 488. Exp. 

8 ) Registratur des Reichs-Kriegsministeriums 1752, Nr. 423. 



Digitized by Google 



32 Geechichte dee Militar - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



zuglich der Ausbildung ging „die Allerhochste Absicht Ihrer Majestat 
dahin, dass die in der Pflanzschule aufzunehmenden Knaben daselbst 
lediglieh in der deutschen Schreib- und Rechenkunst, dann in der 
lateinischen Sprache durch die ersten vier Schulen unterrichtet, daher- 
gegen denenselben die ubrigen Sprachen und Exercitia in Wiener 
Neustadt beigebracht werden sollten". 1 ) Unter Moser fiihrte die 
besondere Aufsicht Major Kittler, welcher sein Gehalt aus Wiener- 
NeuBtadt bezog. 

lm Jahre 1754 erhielt die Pflanzschule eine bedeutende Er- 
weiterung und zugleich diejenige innere Einrichtung, welcbe bis zu 
Ende ihres Bestehens in Kraft geblieben ist. Die Zahl der Zdglinge 
ward verdoppelt. Die Stande leisteten jahrliche Beitrage und durften 
dagegen eine Anzahl von Anwartern auf Stiftungsplatze prasentieren. 
Es waren im ganzen 40 500 Gulden Jahresbeitrage und 96 Platze. 
Davon kamen auf Osterreich 5000, auf dessen Pralatenstand 500, 
Oberosterreich 2500, Bohmen 15 000, Mahren und Steiermark je 
5000, Karnten, Krain, Anteil Schlesien je 2500 Gulden, wogegen 
Osterreich 12, Oberosterreich 6, Bohmen 36, Mahren und Steier- 
mark je 12, Karnten, Krain und Anteil Schlesien je 6 Stiftungsplatze 
erhielten. Die Kaiserin erganzte jene Summe durch 9500 Gulden aus 
der Universal-Kameral-Zahlungskasse auf 50 000 Gulden und be- 
stimmte, dass noch vier Militar-Stiftungsplatze errichtet werden 
sollten, so dass 200 Zdglinge aufgenommen werden konnten. Die 
Oberleitung ward dem GM. Freiherrn von Kleinholdt iiber- 
tragen, welcher zugleich an der Spitze der unten zu erwahnenden 
Adeligen MHitar-Akademie stand und der Pflanzschule die oben 
erwahnte Einrichtung gab. Unter Kleinholdt amtete noch ein Offi- 
zier; spater deren zwei. 

Die Anstalt bestand jetzt aus 2 Kompagnien; jede hatte 1 
Hauptmann oder Oberlieutenant als Kommandierenden, 1 Subaltern- 
offizier fiir den Inspektionsdienst und 8 Kadettenfuhrer (Unter- 
offiziere). An Hauspersonal waren vorhanden: 1 Hofmeister fur 
die Verwaltung, 1 Zimmerwarter, 1 Portier, 24 Lakaien, 8 Haus- 
knechte, 12 Sauberungsweiber, zugleich Krankenwarterinnen, 1 Me- 
dikus, 1 Chirurg und 1 Krankenwarter als Aufseher in den Kranken- 
zimmern; fur den Unter richt : 1 Kaplan, zugleich fiir den Gottes- 
dienst, 1 Professor vom Genie, zugleich Studieninspektor, 7 Instruk- 
toren, welche Deutsch und die Gegenstande der Gymnasialklassen 

») Resolution vom 19. September 1752. 



Digitized by Google 



(Wdch-Ungam. 



33 



lehrten, 1 Fecht-, 1 Tanz-, 1 franzosischer, 1 italienischer Sprach- 
meister. 

Die Schlaf8tellen bestanden in eisernen Gestellen mit grunen 
Vorhangen von Gelsengarn, welche nachts zugezogen warden. In 
den Schlafeimmern, von denen jedes 100 Zoglinge aufnahm, standen 
24 Gestelle for je 4 und 2 fur je 2 Insassen. Jeder derselben hatte 
Strohsack, Rosshaarmatratze, rosshaarenes Eopfpolster, Federpolster, 
Kotzen and 2 Leintucher fur sich. In jedem Zimmer schliefen 2 
Eadettenfuhrer nnd 4 Lakaien; die Raume waren nnr fiir den Auf- 
enthalt bei Nacht bestimmt, am Tage dienten dazu die Lebrsale. 

Die Eleidnng war ahnlich wie in Wiener-Neustadt: weisse 
Rocke mit hellroten Anfschlagen nnd Kamisole; fur gewdhnlich eine 
blane Montnr mit roten Anfschlagen. Eleidnng nnd Wasche wnrden 
in einer Garderobe verwahrt und nach Erfordernis ausgegeben. 

Die Kost bestand in einer Morgensuppe, einem Mittagessen 
von 4, einem Abendessen yon 2 Speisen. Wein ward nicht gereieht. 

Die Tageseinteilung war: Urn 6 Uhr ward aufgestanden. 
Beim Waschen, Anziehen und Frisieren waren die Lakaien und nach 
Bedurfhis die Sauberungsweiber behilflich. Dann Morgengebet, 
Messe, Fruhstuck in den Speisesalen. Von 7 J /t bis 10 V* tJnterricht, 
von 10 Vt bis 11 a /> far die eine Kompagnie Grdssenlehre, fur die 
andere Wiederholungsstunde. Um 12 Uhr wurde zu Mittag gespeist. 
Vor und nach den Mahlzeiten mussten die Zoglinge sich waschen, 
ein spater anch nach Neustadt ubertragener Branch. Die Tisch- 
gebete wurden knieend verrichtet. An den Mahlzeiten nahmen 
Fuhrer und Instruktoren teil, sie sassen zwischen den Kadetten und 
beteten vor. Nach dem Essen bis um 2 Raststunde in den Lehr- 
salen und von 2 bis 5 TJnterricht Von 5 bis 6»/i Freizeit, dann 
ward der Rosenkranz gebetet und um 7 zu Abend gegessen. 
Darauf bis um 8 Erholung, je nach Wetter und Jahreszeit im grossen 
Saale oder im Garten. Um 8 wurden die Schlafsale und nach 
verrichtetem Abendgebete die Betten aufgesucht An Sonn- und Feier- 
tagen war fur die kleineren Zoglinge um 8 Uhr Messe, fur die 
grdsseren um 9 Hochamt und Predigt, far alle um 3 der Segen, 
am 6 Rosenkranz und Litanei. Nach den Andachten war gestattet, 
sich im Garten mit Kegelschieben, Ballonschlagen und Exerzieren 
zu belustigen. 

Den taglichenDienst verrichteten 1 Kompagnie-Eommandant, 
1 Subalternoffizier, 4 Fuhrer. Den Offizieren war besonders „ein- 
gebunden eine gute Harmonie bei eioem solchen edlen Erziehungs- 

MoDwncnU GarxnanUe Paadagogicft XV. 3 



Digitized by Google 



34 Geschichte dea Militar - Eraehungs- und -Bildungswesens etc 



werk zu halten, von welchem das Ghlck und Heil einer so zahlreichen 
Jugend, mithin der von solchen anhoffende kfinftige Dienst fur den 
Staat und die Erlangung deren von Ihrer Kaiserlichen Majestat 
diesfalls hegenden allermildesten Absichten abhanget". 1 ) 

Der wissenschaftliche Unterricht wurde auf zwei Stufen 
erteilt Auf der ersten ward 1 bis 2 Jahre lang im deutsch Lesen 
und Schreiben, in den Grundsatzen der Rechtschreibung durch 
Diktandoschreiben und, als Vorbereitung auf die lateinisohe Schule, 
im Deklinieren und Konjugieren des Deutschen und Lateinischen 
unterrichtet. In der 4 Jahrgange begreifenden lateinischen Schule 
ward diese Sprache fast ausschliesslich betrieben ; nur einige Stunden 
waren dem Franzdsischen und dem Italienischen gewidmet Mittwoch 
und SamstagNachmittag ward Geschichte vorgetragen. Der Donnerstag- 
nachmittag gehorte meist der Erholung. Allwochentlich wurde eine 
Probeschrift geschrieben. Jeden Samstag fanden die „Septaminalia" 
statt, in denen der Instruktor seine Zoglinge prufte, urn daraufhin 
nach Fleiss und Fortgang ihre Reihenfolge zu bestimmen; am Ende 
jeden Monats wurden „examina rigorosa" vorgenommen, bei denen 
besonders die schwacheren Schuler in Gegenwart des Studien- 
inspektors befragt wurden. Jahresprufungen fanden nicht statt. 
Das Aufsteigen in hohere Klassen wurde nach dem Gutachten der 
Instruktoren angeordnet. Langere Ferien gab es weder hier noch in 
der Neustadt ; es fanden aber mehrfach kurzere Unterbrechungen des 
Unterrichts statt und die zahlreichen kirchlichen Feiertage boten 
Zeit zur Erholung und zum Vergnugen. 

Den Instruktoren war die Art der Unterrichtserteilung selbst 
uberlassen. Sie mussten aber das gesteckte Lehrziel erreichen 
und wurden in betreff der Einhaltung ihrer Unterrichtsstunden durch 
den Studieninspektor uberwacht. Zur Forderung der Lehrerfolge 
pflegten sie die besseren Schuler als „Dekurionen" zu verwenden, 
welche mit den schwacheren das Vorgetragene wiederholten. tTber 
ihr Verhalten gegen die Zoglinge schrieb die Dienstanweisung vor: 
„Die Instruktores sollen in Erwagung, dass sie eine adelige Jugend 
zu unterweisen haben, sich in ihrer Lehre und in ihrem Umgang 
mit den Kadetten einer guten Art bedienen, sie zum Geradsitzen 
ernstlich anhalten, auf Mittel und Wege bedacht sein, wie sie die 
Liebe und das Vertrauen von ihnen gewinnen mogen, urn ihnen 
das Lernen beliebter und annehmlicher zu machen; und ob sie 



*) Instruktion fur die Instruktores. 



Digitized by Google 



Oeterreich- Ungarn. 



35 



schon in Ermahnung der Unartigen ernsthaft genug sein konnen, 
auch selbige, um den so nothigen Respect und Aurmerksamkeit von 
ihnen zu erlangen, tbeils mit den innen eingeraumten Schulstrafen 
belegen, theils hdheren Ortes melden durfen, so ist doch aufs Scharfste 
verboten, aus Ungeduld, oder anderen ungezahmten Passionen, in arger- 
liche Schelt- und Schimpfreden oder noch argerlichere Brutalitaten vor 
einer solchen Jugend auszabrechen, welche doch vorzuglich zu Tugend 
und Wissenschaften angeleitet werden soil." — Ihre Strafbefugnis 
erstreckte sich darauf, Eadetten 1 bis 2 Stunden lang herauszustellen, 
sie knieen oder auf der Schandbank („Eselsbank") sitzen zu lassen. 
Schwerere Vergehen mussten dem Direktor angezeigt werden. Die 
Offiziere und Fuhrer, denen gleichfalls eingescharft war, die Kadetten 
al8 junge Berren und Kavaliere zu behandeln, hatten keine Straf- 
gewalt; sie mussten alles dem General anzeigen, fwelcher nach den 
Umstanden grossere oder geringere Ehrenstrafen, Eatziehen von Speisen, 
Einsperren etc. verfugte. Sittsamkeit und Ehrbarkeit, Rune und 
Stille, Ordnung und Reinlichkeit waren Hauptziele der Erziehung. 

Bot schon die Art der Erziehung in Wiener-Neustadt ein 
eigentumliche8 Bild, so ist dies noch mehr in der Pflanzschule der 
Fall. In beiden finden wir ein Gemisch der in monchischen Kloster- 
schuJen angewandten Grundsatze und von solchen, welche in den 
Fhilanthropinen und in Ritter-Akademien galten. In Wien noch mehr 
als in Wiener-Neustadt ein (Tbermass von Andachtsubungen ohne 
entsprechenden Religionsunterricht, wo von ein gedankenloser Mechanis- 
mus die Folge sein musste, in der Pflanzschule ein hochst einseitiger 
Unterricht und Mangel an Leibesbewegung , in beiden Anstalten eine 
unverhaltnismassig gute Verpflegung sind die schwachsten Seiten der 
Einrichtung. Das Unzweckmassige der Eleidung, namentlich die 
engen Halsbinden und die Haartracht, Ursachen mancher Erankheit, 
waren durch die Zeitverhaltnisse bedingt. 

Die Pflanzschule bestand bis zum 1. Mai 1769. Laut hofkriegs- 
ratlichen Erlasses 1 ) vom 31. Marz wurde sie mit der Neustadter 
Militar-Akademie verschmolzen. 

V. Die Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt. 

1756 bis 1766. 

Cavriani's Wahl war keine gluckliche. Die Grundsatze, 
nach denen er die Geschafte ruhrte, blieben die bisherigen; Daan 

») Kriegs-Archiv H. K. R 1769-67—18. 

3* 



Digitized by Google 



36 Geachichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



hatte bestimmt, dass darin nichts geandert werden sollfce. Wah- 
rend aber Thurheim Verstandnis far die Jugend hatte und die Gabe 
beaass auf die Gemuter der Kadetten zu wirken, durch eine kurze, 
kernige Sprache und seine ganze Personlichkeit den eigenen mili- 
tarischen Geist und seine soldatische Sinnesart auf sie zu ubertragen 
wusste, liebevoll sorgte, ohne vielen Zwang willigen Gehorsam fand 
und dabei trefflich durch seinelGemahlin unterstutzt wurde, welche 
die jungen Leute in ihre Gesellschaft zog, auf die Sitten derselben 
Einfluss ubte und nioht verschmahte dem Sitze von Hemdtatzeln, 
Chemisetten und Jabots Aufmerksamkeit zuzuwenden, blieb Cavriani 
seinen Zdglingen fremd. Ein gichtiges Leiden fuhrte ihn alljahrlich 
nach Spaa, fesselte ihn haufig an das Zimmer und notigte ihn, von 
dort aus seine Geschafte zu besorgen. Es geschah ohne Eingehen 
auf die Personlichkeit, nach dem Buchstaben der Vorschrift. Wer 
gegen letztere verstiess, ward hart bestraft. Cavriani war geradezu 
erfinderisch in neuen Strafen und in ihrer Anwendung. Den Pro- 
fossenarrest in Eisen, bei welchem mittags nur Suppe mit etwas Zu- 
speise, abends wieder Suppe und sonst nur Wasser und Brot ge- 
geben ward, dehnte er bis auf 6 Wochen aus. Ganz unbotmassige 
oder fur unverbesserlich gehaltene Zoglinge wurden als Gemeine, 
wenn sie nicht gross genug waren als Pfeifer, Kegimentern uber- 
wiesen. Wer sich eines seines Standes unwurdigen Vergehens schuldig 
gemacht hatte, wurde im Kreise seiner Kameraden der Eadetten- 
Unifonn ent- und mit einem gemeinen Rocke bekleidet, oft auch 
mit letzterem aus der Anstalt entfernt. Mitunter mussten Zoglinge 
knieend um Vergebung bitten. Straf- und Diattafeln, welche die 
Bekostigung beschrankten, wurden haufig verbangt. Im Jahre 1765 
batten Zoglinge eine Verschworung zum Zwecke der Abschaflfung 
der Straftafeln angestiftet; dieselbe wurde aber entdeckt, derRadels- 
fuhrer ergriflfen, zur Erde geworfen und mit Fussen getreten. Letz- 
teres missbilligte Daun fireilich; den Antrag Cavriani's auf Abschaf- 
fong der Straftafeln lehnte er ab, weil er sich nichts abtrotzen lassen 
wollte; er befahl, dass in Zukunft in einem Falle wie der vorgekom- 
mene die Militarwache ausserste Gewalt anwenden solle. 

Als Cavriani am 24. Januar 17 57 Feldmarschall-Lieutenant ge- 
worden war, ward ihm am 24. Dezember d. J. der GFW. von Wolff 
ad latus beigegeben. Derselbe starb am 25. Januar 1765 und erhielt 
keinen Nachfolger. 

Die Beforderungsverhaltnisse gestalteten sich ungunstig. Seit 
1756 waren die Vorschlage zur Ausmusterung, um letztere dem 



Digitized by Google 



Bedurmisse der Regimenter anzupassen, vierteljahriich eingereicht 
und dementsprecfaend hatte der Austritt stattgefunden ; naoh dem 
Siebenjahrigen Kriege stockte dieser, weil das Herr verringert war 
nnd viele uberzahlige Offiziere hatte. Die Kadetten iiberalterten daher, 
entwuchsen ihren Verhaltnissen und wurden missmutig. Es machte 
8ich dieses besonders in derJPflanzschule rahlbar, wo dergleicben jnnge 
Leute mit Kindern die Lateinschule besuchten und immer wieder den 
namlichen Vortrag horten. Um diesem Uebelstande abzuhelfen und 
zngleich um den entlassenen Zoglingen bei den Regimentem eine 
passende Stellung zu geben, schlug Daun, seit 1762 President des 
Hofkriegsrates, der Kaiserin die Errichtung der Stellen von Fahnen- 
kadetten vor, welche diese genehmigte. Nach der Verordnung 
vom 8. Juni 17 63 gab es bei einem jeden Infanterieregimente 2; 
sie wurden ausschliesslich durch Neustadter besetzt. Blieb eine 
Stelle eine Zeitlang rrei, so erhielt der spater Ernannte die ersparten 
Gebuhrnisse zur Reise und Ausriistung. Das Einkommen betrug 
jahrlich 155 Gulden 12 Kreuzer. Die Mittel wurden dad arch beschafft, 
dass die Regimenter das far die Montur der Gefreiten ausgeworfene, 
aber hierzu, weil ihre "Uniform der der Gemeinen gleich war, nicht 
ganz erforderliche Geld zur Bildung einer Gefreitenkasse verwenden 
mussten, welche teilweise zum Unterhalte der Fahnen kadetten diente. 
Als am 1. April 1766 die Easse aufgehoben wurde, musste die 
Anstalt fur Reise und Ausriistung selbst sorgen. Die Fahnenkadet- 
ten trugen Offiziersabzeichen, folgten im Range dem jungsten 0 ft i - 
zier, wurden beim Regimentsstabe gefuhrt und, wenn sie nicht einen 
Offizier vertraten, dem Wachtmeister, Lieutenant oder Adjutanten 
zur Dienstleistung zugeteilt. Am 17. Juli 1765 wurden sie zu 
wirklichen Offizieren erklart. Der erste freiwerdende Offiziersplatz 
gebuhrte einem Fahnenkadetten, die drei nachsten wurden durch 
den Inhaber oder den Hofkriegsrat einem Ordinarkadetten gegeben ; 
jede vierte gehorte wieder einem Fahnenkadetten. Als Ordinarkadetten 
konnten auch weniger gute Zoglinge der Akademie ausgemustert werden. 

Laut Verordnung vom 1. Mai 1763 gaben die Stabsoffiziere 
der Akademie ihre Eompagnien an die Hauptleute ab und behielten 
nur die Ober-Inspektion im Hause; einer von ihnen uberwachte 
aus8erdem Kasse und Montur, der andere die Tiergartenwirtschaft. 
1765 wurde der Wachdienst eingeschrankt, dagegen die Invaliden- 
wache verstarkt und ein Teil der Posten von einer nach Neustadt ver- 
legten Infanterie-Abteilung gegeben. Die Kadetten zogen zu ihrer 
Belehruug am Tage auf. Am 25. Marz d. J. wurden die zur Akademie 



Digitized by Google 



38 Geschichte dee Militar-Erriehungs- und -Bildungeweeens etc 



gehSrenden Personen fur alle Zeiten von den Fasten befreit. Ver- 
anlassung daza gab die Gesundheitsgefahrlichkeit der Gegend ; Sumpfe 
nnd stehenden Wasser erzengten Krankheiten. 

1766 bis 1768. 

Nach Daun's am 5. Februar 1766 erfolgtem Tode erhielt FM. 
Graf Anton Colloredo 1 ) die Oberdirektion. Dadurch kam frisches 
Leben in die Anstalt. Colloredo begab sich sehr bald an Ort und 
Stelle und erstattete der Kaiserin ausfUhrlichen Bericlit, welcher 
mancherlei Wandlung in den Einrichtungen veranlasste. 

DerBericht*) gestattet einen Einblick in die Verhaltnisse und 
in deren Mangel: 

Colloredo bespricbt zunachst die Grundsatze, welche bisher „der 
Jugend iiber Gottesfurcht und Religion" beigebracht seien. 
Er hatte dartiber nicht nur den Direktor und die Offiziere, sowie 
die Geistlichen zur Rede gestellt und sich nicht mit der Versicherung 
begnugt, „dass die christliche Glaubenslehre nach dem heraus- 
gegebenen Eatechismus mit allem Eifer vorgetragen wurde", sondern 
er hatte auch die Kadetten befragt und „zu seinem Vergniigen ge- 
fonden, dass selbige nicht nur von ihrer Religion ganz gute Prinzipien 
inne hatten, sondern dass auch von dem allergnadigst bekannter- 
massen vor einiger Zeit unter welchen aufgekeimten unreinen Laster 
dermahl Gottlob keine Spur mehr anzutreffen sei." Den Geistlichen 
„hatte er mit allem Nachdruck eingebunden", dass sie sich „in ihren 
Predigten so viel als moglich von dem Vortrage theologischer Dunkel- 
heiten, die erstlich von der Jugend schwer zu verstehen sind, 
zweitens aber zu einer vorteilhaften Bildung der Seele sehr wenig 
beitragen, enthalten, dagegen aber nebst den nothwendigen Glaubens- 
artikeln und den gottlichen und Kirchengesetzen eine reine gelauterte 
Sittenlehre vortragen und zugleich die Jugend zu denjenigen Pflichten 
vorbereiten sollen, die sie meist als die vornehmsten ihres Standes 
anzusehen haben werden". 

Als die wichtigsten TJnterrichtsgegenstande bezeichnet 
Colloredo Arithmetik, Geometrie und Mathesis ; mit den Lehrerfolgen 
erklart er sich zufrieden, sehr wenig aber mit den Ergebnissen des 
Sprachunterrichtes. Den Grand dafur findet er in der Mannig- 



*) Geboren 1707, geetorben zu Wien am 17. Marz 1786, vergl. Streffleur'e 
Ssterreichiflche militarische Zeitschrift, Wien 1883, 4. Band. 

*) Fast in ganzer Ausdehnung abgedruckt bei Leitner a. a. O., 8. 91. 



Digitized by Google 



(Wrreich-Ungarn, 



39 



faltigkeit der Lehrfacher. Es seien taglich sieben, mit Reiten und 
Exerzieren oft sogar neon. Darunter leide die Grundlichkeit. Auch 
die Zahl der Schftler in den einzelnen Abteilungen sei zu gross. Er 
hatte angeordnet, daas Zoglinge, welche in einem Fache gar nichts 
leisteten, von der Teilnahme am Unterricht in demselben befreit, 
dagegen aber zu einer anderen Klasse „mit desto mehr Ernste ver- 
halten werden sollen, zn welcher man in ihnen einen grosseren Trieb 
nnd grossere Neigung verspurt, urn sie dadurch in den Stand zu 
setzen, damit sie doch wenigstens in einer Sache vollkommen werden 
mogen". 

Die Leistungen im Reiten, Tanzen, Fechten und Voltigieren uber- 
trafen seine Erwartungen. Er befahl sogar beim Voltigieren „einige 
gar zu kiinstliche Uebungen, als da sind: die verkehrten Sprunge 
von der Croupe fiber den Kopf des Pferdes u. dgl. ganzlich abzustellen", 
und war uberhaupt der Ansicht, dass diese Facher zu viel Zeit in 
Anspruch nahmen, welche besser angewendet werden konne. Na- 
mentlich dem Briefschreiben und der Geschichte wollte er sie 
widmen und hierin einen eigenen Lehrer angestellt wissen. Da 
solcher aber nicht alle 200 Kadetten unterrichten konne, sollten nur 
die dem Austritte Nachsten teilnehmen, den ubrigen sollten von den 
Sprachmeistern „durch die mit ihnen zu fuhrenden Gesprache ganz 
unempfindlicherweise alle Anfangsgriinde der Historie beigebracht 
werden". Es fehle aber an Geld fur jenen Lehrer, die Kaiserin moge 
helfen. 

Ferner befahl er, dass beide Kompagnien um 11 Uhr gemein- 
sam speisen und von 12 bis 1 eine Raststunde haben sollten. Sie 
sollte benutzt werden, um leichte Evolutionen ohne Gewehr zu 
much en und neben der Gesundheit der Exerzierausbildung 
dienen. 

Eine weitere Bitte betraf die Begrundung einer Buchersamm- 
lung. Er bat die Kaiserin, derselben Biicher, welche sie zwei oder 
dreimal besasse, zu uberweisen und die Wiener Buchdrucker und 
Buchhandler zur Lieferung neuaufgelegter Werke zu verpflichten. 

Den Ersatz fur die Zahlungen der aufgehobenen Gefreitenkasse 
sollte die Pflanzschule liefern. Dort ersparte Kleinholt an jedem 
Zoglinge jahrlich 53 Gulden, davon sollte er 23 fur die eigene Anstalt 
behalten, 30 an die Akademie uberweisen. Es sollte aber als Fahnen- 
kadett nur entlassen werden, „der sich in den Studien und sonder- 
lich in dem Exerzitium hervorgethan haben wurde"; wer nicht „mit 
genugsamem Fleiss sich auf die Studien gelegt haben wurde oder sich 



Digitized by Google 



40 Geschichte dee Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



sonst in seiner Condnite etwas zu Schulden kommen liesse", sollte 
als ordinarer Eadett abgehen. Den ersteren wurde er ausserdem 
trachten „das wesentliche Gluck zu verschaffen, dass sie noch vor 
der Abreise zu den Regimentern sich Ihrer Majestat unterthanigst 
zu Fussen legen durften; die ubrigen sollten geraden Weges zu den 
Regimentern gehen." 

ScWiesslich erwahnt Colloredo Streitigkeiten zwischen den 
Bischdfen zu Neustadt und der Akademie „in Absicht auf geist- 
liche Jurisdiction", welche der Kaiserin bekannt seien, und schlagt 
vor, die Akademiegeistlichen „an den Pater Campmuller als ihrem 
Ordinariam anzuweisen". Es war dies der apostolische Feldvikar, 
welcher unmittelbar dem Hofkriegsrate unterstand. 

Die Kaiserin war im all gem em en einverstanden ; nur sollte die 
Bibliothek der Akademie, fur welche sie die gewunschten Bucher her- 
gab, weniger umfangreich eingerichtet werden, und in Bezug auf die 
Sprachen schrieb sie: „Da die Erlernung der Sprachen und eine gute 
Fertigkeit und Kenntniss in denselben dem Militarstande vorzuglich 
notig sind, so ist der eifrigste Bedacht zu nehmen, dass zur Er- 
reichung dieses heilsamen Endzweckes an jedem Tage eine andere 
Sprache in der Akademie allgemein geredet und daher auch solche 
Offiziere, welche dieser Sprachen kundig sind, angestellt worden." 
Der erbetene „Lehrer der Historie" kam am 20. Mai 1767 an. 
Er gab wdchentlich drei Lektionen und musste „das Augen- 
merk darauf richten, dass der Jugend die Historie von jener Seite 
am ersten bekannt gemacht werde, wo selbe mit dem Kriegswesen 
deh grdssten Zusammenhang hat; auch sollte er in Ansehung der 
Geographic vornehmlich trachten, seinen Schulern eine genaue 
Kenntnis von den Grenzen der 5sterreichischen Erblande, dann die 
daran stossenden benachbarten Lander beizubringen". Talentvolle 
durfte er weiter fiihren. Er musste trachten, den Schulern Geschmack 
am Lesen einzuflossen; die Wahl der Bucher hatte er sorgfaltig zu 
priifen. Er fuhrte zugleich die Aufsicht fiber die Sprachmeister, 
welche ihm in die Hande zu arbeiten batten, wohnte ihrem Unter- 
richte bei, fiberwachte ihre Lehrweise und sollte sich viel mit den 
Kadetten beschaftigen ; so hatte er die Speise- und Erholungs- 
stunden bei ihnen zuzubringen, ihnen durch Unterredungen eine 
nutzliche und angenehme Zerstreuung zu verschaffen und ihnen 
Grundsatze eines gesittet artigen Umganges beizubringen. Auch im 
Briefschreiben, auf welches Colleredo grossen Wertlegte (S. 39), 
hatte er sie zu fiben. Schon vorher hatte dieser befohlen, dass die Sprach- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungaru. 



41 



meister Anleitung dazu geben und dass die Zoglinge ofter Briefe an 
inn selbst schreiben sollten. Darnach wollte er ihre Schrift und 
Schreibart beurteilen und sie durch die Massregel zugleich zu er- 
hdhtem Eifer anspornen. 

Cavriani bat um seinen Abschied und ward am 1. November 
1766 durch den GFW. Karl Freiherr von Hannig 1 ) ersetzt, 
neben welchem vom 14. Marz 1769 bis zum 23. April 177 5 der 
alsdann in den Ruhestand getretene GM. Ignaz von Saloghi 
wirkte. Hannig traf am 5. November ein und ging sofort mit ver- 
standigem Ernst an seine Aufgabe, welche sich fur inn wie fur 
Colloredo doppelt schwierig gestaltete, weil ihr Wirkungskreis ihnen 
fremd war und die Vorakten wenig Mittel boten, sich fiber die Ver- 
haltnisse zu unterrichten. Letzteres besonders deshalb, weil da- 
mals alle Schriftstucke nicht an die BehSrde, sondern an den Stellen- 
inhaber gerichtet wurden, welcher sie als sein Eigentum betrachtete, 
und weil es nicht gebrauchlich war, Aufeeichnungen fiber den SchrifV 
wechsel zu machen und die Entwurfe zu den Schreiben aufeube- 
wahren. Zum Glfick besass die Oberdirektion die Korrespondenz 
Daun's, aus welcher fur Hannig ein Auszug angefertigt wurde; im 
ubrigen unterrichtete dieser sich durch Nachfragen bei seinen Unter- 
gebenen. Er besass Eifer und Yerwaltungstalent, aber nicht die Gabe, 
auf die Erziehung in geeigneter Weise einzuwirken, und nicht immer 
verstand er es seinen Befehlen Achtung zu verschaffen, obgleich er in 
der Wahl der Mittel nicht wahlerisch war. Da er bald erkannte, wie 
viel vom Erziehungs- und Lehrpersonal abhange, so bemfihte er sich 
die Unbrauchbaren durch Geeignetere zu ersetzen. Anderweite An- 
derungen, welche er vornahm, sind die ganzliche Befreiung der 
Kadetten vom Wachdienste, sowie die Beschrankung der Fasching- 
lustbarkeiten auf seltenen Besuch der von wandernden Schauspielem 
in Neustadt gegebenen Vorstellungen und auf das mit Vorsicht ge- 
stattete Selbstspiel der Zoglinge. 

Der Geist, welcher unter der Jugend herrschte, mancherlei Ver- 
gehen gegen die Sittlichkeit und Auflehnung gegen Zucht und Ord- 
nung veran lass ten Hannig zum Ergreifen von Mitteln, welche mit 
dem Wesen einer Erziehungsanstalt fur die adelige Jugend, sowie mit 
den Grundsatzen der zeitgenossischen Philanthropen in grellem Gegen- 
satze stehen. Unter diesen Mitteln spielen die fruher streng ver- 

») Am 1. Januar 1767 FML., am 1. August 1779 in den Ruhestand ge- 

* — * — 

treten. 



Digitized by Google 



42 



Geachichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



pdnten Schlage eine Rolle. Unsittlichkeiten, von denen Coll ore do 
„keine Spur mehr angetroffen hatte", welche aber durchaus nicht 
verschwunden waren, gaben 1767 Veranlassung zur erstmaligen An- 
wendung. Colloredo war damit nicht ganz einverstanden. Er er- 
widerte auf die Meldung, „dass es mit dieser Strafe nunmehr auf 
lange Zeit sein Bewenden haben soil und selbe nur im aussersten 
Nothfalle angewendet werde"; dieAufsicht der Offiziere, welche letz- 
tere, wenn sie solche vernachlassigten, mit hdchster Ungnade und 
Kassation bedroht wurden, sollte der Wiederholung und dem Umsich- 
greifen des Lasters entgegenwirken. Wie weit dies geschehen, steht 
dahin; auch Vergehen anderer Art, wie Mutwille, Ungehorsam, 
Komplotte, Verbreiten von Schmah- und Spottschriften, erforderten 
Einschreiten. Hannig stellte sich dabei ganz auf den Standpunkt 
des Soldaten, nicht auf den des denkenden Erziehers einer uber- 
mutigen Jugend und griff mit Vorliebe zur korperlichen ZQchtigung, 
welche er nicht auf die gewohnliche Anwendung des Stockes be- 
schrankte, sondern auch auf Streiche auf die Fusssohlen ausdehnte. 
Wer nicht gutwillig stillhielt, ward durch die Wachmannschaft ge- 
zwungen. Eine Strafe anderer Art, welche er einfuhrte, war das 
Ausschliessen von der Reitschule. 

Auf dem Gebiete der Verwaltung erfolgten wichtige Neue- 
rungen. Die Mittel zum Unterhalte gingen der Anstalt nicht mehr 
aus der nicht immer gefullten (Jniversal-Kriegskasse, sondern in 
Hohe von 95 000 Gulden unmittelbar durch die niederosterreichischen 
Stand e, auf Abschlag des Militar-Eontributionalquantums, zu. Am 
17. Februar 1767 wurde mit ihnen ein Vertrag, der „Theresianische 
ytifis brief", geschlossen, durch welchen die Kaiserin der Akademie 
jene Zuwendung fur immerwahrende Zeiten sicherte. Damit die 
vorhandenen Gelder nicht mussig lagen, wurden sie der General- 
kasse zu zinsbarer Belegung iibergeben. 

Aus dem Jahre 1767 stammen auch die noch vorhandene 
Orgel und die Kanzel; erstere spielte zuerst ein Anstaltsgetstlicher, 
damals zugleich Professor der Philosophie, fur eine Jahresgebuhr 
von 50 Gulden; am 1. November 1770 ward ein eigener Organist 
angestellt. — 1767 wurde auch der Kehrbach oder die Speckh 
reguliert. Es ist dies ein Gewasser, welches Priedrich der Schone 
(gestorben 1330) zur Speisung des Burg- und des Stadtgrabens aus 
dem Schwarzaflusse oder Peisching abgeleitet hatte. Die Benutzung 
des Baches seitens der Anlieger hatte zu Unzutraglichkeiten und 
Zwisten Anlass gegeben. 



Digitized by Google 



ftsterreich-l ngaro. 



43 



1768 bis 1774. 

Am 27. Februar 1768 machte ein Erdbeben die Raume der 
Akademie fur langere Zeit anbewohnbar. Erst am 1. Mai 1769 
konnte der wissenschaftliche Unterricht wieder beginnen. Bis dabin 
war ein Teil der Kadetten ihren Angehorigen zuruckgegeben gewesen; 
die verbliebenen wurden ausserhalb der Burg in Nebenraumen unter- 
gebracht und mit korperlichen tTbungen beschaftigt. Man erwog, 
ob die Anstalt verlegt werden solle; da sich aber herausstellte, dass 
das Gebaude sehr wohl wieder bewohnbar zu machen sei und dass 
dabei Verbesserungen vorgenommen werden konnten, so blieb sie in 
Neustadt. Fur den Bau waren 12000 Gulden angewiesen; als diese 
bei weitem nicht ausreichten, wurden die Stellen von 30 ausgemuster- 
ten Kadetten vorlaufig nicbt besetzt und die dadurch gemachten Er- 
8parnisse zu Hilfe genommen. 

Gleichzeitig mit dem Beziehen der hergestellten Raume erfolgte 
die Vereinigung der Pflanzschule (S. 31) mit dem Kadetten- 
banse. Man wunschte den Bildungsgang einheitlicher zu gestalten 
und die Raume der Pflanzschule anderweit zu verwerten Diesen 
Vorteilen stand das Bedenken entgegen, junge Leute sehr verschie- 
denen Lebensalters, von denen ein Teil eine allgemeine, der andere 
eine Fachbildung geniessen musste, in einer Anstalt zu vereinigen. 
Die Leitung wurde dadurch bedeutend erschwert. Colloredo 
8chrieb an Hannig: „Wenn die Vereinigung beider Akademien re- 
solvirt werden wiirde, so sehe ich freilich eine Last Arbeit vor, in 
welche uns die Herstellung eines standhaften und soliden Systems 
verpflechten wird, und wir werden fiber jeden zu regulirenden Punkt 
mit desto mehrerer Behutsamkeit vorschreiten mussen, als es hier 
urn das Wohl einer zahlreichen Jugend und zugleich um den Nutzen, 
den der Staat hieraus erwartet, zu thun 1st. Bisher ist noch kein 
eigentlicher Erziehungsplan vorhanden gewesen; die innerliche Haus- 
haltung, die Lehrart, die Disziplin waren allezeit noch meistens will- 
kurlich und daher musste das Werk bei jeder Veranderung einer 
Revolution unterliegen" : ein Gestandnis, welches nicht fur die bis- 
herige Leitung spricht. 

Der Befehl zur Vereinigung erfolgte durch ein vom 15. Marz 
1769 datiertes kaiserliches Handbillet, auf welches der erwahnte 
hofkriegsratliche Erlass vom 31. d. M. sich griindete, das Billet gab 
der Gesamt-Anstalt zugleich den Namen 

„TheresiaDi8che Militar-Akademie". 



Digitized by Google 



44 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Die Bezeichnung „Akademie" war seit 1765 gebrauchhch, nach- 
dem an der Mauer des Uhrturmes im Anstaltshofe eine Marmor- 
tafel angebracht worden war, in deren Inschrift') das Wort „Aca- 
demiam" besonders ins Ange fiel. Nach Vollendong der Bauten 
im Jahre 1771 befindet sich unterhalb jener Tafel einejzweite mit 
den Schlusszeilen 8 ) „Academiam Suo Nomine Theresianam Dixit 
MDCCLXXI". 

Mit der Bestimmung am 1. Mai in Kraft zu treten ergingen 

Grundlegende Verordnungen in betreff der kunftigen 

Gestaltung 
der Akademie. Dir wesentlicher Inhalt war: 

An S telle der weltlichen Instruktoren traten 7 Piaristen 
als Schulprafekten nnd 1 Oberprafekt, „welche in der katbolischeu 
Religion, im Lesen und Scbreiben, in der allgemeinen Rechenkunst, 
der deutschen Sprache und Wohlredenheit, der deutschen Brief- 
stellung, der Sittenlebre, biblischen Geschichte, Vernunftlehre und 
Weltweisheit, und zwar in beiden letzteren Stticken so viel als es 
ohne Abbruch der nothwendigeren Beschaftigung sein konnte", unter- 
richten sollten; dieselben hatten ferner „die Kanzel, den Beichtstuhl 
und den Gottesdienst zu versehen". Der Vortrag der Geschichte 
verblieb einem als Professor angestellten Hauptmann; den der Be- 
festigungskunst ubernahm ein burgerlicher Professor der Pflanz- 
schule mit dem Beistande eines in Neustadt bereits angestellten 
Ingenieur-Oberlieutenants ; zu theoretischer und praktischer Unter- 
weisung in der Artillerie wurde ein Oberlieutenant der Waffe 
berufen. 

Geistliche Instruktores, Sprachlehrer und Offiziere sollten gemein- 
sam „die nothige Aufsicht fiber die Jugend fuhren und daher 
auch ausser den eingefuhrten Lectionsstunden und wahrend der Er- 
holungszeit die Schuler mit nutzlichen Gesprachen und Anwendungen 
ihrer Lehren zu unterhalten bedacht sein. Im ubrigen blieben Er- 
ziehung und Beaufsichtigung Sache eines Personals, welches jetzt 
mit Recht als wenig geeignet gelten wurde, Es heisst namlich: 
„Zu Cadetenfflhrern haben Ihro Majestat in Hinkunft fur die Aca- 
demie alte verdiente und zu solchen Verrichtungen noch taugliche 
Wachmei8ter-Lieutenants, Feldwebel und andere XJnterofficiere der 
Armee zu bestimmen geruth." Es sollten solche ausgewahlt werden, 

J ) Ldtner a. a. O., 8. 88. 
*) Leitner a. a. O., S. 113. 



Digitized by Google 



ftsterreich-Ungarn. 



45 



welche Alters oder Gebrechen halber zum Dienst im Felde untaug- 
Hch, nuchtern, yon katholischer Religion, yon guter Auffuhrung, ge- 
pruften, untadelhaften Betragens, sowie anch ledigen Standes" 
waren. 

Zum Zweck besserer Krankenpflege musste der Medikns 
der Anstalt das von ihm gleichzeitig bekleidete Amt als Kreisphysi- 
kus aufgeben; er sollte nicht nur zu festgesetzter Stunde die Ordi- 
nation abhalten, sondern auch sonst bei Tag and Nacht, so oft es 
not wen dig sei, die Kranken besnchen. Der Akademie-Oberchirarg 
erhielt eine Gehaltszulage; es warden ein zweiter Unterfeldscher und 
als Spitals-Kommandant ein Unterlientenant angestellt, welcber zu- 
gleich die Krankenwarter und die Sauberungsweiber beaufsichtigte. 

Eine Nebenaufgabe erwuchs der Anstalt durch die Fursorge fur 
Zoglinge, welche korperlicher Gebrechen wegen nicht 
Offiziere werden konnten. Es sollte freilich niemand aufge- 
nommen werden, ohne vom Feld-Protomedikus in Wien ein Taug- 
lichkeits-Zeugnis erhalten zu haben; wenn aber trotzdem jener Fall 
eintrat and die Angeborigen nicht im stande waren, den Untaug- 
lichen zuriickzunehmen, so mussten „diese Knaben vorzuglich in 
solchen Wissenschaften den Unterricht bekommen, die sie geschickt 
and tauglich machten, in politico mit Nutzen verwendet zu werden, 
wozu durch die Einfuhrung der Piaristen die beste Gelegenheit ge- 
geben wurde". Die Kaiserin befahl in ihrer landesmutterlichen Fur- 
sorge, in einem solchen Falle ihr Bericht zu erstatten; fur arme 
Knaben, die zu nichts tauglich waren, bewilligte sie die Pension 
eines Fahnriohs von 150 Gulden jahrlich. 

Fur die gelegentlich der Ausmusterung nach Wien gesandten 
Kadetten wurde, „damit sie nicht notwendig hatten sich in offent- 
liche Gasthauser einzuquartieren", in dem Gebaude der fruheren Pflanz- 
schule ein Absteigequartier eingerichtet. 

tTber Akademisten, welche in ihrer Verwendung und Kon- 
duite sich nicht gut anlies sen, sollte dem Hofkriegsrathe Meldung 
gemacht werden, damit sie als ordinare Kadetten oder als Gemeine 
au8gemustert warden. Ein Antrag Ordinarkadetten - Stellen fur sie 
offen zu halten, ward nicht genehmigt. 

Auch der Wunsch, die Offiziere der Akademie, welche in der Be- 
forderung gegen ihre Kameraden bei den Regimentern weit zuruck- 
blieben, in dieser Beziehung durchgangig besser gestellt zu sehen, 
fand kein Gehor; es wurde jedoch gestattet, dass in jedem Einzel- 
falle, in welchem es wunschenswert erschiene, „zur Erhaltung der 



Digitized by Google 



46 



Geschichte dea Militir-Erziehungs- und -BilduDgswesens etc. 



Amulation ein wohlverdientes Individuum mit Avancement bei einem 
oder dem anderen Regimente zu plaziren", der |Hofkriegsrat an- 
gesprocheii werden durfe. Die im Dienste der Akademie unbrauch- 
bar gewordenen Offiziere kamen meist in ein Invalidenhaus, das gut- 
gediente Unterpersonal in andere Wohlthatigkeitsanstalten. 

Veranderungen im Personal, welche gleichzeitig befohlen 
wurden, waren teils Folge der Erweiterung der Anstalt, teils be- 
zweckten sie dasselbe zn verjimgen und zu verbessem. Bei der Be- 
rufung der Offiziere ward grosses Gewicht auf Spraehkenntnisse ge- 
legt. £s befindet sicb bei den Akten ein ,, A us we is der zu Profess oren 
geeigneten Offiziere"; derselbe nennt die Namen mehrerer bundert 
welche samtlich der franzosischen, lateinischen und italienischen, 
meist auch noch der englischen, ungarischen, polnischen oder boh- 
mischen Sprache machtig waren. 

Bestand und Gebuhrnisse des Personals waren jetzt wie 
folgt: 

1 Feldmarschall-Lieutenant qua General-Direktor 6000; 1 General- 
Feldwachtmeister 4000; 1 Oberst 1404; 1 Oberstlieutenant 1200; 
1 Oberstwachtmeister 1000 Gulden jahrlich; 2 Hauptleute je 50, 4 
Kapitanlieutenants je 40, 6 Oberlieutenants je 30, 12 Unterlieutenants 
je 25 Gulden monatlich, samtlich mit der Tafel; 12 Kadettenfuhrer 
je 13, 1 Profoss 16, 2 Fouriere je 16, 6 Spielleute je 6, 1 Unter- 
lieutenant als Spitalskommandant 25 Gulden monatlich; 1 Medikus 
800, 1 Oberchirurg 400 Gulden jahrlich; 2 Unterchirurgen je 15, 
4 Krankenwarter je 8, 6 Sauberungsweiber je 6 Gulden monatlich; 

1 Ingenieur-Professor 2000, 1 Adjunkt zur Tradierung der Arithmetik 
360, 1 Oberbereiter samt Adjunkt 1800, 1 Professor Historiarum 
800, 1 Tanzmeister samt Vortanzer und 1 Fechtmeister samt Vor- 
fechter je 850, 2 franzdsische, 2 italienische Sprachmeister jeder 350, 

2 bohmische je 300 Gulden jahrlich; 1 Pater Superior 150, 7 Pro- 
fessoren und Magistri je 100 Gulden jahrlich nebst Tafel; 1 Sekre- 
tar, 1 Zahlmeister mit je 1500, 1 Magazineur mit 500, 1 Kirchen- 
diener mit 144, 2 Portiers mit je 140, 2 Turmwachter mit je 180. 
1 Alleewarter mit 120, 1 Stallubergeher mit 200 Gulden jahrlich; 
53 Lakaien mit je 8, 15 Hauskneohte mit je 7, 13 Beitknechte mit 
je 8 Gulden monatlich. 

Mit obigen grundlegenden Verordnungen hielt aber Maria 
Theresia die Neugestaltung der Verhaltnisse nicht fur abgethan. 
Sie gewartigte vielmehr noch, wie ihr Handbillet vom 15. Marz 1769 
an den Hofkriegsrats-Prasidenten Graf Lacy sich ausdruckt, „den 



Digitized by Google 



Osterreich-Ung&rn. 



47 



Anfsatz, worinnen nicht allein der Haupterziehungsplan, sondern auch 
die Obliegenheiten eines Jeden, der in der Akademie angestellt ist, 
erschopft sein muss, und bei weloher Gelegenheit zugleich fftrzudenken 
sein wird, ob nicht zum Nutzen der Jugend eine kurzere und bundi- 
gere Lehrart, in denen unteren sechs Schulen einzufuhren thunlioh 
sein dfirfte". 

Die tTbersiedelung der Fflanzschnle begann am 1. Mai 
und war am 15. Juni beendet; dieselbe braohte ihr gesamtes Eigen- 
tnm mit. Darunter befanden sich die Bildnisse der Eaiserin und 
des Kaisers, sowie samtlicher 225 lebenden Generate, nnd Ersparnisse 
im Betrage von 105 426 Gulden, welche fur den Bau verwendet 
warden. Dieser war im Fruhjahr 1771 so weit vollendet, dass samt- 
lche Zogiinge die ihnen vorlaufig angewiesen gewesenen Unterkunfts- 
raume verlassen konnten. 

Inzwischen war es in der Akademie zu argen Ausschrei- 
tungen gekommen, der Ungehorsam war in thatsachliche Wider- 
setzlichkeit ausgeartet. Letzteres namentlich, als gelegentlich der 
Ausmusterung Zogiinge, welche den Anforderungen nicht entsprachen, 
als ordinare Kadetten entlassen wurden. Hannig, welcher Ruhe 
stiften wollte, begegnete offenem Aufruhr. Die Teilnehmer an dem 
Yergehen wurden ernstlich bestraft, die Radelsfuhrer korperlich ge- 
zuchtigt und als Gemeine Regimentern uberwiesen. 

Demnachst aber wurden Massregeln getroffen, welche dazu dienen 
sol It en, eine bessere Manneszucht und grossere Folgsamkeit her- 
zustellen. Zunachst gab Colloredo am 19. September 1769 den Be- 
fehl, dass samtliche Offiziere die Kadetten mit „Er", nicht wie 
bisher mit „Sie", und einfach mit ihren Familiennamen, unter Weg- 
lassung eines jeden Zusatzes, anreden sollten. Er wollte damit dem 
eingerissenen Missbrauche entgegentreten, dass die Zdglinge nach 
Herkunft und nach Stand ihrer Eltern verschieden behandelt 
wurden; die Zogiinge selbst sollten angehalten werden, „den Unter- 
schied zwischen Kadett und Offizier zu ermessen" und „die Ehre ein- 
mal Offizier zu werden besser zu wurdigen". Er wollte sie Teran- 
lassen, sich einer Art der Ausmusterung wurdig zu machen, welche 
eine ehrendere Anrede im Gefolge haben wurde. Gleichzeitig betonte 
er die Notwendigkeit, „dass uber den Vollzug der vom General- 
Director taglich ausgegebenen Befehle mit aller Scharfe gewacht 
werde und dass die Cadeten erkennen lernen, dass man niemals 
mehr werde geschehen lassen, dass eine und dieselbe Sache zwei 
und noch mehr Male ohne Erfolg befohlen werde." Um die Handhabung 



Digitized by Google 



48 Geschichte des Milit&r - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



der Disziplin zu erleichtern, befahl er eine feste Strafordnung ein- 
zufuhren. Diese bestimmte, dass jeder Lehnneister, wie bisher, das 
Recht haben solle, einen Eadetten in der Lektion stehen, am Boden oder 
auf einen Scheite Holz knieen zu lassen. Der Unterlieutenant durfte die 
Kadetten seiner Kameradschaft mit dem Abzuge von ein oder zwei 
Speisen oder des Weines, der Oberlieutenant auch die Gefreiten, 
und zwar mit Diat durch eine ganze Mahlzeit und mit Arrest 
wahrend der Erholungszeit, der Kapitan auch die Korporale, und zwar 
mit Diat durch zwei Mahlzeiten und Kompagniearrest fiber Nacht 
bestrafen und statt des Spazierens emsperren. Bei einer Widersetz- 
lichkeit oder Subordinationsverletzung wurde der Schuldige in Arrest 
gesetzt und MelduDg erstattet. Der Hauptmann bestrafte die Feld- 
webel mit Diat und Arrest bis zu 2, der Stabsoffizier bis zu 3 
Tagen. Der Direktor konnte bestrafen, wie er wollte. Die Strafe 
des Speisens an Diat- oder Straftafeln war wirkungslos geworden. 
Colloredo befahl statt dessen, „die Liederlichen" durch gelbe Aufschlage 
kenntlich zu machen; jedoch nur selten, damit das Mittel seine 
Wirkung nicht auch verlore. Zoglinge, welche dauernd unfleissig 
waren oder sich schlecht ffihrten, sollten als Tambours Regimentern 
fiberwiesen, solche, welche Mangel an Talent zeigten, ihren An- 
gehorigen zuruckgegeben werden, aber so fruh, dass diese noch 
etwas anderes aus ihnen machen konnten. 

Trotzdem wiederholten sich 1773 die Vergehen wider die 
Unterordnung, indem Schmahschriften fiber die Vorgesetzten ver- 
breitet wurden; die Folge davon war, dass 11 Kadetten als Mus- 
ketiere entlassen wurden. Einige derselben erlangten die Zufrieden- 
heit ihrer Regimentskommandeure in solchem Grade, dass diese sie 
im folgenden Jahre zu Fahnenkadetten rorschlugeiL Es wurde dies 
freilich nicht genehmigt, einige wurden aber zu Ordinarkadetten er- 
nannt. 

Der Eintritt der Piaristen in die Akademie wirkte auf die 
Lehrerfolge gfinstig ein, in anderer Beziehung jedoch erwiesen die 
Vater der frommen Schulen sich als ein storendes Element. Es gilt 
dies namentlich von ihrem Superior Christian Fengler, einem 
sehr tfichtigen, aber ebenso selbstbewussten und herrschsfichtigen 
Manne. Es entstanden Streitigkeiten und bedenkliche Storungen des 
Dienstbetriebes. Das Endergebnis war Fengler's Triumpf und Han- 
nigs Ungnade, die Kaiserin bezeigte dieselbe ihm und der Anstalt 
dadurch, dass ihre Besuche immer seltener wurden. Dagegen setzte 
Hannig durch, dass der Anspruch des Stadtmagistrats auf die Jnris- 



Digitized by Google 



(Wrreich-Ungarn 



49 



diktion fiber die Anstaltskirche beseitigt ward und dass die Piaristen, 
welche der Bischof von Neustadt sich untergeordnet zu sehen wfinschte, 
wie die Anstaltsgeistlichen dem apostolischen Feld-Vikar unterstellt 
wurden. Nun trat aber der Piaristen-Ordensprovinzial mit dem An- 
spruche auf, seinen Ordensgenossen in der Anstalt Auftrage und 
Weisungen erteilen, sie visitieren und sogar Lokalkongregationen ver- 
anstalten zu dfirfen. Der Streit ward schliesslich dahin geschlichtet, 
dass die Kongregationen unterblieben und der Provinzial das ihm 
zuerkannte Aufsichtsrecht durch den von ihm angestellten Pater 
Superior ausubte, welcher zum Zweck der Berichterstattung von Zeit 
zu Zeit nach Wien reiste. Der Provinzial durfte seine Ordensglieder 
abberufen und durch andere ersetzen; solange sie aber der Anstalt 
angehorten, standen sie lediglich unter der Lokaldirektion. 

Ein Hauptverdienst, welches die frommen Vater sich erwarben, 
war dieRegelung des Lehrplanes und der Lehrweise. Beide 
wurden den fur die offentlichen, von den Piaristen geleiteten Schulen 
massgebenden Grundsatzen entsprechend geregelt, gleichzeitig aber 
dem Bedurfnisse der Anstalt angepasst und nach und nach ein- 
gefuhrt. — Als 1771 ein Wechsel unter den Lehrern des Bohmischen 
eintrat, wurde angeordnet, dass die Grammatik systematisch gelehrt, 
dass Worter und Satze auswendig gelernt und dass die Zdglinge 
so bald als moglich zum Sprechen gebracht werden sollten. Zugleich 
ward der Unterricht auf die kleinen Zoglinge ausgedehnt. — Die 
Geschichte war bisher aus italienischen oder franzosiscben Buchern 
vorgetragen. Dadurch war aus dem Geschichts- ein Sprachunterricht 
geworden. Fengler fflhrte den Vortrag in deutscher Sprache ein: 
Der Lehrer las vor; die Schiiler folgten in ihren Buchern und mussten 
das Gehorte nacherzahlen; alle 14 Tage hatten sie einen schriftlichen 
„Synop8" fiber den Vortrag zu liefern. — Der Superior erteilte keinen 
Unterricht, sondern uberwachte denselben, wohnte den Christenlehren 
und den Priifungen bei; zwei Geistliche, welche die Kanzel — der 
eine an Sonn-, der andere an Feiertagen — , Beichtstuhl, Kirche und 
Krankenbitte besorgten, waren ebenfalls vom Lehramte befreit; ein 
Geistlicher nahm die Leseschule wahr und unterwies in den Anfangs- 
grunden des Schreibens; ein anderer hatte die Schreibeschule, in 
welcher er Schon- und Diktandoschreiben und die AnfangsgrQnde 
des Lateinischen (Iofima) lehrte und im Lesen ubte; in zwei der 
hoheren Lateinklassen lehrte je einer Parva und Principia, bezw. 
Grammatik und Syntax, Poesie und Rhetorik; einer lehrte Philosophie. 
Es ist dies schon ein Lehrer mehr als der Stand von 1769 aufweist, 

Monument* Germani»e Paed»goglc» XV. 4 



Digitized by Google 



50 



Geechichte dee Militar-Erriehungs- und -Bildungsweaens etc. 



in der Folge ward noch ein solcher fflr Physik angestellt; in den 
lateinischen Schulen warden auch „Historia juvenalis", Erdbeschrei- 
bung, Altertfimer, die naturlichen Begriffe von der Korperwelt, Sitten- 
lehre nnd Rechenkunst gelehrt. Das letzte Viertel einer jeden 
Unterrichts8tnnde gehorte der Christenlehre (Religionsunterricht), 
welche ausserdem an jedem Sonn- and Feiertage mit samtlichen 
Kadetten vorgenommen wurde. Die Philosophie zerfiel in Vernunft- 
lehre (Logik), reine Grundlehre (Metaphysik) und Recht der Natur. 
— Die Zahl der taglichen Lehrstnnden sollte nicht mehr als fflnf 
betragen. — Prufungen, sowohl besondere durch die Lehrer wie 
otfentliche, sollten haufig vorgenommen werden. — Der Oktober 
war der militarischen Ausbildung gewidmet. Die Geistlichen hatten 
dann Ferien. — Urlanb der Kadetten fand nicht statt; 1773 hatte 
Colloredo einzelnen einen solchen bis zu 8 Tagen bewilligt; 1775 
ward die Vergunstigung wieder beseitigt. — Lehrbucher wurden 
von den unterrichtenden Geistlichen ausgearbeitet, welche dafur be- 
sonders bezahlt wurden; die vorhandenen passten nicht fur die 
Akademie. 

Es bestanden, nach demLebensalterzusammengesetzt, 6 Elassen, 

3 bei den grosseren, 3 bei den kleineren Eompagnien: bei den 
kleineren die 1. oder jungste fur die Lese- und Schreibschuler im 
Alter von 8 bis 10, die 2. oder mittlere fur die Parvisten und Prin- 
zipisten von 10 bis 12, die 3. oder altere fur die Gr a mm at is ten und 
Syntaxisten von 12 bis 14; bei den grosseren die 1. oder jungste 
fflr die Rhetorik und Poesie von 14 bis 16, die 2. oder mittlere far 
die Philosophie von 16 bis 18, die 3. oder alteste fur die Historici 
von 18 bis 20 Jahren. 

In jedem Stockwerke war von den vier Kompagnien eine grossere 
und eine kleinere untergebracht , jede hatte zwei Schlafsale, jeder 
Kadett seit 1770 sein eigenes eisernes Bett Die Zimmer der Offiziere 
lagen neben den Dormitorien ihrer Kameradsohaften. 

Bei den kleinen Kompagnien hatte taglich ein KadettenfQhrer 
den Aufsichtsdienst („das Aufwarten"); er kontrolierte auch nachts 
die beiden Lakaien, welche bei jeder Kompagnie angezogen in dem 
hell erleuchteten Schlafsaale sich aufzuhalten hatten und von denen 
einer stets wach sein musste. Am Tage war auf jedem Gauge stets 
ein Lakai zur Hand. Der Offizier der Wache visitierte in langen 
Nach ten vier-, in kurzen dreimal alle Schlafsale; bei den grossen 
Kadetten nahm der Offizier von der Feuerinspektion um 10 und um 

4 Uhr eine besondere Visitierung vor. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



51 



Dem korperlichen Gedeihen der Zoglinge ward vermehrte 
Fursorge gewidmet. So wurde die Impfung der Schutzblattern ein- 
geruhrt, welohe die Kaiserin 1768/69 anter ihren eigenen Augen in 
Schonbrunn ausfilhren liess, und 1772 kam der spater zur Haus- 
ordnung gewordene Brauch in Aufhahme, Kadetten, welche einer 
Eur bedurften, nach Baden zu schicken. 

Die gesamte Zeiteinteilnng und das Nahere fiber den Lehrplan 
gehen aus einer „Tagesordnung" hervor, welche bei Leitner (a. a. 0., 
S. 125—136) abgedruckt ist. 

Die Aufnahme erfolgte mit dem 7. Jahre. Bedingnng waren 
korperliche Gesundheit und geistige Anlagen. Katholisches Glaubens- 
bekenntniswar nicht unbedingtes Erfordernis, aber unausgesprochene 
Voraus8etzung. 1771 wurde ein lutherischer Zdgling von der Ober- 
direktion mit dem Bemerken uberwiesen, „dass Obsorge getroffen 
werde, damit demselben der eingeflosste Irrtum nach Erfordernis 
benommen und ihm von der Geistlichkeit die Grunde der wahren 
katholischen Religion beigebraoht werden mogen". Als dagegen 1774 
einem Kadett vom Regiment Wied-Runkel gestattet wurde, als Fre- 
quentant am Unterrichte in der Befestigungskunst teilzunehmen, 
geschah es mit der Weisung, denselben, da er protestantisch sei, 
zum Besuche des Gottesdienstes nicht zu zwingen. Solche Fre- 
quentanten wurden spater haufiger, namentlich zu den militarischen 
Fachern, zugelassen; es befanden sich auch Ofnziere darunter. 

Die Ausmusterung erfolgte vierteljahrlich, die starkste im 
Herbst, der Regel nach als Fahnenkadett ; die vorzuglichsten kamen 
als» Unterlieutenants zur Kavallerie. Als bei dieser die Beforderung 
stockte, befahl die Kaiserin am 19. August 1770, dass, falls keine 
Stellen frei waren, deren alljahrlich vier bei der Infanterie offen ge- 
halten und im November besetzt werden sollten. Mittelmassige 
Zoglinge schieden als ordinare Kadetten, ganz schlechte und ver- 
dorbene als Gemeine aus; zu Soldaten unbrauchbare wurden ander- 
weit versorgt. Haufig kamen Versetzungen in die Ingenieur-Akademie 
oder Tausche zwischen den Militar - Akademien und dem There- 
aianum vor. 

Als bald nach dem Jahre 1769 bei der Infanterie ein so starker 
Bedarf eintrat, dass 16jahrige Zoglinge uberwiesen wurden, beschrankte 
Colloredo die jahrliche Ausmusterung auf 33 bis 34; die ubrigen 
Fahneukadetten stellen blieben unbesetzt oder wurden den Regimentern 
zur Verfugung gestellt Seit 1784 uberliess er sie auch der Ingenieur- 
Akademie. 

4» 



Digitized by Google 



52 



Gesehichte des Milit&r-Erziehunga- und -Bildungswesens etc. 



An Ausmusterungsgebuhren erhielt seit 17 72 ein Unter- 
lieutenant oder Fahnenkadett: 1 weissen Rock, Kamisol und 
Beinkleider (mit den Aufschlagen der Akademie), 1 Chemise oder 
weissen tTberrock, 1 Degen samt Kuppel, 6 garnierte Hemden, 2 ross- 
haarene Halsbinden, 6 Sacktueher, 3 Schlafhauben, 6 Paar Strumpfe, 
4 Handtucher, 1 Paar Handschuhe, 4 Ellen Seidenband, 1 Spiegel, 

1 Paar Stiefeln, 1 Paar Schuhe, 1 Felleisen, 1 Echarpe, 1 Zelt; der 
Stabs- oder Ordinar-Kadett: 1 weissen Rock etc. (wie oben), 1 
Chemise von Pfeffer- und Salzfarbe, 1 Sabel samt Kuppel, 4 Hemden, 

2 Halsbinden, 2 Schlafhauben, 4 Sacktfleher, 4 Paar Strumpfe, 
1 Paar Handschuhe, 2 Paar Schuhe, 4 Ellen Seidenband, 1 Tornister; 
insgesamt im Werte von 70 Gulden im ersten, von 50 im zweiten 
Falle. Ausserdem wurden dem Regimente „zur ganzlichen Equipirung 
und Egalisirung" baar gesandt: fur einen Unterlieutenant bei den 
Kfirassieren 280, bei den Dragonern und Chevauxlegers 230, fur 
einen Fahnenkadett bei einem deutschen Regimente 90, bei einem 
ungarischen 100, fur einen Stabskadetten bezw. 10 oder 20 Gulden; 
1775 wurden diese Betrage um je 10 Gulden erhoht Endlich 
erhielten der Offizier etc. ein Douceur von 30, der Stabskadett von 
20 Gulden, alle ohne Unterschied Propret^sachen , Kamme, Zahn- 
bursten, Rasierzeug etc. im Werte von 43 Gulden. — Jeder Aus- 
gemusterte meldete sich bei der Oberdirektion in Wien, die Offiziere 
und Fahnenkadetten wurden der Kaiserin vorgestellt, die Kosten der 
Reise und des Aufenthaltes trug die Akademie, ebenso die Kosten 
der Beforderung zum Regiment, wahrend deren jeder Offizier noch 
1 Gulden, der Kadett 45 Kreuzer Diaten erhielt. • 

Der Bau kostete fortwahrend viel Geld. Um es zu beschaffen, 
wurden das Aufsichts- und das Hauspersonal vermindert. Auf der 
anderen Seite traten aber neue Anforderungen an die Kasse heran, 
namentlich durch die schon erwahnte Anstellung eines Lehrers der 
Physik und die Beschaflfung der Lehrmittel fur seinen Vortrag, sowie 
durch die notig gewordene Vermehrung der Rechnungsbeamten. 
Ferner war ein Brunnenmeister fur die gelegentlich des Neubaues 
angelegte Wasserleitung erforderlich , welche samtliche Raume 
bis zum Dache hinauf mit Wasser versah. Ersparnisse wurden 
dagegen an den Pferden gemacht, deren Zahl von 35 auf 30 ver- 
mindert ward, wodurch auch ein Reitknecht entbehrlich wurde, und 
am We in. Die kleinen Kadetten erhielten jetzt mittags V*i die 
mittleren J /» » giosseren mittags und abends je V* Seidel. Da- 
durch wurden jahrlith 1000 Gulden erspart. Der Mittagstisch 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



53 



war schon 1769 auf 4 Speisen herabgesetzt Neue Montierung 
erhielten die grossen Kadetten alljahrlich, die kleinen nur alle 5 bis 
6 Jahre; es wurden fur sie Schulmonturen aus den abgelegten 
Kleidern der grossen angefertigt. Die weissen Beinkleider, welche 
letztere bei Ausrfickungen hatten, wurden abgeschafft und nur 
schwarze getragen; an Stelle der schwarzwollenen Winterstrumpfe 
traten weisse baumwollene. 

1775 bis 1778. 

Eine feste Grundlage erhielt die Anstalt durch das 
Akademie-Reglement vom 16. Januar 17 75. 1 ) 

Bearbeiter war der Akademie-Sekretar Johann Baptista Lang, 
friiher Privatsekretar des Grafen Colloredo, welehem in Anerkennung 
seiner Leistung der Adelsstand, der Titel als Hofsekretar und eine 
Gehaltserhohung von jahrlieh 500 Gulden verliehen wurden. Das 
Reglement, vom 1. Januar 1775 datiert, am 16. d. M. durch die 
Kaiserin bestatigt, giebt niclit nur Vorschriften, sondern stellt auch 
Grundsatze fur Erziehung und Unterricht auf und erteilt Anweisung, 
wie die Jugend zu seiner Befolgung veranlasst werden soli. Jeder 
Kadett „von der Logik aufwarts" erhielt ein Exemplar, den jungeren 
„von der Syntax ab warts" wurde von Zeit zu Zeit ein Abschnitt 
daraus vorgelesen und erklart. Leitner*) schreibt uber dasselbe 
1852 auf Grand eigener langjahriger Erfahrung: „Dieses Reglement, 
das alteste und einzige Reglement fur die Akademie, zeiohnet sich 
durch gediegene kernichte Sprache, durch einfache aber richtige 
Grundsatze, eine genaue Kenntnis der Jugend im allgemeinen und 
der akademischen Jugend insbesondere aus. Der Wechsel der Zeiten, 
welcher auch stets einen anderen Geist mit sich brachte und die 
Erziehungs-Prinzipien modifizierte, machte spater einige Veranderungen 
in diesen Verhaltungen notwendig; es entstanden neue voluminose 
Spezialregeln , welche sich jedoch immer auf das ursprungliche Reg- 
lement grundeten, und selbst jetzt, wo mancherlei Verhaltungsregeln 
aus verschiedenen Zeitepochen vorkommen und eine bedingte Gultig- 
keit haben, bleibt dieses Reglement die letzte Zuflucht, aus welcher 
man sich notigenfalls Rat und Aufklarang holt." 

Der Inhalt des umfangreichen Buches kann hier nur kurz an- 
gedeutet werden. Dasselbe beginnt mit den „Verhaltungen fur die 

») Der Reglement ffir die Kaiserl. K6nigl. thereaianische Mihtarakademie 
zu wieneriuch Neuatadt Wien, gedruckt bey Joseph Kurzbock, Kais. Konigl. 
illyrisch. und oriental. Hofbuchdruckerei und Buchh. 1775. (8°. 262 a) 
») Leitner a. a. O., S. 144. 



Digitized by Google 



54 



Geschichte des Militai-ErziehungH- und -Bildungswesens etc. 



Kadetten, handelt von den Pflichten gegen Gott, vom Gehorsam und 
der TJnterwurfigkeit , vom Fleiss in Erlernung der eingefuhrten 
Wissenschaften, von Sauberkeit und Ordnung, vom Verhalten gegen 
Hohere, Gleiehgestellte und Niedere, geht dann zu der Verhaltung 
fur die weltliohen Lehrer und Meister, sowie zu der far einen geist- 
lichen Superior und seine unterhabenden Ordensbruder als Geist- 
liche, akademische Seelsorger und Schulvorsteher, fur das Gesund- 
heitspersonal und fur die versohiedenen Stufen der Vorgesetzten uber. 
Wir konnen auf die ausfuhrliche Wiedergabe des Inhalts um so eher 
verzichten, als derselbe in den Hauptsachen nur den geltenden Be- 
8timmungen erneuten Ausdruck verleiht. Abweichend von der bis- 
herigen Anordnung hatten sich dagegen die Bestimmungen uber den 
Unterricht gestaltet 

Der Studienplan erfuhr wesentliche Anderungen. Die latei- 
nische Poesie und Rhetorik horten auf besondere Unterrichtsgegen- 
stande zu sein; ihre wichtigsten Teile wurden den Grammatikalklassen 
iiberwiesen. Die mathematischen und militarischen Lehrfacher fanden 
vermehrte Beachtung. Durch den Oberlieutenant Gomez 1 ) wurden 
„die rasonnierende Taktik und die Kriegswissenschaft" eingefuhri 
Der Unterricht in Taktik ging indessen nicht uber die Anfangs- 
grunde hinaus, war also im Vergleich zu dem fiber Befestigungskunst 
sehr beschrankt Bemerkenswert ist, dass im 8., bezw. 9. J ah re 
die Zeit hauptsachlich einem Fache (Mathematik, bezw. Befestigungs- 
kunst) gewidmet war. Der Kurs wurde in 11 Jahrgange geteilt; die 
hoheren hatten taglich 6, die niederen 4 Lehrstunden; die Zahl war 
mithin erheblich vermindert. Der Stundenplan wurde alljahrlich 
festgesteilt; Leibesubungen , militarische Exerzitien, die Sorge fur 
Reinlichkeit, Visitationen, Gottesdienst sollten mit wissenschaftlichem 
Unterrichte wechseln. Die Lehrgegenstande waren in nachstehender 
Weise verteilt: 

1. Schulja hr (,Jjeseschule"): Lesen gedruckter und geschriebener 
Aufsatze; Anfangsgrunde der Kalligraphie ; der kleine Normal- 
Katechismus. 

2. Schuljahr („Schreibschule") : Schon- und Rechtschreiben ; 
Anfangsgrunde der deutschen und lateinischen Sprache bis auf die 
Abwandlung der unregehnassigen Zeitworter; Geschichte: die Merk- 
wurdigkeiten des glaubigen Volkes Abrahams von der Schopfung bis 

») Geb. 26. Dezember 1744 zu Nieuwport, geet. 10. Januar 1810 zu Ofen 
als FML., Verfasaer einer lange Zeit sehr geschatzten Terrainlehre. (1. Aufl. 
Wien 1805.) 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungam. 



55 



zur Ankunft des Welterldsers; Religionslehre: die ersten zwei Ab- 
teilungen des kleinen Auszuges des romischen Katechismus. 

3. Schuljahr („Parva M ): deutsche and lateinische Sprache; 
Gesohichte: die Merkwurdigkeiten des glaubigen Volkes, von der 
Ankunft des Welterldsers bis auf den Umsturz der Synagoge und 
AnsbreituDg der Kirche Gottes unter den Heiden; aus der Erd- 
beschreibung: die Karte von der Rundflache und Europa uberhaupt; 
Arithmetik: die funf Rechnungsarten in unbenannten Zahlen ; Religions- 
lehre: die zwei let z ten Abteilungen des Auszuges des romischen 
Katechismus; bdhmische Sprache: jeden 2. Nachmittag l 1 /* Stunde. 

4. Schuljahr („Principia"): deutsche und lateinische Sprache 
durch tTbersetzung und Nachahmung; Geschichte: die merkwurdigsten 
Perioden der assyrischen, persischen und griechischen Monarchen; 
Erdbeschreibung : die Earten von England, Sohottland, Irland, 
Danemark, Norwegen, Schweden, Polen, Preussen, Moskau; aus den 
Begriffen von der Korperwelt: die ersten Ideen der korperlichen 
Dinge uberhaupt, die Begriffe vom Feuer und der Luft, ihren Kraften 
und Wirkungen; die vier Rechnungsarten in benannten Zahlen und 
die Rechnungsarten in Bruchen; Religionslehre: die Halfte des 
grossen Katechismus; jeden 2. Tag bohmische Sprache. 

5. Schuljahr („Grammatik"): deutsche und lateinische Sprache 
(wie oben); Geschichte: die merkwurdigsten Begebenheiten der 
romischen Geschichte bis auf die Kaiser; Erdbeschreibung: die 
Karten von Portugal, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Schweiz, 
Tf alien, Ungarn, Siebenburgen, Slavonien, Kroatien ; aus den Begriffen 
von der Korperwelt: die ersten Ideen vom Wasser und anderen 
flussigen Korpern, von der Erde und ihrem dreifachen Reiche, von 
der Luft und den feurigen Lufterscheinungen; Altertumer: Auszug 
der griechischen Altertumer in 15 Titeln; Arithmetik: die 4 Regeln 
der Rechenkunst, als die Proportion, Vermischungs- und Gesellschafts- 
regeln, die Regula falsi, die Ausziehung der Quadrat- und Kubik- 
wurzeln; Religionslehre: die 2. Halfte des romischen Normal- 
katechismus; bohmische Sprache jeden 2. Nachmittag l 1 /* Stunde. 

6. Schuljahr („Syntax u ): Schluss des Unterrichts in der 
dentschen und lateinischen Sprache ; Geschichte : von Augustus bis zu 
Karl dem Grossen; Altertumer: der kleine Auszug der romischen 
Altertumer aus Moldenhausens und Rosins' Werken; Erdbeschreibung: 
die Karten des turkischen Reiches in Europa, dann Asien, Afrika, 
Amerika; Wappenkunst: eine Anleitung in die Heraldik nebst einem 
historischen Unterricht von den Ritterorden in Europa; Rechenkunst: 



Digitized by Google 



56 Geschichte dew Militar - Eriiehungs- und -Bildungswesens etc 



10- und 60teilige Brache; Wiederholung des Normalkatechismus ; 
bohmische Sprache wie im 5. Jahre. 

7. Schuljahr(„Philosophen" l.Jahrganges): Buchstabenrechnung 
bis zu den hoheren Gleichungen; Elementar-Geometrie und Trigono- 
metrie; Vernunft- und Grundlehre nach alien ihren Teilen; fran- 
zSsische Sprache (taglich). 

8. Schuljahr („Philosophen" 2. Jahrganges): DiflFerential- und 
Integralrechnung; Eegelschnitte; angewandte Mathematik und Natur- 
lehre; der Experimentalkurs ; kurze Einleitung in die Naturgeschichte; 
franzosische Sprache (taglich). 

„Bei den ersterwahnten Eunsten und Wissenscbaften wird der Haupt- 
bedacht dahin genommen werden , damit aus selben immer nur das 
gelehret werde, was auf ihren Stand die n achate Beziehung hat" 

9. Schuljahr („Fortifikationi8ten" 1. Jahrganges): Unterricht 
in der Feldbefestigung und praktischen Geometrie; italienische Sprache; 
Dienstag und Donnerstag „als an den bestimmten Erholungstagen" 
vor- und nachmittags lVsstundige Vorlesungen aus der Artillerie. 

10. Schuljahr („Fortifikationisten u 2. Jahrganges): Haupfc- 
befestigung, wo von der Beschaffenheit der Festungen, ihren ver- 
schiedenen Arten etc. geredet, auch gezeigt wird, wie die Grundrisse 
und Durchschnitte verfertigt und der Bau entworfen wird; erweiterter 
Unterricht in Erdbeschreibung und Geschichte; Vorlesungen aus der 
christlichen und dem Soldatenstande angemessenen Sitten- und 
Tugendlehre (Haupterklarungen der praktischen Philosophie uberhaupt, 
Recht der Natur, Moral); Kopierung von Rissen, Wappen und Aus- 
arbeitungen, welche der Hofkriegsrat sendet. 

11. Schuljahr („Reitschule"): Reiten, 4mal wdchentlich; wenn 
nicht geritten ward und fiir die, an denen nicht die Reihe war: 
Briefstellung, Erdbeschreibung und Geschichte; Angriff und Ver- 
teidigung der Festungen; Kriegsdienst, Anfangsgrunde der Taktik. 

Ausserdem wurden die zur Anstellung als Unterlieutenants der 
Kavallerie in Aussicht genommenen Kadett-Feldwebel jahrlich 2 bis 
3 Wochen im Dienste der Waffe unterwiesen, wozu eine Kavallerie- 
Abteilung nach Neustadt befehligt ward. 

Von jetzt an wandte auch die Eaiserin der Anstalt ihre voile 
Huld von neuem zu und bestatigte dies durch einen am 7. Juli ab- 
gestatteten Besuch. Maria Theresia trat in alle Klassen ein, wurde 
dort mit Anreden in verschiedenen Sprachen empfangen, liess mehrere 
Zoghnge prufen und druckte ihre voile Zufriedenheit aus. Gleich- 
zeitig befahl sie unter Anweisung von 40 000 Gulden, welche die 



Digitized by Google 



Onterreich-Ungarn. 



57 



Akademie nach und nach zuruckzahlen sollte, einen bis 1777 zu 
vollendenden Ausbau der Burg, durch welchen 2 grossere und 2 
kleinere Sale gewonnen wurden. Derselbe kam durch die Herstellung 
des mit der schon erwahnten, vom Dichter Denis verfassten, latei- 
nischen Inschrift gesehmuckten Portales vor dem Hauptthore zum 
Abschluss. Einer der Sale, der Ingenieursaal , wurde reich aus- 
gestattet. Das fruhere Verhaltnis der Kaiserin und ihrer bevorzugten 
SchSpfung war hergestellt. Die Akademie beging die Feier des 
Versohnungstages bis zum Tode Maria Theresias alljahrlich am 
7. Juli durch ein feierliches Hochamt. 

Am 19. Juli bestatigte ein hofkriegsratliches Reskript der Akademie 
die Vergunstigung (S. 46), ausgezeichnete Offiziere und Lehrer zur Be- 
forderung vorschlagen zu dtirfen. Wenn Offiziere, welche zum In- 
spektionsdienste in der Anstalt gewesen waren, zu ihren Regimentern 
zuruckkehrten, erhielten sie seit dem 6. Februar 1775 ein Equipierungs- 
geld von 40 Gulden. Der Auswahl der Offiziere ward seit 1777 
grossere Sorgfalt gewidmet. Sie wurden zunachst auf ein Jahr zur 
Probe kommandiert; den ungeeigneten bezahlte die Akademie die 
Ruckreise. Wer unbrauchbar geworden war, ward in der Regel in 
einem Invalidenhause untergebracht. Treugedientes "[Interpersonal 
wurde in Spitalern etc. versorgt 

Der Landerzuwachs durch die erste Teilung Polens veranlasste 
am 6. Januar 1775 einen Befehl zur Aumahme von 10 galizischen 
Edelleuten; die beiden ersten kamen im September an. 

1779 bis 1785. 

Das Jahr 17 79 ward fur die Akademie dadurch bedeutungsvoll, 
dass am 12. Juli GM. Graf Franz Kinsky 1 ) als Unterdirektor an 
Stelle des kranklich gewordenen und durch mancherlei Enttauschungen 
missgestimmten Hannig, welcher urn seine Entlassung gebeten 
hatte, die Leitung erhielt. 

Kinsky besass viele innere und aussere Eigenschaften , welche 
inn fur seine Stellung hervorragend geeignet machten. Wissenschafl- 
lich griindlich gebildet und seine Stelle als Rat am bohmischen 
Appellation8gerichte aufgebend, war er 1759, durch den Krieg ver- 
anlasst, Soldat geworden und durch Stellenkauf rasch in hohere 
Stellungen gelangt. Daneben hatte er eifrig an seiner Fortbildung 
gearbeitet. Als Regimentskommandeur unterrichtete er sich auf der 



») Geb. 9. Januar 1739. Wurzbach a. a. O., 11. Band, Wien 1864. 



Digitized by Google 



58 



Gescbichte des Militar-Eraehungs- trad -Bildungswesens etc. 



Universitat zu Prag iiber die Anwendung der Mathematik auf Kriegs- 
bauten; als Oberst des In fan te r i e-Regi men ts Gaisrfik No. 42 stellte 
er Studenten als Kadetten an und begrfindete unter ihrer Mitwirkung 
eine Regiments-Kadettenschule, an weloher er selbst Mathematik 
vortrug. Sie hatte anfangs Erfolg, als aber infolge Wechsels in 
seiner Dienststellung seine personliche Einwirkung geringer wnrde, 
verfiel sie. Durch dieseSchule und durch zwei Schriften fiber Erziehungs- 
wesen („Die Erinnerung fiber einen wichtigen Gegenstand von einem 
Bohmen" und als Erganzung dazu „tTber die Hofmeister", ohne 
Nennang seines Namens) zog er die Aufmerksamkeit der Eaiserin 
auf sich, in deren Auftrage er 1777/78 die Hohe Karlsschule und 
die schweizerischen Erziehungsanstalten besuchte. Aus einem der 
vornehmsten und reichsten Geschlechter Bohmens entsprossen, ge- 
horte er den hochsten Schichten der Gesellschaft an und war in 
Hofkreisen ebenso bekannt wie geschatzt; zu Colloredo stand er in 
den allerbesten Beziehungen. Dass er Herz und Gemfit hatte, 
beweist die Anhanglichkeit und Zuneigung seiner Untergebenen; bis 
an ihr Ende zollten alle, die in Beruhrung mit ihm gekommen 
waren, seinem Andenken die tiefste Verehrung und eine ungeheuchelte 
Ergebenheii Sein Wesen, seine Sinnes- und Denkungsart haben der 
Anstalt fur die ganze Zeit, in welcher er dieselbe leitete, den Stempel 
aufgedruckt und noch lange nach seinem Tode war der Einfluss 
seiner Persdnlichkeit bemerkbar. 

Mit der Akademie war er nicht unbekannt. Im November 1777, 
bevor er jene Reise antrat, hatte er sie besucht und der Kaiserin 
fiber seine Wahrnehmungen berichtet. Er hatte sich gfinstig aus- 
gesprochen. Nur die Kurzsichtigkeit vieler Zdglinge war ihm auf- 
gefallen; die Beleuchtung der Repetitionssale, welche schuld sein 
sollte, wurde darauf verbessert. 

Die Schwierigkeiten , welche die Stellung ihm bereiten wurde, 
erkannte Kinsky voUkommen. 

Die Anstalt, wie er sie vorfand, war im wesentlichen eine Ver- 
sorgungsanstalt. Bei der Aufhahme wurde wenig gefragt, ob die 
Kinder sich fur dieselbe eigneten, sondern hauptsachlich, ob die 
Eltern bedfirftig oder ob sie selbst Waisen waren. Knaben von 
weniger als sieben Jahren, korperlich vernachlassigt und geistig ver- 
wahrlost, waren nicht selten. Die Erziehung war daher die erste 
Hauptsorge. Sie ward unter Kinsky im wesentlichen im frfiheren 
Geiste geleitet. Wie bisher bildete die Akademie eine Welt fur sich. 
Doch hob er das 1775 ergangene Verbot des Ausspeisens auf und 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



59 



gewahrte an Sonn- und Feiertagen Urlaub zu Verwandten und Be- 
freundeten. 

Die korperliche Erziehung hatte zunachst die Gewdhnung 
an Reinlichkeit znm Gegenstande. Das Waschen ward taglich 
morgens, im Sommer auch abends, das der Fusse an gewissen Tagen 
vorgenommen. Jeder Zdgling mnsste schwimmen lernen; ein 
Winterbad gestattete, den Unterricht zu jeder Jahreszeit stattfinden 
zu lassen. Den Anfang machte die Gewdhnung an das Wasser, dann 
wurde die Bewegung der Fusse, zuletzt die der Anne gelehrt. Auch 
zu Pferde wurde geschwommen. Das Frisieren besorgte bei den 
alteren Eadetten einer dem anderen, bei den jiingeren gesehah es 
(lurch Weiber; an einem Wo clientage wurde das Haar, urn es zu 
erhalten, nicht frisiert, sondern in einen leichten Zopf gebunden. 
Grossen Wert legte Kinsky auf Abhartung. Bei jedem Wetter 
wurden die Eadetten nach dem Essen in den Tiergarten gefuhrt. 
Hier hatte jede Kompagnie ihren durch traoierte Linien von den 
anderen getrennten Spielplatz; niemand durfte die Grenze uber- 
schreiten; die Art der Scheidung sollte zeigen, dass die Disziplin 
nicht kdrperlicher Schranken bedarf; urn Untergebene in Ordnung zu 
halten. Der Aufenthalt im Freien wurde in verschiedener Weise 
for den Unterricht und die Erziehung ausgenutzt. Um die Kadetten 
schwindelfrei zu machen, ward auf dem Stege gegangen ; ein hoherer, 
3 Fuss fiber dem Erdboden befindlicher war fur die Geschickteren, 
ein niederer fiir die weniger Geubten hergestellt, eine weiche Unter- 
lage auf dem Boden schutzte vor Beschadigung beim Herabfallen. 

Ubungen im Entfernungschatzen scharften das Augenmass; 
ein botanischer Garten mit einer Allee aus verschiedenen Baumarten, 
mit Wiesen und Feldern, diente dem Unterrichte iiber Landwirt- 
schaft, welcher von der 5. Klasse an als Unterhaltung, bei der 8. 
ernstlicher, bei der 9. und 10. als eigentliches Lehrfach betrieben 
wurde. Es wurde mit Pistolen geschossen; eine Menge von Spielen 
regte die geistige Thatigkeit an und ubte die korperlichen Krafte. 
Niemand sollte mussig sein. Sitzen, Liegen, Umherschlendern wurden 
nicht geduldet. Nichts durfte liegen gelassen werden; die Spiel- 
sachen war en geliehenes Gut; „wer dasselbe nicht zu konservieren 
beflissen ist, v err at und an k bare Gesinnung." Ein Signal beendete 
das Spiel. Dann ward langsam zuruckmarschiert, damit die Zoglinge 
abgek Qhlt zum Abendessen, folglich zum Trinken kamen; auf den 
Spielplatz durfte kein Wasser gebracbt werden. Als Grundsatz gait, 
dass, wer beim Spielen faul sei, es auch beim Lernen sein wurde. 



Digitized by Google 



60 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



„Also, die bei ganz gesundem Korper im Tiergarten nicht spielen, 
sich nicht rQhren wollen, unter andere Kadetten minderer Klassen 
in solche Kreisspiele verteilt, die ihrer faulen Haut nicht behagen 
mochten." Kinsky fullte alle freie Zeit mit Spielen aus. „Die 
Absicht der Erholungsstunden ist nicht Mfissiggang zu pflegen. 
Keinen Kadetten also wahrend dieser Zeit ohne alle Beschaftigung 
geduldet ; in derlei Stunden kann fur Spiel niemals Mussiggang ver- 
stattet sein. Zdglinge werden nur in Erholungsstunden verdorben 
und gerade das Dialogieren mit Kopfen, die vom grossern Haufen 
sich absondern, sich zusammenrotten , giebt Anlass zu den schick- 
lichsten Augenblicken, welche der Taugenichts benutzt, Spiessgesellen 
zu erwerben." Da gab es Graben-, Barriere- und Wandspringen, 
mit Steinen und mit dem Tard Werfen, Vogelschiessen, Stelzengehen, 
Ballonschlagen , Klettern und Steigen auf Seilen, das Mail-, das 
Trocco di terra- und andere Spiele fur die Unterhaltung im Freien; 
Karten, Wurfel, Schach- und Damebretter, Domino und Billard fur 
das Zimmer. Jeder Kadett musste mehrere Spiele kSnnen. Von 
Kommerzspielen waren erlaubt, „die in guten Sozietaten gebrauchlich 
sind". Die Notwendigkeit fur den Offizier, sich in der grossen Welt 
zu bewegen, hatte Kinsky immer tot Augen. Eine seiner Schriften 1 ) 
gab Anweisung zum Auftreten in der Gesellschaft. Hazardspiele 
waren untersagt. „Rekreationsgeld mogen die Kadetten immerhin 
vertarockieren oder verpikettieren." Das Rekreationsgeld erhielten 
die Kadetten teils von ihren Angehdrigen, denen in dieser Beziehung 
keine Beschrankung auferlegt war, teils als „Weingeld << , welches 
erlaubt war sich zahlen zu lassen statt den Wein zu trinken. Nur 
an Festtagen musste letzterer genossen werden. Es sollte dadurch 
zugleich das Wassertrinken gefordert werden. Beim Kartenspiele 
sollte das Aufsichtspersonal die Gemutseigenschaften der Zdglinge 
kennen lernen. Zur Unterhaltung dienten auch Papparbeiten, 
Schnitzerei, mechanische Arbeiten etc. Dem Lesen von Unter- 
haltungsschriften wirkte Kinsky mehr entgegen, als dass er es forderte; 
es war gestattet, aber nur unter den Augen der Vorgesetzten; nur 
die drei obersten Klassen durften die BQchersammlung benutzen. 
Die Faschingsbelustigungen schaffte er ganz ab. Dagegen 



") Dea Grafen F. Kinsky vermischte Schriften, 2. Teil, enthfilt: „Far 
Weltrekruten" und „Cber die Hofmeiater", Wiener -Neustadt 1786. Eratere 
Schrift erschien zuerst zu Prag 1773, letztere, ein Nachtrag zu jener, Prag 1776. 
Kiuskys „Padagogi»che Schriften" sind, mit Anmerkungen versehen, durch 
den Gymnaaial-Professor W. Eymer, Wien 1892, neu herausgegeben. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



61 



oflhete er den Kadetten sein eigenes Haus, in welch em die alteren 
ihren Jahren entsprechend an geselligen Vergniigungen teilnahmen, 
seine Gemahlin sich mit den jungeren wie mit eigenen Kindern be- 
schaftigte. Den Gipfelpunkt der Ergotzlichkeiten bildete eine an 
einem der letzten Faschingstage veranstaltete Auslosung, durch 
welohe allerlei niitzliche und angenehme Gegenstande zur Verteilung 
kamen. Sie brachte den guten Zdglingen Belobnung, den schlechten 
Strafe. Letztere waren ganz ausgeschlossen, erstere nahmen am 
Spiele um die verschiedenen Klassen von Preisen nach ihrer Wurdig- 
keit teil. Es war ein feierlicber Akt, welchem Offiziere und Lehrer 
mit ihren Frauen beiwohnten. 

Der korperlichen Ausbildung dienten ferner die militarischen 
TTbungen. Das Exerzitium, welches gelehrt wurde, war vor- 
ziiglich das der Infanterie. Statt der Schnl- ward die Kampagne- 
reiterei eingefdhrt. An Stelle des bisherigen Stallpersonals trat im 
Interesse der Ausbildung von Offizieren fur die Kavallerie ein sol- 
datisches. Es warden 1 Rittmeister, 2 Lieutenants, 1 Wachtmeister, 
1 Korporal, 15 Dragoner, 1 Trompeter und 1 Schmied zur Akademie 
befehligt, die Zahl der Pferde ward auf 60, spater auf 70 erhoht. 
Kadetten der hochsten Klassen wurden fur den Kavallerie- und 
den Adjutantendienst, sowohl einzeln wie im Zuge, ausgebildet; sie 
hatten eigene Montur und Ausriistung und wurden aUjahrlich im 
Herbst einem Reiterregimente zugeteilt. Die Anfangsgriinde des 
Reitens wurden am holzernen Pferde gelehrt, so das Auf- und Ab- 
sitzen, die Bewegungen der Faust, der Gebrauch von Schenkel und 
Sporn. Auch Sabelhiebe und Chargiergriffe wurden zuerst auf diesem 
geiibt. Der Unterricht begann in der 8. Klasse. Die Infanteristen 
wurden zu den Exerzierlagern der Truppe herangezogen oder, 
wenn solche nicht stattfanden, im Tiergarten in einem Lager ver- 
einigt. Diese Zeit wurde auch benutzt, um die Fertigkeit im Schatzen 
von Entfernungen, in Beurteilung des Gelandes, im Aufnehmen und 
Zeichnen zu vervollkommnen. Artillerieunterricht wurde nur 
praktisch erteilt, das Theoretische strich Kinsky aus dem Stunden- 
plane. Die Anstalt besass Kanonen und Morser? im Tiergarten 
waren Batterien, Kugelfange etc. errichtet. Es gab Nachtmanover, 
Beschiessung der Sternschanze und Feuerwerke. 

Zur Belehrung fiber Rudern und Schifffahren wurden die 
bei Neustadt vorhandenen Wasserzuge benutzt. Aus Venedig wurden 
Fahrzeuge beschafft, eine gelegentlich der Anlage des Sommerbades 
hergestellte Schleuse diente dazu, das Passieren der letzteren kennen 



Digitized by Google 



62 



Geschichte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungawesens etc. 



zu lehren. Es warden ferner Tanzen, Fechten, Voltigieren 
am holzernen und am lebendigen Pferde und das Fahnenschwingen 
betrieben. Fur das letztere gab Kinsky eine Anweisung heraus. 
Der Zogling erhielt eine Fahne oder auch zwei, welche er um den 
Hals, die Hande und die Ffisse schwang und auf einer anderen Seite 
auffing. Die Fahnen wurden im Rad geschlagen, geworfen u. dgl. m. 
Die alteren Kadetten wurden beim Abrichten der jflngeren verwendet, 
um sie im Anweisen zu uben. 

Das Ziel der moralischen Erziehung war „rechtschaffene 
Manner zu bilden, welche dem Vaterlande, sich und andern Nutz 
bringen". Die Zoglinge sollten „dienstwillige, treue, charaktervolle 
Soldaten" werden. „Zuerst Gemflt und Charakter, dann Wissen." 
Die Wege, welche Kinsky zu diesem Ziele empfahl, hat er in einer 
Schrift, „Prinzipien der Militar-Erziehung" , bezeichnet, welche die 
Stichworter in alphabetischer Reihenfolge abhandelt. Die Seele seiner 
Erziehungsgrundsatze waren Religion und Gottesfurcht; er verstand 
aber unter Religion das ganze Gebiet der Sittlichkeit, der Tugend- 
und Pflichtenlehre. „Die Religionslehre ist die erste Wissenschaft, 
die anderen sind nur ein corollaire derselben", sagte er. Der form- 
liche Religionsunterricht war auf die funf unteren Elassen beschrankt. 
Fur die hoheren fand nur Sonn- und Feiertags Christen lehre statt 
Vor dem sonntaglichen Gottesdienste gestattete er Privatandaehten. 
Auch an Wochentagen fand regelmassig Gottesdienst statt, im Sommer 
nach Beendigung der Lehrstunden um l /tll Uhr, im Winter um 
V18 Uhr vor Beginn derselben, welche dann bis 11 Uhr dauerten. 
Alle kirchlichen Handlungen wollte er kurz gestaltet haben. 
Ober das Be ten schrieb er: „Geschichte und Tradition beweisen, dass 
verrichtete Gebete noch niemand gereut, wohl aber nichtverrichtete 
in Gefahren den Mut benommen, oft Reue verursacht haben." Jeder 
Tag begann mit einer geistlichen Handlung. Nachdem „ein ganz 
natiirlich ausgesprochenes , nicht geschrienes Auf!" die Kadetten 
erweckt hatte, mussten sie sich in den Betten aufsetzen und den 
116. Psalm laut beten. Die Zahl der Beichttage setzte er auf 
sechs im Jahre herab, oftere Beichte und Kommunion war gestattet; 
einen Zogling, welcher an einem Beichttage nicht zum Abendmahle 
ging, um die Ursache zu fragen, war untersagt. 

Die Aufnahme nichtkatholischer ZSglinge war haufiger 
geworden. Kinsky war dagegen. Solche Zoglinge ihrem Bekenntnisse 
abwendig machen zu wollen, lag ihm fern. Er hielt aber fur be- 
denklich ihnen in ihrem eigenen Glauben Unterricht erteilen zu 



Digitized by Google 



Osterreich - Ungarn. 



63 



lassen, weil dadurch noch weitere Elemente in den Lehrkorper ein- 
gefuhrt waren, und ebensowenig sollten sie ohne Religionsunterrieht 
bleiben. Vorlaufig liess er sie am katholischen teilnehmen; er 
meinte, wenn er sie davon ausschlosse, wurden ihre Kameraden sie 
als deterioria conditionis ansehen. 

Beim wissenschaftlichen Unterricht forderte er vor allem 
das Selbstdenken. Gedachtnisubung soli to auf das unumgangliche 
Bedurfnis eingeschrankt werden; den Lehrern riet er: „Nicht erst 
explizieren und dann examinieren, sondern das Pen sum hingegeben, 
examinieren und dann die Begriffe berichtigen!" Von dem Vorhanden- 
sein der letzteren erwartete er die Fahigkeit sich schriftlich deutlich, 
bestimmt und bundig ausdriicken zu konnen. 

Als ein wesentliohes Forderungsmittel jeglichen Unterrichts be- 
trachtete er das Repetieren der Zoglinge mit einander. Es waren 
dazu Wiederholungsstunden angesetzt, in denen bessere und schwachere 
Schiiler, tischweise mit einander vermischt, den Vortrag durcharbeiteten. 
Was dabei vorgenommen wurde, blieb in den beiden hoheren Klassen 
den Schulern uberlassen, in den niederen bestimmte es der Lehrer. 
Dass im namlichen Zimmer mehrere Gruppen laut repetierten, durfte 
niemand storen. Die Zahl der Wiederholungsstunden war in den 
niederen Klassen gering, in den hoheren der der Vortragsstunden gleich. 
Die 10. hatte wenige, die hochste gar keine eigentlichen Schulstunden, 
die fur letztere angesetzten waren „nur fur Privatkollegien, fur 
Selbstverwendung" bestimmt. Fur „Wissenschaften , welche ins 
Tiefsinnigere gehen", durfte nicht eine Minute langer Unterricht sein 
als Wiederholung. Haufiges Examinieren war besonders em- 
pfohlen. Der Lehrer hatte darauf zu halten, „dass die Zoglinge 
laut, vernehmlich, zusammenhangend und die Frage so kurz als 
moglich beantworten". Nach je drei Monaten ward die erste Woche 
lediglich zu Prurangen verwendet; sie sollten zeigen, wo es etwa 
fehlte und wo nachzuhelfen war. 

Auf die Prufungen ward die Klassifizierung begriindet, behufs 
deren die Professoren allmonatlich einen „Verwendungsnachweis" ein- 
sandten, in welchem a gut, b mittelmassig, c nichts und ausserdem u die 
beim Unterrichte Unruhigen bezeichnete. Die Beurteilung wurde 
auch bildlich dargestellt. Ein Rechteck, welches die Rubrik des 
Zoglinge ausmachte, war bei a ganz, bei b zur Halfte rot angelegt 
und blieb bei c weiss. Wer vier oder mehrere c, ein oder mehrere 
u hatte, wurde bestraft. Die Klassifizierung bildete die Grundlage 
fur die Konduitenlisten, welche fiber sitUiche und korperliche 



Digitized by Google 



64 



Geschichte des Militiir-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Eigenschaften und uber Fortgang in Dienstsachen, in Wissenschaften, 
Sprachen nnd Kunsten Auskunft gaben. Von den Wissenschaften 
wurden nur die eingetragen, in denen der Zogling sich auszeichnete ; 
bei den korperlichen Eigenschaften wurde das „Charakteristische 
ihrer Korperkonstitution" erwahut; die sittlichen Eigenschaften warden 
in kurzen Worten gekennzeichnet. tfber die kleinen Kadetten wurden 
keine Eonduitenlisten verfasst. Halbjahrlich fanden Hauptpriif ungen 
statt; die eine unmittelbar nach Ostein, die andere Ende Oktober. 

Preise Mr gate Auffuhrung verwarf Einsky und gestattete sie 
nur fur Fleiss und Bemuhung. An Stelle jener setzte er die Beforderung 
zu Unteroffizieren, weil er von dieser zugleich Nutzen fur die Anstalt 
und fur die Berufsbildung erwartete. Die Preise fur Fleiss wurden 
nach der Priifung verteilt, sie bestanden in Sachen, „die der Jugend 
Vergnugen und auch Nutzen gewahrten". Fur jede Klasse und jeden 
Lehrgegenstand wurden drei gegeben, „aber nicht als Belohnung, 
sondern als Zeugnis des Wohl- und Besserverhaltens". Anspruch 
auf Belohnung gestand er nur dem Verdienste zu, und Verdienste 
konne der Zogling sich nur in dem einzigen Falle erwerben , dass er 
zur Erziehung seiner Kameraden mitwirke. Die Ferien, mit denen 
aber eine ausgedehnte Beurlaubung nicht Verbunden war, gingen 
den Prufungen yoran. Er betrachtete sie als ein notwendiges tTbel 
und wollte dadurch ihren schadlichen Einfluss verringern. 

Kinskys Vorschriften uber die Behandlung der einzelnen Lehr- 
gegenstande sind in seinen „Allgemeinen Prinzipien" eingehend er- 
ortert. In der Mathematik legte er von Anfang an ein schwieriges 
Lehrbuch, das von Scherfer, 1 ) zu Grunde und liess die Stunden 
abends stattfinden. Der Unterricht begann in der 4. Klasse, von 
der 9. an stand jedem frei, „ob er sich in die hohere Mathematik 
schwingen wollte". Bei den Sprachen machte die deutsche den An- 
fang. A 11 ge me in diente als Richtschnur: die Regeln anwenden, nicht 
sie herzitieren; das Mechanische zuriicksetzen ; das Lesenlernen da- 
durch abkurzen, dass der tlbung darin mehr Zeit gewidmet wird als 
den Vorschriften, also lautes Zusammenlesen ; die Sprachregeln in 
Tabellen eintragen; der Gegenstand wird mittelst des Auges mehr 
in den Kopf gefQhrt als durch Vordozieren. Wortreichtum ist 
Hauptsache , jeder Zogling musste taglich in jeder Sprache fanf 
Worte auswendig lernen, es waren dazu „Sprachschachtelchen" ein- 



») Karl Scherfer (Scherffer), geb. 1716, gest. 1783 (Meuael, SchriftateUer- 
Lexikon, XII, Leipzig, 1812). 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



65 



gefuhrt Beim tfbersetzen schrieb einer auf die Tafel, die anderen 
8chrieben mit Blei nach, dann lasen alle zusammen laut. Die Ver- 
besserung der tTbersetzungen geschah offentlich. Der gesamte 
Sprachunterricht wurde philosophisch betrieben. Es lag ihm die 
Janua linguarum reserata des Comenius zu Grunde. Am Sonn- 
tage fanden vor der Erholungszeit ,,Kolloquien" statt, bei denen die 
Zdglinge sich in ihrer Muttersprache unterhielten. Grossen Wert 
legte Kinsky auf das Mappieren. Er wollte die tTbung aber 
weniger ihrer selbst wegen betrieben sehen als urn aus ihr mittel- 
baren Nutzen zn ziehen: „Was Soldatenange auf Terrain zu beob- 
achten hat, sie beobachten gelehrt. In dieser Hinsicht sie Elementar- 
Auftrage ausfuhren gemacht, wie Terrain zu rekognoszieren ; wo 
Infanterie, Kavallerie, Geschutz und in wie breiten Abteilungen mar- 
schieren kann, wo Nachteiliges oder Vorteilhaftes, Damme, wo vor- 
teilhafte und schadliche Rideaux, wie Patrouillen gehen mussen etc." 

DemGeschichtsunterrichte ging der biographische voran. Der 
eigentliche GeschichtsTortrag fing in der 7. Klasse mit der Gegenwart an 
und ging ruckwarts. Ebenso ging der Unterricht in Geographie von 
Neustadt aus. „Wenn man die Grenzen von Steiermark und Ungarn 
kennt, ist's leicht sich von hier aus zu orientieren." Auch ward 
Zeitunglesen mit Landkarten empfohlen. — Von der Mythologie 
wollte Km sky nicht viel wissen. „ Mythologie also, dass die jungen 
Leute wissen, es gab einmal Schurken, die man Gott Juppiter, Gott 
Merkur nennt und so und so abmalt". 

Der Bauunterricht begann im Winterkurse der 10. Klasse mit 
einem theoretischen Teile ; im Sommer zeigte man den Schulernbauliche 
Anlagen und ihr Zustandekommen, im Winterkurse der 11. Klasse 
wurde der Vortrag der 10. wiederholt und es ward Abstecken, Aus- 
messen, Grand- und Aufrisszeichnen u. s. w. geubt; im Sommer wurden 
an der Hand von Silberschlags 1 ) Hydrotechnik die Grundziige des 
Wasserbaues vorgetragen. 

Der Schreibunterricht diente zugleich als Vorubung fur das 
Zeichnen. Auch die hSheren Klassen mussten wochentlich einmal 
nach Vorschriften schreiben, dem Zeichenunterrichte legte Kinsky 
grossen Wert bei, besonders weil er seelischen Einfluss davon er- 
wartete. 



») Johann Esaias Silberechlag , 1741—1791. Urspriinglich Geiatlicher, 
Direktor der Bealschule zu Berlin und Geheimer Oberbaurat. Vgl.: Mein 
Lebenslauf. 2. Aufl. Berlin 1791. 

Monamenta OermanUe Paedagogica XV. 5 



Digitized by Google 



66 Geschichte dee Militar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



Der Musik ru unite er nur einen bescheidenen Platz ein. „In 
freien Stunden", deren wenige waren, „Musik treiben und si eh einen 
Meister halten, ist toleriert, aber nicht autorisiert." Alle weichliche 
Mil !• . verb an rite er; Kirch enmusik und Gesange trugen den Charakter 
des Erhabenen, die Marsche der Banda (s. Seite 70) entsprachen dem 
militarischen Geiste. Beim Tanze waren fremde Melodien verbannt. 

Die Verwendung der Zeit geht aus einer Stundeneinteilung 
vom Jahre 1785 hervor, welche bei Leitner (a. a. 0., S. 294) 
abgedruckt ist. Im Sommer standen die Kadetten der 1. bis 5. 
Klasse urn 6, die der 6. bis 11. um 5 Uhr auf, der Unterricht begann 
fur jene um 8, fur diese um 7 und dauerte bis 10 Vt Uhr, dann 
fanden Adjustierung und Rangierung statt, um 12 folgte das Mittag- 
essen und diesem ein Spaziergang, von 2 bis 4 war wieder Unter- 
richt, von 4 bis 6 ward exerziert oder die Zeit im Tiergarten zu- 
gebracht, von 6 bis 7 Va gehorte diese nochmals dem Unterrichte und 
um 9 ward zu Bett gegangen. Von dieser Wochentagsordnung 
unterschied sich die Sonntagsverwendung wenig. Die bis 7*/» Uhr 
verfugbare Zeit, die von 9 bis 11, von 2 bis 4, von 5 bis 6 war 
wissenschaftlicher Beschaftigung gewidmet, von 8 bis 9 fruh wurde der 
Gottesdienst besucht. Der Unterricht imLateinischen und im Bohniischen 
begann in der 3., der im Italienischen in der 6., der im Franzdsischen in 
der 7., der in derMathematik in der 5., der in der Philosophic in der 8., der 
in den militarischen Fachern in der 7., der im Reiten in der 10. Klasse. 

Die Zeiteinteilung im Winter war im wesentlichen die nam- 
liche, Erholungsstunden waren von V* 5 bis 5 und von 7 bis */* 8 
Uhr nachmittags. Der „Rangierung" ward mittags meist 1, abends 
V* Stunde, bevor es zu Tisch ging, gewidmet. Sie war ein feierlicher 
Akt. Der Rangier saal war mit den Bildnissen der Regenten geschmuekt, 
ihr Anblick sollte Ehrfurcht und Anhanglichkeit an das Herrscher- 
haus einflossen. Es wurden der Anzug nachgesehen, die Rapporte ent- 
gegengenommen, die Befehle ausgegeben, Strafen und Anerkennungen 
bekannt gemacht; zweimal wochentlich unterrichtete Kinsky „in jenen 
Maximen, die dem Offizier zu wissen besonders notwendig sind". 
Die kleinen Kadetten kamen nur Sonntags und bei feierlichen Ge- 
legenheiten hi den Saal, gewohnlich wurden sie auf den Gangen ver- 
sammelt. Wer sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, welches 
der betreffende Vorgesetzte nicht sofort bestrafen durfte, erhielt von 
letzterem einen Zettel mit der Angabe seiner Schuld und uberreichte 
denselben bei der Mittagsrangierung dem hochsten anwesenden Offizier. 

Offiziere durften die Kadetten mitten im Klassensaale stehen, 



Digitized by Google 



ftaterreich-TJngarn. 



67 



knieen, auf der Erde sitzen, auf dem Stuhle oder im Korbe, im Tier- 
garten am Baume stehen, ihnen eine Speise wegnehmen lassen und 
ihnen Elassenarrest auferlegen. Bekam ein Eadett carta bianca, was 
bedeutete, dass der Offizier ihn ohne weitere Meldung mit den Di- 
rektionsstrafen belegen durfte, so konnte dieser ihm drei Tage hinterein- 
ander eine Speise entziehen und ihm ebenso lange Silentium auferlegen; 
er durfte dann ausser im Dienst kein Wort reden. Demjenigen, der 
in seiner Unart zu weit ging, durfte der Offizier 8 Ruthenhiebe oder 
Disziplin, d. h. Streiche mit einem an einem kurzen Holzstiele be- 
festigten kleinfingerdicken Stricke, verabreichen , musste aber so- 
gleich Meldung davon machen. Lehrer, die nicht Soldaten waren, 
durften Klassenstrafen verhangen oder Zettel geben. Der Eompagnie- 
Kommandant durfte 3 Tage lang eine Speise entziehen oder Silen- 
tium, sowie die unten zu erwahnende Strafhummer Nr. 2 auferlegen; 
Eadetten, welche carta bianca hatten, durfte er 10 Streiche zudiktieren. 
Auf die Wache sollten die Oftiziere nur den schicken, der eine Strafe 
nicht annehmen wollte oder in seiner Impertinenz zu weit ging. Die 
Kadettenfuhrer durften Z5glinge im Elassensaale in der Mitte oder 
im Eorbe stehen lassen und ihnen in den Erholungsstunden Silentium 
geben, mussten aber sofort melden. Die Stabsoffiziere durften nach 
eigenem Gutdunken bestrafen, auch die Fuchtel anwenden, waren 
aber gehalten, Anzeige davon zu machen. 

Der Direktion waren ausserdem die „Strafnummern" vorbehalten, 
welche auferlegten : „Nr. 1 : Durfen nicht ausspeisen, in keine Gesell- 
schaft, Eonzert oder zu anderenErgotzlichkeiten kommen; Nr. 2: Nebst 
obiger Strafe in den Elassensalen nicht spielen, zum Friihmahl und 
Vesperbrot sich nichts holen lassen; Nr. 3: Nebst obigen Strafen 
sitzen die betreffenden Zoglinge in der Elasse abgesondert, mussen 
bei den Leibesubungen die erste Lektion nehmen, statt der anderen 
Zeit im Elassensaale eine tfbersetzung machen und gehen beim 
Spazieren hinter der Elasse rangiert; Nr. 4: Nebst obigen Strafen be- 
kommen sie weder Wein- noch Recreationsgeld"; ersteres kommt in 
die Armenbiichse; tragen das Halsbundel mit der Schnalle vorwarts 
gedreht, keinen Zopf, sondern die Haare werden ruckwarts aufgebun- 
den, durfen sich nicht einpudern, werden von Unteroffiziers und Auf- 
sehern „Er" genannt und haben carta bianca." Nach Einfuhrung 
der Helme durften sie auf den Haushelmen keinen Eamm tragen. 
Die mit Nr. 3 Belegten hiessen „Abgesonderte w , „Ausrangierte". Wenn 
ein Bestrafter sich besserte, so konnten mit Genehmigung des Ober- 

Direktors die erUttenen Strafen in einem Protokolle geloscht werden. 

5* 



Digitized by Google 



68 Geachichte d«» Militar - Eraiehungs- und -Bildungswesena etc. 



Korperliche Ztichtigung hielt Kinsky nicht for entwQrdi- 
gend. Zweck sei Besserung des Bestrafben, Beispiel far andere. Gegen 
Fehler, von den en befurchtet werden musse, dass sie zur Gewohn- 
heit wurden, sollten gelinde aber langdauernde , gegen Fehler, von 
denen abgeschreckt werden musse , knrzdanernde erschutternde Strafen 
angewendet werden. So viel als mSglich sollte die lacherliche Seite 
der Fehler hervorgehoben werden. Besonders empfahl er poenas tali- 
onia, Vergeltung88trafen. Die Unruhigen wurden mit Zwirnsfaden 
angebunden, den Geschwatzigen ward vielstundiges Schweigen auf- 
erlegt, der korperlich Trage musste eine Anzahl von Sprungen machen, 
der Langschlafer tagelang zu Bett bleiben oder auf dem Spielplatze 
auf einer Matratze liegen, wahrend ein Eselstreiber die Fliegen abwehrte 
u. s. w. Untugenden, die sich groben Lastern naherten, sollten gehassig 
dargestellt werden ; wer sie beging, sollte von der Gemeinschaft geson- 
dert, nicht ausgeschlossen werden. Sofortiges Gestandnis befreite von 
der Strafe, wenn nicht Laster des Lasterhaften vorlag. Kinsky wollte 
keine Arreste, welche ganz vom Umgange entfernten; der Bestrafte 
sollte seine Kameraden geniessen sehen und nicht mitgeniessen durfen. 

Ein Urteil, welches die Kadetten selbst vollstreckten, war das 
Erklaren fur „vogelfrei". Es wurde gegen Stanker ausgesprochen. 
Einem solchen durffce ein jeder einige Hiebe mit dem Plumpsacke 
versetzen. Es musste aber ein Offizier gegenwartig sein; die Strafe 
kam nur bei den drei unteren Kompagnien vor. 

Ein Anteil an der Erziehung erwuchs den Klassen durch die 
tTberweisung von „Zugeteilten", tragen und ungeschliffenen Ka- 
detten, welche in Klassen eingereiht wurden, deren Haltung zu derHoff- 
nung berechtigte, dass sie auf jene gunstig einwirken wurden. Den Klas- 
sen war gestattet sie am Katzentische speisen, wahrend der Erholungs- 
zeit im Winkel sitzen, wider ihren tragen Willen arbeiten zu lassen u.s. w. 

Aus schwacheren und unfleissigen filter en Kadetten war seit 1781 
eine Extraklasse gebildet, welche unter strengerer Aufsicht stand 
und durch Kadetten der hochsten Klasse als Korrepetitoren in ihren 
wissenschaftlichen Fortschritten gefordert werden sollte. Die Ein- 
richtung ward spater durch die Zuteilung verdrangt. 

Das Ausstossen aus der Akademie geschah bei moralischer 
Unwurdigkeit; dem BetrefFenden ward in der Regel eiue bestimmte 
oder unbestimmte „Frist" zur Besserung gesetzt. Talentlose sollten 
nach dem ersten Jahre den Angehorigen zuruckgegeben oder, wenn 
diese nicht fur sie sorgen konnten, in Wohlthatigkeitsanstalten ver- 
setzt werden. Es kam um so seltener vor, als Kinsky mehr Wert 



Digitized by Google 



68terreich-Uiigarn. 



69 



auf sittliche und soldatischeEigenschaften legte als auf wissenschaftliche 
Leistungen. Fur den Militardienst untaugliche Zoglinge sollten,wie inEin- 
zelfallen schon friiher geschehen war, im Zivilstaatsdienste Anstellung 
finden. Die Behorden zeigten freilich geringe Lust dem Befehle, welchen 
der Kaiser laut hofkriegsratlichen Reskripts vom 27. Oktober 1780 
gegeben hatte, Folge zu leisten ; die Akademie hat sich aber der Ver- 
gunstigung lange zu erfreuen gehabt. 

Die Ausmusterung erfolgte viertel-, spater halbjahrlich. Die 
Zahl richtete sich nach den verfugbaren Platzen. Einige Zeit vorher 
wurden die zu Entlassenden in einem ,,Ausmusterungszimmer" unter- 
gebracht, in welehem sie grossere Freiheit genossen um sich „aus- 
toben" zu konnen. Nach dem bayerischen Erbfolgekriege drohte die 
Ausmusterung, weil keine Stellen frei wurden, ganz zu stocken. Zu- 
nachst ward an Stelle der bei Ausbruch des Krieges aufgeldsten 11. 
eine „hochste" Klasse errichtet, am 11. September 1780 aber wurde 
angeordnet, dass Zoglinge auch als ordinare Kadetten mit Aussicht 
auf baldmogliche Beforderung zu Fahnen-Kadetten Regimentern flber- 
wiesen werden sollten. Eine Anzahl fand als „Mappierungskadetten <> 
bei der Aumahme des Banats Yerwendung und es wurde gestattet 
auch der Artillerie Neustadter zuzuteilen. Auf Befehl des Kaisers 
geschah letzteres 1781 mit 18 or dinar en Kadetten, spater aber nicht 
wieder. Die Akademisten passten nicht fur die Waft'e und wurden 
als Eindringlinge angesehen. Die Waffe bildete einen von den 
ubrigen strong geschiedenen Korper, ihre Kadetten besassen tuchtige 
mathematische und fachwissenschaftliche Bildung und langjahrige 
Diensterfahrung; es war naturlich, dass die Neustadter ihnen an Ver- 
wendbarkeit bei der Truppe nachstanden und sich in ihren Verhalt- 
nissen nicht gefielen. Dazu kam, dass ein zum Zweck der Prufung 
der Anwarter nach Neustadt entsandter Artillerieoffizier mit den 
Leistungen wenig zufrieden war. Das alles verdross Kinsky und, da 
ausserdem die Beforderungsverhaltnisse im allgemeinen sich gebessert 
hatten, ward der Versuch nach 1781 nicht wiederholt. 

Der Zusammensetzung der K las sen legte Kinsky hohe Wich- 
tigkeit bei, am lie bs ten hatte er das Leb ens alter zu Grunde gelegt; 
die Notwendigkeit noch anderweite Ruck sic ht zu nehmen, bestimmte 
ihn die Jahre nicht allein entscheiden zu lassen, doch hielt er daran 
fest, die 13- und 14jahrigen der 5. Klasse zu uberweisen, sie nicht 
in niederen zu belassen. Kindische, welche Anlagen zeigten, hielt er 
bei den Anfangsgriinden zuruck; mittelmassige Kopfe liess er, wenn 
sie in den Hauptwissenschaften fortkamen, ohne Rucksicht auf Neben- 



Digitized by Google 



70 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -BildungswesenB etc. 



facher, steigen; Tonangeber, welche ihre Altersgenossen vom Lernen 
abhielten, iiberwies er als Zugeteilte einer hoheren Klasse; Leichtr 
fertige liess er nicht zu fruh in die Welt treten. 

Ausser den Kadetten hatte die Akademie noch Frequentanten, 
welche vom Hofkriegsrate zur Teilnahme am Unterrichte zugelassen 
waren, meist bei Professoren in der Stadt wohnten und, wenn sie 
nicht schon Regimentern angehorten, gleich den Kadetten ausge- 
mustert wurden, and Famnlarknaben, Sdhne von Soldaten oder 
niederen Angestellten der Akademie, spater auch Zoglinge von 
Regimentserziehungshausern (1782 elf aus dem aufgehobenen 
Mintar-Waisenhause zu Tyrnau), welche den Hausbedienten an die 
Hand gehen und gleichzeitig fur die Armee oder zu Handwerkern 
herangebildet werden sollten. Sie wurden in den Elementarwissen- 
schaften, in schriftlichen Arbeiten, im Exerzieren, einige auch in der 
Geschutzbedienang und diejenigen, welche besondere Anlage zeigten, 
im Zeichnen unterwiesen. Wer sich nicht zum Soldaten eignete, 
lernte nebenbei ein Handwork. Alle lernten Nahen, Haarschneiden, 
Frisieren, Trommeln, Pfeifen und ein Instrument der turkischen 
Musik. Es wurde aus ihnen eine Bande gebildet. Wer Soldat wurde, 
kam meist zur Musik oder in die Schreibstube, mancher wurde spater 
Offizier. Es waren in der Regel 40. Sie standen unter dem Stabs- 
tambour; ihre Lehrer waren ein Geistlicher und KadettenfShrer , in 
der Musik der Organist und von den Regimentern gestellte Musiker, 
das Vorbild hatte die Stuttgarter Schule geliefert. 

Die Stellung der Vorgesetzten und Lehrer wurde unter 
Kinsky mannigfach verbessert. Er behandelte seine Offiziere und die 
Professoren als Freunde, als Mitarbeiter an einer gemeinsamen Auf- 
gabe und zog sie zu Rate. Der Auswahl der Offiziere widmete er 
grosse Sorgfalt. Verheiratete zog er unverheirateten vor. Am 31. 
Dezember 1784 erwirkte er eine Resolution Kaiser Josefs, welche den 
Offizieren den Rucktritt in ihre Regimenter vorbehielt. Wer zur Be- 
forderung an der Reihe war, konnte versetzt werden und spater zur 
Anstalt zuruckkehren. Es sollte der Ansicht entgegengewirkt werden, 
dass die Offiziere der Akademie Invaliden seien und dass man solche 
dort versorgen konne. Wenn bei Ausbruch eines Krieges durch Aus- 
mu8terung der hochsten Klassen Offiziere verfugbar wurden, so sorgte 
Kinsky, dass sie im Felde Verwendung fanden. Bei Abgangen wahrte 
er die Beforderung moglichst den eigenen Offizieren; neu eintretende 
nahm er meist nur fur die niederen Stellen. 

Alte Bediente erhielten seit dem 8. Marz 1781 Invaliden ver- 



Digitized by Google 



Osterreich- Ungarn . 



71 



sorgung oder kamen, wenn sie vom Zivil waren und Verdienste 
hatten, in das Armenhaus; Unverdienstliche wurden mit ein- bis drei- 
monatlichem Solde abgefunden. Seit 1782 durften die nicht im 
Annenhause Untergebrachten aus der Akademiekasse „eine Ver- 
pflegung sub titulo Almosino" erhalten. Den Bedienten passte Kinsky 
ubrigens scharf auf die Finger. Er sah sie fur ein notwendiges 
tTbel an. 

Kme streng beobacbtete Tagesordnung herzustellen war eins 
seiner Hauptziele. Jeder Dienstzweig war durch genaue tabellarische 
Vorschriften geregelt, welche in alphabetischer Ordnung alle 
den Ort oder Gegenstand betreffenden Anordnungen auffuhrten. Es 
gab deren 64 ; Absohriften waren uberall aufgehangt, wo sie gebraucht 
werden konnten. Der Abfassung ging reifliche Erwagung vorher, 
erst 1785 war sie beendet. Damals wurden auch Kinskys Direktorial- 
befehle gesammelt und im Auszuge gedruckt. Jeder Offizier erhielt 
ein Exemplar. In den spater aufgestellten „Befehlsprotokollen" 
wurden die Schlagworter an die Seiten gesohrieben, ein Kegister 
erleichterte ihr Auffinden. Die Hauspolizei war einem Adjutanten 
ubertragen, die Sorge fiir Ordnung und Reinlichkeit war namentlich 
Sache der zum Wachdienst kommandierten Invaliden. Sie sollten 
gutgediente, zuverlassige Leute sein, die den Kadetten Achtung ein- 
flossten, und durften letztere, wie die Bedienten und die Famular- 
knaben, arretieren ; wen sie arretiert hatten, den durfte niemand anders 
als der Lokaldirektor entlassen. Sie unterstanden nur in rem Feld- 
webel, welcber unmittelbar mit jenem verkehrte und zu jeder Stunde 
Zutritt zu ihm hatte. 

An Stelle von 6 Kadettenffihrern, welche bei den kleinen Kom- 
pagnien den Dienst beaufsichtigten (Seite 50), traten laut Befehls 
vom 15. August 1784 4 Fahnriche, unter denen einige ausgetretene 
Akademisten sein mussten. 

Die Aufsicht war dadurch erleichtert, dass die Kadetten mog- 
lichst nach ihrer Elassenangehdrigkeit in die Schlafsale und die 
Kompagnien eingeteilt wurden, dass die Lehrsale in ununterbrochener 
Reihenfolge nebeneinander und die entsprechenden Schlafsale jenen 
gegenuber lagen. Jeder der 8 Schlafsale fasste eine halbe Eompagnie, 
zwei Kompagnien bildeten eine Division. 

Die Uniform en waren fur die Parade weisse Rocke, wie die 
der Infanterie; bei Ausrflckungen wurden schwarze Gamaschen, im 
gewohnlichen Dienste Kappenstiefel , bei feierlichen Veranlassungen 
weisse Strumpfe und Schuhe getragen. Die Infanteriedivision erhielt 



Digitized by Google 



72 



Gaschichte des Militar-Erziehunga- und -Bildungsweeens etc. 



die Kasketts des Heeres, der Kavalleriezug behielt Hate mit Feder- 
buschen. Die Hausmontur, anfangs blau, wurde spater lichtgrau; im 
Sommer wurden leinene Kittel getragen. 

Nachdem Colloredo am 17. Marz 1785 gestorben war, erfolgte 
am 21. d. M. die Ernennung Kin sky 8 zum FML. und zum Ober- 
direktor, daneben behielt er das Lokaldirektorat 

1786 bis 1805. 

In Kins ky s Stellung war dnrch seine Beforderung nichts Wesent- 
liches geandert; sein Verhaltnis zu seinem Kaiser war aber dorch 
das Fortfallen einer Mittelsperson ein naheres geworden. Er hatte 
Jamais die Akademie auf ein en Standponkt gebracht, auf welchem 
er sie zu erhalten wunschte, und wollte nicht, dass die Einrichtungen, 
welche er gesohaffen hatte, von jedem seiner Nachfolger umgestossen 
werden konnten ; er war daher bedacht, sie in ihrer Gesamtheit durch 
eine Allerhochste Willensausserung sicherzustellen. Kaiser Josef ging 
bereitwillig auf den Gedanken ein. Das Ergebnis war der 

Stiftsbrief vom 18. April 1786, 

welcher bis zum Jahre 1806 unbedingte Giltigkeit hatte und noeh 
spater in zweifelhaften Fallen zum Anhalte gedient hat Die auf 
Pergament geschriebene Urkunde *) wird in der Akademie aufbewahrt. 
Ihr wesentlicher Inhalt ist: 

1) Das Mil i tar-In sti tut besteht zu Wiener-Neustadt, zahlt 400 
Zdglinge, steht unter alleiniger Oberd irektion des FML. Graf Kinsky, 
welcher die wichtigen Gegenstande und gewohnlichen Rapporte durch 
den Hofkriegsrats-Prasidenten Graf Hadik, ohne dass dieselben durch 
den Hofkriegsrat gehen, zu den kaiserlichen Handen gelangen lasst. 
Das Institut mit allem Zubehor ist eine militarische Besitzung, steht 
unter Oberaufsicht des Hofkriegsrates und hat sich „Militarisches 
Kadettenhaus" zu nennen, woraus sich ergiebt, dass es unter den 
Militargesetzen steht. Diese ubt der Oberdirektor in dem einem 
Regimenteinhaber zugewiesenen Umfange aus. 

2) Gegen Entrichtung der 1754 bewilligten Zuschusse darf der 
erblandische Adel in B ohm en 36, Mahren 12, Osterreich unter der 
Enns 12, ob der Enns 16, Steiermark 12, Kara ten, Krain und 
Schlesien je 6 Stellen mit Kindern vom Adel besetzen, deren Eltern 
unvermogend sind oder durch 20jahrige Zivil- oder Kameraldienste 



M Abgcdruckt bei Leitner a. a. O., 8. 191; Svoboda a. a. O., 8. 53. 



Digitized by Google 



6 8 terreich-Ungarn. 



73 



sich Verdienste erworben ha ben ; es sind jedesmal drei Anwarter im 
Alter von 6 bis 10 Jahren zur Auswahl in Vorschlag zu bringen. 
Alio ubrigen Platze sind far Sonne von Oberoffizieren bestimmt, 
welche mit dem Degen gedient haben. Es sollen beracksichtigt 
werden: zunachst Waisen, dann Kinder besonders verdienstvoller oder 
solcher Vater, deren Aufenthalt keine Gelegenheit zur Erziehung 
bietet, endlieh Kinder unvermogender oder wenig bemittelter Eltern. 
Die Vorschlage der militarischen Vorgesetzten gehen durch den Hof- 
kriegsrat an den Kaiser. 

3) Die Aufhahme erfolgt allgemein im Alter von 6 bis 10 Jahren ; 
Bedingungen sind gesunde Leibesbeschaffenheit and genugende 
geistige Anlagen. Das erste Jahr ist ein Probejahr. 

4) Die Zahlang der Jahresdotation von 145 000 Gulden, wozu 
der Militarfonds 95 000, Bohmen 15 000, Mahren 5000, die beiden 
Osterreich 5500 bezw. 2500, Steiermark 5000, Karnten, Krain, 
Schlesien je 2500 beitragen, erfolgt durch das Universal-Kameral- 
Zahlamt. Ausserdem bleibt das Haus im Genusse aller seiner der- 
maligen Besitzungen. 

5) Damit ist der gesamte Aufwand zu bestreiten und ein 
Ersparnisfonds anzulegen. Die Hofkriegsbuchhalterei sieht die Rech- 
nungen nach. Im ubrigen hat der Direktor freie Hand. 

6) Die Stab8offiziere sind als von der Armee kommandiert anzu- 
sehen und konnen im Kadettenhause vorrucken. Fur die Stellen der 
Subalternomziere sollen solche vorgeschlagen werden, welche die 
Regimenter empfehlen oder die der Direktor aushndig macht. Alle 
ubrigen Angestellten bestellt der Direktor. 

7) Der Unterricht besteht in den „rur Unseren Militardienst 
erforderlichen Wissenschaften, Sprachen and Leibesubungen". Die 
Anordnung ist Sache des Oberdirektors. 

8) Vier Zoglinge werden alljahrlich als Fahnriche der Infanterie, 
einige als Offiziere Grenzregimentern, die ubrigen als Fahnen- oder 
als k. k. ordinare Kadetten der Teutsch- und Hungrischen Infanterie 
und den Grenzregimentern sowie als k. k. Kadetten dem Bom- 
bardier-Korps vom Hofkriegsrate iiberwiesen, welcher den Oberdirektor 
vierteljahrlich von den jeweiligen Bestimmungen verstandigt. (Ein- 
tritt in die K avail erie war nicht in Aussicht genommen, kam mehr- 
fach vor.) Der Austritt erfolgt in der Kegel mit vollendetem 18. 
Lebensjahre; korperlich oder geistig Zuruckgebliebene durfen hdchstens 
ein Jahr langer behalten werden. Kadetten, welche ohne ihr Ver- 
schulden fur den Militardienst korperlich untauglich werden, auch im 



Digitized by Google 



74 



Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Zivil nicht zu verwenden und unvermogend sind, erhalten 150 Gulden 
Pension. Verwaiste Offizierssohne, welche in ihrem Probejahre, ohne 
dass sie selbst eine Schuld triflt, nicht genugen, treten wieder in 
den Genuss ihrer fruheren Versorgung. 

Ein Stiftsbrief, 1 ) von Kaiser Leopold II. am 10. Januar 1791 
unterzeichnet, bestimmte 40 Platze fur Sonne des Adels der Konig- 
reicbe Galizien und Lodomerien (vgl. Seite 57). Die Kosten 
mit 10 500 Gulden jahrlich ubernahm die Staatskasse. Bei der ersten 
am 1. Mai 1791 stattfindenden Aufhahme sollten 17 im Alter von 
7 bis 10, 13 yon 10 bis 14, 10 von 14 bis 16 Jahren stehen. Es 
war fur sie auch die Anstellung im Zivildienste in Aussicht genommen ; 
1799 wurden von diesen 40 Platzen 20 in das Theresianum flber- 
tragen, welches damit die Ausbildung der fur einen burgerlichen Beruf 
bestimmten Stifblinge fibernahm. 



Ki nskys Wirksamkeit als Oberdirektor war von jetzt an durch 
mancherlei andere Verwendungen unterbrochen, welche ihn von Neustadt 
fern hielten. Er blieb aber in Briefwechsel mit seinem Vertreter, dem 
Oberst-Lt Spindler. 1788 befand er sich als Begleiter des Erzherzogs 
Franz, spater Kaiser Franz IL, auf dem Schauplatze des Krieges gegen 
die Turken, 1789 bei der Armee in Bohmen, vom Marz 1793 bis zum 
Juni 1795 nahm er am Kampfe gegen Frankreich toil. Mit Interesse 
verfolgte er dabei die Laufbahnen der Z5glinge der Anstalt, macbte 
letzterer Mitteilung wenn frfihere Kadetten sich auszeicbneten, befahl 
das Betreffende im Rangiersaale bekannt zu machen, die Nachrichten 
darfiber scbriftlich aufzubewahren und fur die Gefallenen Seelenmessen 
zu lesen ; bald aber wurde die Freude an seinen Neus tad tern go ringer , 
weil die Ideen, welche die Staatsumwalzung in Frankreich zu Wege 
gebracht hatte, auch unter ihnen Anhanger fan den, so dass er 
befurchten musste, sein ganzes Erziehungswerk mochte ein unrichtiges, 
dem Zeitgeiste widerstrebendes und daher von diesem uberwundenes 
gewesen sein. Dazu kamen Nachrichten fiber wenig befriedigende 
Zustande in der Anstalt Eltern und Verwandte mischten sich in 
die Anordnungen derselben, es fand verbotener Briefwechsel mit den 
Zoglingen statt, und es begann ein Geist der Unbotmassigkeit in die 
Mauern einzuziehen, welcher veranlasste dass Kinsky nach Neustadt 
zurfickberufen wurde, wo er im Juli 1795 eintraf. 

Aber kaum war der ordnungsmassige Gang wiederhergestellt, 



») Abgedruckt bei Leitner a. a. 0., 8. 203; Svoboda a. a. O., S. 56. 



Digitized by Google 



Outerreich-Ungarn. 



75 



als er im Sommer 1796 zu einem Eommando in Bdhmen berufen 
wurde, and wahrend seiner Abwesenheii veranlasste das Nahen der 
Franzosen, dass am 9. April 1797 der Befebl einging, alle einiger- 
massen tauglichen Kadetten dem Heere zu uberweisen, die flbrigen 
aber nach Znaim zu fuhren. Hier wurde die 2. Division in Kloster 
Brack, die 1. in der Ottokarischen Burg untergebracht. Von Lernen 
war da naturlich nicht viel die Rede. Die Kadetten kehrten freilich 
schon am 4. und 5. Mai wieder heim. Die Stoning aber blieb lange 
fuhlbar. 

Kinsky, im September 1797 zurackgekehrt, fand die Verhalt- 
nisse der Anstalt wie seine eigene Stellung ungunstig geandert. Sein 
Einfluss war nicht mehr der fruhere; Unberufene mischten sich 
in die Angelegenheiten der Anstalt; nachteilige 0 erudite fiber diese 
und des Oberdirektors eigene Wirksamkeit setzten sein Ansehen 
herab and er konnte selbst sich allmahlich der tJberzeugung nicht 
verschliessen, dass der Geist, in welchem er gewirkt hatte, sich uber- 
lebt habe und dass seine Grandsatze den herrschenden der Zeit nicht 
mehr entsprachen. Daher bat er im Jahre 1803 den Kriegsminister 
Erzherzog Karl urn die Bestellung einer Kommission, welche die 
Verhaltnisse untersuchen und den Forderungen der Gegenwart ange- 
messene Anderungen vorschlagen sollte. Dem Antrage wurde am 1. 
Juli entsproeben, Kinsky selbst war Mitglied der Kommission, deren 
Verhandlungen indes zu keinem Ergebnisse fuhrten. Im Jahre 1805 
ward e in e and e re bestellt, deren Vorsitz Erzherzog Johann f uhrte. 
Die gegen Kinsky gerichteten Angriffe betrafen hauptsachlich die 
Verwaltung, welche allerdings zu wunschen ubrig liess. Kinsky 
hatte bedeutende Schulden ubernommen, alle Lebensmittel waren 
teurer geworden, im Jahre 1787 hatte eine verstarkte Ausmusterang 
viel Geld gekostet, daneben war aber manche Ausgabe gemacht, welche 
hatte unterbleiben konnen. Auch waren die Klagen nicht unbe- 
grundet, welche fiber den Zustand von Kleidung, Wasche und Lehr- 
mitteln, die Nahr- und Schmackhaftigkeit der Kost, fiber Betragereien 
der Iieferanten und den Eigennutz der Angestellten erhoben wurden. 
Kinsky selbst hatte aus der Anstalt nie den geringsten Vorteil ge- 
zogen, 8ondern vielmehr einen grossen Teil seiner eigenen Einnahmen 
im Interesse derselben verwendet. Seine haufige Abwesenheit hatte 
ihn jedoch verhindert, diesem Dienstzweige die wunschenswerte Auf- 
merksamkeit zu widmen. Ausserdem hatte er kostspielige Anord- 
nungen getroffen. 1798 hatte er ein Gestut zur Ziichtung der fur 
die Akademie notigen Pferde eingerichtet, welches, weil es gar zu viel 



Digitized by Google 



76 Ge»cbichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Geld kostete, 1801 wieder einging, und 1802 hatte er im Tiergarten 
lombardi8ohe Wiesen herstellen lassen, welche vorlaufig nichts ein- 
brachten. Den Tiergarten behandelte er nur als fur die Erholung 
und das Vergnugen bestimmt, nicht als Einnahmequelle. Um der 
Anstalt Mehreinnahmen zu verschaffen, schlug die Kommission vor 
statt der Frequentanten KostzSglinge anzunehmen; die Ausgaben 
sollten durch Abschaffung der Famularknaben vermindert werden. 

Von anderen Vorschlagen, welche die Kommission machte, sind 
zu erwahnen: Aufhahme im Alter von 10 bis 12 Jahren, Entschei- 
dung fiber das Belassen in der Anstalt nach 4 Jahren; alljahrlich 
einmaliger Austritt, auf Grand eines Vorschlages samtlicher Stabs- 
offiziere, gelegentlich einer Unterbrechung des Unterrichtes durch 
Ferien; weniger XTnterrichtsstunden; Eingehen der 9. bis 11. Elasse 
(der „praktischen") ; grossere Beriicksichtigung von Naturgeschichte 
und Stutistik; Fort fallen des praktischen Artillerieunterrichtes; Be- 
schrankung des Latein auf drei J ah re; Einfuhren des Polnischen an 
Stelle des Bohmischen; Fortfallen des Italienischen ; Anderung der 
Unterweisung im Reiten; freiwillige Beteiligung am Voltigieren; Ab- 
kurzung der im Rangiersaale zuzubringenden Zeit; Aumahme des 
Religionsunterrichts als eigenen Lehrgegenstand in den Stundenplan; 
Erhohung des dem Traiteur zu zahlenden Kostgeldes; Anderungen 
in der Montierang; Fursorge fur ihre Beschaffenheit und die anderen 
Bedurmisse. 

Diese Vorschlage fanden in der neuen Verfassung ihren 
Au8druck. 

Kin sky blieb es erspart, die tief einschneidenden Wandlungen 
zu erleben, denen die von ihm mit selbstloser Aufopferung und mil 
dem redlichsten Streben lange Jahre hindurch geleitete Akademie 
entgegenging. Er war im Fruhjahre 1805 berufen den Kaiser 
Franz n. auf einer Reise nach Oberosterreich zu begleiten, erkrankte 
wahrend derselben und starb zu Wien am 9. Juni 1805. 

Bevor wir diesen Abschnitt beenden, haben wir nachzutragen, 
dass 1792 eine pompadourrote Egalisierungsfarbe fur Kragen und 
Aufschlage eingefuhrt wurde; dass seit 1793, nachdem am 23. Marz 
die Fahnenkadettenstellen aufgehoben waren, die Ausmusterang als 
Fahnrich, ordinarer oder Regimentskadett geschah; dass 1798 Helme 
an Stelle der Kasketts und Hute traten, neben denen seit 1803 Haus- 
helme (lederne Kappen) getragen wurden. 1802 schenkte Erzherzog 
Karl eine Laufbrficke mit Zubehor; um ihren Gebrauch zu lehren, 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



77 



warden der Akademie 1 Unteroffizier und 4 der Invalidity sich 
nahernde Pioniere zugeteilt. 

Die Zahl der alljahrlich dem Heere zngehenden Neustadter war 
verhaltnismassig gering. Yon 70 bis 80 Aufgenommenen gelangte 
hochstens die Halfte zum Ziele. Auch von ihnen genugte wieder nur 
etwa die Halfte den berechtigten Anspruchen : Unter diesen aber be- 
fanden sich viele Offiziere, welche zu hohen Stellungen gelangten. 

VI. Die Adeliche MiUiar-Akademie, 1755 bis 1769. 

Eine dritte zur Heranbildnng von Offizieren bestimmte Anstalt, 
welche Maria Theresia begrundete, hat so geringe Spuren hinter- 
lassen, dass Rechkron (a. a. 0., S. 133) meint, sie sei „wegen volligen 
Mangels an Teilnahme nicht zur Errichtung gelangt". Dass ein be- 
denklicher Mangel an Teilnahme vorgelegen hat, wird richtig sein. 
Die Unlnst des Adels, auf die Absichten der Kaiserin einzugehen, ist 
uns bekannt; diese Sinnesart hatte die Verwirklichung solcher Ab- 
sichten lange verzogert nnd die Ausfuhrung der ursprunglichen Plane 
wesentlich geandert, indem sie dazu notigte Wohlthatigkeitsanstalten 
zn begrflnden, wenn man iiberhaupt Zoglinge haben wollte. Sie wird 
auch Veranlassung gewesen sein, dass die Adeliche Militar-Akademie" 
nur kurze Zeit bestanden hat. Denn diese war fur reiche Leute be- 
st i mint. Wenn deren nicht genugend eintraten, so war die Anstalt 
nicht lebensfahig. Leitner (a. a. 0., S. 73) zweifelt nicht an ihrem 
Bestandenhaben. Der Beweis for das letztere wird aber dadurch 
erbracht, dass neben dem gedruckten „Entwurf der Verfassung der 
Adelichen Militar-Akademie" eine zu Wien am 20. September 1755 
erlassene, am 18. Oktober d. J. an samtliche Gouverneure und 
kommandierende Generale versandte „Pernere Benachrichtigung von der 
aus Allerhochster landesmutterlicher Milde Ihrer k. und k. Majestat all- 
hier eroflfneten Militar-Akademie" vorliegt. Diese Benachrichtigung 1 ) 
sagt ausdrucklich, wie bereits im verwichenen Jahre dem Publiko bekannt 
gegeben sei, dass ausser der Wien-Neustadter Kadettenakademie und 
der dahiesigen Kadettenpflanzschule eine Adeliche Militar-Akademie 
errichtet worden und dass fur dienlich angesehen werde, fiber letztere 
beim Schluss des Schuljahres weiter zu unterrichten. Im 
Kriegsarchiv werden ferner Aktenstiicke aufbewahrt, welche die 

*) Kriegs-Archiv: H. K. R. 1756—84. 0kt 8 °^ er . Milit Imp. 293. (Ein 
Druckbogen von 4 Seiten.) 



Digitized by Google 



78 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -BildungBweaena etc. 



Anstellung verschiedener Personlichkeiten bei der Akademie nach- 
weisen. *) 

Als Zoglinge sollten nur Kostgeher aufgenommen werden, und 
zwar „S6bne von Adelichen aus dem Herren- und Ritterstande, 
Militaroffizieren oder solchen Vatern, die im Politischen yorzugliche 
Amter begleiteten". Ursprunglich wollte man solche nur aus den 
Erblanden haben; der Mangel an Zudrang veranlasste aber bald, dass 
auch Auslander, unter der Bedingung dass sie dem Adel angehorten, 
und ausserhalb des Hauses wohnende Frequentanten Zutritt fanden. 
Die Unterbringung erfolgte in den Raumen des Chaosstiftes , in 
welchem bauliche Veranderungen vorgenommen wurden am standes- 
gemassen Aufenthalt bieten zu konnen. Es wurden Wobnungen ge- 
schaffen und grosse Lebr- und Exerziersale hergestellt. Voraussetzung 
fur die Aufnabme war die Vollendung der Studien der lateiniscben 
Schule, weil diese in der Anstalt nicht betrieben werden sollten. 
Dagegen war freigestellt, ausser der Teilnahme an den Lehrstunden 
„Jus an der Universitat gratis zu studieren oder andere wissenschaft- 
liche Zweige sich in der Akademie durch einen Correpetitor beibringen 
zu lassen." Der Aufenthalt legte keinerlei Verpflichtungen inbetreff 
der spateren Berufswahl auf; jeder konnte jeden Augenblick aus- 
treten und war nicht genotigt, „das Feldleben zu ergreifen, da die zu 
erlernenden Wissenschaften auch ausser den Kriegsdiensten nicht un- 
dienlich sein werden". Die „Kavaliere", welche im Hause wohnten, 
mussten eigene Hofmeister und Bedienung mitbringen, doch konnten 
sich zu diesem Zweck mehrere zusammenthun. Wenn sich deren vier 
fanden, so stellte auf Yerlangen die Akademie Hofmeister und Be- 
diente. Der Unterricht ward unentgeltlich erteilt; das Kostgeld war 
fiir die „Tafeln" verschieden. Dasselbe betrug fur 5 wohlzugerichtete 
Speisen mittags, 4 abends nebst einer Fruhstiickssuppe 100, fur 6 
bezw. 4 Speisen 150, fiir 7 bezw. 4 200 Gulden jahrlich, bei alien 
einschl. einer Fruhstuckssuppe, aber den Trank, „so um einen billigen 
Preis im Hause zu haben war", nicht inbegriffen. Die Hofmeister 
speisten mit den Zoglingen. Die Benachrichtigung vom 20. Sep- 
tember 1755 veranschlagt die Ausgaben fur Kost, Hotmeister- und 
Bedienten-Spesen in Gesellschaft von drei Kavalieren und an der 
ersten Tafel, 1 Mass Wein fur den Kopf taglich eingeschlossen, zu 
300 Gulden; fur die an deren Tafeln entsprechend hdher. Landes- 
kavaliere hatten Quartier, Holz und Licht frei, mussten aber ausser 

») Kriegg-Arohiv: H K. R. 1761. 103. Sept J° >b<>r -. 



Digitized by Google 



Osterreich - Ungarn. 



79 



der Kost Kleidung, Bettgerat und Wasche, sowie die Unterhaltung 
dieser Gegenstande bezahlen. 

Die Anstalt war demnach am I, Januar 1755 eroffnet worden. 
Die General-Oberdirektion fuhrte GFM. Leopold Graf Daun, unter 
welchem GFW. Johann Wilhelm von;Kleinholt die Generaldirektion 
hatte. Am 7. Dezember 17 56 ward der Grosswardeiner Platzmajor 
Gordon zum „Kommandanten der Wiener Adelichen Militar-Akademie 
und Kadetten-Pflanz-Schule" ernannt. ') „Geschickteste, aus dem 
Erario durchaus besoldete Professoren und Lehrmeister" unterrichteten 
in Ingenieurkunst, Historie, Geograpbie, Tanzen, Exercitium militare, 
Bdhmisch, Ungarisch, Italienisch, Englisch und Franzosisch. Jeder 
Schfiler konnte an einer beliebigen Zah] von Unterrichtsgegenstanden 
teilnehmen. 

Tageseinteilung: Um 6 1 /* Uhr ward die Messe gehort; dann 
war Montags, Mittwochs, Freitags von 8 bis 10 Uhr Ingenieurunter- 
richt, von 10 bis 12 ward FranzSsisch, von 2 bis 4 Fechten und 
Italienisch, von 4 bis 6 wiederum Ingenieurkunst gelehrt; im Sommer 
ward am Mittwoch vormittags im Feldmessen und Nivellieren unter- 
wiesen. Dienstag, Donnerstag, Sonnabend war von 9 bis 10 Unter- 
richt im Bohmischen, von 10 bis 12 im Tanzen und im Ungarischen, 
von 2 bis 4 im Exerzieren und im Englischen, von 4 bis 6 in Geo- 
graphic nnd Geschichte. 

Gleichzeitig mit der Verlegung der Pflanzschule nach Wiener- 
Neustadt erfolgte die Auflosung der Akademie. 



VII. Die K6niglich-Hungari8ch-Adeliche Leibgarde. 8 ) 

Eine weitere Einrichtung zum Zwecke der Heranbildung von 
Infanterie- und Kavallerieoffizieren bestand bei der durch die Kaiserin 
Maria Theresia geschaffenen ungarischen Leibgarde zo Wien. 
Schon das Gardediplom vom Jahre 1760, durch welche letztere ins 
Leben trat, hatte diese Bestimmung ins Auge gefasst. Die Kaiserin 
sprach in demselben die Absicht aus: 1) den Standen des Konig- 
reichs Ungarn und des Grossfurstentums Siebenburgen einen Beweis 
ihres Wohlwollens zu geben, indem sie dem jungen ungarischen, 



«) Kriegs-Archiv: H. K. R. 1756-14. 1 



136 

") Regulament fur die KSnigUch-Hungarisch-Adeliche Leibgarde, Wien 
1795, gedruckt bei Johann David Hummel. 



Digitized byGoogle 



80 Geschichte dea Militar-Ereiehungs- und -BildungBweeens etc. 



kToatischen und siebenbtirgischen Adel die Bewachung ihrer Person 
und ihrer Familie anvertraute; 2) den jungen Edelleuten Gelegenheit 
zu verschaffen, sich in Sprachen, Wissenschaften, Leibesubungen, 
Sitten und Umgang zu bilden, urn sich fOr den Staatsdienst in 
militarischem oder in burgerliohem Berufe vorzubereiten. 

Die Garden, 70 an der Zahl, wurden in dem fur sie angekauften, 
ausserhalb des Burgthores belegenen, bis dahin Furstlich Trautsohnschen 
Gebaude untergebracht. 1 ) Ihre Vorgesetzten waren hohe Offiziere; der 
Kapitan war Feldmarschall oder wenigstens General der Kavallerie ; die 
untersten, die Sekondewachtmeister, hatten den Rang von Rittmeistern, 
sie selbst den yon Unterlieutenants. In erster Linie bestimmt den Glanz 
des prachtigen Eaiserhofes zu mehren, hatten die Garden die reiche un- 
garische Tracht und thaten ihren Dienst ausserhalb geschlossener 
Raume zu Pferde. Sie genossen freien Unterhalt und eine Jahresgage 
von 300 Gulden; ihre Bekostigung war, wie es in den Verhaltnissen 
lag, eine sehr reichliche. Taglich zog eine Anzahl von Garden auf 
Wache in der Burg; war der Hof auswarts, so anderte sich die Zahl; 
an Galatagen ruckte das ganze Korps aus. Dasselbe stand teils unter 
dem Obristhofmeister, teils unter dem Hofkriegsrate. Die Aufhahme 
in das Korps erfolgte im Alter zwischen 18 und 22 Jahren auf Vor- 
schlag der Komitatsbehorden. Die ZugehSrigkeit zur Garde dauerte 
5 Jahre, von denen das erste ein Probejahr war. Ein jeder hatte 
beim Eintritt zu erklaren, ob er Soldat werden oder sich fur den Zivil- 
dienst ausbilden wolle. Im ersteren Falle kam er „nach mit Wohl- 
verhalten vollstreckter Dienstzeit" als Unterlieutenant, wenn er aber 
schon als solcher von einem Regimente zur Garde ubergetreten war 
als Oberlieutenant in das Heer. Die Zahl der zu letzterem Auszu- 
musternden sollte alljahrlich im Durchschnitt 10 betragen; davon 
sollten 7 bei der Infanterie. 1 bei den Grenzern, 2 bei der Kavallerie 
untergebracht werden. 

tTber die Art und Weise, in welcher die Losung der zweiten der 
oben genannten Aufgaben der Garde angestrebt wurde, giebt das Re- 
gulament vom 1. November 1795 Auskunft. Die Oberaufsicht fiber 
die Studien fuhrte der Garde-Oberlieutenant; die unmittelbare Auf- 
sicht war einem Garde-Sekondewachtmeister ubertragen. Alle Lehrer 
waren auf monatliche Kundigung angestellt. Es waren I Ingenieur 
mit 300, 1 deutscher Sprachlehrer mit 288, ein franzdsischer mit 300, 
1 Tanzmeister mit 300, 1 Fechtmeister mit 200, 1 Lehrer der Militar- 



') A. von Geusau, Geschichte von der Stadt Wien, IV, Wien 1793. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



81 



schule mit 300 Gulden Jahresgehalt. Den Reitunterricht erteilte der 
Gardebereiter. Der Wert der Lehrer sollte nach der Menge der von 
ihnen grundlich durchgebildeten Schuler beurteilt werden. fiber die 
letzteren hatten sie allmonatlich Zeugnisse auszustellen, in deren 
Rubriken die „Verwendung" mit „ganz gebildet", „gut", „mittel- 
massig", „schwach", oder „gar nicht" zu bezeichnen war. Jeder Lehrer 
hatte je zwei aufeinander folgende Stunden hindurch zu unterrichten; 
eine davon wurde fur die guten und mittelmassigen, die andere fur 
die schwachen Schuler verwendet. Besondere Vorschriften fur den 
zu erteilenden TJnterricht giebt das Regulament nur far den Fecht- 
meister, welcher angewiesen wird auch das in der A'rmee eingefuhrte 
Sabelexerzitium zu lehren, und fur den TJnterricht in der „Militar- 
schule" fiber die Militardienstordnung. Da der als Offizier austretende 
Garde den Dienst kennen musste, so sollten in zwei Wochenstunden 
das Verhaltung8-, Dienstr und Exerzier-Regulament, in zwei anderen 
die Krieg8artikel, die Gegenstande von der Subordination und dem 
Gehorsam, von der Disziplin und Manneszucht, von der Harmonie und 
Einigkeit, von dem Esprit de corps abgehandelt werden. Den ersten 
Teil des Vortrages, welchen zur Zeit ein Stabsoffizier der Garde hielt, 
sollte erforderlichenfalls ein Pensionaroffizier gegen eine Zulage, den 
zweiten sollte der Gardeauditor gegen eine Jahreszulage von 100 
Gulden ubernehmen. 

Nach der dem Regulament als Anlage beigegebenen „Eintei- 
lung der Lehrgegenstande und Lehrstunden fur die Sommer- 
und Wintermonate anno 1795" fand der TJnterricht zwischen 8 und 
12 Uhr vor-, 2 bis 7 TJhr nachmittags statt. Es entfielen auf die 
Militarschule 4, Genie und Mathematik 8, deutsche Sprache, fran- 
zosische Sprache, Tanzen, Fechten je 6, Exerzieren im Sommer 4, 
Reiten im Sommer 8, im Winter 6 Wochenstunden. 



VIIL Die k. k. Galizische Garde-Abteilung. 

Eine ahnliche Vergunstigung, wie dem ungarischen, wurde dem 
galizischen Adel zu teil. Im Jahre 1781 war eine galizisch-lodo- 
merische Leibgarde errichtet, welche am 29. Dezember jenes Jahres 
den Eid der Treue leistete. Als diese Garde durch Kaiser Leopold II. am 
1. Mai 1791 aufgehoben wurde, war bereits angeordnet worden (vgl. 
S. 74), dass fur den galizischen Adel statt dessen 40 Platze in der 
Wiener-Neustadter Akademie geschaffen und dass 30 galizische Edel- 

MonnmenU Germanlae Paedagogica XV. 6 



Digitized by Google 



82 Geschichte des MiUtar-Erziehungs- und -Bildungswesena etc 



leute der seit 1763 bestehenden Arcieren-Leibgarde zngeteOt werden 
sollten, *) welche bei ihrem Eintritte zu Offizieren ernannt und in einem 
funfjahrigen Lehrgange far ihren Beraf vorgebildet werden warden. 
Dieselben waren kaserniert; jeder Garde bezog eine Gage von 371 
Gulden und 24 Kreuzern. Naheres fiber die Einrichtung hat nicht 
in Erfahrung gebracht werden konnen. Auch das k. und k. Obersfc- 
hofmeisteramt besitzt laut Schreibens vom 22. Juli 1890 keine Akten 
fiber die Einrichtung. Das Einzige, was bekannt ist, ist in einer amt- 
lichen Yorschrift ') enthalten. Die besondere Verhaltung, den Dienst 
und Verrichtungen derer Garden betreffend" (II. Teil, § 4) sagt diese, 
dass ein neu eingetretener Garde sich mit allem nur moglichen Fleisse 
in der deutschen, franzosischen und italienischen Sprache, in Philo- 
sophie, Geschichte, Mathematik, mih'tarischer Zeichnung, Fechten, 
Reiten, Tanzen, Kavallerie- und Infanterie-Dienst und Exerzieren zu 
verwenden habe. Dazu ward bestimmt, dass die Garden vom 1. Marz 
bis zum 31. August urn 5Vt, vom L September bis zum letzten Februar 
urn 6Vi Uhr aufstehen und dass im Sommervon 7 bis 9, im Winter von 8 
bis 9 in denen militarischen tTbungen gearbeitet werden solle. Die Sorge 
daf&r lag den Sekond-Wachtmeistern ob; die Ausbildung geschah 
gleichmassig fflr den Eintritt in die Kavallerie und die Infanterie. 
Im ubrigen geht die Verwendung der dem Unterrichte gewidmeten 
Zeit aus der im § 5 mitgeteilten „Lehrstunden-Einteilung" 
hervor, welche „ein fur allemal beobachtet werden sollte". Dieselbe 
wies von den vormittags von 10 bis 12 und nachmittags von 2 
bis 4 abzuhaltenden 24 wochentlichen Unterrichtsstunden der Philo- 
sophie und der Mathematik je 5, dem Deutschen und dem Franzo- 
sischen je 3, dem Italienischen, der Geschichte, der Geographie 
und dem Zeichnen je 2 zu. Die Schuler wurden teils gemein- 
sam, teils auf zwei Stufen unterrichtet In die den militarischen 
tTbungen gewidmeten Stunden fielen auch 1 Tanz-, 1 Fecht- und 3 
Reitstunden. 

An Gage erhielten nach dem „Entwurfe" jahrlich die Pro- 
fessoren: der Philosophie 175, der Mathesis 300, der Universal- 



>) A. v. Geusau a. a. O., 4. Tl., Wien 1793. 

*) Verhaltimgen fur gesamte Partheien und Individuen der k. k. Gallizi- 
Bchen Garde- Ab teilung , welche nebst denen bestehenden Garde-Statuten unmit 
zur genauen Damachachtung herausgegeben werden. I., II. und III. Teil. Im 
Jahre 1800. — Laut oberethoftneisterlichen Intiinats vom 2. August 1800 mit 
der AUerhochsten Genehmigung vereehen. (HandBchrifllich im Obersthofmeister- 
amte, 1 Band in 4°.) 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



83 



geschichte 175, der deutschen Sprache 240, der franzosischen 300, 
der italienischen 180, der Tanzmeister 228, der Fechtmeister 200 
Gulden. Vierteljahrlich reichten die Lehrer Meldungen fiber Fleiss, 
Fahigkeiten und Fortgang ihrer Schfiler ein. 

IX. Die Ingenieurschule zu Gumpendorf, 

1755 bis 1778. 

In derselben Zeit, wahrend welcher Maria There sia mit der 
Sorge um das Zustandekommen der zuerst von ihr geschaffenen An- 
stalten beschaftigt war, hatte sie auch die Errichtung einer Schule 
ins Auge gefasst, welche der Ausbildong zu Iugenieuroffizieren ge- 
widmet werden sollte. Es dienten solchem Zwecke bei ihrem Re- 
gierungsantritte die Ingenieurschule im Ghaosstifte und die von Kaiser 
Karl VI. begrundete. Beide wurden vereinigt und gleichzeitig umge- 
staltet, weil keine von ihnen den Anforderungen der Gegenwart ent- 
sprach. Welcher Art diese Anforderungen waren, zeigt ein dem Jahre 
1756 entstammende8, im Kriegs-Archiv aufbewahrtes Schriftstiick 
„Projekt und Reflexiones einer Militar-Akademie". 

Der Verfasser, OberstrLt. Anton Weiss, „Mathematikus und 

niederosterreichischer Oberland-Ingenieur", fordert, dass der Direktor 

In genie u r sei, dam it er die Thatigkeit des wichtigsten der anzu- 

stellenden Lehrer flberwachen konne. Fur diese Thatigkeit offerierte 

er „sein eigenes geringes Talent". Es sollten zuerst die Fundamenta 

in Geometrie, Arithmetik und Geographie gelegt werden, da ihre 

Kenntnis unerlasslich sei um einen Bauuberschlag zu formieren, 

Festungen anzulegen, Karten zu entwerfen; dann musse die Fortifi- 

kation a us puren militarischen Element en doziert werden; das sei die 

Pars principalis der Akademie. Die Lectiones sollten in der jetzigen 

offence und defence fundiert sein; dann wurde ihr Betrieb ganz andere 

Frfichte tragen, als wenn sie so gelehrt wurden, wie es in den Aka- 

demien und yon den theorischen Lehrern geschahe. Das Studium der 

Fortifikation habe sich auf das Terrain zu stutzen. Der Gang des 

Vortrages ist genau angegeben; er soil durch den eines Artilleristen 

erganzt werden; ausserdem soli das Infanterieexerzitium gelehrt 

werden, weil der Akademist bestimmt sei als Oftizier in das Heer zu 

treten. An Lehrern werden je ein Fortifikationsmeister, Mathematikus, 

Artillerist, Minen-, Exerzitien- und bflrgerlicher Baumeister gefordert. 

tTber dem Direktor soli „besonders des gebuhrenden Lustre und 

6* 



Digitized by Google 



84 



Geschichte des Militar-ErziehungB- und -Bildungaweeens etc. 



Ansehens wegen" ein grosser Kavalier und erfahrener General als 
Protektor stehen. Die Geldmittel sollen aus den Sperrgeldern der 
Stadt Wien genommen werden, welche schon lange dazu in Aussicht 
genommen seien. 

Ausseren Anlass zur Er rich tung der Schule gab „die in dem 
ehemaligen Chaosschen Stifle bei der daselbstigen Jugend fiber Hand 
genommene und bis zur Argernuss getriebene Ausgelassenheit und 
Unanstandigkeit." Maria Theresia wurde dadurch veranlasst, unter 
dem 13. Marz 1755 dem Land-Untermarschall vonMoser und dessen 
Bruder die ihnen als den Testamentsexekutoren des Freiherrn von 
Chaos bisher ubertragen gewesene Verwaltung des Stifles abzunehmen 
und von letzterem alle spater hinzugekommenen Stiftungen abzu- 
zweigen. Demgemass wurden die fundierten Studenten und Ingenieur- 
Skolaren in dem Konigseggschen Gartengebaude in Gumpendorf 
untergebracht und mit ihnen die Zoglinge der kaiserlichen Ingenieur- 
schule vereinigt; als solche waren seit 1747 auch Knaben von 10 
bis 14 Jabren aufgenommen und in einem Hause in der Annagasse 
gemeinsam erzogen. ») 

Am 21. Februar 1756 wurde die Ingenieurschule fur ein kaiser- 
liches Institutum erklart. DieOberdirektion erhielten die Geheimen 
Rate Franz Graf Eszterhazy und vonThoren, Direktor war ein 
Rittmeister. Ausserdem waren angestellt: je 1 Verwalter, lieute- 
nant, Hofmeister, Kaplan, Professor architecturae militaris, bzw. 
architecturae civilis, historiae et latinitatis, latinitatis secundarius, 
Schreib-, Fecht-, Tanz-, franzosischer Sprachmeister, Medikus, Chir- 
urgus und ein Unterpersonal von 25 Personen. Unterrichts- 
gegenstande waren: die franzosische und die lateinische Sprache, 
soweit diese einem Soldaten notig, Geographie und Geschichte, 
Zeichnungskunst, Rechenkunst und Algebra, Geometrie, Planimetrie, 
Trigonometrie, burgerlicbe und Kriegsbaukunst, Tanzen und Fechten, 
Exercitium militare und Anfertigung von Monats-, Standes- und 
Diensttabellen. Der Zudrang war gering. „Unglaublich ist es, dass 
niemand von diesen Gnaden profitieren mag", scbrieb die Kaiserin, 
als sie am 20. September 1755 zu diesem Ende eine Denkschrift an 
die bohmischen und osterreichischen Stande zur Verbreitung in den 
adeligen Familien versandte. *) Sie fand indessen wenig Gehor. Am 



J ) F. W. Weiskem, Beachreibung der Haupt- und ResidenzstAdt Wien 
(3. Teil zur Ssterreichischen Topographie), Wien 1770. 

*) A. von Arneth, GeBChichte Maria Theresias, 9. Bd., S. 94, Wien 1879. 



Digitized by Google 



Osterreich-lingarn. 



85 



t. Marz 1760 betmg die Zahl der Schuler freilich 136, darunter 
31 Ingenieurs, 49 Anfanger und 56 Studenten, aber sie standen im 
Alter von 7 bis 31 Jahren und es waren darunter die Sonne eines 
Lederers, Webers, Schneiders, Bauern, Tagelohners. 

Eine solche Zusammensetzung konnte der Anstalt nicht 
forderlich sein; ausserdem fehlte die erforderliche Schulzucht. Im 
April 1760 wurde die Schule daher dem Geniekorps unterstellt. 
Oberst-Lt. Ham ling ubernahm die Oberaufsicht , Hptm. von 
Hirchenhann ward Kommandant. Letzterem trug der Genie-Pro- 
direktor FZM. Baron Harsch auf, „die bishero eingeschlichene allzu 
grosse Konversation derer Ingenieur-Scholaren mit ihren Verwandten 
und znm Teil deren Muttern auf das Engste einzuschranken , folg- 
lichen alle hieraus bis nun zu erwachsenen Inkonvenienzen abzu- 
leiten". Der Stand der Anstalt war jetzt je 1 Kommandant, 
Unterlieutenant, Verwalter, Hofmeister, Professor, 5 Unteroffiziere, 
1 Traiteur, 2 Krankenwarterinnen, 4 Hausknechte. Den Unterricht 
im Franzosischen, Schreiben, Zeichnen, Rechnen, der Geometrie und 
Mathematik erteilten Professoren, welche nicht zum Stande gehSrten. 
Die Erfolge wurden bessere. Offiziere baten die Vortrage horen zu 
durfen und die Schuler erwiesen sich als tiichtig, sie wurden bei 
allerlei Bauten, bei Aufnahmen und bei den Messungen verwendet, 
welche Professor Liesganig auf dem Kahlenberge mit; dem Qua- 
dranten vornahm. 

In einem am 7. Januar 177 7 ausgefertigten Stiftsbriefe, durch 
welchen die letztwilligen Verfugungen d. d. 24. Juli 1650 des FM. 
von Teuf fen bach („Tieffenbach" in Schillers Wallenstein) nach dem 
Aussterben der Familie verwirklicht wurden, sind alsUnterrichts- 
gegenstande genannt: Christen- und Sittenlehre, Rechtschreibung, 
Ziffernrechnung , franzosische Sprache, Historie und Geographic, de- 
monstrative Rechenkunst, Algebra, Zeichnung, Vernunftlehre, Tanz- 
' und Fechtkunst, Messkunst der Flachen, Aufnahmen mit allerlei 
In8trumenten, Topographie, Flachen- und Korpermessung, Mechanik, 
Optik, Geometral- und perspektivisches Zeichnen, Statik, Hydrostatik, 
Hydraulik, burgerliche und Kriegsbaukunst, allgemeine Lager- und 
Feldverschanzungen , Taktik, Stein- und Holzschnitte , Zergliede- 
rung des Festungsbaues, des Angriffes und der Verteidigung von 
Festungen. J ) 



») Geuaau a. a. O., S. 241 



Digitized by Google 



86 



Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



X. Die Ingenieur-Akademie zu Wien, 
1778 bis 1805. 

Die zunehmende Bedeutung der Gumpendorfer Schule veran- 
lasste im Jahre 1778 ihre Umgestaltung. Gelegentlich derselben 
wurde sie amtlich als „Ingenieur-Akademie" bezeichnet. In den 
ersten Tagen des Mai 1778 siedelte sie in die Raume auf der Laim- 
grube fiber, welche die Savoyische Ritterakademie inne gehabt hatte. 
Hundert Jahre spater durfte ihre Nachfolgerin, die Technische 
Militarakademie, den hundertsten Geburtstag feiern. 1 ) 

Als Kaiser Josef II. durch Verfugung vom 20. November 
1783 das Theresianum umgestaltete, wurde die Akademie in das 
frei gewordene Gebaude an der Wieden, die ehemalige Favorite, ver- 
legt; als jene Anstalt 1797 eine abermalige Verfassungsanderung 
erfuhr und ihrer Raume wieder selbst bedurfte, bezog die Ingenieur- 
Akademie von neuem das Heim der Savoyischen Ritterakademie in 
dem der Stiftgasse zugewendeten Teile der Stiftkaserne, den „Savoyi- 
schen" oder „Liechtensteinischen Trakt" des alten Chaosstiftes auf 
der Laimgrube. Das tTbergabe-Instrument ward am 1. November 
vollzogen. 2 ) 

Der geistige Urheber der 1778 erfolgten Neugestaltung war der 
Genie-Korps-Kommandant Karl Klemens Graf Pellegrini. 3 ) Er 
hat seine Ansichten uber den Gegenstand in einer Denkschrift 
„Ecole du genie, concernant le plan destruction en general" nieder- 
gelegt. 4 ) Sie gehen von der ftberzeugung aus, dass es notwendig 
sei solche Ingenieuroffiziere zu bilden, wie Vauban sie in seiner „In- 
struction pour la conduite des sieges" als Vorbilder hinstellt; als 
Musterschule konne die franzosische Ingenieurakademie dienen. Zog- 
linge, welche den hochsten Anspriichen genugten, finde man freilich 
unter 140 bis 150 nur etwa 6 oder 8, aber auch von den ubrigen 
musse gefordert werden, dass sie etwas Besonderes und mehr als die 
grosse Masse der anderen Offiziere leisteten. Die Grundlage der 
Studien hatte die Mathematik zu bilden; auf ihre Kenntnis sei das 



*) Streffleure 5sterrdchische miUtarische Zeitschrift, Wien 1878 , 2. Bd., 
S. 201. — Vedette, Wien 1879, Nr. 8. 

*) Akten der k. und k. Technischen Militar-Akademie. 

•) Geb. 20. November 1720 zu Verona, gest. 28. November 17% zu Wien; 
seit 1770 an der Spitze des Geniekorps (Wurzbach a. a. O., 21. Bd., Wien 1870). 

*) Kriegs-Archiv IX : ,^Iilitar-Akademie und Erziehungshauser", 58. Stuck, 
1775 und 1786. 

Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



87 



der Berufswissenschaften zu grim den; die Naturwissensohaften seien 
Hilfefacher. Der grosse Umfang des zu Erlemenden notige zur Be- 
schrankung des Lehrstoffes; jedem Fache sei daher seine Aufgabe 
genau anzuweisen und abzugrenzen. Der Vortrag durfe kein trockener 
Kathedervortrag sein, sondern der Unterricht musse sich zu einem 
lebhaften Meinungsaustausche zwischen Lehrern und Schiilern ge- 
stalten und durch praktische flbungen auf dem Felde unterstutzt 
werden. 

Von grosser Wichtigkeit fur das Gedeihen der Anstalt war die 
durch Prasidiale vom 24. November 1779 getroffene „Systemal- 
Anordnung", dass „zu dem Ingenieurkorps kein Individuum ange- 
nommen werden sollte, welches nicht die Genie- Wissenschaften in der 
allhiesigen Ingenieur-Akademie vollkommen erlernt hat und nach 
vorausgegangener ordentlicher Frufung wiirdig erkannt worden ist, in 
das Ingenieurkorps einzutreten". Mit den Zdglingen sollte streng 
yerfahren werden. Es war vorgeschrieben, dass „jene, welche die 
erste Klasse im Studieren nicht erhalten oder welche keinen guten 
Fortgang in denen Wissenschaften machen, den Stiftungsgenuss zu 
verlieren, mithin die Stiftlinge selbst von halb zu halb Jahr das 
Zeugnis von ihrem Fortgang im Studieren der Studien-Hofkommission 
zu iiberweisen haben". Das bezog sich aber nur auf die verhaltnis- 
massig wenigen, welche Stiftsplatze inne hatten; mit den Kostzdg- 
lingen ging man behutsam um; von ihrem Vorhandensein hing das 
Bestehen der Anstalt wesentlich ab. 

Den Zustand, welchen Pellegrini schuf, schildert eine 1786 ge- 
d ruckle Beschreibung. Jeder Fremde, welcher die Anstalt besuchte, 
erhielt unentgeltlich ein Exemplar; man wo lite die Bekanntschaft mit 
den Einrichtungen moghchst verbreiten, um zum Eintritte zu veran- 
lassen. Die Beschreibung ist bezeichnet als 

„Aufsatz, was bei der Aufnahme in die k. k. Ingenieur- 
Akademie mit zu beobachten ist und in was dieErziehung 
der Jugend samt ihrer Lehrart bestehe". Sie enthalt auf 
einem Druckbogen die nachstehenden Bestimmungen: 

Zur Aufnahme waren erforderlich: gesunde LeibesbeschaflFenheit; 
guter Wuchs; Alter nicht fiber 15, nicht unter 9 Jahr, „es ware 
denn, dass einer, der schon die vorgeschriebenen 15 Jahre in etwas 
uberschritten hatte, bereits gute mathematische Kenntnisse besasse". 
Dariiber war er zu prfifen. Das Eostgeld betrug 400 oder 250 
Gulden fur Erziehung, Yerpflegung und Bek lei dung. Die Erziehung 
erstreckte sich auf Sitten, Lehre und Leibesubung; sie war mili- 



Digitized by Google 



88 



Geschichte dee Militar-Erziehunga- und -Bildungswesens etc. 



tarisch. Der Unterricht begriff: deutsche Spraohe und Litteratur, 
dann ihre Anwendung einen guten schriftlichen Aufsutz za verfassen; 
lateinische Sprache and ihre nntzliche Anwendung; franzosische 
Sprache; Schon- and Rechtschreibung der drei Sprachen; allgemeine 
Geschichte und Erdbeschreibung; Christ- und Sittenlehre; freies Hand- 
zeichnen, als Vorbereitung auf die burgerliche Baukunst; Rechen- 
kunst, Algebra, Geometrie; geometrische und perspektivisohe Zeich- 
nung; Mechanik und Hydraulik; Philosophic; Grundsatze zur Physik 
und Elementarphysik; Aufnehmen und Nivellieren auf dem Felde; 
burgerliche Baukunst; allgemeine Grundsatze derTaktik; Befestigungs- 
kunst; Grundsatze zur Geschutzwissenschaft; Minenkrieg; An grift" 
und Verteidigung fester Platze; Festungsbau - Wissenschaft. Von 
Leibesubungen wurden Fechten und Tanzen getrieben. Die 
Wohnung bestand fur die Kostgeher zu 400 Gulden in Zimmern 
fur je 3 oder 4 derselben; die zu 250 Gulden schliefen in grosser) 
Zimmern unter Aufsicht bescheidener Unteroffiziere. Jeder hatte ein 
besonderes Bett. Die Zimmer waren beleuchtet und geheizt Die 
Bekostigung setzte sich fur die 1. Klasse aus Fruhstuckssuppe, 
mittags 5, abends 3 Speisen nebst Brod, Wein oder Bier; fur die 
2. Klasse aus einem halben Brode zum Fruh stuck, mittags 4, abends 
2 Speisen nebst Brod und mittags Wein oder Bier zusammen. (Da 
das Trinkwasser auf der Laimgrube schlecht war, befahl der General- 
Genie-Direktor FML. Lauer am 12. Januar 1802 die Verabreichung 
von Wein am Abend an die 2. Verpflegungskategorie.) Fur die 
K rank en waren ein Medikus und ein Chirurg bestellt. Wollte jemand 
sich anderweit behandeln lassen, so konnte es auf seine Kosten ge- 
schehen. Die Kleidung bestand im Hause aus Rock, Weste und 
Beinkleid von hechtgrauem Tuche, zum Ausgehen an Sonn- und Fest- 
tagen aus weissem Rocke mit roten Aufschlagen, weisser Weste und 
Beinkleid. Fur die klassischen Biicher und das Reisszeug, welche 
dem Austretenden verblieben, fur Zeichnungsgerat, Haarpuder, Zopf- 
band etc. waren in der 1. Klasse 20, in der 2. 15 Gulden jahrlich 
zu entrichten. Die erste Einkleidung geschah auf Kosten der An- 
gehorigen; die 1. Klasse zahlte dafur 75, die 2. 55 Gulden. Ringe, 
Uhren, Tabatieren durften nicht fiber die Schwelle des Hauses kommen. 
Die Bedienung besorgten 7 Bediente, welche auch den Zoglingen 
der 1. Klasse aufzuwarten hatten. Ausserdem . waren Hausknechte 
und Weiber fur die Tischbedienung und die Reinigung des Hauses 
bestellt Zur Wahrnehmung des militarise hen Dienstes war 
eine Sappeurkompagnie im Anstaltsgebaude untergebracht. Die Zu- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



89 



weisung derselben erfolgte durch ein unter dem 30. Marz 1787 an 
die Lokaldirektion der Ingenieur-Akademie gerichtetes Schreiben des 
General-Genie-Direktors FZM. Graf Pellegrini; der Kapitan, Ober- and 
Unter-Lieutenant der Kompagnie versahen den Inspektionsdienst bei 
den Zoglingen, der Hauptmann fuhrte die Oberinspektion, die Sappeur- 
meister besorgten den Adjutantendienst. Der Austritt war viertel- 
jahrlich gestattet; Ferien, Balle, Theaterbesuch, Urlanb fiber Nacht 
waren ausgeschlossen. Wer an Sonn- und Feiertagen ausgeladen war, 
niusste abgeholt und zuruckgebracht werden. Nie sollte ein Zogling allein 
auf der Strasse gehen; wer ohne zuverlassigen Begleiter getroffen 
wurde, verlor for eine Zeitlang die Aussicht beurlaubt zu werden. 
Unter gleichen Vorsichtsmassregeln durften Akatholiken die Kirche 
. besuchen. tTbrigens sollte die Anstalt nicht lediglich Ingenieure aus- 
bilden. Nur die vorzuglichsten sollten dazu genommen werden; die 
ubrigen, wenn sie sonst es verdienten, wiirde man dem Hofkriegsrate 
znr Anstellong bei anderen Waffengattungen empfehlen. 

Bald naeh Veroffentlichung dieses „Aufsatzes" verfugte ein 
Schreiben der General-Genie-Direktion vom 28. Dezember 1787, 
dass am 1. Januar 1788 der lateinische Unterricht eingestellt 
und die frei werdenden Stunden zu grundlicher Erlernung des Deut- 
scben, von Geographie und Naturgeschichte verwendet werden sollten. 



Einen anderweiten Einblick in die Yerhaltnisse der Anstalt 
bietet eine „Nachricht an dasPublikum von der Erziehungs- 
anstalt und der inneren Einrichtung der Akademie". Es 
heisst in derselben: „Die physische und sittliche Erziehung ist 
militariseh. Ihr Endzweck ist: der Jugend jene Eigenschaften einzu- 
prageD, die den tuchtigen Offizier und rechtschaffenen Mann bilden; 
die Lehrgegenstande sind fur die in der 1. Klasse und dem 
jungeren Alter von 9 Jahren: Lesen, Schreiben, deutsche Sprach- 
lehre, B-echtschreiben , bohmische Sprache, freie Handzeichnung, 
biblische Geschichte, Religion; in der 2. Klasse gemeine Rechenkunst 
und Algebra, einfache Geometrie, Aufhahmen auf dem Felde, Hand- 
zeichnen, deutsche, franzosische und bohmische Sprache, Schon- 
schreiben und die christiiche Lehre; in der 3. Fortsetzung der 
Geometrie, spharische Trigonometrie , Situationszeichnung, deutscher 
Stil, franzosische Sprache, Religion; in der 4. Mechanik, Hydraulik, 
Experimentalphy8ik, Philosophie, allgemeine Weltgeschichte , Erdbe- 



»j Geusau a. a. O., 8. 242 (Vorrede vom 5. Dezember 1802). 



Digitized by Google 



90 Geschiohte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweeens etc. 



schreibung, Grundsatze der Taktik and Artillerie, Militar- und burger- 
liche Baukunst; in der 5., welche aus den zum Ingenieurkorps ge- 
wahlten Zoglingen unter dem Namen Genie-Korps-Kadetten besteht, 
welche schon aus der Kriegskasse eine monatliche Lohnung beziehen, 
wird der Unterricht uber die Befestigungs-, Minier-, Kastrametations- 
Kunste und den Festungsbau erweitert und auf solche Gegenstande 
ausgedehnt, die den Dienst der Ingenieurs besonders angehen. 
Nach Vollendung dieses Kurses werden sie als wirkliche 
Offiziere bei dem Ingenieurkorps oder vom Hofkriegsrate bei den 
Regimentern angestellt. 

Ausser in diesen Gegenstanden wird den Zoglingen im 
Fechten und Tanzen von dem Institut der Unterricht gegeben und 
Gelegenheit verschafil, zu Hause in dem Reiten gegen eigene Be- . 
zahlung sich zu uben. TTbrigens wird fur Auswartige das Kostgeld 
auf 420 und 315 Gulden und fur die erste Uniform der Erlag von 
80 und von 60 Gulden bestimmt, wofur ihnen for den ersten Betrag 
zu Mittag 5, abends 3 Speisen mit Brod und Wein, fur den zweiten 
Betrag zu Mittag 4, abends 2 Speisen mit Brod und Wein in einem 
gemeinschaftlichen Zimmer, ein hechtgrauer Uniform-Rock mit Weste 
und Beinkleidern zum Hausgebrauche , fur Sonn- und Feiertage 
aber ein weisser Uniform -Rock mit roten Aufschlagen abgereicht 
werden. 

Heutzutage besteht die Akademie aus einem Oberdirektor 
(nach Pellegrinis Tode blieb die Stelle eine Zeitlang unbesetzt, bis sie 
auf den Erzherzog Johann uberging, unter welchem GM. Bour- 
geois damals die innere und administrative Leitung fuhrte), Direktor 
und Oberaufseher vom Militarstande und aus zwei Lehrern von der 
Befestigungs-, Angriffs- und Verteidigungskunst und des Minenkrieges, 
aus einem Lehrer der Zivil- und Militar-Baukunst, zwei Lehrern der 
reinen Mathematik, Hydraulik, Experimentalphysik und der Philo- 
sophie, einem Lehrer der geometrischen, perspektivischen, Situations- 
und freien Handzeichnung, einem Lehrer von der Rechtschreibekunst, 
der allgemeinen Geschichte und der Erdkunde, einem Lehrer fur die 
franzosische und bohmische Sprache, einem Schreib-, Tanz- und 
Fechtmeister, einem Bibliothekar, Medikus, Wundarzt und einem 
Geistlichen. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn . 



91 



XI. Das Josefinisehe Militar-Waisenhaus (Offiziers- 
Waisenhaus), 1769 bis 1782. 

Maria There si a verfolgte bei der Errichtung eines Militar- 
Waisenhauses zugleich den Zweck, die zahlreiche Nachkommenschaft 
der Heeresangehorigen za nutzlichen Mitgliedern der Staatsgemein- 
schaft zu erziehen und durch Forderung des Heiratens die Menge 
der unehelichen Kinder zu vennindern. Ein Ergebnis der gefuhrten 
Verhandlungen *) war die in Gemassheit eines hofkriegsratlichen Vor- 
trages vom 24 Jnli 1765 geschehene Begriindung eines „Soldaten- 
Weiber- und Kinder-Fonds". Die Unterbringung der Kinder, und zwar 
allgemein der hilfsbedurftigen , erfolgte in den bestehenden Waisen- 
hausern. Eins derselben, das Klagenfurter, ruhrte ursprunglich den 
N amen ,,Militar-Waisenhaus", eine Vorbereitung fur den Heeresdienst 
fand aber dort nicht statt. Solches geschah dagegen in dem zu 
Pettau, welches unter den in unserer tlberschrift gegebenen Be- 
nennungen vorkommt. Die Zeit seiner Errichtung ist nicht genau 
bekannt 

Die erate ,Jnstruktion fflr das Militar-Waisenhaus in 
Pettau" a ) ist vom 31. Januar 176 9 datiert. Sie bezeichnet als 
den wichtigsten Unterrichtsgegenstand das wahre Christentum. 
Daneben seien Lesen, Schreiben, Rechnen und ein Handwerk, z. B. 
Spinnen, sowie, „wenn die Krafte es erlauben", das militarische Exer- 
zitium und das Spielen eines militarischen Musikinstrumentes zu 
lehren. Da zunachst nicht Geld genug da war urn den beabsichtigten 
Stand von 300 Zoglingen zu unterhalten, so wurden nur 200 auf- 
genommen und statt 3 nur 2 Schulmeister angestellt; ferner befanden 
sich 1 Unteroffizier far das Exerzieren, 1 Tambour, 1 Musikmeister 
bei der Anstalt. Die Aufsicht fuhrten Invaliden, denen auch die 
Bewachung des Hauses oblag. An derSpitze stand ein Hauptmann, 
welchen ein Oberlieu tenant unterstutzte. Die Strafen waren Fasten 
und Arrest, „wom6glich" keine Schlage. Die Zoglinge trugen 
Uniform: Tuchmutzen mit gefarbtem tTberachlag , blauen oder 
grauen Tuchrock mit gefarbtem tfberschlag und Aufschlagen, 
Leibel mit Armeln und gelben Knopfen, ungarische Hosen von 



1 ) Ausfiihrlich bei Koch kr on a. a. O., 8. 13. 
a ) Kriegs- ArcMv : Kanzlei-Archiv IV, 21. 



Digitized by Google 



92 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



der (nicht angegebenen) Farbe der Leibel, Lederhalsbinden und 
Bundschuhe. 

Mit Rucksicht auf die grosse Zahl bedurftiger elternloser Knaben 
verfugte der Hofkriegsrat am 24. November 17 7 7, dass nur Waisen 
aufgenommen werden sollten; es waren damals 234 Zoglinge vor- 
handen, davon »/» Sonne von Offizieren. Kaiser Josef befahl, dass 
von letzteren die, „welche die besten Talente haben", nach Wiener- 
Neustadt versetzt und mit den dort „als untauglich erfundenen" ver- 
wecbselt werden sollten, was sofort mit zwei schlechten Akademikern 
geschah. 

Zugleich aber wunschte der Kaiser „die Kompletierung der Zahl 
deren Stiftsknaben auf 500 Kopfe, soweit es die Fundi zulassen". 
Urn diese unterbringen zu konnen, wurde die Anstalt 1777 von 
Pettau nach Tyrnau „in das fur besagtes Waisenhaus gewidmete 
Ex-Jesuiten-Kollegi" verlegt. Ein Vortrag vom 4. Januar d. J. uber 
die dortigen Raume zeigt, dass die Offizierssohne von den gemeinen 
Knaben ganz gesondert waren. Jene, 166 an der Zahl, bewohnten 
nebst dem Kommandanten , 1 Subalternoffizier, 2 ledigen deutschen 
Instruktoren, 7 Stubenvatern oder Aufsehern, dem Ingenieuroffizier, 
dem Oberchirurgus und 2 Unterfeldscherern den 1. Stock, wahrend 
im 2. 118, im 3. 216 von diesen und ausserdem 5 Stubenvater, 1 
Rechnungsfuhrer, 1 Offizier, 1 Fourier, 2 deutsche Instruktoren, bezw. 
10 Stubenvater, 1 Offizier, 3 Instruktoren untergebracht waren. Die 
Offizierssohne konnten nach Wunsch dem „studio humaniori" 
im Gymnasium oder dem Unterrichte in der Ingenieurschule bei- 
wohnen. Um die Knaben „in der Feldmusik zu unterweisen", d. h. 
um sie zu Militarmusikern auszubilden, war ein Kapellmeister ange- 
stellt. Die Mittagskost bestand fur die gemeinen Kadetten in 
Brod, Zuspeise und Fleisch, die Offizierssohne erhielten „ein gut 
Eingemachtes oder Bratel, an Fasttagen eine Backerei oder sonstige 
Speis mehr". Eine Speiseordnung schrieb genau vor, was an einem 
jeden Tage eines vollen Monates gereicht werden solle; sie zeigt, 
dass man sich der Notwendigkeit eines angemessenen Wechsels in 
der Nahrung wohl bewusst war. Die beiden Kochinnen, deren 
Manner Stubenvater waren, erhielten fur die Kost eines Knaben 4, 
eines Offizierssohnes 5 Kreuzer taglich. 

Die am 1. November 1782 stattfindende Errichtung von 
Soldatenknaben-Erziehungshausern machte dem Waisenhause zu 
Tyrnau ein Ende. Die gemeinen Knaben gingen in jene Anstalten 



Digitized by Google 



ftsterreich-Ungarn. 



93 



fiber, die Offizierssohne in so weit als sie noch nicht als k. k. ordi- 
nare Kadetten Regimentern zugeteilt werden konnten. l ) 

XII. Die Soldatenknaben-Erziehungsh'auser, 

1782 bis 1805. 

Das Mihtar-Waisenhaus reichte bei weitem nicht aus am alle 
Soldatenkinder aufzunehmen, deren Eltern, ohne dass die Kinder 
Waisen waren, Anspruch darauf erhoben und aus denen man Unter- 
offiziere zu machen wfinschte. Die Werbeverhaltnisse und die 
Fdrderung der Soldatenheiraten durch die dabei staatliche und sitt- 
liche Ziele verfolgende Kaiserin hatten die Zahl der Kinder derart 
vermehrt , dass beispielsweise das Infanterie- Regiment Marsohall, 
welches 1752 bei einem Mannschaftsstande von 2068 Kopfen 222, 
zehn Jahre Bpater 334 Verheiratete gehabt hatte, 1772 386 mit 443 
Kindern zahlte. Beim Kurassierregiment Hohenzollern gab es 1782 
bei einem Stande yon 1033 Mann 78 Verheiratete mit 117, beim 
3. Bataillon des Infanterie-Regiments Matthesen 1792 bei 969 Mann 
324 Verheiratete mit 455 Kindern. Und so war es fast uberall. 
Die Aumahme der Kinder in burgerliche Waisenhauser stiess auf 
Widerstand und ihre Unterbringung bei Landleuten gelang nur in 
geringem TJmfange. Es fanden daher in den letzten Regierungsjahren 
der Kaiserin Verhandlungen wegen Errichtung von Erziehungs- 
hausern fur Soldatenkinder statt. 8 ) Sie kamen nicht zum Abschlusse. 
Kaiser Josef n. verfolgte das Ziel weiter. Er richtete sein Augen- 
merk vorziiglich auf die Heranbildung von Landeskindern zu Unter- 
offizieren. •) Zur Verwirklichung der Absicht wurde zunachst der 
„allgemeine Soldaten-Weiber- und Kinderfonds" bestimmt, welcher vom 
1. Juli 1774 bis zum 31. Juli 1775 eine Ausgabe von 38 273 Gulden 
73 Kreuzer hatte leisten konnen. 

Laut Verordnung vom 9. Mai 17 82 wurden dergleichen Hauser 
am 1. November d. J. bei den 50 osterreichischen und ungarischen 
Infanterie-Regimentern errichtet. 4 ) Der Stand eines jeden war: 1 
Offizier als Kommandant, 1 Unteroffizier als Schreib-, 1 Fourier als 



Kriegs-Archiv: Faaz. XXIII, Nr. 109. 
*) Kriegs-Archir: Fasz. IX: Militar-Akademien und Erziehungshauaer, 58. 
Stuck, 1775 bia 1786. 

») Kriegs-Archiv 1782: Faaz, XXIII, Nr. 109. 
*) Kriegs-Archiv: Faaz. L1II, Nr. 337. 



Digitized by Google 



94 Geschichte des Miiitar - Erziehungs- und -Bildungswes ens etc. 



Rechenmeister, 4 Gemeine als Aufseher, 1 Fuhrer for die Wirt- 
schaft, 1 Gemeiner als Koch, 4 desgl. als Warter, 48 Zdglinge. 
Letztere mussten das 6. Jahr vollendet haben, vollkommen gesund, 
gerade gewachsen, gut gestellt sein and sichere Hoffnung zam 
Wachsen geben. Die Regimenter hatten nicht nur ihre eigenen 
Soldatenkinder, sondern auch jene yon der Artillerie, Kavallerie, 
den Pontonniers, Sappeurs, Mineurs, dem Fohrwesen, den Garnison- 
regimentera und den Kordons „nach Massgabe ihrer Werbebezirke, 
und zwar nur von solchen Eltern aufzunehmen, die am meisten ver- 
dienstlich, bedurftig, oder die zu bestandigen Diensten sich an- 
lasseuden Kapitulanten und die grosste Zahl der Kinder haben, 
wobei der Cnterschied der Religion kein Hindernis wirket". Zum 
Unterhalte der Erziehungshauser wurden ausser dem erwahnten Fonds 
die „fur dieselben bestimmten Zuschusse in die Invalidenkasse", die 
bisher dem "Waisenhause am Rennwege zu Wien fur den Unterhalt von 
Soldatenkindern gewidmeten Stiftungskapitalien und ein Jahresbetrag 
von 1440 Gulden aus der Chaosstiftung uberwiesen. l ) Fiir ein jedes 
Haus standen jahrlich 1460 Gulden for Mietzins, Betten, Beheizung, 
Beleuehtung, Wascherlohn und andere Notwendigkeiten , far die Be- 
kostigung eines jeden Knaben, aus „Suppe, Rindfleisch, Gemuse und 
Brod" bestebend, taglich 5 Kreuzer (ja^lich 30 Gulden 35 Kreuzer) 
zur Verfugung. Wie die Regimenter es anzufangen hatten, urn mit 
diesen ihnen als zu gering erscheinenden Betragen die notwendigen 
Ausgaben bestreiten zu konnen, lehrte sie die hofkriegsratliche, sehr 
eingehende Verordnung des Hofkriegsrates vom 25. Mai 1782 an 
samtliche Generalkommanden. 

Unterricht und Erziehung wurden durch ein eingehendes 
Reglement 8 ) geordnet. Den Unterricht erhielten die Zoglinge zu- 
nachst in den „politischen", d. h. in den Volksschulen. Es wurde 
auch der Versuch gemacht, aus jungen Soldaten Lehrer heranzu- 
ziehen, und in Wien zu diesem Zwecke eine Anstalt errichtet, deren 
Schuler am 3. August 1780 in Gegenwart der Kaiserin gepruft 
wurden; der betretene Weg ward aber bald verlassen, weil er den 
massgebenden militarischen Kreisen nicht genehm war. 8 ) Fur die 
offentlichen Schulen hatte schon Maria Theresia sehr viel gethan. Trot z 
der geringen Geneigtheit der Behorden, auf die Absichten der Kaiserin 



») Kriega-Archiv: Fasz. LIII, Nr. 337. 

») Kriega-Archiv: Fasz. XXIII, Nr. 109 (Handechrift). 

3 ) A. v. Arneth, Geschichte Maria Theresias, 9. Bd., Wien 1879. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



95 



einzugehen, hatte diese seit 1771 Schulkommissionen, Schulfonds und 
Normalschulen in alien Provinzen eingerichtet oder wenigstens vor- 
bereitet, 1774 war die angeordnete Herstellung geeigneter Schul- 
bucher beendet nnd der Unterricht der Lehramtsanwarter vollstandig 
eingerichtet, am 6. Dezember d. J. ward eine allgemeine Schul- 
ordnung genehmigt, nnd 1781 fuhrte Kaiser Josef den Schulzwang 
ein. Den Regimentskommandanten war aufgegeben, fur die Knaben 
den nnentgeltlichen Unterricht in den offentlichen Schulen zu ver- 
mitteln, in welche sie durch einen Unteroffizier gefflhrt warden. 
Dem Schreib- und dem Rechenmeister, welche mit den Knaben 
zasammenwohnten and -schliefen and ihre eigentlichen Erzieher 
waren, lag ob, sie in dem „aaf das Militar-Schreib- und Rechenge- 
schaft Bezugnehmenden zu unterweisen". Es sollte kein anderer 
Unterricht erteilt werden, „als der dazu gehSrt, um den Knaben die 
fiildung fur einen geschickten Unteroffizier beizubringen", also „Unter- 
weisung im Lesen, Schreiben und Tabellenmachen", in der 4. Klasse 
sollten sie „so viel moglich zu denen bei der Kompagnie vor- 
fallenden Schreibereien vorbereitet werden". Dass im Exerzieren 
unterwie8en wurde, geht aus dem Vorhandensein von holzernen 
Flinten hervor. Die Bekleidung war soldatisch, es werden Kasketts 
und Rdckel erwahnt. Die Klassen waren nach dem Lebensalter zu- 
sammengesetzt : die 1. umfasste Knaben von 6 bis 9, die 2. von 9 
bis 12, die 3. von 12 bis 15, die 4. yon 15 bis 18 Jahren. Dann 
erfolgte die Ausmusterung. Der Hofkriegsrat verteilte die Zoglinge 
auf die Regimenter, die aus Tyrnau gekommenen Offizierssohne als 
k. k. Kadetten. Der Unterricht hatte wesenUich der Erziehung 
zu dienen. Das Reglement verfugte: „Zur eigentlichen Erziehung, 
zur Bildung des Charakters kommen die Erzahlungen, mit welchen 
der Lehrer zu Ende einer jeden Schule V* oder l }% Stunde ver- 
wendet, und, damit die Wissbegierde nicht einschlafere, hat sich der 
Lehrer nicht viele Tage bei einer Gattung der Erzahlung aufzu- 
halten. Bemerkungen aus dem Dienst-Regulament, vorgefallene Ge- 
schichten yon Gnade und Menschenliebe , dann Zuneigung fur die 
Soldaten unseres Monarchen, Geschichten von gutgethanen, belohnten 
oder bestraften Soldaten, Begebenheiten von feindlichen Vorfallen, 
iiber besondere Tapferkeit bezeugter Helden, die Fabeln aus dem 
Asop, de la Fontaine, mit Auslegung ihrer moralischen Bedeutungen, 
werden dem Lehrer und seinen Erzahlungen vielen Stoff geben: in- 
dessen wird folgendes iiberhaupt zur Richtschnur zu nehmen sein. 
Erstens, dass sich der Lehrer wohl liute, denen Lehrlingen etwas von 



Digitized by Google 



96 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und •Bildungswesens etc 



Gespenstern, Geistern und anderen Schreckbildern vorzumalen. ge- 
wisse Orter oder die Nacht ihnen furchterlich zu mach err, uberhaupt 
alle Ungereimtheiten und Marlein, worauf sich die Kinderwarterinnen 
so viel zu gute thun, mussen surgfiiltig verrnieden werden." 

tTber die Erziehung sagt der „wirtembergische Husarenlieutenant 
und Lehrer auf der Karls-Hohenschule zu Stuttgart* 1 , Franz Miller, 
in „Reine Taktik der Infanterie, Kavallerie und Artillerie" (1. Teil, 
S. 93, Stuttgart 1787): „Schlage sind nur anf den Hinterteil, und 
auch nur dem Stabs- oder vorgesetzten Offiziere zu diktieren alsdann 
erlaubt, wenn keine vernunftdge Vorstellung eine Besserung bewirkt." 
Er schreibt ferner: „Aucb Enaben yon der protestantiscben Kirche 
erzieht man hier." 

Den Bedenken der Regimenter entgegen reichten die Mittel zum 
Unterhalte aus und das Vermogen wuchs durch mancherlei Zuwen- 
dungen so, dass es bei einem Bestande von 1 268 537 Gulden, welcbe 
mit 5, 4 und 3 1 /* °/« verzinst wurden, bald einen Jahresertrag von 
48 725 Gulden abwarf; ausserdem kamen 1785 durch Vermacht- 
nisse etc. 132 775 Gulden zum Hauptfonds. ') 

Die Zahl der in das Heer tretenden Zoglinge war zunachst 
nicht bedeutend. 178 5 wurden 2 Offizierssohne nach Wiener-Neu- 
stadt versetzt, 15 als k. k. ordinare Kadetten, 2 Soldatenkinder als 
Fouriere, 31 als Gemeine, 27 als Spielleute ausgemustert, 37 zur Ver- 
sorgung in das Zivile zuruckgegeben, 79 starben, 3 desertierten. Sol- 
daten wurden 8 /6 der Eintretenden. 

An der Handhabung der fur den Unterricht gegebenen Vor- 
schriften hatte ein vom Hofkriegsrate am 26. Marz 1784 an alle 
Creneral-Kommanden gerichteter Erlass vieles auszusetzen. Der Tadel 
richtete sich gegen die fur diesen Zweck gemachten Anschaffungen. 
Das eine Regiment besass ein Astrolabium, einen Messtisch, 26 
Mappen und 2 Globus, ein zweites hatte musikalische Instruments 
andere hatten Spinnrader erworben, eins hatte 318 Stuck Stricknadeln 
beschaflft. Diesen gegeniiber wies der Hofkriegsrat mit Nachdruck 
auf das Ziel hin, gute und tuchtige Unteroffiziere, nicht Mathematiker 
oder Strumpfwirker heranzuziehen. 

Aber der Geist der Josefinischen Einrichtung und die Absichten 
ihres Schopfers blieben unbegriffen und daher unbefolgt Nur wenige 
verstanden den Kaiser und arbeiteten in seinem Sinne. Die meisten 



J ) Krieg8-Ait5hiv: Vortrag den Hoflmegsrates vom 13. Hornung 1786, 
Nr. 147. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



97 



unter den hdheren Offizieren, denen insgesamt die Soldatenweiber 
und ihr Nachwuchs unaufhorlich Sorge and Verdriesslichkeiten be- 
reiteten, bildeten sich ihre eigenen padagogischen Grundsatze. Es 
entstanden daraus Zustande, wie sie ein anderer hofkriegsratlicher 
Erlass vom 12. Marz 1798 schildert: 1 ) „Nach der allenthalben 
bestehenden Anordnung haben die Knaben der Erziehungshauser den 
ohnentgeltlichen Unterrieht in denen Normal-Provinzial-Schulen zu 
bekommen; es hat aber hiebei jeder beim'Erziehungshaas stehende 
Offizier seiner Autmerksamkeit nicht entgehen zu lassen, dass ein 
mehrere Stunden anhaltendes Schulsitzen, die Nachschulen im 
Erziehungshaus, uberhaupt das lange anhaltende, besonders in einer 
solchen Jngend unnaturliche Lernen der Gesundheit schadet, dem 
Korper Krafte benimmt; es ist ohnedem fur ein jedes Erziehungshaus 
ein Militarlehrer angestellt, und es hat mitbin auch jeder Offizier das 
Mittel in der Hand, einverstandlich mit dem Normal-Schullehrer das 
etwaige zu lange Schulsitzen far die Soldatenkinder abkiirzen zu 
machen, uberhaupt denen erklarten Gebrechen die Abbilfe zu ver- 
schaffen. Denen Regiments-Erziehungshausern sind die Mittel bereits 
erneuert beigebracht worden, wie sie ihre Erfordernisse in wohlfeilen 
Preisen uberkonimen mogen; es ist aber auch beim Fach der Oko- 
nomie immer auf den Umstand zuruckzusehen, dass zu viel oder zu 
wenig Essen, die zu geringe Zubereitung der Speisen das Wachstum 
hindert, mithin sowohl vor einem Hang nach Lieblingsgegenstanden, 
vor iibertriebenem Putz, vor doppelter Kleidung, vor besonderer 
Zimmereinrichtung, vor ubermassigem Exerzieren, wozu Gewehr und 
Patrontaschen besonders angeschafit werden, als auch uberhaupt vor 
solchen Ersparnissen sich zu hiiten, die mit Sr. Majestat Gesinnung 
nicht zu vereinbaren sind und denen Knaben die notige Nahrung 
entziehen. Wie denen ^Knaben Ordnung, Respekt fur ihre Vorge- 
setzten einzufldssen und sie an eine allenthalben und besonders im 
Militar notwendige. wohlgeordnete Disziplin zu gewohnen notwendig 
ist, so benimmt ubertriebene Eingezogenheit und Scharfe der Jugend 
die Munterkeit, Prohlichkeit, macht sie klein, niedrig, furchtsam, 
angstlich, schwach, verdirbt neben der Gesundheit den moralischen 
Charakter und veranlasset sie, um denen Strafen zu entgehen, 
tuckisch, lugenhaft, arglistig und boshaft zu werden." Um den Ab- 
sichten des Hofkriegsrates die Folge zu vermitteln, wurden die 
Divisionskommandanten angewiesen, in den Anstalten unvorhergesehene 



>) Kriegs-Archiv: Fasz. IX, Nr. 170. 

Honamenta Uermaniae Paedagoglca XV. 7 



Digitized by Google 



98 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Visitationen vorzunehmen und fiber den Ausfall derselben dera Hof- 
kriegsrate Bericht zu erstatten. 

Der Zustand der Erziehungshauser blieb trotzdem wenig be- 
friedigend. Es beweist dies ein Urteil des FZM. Alvinzi. Er be- 
zeichnete als die Ursachen, welche „auf die natfirliche Entwickelung 
der physischen Krafte der Zoglinge den nachteiligsten Einfluss 
haben", „die zu friihzeitige Aufnahme der Knaben in die Militar- 
Erziehung, den damit verbundenen moralischen Zwang, anstrengende 
Beschaftigung und Entziehung des Schlafes". 1 ) Wir haben gesehen, 
dass eins der tTbel ein notwendiges war. Urn die Kinder vor 
ganzlicher Verwabrlosung zu retten, musste die Moglichkeit so fruh- 
zeitigen Eintrittes geboten werden. 

XIII. Artillerie-Schulen. 
1. Bis zur Errichtung des Bombardierkorps (1786). 2 ) 

Nachdem seit 1661 standige Artillerietruppen an Stelle der auf 
Kriegsdauer geworbenen getreten waren, blieb zunachst einem jeden 
Angehorigcn der Waffe uberlassen, ob, wie und wo er sich fur seinen 
Beruf wissenschaftlich aus- und fortbilden wollte. Dass es vielfach 
geschah, beweist die grosse Menge von Artilleristen, von denen 
bekannt ist, dass sie sich mit wissenschaftlichen Gegenstanden be- 
schaftigt haben. Die erste uns bekannte Anregung zum Erwerbe 
wissenschaftlicher Kenntnisse enthalt ein 1724 gegebener Befehl 
des FZM. Graf Wirich Philipp Daun, welcher von 1723 bis zu 
seinem 1741 erfolgten Tode an der Spitze der Artillerie stand und 
zugleich die Oberaufsicht fiber die Ingenieur-Schule ffihrte, „denen 
Stuckjunkern und Oberstuckjunkern das Notigste aus der Lehre von 
den Kegelschnitten beizubringen". 

Der Begrunder wissenschaftlichen Unterrichts ward der um die 
Waffe in jeder Eichtung hochverdiente General-Artillerie-Direktor 
Furst Wenzel Liechtenstein. 3 ) Sobald er 1744 das Kommando 



*) Kriegs-Archiv: Fasz. IX, Nr. 125. Vortrag vom 8. Oktober 1802. 

■) Geschichte der osterreichischen Artillerie von Hptm. A. Dollereczek, 
Wien, 1887. — Archiv fur die Offiziere des kgl. Preussischen Artillerie- und 
Ingenieur-Korpe, 61. bis 68. Band, Berlin 1867—68: „Zur Geschichte der oster- 
reichischen Artillerie" etc. von A. Dittrich, einem Zoglinge des Bombardierkorps. 

•) Geboren zu Prag am 10. August 1696, gestorben zu Wien am 10. Fe- 
bruar 1772 (v. Falke, Geschichte des Hauses Liechtenstein, 3 Bande, Wien 
1868 - 83). 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



99 



ubernommen hatte, wandte er diesem seine Aufmerksamkeit zu. 
Namentlich bei Chotusitz (17. Mai 1742) hatte er erkannt, class die 
preussische Artillerie der osterreiehischen tiberlegen war; erfolgreich 
setzte er nun seine ganze Kraft daran, die letztere der ersteren 
mindestens ebenburtig zu machen. Wo die Mittel, welche der Staat 
ihm zur Verfugung stellte, nicht reichten, trat er vielfach mit seinem 
eigenen Vermogen ein. Nachdem er 1746 Erbe des Majorates seines 
Vaters geworden war, setzte ihn dieses zu grossartigen Aufwendungen 
in den Stand. Es kam ihm zu statten, dass die Artillerie ihren 
Mannschaftsbedarf teils durch ausgebildete Soldaten, teils durch 
Leute von hoberem Bildungsgrade, als sonst dem Heere zuwuchsen, 
deckte und dass die Offiziere samtlich aus der Truppe selbst her- 
vorgingen. In den von ihm errichteten Schulen sollten „die Offiziere 
sowohl als die mit vorzuglichen Eigenschaften begabten Unteroffiziere 
und Kanoniere, in denen einem Artillerie -Offizier ohnentbehrlichen 
Wissenschaften unterrichtet werden". 

Im Dorfe Bergstadl bei Budweis errichtete er eine Korps- 
sehule, zu deren Besuche tahige Stuckjunker und Altfeuerwerker 
(Offiziere), sowie solche Unteroffiziere befehligt wurden, welche zu 
Offizieren ausgebildet werden sollten. Mit fteigebiger Hand sorgte 
er fur ausgezeichnete Lehrkrafte und Lehnnittel. Zu letzteren steuerte 
ein am Orte befindliches Artilleriedepot bei. Gelegenheit zu prak- 
tiseher Schulung gab ferner ein alljahrlich bezogenes, nach der nahe 
gelegenen Stadt Moldauthein genanntes tTbungslager. Der Haupt- 
wert ward dem Unterrichte in einer Grnppe von Gegenstanden bei- 
gelegt, welche mit dem Sammelnamen „h5here Artillerielehre" bezeichnet 
wurden. Ihr Inhalt war Geheimnis. Sie wurde nur Offizieren und 
Offiziersanwartern gelehrt, denen das Reglement vom Jahre 1757 
die Mitteilung an Unberufene durch Abgabe des „verbum nobile" 
verbot. Den Mannschaften wurde nur gelehrt, was sie fur ihren 
Dienst gebrauchten, die Unteroffiziere erhielten eine etwas hohere, 
namentlich mathematische Ausbildung. Gegenstande desUnter- 
richts der Korpsschule waren 1758: 

Artillerielehre: Kaliberstabe , Zeiehnen und Abtragen der 
Rohre und Laffetten, Untersuchen der Stucke und der Munition, 
Bedienung aller Arten von Geschiitzen, Trieb (Flugbahntheorie) der 
Kugeln und Bomben etc., Beschreibung der Laborierarbeiten. 

Mathematik: Arithmetik, Algebra, Geometrie, Trigonometrie, 
Kegelschnittslinien, allgemeine Mechanik, die optischen Grunde und 
Perepektive, physikalische Experimente. 

7* 



Digitized by Google 



100 Geschichte des Militar-Erziehunga- und -Bildungswesens etc. 



Kriegsbaukunst: Reisigarbeiten , Batteriebau, Minieren, Ar- 
mierungsarbeiten, Erbaaen von Pulvermagazinen. 

Fortifikation und praktische Messkunst, welche letztere 
meist in der Aufhahme von Festungswerken und dem mit Vorliebe 
und sehr peinlich gepflegten Situationszeichnen bestand. 

Al8 1753 die Artillerie in Brigaden gegliedert ward, wurden 
Brigadeschulen errichtet, in denen die in den Kompagnieschulen 
durch Fleiss und Anlagen hervorgetretenen Mannschaften und Unter- 
offiziere wissenschaftlich weiter gefordert wurden. Sie sind die Vor- 
laufer der heutigen Unteroffizier-Bildungsschulen. 

An die Stelle der Korpsschule trat 1778 ein zu Wien errichtetes 
Artillerie-Lyceum, eine Anstalt, deren Schuler gemeinsam wohnten 
und in Artillerielehre, Mathematik, Linear- und Situationszeichnen, Be- 
festigungskunst, Geographie, Geschichte, Naturgeschichte , lateinischer 
und franzosischer Sprache, Fechten und Reiten unterrichtet wurden. 
Daneben war ihnen gestattet, Vortrage an der Universitat zu horen. 
Das Lyceum ward allmahlich auf vier Klassen gebracht und bei 
der 1786 erfolgten Errichtung des Bombard ierkorps unter die Auf- 
sicht des Kommandanten des letzteren gestellt. Hier hiess es bald 
„Bombardierkorps-Schule". 

Diese Einrichtungen litten unter dem tTbelstande, dass sie bei 
Ausbruch eines Krieges aufgeldst werden mussten, und standen ausser- 
dem nicht auf der Hone der Zeit. Andere Staaten hatten das Kaiser- 
reich uberflfigelt. 

In der WafFe empfand man dies und die aus ihr hervorgehenden 
Anregungen hatten schon Kaiser Joseph II. veranlasst, unter dem 
4. Dezember 17 77 durch Vermittelung des Hofkriegsrats-Prasidenten 
Grafen Hadik von dem gewesenen General - Artillerie -Direktor Furst 
Kin sky 1 ) und dem Genie-Korps-Kommandanten FZM. Graf Pelle- 
grini einen Entwurf zur Errichtung einer Artillerie- und Ingenieur- 
schule zu fordern, in welche 50 in den Militar^Akademien und 
sonstigen Schulen erprobte und bewahrte Zoglinge ubertreten sollten. 
Sie sollte fiir das Jngenieurskorps" die einzige, fur das „ Artillerie- und 
Mineurskorps" die hauptsachlichste Quelle des Offizierersatzes sein. 
Der Entwurf 2 ) beschrankte den Unterricht aber nicht auf die Fach- 
wissenschaften, sondern gab anheim auch Taktik und Lagerkunst, 

J ) Franz Kinaky, geW>ren 25. April 1726, gestorben 18. Dezember 1792, 
von 1772 bis 1778 General - Artillerie - Direktor. (Folkmann , die gefurstete 
Linie Kinsky, Prag 1861.) 

s ) Kriegsarchiv 1778. Fasz. LTII. Nr. 156. 



Digitized by Google 



Osterreich- Dugarn. 



101 



Geschichte und Geographie, die Anfange der Weltweisheit, Sitten- 
lehre und das Naturrecht vorzutragen, im Tanzen, Reiten und 
Fechten zu unterweisen. Der Eintritt sollte mit 14 oder 15 Jahren 
erfolgen, die notige Vorbildung in einer Aufnahnieprufung nachge- 
wiesen werden, die Anstalt in vier Klassen zerfallen. 

Der Entwurf ward nicht zur Wirklichkeit ; der Kaiser verfugte 
eigenhandig: „Dieses ist einstweilen zu reponieren." Vermutlich hat 
keine der beiden beteiligten Waffen ihre Sondereinrichtungen opfern 
wollen. Die Ingenieure, von einem gewissen Gelehrtenstolze erfullt und 
aus hoheren Klassen der Gesellschaft hervorgehend als die Artilleristen, 
wunschten nicht sich mit den letzteren zu vermischen ; diese setzten 
einen Stolz darin, dass ein jeder unter ihnen von der Pike auf ge- 
dient und durch tuchtige Leistungen sich der Beforderung zum Offi- 
zier wurdig gemacht hatte. 

Wie die Verhaltnisse waren, hatten beide Teile nicht unrecht. 
Neben der ausseren Lage der Anwarter war auch ihre Vorbildung 
eine zu verschiedene , als dass die Vereinigung gute Erfolge hatte 
erhoffen lassen. 

Die Hartnackigkeit, mit welcher das Hauptzeugamt an dem be- 
stehenden Beforderungsverfahren festhielt, trat hervor, als 1778 der 
Hofkriegsrat durch die Einrichtung von Kadettenstellen eine be- 
sondere Klasse von Offizieranwartern schaffen wollte, indem es dem 
Plane mit der Behauptung entgegentrat, dass in der Artillerie alle 
„ohne Unterschied ihrer Namen und guten Eigenschaften" als Unter- 
Kanoniere zu dienen anfangen mussten und dass „Fahnenkadetten, 
wie bei der Infanterie angestellt werden, darum bei der Artillerie 
nicht wohl schicksam seien". J ) Erst durch einen erneuten Vortrag s ) 
gelang es 1780 dem Hofkriegsrate , die Anstellung von Kadetten 
durchzusetzen und zwar wurden far ein jedes Regiment 8 „Ordinari- 
kadeten" bestimmt, welche zunachst „wie zuwachsende Rekruten 
ausgebildet werden, dann ihrer Verwendung und Fahigkeiten gemass" 
zu Unteroffiziersdiensten gebraucht und endlich zu Offiziers, jedoch 
„ohne Vorrang vor den verdienstlichen Bombardiers, nach Gutbe- 
finden des Herrn General- Artillerie -Direktors , einstmals zu be- 
fordern sind." Schon vorher, durch Erlass vom 20. April 1779, 
hatte der Kaiser befohlen: „Bei denen drei Artillerie-Regimentern 
hat die Lehre der Mathematik und die Zeichnungs-Schule in 



») Kriega-Archiv 1778, Fasz. Ill, Nr. 15. 
») Ebenda Nr. 17. 



Digitized by Google 



102 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



denen Hauptorten Prag, Olmutz und Wien, aber nur far solehe 
Lehrlinge: Bombardiers und far die allergeschicktesten Subjekten 
fortzudauern, welche zu Offiziers einesmals die beste Hofmung geben". 1 ) 
Daneben ward vorgeschrieben , den Unterricht in der Feuerwerks- 
meisterei noch weiters embsig fortzusetzen". 

Im Jahre 1786 fuhrten die Verhandlungen uber die Errichtung 
einer hoheren Lehranstalt endlich zum Ziele. Es war 

2. Das Bombardierkorps (1786—1865). 

Der nach Kinskys 1778 erfolgtem Rfloktritt zum General- Artillerie- 
Direktor ernannte Graf Josef Colloredo 8 ) hatte die Errichtung 
lebhaft befiirwortet. In einer Note vom 21. Januar 1786 unter- 
breitete er an Allerhochster Stelle seine Vorschlage. Es sollten die 
bei den Regimentern eingeteilten Ober- und Unter-Feuerwerker und 
Bombardiere nebst den erforderlichen Offizieren in Wien zu einem 
Korps zusammengezogen und „in alien jenen Wissenschaften, so auf 
die Artillerie von Einfluss und unentbehrlich sind" unterrichtet 
werden. Es sei aber keineswegs die Absicht, „uber diese verschiedenen 
Wissenschaften etwa nur blosse Vorlesungen zu halten und solcher- 
gestalt ein Spielwerk daraus zu machen, und dem Zufall es zu uber- 
lassen, ob ein oder anderes Subjekt jemals eine nutzliche und ver- 
nunftige Anwendung davon zu machen wfisste ; sondern das Be- 
streben solle hauptsachlich dahin gehen, alle vorgetragenen und 
erlernten Grflnde stets in der Ausiibung des Dienstes anzuwenden, 
um auf diese Art in dem Korps eine hinlangliche Anzahl solcber 
Subjekte zu erzielen, welche uber jeden vorkommenden Gegenstand 
mit Grund und Verlasslichkeit zu urteilen und bei jeder Aus- 
iibung mit Richtigkeit, Akkuratesse und Fertigkeit vorzugehen im 
stande sind und uberhaupt in den wichtigsten Angelegenheiten auf 
alle Falle ohne Umstand zum Nutzen des Dienstes verwendet werden 
konnen". 

Es wurde also in den Grundzugen der Einrichtung den beiden 
Forderungen Rechnung getragen , auf deren Frfullung die Waffe den 
grossten Wert legte : auf das Hervorgehen der Schuler aus Reih und 
Glied und auf eine Ausbildung, welche deren praktisohe Verwend- 
barkeit gewahrleiste. 



») Reichs-Kriegs-Archiv 1779, Fasz. VI, Nr. 252. 

•) Geboren zu Regensburg am 11. September 1736, gestorben zu Wien am 
26. November 1818 (Wurzbach a. a. O., 2. Bd. t Wien 1857). 



Digitized by Google 



6sterreich-Un gam 



103 



Kaiser Josef war einverstanden. In einem Handbillet vom 
4. Februar 1786 sprach er die Erwartang aus, dass die Schule im 
Sommer eroffnet werden konne; am 6. Marz meldete der Hofkriegs- 
rat, dass mit der Herstellung der Unterkunft in dem Artillerie- 
gebaude auf der Laimgrube der Anfang gemacht sei; am 31. d. M. 
berichtete er, es werde „keinem Anlass unterliegen, das Bombardier- 
Korps mit Ende Oktober dieses Jahres grosstenteils zusammenzu- 
ziehen", worauf der Kaiser am 5. April befahl, „dass das Haupt- 
Zeugamt, urn die kunftige Lehre der Artillerie-Wissenschaften fest- 
zustellen, die geschicktesten Subjekten mit dem General Baernkopp 
hierher berufe". Die Artillerieregimenter, welchen dadurch voruber- 
gehend ihre tuchtigsten Krafte entzogen wurden, erhoben Ein- 
wendungen, dieselben wurden aber nicht beachtet, und am 1. No- 
vember 1786 trat das Bombardierkorps mit 4 Kompagnien, zu- 
sammen 740 Kdpfe, thatsachlich ins Leben; 1790 ward eine jede 
Kompagnie urn 23 Bombardiere verstarkt, so dass das Korps 
933 Mann zahlte. Kommandant war bis 1789 der als Verfasser 
mathematischer Lehrbucher mehrfach genannte damalige Oberst-Lt. 
Leopold Unterberger; 1787 kam Vega, der Bearbeiter der be- 
kannten Logarithmentafeln, als Magister Matheseos zum Korps. 

Das Bombardierkorps war zunachst mehr Truppenschule als 
Militar-Bildungsanstalt. Die Grundlage, auf welcher es beruhte, 
verschob sioh aber bald zu gunsten der letzteren Stellung, nament- 
lich durch das Aufgehen des Artillerie- Lyceums in die Korpsschule, 
welche mehr als sechzig Jahre lang die Pflanzstatte der gesamten 
artilleristi8clien BUdung im Heere gewesen ist. Sie hatte wie das 
Lyceum Tier Jahrgange. Wer einzutreten wunschte musste bei einem 
Artillerieregimente Dienste nehmen, als Soldat ausgebildet sein und 
einen Jahrgang der Regimentsschule mit gutem Erfolge durchgemacht 
haben. Dann konnte er zum Bombardierkorps versetzt werden, musste 
hier einen einjahrigen Vorbereitungskurs bestehen und durfte dann 
zur Aumahmeprufung fur die Korpsschule zugelassen werden. 

Die Elementar- und die Regiments-Schulen blieben, als 
das Bombardierkorps errichtet wurde, bestehen. Sie hatten jetzt 
die Anwarter auf Unteroffiziers- und Offiziersstellen fur das Bom- 
bardierkorps vorzubereiten , was der Regel nach in einem ein- 
jahrigen Lehrkurse gesehah. Nicht jeder Unteroffizier machte die 
Schule des Bombardierkorps durch. 



Digitized by Google 



104 Geschichte des Militar-Erriehungs- und -Bildungswcsena etc. 



Bei der Infanterie und der Kavallerie werden Mann- 
schaftsschnlen schwerlich irgendwo bestanden haben; der Ver- 
fasser ist nirgends ihrer Spur begegnet. In Graf Khevenhflllers „Ob- 
servationspunkten", einem fur die innere Verfassung der k. k. 
Reiterregimenter hochst wichtigen Buche, welches dieser „zu Nutz 
und Frommen seines Dragoner-Regimentts im Druck erscheinen liess 
(„Wienn 1739"), ist gesagt, dass der Regimentspater die Soldaten- 
kinder unterrichten solle, von sonstigem wissenschaftlichen Unterrichte 
ist nichts erwahnt. 

XIV. Die Militargrenze. ') 

In der Grenze, dem „Soldatenlande", waren alle Schulen den 
Militarbehorden unterstellt. Die kommandierenden Generale und 
die General-Grenz-Inspektoren wurden die Begrunder eines geordneten 
Unterrichtswesens. Hohere Offiziere standen an der Spitze der Schul- 
kommissionen, eine militarische Richtnng des Lehrganges findet sich 
aber nicht. Obgleich die Bestimmung der gesamten mannlichen 
Jugend der Soldatenstand war, erscheinen Lehrfacher, welche eine 
Vorbildung fur denselben gewahrt hatten, in den Schulprogrammen 
nur ganz vereinzelt, wahrend die zweite Lebensaufgabe , fur welche 
sie erzogen wurde, die Landwirtschaft , reich vertreten ist Das 
Deutsche war, wenn es sich irgend ausruhren liess, die Unterrichts- 
sprache, weil es die Dienstsprache des Heeres war. 

Das erste militarische Lehrfach, welches in dieseni Zeitraume in 
den Schulplanen sich findet, ist die Kriegsbaukunst. 8 ) Auf einer 
zu Belovar 1781 abgehaltenen Schulkonferenz ward beschlossen, 
dass sie an den in alien Stabsorten bestehenden, fur die hoheren 
Schichten der Gesellschaft bestimmten Normal-Hauptschulen 
in der hochsten, der 4. Klasse, jedesmal im Sommerkurse 
vorgetragen werden solle, wahrend im Winter Zivilbaukunst ge- 
lehrt wurde. 

Grossere Beachtung erfuhren die Kriegswissenschaften auf dem 
Gymnasium oder der lateinischen Schule zu Vinko vce, 3 ) einer 
seit 1792 vierklassigen Lehranstalt. Nach dem Lektionsplane for 



') Spezialgeachichte der Militargrenze ron Fr. VaniSek, Wien 1875. 
«) VaniCek a. a. O., II 592. 
») Vanifiek a. a. O., IV 265. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 105 



17 93 wurden dort ausser der lateinischen Sprache Geographie, Weltr 
geschichte, Mathematik, Naturlehre, Logik, Physik, Situations-, 
Kriegs- und Operationszeichnen, Architektur und Kriegswissenschaft 
gelehrt Was unter letzterer Bezeichnung verstanden werden muss, 
ist nicht gesagt. Ein 1790 gefasster Plan, nach dem Vorbilde der 
Akademie zu Wiener-Neustadt ein Grenzerziehungshaus mit 100 Zog- 
lingen zu errichten, gelangte der bald nachher eintretenden kriege- 
rischen Verhaltnisse wegen nicht zur Ausfuhrang. 1 ) 

Mit Ablauf des 18. Jahrhunderts verschwinden die kriegswissen- 
schaftlichen Lehrfacher ganz aus den Schulplanen. 



J ) VaniCek a. a O., IV, 272 



Digitized by Google 



Dritter Zeitraum. 



Vom Beginne der umgestaltenden Thatigkeit des Erz- 
herzogs Karl bis zu den infolge der Ereignisse von 1848 
und 1849 erfolgten Anderungen, 1805 — 1850. 

L Die Militar-Akademie zu Wiener -Neustadt. 

1805 bis 1826. 

Nach Kinskys Tode warden von neuem ein Ober- und ein 
Lokaldirektor bestellt. Jener war der Erzherzog Johann, 
dieser der Ob. von Faber 1 ) vom Infanterie- Regiment Hoch- und 
Deutschmeister; Fleischer trat in den Ruhestand. Die geplanten 
Anderungen blieben der Eriegsereignisse wegen zunachst unaus- 
gefuhrt. Am 5. November 1805 kam der Befehl, ausser den ord- 
nungsmassig austretenden 38 Fahnrichen und 5 Kadetten alle ge- 
eigneten Zoglinge zum Eintritte in das Heer zu bestimmen. Es 
wurden 34 als Offiziere, 31 als ordinare, 12 als Privatkadetten aus- 
gemustert; 12, welche korperlich tucbtig waren, aber nicht hinlang- 
liche Kenntnisse hatten, wurden nach Mahren, spater nach TTngarn 
in Sicherheit gebracht; die ubrigen blieben in Neustadt, wo die fran- 
zosischen Truppen die Wirksamkeit der Anstalt nicht storten. 

Im Januar 1806 wurden die Verhandlungen wieder aufgenom- 
men. Ihr Ergebnis war die vom Erzherzog Johann am 20. Oktober 
1806 veroffentlichte 

Verfassung vom Jahre 1806. 8 ) 

Ihr Inhalt entsprach im wesentlichen den Antragen der Kom- 
mission vom Jahre 1805. Die Zahl der Stiftlinge blieb unver- 
andert; es waren 304 Offizierssohne , 96 standische, 20 Galizianer; 
Frequentanten und Famularknaben gab es nicht mehr ; letztere 



*) PhUipp Faber von Ehrenbreitetein (Leitner a. a. O., S. 308). 
») Abgedruckt bei Leitner a. a. O., S. 311. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



107 



wurden Regimentern fiberwiesen; an Stelle der ersteren traten Pen- 
sion are, welche ein Kostgeld zahlten und den StifUingen in allem 
gleich gehalten wurden, nur erhielten sie keine Ausmusterungsgebuhren. 
Die Aufnahme erfolgte im Alter von 10 bis 12 Jahren; die An- 
warter mussten durch Schulzeugnisse den Besitz derjenigen Kennt- 
nisse im Lesen, Schon- und Rechtschreiben, in der deutschen Sprache 
and der Religion nacbweisen, welche sie sonst bis zu diesem Alter 
in der Akademie erlangt hatten. Die Aufnahme sollte fur niemand 
nachgesucht werden, „der nicht fiber alle diese Gegenstande vermoge 
seiner Zeugnisse die erste Klasse erhalten hat". 

Der Eintritt erfolgte zwischen dem 15. Oktober und 3. No- 
vember. Das Ergebnis des Besuches der 4. Klasse sollte ent- 
scheiden, ob die Zoglinge in der Anstalt zu behalten oder auszu- 
scheiden seien. Im letzteren Falle wurden sie ihren Angehorigen 
zuriickgegeben oder „als minder besoldete Beamte" untergebracht. — 
Fur den Unterricht bestanden 8 Klassen (Jahrgange); militarisch 
war die Anstalt in 2 Divisionen zu 2 Kompagnien gegliedert. 

Unterrichtsgegenstande waren : Religion, Deutsch, Lateinisch, 
Franzosisch, Polnisch, TJngarisch, Brief- und Geschaftsstil, Geschichte 
und Geographic, Logik, Moral, Natur-, Staats- und Volkerrecht, 
Statistik, Kriegsgesetze , reine und angewandte Mathematik, Physik, 
Artillerie- und Befestigungskunst, Situations- und Freihandzeichnen, 
Mappieren, Dienstunterricht, Taktik, Kastrametation und Vorbegriffe 
der Strategic, Tanzen, Fechten, Reiten, Voltigieren, Schwimmen. 

Als die italienischen Provinzen wieder gewonnen waren, ward 
1816 die italienische Sprache von neuem Unterrichtsgegenstand 
fur die 7. und 8. Klasse; 1824 trat an Stelle der polnischen die 
boh'mische. Anlass zu der letzteren Anordnung gaben der Mangel 
eines geeigneten Lehrers und die geringen Leistungen im Polnischen, 
an denen die Schwierigkeit der Aussprache und die dadurch verur- 
sachte Unlust der Schuler schuld sein sollten. 

Die Ausmusterung der 8. Klasse erfolgte auf einmal, spatestens 
Ende August. Die vier Besten kamen als Unterlieutenants zur In- 
fanterie oder, wenn sie die Ausrustung bestreiten konnten, zur Ka- 
vallerie ; die guten traten als Fahnriche , die mittelmassigen als 
ordinare Kadetten aus. Ganz Verdorbene sollten zu jeder Zeit ihren 
Angehorigen zuriickgegeben oder, wenn dies nicht anging, als Spiel- 
leute Regimentern uberwiesen werden. 

Die Kost bestand mittags aus Suppe und drei Speisen, abends 
aus Suppe und einer ausgiebigen warmen Speise; statt des Weines 



Digitized by Google 



108 



Geschichte des Militar - Eraiehungs- und -Bildungawesens etc. 



ward Weingeld gegeben. Die Offiziere und die GeistHchen erhielten 
das Essen der Kadetten, die Geistlichen jedoch abends zwei Speisen. 
Den Offizieren stand frei, Kostgeld zu nehmen; die Geistlichen mussten, 
wenn sie Piaristen waren und daher im Hause wohnten, dort speisen, 
damit sie sich der klosterlichen Zucht nicht entwohnten. 

Die Offiziere der Akademie sollten „ganz vorzuglich geschickt 
und rechtschaffen" sein und neben hoherem Gehalte, freier Unter- 
kunft und Verpflegung, Beforderungs-und Yersorgungsvorteile geniessen. 
Die Vorteile waren erheblich. Die Offiziere behielten den Anspruch 
auf Beforderung in ihren Regimentern und durften weder im Frieden 
noch im Kriege ubergangen werden. Die Regimenter fuhrten sie 
als uberzahlig und liessen sie bis zum wirklichen Hauptmann in 
ihrem Range mit vorrucken. Wer zur Inspektion oder zum Lehr- 
amte berufen war, ruckte vom Fahnrich bis einschliesslich Kapitan- 
Lieutenant, wenn ihn nicht vorher die Reihe zur Beforderung im 
Regimente traf, nach je 6 Jahren urn einen Grad vor; ward er schon 
vorher befordert, so begann die 6jahrige Frist, nach deren Ablauf er An- 
spruch auf abermaligesYorrucken hatte, von neuem. Bei jeder Beforderung 
ausser der Reihe wurde der Betreffende zu einem anderen Regimente 
versetzt. Der Abgang von der Akademie sollte nur am Schlusse des 
Schuljahre8 geschehen, wenn nicht ein geeigneter Ersatz vorhanden war. 
Die Ernennung zum Major blieb kaiserlichemErmessen vorbehalten. Bei 
Besetzung der Stellen als Militar- Professoren sollte nicht auf eine 
fixierte Charge, sondern nur auf die Befahigung gesehen werden. 
Jeder Stabs- und Oberoffizier, welcher im Kadettenhause lange und 
gut gedient hatte, erhielt im Falle der Invaliditat einen hoheren 
Rang nebst der entsprechenden Pension; Ober- und Unterlieute- 
nants, welche mit besonderem Vorzuge gedient hatten, erhielten 
Hauptmannscharakter und 400 bezw. 300 Gulden jahrlich. Zu 
Inspektions-Feldwebels sollten gediente , gut gebildete, ver- 
lassliche, zu Oberoffizieren geeignete Leute genommen werden; 
sie empfingen monatlich 18 Gulden Gage und traten nach 6jahriger 
guter Dienstleistung zu Regimentern fiber oder verblieben als In- 
spektionsoffiziere im Hause. 

Zivillehrer erhielten nach 8jahriger guter Dienstleistung Zu- 
lagen von je 100, Meister von 50 Gulden; diese Betrage kamen bei 
der Pensionierung in Anrechnung. Auch alien ubrigen H aus par- 
te i en wurden Yersorgungsanspruche zugestanden. 

Die gesamte Verwaltung fuhrte der IJnter-, die Oberaufsicht 
der Oberdirektor; die Haus- und Tiergarten-Wirtschaft, von einem 



Digitized by Google 



Osterreich- U ngarn . 



109 



Kontrolor fiberwacht, ein Wirtschaftsverwalter; fiber beiden stand 
der Unterdirektor. Die Kasse war unter dreifacbe Sperre eiues 
Stabsoffiziers, des Verwalters und des Kontrolors gestellt. Ausgaben 
fiber 100 Gulden bedurften der Genehmigung der Oberdirektion. 
Am 1. November, dem Anfangstage des Rechnungsjahres , wurden 
die Ausweise fiber Einnahmen und Ausgaben der Hofkriegsbuch- 
haltung eingereicht 

Der Personenstand, abgesehen von den Zdglingen, war: 

1 Oberst, 1 Oberst-Lieutenant, 2 Majors, denen die Divisionen unter- 
stellt waren, I Hauptmann-Auditor , 1 Fahnrich- Adjutant, 1 Profoss; 

2 Kapitan-, 2 Ober-, 2 Unter-Lieutenants ffir die beiden Eompagnien 
der 1., 2 Ober-, 4 Unter-Lieutenants fur die der 2. Division; 20 In- 
spektions-Feldwebel (seit 1811 nur 16; an Stelle der ausscheidenden 
traten 4 Ffihrer, denen der Wachdienst am Hauptthore oblag), 4 Spiel- 
leute ; 1 Major, 2 Hauptleute, 2 Ober-Lieutenants als Lebrer; 1 Superior, 
2 Kaplane und Religionslehrer, 3 Lehrer der deutschen und lateini- 
schen Sprache, 4 fur Polnisch, Ungarisch, Geschichte und Geographie, 
Logik und Moral als geistliche Professoren; 2 franzosische Sprach-, 
2 Zeichenlehrer, 2 Schreib-, 2 Tanz-, 2 Fecht-, 1 Schwimmmeister; 

1 Medikus, 1 graduierter Oberarzt, 1 Ober-Krankenwarter, 5 Kranken- 
warter; 1 Ober-, 1 Unterbereiter, 1 Wachtmeister, 1 Schmied, 1 Kor- 
poral, 12 Dragoner; 1 Wirtschaftsverwalter, 1 Kontrolor, 1 Ober- 
furier, 2Furiere; 1 Kanzleidiener; 1 Oberjager, 1 Gartner, 1 Maier, 
16 Maierknechte ; 1 Portier, 40 Livreebediente, 1 Oberhausknecht, 

2 Lampenfuller , 6 Sauberungsweiber, 1 Tischler, 2 Turmwachter, 

1 Feuermaurer, 1 Kaminfeger, I Brunnenknecht, 1 Organist, 1 Kirchen- 
diener. Ferner: 25 Schul-, 4 Wirtschaftspferde, 30 Zugochsen, 

2 Esel. — Einen ausrahrlichen Nachweis fiber die Gebuhren giebt 
Leitner (a. a. O., S. 319). 



Der neue Dienstbetrieb begann am 3. November 1806. Der 
Unterricht ward zunachst nach einem vorlaufigen Studienplane er- 
teilt, doch kam auch dieser nicht sofort voll zur Anwendung, weil 
die Zdglinge der 8. Elasse zu jung waren, um in das Heer treten 
zu konnen, und daher noch in der Anstalt verbleiben mussten. Es 
war dies eine Folge der 1805 stattgehabten vorzeitigen Aus- 
musterung, wegen deren 1806 gar keine, 1807 und 1808 nur 
wenige Zdglinge entlassen waren. Als dann 1808/9 der endgfiltig 
festgestellte Studienplan in Wirksamkeit getreten war, veranlasste 
der Krieg schon wieder eine vorzeitige Ausmusterung. Am 12. April 



Digitized by Google 



110 Geschichte dea Militiir-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



1809 wurden 89 Kadetten, die 8. Klasse und die 7. bis auf 3 Zdg- 
linge, in das Heer eingereiht. Die Akademie blieb wie 1805 bei 
ihrer Arbeit; eine franzosische Sauvegarde schutzte sie vor Be- 
lastigungen. 

In Gemassheit der Friedensbedingungen aber mussten die Zoglinge 
aus den abgetretenen Provinzen entlassen werden und die Geldnot 
des Staates notigte zu Ersparnissen auf alien Gebieten. Die Akademie 
musste ihr Kirchensilber bis auf wenige Prankstucke der Regierung 
abliefern; die Reitschule, welche eingegangen war, wurde, da die 
beiden hochsten Klassen nicht vorhanden waren, erst 1811 wieder 
eroffnet, und die Kadetten erhielten mit Rucksicht auf den Preis 
des Fleisches, da ein Pfund Fleisch 42 Kreuzer kostete, zweimal 
wSchentlich Fastenspeise , eine Zeitlang auch mittags ausser der 
Suppe nur zwei Speisen. 

Trotzdem reichte die Dotation nicht aus. Urn die Ausgaben 
bestreiten zu konnen, ward am 29. Jdarz 1810 befohlen, dass in Zu- 
kunft das Kostgeld durch den Staat, die Stande und die Angehorigen 
in einer dem Bedurfnisse entsprechenden Hdhe gezahlt werden solle. 

Fabers Ansichten wichen von denen seines Vorgangers Kin sky 
mannigfach ab. Sie sind in einer bei Leitner (a. a. 0., S. 332) ab- 
gedruckten „Instruktion" ausgesprochen. Er legte mehr Wert auf 
wissenschaftliche Bildung als jener, wollte aber keine Vielwisser 
haben , sondern selbstandige , grfindliche Denker. Darunter litt 
namentlich der Sprachunterricht ; schon 1811 befahl der Kaiser, 
diesen mehr zu pflegen. Auf alien Gebieten wohl bewandert, be- 
suchte Faber vielfach den Unterricht, griff in den Gang desselben ein 
und regte durch sein Beispiel zu Fleiss und Eifer an. Von der 
Ansicht ausgehend, dass nicht jeder alles lernen konne, begunstigte 
er das Streben des einzelnen, sich in einem besonderen Fache her- 
vorzuthun, wogegen dieser freilich oft die anderen Ternachlassigte. 

Er teilte die Zeit des Anfenthalts in der Akademie in 
drei Perioden. Der 1. gehorten die 1. bis 3. Klasse (10 bis 14 Jahre) 
an, welche durch die geistlichen Lehrer in den fiir die Grammatikal- 
klassen der bflrgerlichen Schulen vorgeschriebenen Lehrfachern unter- 
richtet wurden. Sie waren nicht nur von den hdheren, sondern auch 
unter sich strong gesondert, sogar beim Gottesdienste und beim 
Mittagessen, welche zu verschiedener Zeit stattfanden. Sie wurden 
mehr vaterlich als mit militarischer Strenge behandelt. — Die 2. Peri ode 
umfasste die 4. bis 6. Klasse (vom 14. bis zum 17. Jahre). Faber 
meinte, dass diese hauptsachlich in der Aussenwelt lebten und wenig 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



Ill 



geeignet seien, auf das zu achten, was in ihrem Inneren vorgehe ; des- 
halb mu8se durch aussere Gegenstande auf ihr Gemut eingewirkt 
werden. Das schwierigste , aber auch wichtigste Alter sei das der 
7. Klasse, in welchem fiber das Verbleiben in der Akademie ent- 
schieden ward. Die Klasse nahm eine Blittelstellung ein. Wenn sie 
auch zur unteren Division gehdrte und mehr vaterlich als militarisch 
behandelt werden sollte, so waren doch Stundeneinteilung und Tages- 
ordnung die der hoheren Division; von jener war sie ganz getrennt, 
an diese noch nicht angeschlossen. Sie unterlag besonders sorgsamer 
Aufsicht. — Die 3. Periode begriff die 7. und 8. Klasse, welche 
lediglich unter militarischer Zuoht standen und die Liebe, Zuneigung 
und Freundschaft ihrer Vorgesetzten erst erwerben sollten. Sie durften, 
wahrend die ubrigen Kadetten nur einmal zur Fascbingszeit in das 
Theater kamen, in kleinen Abteilungen und in Begleitung eines Offi- 
ziers Theater, Balle und Redouten besuchen und standen nicht mehr 
unter den Inspektions-Feldwebeln, sondern nur unter den Kompagnie- 
Offizieren, welche in taglichem Wechsel einer von ihnen im In- 
spektionsdienste unterstutzte. 

Die Ober aufsicht im Hause fuhrten die drei, zugleich als 
Professoren der mathematischen und militarischen Facher thatigen 
Stabsoffiziere, ebenfalls taglich wechselnd. Ferner versahen in jedem 
der zwei Stockwerke, in deren jedem vier Lehr- und vier Schlafsale 
far vier Klassen sich befanden, ein Hauptmann und zwei Subaltern- 
offiziere vom Aufstehen bis zum Schlafengehen die Divisions- und 
die Kompagnie-Inspektion; in jedem Lehrsaale fuhrte ein Feldwebel 
die Aufsicht. Nachts wurden die Kadetten durch die auf den Schlaf- 
salen mit ihnen zusammenschlafenden Feldwebel uberwacht. Wenn 
Kadetten sich gesammelt irgend wohin begaben, wurden sie durch 
das gesamte betreffende Aufsichtspersonal , einzelne wurden durch 
Bediente begleitet. 

Zur Faschingsbelustigung erhielten die Zoglinge eine Jause 
mit Wein und durften sich abends klassenweise mit Leibesubungen, 
Musikauffuhrungen, Tanzen etc. unterhalten. 

Die Kost bestand mittags aus vier, abends aus zwei Speisen; 
an hohen Festtagen durften die Kadetten sich mittags Wein holen 
lassen. Fruhstuck und Jause bestanden aus einem Stuck Brot, zu 
letzterem kam mitunter Obst aus dem Tiergarten. Auch war erlaubt, 
solches vom Rekreationsgelde zu kaufen. 

Die Uniform blieb lichtmohrengrau mit dunkelroter Egalisierung. 
Zur TJnterscheidung dienten die „Korapagniezeichen" : eine gelbseidene 



Digitized by Google 



112 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Rildungswesens etc. 



Borte auf jeder Kragenseite bei der 4., zwei bei der 3., eine goldene Borte 
bei der 2., zwei bei der 1. Kompagnie. Statt der Haushelme wurden 
tscbakoartig geformte graue Eappen getragen, nach Abschaifung der 
Helme bei der Infanterie (1808) waren sie die alleinige Kopfbedeekung. 

Auf Leibesubungen und Spiele wurde nicht mehr der Mhere 
Wert gelegt. Die Verwendung der Erholungsstunden war mehr dem 
Belieben des einzelnen uberlassen, dadurch ging der Einfluss ver- 
loren, welchen die Spiele als Bildungsmittel geubt hatten. 

Eine auf Fabers Anordnungen beruhende Tageseinteilung aus 
dem Sommer 1813 ist bei Leitner (a. a. 0., Tabelle zu S. 336) 
abgedruckt. Es wurde um 5 Uhr aufgestanden und urn 9 Uhr 
schlafen gegangen. Der Unterricht einschliesslich Repetition dauerte 
fur die 1. bis 3. Klasse von 7 1 /* bis lOYa, von 1 bis 4Vi und von 5 1 /* 
bis 6V>, fur die anderen von 6*/« bis 12, von 2 bis 5 und von 5 1 /* 
bis 7 1 /*, jene assen um 11 zu Mittag, um 7 zu Abend, diese um 
12, bezw. 8. Lehrstunden waren fur die 1. Klasse Deutsch und La- 
teiniscb 12, Religion 2, biblische Geschichte 1, Geschichte 4, Schrei- 
ben 5, Handzeichnen 4V», Tanzen 3; fur die 2. Deutsch und Lateinisch 
12, Religion 2, biblische Geschichte 3, Naturgeschichte 2 l /t, Schrei- 
ben 7, Handzeichnen 2Vs, Tanzen 2; fur die 3. Deutsch und Lateinisch 
12, Religion 1, Geschichte 3, Naturgeschichte 3, Arithmetik 2, Schrei- 
ben 4>/t, Handzeichnen 5 '/a, Tanzen 2*/i; rur die 4. Lateinisch 2, 
Religion 2, Mathematik 10, Geschichte und Geographic 6, Poesie 
und Rhetorik 4 1 /*, Polnisch 3, Franzosisch 2, Situationszeichnen 6 l /«, 
Handzeichnen 1, Schreiben 1, Exerzieren 2, Fechten l 1 /*, Tanzen 1; 
in der 5. Religion 1 V*, Mathematik 10, Geschichte und Geographie 4, 
Poesie und Rhetorik 2, Logik 3, Franzosisch 4, Polnisch 3, Kom- 
pagniedienst 2, Abrichtungsreglement 2, Handzeichnen 1, Linear- 
zeichnen 1, Schreiben l 1 /*, Exerzieren 2, Tanzen l 1 /*; in der 6. Reli- 
gion 2, Moral 1, Mathematik 10, Geschichte und Geographie 6*/i, 
Logik 2, Natur- und Volkerrecht 2, Franzosisch 6, Polnisch 3, Taktik 
und Exerzierreglement 4, Geschaftsstil 2, Situationszeichnen 4, 
Kdrper- und Perspektivezeichnen l 1 /*, Handzeichnen 1, Schreiben l 1 /*, 
Exerzieren 2, Fechten 1% Tanzen 1; in der 7. Religion 2, Geschichte 
und Geographie l l /i, Statistik 2Va, FranzSsisch 5, Ungarisch 5, Ein- 
leitung in die Kriegskunst 6, Geschichte der Kriegskunst 1V», Ar- 
tillerie und Befestigung 7, Dienstreglement lVt, Infanterie -Dienst- 
reglement 2, Geschaftsstil 5, Tabellieren 2, Situationszeichnen 2, 
Reiten und Kavalleriedienst 3, Exerzieren 2, Fechten l 1 /*, Tanzen 1; 
in der 8. Religion 2, Geschichte und Geographie 3, Statistik 4, Fran- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungwu. 



113 



zosisch 2, Cngarisch 4*/i, Kriegskunst 10, Geschichte der Kriegskunst 5, 
Hauptfortifikation 6, Zeichnung zur hoheren Taktik 2, Zivil-Bau- 
kunst 4, Situationszeichnen 2, Reiten 5, Exerzieren 2, Fechten 
lVt Stunden wSchentlich. Auch Sonntags fand, namentlich fur die 
4. bis 8. Klasse, vielfacher Unterricht statt; der Gottesdienst dauerte 
fflr sie 17s, fur die 1. bis 3 1 /*, an Wochentagen fur alle V« Stunde. 

Die Beschrankung des Unterrichts auf die Theorie unter Be- 
seitiguug der praktischen Ausbildung, wie die Kommission beantragt 
hatte , fand nicht statt. Es wurden vielmehr regelmassig mili- 
tarische CTbungen betrieben und alljahrlich auf den Feldern bei 
Neudorfel grossere Exerzitien und das Scheibenschiessen mit dem 
Geschiitze vorgenommen, wozu samtliche Zoglinge ausruckten. Die 
Zoglinge der oberen Division und der hochsten Klasse der unteren 
waren mit Bajonnetflinten , Sabeln und Patrontaschen ausge- 
rflstet. Der oben erwahnte Stundenplan vom Sommer 1813 lasst 
nicbt recht erkennen, woher die Zeit genommen ist, welche die Vor- 
bildung dazu in Anspruch genommen haben muss. Fur die kleineren 
diente die Anordnung zum Vergnugen, die grosseren verbanden damit 
eine praktische Schule im Feld- und Lagerdienste, die 7. Klasse be- 
diente das Geschutz. Auch im Schanzenbau und im Verfabren beim 
Angriff von Befestigungen wurde unterrichtet , es befand sich zu 
diesem Zwecke wahrend der Sommermonate ein Sappeurdetacbement 
in Neustadt. Die 5. Klasse lernte das Aufnehmen auf dem Felde 
im Tiergarten, die 8. das militarische Aufnehmen und das Detailieren; 
sie wurde dazu den Monat Mai hindurch auf dem Lande einquartiert. 

Nachdem im Jahre 1819 verordnet war, dass kein auf den 
Gymnasien etc. in irgend einem Gegenstande als mittelmassig 
Klassifizierter in eine hohere Klasse aufrucken durfe, ward am 
24. September d. J. befohlen, dass Kadetten in gleicher Lage der 
Oberdirektion angezeigt und, wenn sie nicht im nachsten Halbjahre 
statt der 2. Klasse „mittelmassig„ das Zeugnis der 1. „gut" erhielten, 
entfernt werden sollten. Es gab ausserdem noch die 3. Klassifi- 
kation „schlecht" und eine fiber der 1. stehende, „eminens" („Em."). 

Der im Oktober stattfindenden Ausmusterung ging eine strenge 
Priifung voran. Die Entlassenen erhielten eine doppelte Uniform, 
einen Koffer , Bettzeug , Wasche etc. , ein Austrittsdouceur und 
50 Gulden zur Feldausrustung; letztere Summe blieb im Gewahrsam 
der Anstalt. Ausserdem wurden ihnen die Kosten der Reise zum 
Regiment mittels Vorspanns und 20 Kreuzer fur die Meile an 
Diaten vergutet. 

Monuments Oermaniae Paedagogica XV. 8 



Digitized by Google 



114 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



1813 wurde Allerhochstenorts befohlen, dass Zoglinge, welche 
wegen Untauglichkeit oder iibeler Konduite ausgemustert 
waren , nicht friiher zn Offizieren in Vorschlag gebracht werden 
sollten, als bis ihre Mitzoglinge ausgemustert waren; 1814 ward 
auf Antrag der Lokaldirektion genehmigt, dass kein Stiftling vor 
vollendetem Studium zu einem Regimente entlassen werden 
solle und dass Pensionare nur dann Offiziere werden durften, wenn 
die Direktion ihnen ein Zeugnis der Befahigung ausstellte. Der- 
artige Vorschriften waren um so mehr am Platze, als die Regiments- 
inhaber die meisten Offiziersstellen ziemlich wilikiirlich verleihen 
konnten. 

Als Auszeichnung dienten seidene bezw. goldene Quastchen 
auf den Kompagniezeichen (S. 111). Bei den aus der 8. Klasse ge- 
wahlten Unteroffizieren waren die Kompagniezeichen doppelt so breit 
wie bei den Kadetten. In den Horsalen sassen die Schuler in einer 
nach den Fortschritten bestimmten Ordnung; die besten dem Katheder 
am nachsten. Die poenae talionis, welche zu Willkurlichkeiten An- 
lass gegeben hatten, wurden abgeschafft; Lehrern und Inspektions- 
offizieren ward gestattet die Zoglinge in der Klasse oder auf dem 
Spielplatze einige Zeit stehen zu lassen, ihnen Fruhstuek, Jause oder mit- 
tags eine Speise abzuziehen und sie eine Zeitlang einzusperren; Meister 
und Inspektions-Feldwebel mussten ein jedes Vergehen anzeigen. 
Kompagnie- und Di visions- Kommandanten durften zwei, der Stabs- 
offizier drei Speisen abziehen, letzterer durfte auch ganz fasten lassen. 
Fuchtel und Disziplin (S. 67) wurden abgeschafft, die Rute beibe- 
halten. Die Disziplin ward 1814 von neuem eingefuhrt. 

Das Glaubensbekenntnis war in der Verfassung von 1806 
nicht beruhrt. Thatsachlich sollte es das katholische sein. Es er- 
ging daruber am 6. Marz 1810 eine Bestimmung, welche 1814 er- 
neut wurde, und 1820 ward, da wiederholt die Sonne akatholischer 
Eltern, welche in der Anstalt sich zur katholischen Kirche gehalten 
hatten, demnachst zu ihrem alten Glauben zuruckgekehrt waren, be- 
fohlen, dass dieselben formlich ubertreten sollten. Die AngehSrigen 
mussten vor der Aufnahme schriftlich erklaren, dass sie damit ein- 
verstanden seien. 

Von den Stiftsplatzen wurden, weil rait dem Ertrage der 
Stiftungskapitalien die Kostgelder nicht bezahlt werden konnten, 1811 
die karntnerischen auf 4, 1823 die mahrischen auf 9 herabgesetzt, 
der ersteren gab es 1814 wieder 6. 1817 kamen fur das lombardisch- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



115 



venetianische Konigreich 20, 1819 far Dalmatien 3, 1823 fur das 
Kiistenland 2 Ararialplatze hinzu. 

Da die 1786 eingefahrte Vormerkliste far die anzustellenden 
Offiziere etc. ihren Zweck verfehlte, weil sie beim Hofkriegsrate lag 
und die Akademie, welche die Vorschlage zu machen hatte, von ihr 
keine Kenntnis erhielt, ward 1821 befohlefl, dass die Eegimenter, 
unter Beilegung einer ,,Qualifikations-Eingabe", urn die Vormerkung 
im Dienstwege einzusehreiten hatten und letztere auf Anordnung des 
Hofkriegsrates bei der Akademie geschehen solle. Es wurden ge- 
fordert: ein Alter von wenigstens 30, eine Dienstzeit von 10 Jahren, 
untadelhafte Konduite und ein Charakter, welcher zur Beaufsichtigung 
der Jngend tauglich macht. 

Faber widerfuhr zuletzt das Schicksal seines Vorgangers. Man 
war mit der Akademie allgemein unzufrieden. Disziplin, Haushalt 
und Leistungen der Zoglinge wurden bemangelt; Abhilfe, hiess es, 
sei dringend geboten. Faber musste sich schon bei seinen Leb- 
zeiten beerben lassen; es wurde ihm der GM. Johann Trautmann, 
welcher am 8. April 1826 eintraf, zur Seite gesetzt., worauf Faber 
Urlaub nahm und am 16. September als GFZ. die erbetene Pen- 
sionierung mit einer Personalzulage empfing. Er starb 1844 
zu Wien. 

Ein Bild der Anstalt aus der letzten Zeit seines Wirkens geben 
die „Militarischen Blatter" von F. W. von Mauvillon (5. Jahrgang, 
1. Band, Essen 1824). Nach einer dort mitgeteilten „tTbersicht des 
Studienganges im Jahre 1821" waren Gegenstande des Unterrichtes : 

in der 1. Klasse: Religion (Lesen, Schreiben, Wortforschung) ; 
Deutsch und Lateinisch; Schonschreiben ; biblische Geschicbte; alte 
Erdbeschreibung (alles unter Zugrundelegung der Lehrbucher der 
dffentkchen unteren Schulen); Tanzen, Schwimmen; 

in der 2. Klasse: Religion; Deutsch, Lateinisch; Schonschreiben; 
biblische Geschichte; altere Erdbeschreibung, mitderGeschichte Schritt 
haltend; Naturgeschichte (alles auf Grund der Lehrbucher der Nor- 
malschulen); Tanzen, Schwimmen; 

in der 3. Klasse; Religion; Deutsch, Lateinisch; Schonschreiben; 
Dictandoschreiben ; alte Geschichte und Erdbeschreibung; Naturge- 
schichte; Rechnen; Handzeichnen ; Tanzen, Schwimmen; 

in der 4. Klasse: hoherer Religionsunterricht ; Polnisch; Fran- 

zo8i8ch; Poesie und Rhetorik; Geschichte der Griechen und Romer 

(nach Schfltz); Einleitung in die mathematische, physische und poli- 

tiache Erdbeschreibung; Arithmetik und Geometrie (allgemeine und 

8* 



Digitized by Google 



116 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungaweaens etc. 



besondere Grossenlehre) ; Situationszeichnung; Exerzieren nach dem 
Abrichtungsreglement; Tanzen, Schwimmen, Pechten; 

in der 5. Klasse: Religion (nach Giftschfitz' Leitfaden); Polnisch; 
Franzosisch; Rhetorik (ttbersetzen von lateinischen Reden, Ausarbeiten 
von Reden); Poesie, lyrische Aufsatze; Philosophic (Kritik der reinen 
Veruunft, reine und angfewandte Logik) ; deutsche und osterreichische 
Geschichte bis zur Reformation; Geographie (nach Fabri); Mathematik 
(Messkunst); Trigonometrie ; Kompagniedienst und Abrichtungsregle- 
ment ; praktische Waffenubungen und Evolutionen ; geometrisches und 
Situations-Zeichnen; Tanzen, Schwimmen, Fechten, Voltigieren; 

in der 6. Klasse: Religion (nach Frints philosophischer Reli- 
gionslehre); Polnisch; Franzosisch; Geschaftsstil; Philosophic (Meta- 
physik); praktische Anthropologic; Kriegsartikel ; Geschichte der euro- 
paischen Staaten seit der Reformation (nach Schutz); Geographie; 
spharische Trigonometrie und ihre Anwendung auf die Aufnahmen; 
hohere Geometrie; Experimentalphysik; Kompagniedienst; Taktik der 
Infanterie (Logistik) und Zeichnen'der zugehorigen Risse ; Prqjektions-, 
Karten-, Perspektiv- und Situationszeichnen ; Tanzen, Schwimmen, 
Fechten, Voltigieren; 

in der 7. Klasse: erster Kursus von Frints philosophischeT 
Religionslehre; Ungarisch; Franzosisch; Militargeschaftsstil; Statistik 
(nach Mannert und Meusel); Terrainlehre; Geschichte der Kriegs- 
kunst; Kavalleriedienst und Exerzierreglement ; Einleitung in die 
Kriegskunst (Vorpostcn, Patroullieren, Tiraillieren, Kampf um Ddrfer, 
Walder etc.) ; Artillerie; Feldbefestigung (nach Hauser); militarisches 
Aufhehmen ; Waffenubungen ; Artillerie-, Fortifikations-, Terrain zeichnen; 
Tanzen, Schwimmen, Fechten, Voltigieren, Reiten; 

in der 8. Klasse: zweiter Kursus von Frints philosophischer 
Religionslehre; Ungarisch; Geschaftsstil; Statistik (nach Mannert 
und Meusel); Geschichte der Kriegskunst; eigentliche Kriegswissen- 
schaft (nach Theobalds Auszage aus Venturini); bestandige Be- 
festigung; militarisches Aumehmen ; burgerliche Baukunst (nach dem 
Lehrbuche von de Freaux); Zeichnung der Fortifikationssysteme ; 
Architekturzeichnung; Tanzen, Schwimmen, Voltigieren, Fechten, Spa- 
donnieren, Reiten. 

1827 bis 1832. 

Trautmann war ein tuchtiger Offizier, welcher auf Zucht und 
Ordnung hielt und die Sorge fiir die Wissenschaften den Lehrem 
uberliess, ohne deren Rat er keine Bestimmungen traf. Einen der- 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



117 



selben, den Alaj. Innerhofer, befreite er von allem sonstigen Dienste 
und iibertrug ihm die Aufsicht uber das gesamte Studienwesen, 
welches insofern eine vollstandige Umwalzung erfuhr, als Fabers 
Grund8atz, den Zdglingen das Streben nach moglichster Vollkommen- 
heit in einem Lieblingsfache und mehr oder minderes Vernachlassigen 
der anderen Gegenstande zn gestatten, fiel. * Ein jeder sollte sich aus 
jedem Unterrichte das fiir die Verwendung als Offizier Notige an- 
eignen. Dadurch ward die Brauchbarkeit des einzelnen grosser, der 
Glanz der Anstalt geringer. Die lateinische Sprache ward, da viele 
Zoglinge zunachst Deutsch lernen mussten, erst in der 2. und ausser 
in dieser nur noch in der 3., die inathematischen Wissenschaften 
wurden am ein Jahr spater, also die Arithmatik erst in der 4., die 
Algebra in der 5. Klasse, gelehrt. In den hdheren Klassen wurde 
der Lehrstoff in Geschichte, Philosophie. Zeichnen, Baukunst, Mathe- 
mathik beschrankt. 

Zur Beorteilung der wissensehaftlichen Leistungen fuhrte Traut- 
mann ein „Einheitensystem" ein. Er fugte zu den bestehenden 
Klassifikationen eine zwischen dem („Em.") und der 1. Klasse stehende 
(„em.") ein und legte jeder Einheit einen Zahlenwert bei, fur Em. 5, 
em. 4, die drei Klassen 1 bis 3 bezw. 3, 2, L. Wer im Durchschnitte 
em. erhielt, gehdrte zu den „Vorzuglichen", bei dem Durchschnitte 
von 3, 2, 1 bezw. zu den Guten, Mittehnassigen , Schwachen. Alle 
Facher waren gleich hoch bewertet. Die Anordnung hatte vielfach 
zur Folge, dass die Zoglinge sich bestrebten, in Gegenstanden, welche 
leicht waren oder fur welche sie Neigung und Anlage hatten, Vor- 
zugliches zu leisten, und dagegen andere liegen liessen; durch Mehr- 
leistungen in jenen glicben sie den Mindererfolg in diesen aus. Die 
„Vorzuglichen" erhielten die „doppelte", die „Guten" die „einfache" 
Auszeichnung, in zwei bezw. einer 12 Zoll langen Borte am Rock- 
kragen bestehend; die Kompagniezeichen fielen fort. 

Das Prufungsverfahren wurde dahin geandert, dass die ge- 
forderten Kenntnisse in jedem Fache vor dem Austritte aus der- 
jenigen Klasse nachzuweisen waren, in welcher der Unterrichtsgegen- 
stand zum Abschlusse kam. 

Thatkraftig griff Trautmann in alles ein, was die Ordnung im 
Hause und die soldatische Ausbildung betraf. Er stellte die 
gesunkene Disziplin her und ordnete die wirtschaftlichen Verhaltnisse. 
Vor dem Mittagessen fanden regelmassig , t Tafelparaden u statt, Exer- 
zierubungen, bei denen Kadetten die Platze der Offiziere und Unter- 
offiziere einnahmen. Den Dienst der einzelnen Angestellten regelte 



Digitized by Google 



118 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc- 



er durch schriftliche Verhaltungsvorschriften , welche Erzherzog Jo- 
hann genehmigte. Vergehen und Ungehorigkeiten glaubte er am 
leichtesten zu verhuten, wenn er die Zoglinge unter steter Aufsicht 
hielte und sie von dem Vorhandensein derselben uberzeugte. In 
dieser Absicht zog er auch die Lehrer zum Inspektionsdienste heran, 
so dass jeder Beteiligte immer nur den 3. oder 4. Tag an die Reihe 
kam. Auf dieae Weise wurden die Lehrer gleichzeitig Erzieher; ihre 
Lehrthatigkeit aber litt , weil sie sich ihr nieht mehr ausschliesslich 
widmen konnten. Vier Kadetten einer jeden Klasse wurden zu Klassen- 
Unteroffizieren ernannt; sie unterstfitzten die Offiziere und erhielten 
die Abzeichen der Korporale. Im Strafen war Trautmann streng 
aber gerecht ond bemuht das Ehrgefuhl zu schonen; die korper- 
liche Zuchtigung glaubte er nicht entbehren zu konnen. 

Eine grundsatzliche Anderung der Tagesordnung trug dazu 
bei, die Aufsicht zu erleichtern; sie minderte ausserdem die sohroflfe 
Scheidung der alteren Zoglinge von den jungeren. Alle standen im 
Sommer um 5, im Winter urn 6, an Sonn- und Festtagen eine 
Stunde spater auf, speisten gemeinsam um 12 zu Mittag, zu welchem 
Zwecke der Speisesaal erweitert wurde, gingen gleichzeitig zur Kirche, 
auf die Spielplatze und in die Horsale. Mehr als fruher wurden sie 
von der Aussenwelt geschieden und im Verkehr mit ihren Ange- 
horigen beschrankt; Ausspeisen war nur alle drei Monate ge- 
stattet; die Teilnahme an Faschingsbelustigungen ausserhalb der 
Anstalt horte ganz auf; nur unter sich durften in den letzten Kar- 
nevalstagen die Kadetten sich klassenweise vergnugen. 

Aus Bucksichten der Ordnung und der Disziplin fand das Map- 
pier en der 8. Klasse im Mai nicht mehr statt; erst nach beendeter 
Prufung gingen die Kadetten zu diesem Zwecke in das Freie, mussten 
aber abends wieder zu Hause sein. Im Jahre 1828 wohnten 
sie abteilungsweise einer bei Traiskirchen stattfindenden grosseren 
Truppenubung als Zuschauer bei. 

Besondere Sorgfalt wandte Trautmann der Verwaltung zu. 
Um den haufigen Klagen uber die Beschaffenheit der Kost zu be- 
gegnen, liess er die Offiziere vom Dienst an der Kadettentafel 
speisen; die Tiergartenwirtschaft verpachtete er gunstig an den 
Traiteur. Um den Klagen iiber unvorschriftsmassige Uniformen der 
Ausgemusterten abzuhelfen, versah er letztere nar mit dem Not- 
wendigsten. Das tTbrige beschaffiben die Regimenter. Den Aus- 
dunstungen des Tiergartens suchte er durch Abzugsgraben und 
Kanale entgegenzuwirken. Das Auftreten von Epidemien, namentlich 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



119 



ira Jahre 1828, gab Anlass zu einer veranderten Bekostigung; nach 
dem Erloschen wurde die Ausgabe von Semmeln (18 bis 22 Lot taglich) 
an Stelle des Roggenbrotes beibehalten. 

Trautmanns Neigung zog ihn in den Truppendienst ; er bat 
wiederholt, in denselben zurucktreten zu durfen. Am 13. Juni 1832 
ward der Wunsch durch seine Ernennung zum Truppen- Divisional 
zu Stanislau in Galizien erfullt. An seine Stelle trat GM. Ignaz 
Freiherr von Reinisch, bisher Platzoberst zu Graz, welcher am 
16. Juli die Geschafte ubernahm. 

1832 bis 1837. 

Reinisch war ein alter Offizier und invalid. Er zahlte 
44 Dienstjahre und hatte sich 1809 bei Fordenone den Maria- 
Theresia-Orden verdient, war aber so schwer verwundet, dass 
er nur nocb garnisondiensttauglich blieb; er war herzensgut, 
aber die Weichheit seines Charakters streifte an Schwache; seine 
Kenntnis der Jugenderziehung, bei der Grazer Eadetten-Eompagnie 
erworben, war gering, und dabei suchte er nicht sie durch die Er- 
fahrungen seiner Vorganger und die Ratschlage seiner Mitarbeiter zu 
erganzen, sondern horte auf die Meinung ausserhalb der Anstalt 
Stehender, denen er bereitwillig den Zugang in die letztere gestattete, 
wie er auch den Wunschen der Angehorigen der Kadetten leicht 
Gehor gab. Er wollte Ruf und Ansehen der Akademie in den 
Augen der Welt heben und opferte dem Scheinen das Sein. 

Wie der Unterricht gehandhabt wurde, zeigt die Behandlung des 
Vortrages iiber „Taktik und Strategic", vermutlich ein Teil des Unter- 
richts in der „Kriegskunst". In der dsterreichischen militarischen 
Zeit8chrift von 1867, I, 410, schreibt V. v. Streffleur, derselbe sei in 
Fragen und Antworten verfasst gewesen und von den Schulern ab- 
geschrieben, denen die geringste Abweichung vom Wortlaute, welche 
sie bei den Prumngen sich hatten zu schulden kommen lassen, eine 
schlechte Note zugezogen habe. 

Reinisch wandte seine Aufmerksamkeit zunachst dem Kdrper- 
lichen und der ausseren Erscheinung der Zoglinge zu. Er fiihrte eine 
Menge von Spielen und von Leibesubungen, zum Teil die unter Kinsky 
gepflegten, wieder ein, errichtete aber auch Klassen-Bibliotheken, 
welche Unterhaltungsbucher enthielten. Eine glanzendere, der Uniform 
der Omziere ahnliche Tracht trat an Stelle der mohrengrauen. Grossen 
Wert legte er auf kaltes Baden; 1833 erbaute er dazu eine Schwimm- 
schule. 



Digitized by Google 



120 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



Der Unterricht wurde in der fruheren Weise erteilt. Die Er- 
folge aber wurden durch Nachpriifungen beeintrachtigt, deren 
Abhaltung er gestattete, wenn Zoglinge die Hauptpriifung nicht ge- 
nugend bestanden hatten und eine bessere Klassifikation zu erlangen 
wunschten. Die geiibte Nachsicht fuhrte dahin, dass viele sich auf 
jene nicht genugend vorbereiteten, weil sie durchzuschlupfen hofflen 
und sich darauf verliessen, dass sie, im schlimmsten Falle, das Ver- 
saumte bei der Nachprufung ausgleichen konnten. Gut bestandene 
Prufungen belohnte Reinisch durch das Ausrucken zu ttbungen im 
Feld- und Lagerdienste. 

Schon langer war indessen eine grundsatzliche Anderung der 
Einrichtungen der Akademie geplant, mit deren Zustande und 
Leistungen man nach mancher Richtung onzufrieden war. Die Ver- 
fassung von 1806 hatte Verbesserungen gebracht, aber nicht bewirkt, dass 
die Anstalt eine zu den Kosten einigermassen im Verhaltnisse stehende 
Zahl wissenschaftlich gebildeter Offiziere lieferte. Ein grosser Teil der 
Zoglinge erreichte sein Ziel nicht; leibliche und geistige Gebrechen 
notigten dazu, viele vorher zu entfernen. Bald nach Beendigung derBe- 
freiungskriege hatte man daran gedacht, wie 1752, eine Vorbereitungs- 
anstalt und eine Akademie herzustellen. Die AusfOhrung scheiterte 
an der Schwierigkeit, eine geeignete Ortlichkeit fur erstere zu finden, 
und an dem Mangel an Mitteln, aber auch an der Macht der Ge- 
wohnheit und der Vorliebe fur das Hergebrachte. Die Denkschrift 
eines Kap.-Lt Kintzl, auf welche wir bei der Olmutzer Kadetten- 
Kompagnie zuruckkommen werden, spricht sich fiber die Leistungen 
der Akademie in diesem Zeitraume sehr ungunstig aus und hebt 
namentlich das Missverhaltnis zwischen Kosten und Leistungen her- 
vor. Sie fuhrt als Beleg einen Jahrgang an, dessen 48 Angehorige 
samtlich als Offiziere, also als hoffhungsvoll , ausgetreten seien, und 
doch ware davon nach 15 Jahren Vs meist durch Selbstverschuldung 
ganz verloren gewesen, >/« nabe S anz Gewohnliches geleistet, V» 
sich uber den Durchschnitt erhoben, aber auch von diesem letzten 
Drittel genuge nur etwa die Halfte den Anspruchen, welche von 
Rechts wegen an einen Neustadter zu stellen seien, von denen jeder 
dem Staate jahrlich 1000 Gulden koste. 

Der Gedanke war jedoch nicht aufgegeben. Ein Besuch Kaiser 
Ferdinands I. am 10. Oktobor 1836 war Veranlassung, dass 
derselbe von neuem ins Auge gefasst wurde. Am 10. November 
durfte die Oberdirektion der Lokaldirektion die Weisung zugehen 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



121 



lassen, einen Plan fiir die Umgestaltung einzureichen. Dass dieser 
vorbereitet war, geht daraus hervor, dass Keinisch schon am 26. 
d. M. seinen Vorschlag uberreichte. Derselbe liess zwei Arten von 
Zoglingen aus der Anstalt hemrgehen. Die fahigeren sollten eine 
hohere Bildung erhalten, die minder beanlagten nur lernen, was ein 
brauchbarer Linienoffizier wissen mfisse. Die Trennung sollte ein- 
treten, wenn die 4. Klasse durchgemacht ware. Ganz Unfahige 
sollten dann entlassen werden. In den vier oberen Klassen sollte 
der bessere Teil der Zoglinge durch einen Unterricht, welcher ohne 
die sonst notige Rucksicht auf schwache Schuler erteilt werden 
konnte, in alien Fachern zu moglichster Vollkommenheit gebracht 
werden, damit sie spater im Generalstabe, in der hoheren Adjutantur 
und zu besonderen Dienstleistungen verwandt werden konnten; ihre 
Ausmusterung sollte unter vorteilbafteren Bedingnngen erfolgen als 
die ihrer Kameraden, in deren Lehrplane das Italienische und das 
Ungarische, Poesie, Rhetorik, Philosophie und Rechtslehre, die hoheren 
mathemati8chen Wissenschaften, hohere Taktik, burgerliche Baukunst, 
permanente Fortifikation, Geschichte der Kriegskunst und Perspektiv- 
zeichnung gestrichen und die ubrigen Studien auf das Notwendigste 
beschrankt werden sollten. 

Ein Allerhochstes Handschreiben vom 22. Mai 1837 brachte 
die Entscheidung. Die Trennung in mehr oder minder Beanlagte 
ward gutgeheissen; der Kosten wegen aber sollten samtliche in die 
5. Klasse versetzten Zoglinge zunachst den Lehrgang fur die weniger 
Befahigten durchmachen. Dann sollten letztere die Anstalt ver- 
lassen, wahrend die Fahigeren in derselben verblieben. 

1837 bis 1843. 

Der umgearbeitete Plan ward am 28. Juli 1837 der Oberdirektion 
vorgelegt, erhielt im wesentlichen die kaiserliche Genehmigung und 
trat als 

Reorganisierungsplan vom 11. September 1837 
mit dem Schuljahre 1837/38 in Kraft. 

Die Aufnahme erfolgte wie bisher im Alter von 10 bis 12 Jahren, 
die Dauer des Aufenthaltes ward fur die Mehrzahl der Zoglinge 
von 8 auf 4 Jahr herabgesetzt und der Lehrstoff dadurch ver- 
mindert, dass Lateinisch, Freihand-, Geometral- und Perspektivzeichnen 
fortfielen, hohere Taktik und Strategic, Philosophie, Rechtswissen- 
schaft und Terrainlehre auf die gelegentlich des Vortrages ver- 



Digitized by Google 



122 



Geachichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungawesens etc. 



wandter Facher zu beruhrenden Elemente dieser Wissenschaften be- 
schrankt wurden. Dagegen trat zur Feldfortifikation der Unterricht 
im Pionierdien8te. Nach Ablauf dieser Zeit wurden die nicht zum Ver- 
bleiben Bestimmten als Fahnriche (seit 1838 „Lieutenants minderer 
Gebuhr") oder als k. k. ordinare Kadetten ausgemustert, die 
ubrigen, ebenfalls zu Fahnrichen (Lieutenants m. G.) ernannt, 
machten noch einen einjahrigen „hoheren Kurs" durch. Wer 
von ihnen den Erwartungen entsprach kam als Unterlieutenant 
(bezw. „Lieutenant hSherer Gebuhr"), wer nicht entsprach ohne Be- 
forderung zum Regimente. 

Die Aufsicht fiber das Unterrichtswesen ward einer aus dem 
Lokaldirektor, den Stabsoffizieren und dem Superior gebildeten Stu- 
dienkommission fibertragen, von denen ein jeder ausserdem be- 
8timmte Facher uberwachte, fiber die er am Ende des Schuljahres 
schriftlich berichtete. 

An Stiftlingen waren 304 ararische und 140 standische vor- 
handen; die Kostzoglinge zahlten im Jahre 1845 je 500 Gulden. 
Die Kadetten waren in 2 Divisionen zu 2 Kompagnien geteilt; von 
letzteren umfasste jede 2 Klassen, die 3. nur eine. 

DasLehr-und Aufsichtspersoual ward verringert. Es waren 
vorhanden: 1 Lokaldirektor, 4 Stabsoffiziere, 4 Kompagnie-Komman- 
danten (Hauptleute oder Ober-Lieutenants) , 16 Inspektionsoffiziere 
und Lehrer (darunter 1 franzosischer Sprachlehrer und 1 Fechtmeister), 
1 Auditor, 1 Adjutant, 1 Superior, 4 Geistliche als Lehrer (Piaristen), 
1 Geistlicher als Bibliothekar, noch 1 franzosischer Sprach- und 1 Fecht- 
meister, 2 Tanzmeister, 19 Inspektions-Feldwebel (darunter 1 Schwimm- 
meister), welche mit den Kadetten schliefen; ferner 1 Ober-, 1 Unter- 
bereiter (Offiziere), 1 Wachtmeister, 1 Korporal^ 12 Dragoner ; 1 Mili- 
tar-Chef- und 2 Unter-Arzte; furdieVerwaltung 3 Zivilbeamte und 
3 Furiere. Ferner 1 Pionierkorporal als Modelltischler. 

Der Unterricht dauerte von Anfang Oktober bis Ende August 
An Stelle des Oktober ward der September Ferienmonat; die nach 
Beendigung des Schulhalbjahres abgehaltenen Prufungen Men als zu 
zeitraubend fort; die Schlussprufungen fanden im Juli und August statt. 



Um die Anstalt indieneueOrdnung uberzuleiten, wurden 1838 
die 7. und 8. Klasse ausgemustert, eine 1. und ein „hoherer Kurs" 
(9 Teilnehmer) neu gebildet. Die veranderte Gestaltung der Ver- 
haltnisse ergiebt sich aus einer Stundeneinteilung fur den Sommer 
1840 (abgedruckt bei Leitner a. a. 0., S. 377). Nach Ausweis der- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



123 



selben wurde tun 5 Uhr aufgestanden und um 9 schlafen gegangen, 
um 12 zu Mittag, um 8 zu Abend gegessen. Von 7 bis 12, von 2 bis 
5 und von 6 bis 8 waren die Zdglinge dienstlich beschaftigt. Sonntags 
besuchten sie von 7 bis 8 und von 3 bis 3Vj Uhr den Gottesdienst, 
an den Wochentagen horten sie morgens die Messe. TJnterricht 
fand statt: 

fur die L Klasse in Religion l 1 /* , Deutsch, Lesen und 
Schreiben 14, Rechnen, Geographie je 4, Tanzen 2; 

fur die 2. in Religion l 1 /*, Deutsch, Lesen und Schreiben 12, Rech- 
nen 4, Franzosisch 6, Geschichte und Geographie 4, Tanzen 2; 

fur die 3. in Religion 2, Mathematik 6, Deutsch 8, Franzosisch 6, 
Bohmisch 4, Geschichte und Geographie 4, Schreiben 2, Situations- 
zeichnen 5, Tanzen 2; 

fur die 4. in Religion 2, Mathematik 8, Humanitatswissenschaft 
(deutsche Poesie und Redekunst), Franzosisch, Bohmisch je 4, Ge- 
schichte und Geographie 4, Schreiben 1, Situationszeichnen 5, Fechten 2, 
Tanzen 2; 

fur die 5. in Religion 2, Mathematik 8, Humanitatswissenschaft 9, 
Franzosisch 6, Bohmisch 4, Geschichte und Geographie 4, Dienst- 
reglement 2, Situationszeichnen 4, Fechten 2, Tanzen 2; 

fur die 6. in Religion 2, Mathematik 4, Franzosisch 4, Bohmisch 3 % 
Ungarisch 4, Italienisch 5, Geschichte und Geographie 4, Pionier- 
dienst 8, Artillerie 2% Dienst- und Exerzierreglement je 2, Geschafts- 
stil 6, Situationszeichnen ■l 1 /-, Reiten, Fechten und Tanzen 4; 

far die 7. in Religion 2, Franzosisch 4, Bohmisch 2, Ungarisch 2 1 /*, 
Italienisch 3 V«, Militargeographie 6, Artillerie 4, permanente Befestigung 
4, angewandte Taktik3% Geschichte der Kriegskunst2, Kriegsgesetze2, 
Exerzierreglement 3 1 /*, Dienstreglement l 1 /*, Kavalleriedienst 17i, Ge- 
schaftsstil 4, Situationszeichnen 4, Reiten, Fechten, Tanzen 6; 

fur den „hoheren Kurs" in Mathematik 4, Franzosisch 5, Boh- 
misch 4, Ungarisch 4, Italienisch 5, Taktik 2% Befestigung 2, Kriegs- 
geschichte 4, burgerliche Baukunst 2, Geschaftsstil 2, Situations- und 
Fortihkationszeichnen 11, Reiten und Fechten 4 Wochenstunden. 

Die 1. bis 7. Klasse exerzierten wochentlich 5 7s Stunden. 

Der Winterstundenplan unterschied sich hauptsachlich da- 
durch, dass eine Stunde spater aufgestanden wurde, wodurch die im 
Sommer vor Beginn des Unterrichts fur einen Morgenspaziergang be- 
stimmte Stunde wegfiel, dass um V»8 zu Abend gegessen wurde und 
von 8 bis 9 in drei Klassenzimmern Erholung stattfand. 

Am 23. September 1843 starb Reinisch an Gehiraerweichung. 



Digitized by Google 



124 



Geschichte dea Militar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



Aus der Zeit seiner Direktionsthatigkeit sind noch die Errichtung eines 
Modellsaales fur die Zwecke des Unterrichts fiber Artillerie, Be- 
. festigungskunst, Pionierdienst etc. und die Herstellung von lithogra- 
phierten Leitfaden zu erwahnen. 

1843 bis 1850. 

LTnter den beiden nachsten Lokaldirektoren , dem GM. Anton 
Ritter von Martini, 1 ) welcher am 15. Dezember 1843 sein Amt 
antrat und, 1846 FML. geworden, am 1. Dezember 1847 zum Ober- 
kommandanten der Marine ernannt wurde, und dem FML. Wilhelm 
Freiherrn von Lebzeltern,*) welcher die Geschafte am 1. Februar 
1848 ubernahm, am 23. Dezember 1850 abgab, wurde das 1837 ge- 
schaffene Werk im Aussern nicht wesentlich verandert. Im Innern 
machte sich die Eigenart ihrer Persdnlichkeiten merklich fuhlbar. Martini 
war der Mann der grossen Welt; er wollte elegante Offiziere erziehen, 
kosmopolitisch gebildet, vertraut mit den Formen der hdchsten Ge- 
8ellschaft, gewandt und abgeschliffen, zu diplomatischen Sendungen 
und zu ahnlicher Verwendung geeignet. Lebzeltern, ein Freund der 
scientia aurea, der Mathematik, wunschte tfichtige Denker, gediegene 
Charaktere aus der Akademie hervorgehen zu lassen. 

Fur das Erreichen von Martinis Zielen war das Beherrschen 
des Franzosischen unerlasslich ; es geniigte ihm nicht, wenn die 
Kadetten die Sprache lesen, verstehen, schreiben konnten; er ver- 
langte, dass sie im stande seien, sich in derselben gelaufig zu unter- 
halten. Dazu gehort TTbung. Er bewirkte daher, dass 1844 zwei 
neue Zivillehrer fur den Unterricht der Sprache angestellt wurden 
und dehnte denselben auf alle Klassen aus. Er verwarf das grundsatz- 
liche Abschliessen der Kadetten von der Aussenwelt und bemiihte 
sich ihre Unbeholfenheit im Auftreten und ihre Unkenntnis in Ver- 
haltnissen abzustellen, bei denen Gelehrsamkeit nicht nutzt, die aber 
gesunden Menschenverstand erfordern. Leitner, welcher unter ihm 
wirkte, sagt (S. 381): „Martini hat haufig erfahren, dass die ge- 
schicktesten Zoglinge der Anstalt mit alien ihren Kenntnissen in der 
Welt nicht Gliick machen, weil sie ihre Geschicklichkeit nicht prasen- 
tieren konnen. Um also die Wohlfahrt der Zoglinge selbst zu be- 



») Geb. 1792 , gest. 18. Dezember 1861 (Wurzbach a. a. O., 17. Bd., 
Wien 1867). 

») Geb. 7. Marz 1787, gest. 31. Marz 1869 (Wurzbach a. a. O., 14. Bd., 
Wien 1865). 



Digitized by Google 



Osterreich - Ungarn. 



125 



fordern tmd zugleich die Kenntnisse derselben far die Welt zugang- 
lich und nutzbringend zu machen, war er benmht, ihnen jene Leichtig- 
keit und XJnbefangenheit im aussern Benehmen beizubringen , die in 
der Welt notwendig ist, und traf deshalb Anstalt, dass die Zoglinge 
Tor einem grossern Publikum, vor ihren Lehrern und Erziehern, vor 
einem Teil oder alien Zoglingen der Anstalt Gedichte und Dekla- 
mation vortrugen u. dgl." Er benutzte diese Gelegenheit zugleich zu 
einer Preisverteilung durch Ausspielen von Gewinnen, von welcher 
die Unfleissigen ausgeschlossen wurden, wahrend die ubrigen, je nach 
Verdienst, mehr oder weniger Lose erhielten. 

Lebzeltern beseitigte Martinis Einrichtungen freilich nicht, 
aber er legte keinen hohen Wert auf ihre Erhaltung. 0brigens war 
seine Wirksamkeit zu kurz und der Einfluss der Jahre 1848 
und 1849 auf die Anstalt zu machtig, als dass die innere Ent- 
wickelung der letzteren durch ihn in sehr abweichende Bahnen hatte 
gelenkt werden konnen. Schon am 19. Mai 1848 wurden der hohere 
Kurs, aus 8 Unterlieutenants bestehend, und die ganze 7. Klasse aus- 
gemustert und am 14. April 1849 geschah dasselbe mit der im 
Oktober 1848 neugebildeten 7., von welcher nur 4 Zoglinge als hdherer 
Kurs zuruckblieben. Am 8. August 1849 traten letztere, sowie die 
ganze 6. Elasse in das Heer. Um die erledigten Stellen zu besetzen, 
wurden, ausser den in die 1. Klasse tretenden, solche Zoglinge auf- 
genommen, welche fur letztere noch nicht reif waren; sie wurden 
zunachst in einer Vorbereitungsklasse unterrichtet. 

Aus Lebzelterns Zeit ist ferner zu erwahnen: die Wiederein- 
fuhrung des Unterrichts im Freihandzeichnen, fur welches am 17. April 
1848 ein Offizier als Lehrer angestellt wurde, und die 1850/51 in Kraft 
getretene Anordnung, dass jeder Zogling ausser dem Deutschen nur 
eine Nation alsprache lernen solle, sowie die gleichzeitig erfolgte Neu- 
aufnahme der Philosophic, fur deren Vortrag ein Piarist als Professor 
berufen ward, unter die Lehrfacher; die Verabreichung von warmer 
Milch (V* Seidel) zum Friihstuck, welche zuerst im Februar 1849 
der Cholera wegen geschah und spater beibehalten wurde; eine 1849 
eingefuhrte neue Uniformierung (dunkelgrauer Waffenrock mit hell- 
rotem Kragen, Aufschlagen und Vorstossen und gelben Knopfen, 
blaues langes Beinkleid mit rotem Passepoil); die Ausriistung samt- 
licher Zoglinge mit einem ihrer Grosse angemessenen Perkussions- 
gewehre. Am 18. April 1850 wurde angeordnet, dass die Zoglinge 
ein Bataillon von 4 Kompagnien bilden und dass an alien Sonn- und 
Festtagen im Anstaltssaale Kirchenparaden abgehalten werden sollten. 



Digitized by Google 



126 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -BildungsweaenB etc 



Am 13. Dezember 1849 ward die Oberdirektion aufgehoben; die 
Lokaldirektion, jetzt „Akademiedirektion" genannt, stand fortan 
anmittelbar unter dem Kriegsministerium. 

An Stelle Lebzelterns trat FML. Wilhelm Freiherr von Ale- 
man n. Unter ihm ward die Anstalt in Verhaltnisse ubergeleitet, von 
denen spater die Rede sein wird. Aus der Zwischenzeit ist noch zu 
erwahnen, dass der h oh ere Kurs mit dem Schuljahre 1850/51 auf- 
gehoben ward. Die Einrichtung hatte sich nicht bewahrt') Da der 
grosste Teil der Kadetten aus der 7. Klasse in das Heer trat, so 
verfehlte die Anstalt zumeist das Ziel, hochgebildete Offiziere zu 
liefern ; die jungen Leute fanden an dem langeren Verbleiben in der 
Schule wenig Geschmack und nicht selten vernachlassigten gerade 
die Befahigtesten sich absichtlich, um der Versetzung in den hoheren 
Kurs zu entgehen; ausserdem bewirkte die Massregel eine tTber- 
fullung der niederen Klassen, die schon fruher empfanden war; 
die 1. Klasse zahlte nicht selten mehr als 100 Kopfe. Man 
ging auf die fruhere Anordnung zuruck. Aus der 6. ward sofort 
eine 8. gemacht, in die 7. traten 58 Schuler der 5., in die 6. 10 
der 5. und 64 der 4., in die 5. 9 der 4. und 52 der 3., in die 4. 
27 der 3. und 40 der 2., in die 3. 37 der 2. und 30 der 1., in die 
2. 54 der 1. und 12 Neuaufgenommene, wahrend 75 Neueintretende 
die 1. bildeten. Bei dieser Gelegenheit ward ein Unterricht in der 
Technologie eingeffihrt. 

II. Die Garden, 1805 bis 1848. 

1. Die Koniglich-Ungarische Adeliche Leibgarde, 

1805 bis 1848. 

Die Einrichtungen zu militarwissenschafUicher Ausbildung bei 
der Ungari8chen Garde wurden durch deren aus Anlass des Krieges 
von 1809 erfolgende Auflosung unterbrochen. Als sie am 16. Marz 
1810 mit einer Kopfzahl von 150 Garden, welche spater auf 70 
herabgemindert wurde, wieder ins Leben trat, begann auch der Unter- 
richt von neuem, vermutlich auf den alten Grundlagen. Kaiser 
Ferdinand I. 8 ) befahl am 19. Januar 1838, einen neuen, „das 
Ganze des militarischen Unterrichts- und Bildungswesens bei der 



') Osterreichische mUitSriache Zeitechrift, Wien 1866, 4. Bd., S. 64 
") Rechkron a. a. O., S. 216. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



127 



Garde umfassenden Plan" auszuarbeiten. Eine aus samtlichen Garde- 
offizieren „unter Beiziehung eines von dem Hofkriegsrate zu bestim- 
menden ganz geeigneten Generals und Stabsoffiziers des General- 
Quartiermeister-Stabes" bestehende Kommission sollte unter dem 
'Vorsitze des Gardekapitans den Entwnrf beraten, welcher „auf die 
mogliche Vervollkommnung des Planes im Geiste einer geregelten 
und zweckmassigen Heranbildung tuchtiger, gebildeter und hofihungs- 
voller Offiziere" Rucksicht zu nehmen hatte. Die Entscheidung fiber 
die Vorschlage enthalt ein an den ersten Oberhofmeister Furst Collo- 
redo-Mannsfeld unter dem 11. Januar 1639 gerichtetes Schreiben, in 
welchem es beisst: 

„Damit jedoch das Wesentlichste , ohne Lehrer und ZuhSrer 
ubermassig anzustrengen , in der fur kriegswissenschaftliche Gegen- 
stande zu bemessenden Zeit mit gehoriger Grundlichkeit vorgetragen 
werden konne, sind selbe auf die Anfangsgrtinde der Mathematik ein- 
schliesslich der Planimetrie und der bei Entwurfen von Schanzen 
notwendigen Berechnungen und Korperinhalte, die Situationszeichnung 
und militarische Aufhahme, die Waffenlehre , die Taktik der drei 
Hauptwaflfen mit Rucksicht auf ihre Stellung und Fechtart auf ver- 
schiedenem Terrain, die Feldbefestigung in Verbindung mit den dabei 
vorkommenden Pionierarbeiten , die Erklarang des Umrisses einer 
Festung, endlich als Schlussstein des Ganzen auf den Unterricht im 
hoheren Felddienste nach den Beitragen zum praktischen Unterricht 
im Felde zu beschranken. Von den ubrigen Vortragen sind die der 
Geographic und Geschichte nur jenen Garden zu erteilen, welche die 
philosophischen Studien, unter denen diese beiden Facher ohnehin 
begriflfen sind, nicht bereits absolvierten oder bei einer kleinen Vor- 
prufung, die zur Erprobung der mitgebrachten Kenntnisse und be- 
hufs der Klassifizierung fur den weiteren Unterricht bei der Garde 
vorzunehmen ist, hierin unbefriedigt liessen." 

Das Jahr 1848 machte dem Bestehen der Ungarischen Garde 
ein Ende. Als eine solche, nachdem die Zweiteilung des Kaiser- 
staates vollzogen war, von neuem enichtet wurde, geschah es auf 
anderen Grundlagen. Die Garde wurde eine Versorgungsanstalt fur 
halbinvalide Offiziere, welche im allgemeinen keine Anwartschaft auf 
weitere Beforderung habe*, doch soil sie fortfahren, unter Umstanden 
Offizieren Gelegenheit zu weiterer militarischer Fortbildung zu bieten. 1 ) 



*) Statut vom 26. November 1868: A.-V.-Bl. 1869, 8. Stiick , C.-V. vom 
1. Februar 1869, Priis. 474. 



Digitized by Google 



128 Geschichte des Militfir-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



Eingehendere Nachrichten fiber das Unterrichtswesen der TTn- 
garischen Garde standen nicht zu Gebote. Es wird aber ahnlich 
eingerichtet gewesen sein, wie bei der hier zunachst zu betrachtenden 
Lombardisch -Venetianischen Leibgarde. 

2. Die Koniglich Lombardisch -Venetianische Adelige 
Leibgarde, 1840 bis 1848. 

Als Kaiser Ferdinand L am 6. September 1838 zu Mai- 
land gekront wurde, machten ihm die „getreuen Unterthanen Seines 
lombardisch -venetianischen Konigreiches" ein Geschenk mit der Er- 
richtung und bestandigen Unterhaltung einer zu seiner und der 
kaiserlichen Familie und zur Vermehrung des Glanzes des kaiser- 
lichen Hofes bestimmten, aus 60 adeligen lombardisch und venetianischen 
Junglingen bestehenden Leibgarde. Am 1 9. August 1840 genehmigte 
der Kaiser die Statuten. 1 ) Es ward darin festgesetzt, dass die 
Garde gleichzeitig eine Verbereitungsanstalt fur die Offizierslauf bahn 
sein solie. 

Die Statuten schreiben vor: Die vier Ob eroffiziere (Kapitan, 
Kapitan-, Ober-, Unterlieutenant) sind Generale, hochstens der Unter- 
lieutenantdarf Oberst sein, dieUnteroffiziere (Premier- und Sekonde- 
Wachtmeister) sind mindestens Hauptleute oder Rittmeister. Alle 
sind, falls geeignete Personlichkeiten gefunden werden konnen, Italiener. 
Der Aufenthalt im Institute dauert vier Jahre. Den Unterricht er- 
teilen Frofessoren und Lehrmeister vom Militar und vom Zivil. 
Die Garde ist beritten. Sie steht unter dem ersten Obersthofmeister 
als dem Obersten samtlicher Leibgarden. Es wird zunachst der 
unterste Jahrgang gebildet, so dass 1843 die Garde vollzahlig ist 
und 1844 die erste Ausmusterung erfolgen kann. Zur Aufnahme 
sind erforderlich : Zugehdrigkeit zu einer adeligen lombardischen oder 
venetianischen Familie; ein Alter von nicht weniger als 17, nicht 
mehr als 20 Jahren; lediger Stand; katholisches Glaubensbekenntnis; 
angemessene Grosse und Leibesbeschaffenheit; vorangegangene Be- 
endigung der Gymnasialstudien oder Erziehung in einem Militar- 
Institute, in beiden Fallen mit gutem Erfolge, oder mindestens ein- 
jahrige Dienstzeit in einem Truppenkorper mit ausgezeichneter Kon- 



J ) Statuten fur die Koniglich Lombardisch -Venetianische adelige Leibgarde, 
Wien 1840. Aus der kaiserlich koniglichen Hof- und Staats-Ararial-Druckerei. 
Folio. 36 Seiten. <K. und K. Kriegs-Bibliothek.) 



Digitized by Google 



0*terreich-Ungam 



129 



duite; politische und moralische Unbescholtenheit. Die Vorschlage 
zur Aufhahme macht die Zentral-Kongregation des Konigreiches. 
Die Aufgenommenen treten als einfache „Garden" ein; das erste 
Jahr ist ein Probejahr. Bewahren sie sich, so werden sie formlich 
aufgenommen, heissen „Garden und Unter-Lieutenants", haben jedoch 
nur in der Garde, nicht in der Armee, Offiziersrang. In letzterer 
erhalten sie solchen, wenn sie sich in jeder Beziehung so aus- 
zeichnen, dass sie zu vorzuglichen Erwartungen berechtigen, indem 
sie zu „Unterlieutenants und Garden" ernannt werden. Die Wahl 
des demnachstigen Truppenteiles wird dnrch das dienstliche Interesse 
mit thunlicher Kucksicbt auf persdnliche Wunsche bestimmt. Als 
„Gardehof" wird das am Rennwege belegene, bisher „Kaiserhaus" 
genannte Gebaude flberwiesen. Jeder Garde hat ein eigenes Zim- 
mer. Zwischen ihnen wohnen die Wachtmeister. Jeder Garde er- 
halt neben freiem Unterhalte 300 Gulden Jahresgage. Von den 
Premier -Wachtmeistern hat der eine die Leitung des Studien- 
wesens und den Vortrag fiber die Taktik der drei vereinigten Waffen 
in deren Anwendung auf das Terrain, der andere die Leitung des 
Exerzitiums und den Vortrag uber die Taktik der Infanterie, ohne 
darur Zulagen zu erhalten. Der Auditor lehrt Militargerichtsbarkeit 
und hoheren deutschen Stil, der Rechnungsruhrer Militarverwaltung 
und Geschaftsstil, der Furier das deutsche Schonschreiben ; sie er- 
halten Zulagen. Der Equitationsdirektor (mindestens Rittmeister), 
der Direktor der Gymnastik und der Professor der Situationszeichnung 
werden dem aktiven Mil i tar- oder dem Pensionsstande entnommeu. 
Sie haben ein ihrer Offiziers-Dienststellung entsprecbendes Gehalt; 
die Lehrer der deutschen und der franzosischen Sprache sind Zivilisten 
mit Jahresgehalten von je 700 Gulden; der Fecht- und der Schwimm- 
meister, sowie der Reitschulgehilfe, sind Unteroffiziere mit Ge- 
haltern von 700 Gulden; der Tanzmeister ist Zivilist, er erhalt 
500 Gulden (darur gab er, wie wir unten sehen werden, wochentlich 
2 Stunden!). Die Uniform war sehr reich. Im Hofdienste trugen 
die Garden rote, goldbordierte Kollets, weisse Pantalons und Silber- 
helme; die Hauskleidung bestand in blauen Uniformen, grauen Pan- 
talons mit roten Streifen oder schwarzen Lederhosen, weissen Manteln, 
Federhuten oder Exerzierkappen. 

Naheres uber den Unterricht enthaiten die Disziplinar- 
Vorschriften etc. 1 ) Sie schreiben vor: 

•J Preacrizioni disciplinari e regolamento di servizio per la real guardia 
nobile di corpo lombardo-veneta. Vienna 1840. Dall' imperiale reale stam- 

MooumenU Uerm»nlae P»edagogica XV. 9 



Digitized by Google 



130 



Geschichte dee Militar -Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



Lehrfacher sind: die Dienstreglements der Garde, Infanterie 
und Kavallerie ; die Abrichtungs- und Exerzierreglements der In- 
fanterie und der Kavallerie, theoretisch und praktisch ; die Elementar- 
Taktik, angewendet auf die Exerzierreglements der Infanterie und der 
Kavallerie, die Vergleiohung dieser Reglements und ihre zweckmassigste 
Anwendung nach Verschiedenheit der TJmstande; die hohere Taktik 
der Infanterie, Kavallerie und Artillerie samt ihrer Anwendung auf 
das Gelande, einzeln und in wechselseitiger Verbindung; Anleitong 
zu taktischen tfbungen mehrerer Regimenter Infanterie ; Anleitung und 
Behelfe fur Aufstellung und Bewegung mehrerer Kavallerieregimenter ; die 
Reitkunst in ihrem ganzen, einem Kavallerieoffizier notigen Umfange; 
deutsche Sprache und deutsches Schonschreiben ; deutscher und 
italienischer Stil und die Litteratur beider Sprachen ; Militar- 
Geschaftsstil und die unentbehrlichsten Grundbegriffe der militarischen 
Rechtspflege; franzdsische Sprache; Militarverwaltung ; Planzeichnen 
in Verbindung mit Gelandelehre , welche hauptsachlich die richtige 
Unterscheidung und Benennung der verschiedenartigen Gestaltungen 
des Bodens und der mannigfaltigen Beschaffenheit seiner Oberflache 
umfasst; Geometral-, taktisches und Befestigungszeichnen ; Arithmetik 
und Elementaralgebra bis einschl. Gleichungen 2. Grades; Elementar- 
geometrie (Longi-, Plani- und Stereometrie) und Landesvermessung 
(Aufnehmen der Plane und Grundsatze des Nivellierens) ; Befestigungs- 
kunst verbunden mit der wesentlichsten Kenntnis des Artilleriewesens 
und der ublichen technischen Feldarbeiten; alte und neue Geographie 
mit den notigen statistischen Notizen; allgemeine Weltgeschichte, 
eingehender die des osterreichischen Staates ; Stoss-, Hieb- und Sabel- 
fechten; Voltigieren, Tanzen, Schwimmen; Scheibenschiessen mit 
Gewehr, Karabiner und Pistole. 

Ausserdem hat der Gardekaplan allsonntaglich der besonderen 
Lage der jungen Garden entsprechende Vortrage zu halten. 

Das Schuljahr beginnt am 1. November 1840, in Zukunft am 
1. Oktober und dauert bis Mitte August. 

Mit Rucksicht darauf, dass es wunsehenswert ist, die Garden in 
alien Zweigen der militarischen Ausbildung moglichst zu fordern. 
sind die Wachtmeister thunlichst so zu wahlen, dass zwei derselben 
auf dem Gebiete der kavalleristischen, zwei auf dem des infanteristi- 

peria di corte e di stato. Folio (k. und k. Kriegs-Bibliothek) ; deutsch unter 
dem Titel : Regulament fur die koniglich lombardisch-venetianische adelige Leib- 
garde. Wien 1840 Aus der kaiserl. konigl. Hof- und Staats-Ararial-Druckerei. 
Folio. (Oberethofmeisteramt.) 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



131 



schen, einer des mathematischen und technischen, einer des taktischen 
Wissens zn Hause sind, alle aber eioe gediegene militarische Bildung 
haben. Die Oberaufsicht fiber Ausbildung mid Lehrpersonal fuhren 
der Ober- und der Unterlieutenant. 

Da das Deutsche die Dienstsprache des Heeres ist, so muss 
mit allem Fleisse, namentlieh in der untersten Klasse, dahin gestrebt 
werden, dass die Garden es aus dem Gr uncle erlernen. Zu diesem 
Behufe werden nicht nur die meisten Lehrstunden jm ersten Jahr- 
gange diesem Sprachunterrichte gewidmet, sondern es wird auch der 
ubrige Unterricht in diesem Jahrgange vorwiegend auf Faeher be- 
schrankt, welche mehr die Sinne als den Geist in Anspruch nehmen 
und daher grosstenteils durch Vorzeigen beigebracht werden konnen, 
wie Zeichnen, Schonschreiben , Fechten etc. Die Lehrer mussen not- 
wendigerweise ein gutes Deutsch sprechen. Der Unterricht in den drei 
hoheren Elassen wird ausschliesslich in dieser Sprache erteilt. Vorge- 
schrittenere Garden konnen als Korrepetitoren verwandt werden. Beim 
Unterrichte ist mit der Lehre moglichst die An wen dung zu verbinden. 
Der 3. und 4. Jahrgang wohnen den tTbungen der Truppen bei und 
nehmen nach den Urns tan dun an denselben teil. Der 4. Jahrgang wird 
im Aufnehmen, der 5. in Arbeiten der Feldbefestigungskunst unter- 
wiesen. Am Ende jedes Monats stellen Professoren und Meister 
ihren Schulern Zeugnisse fiber Anlagen und Fleiss aus. Mitte 
August findet eine Prufung statt, welcher der Oberst und die Offi- 
ziere der Garden und eingeladene hochstehende Personen beiwohnen. 
Die Ergebnisse wie auch die aus den Zeugnissen gefolgerten Urteile 
werden in Sitzungen des Lehrkorpers festgestellt. Der Rest des August 
und der September sind praktischen U bun gen gewidmet, Ferien linden 
nicht statt. Ein erheblicher Teil des Tages bleibt zu freier Verfuguug. 
Es wird erwartet, dass die Garden diese Zeit zu selbstandiger wissen- 
schaftlicher Bescnaftigung benutzen; dazu ist eine Buchersammlung 
vorhanden. Um 11 Uhr abends miissen sie zu Hause sein. 

Die Tagesordnung wird durch Signale geregelt. Der Unterricht 
beginnt vom 1. Oktober bis 15. Marz, nachdem eine Arbeitsstunde vor- 
angegangen ist, um 8, vom 16. Marz an um 6 Uhr und dauert bis zum 
10. Dann folgt das erste Fruhstuck. Von 11 bis 3, bezw. bis 2 ist 
wieder Unterricht. Es entfal'len an Wochenstunden in der 

1. Klasse: im Winter auf: Deutsch 10, Franzosisch 2, 
Italienisch 1, Planzeichnen 6, Schreiben 3, Dienstreglement etc. 4. In- 
fanterieexerzieren 2, Kavallerieexerzieren zu Fuss 2, Reiten 6, Fech- 
ten 2, Tanzen 1; im Sommer auf: Deutsch 11, Franzosisch 2, 

9* 



Digitized by Google 



132 Geschichte des Militar-Emehungs- uud -Bildungawesens etc. 



Italienisch 1, Geographie 3, Planzeichnen 5, Schreiben 3, Infanterie- 
Dienstreglement 2, Kavallerie-Exerzierreglement 4, Infanterie -Exer- 
zieren 3, Reiten 6, Fechten 1, Tanzen 1. 

2. Klasse: im Winter auf: Deutsch 5, Franzosisch 2, Italienischl, 
Arithmetik und Algebra 3, Geographie 3, Planzeichnen 4, Schreiben 3, 
Infanterie- und Kavallerie-Dienstreglement je 1, Infanterie-Exerzier- 
reglement 2, Kavallerie-Exerzierreglement 1, Infanterie-Exerzieren nnd 
Kavallerie-Exerzieren zu Fuss je 1, Reiten 6, Fechten und Tanzen je 1; 
im Sommer: Deutsch unter Bearbeitung kleiner Aufsatze 6, Fran- 
zosisch 2, Italienisch 1, Arithmetik etc. 4, Geographie 3, Plan- 
zeichnen 5, Schreiben 3, Infanterie- und Kavallerie-Dienstreglement 
je 1, Infanterie- und Kavallerie-Exerzierreglement je 2, Infanterie- 
Exerzieren 2, Kavallerie-Exerzieren zu Fuss 1, Reiten 6, Fechten 2, 
Tanzen 1. 

3. Klasse: im Winter: Deutsch 2, Franzosisch 2, Italienisch 1, 
Geometrie 4, Geschichte 3, Feldbefestigungskunst in Verbindung mit 
Artillerieunterricht und den bezuglichen im Kriege hauptsachlich vor- 
kommenden Arbeiten nebst den dazu gehorigen Zeichnungen 3, Mili- 
tarverwaltung 2, Planzeichnen 2, Linear- und Geometral zeichnen 3, 
Militar-Geschaftsstil 2, Schreiben 1, Exerzierreglements der Infanterie 
und der Kavallerie 3, Infanterie- und Kavallerie-Dienstreglement je 1, 
Reiten 6, Fechten 1; im Sommer: Deutsch 2, Franzosisch 3, 
Italienisch 1, Geometrie 4, Geschichte 3, Feldbefestigung etc. 4, Ele- 
mentartaktik 3, Militarverwaltung 3, Planzeichnen 2, Linear- etc. 
Zeichnen 3, Militar-Geschaftsstil 4, Schreiben 1, Anleitung zum An- 
weisen bei der Infanterie 2, Reiten 6, Fechten 1. 

4. Klasse: im Winter: Deutsch 2, Franzdsisch 2, Italienisch 1, 
Geschichte 3, Taktik der Infanterie, Kavallerie und Artillerie mit 
Bezugnahme auf das Gelande 3, Felddienst 3, Militar-Geschaftsstil 3, 
Vorschriften fur die taktischen TTbungen mehrerer Infanterieregi- 
menter 2, desgl. fur Aufstellung und Bewegungen mehrerer Kavallerie- 
regimenter 2, Taktisches und Befestigungszeichnen unter Beruck- 
sichtigung des Gelandes 4, Planzeichnen 2, Schreiben 1, Anleitung 
zum Anweisen bei der Kavallerie zu Fuss 1, Reiten 6, Fechten 1; 
im Sommer: Deutsch 2, Franzosisch 3, Italienisch 1, Geschichte 3, 
Taktik etc. 3, Felddienst 4, Militar-Geschaftsstil 4, Vorschriften etc. 
fur Infanterie und Kavallerie je 3, Taktisches etc. Zeichnen 5, Plan- 
zeichnen 2. Schreiben 1, Anleitung zum Anweisen beim Exerzitium 
der Infanterie 1, Reiten 6, Fechten 1. 

Mithin fand im Winter taglich 6, im Sommer 7 Stunden Unter- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



133 



richt statt. Die Schwimmschule ward ausserhalb der den genannten 
Unterrichtsgegenstanden gewidmeten Zeit besucht. 

Der Wirksamkeit der Lehranstalt, an welcher unter anderen der 
nachmalige General- Kriegskommissar V. v. Strefileur unterrichtete, 
warden gute Erfolge nachgerfihmt. Das Jahr 1848 bereitete ihrem 
Dasein, wie dem der Ungarischen Garde, ein fruhes Ende. 

III. Die Ingenieur-Akademie. 

Im Beginne des 3. Zeitraumes stand die Ingenieur-Akademie 
unter dem zum General- Genie -Direktor ernannten Erzherzog Jo- 
hann. Die erste von ihm getroffene Anordnung bestand in der 
Wiederaufnahme des Lateinischen unter die Lehrfacher. Sie wird 
zu Anfang des 19. Jahrbunderts erfolgt sein, denn in einem am 
5. September 1803 vom Kriegsminister Erzherzog Karl an die 
Lokaldirektion gerichteten Erlasse, 1 ) welcher die Anstellung eines 
zweiten Klassenlehrers mit jahrlicb 500 Gulden fur die 1. Unter- 
richtsklasse anordnet, heisst es, dass die Anstellung durch die „neuer- 
dings und als wesentlicher Lehrgegenstand erfolgte Normierung- 4 des 
Lateinischen fur die gedachte Klasse bedingt sei. 

Andere grundsatzliche Anderungen in den Einrichtungen der 
Akademie fanden bis zum Jahre 1808 nicht statt. Es gent dies 
aus einem vom 27. Dezember jenes Jahres datierten, sehr eingehenden 
Berichte fiber den dermaligen Zustand derselben hervor, welcher sich in 
den Akten der k. und k. Technischen Militar-Akademie befindet und 
um so wichtiger ist, als sich aus dem Schriftstucke ein Bild der 
Anstalt ergiebt, wie es die alteren Nachrichten in gleicher Deut- 
lichkeit nicht gewahren. Wir bringen es daher zu unverandertem 
Abdrucke. 

Verfassung der k. k. Ingenieur-Akademie zu Wien. 

Die k. k. Ingenieur-Akademie hat vorzuglich zur Absicht, 
junge Leute dergestalt zu bilden und zu unterrichten, um mit selben 
die von Zeit zu Zeit bei dem Ingenieurs-Korps sich ergebenden Er- 
ledigungen wieder zu besetzen. 

Bei Entstehung der Ingenieur-Akademie wurde die Zahl der 
Zoglinge eigentlich nicht bestimmt, und konnte es nicht sein, da 



») Akten der k. und k. Technischen Militar -Akademie. 



Digitized by Google 



134 Geschichte dea MilitSr-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



dieses Institut gleichsam von sich selbst entstand. Man setzte demselben 
einige Privat-Stiftungen zum Grunde, nahm es nnter den Schutz des 
Staates, gab ihm ein Gebaude, ein massiges Dotations-Kapital, nnd das 
ubrige sollte durch die Einnahme von Kostgehern bewirkt, und die Aus- 
lagen durch den Ertrag der Zinsen von den Dotations- und den Stiftungs- 
Kapitalien und durch die eingehenden Kostgelder bedeckt werden. 

Die Zahl der Stiftlinge bestehet dermalen aus 59; namlich 16 
von der Teufenbachschen Stiftung, 16 von der Deblinschen, 8 von 
der Schellenburgschen, 4 von der Chaosschen, 4 von der Griener- 
schen, 4 von der Micosischen, 4 von der Ingenieurs-Stiftung t 1 von 
der Jenemaischen, 1 von der Rudtschen und 1 von der O'Garaschen. 
Diese verschiedenen Stiftungen sind durchgehends durch Privatpersonen 
errichtet worden, die zum Teile das Verleihungsrecht sich und ihren 
Erben vorbehalten oder hierbei gewisse Bedingnisse und Einsehran- 
kungen festgesetzt haben. Nebst diesen bisher benannten Stiftungen 
hat vor einigen Jahren Herr Graf Georg von Festetics eine Stiftung fur 
3 Zoglinge, Herr Ludwig von Rhedey eine fur 2 und Herr Baron 
von Beleznay eine fur 1 Zdgling errichtet, woruber diese Herrn sich 
und ihren Familien das Verleihungsrecht auf immer vorbehalten 
haben. Da jedoch diese drei letzteren Stiftungen nicht auf immer, 
sondern nur auf so lang der Ingenieur-Akademie einverleibt worden 
sind, bis in Ungarn selbst eine Militar-Akademie errichtet wird, so 
werden diese Stiftlinge nicht eigentlich als bei dieser Akademie Ge- 
stiftete angesehen, sondern in allem wie die ubrigen Kostgeher be- 
handelt 

Die Zahl der Kostgeher ist nicht gleich, weil sie von den 
mehr oder wenigeren urn die Einnahme sich Meldenden abhangt; 
nur durfte sie bisher nicht wohl die Zahl von 200 uberschreiten, 
weil das jetzige Akademie-Gebaude nach seiner bisherigen Einrichtung 
nur Raum fur 260 Zoglinge, die 12 Ingenieurs-Korps-Kadetten nicht 
mitgerechnet, verschaflfte. Diese Zahl von 200 Kostgehern war meistens 
vollstandig und es ereignete sich zum ofteren, dass sie selbst fur die 
urn die Einnahme sich Meldenden nicht zureichte, und diese, bis 
sich neue Erledigungen ergaben, vertrpstet und zur Einnahme vor- 
gemerkt werden mussten. Nach einem aber eben jetzt herabgelangten 
Allerhochsten Befehl wird der Raum in dem Akademie-Gebaude derge- 
stalt erweitert, dass kunftighin ganz fuglich die ZaU der Kostgeher 
bis auf 250 vermehrt werden kann. 

AUe in den verschiedenen Provinzen der osterreichischen 
Monarchie gebornen jungen Leute haben ein gleiches Recht in diese 



Digitized by Google 



Osterreich- Uugarn . 



135 



Akademie zu treten, wenn sie die diesfalligen Kosten tragen wollen; 
fur jeae von auswartigen Staaten muss vorlaufig die Bewilligung bei 
Sr. Majestat dem Kaiser oder bei Sr. Kaiserl. Hoheit dem Erzherzoge 
Johann als General-Genie-Direktor und Oberdirektor dieser Akademie 
angesucht werden. Bin aufzunehmender Jungling, sei er gestifbet oder 
Kostgeher, darf nicht unter 9 Jahren und soil nicht wohl fiber 
15 Jahre alt sein, weil das Alter unter 9 Jahren noch zu unbehilflich 
ist; ein Jungling aber, der schon 15 Jahre iiberschritten hat, sich 
nicht zu willig der in dieser Akademie eingefuhrten Ordnung unter- 
zieht Nut bei solchen jungen Leuten, welche schon anderwarts gute 
Studien gemacht haben und die freiwillig mit dem ernstlichen Ent- 
schluss, sich auf die hier gelehrt werdende Wissenschaft mit Eifer 
zu verwenden, in die Akademie kommen, kann man eine Ausnahme 
von dieser Regel machen. Der junge Mensch soli zugleich ohne 
korperliche Gebrechen, von gesunder und ziemlich starker Leibs- 
beschaffenheit und mit den zur Erlernung abstrakter Wissenschaften 
erforderlichen Talenten begabt sein. Da es sich urn die Bildung 
kunftiger Militarpersonen handelt, so darf die angemessene Leibes- 
konstitution hierbei nicht ausser Augen gesetzt werden und eben so 
wenig die Geistesanlage , wenn sie Manner von Kenntnissen werden 
soften. 

Die Erziehung dieser Jugend, wovon mehrere schon in dem 
Alter von 9 oder 10 Jahren in die Akademie treten, muss sonach 
die physische, die moralische und die wissenschaftliche Bildung der- 
selben zum Gegenstand haben. Zur physischen Erziehung ist erfor- 
derlich: ein gesundes und geluftetes Gebaude mit einem hinlanglich 
gros8en Garten, damit die Jugend darin in den Erholungsstunden 
Bewegung machen und sich mit verschiedenen, die Entwickelung der 
Leibeskrafte und des Wachstums befordernden Spielen ergotzen 
konne; eine einfache, aber zugleich gesunde und zureichende Nahrung; 
eine angemessene Kleidung; genugsamer Wechsel der weissen Wasche; 
eine kluge Einteilung der Stunden zum Schlafen, Speisen, Lernen 
und Spielen, damit dieses abwechselnd geschieht und dass selbst bei 
dem Lernen die schwereren und abstrakteren Gegenstand e mit 
leichteren, den Geist weniger einnehmenden abwechseln; endlich die 
arztliche Hilfe im Erkrankungsfalle. Hierbei ist noch darauf za sehen, 
dass man in Absicht auf die mehr oder minder heftige Bewegung 
bei den Spielen und Leibesubungen, wie auch auf die mehr oder 
mindere Aussetzung in der Kalte und Warme und in der schlechten 
Witterung eine gewisse Mittelstrasse einschlage. Fordert man hierin 



Digitized by Google 



136 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungawesens etc. 



von einem Knaben mehr, als seine bereits erreichten Kraft e erlauben, 
so laufr man Gefahr, einen Kruppel aus ibm zu machen, und ver- 
zartelt man ihn zu viel, so erhalt man nur einen Weichling, der 
sich fur den Militarstand wenig eignet. 

Das jetzige Akademie-Gebaude auf der Laimgrube vereinigt 
die zuvor erwahnten Eigenschaften in einem hohen Grade. Es liegt 
in einem der erhabensten Teile derVorstadte Wiens und hat daher eine 
reinere Luft; es enthalt geraumige Lehrsale und Schlafgemacher, hat 
schone, breite Gange, worin zu Winterszeit und bei zu schlechter 
Witterung die Jugend Bewegung machen kann, und einen weit- 
laufigen Garten zu den verschiedenen Spielen und Leibesubungen in 
freier Luft. Das einzige Gebrechen bei diesem Gebaude war vorhin 
der Mangel an gesundem Trinkwasser, und diesem ist aach dermalen, 
durch die auf Kosten Sr. koniglichen Hoheit des Herrn Herzogs von 
Sachsen-Teschen vor drei Jahren neu errichtete Wasserleitung, voll- 
kommen abgeholfen worden. 

Die Nahrung bestehet bei der ersten oder bessern Verpflegung 
in 5 Speisen zu Mittag und 3 des Abends; bei der zweiten oder 
mindern Verpflegung in 4 Speisen zu Mittag und 2 des Abends. An 
Wein bekommt sowohl bei der einen als der andern Verpflegung 
jeder Zogling ein Drittel Seidel bei jeder Mahlzeit und an Brot des 
Tages jeder 24 Lot. Man hat fur gut gefunden, bei dieser Akademie 
zweierlei Arten der Verpflegung einzufuhren, nicht so sehr, weil die 
Nahrung bei der mindern nicht zureichend oder zu schlecht ware, 
sondern um auch jene Eltern von einem hohern Stands und besseren 
Glucksumstanden zu befriedigen, welchen diese Nahrung fur ihre 
Kinder zu gering scheinen mochte. tTbrigens hat die Erfahrung von 
beinahe 30 Jahren gezeigt, dass in bezug auf die Entwickelung der 
Leibeskrafte und des Wachstums, wie uberhaupt auf das gute Ge- 
deihen der Jugend nicht der geringste Unterschied in Ansehung 
der einen oder der andern Verpflegung abzunehmen gewesen ist, 
welches hinlanglich beweiset, dass die Nahrung bei der 2. Ver- 
pflegung ebenfalls zureichend und der Absicht entspreohend sei. 

Die Kleidung besteht in einem hechtgrauen tuchenen Rocke 
mit Weste und Beinkleidern zum gewohnlichen Tragen im Hause 
und in einer weissen Uniform mit roten Aufschlagen und Kragen 
zum Ausgehen und fur die Sonn- und Feiertage. Uniform-Oberrocke 
mit roten Aufschlagen und Kragen, wie auch Stiefeln, werden zwar 
zu tragen erlaubt, werden aber nicht von der Akademie gegeben, 
sondern mussen von den Zoglingen selbst angeschaflt werden. Da 



Digitized by Google 



Osterreich- 1 1 ngarn . 



137 



es mehrmals geschehei) ist und noch zuweilen geschieht, class einige 
junge Leute in die Akademie eingetreten und bald darauf wieder 
weggegangen sind, wodnrch die Akademie wegen der ihnen verab- 
reichten Unifonnierung in Schaden kam, so hat man bei Einnahme 
eines Kostgehers zum besonderen Bedingnisse gesetzt, dass jeder bei 
der ersten Verpflegung fur diese erste Unifonnierung fiber das sonstig 
festgesetzte Kostgeld insbesondere einen Betrag von 120 Gulden und 
bei der zweiten Verpflegung einen Betrag von 110 Gulden entrichte, 
und nebstdem an Wasche und andern Kleinigkeiten folgende Stucke 
mitbringe, namlich 12 neue Hemden, 12 Paar neue weisse Strampfe, 
12 Schnupftucher, 12 Unterbeinkleider, 12 weisse Halstucher im 
Hause zu tragen , 4 schwarzseidene Halstucher zum Ausgehen, 
4 Schlafhauben, 1 dreieckigen, militariseh gestulpten Hut mit einer 
silbernen Schleife, 2 Paar neue Schuhe mit Bandera, 1 Paar stahlerne 
Beinkleider-Schnallen, 1 silbernen Essldffel, 1 Gebetbuch. Dann be- 
kommt jeder der neu Eintretenden fur die vorhin erwahnten 120 
oder respektive 110 Gulden von der Akademie : 1 weisse Uniform 
mit Weste und Beinkleidera , 1 Uniform- Oberrock mit roten Auf- 
schlagen und Kragen, 1 Uniform-Degen mit Kuppel und Schliesse, 

1 hechtgrauen Hausrook mit Weste und zwei Paar Beinkleidera, 1 Hut, 

2 Kamme, 3 Bursten, 1 Spiegel, 1 Haarpuderschacbtel samt Dollen. 

Auf die ubrige Zeit, so lang ein Zdgling auch in dem Hause 
verbleiben mag, sorget die Akademie fur die Nachschaffung und 
Unterhaltung der bendtigten Kleidungsstucke. 

Das Waschen wird von der Akademie besorgt, und jeder Zdg- 
ling bekommt wdchentlich an weisser Wasche folgende Stucke: 
2 Hemden, 2 Paar Strumpfe, 2 Schnupftucher, 1 Halstuch, 1 Unter- 
beinkleid, 2 Servietten, 2 Tischtucher an die Tafel, 1 Handtuch und 
(alle Monate) 2 Leintucher. 

Die Betten werden von dem Hause hergegeben; sie bestehen 
aus einem Strohsacke und einem Strohsackpolster, einer rosshaarenen 
Matratze nebst derlei Kopfkissen, 2 Leintuchern, einer abgenahten 
kattunenen Decke und uberdies im Winter aus einer wollenen Kotze. 
Jeder Zogling hat sein besonderes Bett, welche zu 3 Schuh Weite 
voneinander abstehen. 

Die Jugend gehet taglich abends um 9 Uhr schlafen, stehet 
morgens um 6 Uhr auf, kleidet sich an, waschet sich und fruhstucket 
bis 8 / 4 7 Uhr, wo sie sofort zum Kirchengehen angestellt, in der 
Ajustierung visitiert und in die Kirche gefuhrt wird. Um 7 J /a Uhr 
fangt der Unterricht an und dauert abwechselnd mit verschiedenen 



Digitized by Google 



138 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Gegenstanden bis ll'/i Uhr. Von 12 bis »/U Uhr wird zu Mittag 
gespeiset, wonach sofort bis etwas vor 2 Uhr, wenn es die Witterung 
erlaubt, in den Garten gegangen oder bei Abler Witterung in den 
Gangen des Gebaudes auf und ab gegangen wird. Um 2 Uhr fangt 
der Unterricht wieder an und dauert bis 6 Uhr. Von 6 bis 7 ist 
Erholung und von 7 bis 8 Uhr abermaliger Unterricht oder Vor- 
bereitung zu dem naohfolgenden Unterricht auf den andern Tag. 
Um 8 Uhr ist das Abendessen bis 8Vs, wonach sich die Jugend in 
die ihr angewiesenen Schlafzimmer verfuget, daselbst das Abendgebet 
yerrichtet und bis 9 Uhr als die Zeit zum Ausziehen und Schlafen- 
gehen verweilet. 

Zu Besorgung der Kranken sind ein Oberarzt, ein Ordinarius, 
ein Wundarzt, ein Augenarzt und ein Zahnarzt, dann 2 Kranken- 
warter von der Akademie bestellt und besoldet. 

Religion, Rechtschaffenheit , Offenheit des Charakters, Gute des 
Herzens und Menschenliebe sind Eigenschaften, die jeder Mensch 
haben sollte, und die folglich auch dieser Jugend nach Moglichkeit 
eingefldsst werden mussen. Da aber diese Jugend zum Militardienst 
bestimmt ist und aus ihr kunftige Offiziere von hdherem oder niederem 
Range gebildet werden sollen, so wird es notwendig, ihr nebst den 
vorbenannten allgemeinen Eigenschaften noch insbesondere ein hohes 
Ehrgefuhl, Vaterlandsliebe und Anhanglichkeit an den Landesfursten, 
Mut, Entschlossenheit und Selbstverleugnung so viel nur immer 
thunlich beizubringen , wenn die Erziehung der Absicht entsprechen 
soli. Dass man es hierin mit alien Zoglingen gleich weit, oder auch 
selbst nur mit mehreren bis zu einem hohen Grade bringe, dieses 
ist von keinem Institute, noch weniger aber von einem mit so wenig 
Hilf8mitteln als die hiesige Ingenieur- Akademie versehenen, zu ge- 
wartigen. Es ist genug, wenn man sich mit den beihabenden Mitteln 
diesem Ziele so viel moglich zu nahern trachtet. Die Ingenieur- 
Akademie kann keine besonderen Erzieher fur die Jugend halten, 
weil sie hierzu nicht reich genug ist, und ware sie es, so ware es 
vielleicht selbst nicht ratlich, weil jeder Erzieher wahrscheinlich nur 
nach seiner Art erziehen wollte. Man muss sich daher hierbei ein- 
facherer Alittel bedienen und die Sache gleichsam als eine Maschine 
ansehen, die, wenn sie einmal in Gang gebracht ist, nur darin er- 
halten zu werden bedarf. Alles hangt von der steten Aufsicht uber 
die Jugend und von der genauen Beobachtung ihrer Handlungen ab. 

Zu dieser Aufsicht bei der Ingenieur -Akademie ist eine aus 
Veteranen zusammengesetzte, hier garnisonierende Kompagnie vom 



Digitized by Google 



68terreich-Ungarn. 



139 



k. k. Sappeurs-Korps bestimmt. Die gemeine Mannschaft 
dieser Kompagnie versieht die Wachen in dem Akademie -Gebaude, 
welche an den Orten, wo die Aufsicht am notigsten wird, aufgestellt 
werden. Die Unteroffiziere werden als Kadettenfflhrer oder Auf- 
seher in den Klassen verwendet. In jeder Klasse sind stets wenigstens 
zwei zugleich im Dienste, damit, wenn der eine zum Essen geht oder 
sich wegen eines Geschaftes entfernen muss, der andere immer gegen- 
wartig sei und die Jugend nie ohne Aufsicht gelassen werde. Des 
Nachts werden diese Unteroffiziere in die Schlafzimmer verteilet und 
schlafen mit der Jugend in denselben. Diese Unteroffiziere sind 
keine Erzieher. Es ist ihnen ausdrucklich untersagt, mit der Jugend 
zu moralisieren oder ihr Lehren geben zu wollen, die meistens wenig 
passend ausfallen durften. Sie sind angewiesen, die Jugend bloss 
zu beobaehten und, wenn sie wahrnehmen, dass einer wider die be- 
stehende Vorschrift handelt und entweder eine Schuldigkeit verab- 
saumet oder einen gegebenen Befehl ubertritt, so haben sie den 
Fehlenden seiner Pflicht zu erinnern und, wenn er sich auf dieses 
Anreden nicht zur Ordnung begiebt, die Sache dem Inspektions- 
Offizier sogleich anzuzeigen. Das Namliche hat auch bei wirklich 
verubten Vergehungen zu geschehen. 

Die bei dieser Kompagnie angestellten Oberoffiziere verrichten 
wechselweise den Inspektionsdienst. Sie mussen, wahrend sie im 
Dienste sind, stets bei der Hand sein und von einer Elasse in die 
andere gehen, um uberall die Ordnung zu behandhaben und darauf 
zu sehen, dass sowohl die Jugend als die Unteroffiziere und die 
Wachen ihre Schuldigkeit errullen. Diesen ist es erlaubt, der fehlen- 
den Jugend Ermahnungen zu mac hen und Belehrungen zu geben; 
aber sie mussen bei Vergehungen, die eine Ahndung verdienen, 
hieruber den Rapport dem zur Oberaufsicht bei der Akademie ange- 
stellten Stabsoffiziere erstatten, welcher letztere die Sache, wenn es 
notig ist, zur Kenntnis des Direktors bringt. 

Dem D ire k tor, dem zur Oberaufsicht angestellten Stabsoffi- 
ziere, den Lehrern und auch den Inspektions-Offizieren 
liegt es ob, die Denkungsart und die Moralitat der Jugend zu bilden, 
wozu sich vielfaltige Gelegenheiten darbieten. Bei den jflngeren 
Knaben in der 1. und 2. Klasse haben vorzuglich die Lehrer dies 
Geschaft auf sich, und die Akademie hat das Gluck, hierzu zwei 
schatzbare Manner zu besitzen. tfberhaupt wird bei dieser Erziehung 
darauf gesehen, dass anfangs dem kleineren Knaben von Seite der 
Oberrr nur die Liebe und Sorgfalt des Vaters fur das Kind fuhlen 



Digitized by Google 



140 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



gemacht wird. In der Folge treten, nach Mass er alter wird, nach 
und nach die Verhaltnisse des Vorgesetzten gegen den Untergebenen 
mehr ein, bis am Ende der Erziehung nur der Obere erscheinet. 

Den Religions-Unterricht nebst der christlichen Moral giebt 
der Katechet, wozu nebst Haltung des Gottesdienstes zwei Priester 
bei der Akademie angestellt sind. 

Die Strafen hat der Stabsoffizier und, wenn das Vergehen eine 
mehrere Ahndung verdienet, der Direktor selbst zu verhangen. Die 
Bestrafungsarten sind : die Vermissung des Ausgehens zu den Eltern, 
Angehorigen oder Bekannten an Sonn- und Feiertagen, bei den Kleinen 
die Untersagung des Spielens in den Erholungsstunden entweder 
irgendwo stehend oder knieend, in halber Earenz der Speisen bei 
dem Mittagessen, in Arrest auf einen halben Tag und nach Um- 
standen auf ein- oder zweimal 24 Stunden ohne oder auch mit Eisen, 
in der Rute bei den Kleinen. 

Man hatte gewfinscht, diese letztere Bestrarangsart auch bei den 
Kleinen ganzlich beseitigen zu konnen. Allein die Jugend ist zu 
unbedachtsam, die Vorstellungen wirken in diesem Alter nichts oder 
wenig, sie gewohnt sich der leichteren Strafen und macht sich nichts 
daraus, denn man darf ihr weder lange Arreste noch eine anhaltende 
Karenz verhangen, weil durch das erstere der Unterricht versaumt 
wird und durch das andere die Gesundheit leiden kann. Man wirft 
zwar dieser Art der Bestrafung vor, dass sie den Charakter erniedrige 
und das Gefuhl fur die Ehre stumpf mache. Man wird jedoch dieses 
nicht so leicht za besorgen haben, wenn man diese Strafe nie bei 
solchen Subjekten anwendet, die sich schon fur sich durch gelindere 
Mittel leiten lassen, und wenn man dem jungen Menschen nach aus- 
gestandener Strafe nie einen Vorwurf diesfalls macht und ihm, be- 
sonders wenn eine Besserung eintritt, die namliche Achtung und das 
namliche Wohlwollen wie alien ubrigen bezeiget. tTbrigeus werden 
unbiegsame Junglinge, die nach vorausgegangenen derlei Be- 
strafungen sich nicht zum Guten wenden wollen, besonders aber 
jene , die wegen Sittenverderbnis der ubrigen Jugend gefahrlich 
werden konnen, in der Akademie nicht geduldet, sondern die Eltern 
und Verwandten mussen dieselben, wenn sie Kostgeher sind, auf 
Verlangen des Akademie-Direktors sogleich zurucknehmen, und wenn 
sie Stiftlinge sind, so wird die Anzeige daruber erstattet und auf 
ihre Entfernung gedrungen. Zur besseren Behandhabung der Dis- 
ziplin in diesem Hause ist eine Verhaltungs-Vorschrift verfasset 
word en, worin die Pflichten des Zoglings gegen sich selbst, gegeu 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn 



141 



seine Eltern und Lehrer, gegen seine MitscMler und sein Verhalten 
gegen die mindere Dienerschaft dargestellt sind. Diese Vorschrift, 
welch e zugleich alle seine Obliegenheiten vom Aufstehen bis zam 
Schlafengehen enthalt, wird mit Anfang eines jeden Monats der ge- 
samten Jugend vorgelesen, damit jeder in derKenntnis seiner Schuldig- 
keit bleibe. 

Die in dieser Akademie eingefuhrten Lehrgegenstande sind: 
die dentsche, lateinisohe, franzosische, bohmische Sprache; das Schon- 
und Rechtschreiben dieser Sprachen; derdeutsche Stil; allgemeine Ge- 
schichte und Erdkande; freie Handzeichnung als Vorbereitung zur Situ- 
ationszeichnung und burgerliehen Baukunst; Christen- und Sittenlehre; 
Rechenkunst und Algebra; Geometrie; geometrische und perspektivi- 
sche Zeichnung; Mechanik, Hydraulik nebst einem kleinen Kurs der 
Experimental-Physik; Aufnehmen und Nivellieren auf dem Felde; 
burgerliche Baukunst; allgemeine Grundsatze der Taktik und des 
Ulilitardienstes; Grundsatze zur Geschutzwissenschaft; Minenkrieg; 
Angriff und Verteidigung fester Platze; Festungsbaukunst. 
Uiese Gegenstande werden in folgende Klassen abgeteilet: 
In der ersten Klasse werden die jiingsten ZogHnge im Lesen, 
Schon- und Rechtschreiben der deutschen und lateinischen Sprache, 
in den ersten Grundregeln der Sprachkenntnis , in eiDigen Vorbe- 
griffen zur franzosischen und bohmischen Sprache, dann in der freien 
Handzeichnung, der biblischen Geschichte und in der Religion unter- 
wiesen. 

In der zweiten Klasse werden die etwas alteren Zoglinge in 
der deutschen und lateinischen Sprachlehre, die Syntaxis mitbegriffen, 
unterrichtet. Das Schon- und Rechtschreiben, die franzosische und 
bohmische Sprache, die freie Handzeichnung und Religionslehre 
werden fortgesetzt. Ferner werden die Geschichte der alten Yolker, 
die damit verbundene Erdbeschreibung, eine kurze Anleitung zur 
Erkenntnis naturlicher Dinge und zur Rechenkunst vorgetragen. 

In der dritten Klasse: Unterricht der gemeinen Rechenkunst 
und Algebra bis zur Auflosung der Gleichungen vom zweiten Grade 
mit Inbegriff der Lehre von den arithmetischen und geometrischen 
Proportioned die einfache Geometrie bis zu den ahnlichen Figuren 
und dem Aufnehmen auf dem Felde mit der Boussole und dem Mess- 
tische, die freie Handzeichnung, Fortsetzung der deutschen, fran- 
zosischen und bohmischen Sprache, des Schonschreibens und der 
Christenlehre. 

In der vierten Klasse: Fortsetzung der einfachen Geometrie, 



Digitized by Google 



142 Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



die Korpermessung, das Nivellieren, die arithmetischen und geometri- 
schen Progressionen, die Logarithmen und die geradlinige Trigono- 
metrie, ferner die Kegelschnitte, die Reihen, Auflosung der hoheren 
Gleichungen, Differential- und Integralrechnung, die spharische Trigono- 
metric , Situationszeichnung, Unterricht im deutschen Stil, der fran- 
zosischen Sprache und Religion. 

In der funften Klasse wird die Mechanik und Hydraulik ge- 
lehrt und ein kleiner Kurs der Experimental-Physik gemacht, der 
sich besonders auf die Bewegung der festen und fliissigen Korper 
und ihre Zusammensetzung, auf die verschiedenen Luftarten und 
gasartigen Materien, ihre Nutzliehkeit oder Schadlichkeit fur die Ge- 
sundheit der Menschen und Tiere, auf den Magnetism us und auf die 
Elektrizitat erstreckt. Die ubrigen Gegenstande des Unterrichts in 
dieser Klasse sind der deutsche Stil, die franzosische Sprache, geo- 
metrische und perspektivische Zeichnung, allgemeine Weltgeschichte, 
mathematische, physische und politische Erdbeschreibung. 

In der sechsten Klasse werden die allgemeinen Grundsatze 
der Taktik, des Militardienstes und der Artillerie vorgetragen, die 
Befestigungs-, Angriffs- und Verteidigungskunst fester Platze, die 
Feldverschanzung und burgerliche Baukunst, deutscher Stil und fran- 
zosische Sprache gelehrt. 

Die siebente Klasse besteht aus den zum Eintritte in das 
Ingenieur-Korps gewahlten Zoglingen unter dem Namen Ingenie'ur- 
Korps-Kadetten. In dieser Klasse wird der Unterricht uber die Be- 
festigungskunst und den Festungsbau erweitert und auf solcbe Gegen- 
stande ausgedehnt, die den Dienst des Ingenieur-Offiziers insbesondere 
angehen und deshalb andern Militars entbehrlicher sind. Diese 
Gegenstande bestehen vorzuglich in der Lehre von dem Aufzuge der 
Festungswerke , ihrer Defilierung von naheliegenden Anhohen, von 
wo sie eingesehen und beherrscht werden konnten, in der Mineur- 
kunst und dem unterirdischen Kriege, in dem Vorgehen bei Ent- 
werfung eines Projekts zur Anlage und Erbauung einer neuen Festung 
oder zur Verbesserung einer schon bestehenden und in dem Benehmen 
bei der nachherigen Ausfuhrung desselben, in der Art und Weise 
wie Bauanschlage und Bauuberschlage zu verfassen sind und endlich 
in der Wasserbaukunst , als Schleusen, Brucken, Uferbeschlage, 
Sporne, Kanale u. dgl. 

Zu diesem letztern Unterricht in der 7. Klasse werden aber nur 
diejenigen Zoglinge gelassen, welche nach Vollendung des Unter- 
richts in der 6. fur das Ingenieurs-Korps gewahlt werden, weil diese 



Digitized by 



Osterreich-Ungara. 



143 



Gegenstande far diejenigen, welche in die Regimenter zu treten 
haben, nicht so wesentlich sind und man sie nur damit ohne vielen 
Nutzen fiir sie und fur den Dienst vergebens aufhalten wurde. 

Um die Geisteskrafte nicht zu sehr zu ermiiden, ist bei Ein- 
teilung des taglichen Unterrichts gesorgt worden, dass die abstrakten 
Gegenstande morgens gegeben werden und dass sie mit andern minder 
sehweren abwechseln. Der Nachmittag wird grosstenteils zur Zeich- 
nung und Wiederholung des morgigen Unterrichts verwendet. 

Die einzigen institutsmassigen Leibesubungen sind Tanzen 
und Fechten, worin alle Zoglinge zu gewissen Stunden unterrichtet 
werden. Da das massige Kostgeld dem Institute nicht erlaubt, die 
Jiinglinge auf Kosten desselben im Reiten flben zu lassen, 1 ) so hat 
man die in dem Hause befindliche Reitschule nebst Stallung einem 
Bereiter ubergeben, welcher denjenigen, so die diesfalligen Kosten 
tragen wollen, Unterricht in dieser fiir den Militardienst so not- 
wendigen Kunst erteilet. Der Preis dafQr richtet sich nach dem 
hohern oder mindern Wert der Futterung und ist for jetzt auf 
22 Gulden des Monats festgesetzt. Pur die TTberlassung der Reit- 
schule und der Stallung hat sich der Bereiter anheischig gemacht, 
jahrlich 10 unbemittelte Zoglinge nach Benennung der Akademie- 
Direktion unentgeltlich im Reiten zu unterweisen. 

Zu Erteilung dieses samtlichen Unterrichts sind derzeit bei der 
Akademie als Lehrer angestellt: ein Oberstlieutenant von der 
Armee fur die Taktik und den Militardienst; von dem k. k. In- 
genieurs-Korps: ein Oberstwachtmeister fur den Aufzug und die 
Defilierung der Festungswerke, rur die Minen und den unterirdischen 
Erieg und fur das Benehmen bei Entwerfung eines Festungs-Projekts, 
dieser Oberstwachtmeister hat zugleich die Oberaufsicht uber die 
Disziplin; ein Hauptmann fur die Artillerie, Befestigungs-, Angriflfs- 
und Verteidigungskunst fester Platze und fur die Feldverschanzung; 
ein Hauptmann fur die Zivil-, Festungs- und Wasserbaukunst, Ver- 
fassung der Bauanschlage und Bauuberschlage ; ein Hauptmann fur 
die Mechanik, Hydraulik, Experimental-Physik und die mathematische 
Geographie; ein Hauptmann und ein Kapitan- Lieutenant fur die reine 
Mathematik in der vierten und dritten Klasse, wozu dermalen bei der 
anbefohlenen Vermehrung der Akademie noch ein dritter Ingenieur- 
Offizier unumganglich erforderlich wird. 

») Nach einer Meldung der Lokaldirektion an den Hofkriegsrat vom 7. Juli 
1804 sollte der langere Zeit sistiert gewesene Reitunterricht am 1. Oktober in 
der renovierten Reitschule wieder beginnen. 



Digitized by Google 



144 



Geschichte des Militar-Erziehunga- und -Bildungsweaens etc. 



Aus dem Zivilstande sind als Lehrer angestellt : zwei Lehrer 
von der deutschen und lateinischen Sprache, wovon einer zugleich 
in der 5. Klasse den Unterricht in der allgemeinen Weltgeschichte 
und in der physischen und politischen Erdbeschreibung erteilet; ein 
Lehrer vom deutschen Stil; zwei Lehrer von der freien Handzeichnung ; 
ein Lehrer von der Situations-, Geometral- und perspektivischen 
Zeichnung; zwei Lehrer der franzosischen Sprache ; ein Schreibmeister; 
zwei Tanzmei8ter; ein Fechtmeister. 

Zur Haltung des Gottesdienstes und fur den Religions-Unterricht 
sind bei der Akademie zwei Priester bestellet. Da auch in diese 
Akademie junge Leute von der helvetischen, evangelischen oder von 
der griechisch nicht-unierten Religion eingenommen werden, so werden 
diese dem Religions-Unterrichte beigezogen, damit sie sich die christ- 
liche Moral eigen machen, die fiir alle christlichen Glaubensbekennt- 
nisse einerlei ist; in dem Dogma aber werden diese Akatholischen 
nicht examiniert, und fur den Unterricht derselben nach eines jeden 
Glaubensbekenntnis mussen die Eltern oder Anverwandten selbst 
sorgen, wenn der Zogling nicht schon vor seinem Eintritte in die 
Akademie darin genugsam unterrichtet geworden ware. Alle 14 Tage 
werden diese Akatholischen in ihre respektiven Kirchen gefuhrt und 
werden auch alle Sonn- und Feiertage dahin gelassen, wenn die 
Eltem sie hierzu abholen und wieder zuruckbringen lassen. Ausser- 
dem mussen sie dem katholischen Gottesdienste beiwohnen, sich 
wahrend diesem geziemend verhalten und konnen dabei ihre Gebete 
nach ihrer Glaubenslehre in der Stille verrichten. 

Die Lehrkurse fangen jedes Jahr mit 1. Ok tuber an und dauern 
bis Ende August. Im September werden die Zdglinge von der 6., 
5. und 4. Klasse in verschiedene Parteien abgeteilt auf das Feld 
gefuhrt, um daselbst sich im Aufnehmen mit dem Messtische und 
der Boussole, in der trigonometrischen Aufnahme mit dem Quadranten 
und im Nivellieren praktisch zu iiben. Diese tFbung dauert gewohnlich 
drei Wochen und bei unsteter Witterung auch den ganzen Monat. 
Daher kann diese Akademie ihren Zoglingen nie Vakanzen zulassen; 
nur allein den jiingern Knaben von der 1. und 2. Klasse kann 
wahrend dieses Monats, wenn die Eltern es verlangen, ein TJrlaub 
von 3 oder 4 Wochen erteilt werden. 

Alle zu den verschiedenen Lehrkursen erforderlichen Schul- 
bucher, das Schreib- und Zeichnungs-Material , den Reisszeug und 
die sonstig benotigten Instrumente verschaflfet die Akademie. P ra- 
mi en hingegen zum Austeilen am Ende des Schuljahrs nach den 



Digitized by Google 



(Werreich-Ungarn . 



145 



abgehaltenen Prufungen, am damit den Fleiss und guten Fortgang 
zu belohnen und fur die Zukunft anzufachen, hat sie keine. Bei 
der 6. Klasse erlaugen alle Zoglinge, die bis dahin den ganzen Lehr- 
kurs mit einem befriedigenden Fortgang gemacht haben und sich 
ubrigens mit Bescheidenheit betragen haben, zur Belohnung und 
zum Zeichen des in sie setzenden Yertrauens das Vorreeht, dass an 
Sonn- und Feiertagen, wenn sie zum Speisen ausgebeten sind, sie 
allein und ohne Begleiter ausgehen durfen. Bei der 5. Klasse erlangen 
dieses Vorreeht die 6 oder 8 ersten und bei der 4. die 4 oder 6 
ersten. 

Die Prufungen in der 3., 4. und 5. Klasse in dem mathe- 
matischen Fache werden halbjahrig im Marz und August vorgenom- 
men; in den ubrigen Klassen geschehen selbe nur mit Ende des 
Jahreskurses. Bei jenen von der 6. Klasse, infolge welcher die Aus- 
wahl derjenigen Zoglinge, die in das Ingenieur-Korps einzutreten 
haben, geschieht, erscheinen gewohnlich Se. kaiserliche Hoheit der 
General-Genie-Direktor selbst, nebst den hier anwesenden Generalen 
und Stabsoffizieren yom Ingenieurs-Korps und so auch bei den 
Prufungen in der 7. Klasse, wonach diese Ingenieurs-Korps-Kadetten 
zu Oberlioutenants bei ersagtem Korps befdrdert werden. Da jedoch, 
weil das Ingenieur-Korps nicht zahlreich und daher der Abgang bei 
demselben nicht gross ist, dieses Los nur wenige treffen kann und 
unter den ubrigen, die jahrlich den akademischen Lehrkurs voll- 
enden, sich noch viele geschickte und hoffnungsvolle jnnge Leute 
betinden, die sehr empfehlbar sind und eine billige Aufmerksamkeit 
verdienen, so werden selbe zum Eintritte als Offiziere bei den Regi- 
mentern dem hohen Hofkriegsrat empfohlen, welcher sie auch als 
solche gewohnlich angestellt hat. Man darf sich schmeicheln, dass 
die Regimenter bis jetzt mit jenen Zdglingen, die ihnen auf solche 
Weise aus dieser Akademie zugekommen sind, noch stets zufrieden 
waxen. 

Die Akademie bestreitet alle Auslagen fur den physischen 
Bedarf der Zoglinge, das heisst fur ihre Nahrung, Kleidung, Wasche 
und Reinlichkeit, Betten, Arzneien, die zu dem Unterrichte erforder- 
lichen Schreib- und Zeichnungs-Materialien, die benotigten Schul- 
biicher und Instrumente, die Besoldung der Zivillehrer, Arzte, Be- 
amten und des minderen Hauspersonals, auch zum Teile jene der 
beiden bei der Akademie angestellten Priester. Die Besoldungen der 
bei der Akademie angestellten Militar-Personen geschehen aus der 
Kriegs-Kassa, nur beziehen die als Lehrer oder zur Auf sich t dabei 

Monuments Germaniae PaedagOffiOft XV. 10 



Digitized by Google 



146 Geschichte des Militar-Erriehungs- und -Bildungawesens etc 



angestellten Stabs- und Oberoffiziere, wie auch die als Aufseher oder 
als Wachen verwendeten Unteroffiziere and gemeine Mannscbaft von 
der Sappeurs-Kompagnie fur die Zeit, die sie in dem Akademie- 
Dienste zubringen, eine kleine Zulage aus der Akademie-Kasse. 
Ferners besorget die Akademie aus ihren Mitteln die Beheizung und 
Beleuchtung der Hauser, die neue Anschaffung und Unterhaltung 
aller notigen Geratschaften und endlich die Unterhaltung des Akademie- 
Gebaudes. 

Zu Besorgung der okonomischen Gegenstande ist ein 
Verwalter und ein Kechnungsfuhrer-Adjunkt als Kontrolor, dann ein 
Furier bei der Akademie angestellt; die zwei ersten ffihren daruber 
die Rechnung und sie unterlegen sie jahrlich der Milden-Stiftungs- 
Hofbuchhaltung zur Prufong. 

Die Einnahmen zur Bedeckung aller dieser Ausgaben bestehen 

1. in den Zinsen eines im Anfange der Akademie verliehenen Do- 
tations-Kapitals von 57 000 Gulden ; 2. in dem Ertrag der gestifbeten 
Platze, wovon 21 nur mit 200 Gulden des Jahres, 1 mit 260, 4 mit 
300 und 33 mit 400 Gulden gestiftet sind, welcher Betrag, vorzuglich 
jener mit 200 Gulden, bei weitem nicht mehr fur den physischen 
Bedarf des Stiftlings zureicht; 3. in den Zinsen yon einigen in 
wohlfeileren Zeiten ersparten und der Akademie eigentumlich zuge- 
horigen Kapitalien, welche Zinsen zu Erganzung der unzureichenden 
Stiftung8-Ertrage verwendet werden und 4. in dem Kostgelde der 
Unge8tifteten. 

Die Kost ohne Brot und Wein ist mit einem Traiteur verakkor- 
diert, wobei auf die thunliche Abwechselung der Speisen nach den 
dm8tanden und der Jahreszeit gesehen worden ist Der Preis bei 
der 1. Verpflegung bestehet dermalen in 36 l f% Kreuzer und bei der 

2. in 30 Yi Kreuzer des Tages. Das Brot wird bei einem burger- 
lichen Backer genommen und monatlich nach der vorgeschriebenen 
Taxe bezahlt. Der Bedarf an Wein wird jahrlich von der Akademie 
selbst bald da, bald dort angekauft, und man trachtet stets, einen 
Vorrat fur 3 oder 4 Jahre im Keller zu haben, am ihn etwas alter 
und genussbarer werden zu lassen. Das Tuch zur Kleidung wird 
bei einem hiesigen Kaufmann genommen, der der Akademie billige 
Preise macht und sie gut bedient. Die L ein wand zur Leib- und 
Bettwasche, wie auch das Tischzeug, wird von einem Lieferanten aus 
Kumburg in Bohmen genommen. Das ubrige zur Kleidung oder 
auch fur den Unterricht Benotigte sucht die Akademie aus der 
ersten Hand zu erhalten. Die bei der Akademie eingefuhrten Schul- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



147 



bOcher hat sie meistens selbst auflegen lassen und das erforderliche 
Zeichnnng8papier verschreibt sie unmittelbar aus Holland in grosseren 
Lieferungen auf einmal. 



Vermutlich hing der vorstehend abgedruckte Bericht mit Um- 
gestaltungsplanen zusammen. Ihrer Ausfuhrung trat zunachst der 
Krieg von 1809 in den Weg, welcher ubrigens die Anstalt nicht 
beruhrte, weil der franzosische Divisions -General Graf Andr^ossy 
ihr ein „Patent de Sauvegarde" erteilte. Nach Beendignng des- 
selben veranlassten die Preissteigerung aller Lebensbedurfnisse tmd 
die ungunstige Lage des Geldmarktes , dass am L Marz 1810 
far die in Extraverpflegung befindlichen Zoglinge das Kostgeld auf 
800, ihr erstes Equipierungsgeld auf 200, fur die in ordinarer 
Verpflegung befindlichen jenes auf 600, dieses auf 180 Gulden 
festgesetzt wurde; am 1. Januar 1811 folgte eine zweite Erhohung 
fur jene auf 1000 bezw. 350, fur diese auf 800 bezw. 230 Gulden, 
und am 16. Marz des letztgenannten Jahres, nachdem inzwischen der 
Wert des Papiergeldes zwangsweise geregelt war, eine dritte, fur das 
Kostgeld der 1. Klasse auf 425, fur das der 2. auf 315 Gulden, in 
Einlosungsscheinen zahlbar. 

Um diese Zeit erfolgte die Neugestaltung. Wann sie ins Leben 
getreten ist, habe ich nicht ermitteln konnen. Anfang 1811 war 
sie durchgefuhrt, denn am 18. Marz befiehlt die General-Genie- der 
Lokaldirektion , dass „in jeder der neu aufgestellten acht Klassen" 
Religionsunterricht erteilt werden solle, und am 10. Juli meldet 
letztere die Einrahrung eines neuen Unterrichtsplanes fur „die nun- 
mehr systematisierten acht Lehrklassen". Die Verfassung der k. k. 
Ingenieurs-Akademie in Wien 1 ) nennt als den Zweck der Anstalt 
wie fruher die Ausbildung geschickter Offiziere fur das Ingenieur- 
Korps. Um diesen zu erreichen, sollten anfangs viele berufen, spater 
wenige auserwahlt werden. Nur die vorzuglichsten Zoglinge sollten 
aus den niederen Klassen in die nachst hSheren versetzt werden, so 
dass die hochste, die 7., „grdsstenteils aus vollkommen ausgebildeten 
Junglingen" bestehen wurde, von denen dann wieder die Ausgezeich- 
netesten fur das Ingenieur-Korps bestimmt werden wflrden. Was 
nicht dazu gehorte, wurde dem Heere immerhin einen erwunschten 
Zuwachs an geschickten Offizieren bringen. Die Oberleitung hatte 
der General-Genie-Direktor, die Lokaldirektion ein General, unter 

») Wien, gedruckt bei Georg tyberreuter, 1814. 4°. 36 Seiten. 

10* 



Digitized by Google 



148 Geschichte des MMtar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



welchem zwei Stabsoffiziere die Studien bezw. die Disziplin flber- 
wacbten. Alle gehorten, wie auch die Lehrer der mathematisohen 
und der Geniewissenschaften, dem Ingenieurkorps an, den sonatigen 
Unterricbt erteilten Zivillehrer, den in Religion zwei Geistliche. Die 
Aufsioht ffihrten insbesondere die Offiziere und verlasslichsten Unter- 
offiziere der Sappeurs-Kompagnie. 

Die Zabl der Zoglinge betrug etwa 200, wozu noch die 8. Klasse 
kam; von jenen waren 46 Stiftlinge, die ubrigen Kostgeher. Be- 
dingangen der Aufnahme waren Gesnndheit and ein Alter 
von wenigstens 9, hochstens 15 Jabren. Das Scbuljahr dauerte 
von Anfang Oktober bis Ende August. Aus der 7. Klasse traten die 
vorzuglichsten Zoglinge als Kadetten in die 8. und nach Jahresfrist 
als Unterlieutenants in das Ingenieurkorps, die ubrigen als Fahnriche 
zur Infanterie oder als Unterlieutenants zur Kavallerie. Wer in der 
Mathematik nicht genfigte, trat aus der 4. Klasse unmittelbar in 
die 7. Alle obne Unterschied erhielten jetzt ein Brot zum Frfihstfick, 
4 Speisen mittags, 2 abends nebst Brot und etwas Wein. 

Die Bestimmungen fiber Kleidung, Wasche, Bedienung, Kranken- 
pflege und korperliche tTbungen sind die alten. Die Strafvor- 
scbriften nennen die Bute nicht mehr. 

Die Lehrgegenstande blieben die fruheren. Der sehr eingehende 
Studienplan verteilt sie in nachstehender Weise: 

1. Klasse: Deutsch, Lateinisoh, biblische Geschichte, tlbersicht 
des Erdbodens, Figurenzeichnen, Schreiben, Bohmisch, FranzSsisch, 
Christenlehre. 

2. Klasse: Deutsch, Lateinisch, Geschichte (bis Cyrus), Erd- 
kunde , Naturgeschichte , Bohmisch , Franzosisch , Figurenzeichnen, 
Christenlehre, Rechnen. 

3. Klasse: Arithmetik (einschl. Logarithmen) , Deutsch, Ge- 
schichte (bis zum Mittelalter), Erdkunde, Handzeichnen , Schreiben, 
Bohmisch, Franzosisch (nach Meidinger), Religion. 

4. Klasse: Geometrie, Trigonometrie, Deutsch, Geschichte (Mittel- 
alter), Erdkunde, Hand- und Situationszeichnen, Schreiben, Bohmisch, 
Franzosisch, Religion. 

5. Klasse: hohere Geometrie, Differential- und Integralrechnung, 
spharische Geometrie, mathematische Geographic, Abriss der Astro- 
nomic, Deutsch, Geschichte (neue), Erdkunde, Franzdsisch, Religion 
(Handbuch von Frint). 

6. Klasse: Mechanik, Aerostatdk, Hydrostatik, Maschinenlehre, 
tTberblick fiber die PhyBik, Deutsch, Geschichte (Wiederholang und 



Digitized by Google 



Osterreicb - Ungarn. 



149 



vaterlandische), Erdkunde (vorzuglich Vaterlandskunde) , Situations-, 
geometrisches and Perspektivzeichnen, Franzdsisch, Religion. 

7. Klasse: Befestigangskunst, Taktik, burgerliche Baukunst, 
Deutsch, Franzdsisch, Fortifikations- und Bauzeichnen, Religion. 

8. Klasse: Befestigungs-, Wasser-, Strassen- und Festungsbau- 
kunBt, Fortifikations- und Bauzeichnen, Franzosisch. 

Praktischer Unterricht: 6. Klasse Experimentalphysik und 
Mechanik; 4., 5., 6. Aufhehmen (September), 7. Aufhehmen a la vue, 
Be such des Artillerieubungsplatzes und von Baugegenstanden ; 7. und 
8. Sappeurarbeiten. 

Auf Mathematik wurde der hdchste Wert gelegt. Wahrend die 
5. und 6. Klasse ihre Tiefen ergrunden mussten, ward von ihnen 
im Deutschen nicht mehr gefordert, als „Darstellen kleiner Begeben- 
heiten, Fabeln, Beschreibungen etc.", bezw. „Briefe aus dem gesell- 
schaftlichen Leben, deren Inhalt einfach ist". 

Halbjabrlich fanden Prufungen statt, denen die Angehorigen 
beiwohnen durften. Auf Grund der Ergebnisse erfolgte durch die 
4 oder 6 besten Schuler die Bangsbestimmung samtlicher Zog- 
linge, eine Einrichtung, welche eine vorzugliche Wirkung ausgeubt 
haben soil. 

Die Tagesordnung war die fruhere. An SonD- und Feiertagen 
ward gestattet, bei AngehSrigen zu speisen; wer die Erlaubnis erhalten 
hatte, mus8te abgeholt und zuruokgebracht werden. 



Eine nach Beendigung der Berreiungskriege in Betracht gezogene 
TJmgestaltung der Akademie unterblieb der Kosten wegen. Der 
Hofkriegsrat schrieb damals: 1 ) „Die Ingenieur- Akademie hat seit 
ibrem Bestehen der Armee immer eine nicht anbedeutende Zahl wissen- 
8chaftlich gebildeter Offiziere geliefert. Sie verdient allerdings die 
grSsste Sorgfalt und Unterstutzung. An ihrer Organisation aber kann 
kaum etwas geandert werden, da dieselbe bei den ohnehin wenigen 
und beschrankten Stiftungen sich zum grossten Teile nur durch die 
Kostzoglinge erhalt und fur die Offizierssdhne mehr nicht als dermal 
12 Staftsplatze bestehen." 

Ein Bericht fiber die Verfassung der k. k. Ingenieurs- 
Akademie zu Wien*) aus dem Jahre 1835, zeigt, dass dieVerhaltnisse 
sich damals nicht wesentlich geandert hatten. Die wichtigste Anderung 



*) Rechkron a. a. O., S. 87. 

*) Ein Bogen. Gedruckt bei Anton Strauss' ael. Witwe, 1835. 



Digitized by Google 



150 Geschichte des Militar-Erziehungs- and -Bildungswesens etc. 



war die Verminderung am eine Elasse. Wann sie erfolgt ist, habe 
ich nicht feststeUen konnen. Vielleicht ist es gerade in jenem Jahre 
geschehen. 

An Stiftlingen waren 60 vorhanden, je zur Halfte staatliche und 
standische. Sie bezahlten kein Kostgeld, mussten aber fur die erste 
Einkleidung, das Taschen- und Putzgeld und fur einige Uniform- 
stucke selbst sorgen. Das Kostgeld betrug 430, die erste Ausrustung 
kostete 120 Gulden. 

Jeder Zdgling musste ein Taschengeld von hochstens 4 Gulden 
monatlich haben; fur Stiefelputzen bezahlte er der Anstalt halbjahr- 
lich 4 Gulden 48 Kreuzer. Der Besitz von Riogen, Dosen etc. war 
verboten ; im ersten Falle der tTbertretung des Verbots wurden solche 
den Angehdrigen zugestellt , im Wiederholungsfalle wurden sie zu 
einem wohlthatigen Zwecke verkauft. 

Jeder gesunde Inlander „von jedem Stande und was immer fur 
einer der tolerierten Religionen" war aufnahmefahig; er musste 
mindestens 12 Jahre alt sein. 

Al8 Fruh8tuck ward im Winter eine Suppe gegeben; derReit- 
unterricht auf der akademischen Reitschule kostete monatlich 
7 Gulden 12 Kreuzer, der im Schwimmen fur einen Sommer 
12 Gulden. 

Die ttberwachung war noch strenger geworden, doch wurden 
jetzt die beiden unteren Klassen den ganzen September, die ubrigen 
wahrend der zweiten Halfte dieses Monats beurlaubt, und an den drei 
Faschingstagen war erlaubt, in burgerlicher Kleidung auszugehen. 

Die katholischen Zoglinge horten taglich die Messe und gingen 
jahrlich viermal zur Beichte; for Befriedigung des religiosen Be- 
durfnisses der Andersglaubigen hatten Sonntags die Angehorigen zu 
sorgen. 

Die Zahl der Klassen war um eine vermindert. Auch das 
Lehrprogramm zeigt einige Abweichungen , welche toils aus dem 
Fehlen einer Klasse und dem spateren Eintritte, teils aus dem Weg- 
falle des Lateinischen und des Bohmischen, sowie aus dem noch 
grosseren Werte herrahrten , welcher auf die Mathematik gelegt 
wurde. Das Programm nennt nur die Lehrfacher und geht nicht 
in das Einzelne. Diese waren: 

in der 1. oder Vorbereitungsklasse: deutsche Sprachlehre; 
einfachste Rechnungsarten , besonders Kopfrechnen;. kurzer Abriss 
der Weltgeschichte , Geographic und Naturgeschichte ; Katechismus, 
biblische Geschichte des alten Buudes nebst Erklarung der sonn- 



Digitized by Google 



Onterreich-Ungarn. 



151 



und festtagigen Evangelien ; Franzosisch ; Handzeichnen ; Sehon- 
schreiben ; 

in der 2.: Arithmetik und Algebra: ausfabrlicher Lehrkurs der 
deatschen Sprache (bcginnt mit Orthographic und Grammatik); 
deutsche Staatengeschichte bis zu Maximilian L ; kurze tTbersicht der 
funf Weltteile und von Asien, Afrika, Amerika insbesondere; erwei- 
terte Darstellnng der katholischen Glaubenslehre nebst Geschichte 
Jesu; Franzosisch; Handzeichnen; Schonschreiben; 

in der 3.: einfache Geometric, Planimetrie, Stereometric, Nivel- 
lieren, ebene und spharische Trigonometrie ; im Deutschen Kon- 
struktionslehre und Periodenbau ; Fortsetzung der deutschen Geschichte 
und der von Frankreich; Beschreibung von Russland, Polen, Tfirkei, 
I) an em ark, Schweden, Norwegen; Glaubens- und Pllichtenlehre; 
Franzosisch; Schonschreiben; Handzeichnen; 

in der 4.: hdhere Geometric, namlich Kegelschnitte, Reihen, 
hohere Gleichungen, Differential- und Integralrechnung, mathematische 
Geographic; darstellende Geometric; Situationszeichnen ; im Deutschen 
Lehre vom Stil und Theorie der Erzahlung; allgemeine Weltgeschichte; 
Geographic Osterreichs, der Schweiz und Italiens; wissenschaftliche 
Notwendigkeit einer positiven Offenbarung, ihre Merkmale und Er- 
kenntnisquelle; Franzosisch; 

in der 5.: Mechanik der festen und flussigen Korper nebst dem 
Notwendigsten aus der Experimentalpbysik ; darstellende Geometrie; 
Situationszeichnen ; Franzosisch; Abriss der Denklehre, Lehre vom 
schonen und klassischen Stil; katholische Glaubenslehre mit Be- 
ziehung auf die Anforderungen der Philosophie; Ende des Vortrages 
iiber Geschichte mit der osterreichischen Staatengeschichte, fiber 
Geographic mit England, FrankTeich, Spanien, Portugal, Niederlande, 
Belgien und deutsche Bundesstaaten; 

in der 6.: Befestigungskunst (Wafifenlehre , Feldverschanzung, 
allgemeine Grundsatze der steten Befestigung, des Angriffs und der 
Verteidigung fester Piatze); Bautechnologie , bflrgerliche Baukunst; 
Taktik nebst Militargeschaftsstil; Theorie der Redekunst; katholische 
Sittenlehre; Franzosisch; Besuch merkwurdiger Bauten und des 
Artillerieubungsplatzes. 

Die nicht fur das Ingenieurkorps bestimmten Zoglinge traten 
nunmehr aus der 6. Klasse aus; dementsprechend blieb die Anordnung 
in Kraft, dass ein Teil aus der 4. unmittelbar in die 6. trat; die L 
war fur Knaben bestimmt, welche fur die 2. noch nicht reif waren. 
Die besten traten als „Ingenieur-Kadetten" 



Digitized by Google 



152 



Geschichte der Militar-Erziehungs- nnd -Bildungswesens etc. 



in die 7. Kl ass e. Sie warden in den ubrigen Teilen der Be- 
festigungs- nnd Banknnst in der for den Ingenieurofnzier erforder- 
lichen Ausdehnung nnd im FranzSsischen unterrichtet, horten einen 
Vortrag fiber Chemie und wohnten den L'bungen der Sappeure bei. 

Der Tanzunterricht begann in der 1., der im Fechten in der 
3. Klasse, der im Reiten konnte in der 4. angefangen werden. Die 
vier hoheren Klassen wurden in der Messkunst nnterwiesen. 



Ein ah nl ieher fiir die Offentlichkeit bestimmter Bericht iiber 
die Verf assung erschien 1847. Die Anderungen sind wiederum 
nicht bedeutend: Das I ruhstuck war im Sommer Brot mit Butter 
oder Obst, im Winter Brot und Milch oder Suppe; es ward kein 
Wein mehr gereicht; die Zoglinge der 6. Klasse erhielten samtlich 
freien Unterricht im Reiten, sonstige Teilnehmer zahlten den fruheren 
Preis; der Schwimmunterricht war unentgeltlich. Wer an dem an 
Stelle des Hutes getretenen Tschako die Doppelborte (d. h. Feldwebels- 
rang) hatte, durfte allein ausgehen; jeder andere musste von einem 
„anstandigen Manne" begleitet sein. Die Angehorigen der 7. Klasse 
waren seit 1839 nicht mehr Kadetten, sondern TInterlieutenants 
minderer Gebnhr; sie bewohnten einen eigenen Trakt und lebten nach 
einer besonderen Hausordnung. Nach bestandener Schlussprufung 
wurden sie zn wirklichen Unterlieutenants befordert 

IV. Die Kadetten-Anstalten. 

1. Vorbereitungen zur Errichtung von Kadettenschulcn. 

Am 1. Dezember 1751 befahl Maria Theresia die Einstellung 
eines Offizierssohnes als Kadett 1 ) bei einem Infanterieregimente. Es 
ist dies der erste bekannte Fall einer solchen Bestimmung. Es folgten 
andere und 1763 wurden bei der Infanterie Stellen fur Kadetten 
geschaffen. Die Einrichtung ward bald verallgemeinert, 1777 erschien 
eine „Kadetten-Norma" und im Anfange des 19. Jahrhunderts gab es 
ihrer drei Arten: k. k. Ordinari-Kadetten, spater k. k. Kadetten ge- 
nannt, mit einer Monatsgage von 7 Gulden; Privat-Kadetten, spater 
Regiments- oder Korps-Kadetten genannt, Sohne von Staatsange- 
horigen, namentlich von Offizieren und Adeligen, welche nicht dienst- 
pflichtig („unobligat") waren, das Monturgeld erlegten nnd eine 

») Naheres uber die Stellung der Kadetten bei Rechkron a. a. O., 8. 50. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 153 



Zulage nachweisen mussten; Expropriis-Kadetten oder Expropriis- 
Gemeine, welche obligat waren und durch Bezahlung des Montur- 
geldes, unter Znstimmung des Regiments- etc.- Kommandos, die Aus- 
nahme8tellung als Kadetten erhielteu. Nur die k. k. Kadetten hatten 
An8prach auf Beforderung; bei den fibrigen hing diese yon ver- 
schiedenen Umstanden, namentlich von Fursprache ab, und liess oft 
lange auf sich warten. Alle aber waren bestimmt, dereinst Offiziere 
zu werden, und wir begegnen daher mancherlei Vorschlagen , *) sie 
fur diesen Beruf auszubilden. Solcbe Yorscblage gingen teils aus 
dem eigenen Antriebe erfahrener Offiziere hervor, teils waren sie amt- 
lichen Ursprunges. 

Zu ersteren gehort der „Vorschlag eines alten Kriegsmannes 
zur Errichtung einer Art Kriegs-Schulen bei alien Regimentern der 
k. k. Armee in Fried enszeiten", welchen anno 1800 Rudolph 
von Otto, FML. und Inhaber eines Husarenregiments, von seinem 
Ruhesitze Rosochatitz in Bohmen aus macht. Er verlangt fur ein 
Husarenregiment eine Schule, in welcher neben Gegenstanden des 
praktischen Dienstes Schreiben, Rechnen und geometrisches Zeichnen 
gelehrt werden. Der uns bekannte FML. von Unterberger nennt 
unter dem 3. Februar 1802 als die dem Infanterieoffizier zum Militar- 
Metier notigenHilfswissenschaften: Mathematik, Zeichnen, Aufnehmen, 
Waffenlehre, Feldbefestigung. 

Man dachte zunachst daran, bei alien oder doch wenigstens bei 
den Infanterieregimentern Kadettenschulen zu errichten und „sowohl 
die Einleitung als Durchfuhrung dieser Schulen auf die namlichen 
Grundlagen zu legen, um alien Regimentern sowohl die gleiche Be- 
handlung und Einteilung der Lehrgegenstande als selbst die Autoren, 
nach welchen doziert werden soil, zu bestimmen". *) Der Eintritt 
sollte im Alter zwischen 15 und 19 Jahren erfolgen, die Zahl der 
Kadetten bei dem einzelnen Regimente 30 nicht uberschreiten. Auch 
Unteroffiziere und Expropriis-Gemeine sollten zugelassen werden 
durfen. Die staatsratliche MiUtar-Sektion schrieb, die Kadetten- 
schulen seien die wichtigsten Militarschulen. 

Die Au8tuhrung blieb hinter den anfanglichen Planen weit 
zuruck. Mit Rucksicht auf die sachlichen und personlichen Mittel, 
welche zu Gebote standen, beschrankte sich der Generalissimus Erz- 
herzog Karl darauf, dem Hofkriegsrate am 21. Februar 1808 einen 



*) Kriegs-Archiv: Denkschriften. 

») KriegB-Awhhr 1802-1809: Fui. VH, Nr. 60. 



Digitized by Google 



154 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Plan zur Errichtung von vier Kadettenschulen fur die Fusstruppen 
vorzulegen. *) 

Das Ergebnis der gefiihrten Verhandlungen war, dass nach 
erfolgter kaiserlicher Zustimmung der Erzherzog am 2. Mai den 
Befehl zur Errichtung der Anstalten gab. Es waren: 

2. Die im Jahre 1808 aufgestellten Kadetten- 

Kompagnien. 

Eine vom Hofkriegsrats-Prasidenten FZM. Graf Wenzel C olio- 
redo, dem als Referent Hofrat von Schouppe zur Seite stand, 
am 16. Juni d. J. erlassene „Vorschrift, die neuzuerrichtenden Kadetten- 
schulen betreffend", *) bezeichnete als Zweck „denjenigen k. k. 
Kadetten, welche nicht schon vor in rem Eintritt in die Armee eine 
militarische Bildung erhalten haben, die unentbehrlichsten Vorkennt- 
nisse zu ihrer kunftigen Verwendung beizubringen und dadurch zu- 
gleich der Infanterie einen ergiebigeren Nachwuchs brauchbarer 
Ober- und Unteroffiziere zu sichern". Es sollten vierKompagnien 
in Bohmen, Mahren, Nieder- und Innerosterreich fur die Kadetten 
der betreffenden Infanterie-Regimenter moglichst in der Mitte des 
Landes, aber nicht in der Hauptstadt, in Kasernen , aus welchen die 
Soldaten auszuquartieren waren, aufgestellt werden. 

Jede sollte etwa 124 Kadetten zahlen, vorzuglich solche, 
welche nicht in den Akademien erzogen waren. Neuernannte k. k. 
ordinare Kadetten sollten in Zukunft in die Kompagnien treten. 
Wenn nicht genug Ordinar -Kadetten vorhanden waren, durften 
Privat-Kadetten eingestellt werden, welche eine solche Zulage haben 
mussten, dass ihr Einkommen dem der Ordinar-Kadetten gleich war. 
Von den Jager-Regimentern, welche besonders gewandter Ober- und 
Unteroffiziere bedurften, waren ohne Rucksicht auf das Vorhanden- 
sein von Ordinar- je 8 Privatkadetten zur Aufhahme vorzuschlagen. 
tTber erstere verfugte das betr. General-Kommando , die Privat- 
Kadetten schlug der Regimentsinhaber vor. Bemittelte durften 
gegen Bezahlung von jahrlich 50 Gulden als „Frequentanten" 
am Unterrichte teilnehmen. Sie mussten fur Kost und Wohnung 
selbst sorgen. Standen, Korperschaften und Privatpersonen blieb 
uberlassen, Platze zu stiften und deren Besetzung sich selbst vorzu- 



») Kriegs-Archiv 1808 : 4, 7. 

>) Kriegs-Archiv 580: M. J. (Folio, 11 Druckaeiten, o. O.). 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



155 



behalten. Bei den Stiftlingen war, wenn nicbt das Gegenteil erklart 
ward, die Widmung fur den Militardienst vorausgesetzt Sie traten 
als Privatkadetten ein und wurden bei der Entlassung den ubrigen 
gleich behandelt. 

Bedingung der Aufnahme waren das erreichte 16. Lebens- 
jahr und in einer Prufung nachzuweisende geniigende Kenntnisse 
in Religion, Deutscblesen , Schreiben und Rechnen. Von gleich- 
geeigneten Bewerbern wurde yorgezogen, wer die meisten Sprach- 
kenntnisse hatte. 

Das Aufsichts- und Unterrichtspersonal bestand aus 1 
Hauptmann, 1 Ober-, 1 Unter-Lieutenant, 1 Feldwebel, 6 Korporalen, 
1 Rechnungs-Furier. Bei Auswahl der Oberoffiziere soilte nieht nur 
auf Kenntnisse, sondern auch auf untadelhaften Charakter und solche 
moralische Eigenschaften gesehen werden, durch die sie sich Achtung 
und Ehrfurcht verschaffen wurden. Die Unteroffiziere sollten ge- 
schickte, diensterfahrene , vertraute und verlassliche Manner sein, 
ledige verheirateten vorgezogen werden. 

Die Uniform war die des Regiments. Die fur die Kadetten 
bestimmten Betten sollten mit anderen nicht vermiscbt werden. 
Zur Besorgung der Menage wurden Genieine kommandiert. Diese 
durften verheiratet sein, damit ihre Weiber die Wasche besorgten. 
Die Aufsicht fuhrte ein vom Hofkriegsrat bestimmter Brigadegeneral, 
die Oberaufsicht der Landeskommandierende. 

Gegenstande des Unterrichts waren: Dienst- und Exerzier- 
Reglement; fertig und orthographisch Dictando-Scbreiben; Arithmetik 
und Planimetrie nach Unterberger; Situationszeichnung und a la vue- 
Aumahme; Feldbefestigung, sowie Eenntnis der Watte n und ihres 
Gebrauches nach Unterberger; angewandte Taktik, vorzuglich fur 
Infanterie, nach den Beitragen zum praktischen Unterricht im Felde 
fur die Offiziere der k. k. Armee; Erdbeschreibung nach Fabri 
(letzte Ausgabe); allgemeine Weltgeschichte nach Schutz; bohmische 
Sprache. 

Der Kurs dauerte drei Jahre. Im 1. wurden Arithmetik, Plani- 
metrie und Situationszeichnung, im 2. a la vue-Aufnahme, Feldverschan- 
zung, Waffenlehre und der Anfang der angewandten Taktik; ausserdem 
in beiden Jahren Dienst- und Exerzierreglement, Schreiben, bohmische 
Sprache, Erdbeschreibung, Geschichte; im 3., neben summarischer 
Wiederholung und praktischer Obung der in den unteren Klassen 
vorgetragenen Wissenschaften , hauptsachlich angewandte Taktik 
gelehrt. Im Herbst wurde auf Spaziergangen der militarische tTber- 



Digitized by Google 



156 



Geschichte dea Militar-Erriehungu- und -Bildungswesena etc. 



blick gebildet und die angewandte Taktik der Infanterie im Gelande 
gezeigt. Zur ttbung im Schreiben waren Stellen aus guten deutschen 
Schriften. die sich nicht nur durch lehrreiohen Inhalt, sondern auch 
als Muster des guten Geschmacks und einer reinen Schreibart 
empfahlen, dann gut verfasste Geschaftsaufsatze, Briefe, Berichte etc. 
zum Diktieren zu wahlen. Beim Unterrioht in Geographie sollten 
zugleich die ersten Kenntnisse der Terrainlehre mitgeteilt werden. 
Der Geschichtsvortrag war auf die Darstellung merkwurdiger, in ihren 
Einzelheiten bekannter Eriegsbegebenheiten und auf Thaten zu rich ten, 
deren Kenntnis geeignet erschien, Herz und Gemfit zu erheben. 
Den vaterlandischen Beziehungen hatten Geographie- und Geschichts- 
lehrer besondere Aufmerksamkeit zu schenken. 

Zum Exerzieren ruckte die Kompagnie mit der Garni- 
son aus. 

Im Dienst- und Exer zierreglement unterrichteten die 
Kompagnieoffiziere, welche auch andere Vortrage ubernehmen durften ; 
sonst waren die Lehrer Offiziere und Unteroffiziere der Sonderwaffen, 
oder „die, wie sie sich sonst linden", auch des Pensionsstandes. Jeder 
als Lehrer zu bestellende Offizier musste vorher vor einer Kommission 
eine Prnfung ablegen; fiber die Verwendung entschied der Hof- 
kriegsrat. Der Unterricht im Bohmischen durfte einem Zivillehrer 
iibertragen werden; die Feldwebel und Korporale sollten moglichst 
Bohmisch verstehen, das Lehrerpersonal thunlichst selten wechseln. 
Die Offiziere sollten bei entsprechenden Leistungen nicht nur in, 
sondern auch ausser der Tour befordert werden, Gehaltszulagen und 
als Invalide hdhere Pensionen erhalten. 

Der Unterricht dauerte vom 1. November bis 30. September 
und wurde nur an Sonn- und Festtagen und den drei letzten Tagen 
der Charwoche ausgesetzt Nach Schulschluss fand im Beisein des 
Brigadiers und geladener Offiziere eine Prfifung statt, auf Grund 
deren die Rangesbestimmung erfolgte. Diese ward dem Hof- 
kriegsrate gemeldet, welcher auch die Konduite - Beschreibungen 
erhielt. 

Der dritte Jahrgang kehrte zu den Regimentern zuruck; zu- 
nachst sollten schon nach 1 bezw. 2 Jahren je */• der Zoglinge 
austreten. Wer keine Aussicht gab, dass er die Schule mit Erfolg 
durchmachen wurde, sollte unter Zustimmung des Hofkriegsrates 
nach Ablauf des 1., unter Umstanden erst des 2. Jahres zum Regi- 
ment zuruckkehren. Wer freiwillig austrat und den Militardienst 



Digitized by Google 



ftsterreich-Ungarn. 



157 



ganz verliess, zahlte fur jedes in der Schule zugebrachte Jahr 50 
Gulden. 

Die vorziiglichsten Ausgemusterten waren mdglichst zu 
Unteroffizieren zu befordern; sie hatten, nachst den aus Wiener- 
Neustadt oder der Ingenieur-Akademie hervorgegangenen, die erste 
Anwartschaft auf Fahnrichsstellen, eine Bestimmung, welche dadurch 
an Wert verlor, dass die Regimentsinhaber „solchen jungen Leuten 
den Vorzug geben durften, die vor dem Eintritt in den Militardienst 
bereits bei ihren Familien eine feinere Erziehung und hShere 
Bildung genossen haben". Fur den Kriegsfall war vorzeitige Aus- 
mu8terung in Aussieht genommen. 



Einblick in den Dienstbetrieb giebt eine Tagesordnung aus 
einer der Kadettenkompagnien; 1 ) aus welcher ist nicht ersichtlich. 

1. Jahr: Exerzieren mit dem Gewehre, im Sommer 3, im 
Winter V»; Arithmetik und Planimetrie 11 bezw. 14; Dictando- und 
orthographisohes Schreiben 8 bezw. 5; Linear- und Situationszeichnen 
8 bezw. 6; bohmische Sprache 3; Dienst- und Exerzierreglement 2; 
Geschichte 3 bezw. 0 Wochenstunden. 

2. Jahr: Exerzieren wie im 1. Jahre; Situationszeichnen 6; 
Geschichte 3 bezw. 2; Mathematik 8 bezw. 7; Erdbeschreibung 
3 ; angewandte Taktik 4 bezw. 2 ; Dienst- und Exerzierreglement und 
militarische Aufsatze 3 bezw. 5 ; Befestigungskunst 2 ; Waffenkenntnis 
2 bezw. l x /» Wochenstunden. 

3. Jahr: Exerzieren 4 bezw. */•; angewandte Taktik 6 bezw. 5; 
Erdbeschreibung 3 bezw. 2; Kriegsgeschichte 3 bezw. 2; Weltge- 
schichte 3 bezw. 4; Befestigungskunst 4; Situationszeichnen 4; 
Dienst- und Exerzierreglement und militarische Aufsatze 3; Mathe- 
matik 7 bezw. 5; Bohmisch 1; Waffenkenntnis 2 bezw. I 1 /* Wochen- 
stunden. 

Der TJnterricht dauerte im Winter morgens von 7 bis 11% 
im Sommer von 6 bis 11, nachmittags von l 1 /* bis 5 Uhr. Er 
sollte sich auch auf Scheibenschiessen und grossere militarische 
TTbungen erstrecken. 



Die Aufstellung von drei der in Aussieht genommenen Kom- 
pagnien ist nachzuweisen. Sie erfolgte zu Olmutz, Theresienstadt 
und Cilli. Ob die vierte errichtet ist oder nicht, bleibt zweifelhaft 



») Kriegs-Archiv: M. 4, 7/1. 



Digitized by Google 



158 



Geschichte dea Militar - Erziehungs- und -Bildungsweaena etc. 



Jedenfalls machte alien schon im Frflhjahr 1809 der Krieg gegen 
Frankreich ein Ende. 

Naheres wissen wir nur fiber 

3. Die Olmiitzer Kadetten-Kompagnie, 
die einzige, welche nach Beendigung des Krieges wieder ins 
Leben trat 

In einer Eingabe 1 ) an den Hofkriegsrat Tom 8. Oktober 1808 
bittet der Landeskommandierende in Mahren, Gen. d. Kav. Erz- 
herzog Ferdinand, urn Verbesserung der Menage and am Be- 
stellung eines Lehrers fur Mathematik, Feldbefestigung und Erdbe- 
schreibung, „der nicbt nur selbst griindliche Eenntnis in diesen 
Wissenschaften, sondern auch die Art einer leichten Mitteilung haben 
muss": die Mathematik soli den Grund zu all em ubri gen Unterrichte 
legen. Ein Nachweis*) der fur erforderlich gehaltenen Lehrmittel 
nennt: „Erdbeschreibung von Fabri und von Busching; allgemeine 
Weltgeschichte von Schfltz; Lander- und Volkerkunde von demselben; 
allgemeine Weltgeschichte von Millot; Schmidts Geschichte der 
Deutschen; Reissers Geschichte der osterreichischen Monarchic; 
Adelungs grosses Worterbuch; deutsche Sprachlehre; uber den 
deutschen Stil; kleines Worterbuch; Anweisung zur deutschen Ortho- 
graphie; deutsches Diktionnar von Richter; Geschichte des dreissig- 
jahrigen Krieges von Schiller; Geschichte des spanischen Successions- 
krieges; Geschichte der Kriege zwischen Preussen und Osterreich; 
aus den hinterlassenen Werken Konig Friedrichs von Preussen; 
Geschichte des 7jahrigen Krieges von Lloyd; europaische Annalen 
von Posselt; der alte und Osterreichs Plutarch; moralische Schriften, 
worunter: Moral fur Preussens Krieger von Sangershausen ; Bibliothek 
von Reisebeschreibungen; Osterreichische milit&rische Zeitschrift". 
Die Auslage, falls alle Biicher neu angekauft werden mussten, 5 ) 
war auf beilaufig 565 Gulden 10 Kreuzer und auf 32 Gulden 
24 Kreuzer fur Landkarten berechnet, die Administrativbehorde fand 
aber, dass manches aufgenommen sei, „dessen Anschaflfung zu kost- 
spielig, teils auch um so mehr entbehrlich ist, als der Ankauf von 
Bibliotheken der einfachen Bestimmung dieser militarischen Bildungs- 
anstalt keineswegs entspricht". 



Kriegs-Archiv 1808: P. Fasz. VI, Nr. 69/24. 
«) Kriegs-Arehiv 1808: G. Fasz. VI, Nr. 69/31. 
») Kriega-Archiv 1808: Nr. 5238. 



Digitized by Google 



159 



Am 10. Juli 1810 beantragte der Hofkriegsrat die Wieder- 
herstellung der aufgeldsten Kompagnien, welche der Kaiser am 
17. August genehmigte. Es fehlte aber an Kadetten. Man hatte 
sie zu Offizieren befordern mussen; 70 k. k. ordinare Kadetten waren 
hdchstens vorhanden. £s ward daher bescblossen, zunachst nnr die 
Olmutzer Kompagnie aufzustellen. Urn den Normalstand von 124 
Zoglingen zu erreichen „sollten Privat-Kadetten, geeignete Gemeine, 
Expropriis und OffizierssShne, welche for die Neustadter Akademie 
zu alt waren, Aufnahme linden". Kaiser Franz fugte hinzu „auch 
Sdhne von Adeligen, Beamten, Honoratioren und Burgern der hoheren 
Klassen", doch sollten „keine andern, als wirklich gute, far hoheren 
Unterricht und wissenschaftliche Bildung empfangliche Kopfe zuge- 
lassen werden". 

Im Herbst 1 8 1 0 *) begann die Kompagnie in einem fur sie her- 
gerichteten Gebaude ihre Thatigkeit von neuem. Die Schulleitung 
hatte mit grossen Schwierigkeiten zu kampfen. Um ihr Lehrbucher 
zn verschaflfen, 8 ) bat der Erzherzog um die Vorrate der eingegangenen 
Schulen, damit das Abschreiben unterbleiben konne, welches nicht 
allein viel Zeit, sondern auch mehr Auslagen fur Schreibmateri- 
alien erfordere, als die Biicher kosten wiirden. Dazu ward die Ent- 
wickelung in den nachsten Jahren durch den infolge der Kriegs- 
ereignisse vermehrten Bedarf an Offizieren gehemmt. Der 1815 
eintretende Friedenszustand forderte ihr Gedeihen und letzteres ver- 
anlasste 1818 die Aufstellung einer zweiten Kompagnie zu Gratz. 
Bei dieser Gelegenheit ward die Ohnutzer Kompagnie auf 160 Zog- 
linge, ihr ubriges Personal auf 9 Oberoffiziere, welche sowohl als 
Erzieher wie als Lehrer verwandt wurden, 12 Unteroffiziere, je 1 Arzt, 
Rechnungsfuhrer und Profosen und auf 32 Soldaten festgesetzt. Die 
Kadetten wurden vor dem Eintritte bei den betreffenden Regimentern 
assentieit und trugen die Uniform derselben. Zu ihrer BekSstigung, 
zu welcher jetzt ein Abendessen trat, trugen sie taglich 2 Kreuzer bei, 
das ubrige gab der Staat. 

Einen Einblick in den inneren Betrieb der Anstalten giebt eine 
Tom Kap.-Lt. Leopold Kintzl von der Kadetten-Kompagnie Olmiitz 
verfasste Denkschrift. 8 ) Dieselbe hat kein Datum, muss aber nach 



*) Nach Rechkron (S. 68) ist am 1. November 1809 ein vorlaufiger Kuraus 
eingerichtet. 

») Kriegs-Archiv 1810: Faaz. IX, Nr. 26A8. 
Kriega-Archiv (Schriflenarchiv). 



Digitized by Google 



160 Geschichte des Militfir-Eraiehungs- und -Bildungsweeens etc. 



1837 verfasst sein, weil zur Zeit der Niederschrift die Neustadt sieben 
Klassen zahlte. Nach Ausweis des Militar-Schematismus war Kintzl 
zu jener Zeit dort Lehrer der Kriegswissenschaften. Er nennt Neu- 
stadt das verwohnte Schosskind, die Kadetten-Kompagnien die zuriick- 
gesetzten Stiefgeschwister. An den Knaben-Erziehungshausern tadelt 
er die ungenugende Ausstattung, ihre Vereinzelung, die dadnrch 
erschwerte XTberwachung und die meist zu grosse Beruckaichtigung 
der geistigen Bildung auf Kosten der korperlichen Pflege ; an der 
Militar-Akademie, an welche er ubrigens mit Vorsicht herantritt, be- 
mangelt er die luxuriose Einrichtung, die ubermassige Bevormundung 
der Zdglinge, ihr abgeschlossenes Leben, die Sonderung der Klassen, 
den das Bedurfnis weit uberschreitenden Lehrplan und die unver- 
haltnismassig grossen Kosten. Er sieht in dem Bestehen der 
Akademie eine TJnbilligkeit, weil ihre Zoglinge einen Vorzug vor 
denen der Kadetten-Kompagnien nicht verdienten, und schlagt vor, 
die grosse Masse in letzteren, welche reicher ausgestattet werden 
und einen erweiterten Lehrplan erhalten miissten, zu erziehen und 
einer Auslese aus ihnen zu hoherer Ausbildung einer Akademie zu 
uberweisen. 

Der (Jnterricht in den Kadetten-Kompagnien wurde nach 
Kintzl damals erteilt: 

In der 1. Klasse in Religion 2, deutscher Sprache 4, Bdhmisch 

2, Recht- und Dictandoschreiben 2, Geschichte 4, Geographie 4, 
Arithmetik und Algebra 6, Waffenlehre 3 , Terrainlehre 2, Tabel- 
lieren 2, Schonschreiben 2, geometrischem Zeichnen 1, Situations- 
zeichnen 4 Wochenstunden. 

In der 2. Klasse in Religion 1, Bdhmisch 2, Recht- und 
Dictandoschreiben 1, Geschichte 2, Geographie 4, theoretischer 
Geometrie 6, Dienstreglement 2, Exerzierreglement 3, Befestigungs- 
kunst 3, Taktik und Felddienst 3, Tabellieren 1, Militar-Geschaftsstil 

3, Schonschreiben 2, geometrischem Zeichnen 1, Situationszeichnen 
4 t fortifikatorischem Zeichnen 2 Wochenstunden. 

In der 3. Klasse in Religion 1, Bdhmisch 2, Schon- und 
Dictandoschreiben 1, Geschichte 4, Geographie 4, Arithmetik und 
Algebra 1, praktischer Geometrie 2, Trigonometric und Elemente der 
Mechanik 6, Dienstreglement 1, Exerzierreglement 3, Befestigungs- 
kunst 3, Taktik und Felddienst 4, Militar-Geschaftsstil 3, Schon- 
schreiben 1, geometrischem Zeichnen 1, Situationszeichnen 4, fortifi- 
katorischem Zeichnen 2 Wochenstunden. 

Den Vortrag uber Mechanik horten nur einzelne Schiller; die 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



161 



Anregung zum Halten desselben war vom Kaiser Franz aus- 
gegangen. Es wurde ferner im Tanzen, Bajonettieren, Fechten und 
Schwimmen unterwiesen. Der Unterricht fand zwischen 7 bis 12 Uhr 
vor- und, mit Ausnahme des Samstages, von 2 bis 5 Uhr nach- 
mittags statt. Die Erfolge litten unter yielem Diktieren. 

Als die Olmutzer Kadetten-Kompagnie im Jahre 1852 auf- 
gelost wnrde, hatte sie seit 1811 1700 Zoglinge ausgemustert, von 
denen damals noch 879 im Heere dienten. Von diesen waren 
2 Generale (darnnter Karl Freiherr von Urban), 10 Obersten, 
11 Oberst-Lieutenants, 26 Majore, 234 Hauptleute, 262 Ober-, 202 
Unter-Lientenant8 nnd 102 Kadetten. 1 ) 

4. Die Grazer Kadetten-Kompagnie. 

Entgegen einer Behauptung der Grenzdirektion aus dem Jahre 
1808, dass Kadettenschulen fur ihren Befehlsbereich nicht pass ten, 
bildeten die Grenzoffiziere die Halfte der Bewerber um die Platze 
der Olmutzer Kadetten-Kompagnie, wahrend sie an den Anmeldungen 
zur Neustadter Akademie nur mit Ve beteiligt waren. Dieses Ver- 
haltnis bestimmte im Jahre 1818 den Kaiser, die Grenz-General- 
Kommanden zum Berichte aufzufordern , *) ob und wo in ihren 
Bezirken eine angemessene Ortlichkeit fur eine Erziehungsanstalt vor- 
handen sei. Zur Errichtung einer solchen sollten ihm Vorschlage 
gemacht werden. Der Hofkriegsrat war damit einverstanden , dass 
eine Kompagnie errichtet wurde, wunschte sie aber nicht in der Grenze 
zu haben, sondern wollte die Gelegenheit benutzen, die Sonne der 
Grenzoffiziere der Beruhrung mit ihren heimatlichen Umgeburigen 
zu entziehen, sie auf deutschen Boden zu verpflanzen, damit sie 
„diejenige Einseitigkeit der Begriffe, zum Teil selbst die naturliche 
Koheit ablegen, welche den haufig in Gemeinschaft mit den Kindern 
gemeiner Leute heranwachsenden Knaben in Hinsicht auf aussere 
Sitten moistens noch anhangt". 

Die neue Kadetten-Kompagnie wurde laut A. E. vom L Sep- 
tember 1818 zu Graz aufgestellt. „Im Offizier-Pavillon" sollte 
zunachst eine Klasse gebildet werden. Zum Kommandanten ward 
am 7. November ein Olmutzer Offizier, Hauptm. Baron Geramb 
vom Infanterie-Regiment Lusignan, ernannt. Beide Anstalten ver- 



>) Osterreichischer Soldatenfreund, Wien 1862, Nr. 9. 
•) Kriegs-Archiv 1818: Nr. 5311. 

M on amenta German la e Paedftgogica XV. 11 



Digitized by Google 



162 



Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



folgten nun mit gleichen Mitteln die namlichen Ziele. Es ergab 
sich daraus der nachstehend geschilderte 

5. Zustand der Kadetten-Kompagnien zu Olinutz und zu 
Graz am Ende des Zeitraumes. 1 ) 

Die Kadetten-Kompagnien bildeten eine Mittelstufe zwischen den 
Knaben-Erziehungshausern und den Militar-Akademien. Sie sollten 
Jiinglinge aus besseren Familien, welche sich dem Soldatenstande 
widmen wollten, „zu branchbaren Unter- und Oberoffizieren der 
Annee, besonders der Linien-Infanterie heranbilden". 

Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass keineswegs alle 
Offizieranwarter eine militarische Bildungsanstalt durchraachten. Um 
das goldene Portepee zu erlangen, brauchte man wissenschaftliche 
Kenntnisse nicht nachzuweisen. Bei der Infanterie, den Jagern, der 
Kavallerie und dem Fuhrwesen wurden Kadetten in grosser Zahl zu 
Offizieren ernannt, ohne dass irgend welche derartige Forderungen 
an sie gestellt worden waren. Es geschah grundsatzlich nur bei 
der Artillerie, dem Genie und den Pionieren. 

Die Angehorigen der Kadetten-Kompagnien wurden bei ihrem 
Eintritte in dieselben als Kadetten oder Ex-propriis assentiert und 
sofort als Soldaten behandelt, welche die Kriegsartikel beschworen 
hatten. Diejenigen unter ihnen, denen als Sohnen von Offizieren, 
die mit dem Degen in der streitbaren Armee dienten oder gedient 
hatten, Anspruch auf Beforderung zu k. k. Kadetten zur Seite stand, 
durften dazu in Vorschlag gebracht werden, wenn sie einer der 
beiden ersten Klassen angehorten, die der 2. jedoch erst nach 
beendeter Winterprufung. Die Zoglinge zerfielen in Ararial-Zog- 
linge, welche unentgeltlich unterhalten wurden, und in Frequen- 
tanten, welche alles aus eigenen Mitteln bestritten. Der Stand war 
in Olmutz 130, bezw. 26, in Graz 150, bezw. 24. Derselbe ward 
aber nicht immer innegehalten ; so hatte Olmutz im Jahre 1848 
142 Ararialzoglinge. Beide Arten wurden in den Listen der Regi- 
menter gefuhrt. 

Ararialplatze konnten Sonne von k. k. Offizieren, Militar- 
parteien, unbemittelten Staatsbeamten , Adeligen, Honoratioren und 
Burgern hoherer Klassen erhalten. Sdhnen von Offizieren, Militar- 



Die Dien8tvorachriften der k. k. Armee von V. Streffleur, k. k. Major, 
5. Abteilung, Wien 1848. 



Digitized by Google 



foterreich-Ungarn. 



163 



parteien und Staatsbeamten, namentlich solchen jungen Leuten, welche 
fur die Neustadter Akademie zu alt waren, stand vorzugsweiser An- 
spruch zur Seite. Ausnahmsweise und zur Belohnung wurden seit 
1820 Sonne obligater Mannschaften von hervorstehendem Talent 
und guter Auffuhrung aus den Erziehungshausern in die Kadetten- 
Kompagnien versetzt. Frequentanten dnrften aufgenommen werden 
soviel der Platz erlaubte, A u slander (nach einer Verordnung von 
1838), wenn sie die Erlaubnis ihrer Regierung zum Eintritte in den 
osterreichischen Militardienst bracbten. 

Allgemeine Bedingungen der Aufnabme waren: Alter von 
14 bis 16 Jahren, vom 1. Oktober an gerecbnet; gesunder, Wachs- 
tum versprechender Korper, uberstandene Blattern oder Impfung; 
gute Sitten; Kenntnisse in der Religion, im Lesen, SehSn- und 
Rechtschreiben , Rechnen mit ganzen Zahlen, Briichen und Regel- 
de-tri, durch das Scbulzeagnis der 3. Normalklasse nachzuweisen. 
Nut fur wissenschaftliohe Bildung empfangliche Kdpfe sollten aufge- 
nommen werden. Kadetten, welche schon einige Zeit bei der Truppe 
gedient hatten, waren seit 1842 ausgeschlossen. 

Die Ararialplatze vergab der Hofkriegsrat, fiber die Aufnabme 
al8 Frequentanten entschied das General-Kommando. Die Grenzer 
wurden auf Olmutz und Graz verteilt. Hinsichtlich der Ararialzog- 
linge entschied der Hofkriegsrat gleichzeitig, ob sie als Regiments- 
kadetten oder als Gemeine Ex-propriis und zu welchem Regimente 
sie assentiert werden sollten. Eine Versetzung durfte im 1. Halb- 
jahre nach der Aufnahme und gelegentlich der Ausmusterung bean- 
tragt werden. Wer als obligat assentiert ward, musste, wenn er 
Ex-propriis eingestellt wurde, auf 6 Jahre kapitulieren; ebenso der 
Auslander. Die in der Kadettenkompagnie zugebrachte Zeit wurde 
als Dienstzeit gerechnet. Die Ausmusterung geschah in der Regel 
zur Linien-Infanterie, zu Grenzregimentern durfte sie nicht statt- 
finden. 

Assentierung und Absendung der Aufzunehmenden zur Kom- 
pagnie wurden durch einen in der Nahe ihres Aufenthaltsortes 
stationierten Truppenteil besorgt, bei welchem jene vorher arztlich 
untersucht und durch eine Kommission geprfift waren. Mittellose 
Ararialzoglinge wurden durch Vorspann, in Begleitung eines Unter- 
offiziers, der Anstalt zugefuhrt. 

Die ararischen Zoglinge empfingen die Geld bezuge ihrer Charge 

(taglich 5 Kreuzer als Gemeine, monatlich 7 Gulden als k. k. Kadetten) 

und das Brot (taglich V* Lai D = BlVi Lot), letzteres in natura 

11* 



Digitized by Google 



164 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



oder in Gelde. Fur die Bekostigung erlegten die Ex-propriis- 
Gemeinen taglich 2 Kreuzer von ihrer Lohnung und die empfangenen 
Fleisch- und Gemusebeitrage (far Fleisch taglich */» Kreuzer, solange 
das Pfund Rindfleisch nicht mehr als'7 Kreuzer kostete, dann je 
Vi Kreuzer mehr, wenn der Preis urn 1 Kreuzer stieg; fur Gemuse 

1 Kreuzer), die k. k. Kadetten 5 Kreuzer. Sie bestand zu Mittag in 
Suppe, Rindfleisch (14 Lot ungekocht) mit Sauce und einer „ge- 
sattelten Zuspeiss" oder Mehlspeise, zu Abend in Gemuse, einer 
Fleisch- oder Mehlspeise, d. h. aus „drei wohlbereiteten Speisen 
mittags, einer abends", mit Brot, letzteres auch zum Friihstfick und 
zur Vesper, und erforderte einen „Menagezuschuss", welcher fur die 
bemittelten Zoglinge aus der ihnen von ihren Angehdrigen zu 
zahlenden Monatszulage von 6 Gulden, fur Sohne unbemittelter 
Offiziere, verstorbener Staatsdiener etc. jetzt vom Arar gezahlt wurde. 
Auch die Unbemittelten mussten 2 1 /* Gulden Monatszulage nach- 
weisen, von deren Zahlung niemand befreit sein sollte; mitunter 
erhielten jedoch Sohne verstorbener Offiziere und Staatsbeamter 
Erziehungsbeitrage aus der k. k. Privatkasse. Betrugen diese 
5 Gulden oder weniger, so verblieben sie den Empfangern unge- 
schmalert; vom 6. Gulden an mussten letztere von jedem Gulden 
taglich V* Kreuzer zur Menage beitragen. 

Neben der Regimentsmontur *) wurde eine Hausklei- 
dung (hechtgrauer Hausspenser etc.) getragen. Die Wasche war 
ebenso wie die erste Ausstattung selbst zu beschaffen, sie be- 
stand in 6 oder wenigstens 4 guten Hemden und Gattien (Unter- 
beinkleidern) , 4 Handtuchern, 2 nicht zu hohen Kravatten mit 
12 Stuck Halsstreifen, 2 paar gelbledernen Handschuhen, 2 Winter- 
und 2 Sommerleibeln, 6 paar Socken oder Fussfetzen, wenigstens 

2 paar Schuhen oder Halbstiefeln, 1 Federmesser, 1 Kamm, 1 Kleider-, 
1 Haar-, 1 Zahnburste, 1 kleinen Spiegel, 1 oder 2 Stuck Siegel- 
lack etc. Die Waff en waren leichte Gewehre (drei Arten, je nach 
der Korperbeschaffenheit, darunter 50 neuartige Perkussionsgewehre) 
und Sabel. Die ZSglinge hatten Unteroffizierskartuschen, keine 
Tornister. 

Die Frequentanten wurden bei den Regimentern als „beur- 
laubt ohne Gebuhr' gefuhrt und gegen Erlag des Montursgeldes ein- 
gekleidet, mussten dann aber ihre Uniform selbst erhalten ; Waffen etc. 
erhielten sie unentgeltlich. Ebenso Wohnung, Heizung, Licht etc. 



') „Montursgebarung" fur die Kadetten-Kompagnie von 1840. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



1G5 



Dagegen bezahlten sie: das ilenagegeld, das Brotrelutum (d. h. 
die den Ararialzoglingen gezahlte Vergutung); einen deni Lohnungs- 
reste der letzteren gleichkommenden Betrag von taglich 3 Kreuzer, 
welcher ihnen unmittelbar wieder zu Gute kam, die rechnungs- 
massigen Pauschalien fur Flickspesen, Gewehrreparatur etc.; den 
Beitrag fur den Tanzunterricht, welchen auch die Ararialzdglinge selbst 
bezahlten; ihren Anteil am Verbrauch von Schreib- und Zeichnungs- 
material; Bucher und sonstige Lehrmittel; ihren Bedarf an Monturs- 
sorten; eine Entschadigung fur die Bedienung; Briefporto; endlich 
jahrlich 50 Gulden Unterriehtsgeld. Kostgeld: Durchschnittlich 
betrug das Kostgeld in letzterer Zeit 240 bis 250 Gulden. Ausserdem 
war fur den Ersatz der Leibwasche zu sorgen. 

Achtsamkeit auf dieReinlichkeit des Edrpers und das Wechseln 
der Wasche war den Vorgesetzten zu besonderer Pflicht gemacht 
Die Kadetten batten einfache Bettstellen, die Bettwasche ward im 
Winter ein-, im Sommer auch zweimal monatlich ausgetauscht. 

Der Unterricht wechselte mit Rune und Erholung, Bewegung 
und Leibesubung. Bei gunstiger Witterung wurden taglich 
Spaziergange gemacht. Es wurden Exerzieren, jedoch nie mit der 
Garnison, Schwimmen (in Graz in der Militar-, in Olmutz in einer 
eigenen Schwimmschule), Gymnastik, Fechten, Voltigieren und 
Tanzen gelehrt Die Kranken wurden in einem Marodezimmer oder 
in einem Militarspitale behandelt. 

Die Kadetten wurden wie Soldaten behandelt; erniedrigende 
korperliche Zuchtigungen waren ausgeschlossen. Zur Belohnung 
durften 2 Zoglinge zu Feldwebeln, 12 zu Korporalen befordert werden. 
Seelsorge und Religions unterricht lagen einem Militarkaplan der 
Garnison ob, welcher dafur jahrlich 50 Gulden erhielt; zur Ab- 
horung der osterlichen Beichte der griechisch-nichtunierten Zoglinge 
ward erforderlichenfalls ein Geistlicher entsendet Yon Akatholiken 
ist nirgends die Rede. 

Der Unterricht sollte sich auf die eigentlichen Elemente der 
militarischen Dienstkenntnisse beschranken und nicht dem der 
Akademie gleichkommen. Gegenstande desselben waren: 

a. Allgemeine notwendige Wissenschaften: Religion, 
Deutsch und Bdhmisch, Stilubungen, Geographie, Geschichte, Arith- 
metik, Algebra, theoretische und praktische Geometrie, Trigonometrie, 
Schriftubungen und Zeichnungen. 

b. Spezielle militarische Wissenschaften: Dienstregle- 
ment und Kriegsgesetze, Abrichtungs- und Exerzierreglement, Strassen- 



Digitized by Google 



166 Gwchichte des Militar-Erriehungs- und -Bildungsweeens etc. 



und Bruckenbao, Terrainlehre , Waffenlehre und Artillerie, Militar- 
Rechnungsweseii, Militar-Geschaftsstil , Felddienst und angewandte 
Taktik, Situations-, Fortifikations- und taktisches Zeichnen. Ferner 
wurde theoretisch und praktisch im Pionierdienste unterwiesen. 

Der Lehrkurs dauerte drei Jahre, der Unterricht vom 1. Oktober 
bis 31. August-, schwachere Zoglinge durften eine Klasse wiederholen. 
Im Marz und August fanden PrQfungen statt; im September waren 
Ferien. Wahrend derselben durften einzelne beurlaubt werden; die 
1. und 2. Klasse machten einen dreiwochentlichen militarischen 
"Qbungsinarsch, die 3. eine Messtischaufnahme ; der die letztere 
leitende Offizier erhielt dafur bis zu 80 Gulden. 

Die Ausmusterung erfolgte in der in der Anstalt bekleideten 
Charge zu den betreffenden Regimen tern; laut Bestimmung vom 
Jahre 1808 sollten die Zoglinge bei der Ernennung zu Offizieren vor- 
zugsweise berucksichtigt werden. Der beste durfte zu sofortiger Be- 
forderung zum Unterlieutenant minderer Gebiihr namhaft gemacht 
werden. Urn der Willkur der Regimentsinhaber einige Schranken 
zu setzen, war angeordnet, dass vorzeitig freiwillig ausgetretene Zog- 
linge nicht ohne Bewilligung des Hofkriegsrates zur Ernennung zu 
Offizieren vorgeschlagen werden durften; wer sich in der Anstalt 
befand, musste ausserdem das 17. Lebensjahr zuruckgelegt haben 
und durfte erst vorgeschlagen werden, wenn das Regiment seine 
Konduit- und Verwendungslisten erhalten hatte und wenn letztere 
die vollkommene Angemessenheit zum Offizier darthaten. Im Kriegs- 
falle konnte vorzeitig ausgemustert werden. Ganz mittellose, wegen 
physischer Gebrechen entlassene Ararialzoglinge konnten in den 
Patentalinvalidenstand mit taglich 4 Kreuzer ubernommen werden. 
Yor vollendetem Lehrkurs mit ganzlichem Austritt aus dem Militar- 
stande freiwillig ausscheidende Ararialzoglinge hatten fur jedes in 
der Kompagnie zugebrachte Jahr 100 Gulden zu vergiiten. Unfrei- 
wilh'ger Entlassung folgte, Felddiensttauglichkeit vorausgesetzt, die 
tTberweisung zum Regiment; die Ernennung zum Offizier durfte nicht 
vor derjenigen der Altersgenossen geschehen. 

Der Stand der Kompagnien war, abgesehen von den Zog- 
lingen: 1 Hauptmann, 8 Ober- und Unter-Lieutenants, 1 Garnisons- 
kaplan, 1 Arzt, 1 Furier, in Olmiitz 4, in Graz 8 Feldwebel (darunter 
je 1 Schwimm-, 1 Fechtmeister), 6 bezw. 7 Korporale, 2 Tambours, 
32 bezw. 33 Gemeine, ferner 1 invalider Unteroffizier als Haus- 
meister und Profoss, und in Graz 1 Zimmermann zum Holz- 
spalten. 



Digitized by Google 



dsterreich-Ungarn . 



167 



Kommandanten und Inspektionsoffiziere ernannte der 
Hofkriegsrat auf Vorschlag des Generalkommandos. Es sollte nicht 
nur auf Eenntnisse, sondern auch auf Charakter und moralische Eigen- 
schaften gesehen, zu Inspektionsoffizieren sollten vorzugsweise ledige 
gewahlt werden; pensionierte Offiziere waren nicht ausgeschlossen. 
Die Offiziere sollten moglichst lange in ihrer Verwendung bleiben. 
Sie erhielten eine Monats-Zulage von 15 Gulden, bei besonderer Aus- 
zeichnung ausserdem Remunerationen , ruckten in den Regimentern 
in ihrer Reihe vor und sollten bei langerer vorzuglicher Dienstleistung 
durch Gehaltszulagen , Beforderung ausser der Reihe und im Falle 
der Invalidity durch erhohte Pension belohnt werden. Die Unter- 
offiziere sollten besonders tiichtige Leute sein. Sie wirkten als 
Inspektions-Unteroffiziere bei der Erziehung, als Lehrer beim Unterrichte 
mit. Letzteren erteilten sie im Fechten, Schwimmen, in der deutschen 
und in der bohinischen Sprache, unter Umstanden auch in anderen 
Fachern. Als Lehrer erhielten sie taglicb 12, wenn sie nur zur 
Inspektion verwendet wurden 2 Kreuzer Zulage, dazu die Bekostigung 
der Zoglinge gegen ein Menagegeld von 2 Kreuzern und von »/a 
ihrer Kostzuschflsse. 

6. Die Mailander Kadetten-Kompagnie. 

Neben jenen beiden Kadetten-Kompagnien bestand eine solche 
zu Mailand. Sie sollte die Verschmelzung der italienischen mit den 
iibrigen Provinzen fordern, indem sie die Sonne der hoheren Stande 
dem Heere zufflhrte. Schon Kaiser Franz verfolgte dieses Ziel, 
als er 1804 anordnete, dass die itahenischen Unterthanen den nam- 
lichen Anspruch auf Ararialplatze in den Erziehungsanstalten haben 
sollten 1 ) wie die der iibrigen Gebiete. 

Unter Kaiser Ferdinand I. ward die Sache von neuem in 
Angriff genommen. Radetzky, der Hochstkommandierende in 
Lombardo-Venetien, war stets ein eifriger Forderer des militarwissen- 
schaftlichen Unterrichtes gewesen. Es lag ihm am Herzen, das 
68terreichisch-ungari8che Militar-Bildungswesen zu heben. Er glaubte, 
dass sein Vaterland hinter anderen europaischen Grossstaaten zuruck- 
stande. In einer aus Ofen am 12. Juni 182 9 an seinen komman- 
dierenden General, den Erzherzog Ferdinand , gerichteten Denk- 



>) Kriega-Archiv 1804: Fasz. VIII, Nr. »5. 



Digitized by Google 



168 Geechichte dea Milit&r-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



schrift 1 ) hatte er diese Ansicht ausgesprochen und belegt Auch 
jetzt vertrat er eifrig den Gedanken, in Italien ein Kadettenhaus zu 
errichten. Auf seine Anregung berichtete am 19. August 1837 der 
Hofkriegsrat an den Kaiser, welcher am 6. Oktober weitere Erhebungen 
befahl. Es sollte den wohlhabenderen Elassen Gelegenheit zu einer, 
wenn auch nicht akademischen, doch ausgezeichneteren militarischen 
Erziehung ihrer Sdhne geboten werden. Am 10. Januar 1838 unter- 
breitete Badetzky seinen Vorschlag. Derselbe ging auf die Erriohtung 
einer Kadetten-Kompagnie, den in Olmutz und Graz nachgebildet. 
Die Abweichungen, welche er beantragte, waren die spater befohlenen. 
Auf grossen politischen Erfolg rechnete er wenigstens fur den Anfang 
nicht. Denn*) ,4n Italien sucht jeder, der nur die Mittel dazu be- 
sitzt, sich durch Stellung von Supplenten der Militarpflicht zu ent- 
ziehen, urn sein Leben in Zerstreuungen oder Mussiggang zuzubringen, 
was man hier einen Herren spielen nennt als Gegensatz zu jenen 
Menschen, welche durch ein Amt oder eine sonst nutzJiche Be- 
schaftigung ihren Lebensunterhalt gewinnen". Er glaubte, dass es 
besonderer Lockungen bedurfen wurde, urn jene Gesellschaftskreise 
zu gewinnen, und schlug dazu ein gunstiges Beforderungsverhaltnis 
und die Aussicht auf den TTbertritt in die Italienische Leibgarde vor, 
deren Errichtung damals geplant wurde. Der Hofkriegsrat glaubte 
dazu „seinerseits unmoglich einraten zu konnen", und so unterblieb 
letztere Anordnung, als durch A. E. vom 30. November 1838 die 
Errichtung der Kompagnie nach dem Muster der bestehenden mit 
dem Unterschiede genehmigt wurde, dass noch „ein Vorbereitungs- 
jahr, vorzuglich bestimmt zum Unterrichte in der deutschen Sprache, 
bestehe; dann, dass die bohmische Sprache ganz weggelassen und der 
Sprachunterricht auf die grundliche Erlernung der deutschen und die 
Ausbildung der italienischen Mutterspraohe gerichtet; endlich, dass 
das Aumahmealter auf das 13. bis 15. Jahr festgesetzt werde". 8 ) 

Es sollten 50 Ararialzoglinge und 100 Frequentanten aufge- 
nommen werden. Letztere Zahl wurde nie erreicht. Kadetzky hatte es 
vorausgesagt. Die Zdgliuge sollten im allgemeinen Angehorige des 
lombardisch-venetianischen Konigreiches sein. Alljahrlich sollten die 
beiden besten Zoglinge aus jedem der Erziehungshauser zu Bergamo 
und zu Cividale in die Kompagnie versetzt werden. Die Frequen- 



*) Kriegs-Archiv: SchriftenarcMv 1829. 

*) Rechkron a. a. O., 8. 62. 

«J Kriegs-Archiv 1838: F. N., Nr. 31/3. 



Digitized by Google 



dsterreich-Ungarn. 



169 



tanten brauchten eine Kapitulation nicht einzugehen; von der in der 
Anstalt zugebrachten Zeit wurden nor die beiden letzten Jahre als 
Dienstzeit angerechnet Die Assentierung geschah als Kadetten 
Oder als Ex-propriis-Gemeine. Im letzten Jahre ihrer Zugehorigkeit 
durften adelige Kadetten lombardisch-venetianischer Herkunft um 
"Cberweisung zur Italienischen Leibgarde nachsuchen. Mit Rucksicht 
auf Klima und Lebensgewohnheit ward zu Mittag Wein gegeben. Das 
Kostgeld betrug 250 bis 260 Gulden jahrlich, die Privatzulage 
der vom Menagezuschusse nicht befreiten Zoglinge 10 Gulden mo- 
natlich. Statt holzerner Bettstellen waren eiserne Kavaletts ein- 
gefahrt 

Das Lehr- und Aufsichts- etc. -Personal war wie in Graz, 
jedoch 9 Lieutenants, 5 Feldwebel, 10 Korporale. TTber die Ge- 
staltung des Unterrichts fehlen nahere Nachrichten. Aus den Ver- 
zeichnissen der Lehrmittel ist zu schliessen , dass er ahnlich wie in 
Olmutz und Graz erteilt wurde. Dem Erlernen des Deutschen ward 
besondere Aufinerksamkeit gewidmet. 

Die Kompagnie trat am 1. Oktober 183 9 ins Leben. Bevor sie 
zu reenter Entwickelung gelangt war, machten die Ereignisse vom 
Fruhjahr 1848 ihrem Bestehen ein Ende. 

7. Eegiments-Kadettenschulen. 

Durch die 1808 erfolgte Errichtung der Kadetten-Kompagnien 
war der Plan, Kadettenschulen bei den Regimentern zu schaffen, hin- 
fallig geworden. Als aber nach dem Friedensschlusse von 1809 
zunachst nur eine der Kompagnien wieder in Thatigkeit trat, ward er 
wieder aufgenommen, indem Regiments-Kadettenschulen „als Surro- 
gat" fur jene eingerichtet wurden. 

Sie haben eine nennenswerte Wirksamkeit nicht entfaltet. Bei 
der Kavallerie bestand dergleichen als eine allgemein vorgeschriebene 
Einrichtung uberhaupt nicht. Wenn ein Kommandant seine Kadetten 
im Winter beim Stabe vereinigte, so geschah es vorzuglich, um sie 
im Reiten auszubilden. Von wissenschaftlichem Unterrichte war 
hochst selten die Rede. Etwas anders bei der Infanterie und bei 
den Jagern. Hier waren die Regiments-Kommandanten angewiesen, 
im Winter Schulen einzurichten, die Leitung einem Offizier zu uber- 
tragen und den Unterricht ahnlich wie in den Kadetten-Kompagnien 
erteilen zu lassen. Meist stand ein Hauptmann an der Spitze; 
Offiziere unterrichteten , ausser in den rein dienstlichen Fachern, in 



Digitized by Google 



170 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Rechnen, Geographie, Geschichte, Terrainlehre , Befestigungskunst, 
Pionierdienst und Situationszeichnen. >) Der „Bruder Kaplan" ward 
wohl als Lehrer in allgemein wissenschaftlichen Facbern und in der 
Regiment88prache herangezogen. 

Die Erfolge hingen in hohem Grade vom Zufalle ab. Wo der 
Oberst der Anstalt Sorgfalt zuwandte und geschickte Lehrer unter- 
richteten, waren sie gut, zuweilen vortrefflich; wo das Gegenteil statt- 
fand, waren sie minderwertig, oft gleich Null. 

V. Die Pionierschule, 1811—1852. 

Als durch Erlass vom 29. Dezember 180 9 das seit 1758 be- 
stehende Pionierkorps , ') welches gleichzeitig eine neue Organisation 
erhielt, dem Generalquartiermeisterstabe unterstellt ward, richtete der 
Chef des letzteren, FZM. Graf Radetzky, sein Augenmerk sofort auf 
die Beschaffung eines geeigneten Offizierersatzes. Am 23. Juli 1810 
erfolgte die Ansetzung von je 5 Kadetten bei jeder der 8 Kompagnien. 
Sie sollten den Regimen tskadetten gleich gehalten werden. Der Kaiser be- 
fahl, dass dazu gebildete und vermogliche jungeLeute genommen werden 
sollten. Radetzky strebte danach, ihnen wie der Truppe uberhaupt eine 
tuchtige wissenschaftliche Ausbildung zu gewahren. Der Hofkriegsrat 
war einverstanden. Unter dem 16. September 1810 erwiderte dieser 
auf den vorgetragenen Wunsch nach Errichtung einer Lehranstalt: 
„Die Bestimmung des Pionier-Korps lasst nicht verkennen, wie not- 
wendig es sei, zur Bildung der Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen 
Schulen zu halten, und hierzu einige vorzugliche Offiziere als Pro- 
fessoren zu verwenden." Da der Staat aber zur Zeit nicht fiber die 
zur Errichtung einer formlichen Schule erforderlichen Mittel verfflge, 
sollen zunachst in der Pionierkaserne zu Korneuburg ein geeignetes 
Lokal als Unterrichtszimmer bestimmt, die Lehrmittel durch Ent- 
nahme aus dem Archiv oder der Zeichnungskanzlei beschafft, sonst 
Notwendiges aus dem Archivfonds bezahlt werden und das Pontonier- 
Regiment das Material zur tTbung im Bruckenbau liefern. 



') Das k. k. osterreichische Linien- Infanterie- Regiment von A. Dub, 
WIen 1861. 

*) Geschichte des k. k. Pionier-Regiments von Hauptmann W. Brinner, 
4 Bande, Wien 1878-1881. 



Digitized by Googl 



ftsterreich- Ungarn 



171 



1811 bis 1816: Korneuburg, Wiener Neustadt. 

Im Januar 1811 trat die Schule ins Leben. Kommandant war 
Major Romer, Professoren die Lieutenants Glass und Now ak. Der 
Unterricht zerfiel in einen Vorbereitungskurs und zwei Jahrgange. Er 
sollte ein zweifacher sein: far Oberoffiziere und Kadetten und fur die 
Unteroffiziere und jenen gemeinen Mann, „der wegen seiner Talente 
und guten moralischen Charakters die Hoflhung giebt, sich fur seine 
Bestimmung brauchbar zu machen". Der Erfolg war angesicbts der 
Schwierigkeiten genugend. Radetzky spraeh unter dem 17. Juni 
1811 seine Zufriedenheit aus und verfugte, dass im Vorbereitungs- 
kurse Lesen, Schreiben, Dienstreglement und Verfassen militarischer 
Eingaben zu lehren seien. Nach Schluss des 1. Schuljahres legte 
Romer am 5. Oktober 1811 einen Plan vor, nach welchem die 
Schule sich in zwei Abteilungen zu je zwei Jahrgangen gliedern sollte, 
von denen die 1. zur Ausbildung von Unteroffizieren , die 2. von 
Offizieren bestimmt war. Letztere sollte Offiziere, Kadetten und zu 
Offizieren geeignete Unteroffiziere aufnehmen. Der Lehrplan sollte 
umfassen: 

L Abteilung, 1. Jahrgang, Winter: Lesen, Schreiben, 
Rechnen, Pionier-Dienstreglement, Exerzieren mit den Laufbriicken. 
In einem Erdkasten Feldverschanzung. Holzkenntnis. Zeichnen so 
viel, als es fur den Unteroffizier notig. Sommer: Fortsetzung der 
Elementargegenstande, Exerzieren mit dem Gewehr und den Lauf- 
brucken, Schwimmen, Wasserfahren, Ausstecken, Tracieren und Pro- 
filiereD, Verkleidungsarbeiten, Hindernismittel. — 2. Jahrgang, 
Winter: Lesen, Schreiben, Rechnen bis zur Regel-de-tri, militarische 
Eingaben, die fruheren Gegenstande fortgesetzt. Sommer: Dienststil 
und Aufsatze, Tabellieren. Ausser den fruher betriebenen Ubungen 
noch Feldschanzenbau , Strassenbau, Nivellieren mit Absehkreuzen, 
Stemsprengen, Bruckenbau, Feldbrunnen. 

2. Abteilung, 1. Jahrgang, Winter: Anfange der Algebra, 
Situations- und Fortifikationszeichnung, Feldbefestigung, Bruckenbau. 
Sommer: Ausser den fruher betriebenen tJbungen noch Ausstecken 
von Kolonnenwegen, Aumahmen von Flussen. — 2. Jahrgang, 
Winter: Geometrie, Nivellieren, Logarithmen, Wasserbau. AU- 
gemeines uber bestandige Befestigung. Sommer: wie der 1. 
Jahrgang. 

Der General - Quartiermeisterstab genehmigte den Vorschlag 
unter dem 25. Oktober mit der Abandoning, dass das Lesen und 



Digitized by Google 



172 Geschichte dee Militar-ErziehungB- und -Bildungswesens etc. 



Schreiben wegfallen, nur einige Stunden auf Dictandoschreiben ver- 
wandt, das Tabellieren und der Dienststil in den 1. Jahrgang der 
1. Abteilung ubertragen und der praktische Schanzenbau ebenfaUs 
im 1. Jahrgange in Verbindung mit dem Ausstecken und dem Pro- 
filieren geflbt werden sollte. 

Auf diesen Grundlagen ward im Herbst 1811 der 2. Jahrgang 
eroffnet Am 10. September 1812 berichtete auf Grand einer ihm auf- 
getragenen Besichtigung Maj. von Wirker: „Dass in der Korps-Schule 
zuKorneuburg etwas geschah, war mehr der eigenen vorziiglichen Thatig- 
keit der dort angestellten Offiziere als der Organisation der Schule 
zuzuschreiben, denn an einer ordentlichen Bestimmung dessen, was, 
des Ganges, wie gelehrt, der Grenzen, fiber welche nicht hinaus- 
geschritten, und unter welchen nicht geblieben werden durfte, 
mangelte es ganz; kurz jedem Lehrer blieb es freigestellt zu lehren, 
was und wie er wollte. Dazu kamen noch alle Augenblicke neue 
Schuler nach, die entweder hinter den an dem zurackbleiben mussten 
oder die Lehrer zwangen von vorn wieder anzufangen." Die Unter- 
bringung sei mehr fur Zuchtlinge als fir Pionierschuler geeignet. 
Er beantragte Verlegung nach Stadt Enzersdorf. Die kriegerischen 
Ereignisse der Jahre 1813 und 1814 verhinderten zunachst, dass die 
Schule (iberhaupt eine feste Gestalt annahm. In letzterem Jahre 
ward sie nach Wiener Neustadt verlegt. Sie war in zwei Klassen 
geteilt, von denen die eine 5 Lieutenants, 3 Korporale, 1 Zimmer- 
mann, 27 Gemeine, die andere 1 Feldwebel, 9 Korporale, 7 Kadetten, 
I Spielmann, 1 Zimmermann, 12 Gemeine als Schuler umfasste; ein 
Hauptmann war Kommandant, zwei Lieutenants lehrten. Es bestand 
auch eine Werkschule mit 1 Lieutenant als erstem Modelleur und 2 
Lieutenants zur Abrichtung in diesem Fache, 1 Korporal und 5 Gemeinen 
als Modelleur-Werkleuten ; im ganzen 79 Kopfe. Ein Bericht *) des Maj. 
von Wirker vom 16. August 1816 sagt: „Diese sogenannte Korps- 
Schule wird und kann ihres inneren Gehaltes wegen gegenwartig nur 
als eine Vorbereitungsschule betrachtet werden, in welcher die Schuler, 
mit Ausnahme der Offiziere, die gegenwartig bios zum Situations- 
Zeichnen angehalten werden, taglich durch vier Stunden im Schreiben, 
Rechnen und Linienzeichnen unterrichtet werden, was ubrigens auch 
bei der Kompagnie geschehen konnte." Der Kommandant sei ein 
ausgezeichneter ausubender Pionieroffizier und von unermudetem 
Eifer, habe aber „weder genug Wissenschaften noch Anlage zu dieser 



») Kriegs-Archiv 1816: 14. AbteUung, Nr. 23/3, 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



173 



Anstellung" und die beiden Lehrer seien „nur Anfanger in den 
mathematischen bezw. Pionierwissenschaften". Die Modellschule leiste 
Befriedigendes, die Sammlung entbehre aber der richtigen Reihen- 
folge. Lehrbucher fehlten; es werde nach einigen alten Handsehriften 
vorgetragen. An Messinstrumenten sei ein alter Messtisch vorhanden. 
Fur die TTnterbringung standen 5 Zimmer in der Zeughauskaserne 
zur VerfQgung, welche bei weitem nicht fur die in Aussicht ge- 
nommenen 120 Schuler reichten. Der Boden in der Umgebung von 
Wiener Neustadt sei fur Pionierarbeiten ganz ungeeignet, schon der 
Name des tTbungsplatzes „Steinfeld" besage es, und die seichte 
Fischa mache den Bruckenschlag, das Wasserfahren und Schwimmen 
illusorisch. Wiederum wurde Stadt Enzersdorf als Standort vorge- 
schlagen, daneben Tulln und Korneuburg. 

Das Pionierkorps wfinschte sehr die Einrichtung zu einer blei- 
benden zu machen und sie auch wahrend eines Krieges zu erhalten. 
Die Kompagnien sollten angewiesen werden, dass bei einer jeden 
jahrlich wenigstens zehn vorzugliche junge Leute im Lesen, Schreiben, 
Rechnen und Linienzeichnen , sowie in dem katechetischen Pionier- 
unterrichte (als Vorbereitung) vollkommen ausgearbeitet wurden, weil 
sonst diese mit grossen Anstalten und Erwartungen beginnende 
Schule nach drei Jahren, auf welche der Lehrgang begrundet werden 
sollte, wieder eingehen wurde. Geeignete Schuler sollten „durch 
offentlichen Aufruf an junge, zum Militarstand geeignete Leute von 
guter Vorbildung oder durch Zuteilung einer hinlanglichen Zahl 
mit Vorsicht gewahlter Infanterieoffiziere und Kadetten zusammen- 
gebracht werden". 

Fur Lehrmittel etc. wurden jahrlich 500 Gulden verlangt. 

Bei den durch Wirker angeregten Verhandlungen ergab sich eine 
Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und dem Korpskommandanten 
Oberst.-Lt. Romer, indem letzterer die Vorbildung durch Elementar- 
unterricht in den Kompagnien wegen deren tTberhaufimg mit anderem 
Dienst fur unausfuhrbar erklarte. Die Frage wurde in Romers Sinne 
entschieden; im ubrigen gelangten Wirkers Vorschlage zur Aus- 
fuhrung. Es sind die in dem eingefuhrten Lehrplane zum Ausdruck 
gelangten. 

1817—1823: Wiener Neustadt, Korneuburg. 

Auf Grand der durch den Chef des General-Quartiermeister- 
stabes FZM. Baron Prochaska geleiteten Verhandlungen trat die 



Digitized by Google 



174 



Geschichte des Militiir-Erziehunga- und -Bildungswesens etc. 



Schule 1817/18 in veranderter Gestalt ins Leben. Sie umfasste 
eine Vorbereitungsschule und drei Klassen J ) und hatte guten Erfolg. 

Im Oktober 1818 erfolgte die Ruckverlegung nach Korneu- 
burg in den ebenerdigen Trakt des ehemaligen Augustiner-Klosters. 
Das Hauptverdienst urn ihr Gedeihen hatte der mit der Oberleitung 
beauftragte Major von Hauer vom General-Quartiermeisterstabe. 
Ein Bericht 2 ) desselben, welchen Prochaska am 15. Oktober 1819, 
als „ein Cyklus abgeschlossen" wurde nebst einem Prafungsberichte 8 ) 
Hauers dem Hofkriegsrate unterbreitete , sagt, bei Errichtung der 
Schule habe man nur die praktische Ausbildung der Kadetten und 
Unteroffiziere bezweckt. Man habe sich aber bald iiberzeugt, dass 
es dazu theoretischer Anleitung bedurfe. Es sei deshalb 1817 die 
Einteilung in eine Vorbereitungsschule und in drei Klassen erfolgt, 
deren theoretischer Unterricht durch praktische tTbungen erganzt 
worden. Wegen ihrer hervorragend praktischen Bestimmung und 
weil ihr auch Gemeine angehorten, stande dieselbe zu den Akademien 
in einem untergeordneten Verhaltnis, daher seien die Lehrbiicher der 
letzteren nicht zu verwenden ; die Lehrer hatten ihre Vortrage selbst 
ausarbeiten mussen und diese Aufgabe mit Geschick gelost, so dass 
die Erfolge des Unterrichts sich bei den Prufungen als sehr gute 
erwiesen hatten. Es wurde daher auf Remunerationen von je 
100 Gulden fur neun Lehrer (8 Offiziere und 1 Unteroffizier fur die 
Vorbereitungsschule) angetragen. Um aber eine Gewahr fur stetes 
Vorhandensein tuchtiger Lehrkrafte zu schaffen, moge man Offizieren, 
welche langere Zeit mit Erfolg gewirkt hatten, Beforderung ausser 
der Reihe in Aussicht stellen. 

Die drei ersten Jahrgange hatten 132 Schuler gehabt Davon 
waren 23 als vollkommen ausgebildet entlassen und teilweise in die 
Zeichnuugskanzlei und zum Kataster iibergetreten. Unter jenen 
132 befanden sich 12 Offiziere und 20 Kadetten fremder Regimenter. 
Prochaska wunschte deren Aufnahme, sobald die Raumlichkeiten 
es gestatten wurden, auf eine Anzahl von Offizieren und 30 bis 40 
Kadetten auszudehnen. Von Offizieren musse man indessen nur sehr 
empfohlene zulassen, weil sie bei minderen Fortschritten leicht in 
ein Missverhaltnis zu ihren Klassenkameraden kamen; Hauer hatte 
sie ganz ausschliessen wollen. Es sollten damit Lehrer fur die 
Regimentsschulen herangezogen werden. Die tTbungsaufnahme habe 

») Kriegs-Archiv: 14. Abteilung, Nr. 239. 
«) Kriegs-Archiv 1819: 14. Abteilung, 23/10. 
») Kriegs-Archiv 1819: 14. Abteilung, Nr. 23/11. 



Digitized by Google 



6sterreich-Un garn 



175 



die Gemeinden Leobenberg, Bisamberg und Korneuburg mit einer 
Area von 4500 Joch umfasst; die Provinzialdirektion des Katasters in 
Osterreich habe sie far geeignet erachtet, ihren eigenen besten Auf- 
nahmen an die Seite gesetzt zu werden nnd sich bereit erklart die- 
selbe zu ubernehmen und zu bezahlen. Mit dem Gelde konne man 
die Unko8ten bestreiten und den tTberschuss zu Anschaffungen ver- 
wenden. Auch die Leistungen in den ubrigen Wissenschaften seien 
gute gewesen und ebenso habe die moralische Haltung befriedigt. 
Es wurden durch die Anstalt, in welche die Schuler grosstenteils 
hochst kargliche Kenntnisse mitgebracht hatten, dem Heere tuchtige 
Leute zugefuhrt werden und das Bestehen der Sehule wiirde, nament- 
lich wenn dureh Gewahrung der fur die Lehrer erbetenen Vergunsti- 
gnngen dieser geeignete Krafte gesichert wiirden, die Errichtung einer 
ferneren Kadettenschule, deren Leistungen weit geringer seien, uber- 
flussig machen. Als Sporn fur die Schuler ward vorgeschlagen, jahrlich 
zwei der vorzuglichsten zu Fahnrichen bei Infanterieregimentern zu 
ernennen, bei denen sie als Lehrer gebraucht werden konnten. 

Neben der Eingabe vom 15. Oktober fiberreichte Prochaska dem 
Hofkriegsrate mit dem Bemerken, dass derselbe in Zukunft dem Unter- 
richte zu Grunde gelegt werden wiirde, einen 

Lehrplan fur die Pionier-Korpsschule zu Korneuburg, 1 ) 
welcher bestimmte, dass die zu Offizieren nicht geeigneten Schuler 
mit dem 2. Jahrgange als Unteroffiziere in ihre Kompagnien zuruck- 
treten sollten. Ein Nachteil war der grosse Umfang des in der 
hochsten Klasse zu bewaltigenden Lehrstoffes. Der Plan schrieb vor: 

Vorbereitungssehule. Rechnen: die vier Spezies mit un- 
genannten Zahlen, desgl. mit genannten (hierin besonders das 
Toisieren), Rechnen mit Bruchen und Dezimalen, einfache und zu- 
sammengesetzte Regel-de-tri, Interessen-, einfache und zusammenge- 
setzte Gesellschaftsrechnung, welsche Praktik, Kettensatz. 

Lesen: Gedrucktes und Geschriebenes. 

Schreiben: Schonschreiben (nach dem Formulare der Piaristen- 
Schule) : deutsche und lateinische Kurrentschrift und zwar sowohl in 
der Art der franzosischen „Coule*e" als der englischen „Coursif"; 
Dictandoschreiben. 

Zeichnen: von Linien. 

1. Klasse: Mathematik: Allgemeine Grundsatze, Entwicke- 
lung, wie man nach und nach auf das Dezimalsystem gekommen iat, 

*) Kriega-Archiv 1819 : 14. Abteilung, 23/9. (HandschriftUch.) 



Digitized by Google 



176 Geschicbte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungsweaens etc. 



algebraische Zahlen, Addieren und Abziehen, bejahende und ver- 
neinende Grossen, Erklarung aUer in der Algebra vorkommenden 
Zeichen, die vier Spezies mit bejahenden und verneinenden, auch mit 
algebraischen, doch immer mit ungenannten Zahlen, Lehre der ge- 
brochenen Zahlen (gewdhnlichen und algebraischen), Lehre der Dezi- 
malbrfiche, von den genannten Zahlen, gebrochene genannte Zahlen, 
die vier Spezies damit, Lehre der Gleichungen (einfache, unbe- 
stimmte), Potenzen und Wurzeln, rationale, irrationale Grossen, Aus- 
ziehung der Wurzeln aus zusammengesetzten Grossen (zuerst alge- 
braisch, dann mit Ziffern), Ausziehung der Eubikwurzeln auf dieselbe 
Art, bestimmte Gleichungen des 2. Grades, Verhaltnisse und Pro- 
portionen, Anwendung der Lehre der Proportionen. 

Zeichnen: Linienzeichnung in grosserer Vollkommenheit, Si- 
tuation szeiohnung. 

Materialienkenntnis: Es handelt sich hier, den Schulern 
eine genaue, erschopfende Kenntnis iiber diejenigen Materialien zu 
verschaffen, welche bei den verschiedenen Militar-Baulichkeiten vor- 
kommen: A. Holz: 1) Eine physikalische Schilderung des Wachs- 
tums und Wiederzugrundegehens der Baume, woraus schon Beur- 
teilung tiber die mehr oder mindere Anwendbarkeit der mancherlei 
Baumarten hervorgeht 2) Naturhistorische Beschreibung aller Baum- 
gattungen, die man im osterreichischen Kaiserstaate zum Bauen an- 
wendbar antrifft. 3) Insofern es thunlich ist, eine ahnliche Be- 
schreibung der Baume, die etwa den benachbarten Staaten, als 
Italien, Frankreich, Sachsen, Preussen, Serbien, Moldau oder Wallachei 
eigentumlich sind. 4) Das Fallen der Baume, Beurteilung der Stamme 
in bezug auf die daraus zu erzielenden Balken. Hier muss der 
Baummesser (Dendrometer) beschrieben werden (Einschreiben des 
grossten Geviertes, dann Einschreiben desjenigen, welches die starksten 
Balken giebt). B. Stein e: Hieruber lasst sich aus dem oben Ge- 
sagten durch die Analogie ein ahnliches Gerippe fur die zu lehrenden 
Gegenstande entwerfen. C. Erdarten: Kenntnis derselben, soweit 
sie auf den Bau Einfluss haben. D. Die mehr als mechanische Mittel 
zu erzeugenden Materiale: Ziegel, Kalk, Mauersand. E. Lehre vom 
Mortel. — Fur dieses Jahr ist es hinreichend, wenn diese Lehren 
von der Erzeugung und Kenntnis der Materialien erschopft und erst 
im folgenden zur Anwendung derselben im Bau ubergegangen wird. 

Geographie und Geschichte: Geographie: Allgemeine Ge- 
schichte des Erdballs, Hauptgebirgszug von Europa, politische Ein- 
teilung der funf Weltteile nebst Anfuhrung der vorziiglichsten Fliisse, 



Digitized by Google 



Osterreich-Uugarn. 



177 



Stadte, Gebirge, Regierungsform, Bevdlkerung, Namen der Regenten, 
etwas fiber ibre Dynastie etc. — Geschichte: Die alte Geschichte 
der vorzfiglichsten Volksstamme, der Griechen und Romer. 
tTbung im Geschaftsstil. 

2. Klasse: Mathematik: Geometrie oder Messkunst, allge- 
meine Begriffe and Erklarungen, Linienlehre, gerade, die von einem 
Punkte auf einen anderen gezogen sind, gleichlaufende, Umkreise, 
Winkel, Tangenten-Lehre des Dreiecks in bezug auf seine ein- 
schliessenden Seiten und die von ihnen eingeschlossenen Winkel, vom 
Viereck in derselben Beziehung. Lehre von den Flachen, Fiachen- 
inbalt. Verbindung der Linienlehre mit der Flachenlehre , gleich- 
laufende, auf einander senkrechte Ebenen, Ahnlichkeit der Figuren. 
Lehre der Aufna^me in grosster Ausfuhrlichkeit. Von der Ver- 
wandlung der Figuren, ihrer Unterteilung nach bestimmten Ver- 
nal tnissen. Militarische Baukunst: Anwendung der Materialien 
zu wirklichen Bauten. Feldverschanzung mit den dabei vorkommenden 
Blockhausern , Gemeinschaften , Brunnen, Feldofen. Zeichnen: 
Situations-, Linienzeichnung. 

Geographie und Geschichte: Insbesondere der osterreichische 
Staat mit aller moglichen Genauigkeit und Ausfuhrlichkeit; dann die 
benachbarten , jedoch mit minderer Umstandlichkeit und zwar ganz 
nach dem Range wie jeder Nachbarstaat in betracht seiner politischen 
Beziehungen zu Osterreich steht. 

3. Klasse: Mathematik. A. Theorie: Lehre der Progressionen, 
Reihen und Logarithmen als Vorbereitung zur ebenen Geometrie; der 
Zirkelbogen und ihrer Funktionen zu gleichem Zweck; geradlinige 
oder ebene Trigonometrie; Korpermessung oder Stereometrie; Me- 
chanik der festen und der flussigen Korper; kurzgefasste Lehre der 
Physik. B. Praktische tTbungen : a la vue- und andere Aufnahmen, 
die jedoch mehr als tTbung der Terrainzeichnung zu betrachten sind. 
Zeichnen: Situations- und einfache Maschinenzeichnung oder An- 
weisung in der Geometral- und Perspektivzeichnung. Baukunst: 
Feldbefestigungskunst, Strassen-, Bruckenbau; sonstige Bauten (Ba- 
racken, Blockhauser, Backdfen, Feldspitaler nebst der Lehre mehrere 
dieser Baulichkeiten in vorkommende Falle schleunigst zu zerstoren). 

Geographie und Geschichte: 1) Politische: Fortsetzung 
des Unterrichts vom verflossenen Jahre mit besonderer Hinweisung 
auf Osterreich. 2) Mathematische (wenn der Unterricht der Mathe- 
matik den Schiilern die erforderlichen Lehren und Grundsatze ge- 
liefert hat). 3) Topographische Betrachtungen fiber Osterreich, vor- 

Monnmenta OermanUe Paedagogioa XV. 12 



Digitized by Google 



178 Geschichte das Milit&r-Erziehungs- und -Bildungsweuena etc. 



zuglich als Erlauterung zu einer militarischen Terrainlehxe. 
Praktische tTbungen in der Feldbefestigung. 
Erzeugung von Modellen. 

Seit 1821 ward auf Prochaskas Aniegung dem Zeichnen, be- 
sonders dem militarischen, mehr Aufmerksamkeit gewidmet, in der 
2. und 3. Klasse wochentlich je 10 Stun den; das perspektivische 
Zeichnen ward, urn die 3. zu entlasten, in die 2. iiberwiesen. 



Eine auf die Eingaben vom 15. Oktober 1819 erfolgte A. E. 
vom 20. Februar 1820 J ) wies darauf hin, dass die Schule vor- 
nehmlich dem Pionierkorps zu dienen und praktische Zwecke zu ver- 
folgen habe. Nur in so weit als diese Rficksicht gestatte und unter 
der Bedingung, dass dem Arar keine Kosten erwiioiien, durfben andere 
Kadetten aufgenommen werden. Offiziere sollten in Zukunft nicht 
zugelassen werden ; die vorhandenen acht diirften bleiben solange sie 
in der Armee uberzablig seien. Der Vorschlag, Zoglinge als Fahn- 
riche der Infanterie zu uberweisen, ward, da die Schule dem Korps 
niitzen und daher die vorzuglichsten Zoglinge diesem verbleiben sollten, 
abgelehnt. Die Beforderung ausgezeichneter Lehrer ausser der Reihe 
sollte als Grundsatz nicht ausgesprochen werden, der Hofkriegsrat 
stellte in Aussicht, dass er im Einzelfalle auf geausserte Wunsche 
Rficksicht nehmen wOrde. Die Remunerationen wurden bewilligt und 
auch in der Folge in Betragen yon 120 bis zu 50 Gulden alljahrlich 
gezahlt, bis eine anderweite Regelung der Bezuge eintrat. 



Die Schule entsprach indessen bei weitem nicht den Anspriichen 
des Pionierkorps. Ein vom Lt. Freiherrn von Salis des Pionier- 
korps 1821 gemachter, von den Lehrern begutachteter, von Hauer 
gebilligter Entwurf zu Anderungen schlug vor, sie in zwei Abteilungen 
zu gliedern, von denen die eine zu Unteroffizieren , die andere zu 
Offizieren heranbilden sollte. Jene sollte den Lehrplan der Vor- 
bereitungs- und der 1., diese den der 2. und 3. Klasse erledigen. 
Bei dieser Gelegenheit ward fiber die Beschaffenheit der Anstalts- 
raume geklagt, welche sich in drei verschiedenen Hausern befanden, 
in denen nicht nur Militarpersonen wohnten. Zum Teil seien es 
finstere, dumpfige Zimmer. 

Das Ergebnis der Verhandlungen war eine 1823 auf Grund von 



') Kriegs-Archiv 1820: 14. AbteUung, Nr. 23 (13). 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



179 



„Verhaltungs-Vorschriften fur die k. k. Pionier-Korps- 
Schule" 1 ) folgenderma88en ins Leben tretende Neugestaltung : 

1823 bis 1828: Korneuburg. 

Die Anstalt war zur Heranbildung der Kadetten und Ex-propriis- 
Gemeinen, sowie einiger ausgewahlter Unteroffiziere und anderer 
Gemeinen des Pionierkorps bestimmt und stand unter Oberleitung 
des Chefs vom General-Quartiermeisterstabe. Der Hofkriegsrat konnte 
auch andere Kadetten zum Besuche zulassen. Die Ausbildung „rur 
den Pionierdienst im vollsten Umfange" erfolgte in einer Vorbe- 
reitungsklasse und drei Jahrgangen auf Grund des nachstehenden 
Lehrplanes: 

Vorbereitungsklasse fur alle, welche „ohne systematische 
Grundlage in irgend einem wissenschaftlichen Unterrichte" eintreten : 
Lesen von Gedrucktem und Geschriebenem ; deutsche Sprach- 
lehre; Schdn- und Dictandoscbreiben; Recbnen; Linien- 
zeichnung: TTbung auf der Rechentafel mit Rechenstein, in Blei, 
mit der Reissfeder (Haar- und Schattenstriche, Gebrauch des Lineals, 
der Parallelen, Ziehen von Kreislinien und Bogen, Verfertigung von 
Massstaben), nach eigenen Formularien, Rubrizieren und Tabellieren 
mit Feder und Tinte. 

1. J ah r gang (mit welchem der Unterricht fur die kunftigen 
Unteroffiziere abschliesst). 

Arithmetik und Algebra, nach Hauser, 1. Teil; Kenntnis 
aller bei militarischen Bauten zu verwendenden M ate ri alien nebst 
Art ihrer Erzeugung oder Zurichtung, nach eigenen Heften; Geo- 
graphic und Geschichte; militarischer Geschaftsstil: Dic- 
tando oder tTbung im Rechtschreiben , dann Aufsatze, nach „Mili- 
tarischer Briefsteller von einem k. k. Offizier"; Linien- und 
Situationszeichnen, nach Musterblattern, welche Lt. Matzal nach 
Anleitung des Ingenieur-Ober-Lt. Hauslab entworfen hatte; Schon- 
schreiben. 

2. Jahrgang. 

Mathematik: Linien, Flachen, ahnliche Figuren, Aufnahmen, 
nach Hauser, 2. Teil, 1. und 2. Abschnitt, nebst tJbungen auf dem 
Felde; militarische Baukunst: Feldbefestigung, theoretisch und 



») MetaUographiert, Foho. Vgl. auch Brinner a. a. O., II, 1. S. 404. 

12* 



Digitized by Google 



180 



Geschichte des Militar-Ereiehunga- und -Bildungswesens etc. 



praktisch, nach eigenem Leitfaden; 1 ) Geographic und Geschichte; 
Geschaftsstil und Fortsetzung der (Tbung in schrifUichen Auf- 
satzen; Situationszeichnen und Zeichnen der Feldverschanzung. 
Schonschreiben. 
3. Jahrgang. *) 

Mathematik: Nivellieren, Trigonometric, Korpermessung, Lehre 
von den krummen Linien, Anfangsgrunde der Physik; militarische 
Baukunst: Strassenbau, Schluss der Feld- und Anfange der steten 
Befestigung, Wasser- und Bruckenbau. ■ 

Geographie und Geschichte, namentlich Grundsatze der 
mathematischen Geographie und Statistik Osterreichs und der 
Nachbarstaaten ; Geschaftsstil nebst Anweisung in Eenntnis des 
Dienstes und der Organisation des k. k. Heeres, letztere nach 
eigenem Leitfaden; Situations- und Militarbauzeichnen; 
Schonschreiben. 

Fur alle Klassen gemeinsam: Religionsunterricht: 
Sonntags nach dem Gottesdienste ; Fechten, wofur ein geprufter 
Fechtmeister (Feldwebel) bestellt war; Schwimmen und Wasser- 
fahren, ebenfalls unter einem gepruften Meister (Feldwebel) ; Exer- 
zieren, unter Anleitung des Schulkommandanten , jede Kompagnie 
hatte 1 Offizier, 2 Unteroffiziere als Exerziermeister; Regle- 
mentskenntnis: wochentlich einmalige Vorlesung und Erlauterung 
durch einen Offizier; Zeichnung und Erzeugung der Modelle 
von Kriegsmaschinen, militarischen Handwerks- oder Arbeitswerk- 
zeugen, unter einem Modellaufseher ; praktische Pionierarbeiten: 
nach der Jahresprufung bis zum Oktober. 

Freiwillig sich Meldende unter rich tete Lt. Birago, der Erfinder 
der Birago-Brucken, im Franzdsischen und im Italienischen. 

Die Zeiteinteilung fur den theoretischen Kursus war: von 
7 bis 8 Uhr Fechten oder Exerzieren, von 8 bis 12 und von 2 bis 5 
Unterricht, im Sommer nach 5 Uhr eine praktische TTbung. 

Die Anstalt stand zwischen einer Truppenschule und einer 
klosterlichen Erziehungsanstalt. Auf der einen Seite wurden die 
Zoglinge als Soldaten behandelt, auf der andern wie Schulknaben. 



*) Brinner a. a. O. „nach dem Lehrbuche der Feldfortifikation". 

«) Brinner a. a. 0-: „Naturlehre, Statik, Mechanik und Hydros tatik nach 
Lichtenberga Vorlesungen, herausgegeben von Gramont, Baukunst, Befestigunga- 
kunst, Wasser-, Strassen- und Bruckenbau, Zeichnungen aus diesen Gegen- 
standen, Geographie und Geschichte, mathematische Geographie, ArmeeorgaQi- 
sation, Situationszeichnung, Katastral- und militarische Aumahme." 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



181 



Sie durften keine Wirtshauser besuchen und nicht urn Geld spielen. 
Wahrend ihnen anfangs zu grosse Freiheit verstattet gewesen war, 
fand jetzt das Gegenteil statt. 

Die Aufnahme setzte eine gewisse Wohlhabenheit voraus. Der 
Eintretende musste vollstandig gekleidet und mit Wasche ausgestattet 
werden, verschiedene Gegenstande u. a. ein Essbesteck, 2 Teller, 
2 Servietten, 1 Trinkglas, Wasch- und Nahzeug etc. mitbringen und 
eine Monatszulage von mindestens 6 Gulden nachweisen. In der 
Anstalt empfing er die Gebflhrnisse seines Grades. Wer beim Ein- 
tritte Unteroffizier war, musste die Abzeichen ablegen, bis sie ihm 
wieder zaerkannt wurden. Akatholiken nahmen an den vorge- 
schriebenen kirchlichen Feierlichkeiten teil, daneben durften sie ihre 
eigenen religiosen Gebrauche etc. ausuben. Verwaltung und Diszi- 
plin der Schule standen unter den Vorgesetzten der Waffe; die 
wissenschaftliche Oberleitung hatte ein Offizier des General-Quartier- 
meisterstabes als Inspektor; Eommandant war seit 1814 Hauptm. 
Franz Kegeln, ihm waren 8 Pionieroffiziere und 3 Feldwebel beige- 
geben. Von ersteren ffthrten je 2, wochentlich wechselnd, die allge- 
meine Aufsicht, wobei sie durch Kadetten-Unteroffiziere, welche auch 
als Zimmerkommandanten Verwendung fanden, unterstutzt wurden. 
Die Schule, welche 1823 137 Zdglinge, darunter 67 Kadetten und 
Ex-propriis, zahlte, war in zwei Kompagnien gegliedert. Zur Ver- 
richtung der groberen Arbeiten waren Pioniere kommandiert, welche 
von den Zoglingen gegen eine Vergutung zum Reinigen ihrer 
Kleider etc. benutzt werden durften. Die Einteilong in Kompagnien 
scheint indes nur kurze Zeit bestanden zu haben. 

Die Hausordnung bestimmte : Im Winter ward um 6, im Sommer 
um 5 Uhr aufgestanden. Das Waschen geschah nach der Witterung 
auf den Gangen oder im Zimmer; es erstreckte sich auf Gesicht und 
Hande, ,,letztere zuweilen mit Seife", Zahnebursten , Reinigen der 
Zunge mit dem Schabbeine und Kammen der Haare ; Samstag Abend 
wurden die Fiisse gewaschen. Die Leibwasche ward Sonntag und 
Donneratag, die Bettwasche monatlich gewechselt. Nach dem Waschen 
ward Betstunde gehalten; der Zimmerkommandant betete ein vorge- 
schriebene8 Gebet in bestimmten Absatzen vor, die ubrigen wiederholten 
seine Worte; darauf folgte das Fruhstuck (Suppe) auf den Zimmern 
und das, wie alle Zeichen, mit der Trommel gegebene Signal „Ver- 
gatterung": Die Zoglinge traten an und wurden zum Unterrichte in 
die Lehrsale gefuhrt. Das Studium der Mathematik und ihrer An- 
wendung auf alle militarischen Dienstleistungen , sonderlich die des 



Digitized by Google 



182 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Pionierkorps , ward als das wichtigste bezeichnet. Nachstdem ward 
auf das Deutsche Wert gelegt. Befahigte Schuler warden als Korre- 
petitoren bestellt. Urn 9 Uhr ward der Unterricht durch einen vom 
Schulkommandanten abgehaltenen Rapport unterbrochen; urn 12 
ward zu Mittag, im Winter urn 7 3 / 4 , im Sommer urn 8 8 /4 im Speise- 
saale zu abend gespeist. Vor und nach den Mahlzeiten ward in 
derselben Weise wie am Morgen gebetet. Die Inspektionsoffiziere 
uberwachten das Benehmen bei Tisch; den Vorsitz an den Tafeln 
fuhrten die Zimmerkommandanten. Mittags ward Suppe, Rindfleisch 
(7a Pfund) und Gemiise oder Mehlspeise, abends Suppe und ein 
Gericht gegeben. Der Menagebeitrag war taglich 8 Kreuzer. Von 
1 bis l s /i ward unter Fuhrung des Inspektionsoffiziers spazieren ge- 
gangen. Nach der Ruckkehr fand die Befehlserteilung statt. Um 
8 bezw. 9 ward der Zapfenstreich geschlagen, um 10 musste alles 
zur Ruhe sein. Sonntags war um 8 Kirchenparade, um 11 Religions- 
unterricht. In den Freistunden waren Gesellschaftsspiele , Leibes- 
ubungen und Lesen von Buchern gestattet, welche die Vorgesetzten 
erlaubt hatten. Besonders gute Schuler durften ausgehen und an- 
standige Bekannte im Stadtchen besuchen. 

Erkrankte wurden im Krankenzimmer durch den Arzt der An- 
stalt oder im Militarspitale zu Wien behandelt. 

Die Strafe n waren Verbot des Ausgehens, Absonderung wahrend 
der Spielzeit, Arrest, welcher durch Speisung mit Wasser und Brot 
oder durch das Schliessen in Eisen gescharft werden konnte — in einem 
vergitterten , mit holzerner Pritsche und eisernem Ofen versehenen 
Zimmer der Augustinerkaserne, zu ebener Erde nach einem abge- 
legenen Hofe hinausgehend, zu yollstrecken — , Degradation, Entfernung 
aus der Schule. Letztere beide Strafen verfugte der Chef des 
General-Quartiermeisterstabes, alio anderen der Schulkommandant 
Verhangte Strafen wurden beim Befehl zu allgemeiner Kenntnis ge- 
bracht; sollte Schonung des Schuldigen eintreten, so geschah es 
unter Verschweigung seines Namens. 

Am Schlusse des Sommerkursus fanden vierwochentliche prak- 
tische tlbungen im Pionierdienst, seit 1824 im Mai eben so 
lange tTbungen in der praktischen Geometrie und fur die hoheren 
Jahrgange im Terrainaufnehmen statt. 

Vierteljahrlich wurden vorlaufige, halbjahrlich Hauptprufungen 
in Beisein des Schulinspektors abgehalten. Auf Grund derselben 
konnte Zuruckversetzung in eine niedere Klasse oder Entlassung 
beim Chef des General - Quartiermeisterstabes beantragt werden, 



Digitized by Google 



Osterreich -Ungam . 



183 



welcher audi fiber Auszeichnungen und Belohnungen zu entscheiden 
hatte. Letztere bestanden in Buchern, Zeichenmaterial etc. Als 
Auszeichnung erhielt 1824 ein Pionier die Unteroffiziersabzeichen, 
ansserdem Tach zu einer Montar. 

Fur dieLehrer versuchte 1825 der Chef des General-Quartier- 
meisterstabes FML. Baron Wimpffen ernent Beforderung ausser der 
Reihe nach sechsjahriger Verwendung und eine Monatszulage von 
10 Gulden zu erlangen, erreichte aber nur ein unbestimmtes Ver- 
sprechen. Der namliehe Vorgang wiederholte sich 1834. 



tJbrigens ward durch Erlass des Hofkriegsrates vom 12. Mai 
1825 die Verpflichtung, alle Verpflegungskosten zu verguten, 
falls ein Zogling vor erreichtem 18. Lebensjahre irgend welcher Ver- 
haltnisse wegen austreten musse, dahin ausgedehnt, dass dies auch 
dann zu geschehen habe, wenn ein solcher den Militarstand aus 
eigener Wahl verliesse, bevor er demselben nach dem Austritte 
3 Jahre lang angehort hatte. Ferner versprach der General-Quartier- 
meisterstab am 27. September 1826, dass die Verwendung als 
Lehrer unter den Subaltern of fizieren in Zukunft wechseln sol it e, 
und dass ein jeder von ibnen wenigstens 3 Jahre lang einen Gegen- 
stand daselbst vorzutragen habe. Da der Unterricht sich nur auf 
solche Gegenstande erstrecke, deren genaue Kenntnis unter die Ver- 
pflichtungen des Pionieroffiziers gehore, musse dieser im stande sein, 
den Vortrag zu ubernehmen. Angesichts des Lehrplans war das eine 
gewagte Behauptung. Die Massregel ist durchgefuhrt , ohne das 
Ansehen der Schule zu schadigen, und hat die letztere in lebhafter 
Verbindung mit der Truppe gehalten, doch lehrten daneben auch In- 
fanterieoffiziere. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass geeignete Kadetten, 
welche die notige Dienstkenntnis besassen, nach beendetem Kursus 
als AushUfe fur Lehrer und als Eepetitoren zu verwenden seien. 

Die Beschaffenheit der Unterkunftsraume veranlasste im Herbst 
1828 die Verlegung der Schule nachTulln, wo fur 14 000 Gulden 
das ehemalige Minoritenkloster angekauft und ein 6 Joch grosser 
trbungsplatz gepachtet war. 

1828—1843: Tulln. 

Nachdem dort 1829 unter die Vortragsgegenstande fur die 
2. Klasse eine Wochenstunde fur Strassen-, Wege- und Bruckenbau 



Digitized by Google 



184 



Geschichte des Militar - Erziehungs- und -BUdungsweaena etc. 



aufgenommen mid der Unterricht fiber Felddienst auf alle Klassen 
ausgedehnt war, zeigte der Lehrplan das nachstehende A us se hen: 

Kommandant Hauptmann Franz Kegeln von Bentheim-Infanterie 
lehrt Feldfortifikation nach Hauser. Ober-Lt. Gottfried Jahn Mathe- 
matik nach Vega und Projektionslehre nach Weinbrenner im 3., Feld- 
dienst nach Manuskripten im 1., 2., 3. Jahrgange; Unterlt. Josef 
Merode de Breslong Strassen-, Wasser- und Bruckenbau nach 
Manuskripten in 2. und 3., Materiallehre nach Weiss und Hartik im 
1. und in der Vorbereitungsklasse ; Vinzenz Schade Arithmetik nach 
Vega und Dictandoschreiben in alien, Linienzeichnen in der Vor- 
bereitungsklasse; Adolf v. Schiller Geometrie nach Vega und neu- 
eren Autoren im 2., Geschaftsstil nach Manuskripten in alien Jahr- 
gangen; Vinzenz Matzal Situationszeichnen in alien Jahrgangen, 
Linienzeichnen in der Vorbereitungsschule ; Alexander deGalantha- 
Nagy Algebra nach Vega im 1.; Josef Freiherr Reichlin-Mel- 
degg, ein Infanterieoffizier, Geographie im 1. und 2., Geschichte nach 
Manuskripten und Dictandoschreiben im 3. Acht Kadetten vom 
Korps wurden als Supplenten beim Unterricht in Mathematik, 
Wasser-, Strassen- und Bruckenbau, Materiallehre, Feldbefestigung, 
Geographie, deutscher Sprache, Geschichte, Situationszeichnen, Dic- 
tando- und Schonschreiben verwandt. 

An Schulfrequentanten waren 1836 vorhanden: 12 Kadetten 
vom Pionierkorps , 16 Ex-propriis-Unterpioniere , 17 Zimmerleute, 33 
TJnterpioniere, 58 Kadetten von anderen Regimentern. Ausserdem 
waren kommandiert: 1 Fechtr, 1 Schwimm- und Menagemeister, 
5 Pioniere in der Modellwerkstatte , 12 als Koche, 9 als Professioni- 
sten etc., 1 Tambour. 

1831 ward unter die Vortragsgegenstande die bestandige 
Befestigung aufgenommen, 1832 warden die spharische Trigonometric 
und das transcendent ale Kalkfil ausgeschieden, und dafur mehr Zeit 
auf Schon- und Rechtschreiben und auf den Militar- Geschaftsstil 
verwendet. 

1837 traten for die Vorbereitungsschule Einleitung in die Geo- 
graphie, fur den 1. Jahrgang Waffenlehre und Militaradministration, 
fur den 2. Abrichtung der Chargen zu den Unterrichtsgegenstanden. 

Ein Verhaltnis, unter welchem die eigentliche Bestimmung der 
Schule litt, war die Aufhahme von Schulern fremder Truppenteile. 
Der Ruf der Anstalt, durch das Wirken namhafter Lehrer wie Birago 
gefordert, mehrte ihren Zudrang, und der Hofkriegsrat, welcher fiber 
die Mehrzahl der Stellen verfugte, begunstigte ihren Eintritt in 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungam. 



185 



solchem Grade, dass das Pionierkorps fortwahrend zu Klagen fiber 
Zurucksetzang Ursache hatte. Veranlassung zu solchen erwuchsen fer- 
ner daraus, dass von den Schulern, welch e nicht dem Eorps ange- 
horten, solche, denen gewichtige Fiirsprache zur Seite stand, haung 
ohne Rucksicht auf Geeignetheit und Verdienst zu ihren Regimentern 
einberufen und dort zu Offizieren befordert wurden, wo sie dann die 
Vorderleute ihrer nach erfolgreicher Beendigung des Kursus aus- 
scheidenden Kameraden wurden. Solche Ungerechtigkeit zu ver- 
hindern, schrieb der Hofkriegsrat am 22. November 1833 vor, dass 
„8owie 1) vor zuruckgelegtem 13. und nach uberscbrittenem 16. 
Lebensjahre kein Individuum in die Korpsschule aufgenommen 
werden solle, auch 2) vor zuruckgelegtem mindestens 17. Jahre kein 
noch in der Anstalt befindlicher Zogling zum Offizier befordert werden 
und die Befdrderung auch in diesem Falle nur stattfinden durfe, 
wenn derselbe nach Bestatigung des General-Quartiermeister-Stabes 
mit ph ysischer Angemessenheit Fleiss und mit entsprechendem Fort- 
gang gute Sitten verbindet, und 3) dass, ausser wegen einer unter 
der vorausgegangenen Bedingung stattnndenden Beforderung kein 
Zogling vor beendetem Lehrkurse, von seiten seines Regimentes oder 
Korps aus der Schule abberufen werden durfe." Der Zudrang aus 
fremden Kreisen blieb der namliche und da auch jene Missbrauche 
nicht aufhorten, verragte der Hofkriegsrat am 27. Oktober 1840, 
samtliche Zoglinge auf den Stand des Pionierkorps zu assentieren. 
Damit horte die Einwirkung der Regimenter auf und zugleich wurde 
die Verwaltung einfacher, weil nun alle die Pionieruniform trugen 
und laut Verffigung vom 18. Februar 1840 die Infanterielohnung 
von 5 Kreuzer empfingen. 

Als am 2. Juni 1835 Hptm. Kegeln Major geworden war, trat 
Hptm. Max Baron Hall egg an seine Stelle. Nach dem dieser der- 
selben 1839 auf sein Ansuchen enthoben war, folgte ihm Kap.-Lt. 
Ludwig Waller engo. 

1843—1850: Tulln. 

Bei einer 1843 erfolgten Neuorganisation des Pionierkorps ging 
das Inspektorat uber die Schule auf das Korps-Kommando uber. 
Der mit der Wahrnehmung des letzteren beauftragte Ob. von Frank 
richtete sein Bestreben bald gleichfaUs darauf, sie ihrer ursprunglichen 
Bestimmung zuruckzugeben. In einem Berichte an den Hofkriegsrat 
erkannte er den durch die Schule gestifteten Nutzen an, beklagte 
aber, dass dieser mehr den anderen Truppengattungen als dem Korps 



Digitized by Google 



186 Geschicbte den MiHtar - Ereiehungs- und -BildungsweBeoH etc. 



zu gnte gekommen sei, welches die ganze Last dor Anstalt tragen 
und sogar die Ertragnisse eines Scbulfonds, den es sich selbst ge- 
schaffen habe, fur dieselbe opfern musse. Damit es einigen Vorteil 
habe, seien 54 Schuler aus dem Mannschaftsstande zur Schule beordert 
and in der stadtischen Easerne untergebracht. Dadnrch seien die 
Lehrsale uberftillt. Er schlug vor, die Zahl der Freqnentanten, deren 
zur Zeit 143, darunter nnr 16 Kadetten des Korps, vorhanden waren, 
um 47 herabzusetzen, alle im Schulgebaude unterzubringen und den 
Pionierzoglingen mehr Platze zuzuweisen. Aber ohne grossen Erfolg. 

Nachdem durch Errichtung einer Unteroffizierschule fur das 
Pionierkorps die Vorbereitungsklasse uberflussig geworden war, ward 
im Herbst 1843 der Stand der Schule folgendermassen normiert: 
1 Kommandant, 7 Offiziere als Lehrer und znr Aufsicht, 1 Oberarzt, 
1 Kadett als Hausadjutant, 7 Kadetten als Snpplenten, 2 Unter- 
offiziere, 28 Pioniere, I Tambour; als Schuler 100 Kadetten und Ex- 
propriis, durch den Hofkriegsrat aufgenommen, daher „Ministerial- 
kadetten", teils auf den Stand des Korps, teils auf den der Schule 
zahlend, und 30 Schuler vom Mannschaftsstande. 

1847 wurde die Privatzulage der Kadetten und Ex-propriis 
von 6 auf 8 Gulden erhoht, und es wurde die Verpflichtung der 
Angehorigen, im Falle vorzeitigen freiwilligen Austrittes die Ver- 
pflegskosten zu erstatten, verseharft 

Die Ereignisse des Jahres 1848 brachten mancherlei Storung. 
Um den Bedarf an Offizieren zu decken, wurden am 9. Mai die 
acht vorzugliehsten Kadetten des 3. Jahrganges vorzeitig ausge- 
mustert und 1849 wurde der ganze 2. Jahrgang vor Beendigung des 
Kursus zu Offizieren befordert. Ihr Bildungsgang wurde auf einer 
Anstalt beendet, welche wir spater kennen lernen werden. Am 26. 
Oktober 1849 war Major Walleregno zum Professor in Wiener 
Neustadt und Hptm. Eduard Ghilain von Heymbyce 1 ) zum Kom- 
mandanten der Schule ernannt. Die Verhaltnisse der Anstalt 
am Ende des 3. Zeitraumes schildert Brinner (a. a. 0., S. 418) 
in nachstehender Weise: Bedingungen der Aumahme waren das er- 
reichte 16. Lebensjahr und der durch Prufung oder Zeugnisse zu 
fflhrende Nachweis der erforderlichen Schulkenntnisse. Ministerial- 
kadetten bezogen die Geldgebuhr der Infanterie-Gemeinen, die Korps- 
angehorigen diejenige ihres Grades. An Licht und Holz erhielten die 

• 

') Am 12. Februar 1858 Korpekommandant, 1. Dezember 1866 pensioniert, 
5. August 1874 gestorben. 



Digitized by Google 



ftsterreich-Ungarn. 



187 



Schuler die doppelte Gebuhr, die MontursgebUhr war die der Pioniere. 
Die Ministerialkadetten bildeten eine Klasse far sich, der Unterricht 
war freilich fiir alle gemeinsam, im iibrigen lebten erstere gesondert. 
Wer aber unter den Frequentanten vom Korps die Mittel besass, um 
zu leben wie sie, wurde ihnen gleich gehalten und wohnte mit ihnen 
im Schulgebaude. Ihre Zimmereinrichtung war die normale, doch 
hatte jeder einen Sekretarkasten und einen Stuhl. Zur Menage 
trugen sie die Subsistenzbeitrage , die Brotgebuhr und taglich 
10 Kreuzer bei. Zum Fruhstiick ward eine Einbrennsuppe, zu Mittag 
Suppe, Rindfleisch und Meblspeise, zur Jause V* Laib Brot, zu 
Abend Suppe und Mehlspeise gegeben. Mit der Geldgebiihr und der 
von den Angehorigen dem Schulkommando zu uberweisenden Zu- 
lage waren Kost, Wasche, Bedienung und sonstige Nebenausgaben 
zu bestreiten. Der Kadett rahrte Buch dariiber; etwaige tTberschusse 
wurden ihm ausgezahlt. Im Sommer ward um 5, im Winter um 
6 aufgestanden; der Unterricht dauerte yon 7 bis 9, 10 bis 12, 2 
bis 5; dann fand im Winter Fechten und Turnen, im Sommer 
Schwimmen, Wasserfahren, Exerzieren etc. start Ausgang in die 
Stadt war den Ministerialkadetten durchaus verboten, Tabakrauchen 
konnte den Alteren gestattet werden. Weihnachten und Ostern, im 
Fasching und im September ward Urlaub erteilt. Der Lehrplan 
schrieb ?or: 

1. J ah r gang: Abrichtungsreglement, Waffenlehre, Algebra, Ad- 
ministration, Bautechnologie (Materialienkenntnis), Feldfortifikation. 

2. Jahrgang: Exerzierreglement, Felddienst, Tabellieren, Geo- 
metrie und ebene Trigonometrie , Geometralzeichnen, Pionierfach 
(Kriegsbruckenwesen, Strassen-, Wasser- und Briickenbau), Feld- 
fortifikation. 

3. Jahrgang: Exerzierreglement, Felddienst, Tabellieren, Me- 
chanik der festen und flussigen Korper, Kegelschnittslinien, perma- 
nente Fortifikation, Pionierfach. 

Alle Jahrgange: Dienstreglement, Schon- und Dictando- 
schreiben, Situationszeichnen, Geographie und Geschichte, Ge- 
schaftsstil. 

Wochentliche Unterrichtsstunden wurden erteilt 40Vs, 
davon waren 10 den mathematischen Fachern, 6 dem Situations- 
zeichnen gewidmet. Alle 2 Monate fand eine Prufung durch die 
Lehrer, welche daruber zu berichten hat ten, statt, im Juli eine 
Hauptprurang , in der Regel in Beisein des Korpskommandanten. 
Im Sommer ubte 2 bis 3 Wochen lang der 2. Jahrgang die okonomische, 



Digitized by Google 



188 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



der 3. die militarische Aufnahme. Im August ward praktischer 
Pionierdienst getrieben. Die Einrichtung der Lehrsale und die 
TJnterriehtsmittel fur die Lehrer gewahrte der Staat; fur den eigenen 
Bedarf und die des Fechtsaales mussten die Kadetten sorgen. 

VI. Die Regiments-Knaben-Erziehungsh'auser etc. 

Der geringe Umfang des Lehrplanes der Knaben-Erziehungs- 
hauser einer-, die Lange der fur seine Bewaltigung zur VerfQgung 
stehenden Zeit anderseits veranlassten im Jahre 1808 die Berufang 
einer Kommission, welche zu beraten hatte, ob nicht das Unterrichts- 
gebiet erweitert werden konne und welche Gestalt den Anstalten zu 
geben sein mochte, damit sie zur Erreichung ihrer Bestimmung besser 
in den Stand gesetzt wurden. Die Mitglieder bejahten die erstere Frage 
ein8timmig. Auf ihren Vorschlag wurde ein neuer Lehrplan aufge- 
stellt und fur vermebrte TJnterriehtsmittel Sorge getragen. Die Ver- 
handlungen gaben ausserdem Anlass zu einer am 1. Februar 1810 
durch den Hofkriegsrats-Prasidenten Graf Wenzel Colloredo ver- 
offentlichten „Instruktion fur die Regiments-Knaben-Er- 
ziehungshauser", 1 ) deren wesentlicher, durch mehrfache Nachtrage 
erganzter Inhalt hier folgt: 

Die Zahl der Erziehungshauser blieb unverandert und wie 
fruher waren sie den ehelichen Sohnen der zum Feuergewehrstande 
gehdrigen obligaten Mannschaft gewidmet, doch fanden zahlreiche Aus- 
nahmen zu gunsten anderer mit dem Heere in Beziehung stehender 
Person en statt. Das Nor ma hdter fur die Aufnahme war das zuriick- 
gelegte 6. Jahr. Jedes Haus nahm 48 Knaben auf. Zur Aufsicht 
und zum Unterricht waren je 1 Ofifizier als Kommandant (In- 
spektionsoffizier), 2 Unteroffiziere oder Gemeine als Lehrer, 4 Ge- 
meine als Warter, 1 als Koch, 1 Furier als Rechnungsfuhrer 
kommandiert. Der Kommandant (Lieutenant) konnte ein „zu 
beschwerlichen Felddiensten nicht ganz tauglicher" Offizier sein. Er 
hatte freies Quartier, Holz und Licht und bei vorzuglichen Leistungen 
Anspruch auf diejenigen Vorteile, welche den bei den Militar- 
Bildungsanstalten verwendeten Offizieren uberhaupt in Aussicht 
standen. Die Lehrer lebten ganz mit den Kindern; der Regiments- 
inhaber konnte ihnen eine Zulage bewilligen. Ein Zdgling musste, 
bevor er Lehrer wurde, ein Jahr gedient haben. Um Lehrer 

») Wien. Aus der k. k. Hof-Staata-Druckerei 1810. 



Digitized by Google 



terreich- Un garn . 



189 



zu gewinnen, ward durch Zirkular-Reskript vom 22. Julius 1811 an- 
geordnet, dass tod jedem Linien-Infanterieregimente 2 Unteroffiziere, 
Gefreite oder Gemeine an der Normal- oder Musterschule der be- 
treffenden Provinz in einem ordentlichen padagogischen Lehrkurse 
durch wenigstens 6 Monate lang auszubilden und bei ihrer Entlassung 
mit einem Zeugnisse zu versehen seien. Die Warter lebten eben- 
falls mit den Kindern, sie erhielten, solange der Teuerungsbeitrag ge- 
zahlt werden wurde, 3, spater 2 Kreuzer tagliche Zulage. 

Die Unterbringung geschah in einem eigenen Gebaude oder 
in einem abgesonderten Teile der Kaserne. Jeder Knabe hatte sein 
Bett, aus Strohsack, Kotze, welche im Winter zwischen Strohsack 
und Leintuch lag, im Sommer zum Zudecken diente, zwei Lein- 
tuchern und einer Oberkotze fur den Winter bestehend. 

Bekleidung und Ausriistung bestanden in Tschako, Rockel 
von grau melierter Farbe, mit Zwilch gefuttert, Kragen in der 
Regimentsfarbe, Tuchleibel mit Armeln und Leinwandfutter, Tuch- 
hosen, Hemd, leinenen Unterhosen, zwilchenem Kittel, Bundschuhen, 
(1, seit 4. April 1813 2 Paar), Halsflor, Fetzen zum Umwickeln der 
Fusse, zwilchenem Tornister, Sacktuch, Holzmutze, Faustlingen. 
Hosentrager waren untersagt. 

Die Speiseordnung setzte fest: Mittagessen: Suppe, Rind- 
fleisch, Zuspeise (Gemuse oder Mehlspeise) ; Abendessen: Suppe; Brot 
je l /* zu di Fruhstuck, Vesper, Mittag- und Abendessen: im Alter bis zu 
9 Jahren 20, bis zu 13 24, dann 36 Lot. An Suppe ward 1 Seidel 
gerechnet, an Fleisch, je nach dem Alter, bezw. 4, 6,8 Lot. Fur 
die Fasttage bestanden besondere Anordnungen. Kranke, welche 
nicht im Hause behandelt werden konnten, kamen in das Militar- 
spital. 

Der Unterricht, allgemein wissenschaftliche und militarische 
Facher umfassend, ward in funf Klassen erteilt, von denen die 1. 
fur das Alter von 6 bis 9, die 2. bis 10, die 3. bis 12, die 4. bis 
14, die 5. bis 18 Jahren bestimmt war. In den 4 ersten fand der 
„Normal-", in der 5. der militarische Unterricht statt. Wo eine 
Normalschule am Orte war, ward diese besucht, dann halfen die 
Lehrer nur nach; im anderen Falle ubernahmen sie den Unter- 
richt allein. Dieser umfasste: 

in der 1. Klasse: mundlichen Religionsunterricht, 1 ) Buch- 
stabieren und Lesen, Eopfrechnen, Schreiben ; 

a ) Fur die Belehrung akatholischer Knaben durch einen Geistlicken ihres 
GlaubensbekeuntuiBsee war Sorge zu trageu. 



Digitized by Google 



190 Geschichte des Militar-Erziehunge- und -Bildungswesens etc. 



in der 2. Klasse: Religion aos dem Katechismus, Lese- 
ubungen (Lesebiicher der Normalschulen), Recht- und Dictando- 
schreiben, deutsche Sprachlehre, Reohnen, Schdnschreiben; 

in der 3. Klasse: Religion, biblische Geschichte, Lesetibungen, 
Recht- und Dictandoschreiben im Deutschen, deutsche Sprachlehre, 
Anleitung zu schriftlichen Aufsatzen, Lesen lateinischer Druck- und 
Schriftarten, Rechnen, Schdnschreiben; 

in der 4. Klasse: Religion, Rechnen, Recht- und Dictando- 
schreiben, Anleitung zu schriftlichen Aufsatzen, Erdbeschreibung und 
Naturgeschichte , allgemeine Weltgeschichte , Schdnschreiben, Lese- 
ubungen, seit dem 5. Oktober 1810 auch Zeichnen, wozu Reiss- 
zeuge angeschafft wurden. Ferner ward am 23. April 1811 befohlen, 
dass, wenn in der Normalschule Geschichte nicht vorgetragen wurde, 
diese den Zdglingen jedenfalls zu lehren sei, und dass das Elementar- 
buch der Geographie und Statistik (8°, 92 S.) und das Lehrbuch der 
alten Staaten- und Volkergeschichte (8°, 132 S.) zum Anhalt zu 
dienen hatten ; 

in der 5. Klasse: Verfassen aller Arten von Dienstaufsatzen 
und Tabellen, Erlernung des Exerzier-, Abrichtungs- und Dienst- 
reglements (seit 19. Juni 1810 auf die Kompagnie beschrankt), An- 
fangsgrunde der Planimetrie, Lehre vom Felddienst, Leseubung. Als 
Lehrmittel wurden „Anfangsgrunde der Planimetrie" vom FML. von 
Unterberger und fur den Felddienst „Beitrage zum praktischen 
Unterricht im Felde", 1806, empfohlen. 

Bei der Erziehung wurde das Hauptgewicht auf den kunftigen 
Beruf gelegt. Die Knaben ware'h in 2 Kompagnieen zu 2 Abteilungen 
von je 12 geteilt; die besten thaten Unteroffiziersdienst, ihr Unter- 
scheidungszeichen war ein dfinner Stab. 

Tagesordnung: Im Sommer ward um 4, im Winter um 5 Uhr 
aufgestanden und V* Stunde auf Waschen und Anziehen verwendet 
Wochentlich ward jeder Knabe wenigstens einmal „gesaubert", zwei- 
mal erhielt er ein reines Hemd; im Sommer ward gebadet. Nach 
dem Ankleiden fand das Morgengebet statt, dann das Friihstiick. 
Die Stunde des Mittagessens und die sonstige Tageseinteilung be- 
stimmte der Regimentskommandant^ das Abendessen fand um 7 statt, 
um 9 ward zu Bett gegangen; „ganze ErgStzungstage" waren 
nicht gestattet. 

Zu den Belohnungen gehorten ferner die Vorstellung vor be- 
sichtigenden Yorgesetzten etc. und bei der Herbstprfifung, das Be- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



191 



schenken mit einem Buche, einem Seitengewehre oder sonst etwas 
Nutzlichem und in die Augen Fallendem. 

Strafen waren: Verweise; Ausschliessen von Vergunstigungen ; 
Stellen unter Aufsicht eines Kameraden, auch eines jfingeren; Arrest 
und zwar gewohnlicher Stubenarrest von 1 bis 6 Tagen, wobei der 
Arrestant, wenn die Strafe mehrere Tage dauerte und er nicht durch 
das Gehen zur Normalschule an die Luft kam, alle zwei Tage an 
einem von dem Spielplatze entfemten Orte ins Freie gefuhrt wurde, 
Arrest mit 1- bis 3maliger, jedoch nie mehrere Tage fortzusetzender 
Entziehung der Fleischkost, im fibrigen wie Stubenarrest zu voll- 
strecken, Arrest in Eisen bis zu 3 Tagen, welcher durch 1- oder 
2malige Entziehung der Fleischkost gescharft werden konnte. Ge- 
wohnlichen Stubenarrest verffigte der Inspektionsoffizjer, die schwere- 
ren Arten der Regimentskommandant. Schlage, bis zum 11. Lebens- 
jahre gestattet, wurden bis zu 12 mit einer Peitsche, die aber nicht 
mit Draht oder Tiersehne durchzogen sein durfte, auf die Beinkleider 
gegeben. Der Inspektionsoffizier durfte ihre Anwendung verfugen. 
Anderweite korperliche Zuchtigung war strong verboten. Die bei 
dem Eintritte in das 11. Lebensjahr erfolgende Veranderung in seiner 
Stellung ward jedem einzelnen mit einer gewissen Feierlichkeit ver- 
kundet. 

Gartenarbeit, Spiele im Freien, namentlich zur Forderung der 
korperlichen Gewandtheit und der soldatischen Ausbildung, wurden 
empfohlen. Das Exerzieren begann in der 3. Klasse. Zunachst 
vertraten Stecken die Gewehre; in der 5. geschah es nur mit Ge- 
wehren und voller Ausrustung. Es wurde im Feuer exerziert und 
nach dem Ziele geschossen. Seit 1820 standen fur jeden Zogling 
12 blinde und 6 scharfe Patronen zur Verfugung. Zoglinge ver- 
richteten den Dienst der Tambours. 

Wo die Verhaltnisse es gestatteten, wurden Fechten und Schwim- 
men gelehrt. 

Nach demAustritte aus der Schule, welcher mit vollendetem 
18. Jahre erfolgte, war jeder Zogling auf so viel Jahre zum Mi lit a r- 
dienste verpflichtet, wie bei derjenigen Truppe, zu welcher er kam, 
gesetzmassig war. Der Kegel nach war es dasjenige Regiment oder 
Korps, aus welchem er stammte; Offizierssohne wurden, wenn sie 
sich eigneten, durch den Hofkriegsrat als k. k. Ordinari-Kadetten 
uberwiesen. Wer fur den Gewehrstand noch nicht taugte, wurde im 
Schreibdienste oder als Tambour verwendet; wer sich dazu fiber- 



Digitized by Google 



192 Geschichte des Militar-ErziehungB- und -BildungBwesens etc. 



haupt nicht eignete, sollte womoglich im Zivildienst „oder sonst 
irgendwie" untergebracht werden. 

Zur Bestreitung der Auslagen erhielt das Regiment jahrlich 
2000 Gulden. Dieses schmale Einkommen durfte dnrch Anfhahme 
von Eostknaben vermehrt werden, welclie wie die ubrigen ZSglinge 
gehalten wurden, aber eine Dienstverpflichtung nicht ubernahmen. 
Dem Unterrichte hatten folgende Lehrbucher etc. zu dienen: 1 ) 
L Klasse: Untere Abteilung: das ABC-Tafelchen; Namen- 
buchlein fur Stadtschulen; die gestochenen Vorschriften zum Schon- 
schreiben. — Obere Abteilung: der kleine Katechismus; das Namen- 
buchlein; Sittenbuchlein fur die Jugend in Stadten; die deutsche 
Sprachlehre; die gestochenen Vorschriften. 

2. Klasse: das grosse Lesebuch; 2. Teil des Lesebuchs fur 
Stadtschulen ; die deutsche Sprachlehre; das Sittenbuchlein fur die 
Jugend in Stadten; die gestochenen Vorschriften; Anleitung zur 
Rechenkuust, 1. Teil; Anleitung zum Schonschreiben (in Quart). 

3. Klasse: das grosse Lesebuch; 2. Teil des Lesebuchs fur 
Stadtschulen; die deutsche Sprachlehre; die biblische Geschichte und 
christliche Sittenlehre; die gestochenen Vorschriften; die Vorbereitung 
zum Lateinlesen ; Anleitungen zu schriftlichen Aufsatzen, zur Rechen- 
kunst, 1. Teil, und zum Schonschreiben (die beiden letzteren behufs 
der Wiederholung). 

4. Klasse: das grosse Lesebuch, 1. Teil; Handbuch zum 
Katechismus oder grossen Lesebuche; Rechenbuch, 2. Teil; Erd- 
beschreibung des osterreichischen Kaiserstaates , 1. 2. Teil; die 
deutsche Sprachlehre; Anleitung zu schriftlichen Aufsatzen; die ge- 
stochenen Vorschriften samt der Anleitung zum Schonschreiben; 
Naturlehre; Elementarbuch der Geographie und Geschichte; Lehrbuch 
der alten Staaten- und Volkergeschichte; Atlas der neuen Geographie, 
34 Karten (fur die Gymnasialschulen vorgeschrieben). 

5. Klasse: Exerzier-, Abrichtungs- und Dienstreglement rur die 
Infanterie ; Anfangsgriinde der Planimetrie von FML. von Unterberger; 
Beitrage zum praktischen Unterricht im Felde; Lehrbuch fur euro- 
paische Staatengeschichte (3 Bande, von denen der 1. ausschliesslich 
den osterreichischen Kaiserstaat behandelt); Thaten und Charakter- 
ziige beriihmter osterreichischer Feldherren (3 Bande, Wien) ; Charakter- 
schilderungen , interessante Erzahlungen und Zflge von Regenten- 



*) NachtrfLge zu der „In8truktion' < vom 1. Februar 1810; in Bonder heit 
Vertugung vom 23. April 1811. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungwrn. 



193 



grosse, Tapferkeit und Bfirgertugend aus der Geschichte der oster- 
reichischen Staaten, gesammelt von J. Benigni v. Mildenberg, Wien 
1809; ferner ausser den dem Unterrichte der 4. Klasse zu Grande 
gelegten Lehrbiichern fur Geographie und Geschichte bei den in 
BShmen, Mahren und Karnten bestehenden Hausern die von den 
Provinzen zum Gebrauche der Gymnasialschulen herausgegebenen 
Spezialgeschichten. 

Nach dem Jahre 1815 nahm die Zahl der verheirateten Soldaten 
und damit der aufnahmebedurftigen Kinder stetig ab, so dass durch 
Zirkular-Reskript vom 31. Dezember 1824 von den 11 galizischen 
Hausern 5 eingehen konnten. Die zu Lemberg, Stary-Miasto, 
Przemysl, Teschen, Eremsier und Bartfeld liess man bestehen. 

Die Erziehungshauser blieben ubrigens im allgemeinen ein 
Gegenstand vieler Elagen. Einzelne freilich waren musterhaft ge- 
leitet; in anderen aber verkamen die Knaben korperlich, geistig und 
sittlich. Das meiste hing von den Kommandanten ab. Vom Re- 
gimente oft weit entfernt, waren sie der Einwirkung desselben mehr 
oder weniger entzogen. Wenn es unter ihnen auch viele ihrer Auf- 
gabe gewach8ene Manner gab, so fehlte es ebensowenig an solchen, 
welche die Erziehung den Unteroffizieren uberliessen, bei dieser 
oder beim Unterrichte ihren Liebhabereien nachgingen, Soldaten- 
spielerei trieben oder mit gelehrten Zoglingen glanzen wollten u. 
dergl. m. Das Hinausgehen fiber den Lehrplan von 1810 gab 1837 
dem Kaiser Ferdinand L Anlass, den Hofkriegsrat zum Berichte 
aufzufordern. Dieser gab zu, dass unter den Lehrfachern der 4. Klasse 
einige sich befanden, deren Kenntnis der Unteroffizier nicht bedurfe; 
was aber in den fur die Facher benutzten Lehrbuchern fur Natur- 
lehre, Geographie und Geschichte enthalten sei, gehe nicht iiber das 
Mass desjenigen hinaus, was auch dem Unteroffizier zu wissen gut 
sei. Wo mehr gelehrt ware, sei es Schuld des Lehrers, der den ge- 
samten Inhalt des fur seine eigene Belehrang bestimmten Buches 
den Schfilern mitgeteilt habe. Insonderheit sei das beim Eierzier- 
reglement vorgekommen, bei welchem nicht iiber die Kompagnie 
hinausgegangen werden diirfe. Um den Vortrag in Geschichte und 
Geographie abzugrenzen, sollten Kompendien und fur die Planimetrie 
ein Auszug aus dem Unterberger angefertigt werden. Die ersparte 
Zeit sollte dem Pionierdienste und der korperlichen Ausbildung zu 
gute kommen. Die darauf erfolgende kaiserliche Antwort 1 ) stimmte 

J ) Kriegs-Arehiv: Registratur des Reichskriegsminiateriums 1838, Nr. 63/13. 

Monument* GermaniM Pftedagogion XV. 13 



Digitized by Google 



194 Geschichte dee Militar-Erziehunga- und -Bildungswesena etc. 



den Ansichten des Hofkriegsrates zu. Es wurde daher nichts ge- 
andert, sondern nur die Beachtung der geltenden Vorschriften an- 
geordnet. 

Gleichzeitig befahl der Kaiser am 26. Januar 1838 die Ver- 
fassung ernes Lehrbuches for die Erziehungshauser, „wobei die Ten- 
denz hauptsachlich dahin gehen muss, ein auf das Fassungsvermogen 
der Enaben bereohnetes, in einem leiehten popularen Stil geschrie- 
benes Kompendium anpassend gewahlter Daten aus der vater- 
landischen Geschichte, von nachahmenswerten Charakterzugen mit 
beispielvollen Kriegsthaten , endlich von sonstigen gemeinnfitzigen 
Kenntnissen, stets mit vorwaltender Beachtung des militarischen 
Bildungswerkes zu liefern". 

Ein daneben ergehender Befehl, 1 ) die Knaben nicht mehr in 
die Staatsschulen zu schicken, sondern sie zu Hause zu unterrichten, 
ist nicht durchgefuhrt. Ebensowenig scheint das Lehrbuoh gedruckt 
zu 8ein. 

Radetzky dachte iiber die Anstalten anders. In seiner Denk- 
sohrift vom 12. Juni 1829 (S. 167) tadelt er, dass die Zoglinge, welche 
dieselben mit 18 Jabren verliessen, bereits mit 16 ausgelernt batten, 
und schlug vor, ihren Lebrplan durch Planimetrie, Zeiehnen, Auf- 
nehmen, Waffenlehre und Feldverschanzung zu erweitern; daneben 
uberreichte er einen Leitfaden fur den Unterricht. 

Eine Darstellung der Einrichtung der Knaben-Erziehungshauser 
zu Ende dieses Zeitraumes , mit welchem sie zu bestehen aufhdrten, 
findet sich in den „Dien8tvorschriften der k. k. Armee" vom Maj. 
V. Streffleur (5. Abteilung, Wien 1848). Es gab deren damals 51, 
darunter 2 italienische, 6 galizische, 2 in der siebenburgischen Grenze; 
von letzteren hatte das zu Naszod 50, das zu Kezdi Vasarhely 
100 Zoglinge, die ubrigen je 48; die Sohne anderer Grenzer wurden 
deutschen oder ungarischen Regimentern zugeteilt. Die Darstellung 
entspricht den vorstehenden Mitteilungen. 

Zu den Regiments - Knaben -Erziehungshausern war, nachdem 
Osterreich seine italienischen Lande zuruckgewonnen hatte, eine 
ahnliche Anstalt getreten, 

das Mailander Erziehungshaus, 

italienisch collegio militare, fur diejenigen in Lombardo-Venetien 
8tationierten Regimenter, welche keine eigenen Hauser hatten. Der 

») Rechkron a. a. O., 8. 46. 



Digitized by Google 



Osterreich- Ungarn. 



195 



letzteren gab es zwei, der ersteren fQnf. Oberst-Lt. Young, ein 
Livornese, welcher zuerst im Dienste Neapels, dann des Eonigreichs 
It alien gestanden hatte und in letzterem im Erziehnngsfache thatig 
gewesen war, entwarf den Plan fur die Anstalt. 1 ) Sie soilte nach 
den fur die Erziehungshauser allgemein geltenden Grundsatzen, unter 
Berucksichtigung der nationalen Eigenart der Italiener, eingerichtet 
werden und, neben den unentgeltlich zu erziehenden, Zahlzoglinge 
aufhehmen. Letztere hatten ebensoviel zu entrichten, wie erstere 
kosten wurden; eine Verpflichtung Soldaten zu werden bestand fur 
sie nicht Das Zustandekommen war dadurch erleichtert, dass seit 
1807 zu St. Lucca in Mailand ein Collegio militare degli orfani be- 
stand. Kaiser Ferdinand t befahl am 29. Janaar 1816 dem 
FM. Graf Bellegarde es nicht aufzulosen;*) am 22. Oktober 
unterbreitete der Hofkriegsrat Youngs Plan dem Kaiser, welchen 
dieser am 4. Dezember mit geringen Anderungen genehmigte. 8 ) 
Der Personalstand war: 1 Stabsoffizier oder Hauptmann (zu- 
nachst Young) als Kommandant, 1 Studiendirektor, zugleich fur die 
Verwaltung, 5 Offiziere far Aufsicht und Unterricht, 1 Adjutant, 
5 Feldwebel, zugleich Lehrer, 1 Hauskaplan, 1 Arzt, 1 Rechnungs- 
fiihrer, 6 bejahrte Soldatenweiber zur Besorgung der kleineren Knaben 
und zur Ausbesserung der Wasche, sowie sonstiges "[Interpersonal. 
Aaf Staatskosten sollten 250 Zoglinge unterhalten werden, die Kost- 
ganger entrichteten 200 Gulden; das Haus botRaumrar 300 Knaben, 
es genfigte bescheidenen Ansprflchen, doch fehlte ein Garten. Der 
Kommandant und 3 Offiziere wohnten in der Anstalt. Die Zoglinge 
waren in ranf Kompagnien geteilt; zum Exerzieren ward aus den 
alteren eine Division gebildet. Der Kommandant und die Offiziere er- 
hielten Zulagen, die Feldwebel doppelte Lobnung, das Unterper- 
sonal bekam taglich 3 bis 4 Kreuzer „auf die Hand". Zur Be- 
kleidung*) der Knaben wurden „die zu Verona als erobertes Gut 
aufbewahrten Sorten" verwendet, welche ihrer Farben wegen fur das 
Heer nicht zu benutzen waren. Sie bestand aus aschgrauen Rocken 
von militarischem Schnitt mit karmoisinroten Kragen, engen, asch- 
grauen Beinkleidern mit rotem Passepoil, Bundschuhen und Tschakos; 
statt der sonst ublichen Fetzen wurden Striimpfe getragen. DieBe- 



Kriegs-Archiy 1816: lit. B, Faaz. I, 14/37. 
*) Kriegs-Arohiv 1816: Lit N, Faaz. I, 14/37. 
») Kriegs-Archiv 1816: Lit B, Faaz. I, 14/101. 
*) Abbildungen im Kriegs-Archiv. 

13* 



Digitized by Google 



196 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



kostigung unterschied sich von der in den ubrigen Anstalten ge- 
reichten dadurch, dass wochentlich dreimal Wein gegeben wurde. 

Der Unterrioht ward in der Anstalt erteilt Die Knaben in 
offentliche Schulen zu sohicken, ging wegen des dort herrschenden 
revolutionaren Tones und wegen der unsittlichen und unanstandigen 
Haltang der ubrigen Schuler nicht an. Womoglich sollte in den 
beiden oberen Klassen ausschliesslich in deutscber Sprache unter- 
richtet werden. Der Lehrplan umfasste: in der 1. Elasse Buch- 
stabieren, Lesen, Schreiben, mundlicben Religionsunterricht; in der 
2. Italienisch, Schreib- und Leseubungen, Arithmetik, Schonschreiben, 
Religionsunterricht aus dem Katechismus ; in der 3. Italienisch, 
biblische Geschichte, Leseubung, Arithmetik, Deutsch, Schdnschreiben 
(deutsch und italienisch); in der 4. Arithmetik, Algebra und Geo- 
metric Litteratur, Universalgeschichte und Lesen geschichtlicher 
Werke, Geographie, Naturgeschichte, Schonschreiben (wie in der 3.), 
Religion, Deutsch; in der 5. Militaradministration und Tabellieren, 
Taktik, Dienstreglement, Planimetrie, Feldbefestigung, Vorlesung aus 
den militarischen Jahrbuchern, Geschichte herrorragender Manner, 
Religion, Deutsch, Voltigieren, Fechten, militarisches Exerzitium. 

Das Haus bestand bis zum 1. Oktober 1839. Dann machte es 
der Mailander Kadettenkompagnie (S. 167) Platz. Fur die Soldaten- 
sdhne wurde durch die Errichtung yon zwei Erziehungshausern , in 
Bergamo (Lombardei) und in Ci vidale (Venetien), gesorgt; far 
den Unterhalt eines jeden Zdglings waren dort 129, hier 105 Gulden 
jahrlich ausgeworfen. Sie gingen 1848 ein. 

VII. Mannschaftsschulen. 
1. Artillerie. 1 ) 

AUgemeingflltige Vorschriften fiber die Erteilung von Unter- 
richt bei der Infante rie und der Kavallerie gab es nicht. Wann 
und wo etwas geschah, war es eine innere Angelegenheit des Re- 
giments. 

A. Das Bombardierkorps. 

Die Artillerie behielt die bei Errichtung des Bombardierkorps 
bestehenden Einrichtungen bei. Aus diesem ging der gesamte Ersatz 
des Offizierkorps hervor und die wesentlichste Aufgabe der Schulen 



l ) Die Hauptquellen aind die auf S. 98 genannteD. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



197 



bei den Begimentern war die Ausbiidung far das Bombardierkorps. 
Was daza nicht taugte, ward, wenn es anging, als Unteroffizier ver- 
wendet. Eine Denkschrift 1 ) aus dem Jahre 1816 sagt darubor: 

„Die Versetzung in das Bombardierkorps erfolgte. nachdem die unter 
B. zu nennenden Schulen durchgemacht waren. Der Unterricht in 
der Korpsschule zerfiel in drei Kurse. Unterrichtsgegenstande 
waren: im „Vorbereitungskurs" Artillerie, Batterieban, Plazierung der 
Geschutze, Laborieren, Dienstobliegenheiten des Vormeisters und des 
Unteroffiziers, Arithmetik, praktische Geometrie, Mechanik in ihrer 
Anwendung auf Maschinenlehre, SohSn- und Bechtschreiben, Dienst- 
und Linienzeichnen; im „Elementarkurs" Arithmetik, Elementargeo- 
metrie and Elemen tar mechanik: im „vollstandigen Kurse" hdhere 
Geometrie und hohere Mechanik, Befestigungskunst, Feuerwerks- 
meisterei (theoretische Geschutzkunst), Geographie, Linear-, Situations- 
und Fortifikationszeiohnen. Die praktische Ausbiidung erstreckte sich 
auf das Exerzieren mit der Feldbatterie und dem Artilleriegeschutz, 
Beurteilen von Entfernungen, praktische Manipulation, Flazieren des 
Geschutzes, Beurteilen des Gelandes und Belehrung fiber eine an- 
genommene Angrifis&ont, Laborium, gluhendes Kugelschupfen, Granat- 
werfen und -schleudern, Werfen von Bomben und Feuerwerkskorpern, 
Rikoschettieren, Sprengen eines Tliores mit der Petarde und prak- 
tische geometrische tTbungen." 

Eine Anderung dieser Einrichtungen wurde bereits 1815 einge- 
leitet. Als sie 1822 durchgefuhrt war, zahlte die Schule sieben 
Jahrgange, welche ausser durch Ziffern durch die Namen ihrer Haupt- 
vortragsfacher unterschieden wurden. So kam das innere Wesen der 
Schule auoh ausserlioh zur Geltung. Die Namen waren: fur den 
1. Jahrgang Arithmetik, 2. Geometrie, 3. und 4. hohere Mathematik, 
5. Mechanik, 6. Physik, 7. Chemie. Nebenficher waren: erweiterter 
Artillerieunterricht (fur alle Klassen), Geometral- und Situations- 
zeichnen, Befestigungskunst, Militargeographie, Geschichte, Taktik, 
Generalstabs- und Adjutantengeschafte , sowie, ohne Verpflichtung 
zur Teilnahme, franzosische Sprache; in den 30er Jahren kam 
ein Vortrag iiber Festungskrieg hinzu. Der Zulassung zur Korps- 
sohule ging ein ljahriger Vorbereitungskurs voraut Die Ober- 
leitung der wissenschaftlichen Studien fohrte ein als Magister ma- 
theseos bezeichneter Stabsoffizier oder Hauptmann, die praktischen 
tTbungen und der sonstige Dienstbetrieb standen unter den Feuer- 



») Kriegs-Archiv: Memoiren aua dem Jahre 1816. 

Digitized by Google 



198 Gochichte des Militar- Erziehungs- und -Bildungswesena etc 



werk8mei8tem (Kap.-Lt und Ober-Lt). Jenem gehdrten die ffinf 
Winter-, diesen die sieben anderen Monate. Die funf ersten 
Jahrgange, „den niederen Ears", musste jeder durchmachen, der 
Feuerwerker werden wollte. Wer weiter wollte, trat in die 
6. and demnachst in die 7. Klasse, den „hoheren Kurs". Wer 
letzteren mit Erfolg beendet hatte, blieb im Korps bis er znr Ernennung 
zum Offizier an der Reihe war, was oft mehrere Jahre dauerte. Die 
Reihenfolge der Feuerwerker war im allgemeinen fur alle spateren 
Beforderungen massgebend. 

Der Unterricht erfreute sick guten Rufes; nicht selten baton 
die Kommandanten von Infanterieregimentern um die Erlaubnis, be- 
gabte Offiziere an einzelnen Vortragen etc. teilnehmen zu lassen, und 
vielfach fanden Zoglinge des Korps als Zeichner oder Techniker 
ausserhalb desselben Verwendung. Die Ausbildung war aber ein- 
seitig, nur auf die Pflege artilleristischen Wissens und Konnens ge- 
richtet, auf dessen Besitz die Waffe stolz war. Die Eigenart der 
Schule Terseharfte den Gegensatz, in welchem die Offiziere der Ar- 
tillerie sich ihren Kameraden der anderen Waffen gegenuber schon 
durch ihr Hervorgehen aus dem Mannschaftsstande befanden. 

Kin Bild des Bombardierkorps in der letzten Zeit seines Be- 
stehens giebt ein Mherer Angebdriger in nachstehender Kenn- 
zeichnung: l ) 

„Da8 Bombardierkorps ist ein rein militarischer KSrper, seine 
eigentliche Bestimmung: die boberes militariscbes Wissen bedingende 
Bedienung des Wurfgeschfltzes und der Geschosse, sowie die Erzeu- 
gung der dazu gehdrigen Munitionssorten , welch letzteres unter 
Leitung der Oberfeuerwerksmeisterei durch die Feuerwerksmeisterei 
geschieht, deren in jedem Eegimente einer mit dem notigen Auf- 
sichtspersonale ist. Nebst dem, dass der hier aufgenommene junge 
Mann den Vorteil vor anderen Bildungsanstalten hat, dass er den ge- 
samten Dieust durch Selbstausubung erlernt und so aus eigener 
Erfahrung zu ermessen weiss, wie weit er die Krafte seiner Unter- 
gebenen zu spannen vermag, was von unberechenbaren Folgen ist; 
er gewahrt aber auch den ferneren Vorteil, dass durch die stete Be- 
wegung, nicht iibermassige Anstrengung des Korpers fast gar keine 
der in Erziehungsanstalten so haufig vorkommenden Krankheiten aus 
Stockungen der Safte etc. vorkommen. 

Nebst dieser praktischen Ausbildung geniesst aber hier der junge 



*) Osterreichiflcher Soldatenfreund, Wien 1850, Nr. 2. 



Digitized by Google 



Oste rrcich-Ungarn. 



199 



Artillerist in alien Hilfswissensehaften den ndtigen theoretischen 
Unterricht: der hoheren Mathematik, Mechanik, Maschinenlehre, 
Zeichnen, Situation, Geschutz-, Feld- and bestandige Fortifikation, 
Geschichte, Geographie, franzdsische, italienische and slawische 
Sprache. Den Schluss macht Physik nnd Chemie; letztere zwei in 
einem mit grosser Mnnifizenz ansgestatteten physikalischen Saale 
und chemischen Laboratorium. Die Wichtigkeit dieses Enrsns erhellt 
schon daraus, dass die Chemie mit ihren Hilfswissensehaften den 
Offizier in die Lage setzt, bei den Geschfitzgiessereien, Pulver- und 
Salitererzeugung sich mit Vorzug verwendeu zu lassen, sowie ihn zu 
befahigen, bei Prufungen von Erfindungen und Projekten jeder Art 
des Kriegsbedarfes ein giiltiges Urteil abzugeben." 



Bis zum Jahre 1848 hatte die Schule des Bombardierkorps, 
ausser 1809 und 1813, ihre Thatigkeit in Kriegszeiten nicht eingestellt. 
Erst in jenem Jahre geschah es von neuem. Ohne dass das Eorps 
aufgeldst ware, warden seine Mitglieder in alle Teile des Reich es 
zerstreut, die Schule horte von selbst auf. Die Regimentsschulen 
wurden im Sommer 1848 geschlossen. Nach Herstellung der fried- 
lichen Verhaltnisse siedelte das Korps am 12. Dezember 1849 
nach Olm utz fiber. 

B. Die Einrichtungen bei den Regimentern. 

Bei den Begimentern bestanden Kompagnie- und Regiments- 
schulen. 

Fur den in den Kompagnie schulen wahrend der Winter- 
monate erteilten theoretischen Unterricht war die Mannschaft nach 
Anlagen, Yorbildung und Dienstzeit in sechs Klassen geteilt. Das 
Aufrucken aus einer niederen in eine hohere erfolgte nach dem Be- 
stehen einer vor einer Kommission, deren Vorsitz der Kompagnie- 
Kommandant fuhrte, abzulegenden Prufung. Die das Aufrucken aus 
der 3. Klasse in die 4. bedingende erstreckte sich auf Fertigkeit in 
der deutschen Sprache, Dictandoschreiben, Rechnen bis einschliesshch 
Regel-de-tri, den bis dahin gehabten Artillerieunterricht und Geo- 
metrakeichnen. Von ihrem Bestehen hing die Beforderung zum 
Oberkanonier ab. Der Vormeister musste alle sechs Klassen durch- 
gemacht haben und teilweise in den Logarithmen bewandert sein. 
Die Lehrbucher waren bis zum Jahre 1845, abgesehen von einem 
1767 probeweise in geringer Auflage gedruckten „Unterricht fur die 
Feldartillerie", nachgeschriebene Diktate ; erst 1846 wurden gedruckte 



Digitized by Google 



200 Geechichte dea MilitAr-Erziehungs- and -Bildungsweeens etc. 



r ,Ajtillerieunterrichte", nach Klassen geordnet, in Gebrauch ge- 
nommen. Wer des Deatschen nicht machtig war, gehdrte zur „un- 
deutschen Abteiltmg", er blieb, solange dies dauerte, Unter- 
kanonier. 

Die Regiment sschulen , auf denen die Vormeister zn Unter- 
offizieren ansgebildet wurden, bestanden meist an den Stabsorten and 
hatten zweijahrigen Kursus. Ausser den Fachern der Kompagnie- 
scliulen wurden die Anfangsgrunde der Algebra, die Berechnnng der 
Kugelbaufen, etwas Geometrie, Situations- und Linienzeichnen , der 
Dienst in Festungen und bei Belagerungen vorgetragen. Im Fruh- 
jahr fanden Prufungen vor dem Brigadier statt. Der Hauptwert 
wurde auf Mathematik gelegt. Von den taglichen acht Lehrstunden, 
neben denen vier dem Selbststudium unter Aufsicht dienten, gehSrten 
ihr vier. Durch diese Art des Betriebes „erlangten selbst Menschen 
von hochst beschranktem Denk- und Verfassungsvermogen ein ver- 
haltnismassig bedeutendes mathematisches Wissen". 1 ) 

2. Genie und Pioniere. 

N ah ere Nachrichten fiber die Art und Weise, in welcher die 
Genietruppe ihre Unterofnziere heranbildete und die Mannschafben 
theoretisch unterriehtete, vermogen wir nicht zu geben. Es stent 
aber fest, dass auf beides Wert gelegt worden ist, und dass die 
Erfolge durch die Zuweisung von Rekruten, welche dem intelligenteren 
Teile der wehrpflichtigen Bevolkerung angehdrten, begunstigt wurden. 

"Dber die Verhaltnisse beim Pionierkorps liegt eine Nachricht aus 
der Zeit vor, in welcher Pontoniere und Pioniere zu einem solchen 
vereinigt warden. Es geschah am L Mai 1843. Die aus diesem 
Aniass gegebenen Allerhochsten Bestimmungen ") enthielten in grossen 
Umrissen die Vorschriften for die Bildung einer Unteroffizier- 
schule. Auf Grund derselben entwarf Ob. von Frank den Orga- 
nisations- und Lehrplan, welcher noch im Laufe des Jahres in 
Kraft trat: 

Die Zahl der Schuler betrug 96 (6 von jeder Kompagnie), welche 
for den Unterricht in zwei Parallelabteilungen zerfielen und in diszi- 
plinarer Hinsicht ein Detachement bildeten, w ah rend sie in okono- 
mischer Beziehung bei den Kompagnien blieben. Jede Abteilung 
hatte al8 Lehrer 1 Offizier und 2 Kadetten oder Unterofnziere, 



») Archiv fur Offiriere der preusaischen Artillerie etc., 62. Bd., 8. 168. 
») Brinner a. a. 0., II. Teil, L Band, 8. 19. 



Digitized by Googl 



Osterrach-Ungarn. 



201 



welche die Schule durchgemacht batten. Der rangaltere Offizior war 
Eommandant der Schule, ihr Standort Wien. Der Lehrplan 
umfasste: Lesen; Recht- unci Dictandoschreiben; Recbnen bis ein- 
schliesslich Regel-de-tri and Toisieren ; Militar-Geschaftsstil in der fur 
den Unterofnzier notigen Ausdehnung ; Pionierdienst nach dem Regle- 
ment, wobei der Vortrag dorch Benutzung von Modellen unterstutzt 
ward; Infanterie-Abrichtungs- and Exerzierreglement; Dienstregle- 
ment; Kenntnis des Gewehres and der Pionierausrustung. Der 
TJnterrieht fand von November bis Marz taglich von 8 bis 11 Uhr 
vor- und von 2 bis 5 Uhr nachmittags statt Im April nahm der 
Korp8kommandant eine Prufung vor, dann siedelte die Schule be- 
hufs prakti8cher Aasbildang bis zum September nach Tulln uber. 
Am 6. April 1848 ward die Schule vorlaufig aufgelost. 

Neben ihr bestanden bei den Kompagnien Elementarschulen, 
in denen je 15 bis 20 Mann durch winterlichen Unterricht im 
Schreiben, Lesen, Sprachlehre und dienstlichen Kenntnissen tor die 
Unteroffizierschule vorbereitet wurden. 



Digitized by Google 



Vierter Zeitraum. 

Vom Eintritte der infolge der Ereignisse von 1848 und 
1849 verfugten Anderungen bis zum Jahre 1865. 

I. Vorlaufige Anordnungen. 

Inmitten der Umwalzungen, welche das alte Osterreich in seinen 
Gnindfesten erschutterten, treten Bestrebungen hervor, deren Ziel 
vermehrte wissenschaftliche Bildung aller Klassen der Heeres- 
angehdrigen war. Manner wie Radetzky, sein geistvoller Gehilfe 
Hess nnd der General- Artillerie-Direktor FZM. Frhr. v. Augustin 
waren ihre Hauptforderer. 

1. Regimen tsschulen bei dem Heere in Italien. 

Ihre Errichtung beruhte auf einem Befehle Radetzkys vom 
30. Dezember 1849 aus Verona. 1 ) Derselbe schrieb fur Infanterie 
und Jager vor: 

Offizierschulen: wdchentlich zwei IViStundige Vortrage, 
welche ein hoherer Offizier den Lieutenants iiber Gegenstande des 
Reglements giebt, und fiber welche letztere schriftliche Ausarbeitungen 
anfertigten; 

Kadettenschulen, in denen wahrend der geeigneten Monate 
womoglich taglich Lesen, Schreiben, Rechnen, Dienstgegenstande und 
Krokieren gelehrt wurden; 

Feldwebel-Manipulationsschulen zur Heranbildung von 
Unteroffizieren fur den Schreibdienst; 



*) Kriegs-Archiv: Schriftenarchiv 1849, 6, 412. 



Digitized by Google 



Osierreich - Ungarn. 



203 



Unteroffizierschulen nod Mannschaftsschulen, in denen 
wahrend der geeigneten Monate wochentlich dreimal je 1 V* Stunde 
fiber die Reglements unterrichtet ward; 

Lese-, Schreib- and Rechenschulen zur Heran- und Fort- 
bildung von Unteroffizieren; 

Pionierschulen zur Unterweisung eines Teiles der Mann- 
8chaft im Pionierdienste. 

Wo die Verhaltnisse es gestatteten, sollten bei der Kavallerie 
die gleichen Vorschriften zur Anwendung gelangen. 

FZM. Baron Heinrich v. Hess, 1 ) als Chef des General-Quartier- 
meisterstabes nach Wien berufen, errichtete 

2. Generalstabsschulen zu Wien und zu Verona. 

Antragen anf Begrfindung solcher Anstalten sind wir schon 
mehrfach begegnet. Sie hatten aber nie Beriicksichtigung gefunden. 

Im Jahre 1772 antwortete der Hofkriegsrats-Prasident FM. 
Graf Lac j einem Ober-Lt. Holler von Pallavicini-Infanterie zu 
Prag, welcher ihm den „Plan zu einer Kriegsschule" *) vorlegte, 
dass die Ausffihrung wunschenswert, aber onausfuhrbar sei. Eben- 
so beschied der Chef des General -Quartiermeisterstabes Graf Leon- 
hard Rothkirch (November 1830 bis August 1840) den uns be- 
kannten Maj. v. Wirker auf einen Vorschlag zur „Errichtung eines 
Lehrstuhles far die Kriegswissenschaften auf der hohen Schule zu 
Wien". 8 ) Ohne Ergebnis blieb ferner ein 1842 gemachter Vor- 
schlag zur Errichtung einer Akademie der Kriegswissenschaften". 4 ) 
Dagegen wurden seit 1811 in Wien den Offizieren des General- 
Quartiermeisterstabes an den Winternachmittagen („um den laufenden 
Dienst nicht zu beeintrachtigen") Vortrage fiber Generalstabsdienst 
bei der Truppe, Feldbefestigung, Reglements, Geometric, Trigono- 
metrie, Dispositionslehre und Geschaftsstil gehalten. 



») Geb. 17. Marz 1788 zu Wien, gcst 13. April 1870 daselbst (Streffleure 
Oeterr. mil. Zeitachrift, II, Wien 1870). 

*) Das Schriftenarchiv bewahrt ferner einen „ Vorschlag, einen fur den 
Kriegsstand vorbereiteten Lehrkurs aufzustellen", von Bourscheid a us dem 
Jahre 1786 und einen „Vorschlag, Kriegssehulen in den Landern zu errichten", 
welchen 1801 ein Gehilfelehrer Erleer machte. 

•) Kriegs-Archiv: Fasz. XXVIII, Nr. 112. 

*) Kriegs-Archiv (Memoires): Fasz. IX, Nr. 151. 



Digitized by Google 



204 Geschichte dee Militar - Erriehungs- und -Bildungsweaens etc 



Im Jahre 1848 war man etwas weiter gekommen. 1 ) Am 31. 
Marz gelangten die Verhandlungen uber die Begrundung einer 
Eriegsschule, wie sie spater tbatsachlich ins Leben trat, zum 
Abschluss; da hinderten die Zeitereignisse die Verwirklichung. 

Hess wollte nichts Bleibendes schaffen. Es sollte nur fur das 
augenblickliche Bedurfnis gesorgt werden. Endgultiges herzustellen 
blieb der in Aussicht genommenen Umgestaltung des Heerwesens 
vorbehalten. Zunachst rief er zwei Generalstabsschulen , in Wien 
and in Verona, ins Leben.' 

lhr Lehrplan,*) durch A. E. vom 2. Dezember 1851 ge- 
nehmigt, nennt als Unterrichtsgegenstande: Mathematik und mathe- 
matische Geographie (erstere nach Vega, neu redigiert von W. Matzka), 
weil selbige zur Anwendung auf reine Taktik, Fortifikation , Terrain- 
aufnahmen und Verstandnis geodatischer Operationen notig sind; 
permanente und Feldbefestigung, erstere nach de Traux und Zastrow, 
letztere nach Fischmeister und der Anleitung zur Verrichtung tech- 
nischer Arbeiten des Pionierkorps; Militargeographie nach Malchus 
und Rudtorffer (Kenntnis der Geographie uberhaupt muss vorausge- 
setzt werden); Terrainlehre und Situation szeichnung nach Reichlin- 
Meldegg, bezw. dem neuesten Zeichnungsschlussel von J. Scheda, mit 
praktischer Anwendung auf militarische Aufnahme; angewandte Taktik 
nach dem in Bearbeitung befindlichen Feldreglement; reine Taktik 
der drei Waffen (Exerzier- und Manovrier-Reglements) : nicht vorlesen, 
sondern prufen, da der Offizier sie kennen muss, damit schriftliche 
Ausarbeitungen verbinden, welche zugleich als Stilubungen dienten; 
Pionierdienst nach dem Reglement, unter Benutzung von Modellen; 
Waffenlehre nach Groftsik, verbunden mit praktischer Belehrung uber 
Bewamiung und Schiessubungen der Infanterie und Artillerie; Generai- 
stabstechnik (eigentlich unterer Generalstabsdienst): Lagerschlagen, 
Kolonnenfuhrung, Terrainrekognoszierung, elementarer Dienstbetrieb, 
nach dem Generalstabsreglement, Decker und Ponitz, fur den Umfang 
einer Truppendivision. 

Es sollte vorgetragen werden: im 1. Jahre: Mathematik, Feld- 
befestigung, Waffenlehre, Terrainlehre mit Situation szeichnung, Pio- 
nierdienst; im Sommer Ubung in Beurteilung und Benutzung des 
Gelandes in der Umgegend; im 2. Jahre: mathematische Geographie, 
permanente Befestigung, Militar-Geographie, Situationszeichnen und 



») Kriegs-Archiv: Schriftenarchiv 1848, 11, 181. 

») Kriegs-Arehiv: WissenschafUiche Memoires 1851, Abt 11, Nr. 182. 



Digitized by Google 



Oflterrdch-Ungara. 



205 



Aufaehmen, Generalstabsdienst, Grundsatze der angewandten Taktik 
(Wiederholung) ; im Sommer eine Mappierungsubung. 

Die Vortrage dauerten von Anfang November bis Ende April; 
im Aagust und September nahmen die Schuler an den grosseren 
Truppenubungen teU. Im Oktober fand die Pruning statt Am 
Schlusse des 2. Jahres entschied sie fiber das Verbleiben im General- 
stabe. Der Unterricht ward in Doppelstunden, von 9 bis 1 Uhr vor- 
und 3 bis 5 (Sommer 4 bis 6) Uhr nachmittags erteilt; im allge- 
meinen in jedem Fache in 6 Wochenstunden. 

Jeder Schnle stand als Studiendirektor ein hoherer Generalatabs- 
Offizier vor, die Professoren waren Stabsoffiziere und Hauptleute. 

Eine A. E. vom 23. Dezember 1851 ordnete an, dass am Ende 
des ersten, 1853 schliessenden Kursus die dem Generalstabe zuge- 
teilten Offiziere, gleichviel ob sie eine der Schulen besucht hatten 
oder nicht, in Wien gepriift werden und die „nicht genfigend" be- 
standenen in die Truppe zurucktreten sollten. 

3. Anordnungen in der Artillerie. 

Der Generaldirektor FZM. Freiherr von Aug us tin l ) konnte nicht 
sofort Endgultiges hinstellen, weil die neue Gliederung der Waffe noch 
nicht feststand und die Notwendigkeit, baldmoglichst Vorgesetzte zn 
schaffen, ein zeitweiliges Herabmindern der Forderungen bedingte. 

A. Provisorischer Studienplan fur samtliche Schulen der 
Artillerie vom 1. Januar 1850. 

Die Schulen zerfielen in Schulen bei den Kompagnien, Stabs- 
schulen der Regimenter und des Feuerwerkskorps, die Bildungs- 
anstalt im Bombardierkorps und die Offiziersschulen bei den Regi- 
mentern. 

In den Kompagnieschnlen ward „Lesen, Schreiben, Rechnen 
und etwas Linienzeichnen" nur Beanlagten gelehrt, die militarische 
und artilleristische Ausbildung durften dadurch nicht beeintrachtigt 
werden. „Das Verstehen, das Konnen, nicht der richtige Ausdruck, 
ist die Hauptsache; daher auch die Beforderung der Unterkanoniere 
zu Kanonieren nicht eben vom Lesen, Schreiben und Rechnen und 
von einem richtigen Ausdruck, sondern eben von dem durch den 



*) Geb- 27. Marz 1780 zu Peat, gest. 6. Mara 1869 (Streffleura Oaterr. mil. 
Zeitechrift, III, Wien 1861. 



Digitized by Google 



206 



Geschicbte des Militar - Ereiehungs- and -BildungsweseiM etc 



Artillerie-Unterricht 4 ) fur diese Stellung vorgeschriebenen praktischen 
Wissen abhangig ist." 

Die Stabsschnlen bildeten zu Uiiteroffizieren aus. Aufnahme- 
fahig waren Mannschaften , welche korrekt lesen und schreiben 
konnten, Fertigkeit in der gewohnlichen Ziffernrechnung besassen, im 
Alter nicht zn weit vorgeschritten waren, sich gut gerohrt hatten. 
Auch junge Leute aus dem Zivil konnten zugelassen werden, welche 
mindestens 15 Jahre alt waren, in einer Pruftmg eine besondere Vor- 
bildung nachwiesen, wenigstens 5' 2" gross und diensttauglich 
waren. Wenn sie Fortschritte machten, wurden sie 17jahrig assen- 
tiert. Sie traten einige Zeit vor Beginn der Schule ein und wurden 
zunachst militarisch ausgebildet Die Zahl richtete sich nach dem 
Bedarf, wahrend des Kurses waren sie dienstfrei. Die Schulen 
sollten in Kriegszeiten fortgehen. Der Kurs dauerte zwei Jahre, 
jedes zerfiel in zwei Semester, yom 1. Oktober bis 1. Juni und von 
da bis zum 1. September. Im September ward Wach- und sonstiger 
Dienst geubt; auch durfte auf 14 Tage beurlaubt werden. Taglich 
waren sechs Lehrstunden; an Stelle des gemeinsamen Korrepetierens 
trat das Selbstwiederbolen. Eein Vortrag, ausser iiber Zeichnungs- 
gegenstande, dauerte langer als IVj Stunden. Das 1. Jahr war zur 
Vorbereitung auf den Bombard ierkurs, das 2. lediglich zur Ausbildung 
tuchtiger Korporale bestimmt. Wer jenes Ziel nicht erreichte, sollte 
nicht mit Kenntnissen beladen werden, welche ihm nichts nutzten 
und nicht zu befriedigende Anspruche erweckten ; wer Anlagen hatte, 
sollte baldmoglichst in das Bombardierkorps treten. Es wurden 
gelehrt: 

im 1. Jahre: Militargesetze und allgemeine Dienstesvorschriften ; 
deutsche Sprachlehre und Rechtschreibung, verbunden mit schrifb- 
lichen Aufsatzen militarischer Tendenz und Schonschreiben ; boh- 
mische Sprache; Arithmetik und Algebra, NStigstes aus der Funk- 
tionslehre und den hoheren Gleichungen; Artillerie; Anfangsgriinde 
des freien Hand-, Situations- und Linienzeichnens ; 

im 2. Jahre: Grundregeln des mUitarischen Geschaftsstiles, 
Verfassung kurzer Meldungen, Rapporte etc.; bohmische Sprache; 
Anleitung zur Fuhrung eines kleinen Transportes; Dienst- und 
Exerzierreglement; Dienst des Korporals; praktische Geometrie und 
Aufnahme kleiner Terrainstrecken ; Artillerie; kurzer Abriss der 



») Unterricht fur die Kompagnieschuleii der k. k. Artillerie-Regimenter, 
Wien 1847. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungani. 



207 



Feld- und bestandigen Befestigungskunst; Anwendung der Linien- 
nnd Situation szeiehnung auf Geschutzwesen , Batteriebau and Feld- 
dienst; Kenntnis mid Beh and lung des ge sun den und k rank en Pferdes; 
Stalldienst; Reiten, Fahren, Satteln, Zaumen, Anschirren; 

in beiden Jahren allgemein militarische and artilleristische 
Ausbildung, Anfange des Aufnehmens. 

Wochenstunden kamen im 1. Jahre auf Deutsch und Boh- 
misch je 3 s /*, Arithmetik und Algebra 7*/t, Artillerie 6*/4, Linien- 
zeichnen 6, Hand- und Situationszeichnen 6, Schreiben lVt; im 2. 
auf BShmiscb 3 s /i, Artillerie 6, Befestigungskunst 2Vi» praktische 
Geometrie 3*/*, Miutar-Geschaftsstil 2 1 /*, Dienstreglement etc. lVt, 
Abrichtungs- und ExerzierreglemeDt P/t, Dienst des Korporals l'/i, 
Verpflegungswesen und Transporttuhrung l 1 /*, Linienzeichnen 4, 
Hand- und Situationszeichnen 4, Pferdekenntnis und Stalldienst 4. 

Unterricht, welcher mehr den Verstand und das Gedachtnis in 
Anspruch nimmt, ward morgens (7»/i bis 12), der, welcher die technische 
Fertigkeit entwickeln soil, unter Berucksichtigung der Tageshelle, 
nachmittags (2 bis 4) erteilt. 

Die Methode des Unterrichts hatte auf die Fassungskraft 
der Schuler Rucksicht zu nehmen, allmahlich sollte vom Leichteren 
zum Schwereren Sbergegangen werden, zwischen Gegenstanden des 
Verstandes, technischen und kdrperlichen Ubungen ein angemessener 
Wechsel stattfinden. Wo es anging, sollten zuerst die Regeln und 
ihre Anwendung, dann das Warum gelehrt werden, der Anschauungs- 
unterricht dem Gedachtnisse Haltepunkte bieten. Bei den prak- 
ti sch en Obungen sollte der Schuler vor der Ausfuhrung jedesmal fiber 
den Zweck unterrichtet, die theoretische Ausbildung durcb die An- 
wendung unter stutzt werden. Die praktischen tTbungen des 1. Jahres 
sollten im 2. kurz wiederholt werden. Den praktischen tJbungen im 
Batteriebau gingen solche an einem mit Erde gefflllten Kasten vorauf. 

Schulkommandant war je ein Hauptmann, den Unterricht 
erteilten Offiziere und Feuerwerker. 

Am Schlusse des Schuljahres fanden im Beisein der hoheren 
Vorgesetzten Prflfungen durch die Lehrer statt. Zeitweilig war 
die General-Artillerie-Direktion durch einen Offizier vertreten, welcher 
dahin zu wirken hatte, dass die Beurteilung der Schtiler uberall nach 
gleichen Grundsatzen geschehe. Wer nicht fur das Bombardierkorps 
ausgewahlt wurde, trat in den 2. Jahrgang; wer nach Beendigung 
desselben fur jenes nicht genflgte, kehrte als Korporal oder mindestens 
als Vormeister zum Regimente zurflck. 



Digitized by Google 



208 Geschichte dee Militar-Eraehunga- nnd -Bildungsweeena etc 



Die Zahl der Schuler des Bombardlerkorps hing von den Be- 
forderungsverhaltnissen ab. Sie waren von der Mannschaft strong ge- 
schieden und thaten weder praktischen Dienst noch Hausarbeit, 
zerfielen jedoch in zwei Klassen, von denen die eine in 3 Jahren iiber- 
haupt zu Artillerieoffizieren , die andere in weiteren 3 Jahren zu 
Lehrern oder far den technischen Dienst der Waffe ausgebildet wurde. 
Lehrgegenstande waren: imniederen Eurse: Militar-Geschaftsstil; 
Rechnungswesen der Kompagnien ; Geschaftsgang der Kanzleien ; Adju- 
tantendienst; Huh mi sen and Italienisch; Geometrie einschliesslich des 
Notwendigsten aus der spharischen Trigonometric and der Lehre von 
den krammen Liaien; Elementarmechanik; Grandbegriffe der Physik 
und Chemie; freies Hand-, Situations- und Geometralzeichnen nebst 
Terrainlehre ; Aufnahme mit dem Messtische, Nivellieren, Schichten- 
aufnahme; Taktik der drei Waflfen; Felddienst, Feld- und bestandige 
Befestigungskunst; Artillerie-undRaketenunterricht; allgemeine Dienst- 
vorschriften; Geographie und Geschiohte; Pferdekenntnis , Stall- 
dienst, Satteln, Zaumen, Anschirren; Exerzieren mit alien Waflfen, 
tJbung im Kommandieren, Richten, Distanzbeurteilen, Ausstecken von 
Batterien, in den praktischen Handhabungeu , im Batterie- und 
Schanzenbau, in der Munitionserzeugung; Schiessen mit alien Ge- 
schutzen; Fechten; Voltigieren; Reiten; womoglich Schwimmen; 
Im hoheren Kurse: Zeug-Rechnungswesen; Dienstesnormen fur 
Werkstatten, Depots, Zeughauser; Vorschriften fur Untersuchung 
des Kleingewehrs; Franzdsisch; analytische Geometrie; Differential- 
und Integralrechnung; hohere Mechanik; Experimentalphysik und 
-Chemie; Artillerietechnik; Baukunst; Geometral-, Maschinen-, Frei- 
hand-. Situationszeichnen ; Dienstvorschriften; Artillerieunterricht; Ab- 
richtungs- und Exerzierreglement; stylistische Aufgaben; Festungs- 
krieg; Raketen- und Marineartillerie-Unterricht; Heeres-Organisation ; 
Ausstecken der Batterien in den Parallelen; Geschutzplazieren mit 
Rucksicht auf grossere Truppenkorper; Exerzieren mit alien Waflfen; 
Reiten; Fechten; Schwimmen; Voltigieren; Aufnehmen a la vue und 
Schichtenaufnahme ; hohere Artillerielehre mit bezug auf fremde 
Artillerien ; Militar-Geographie und -Statistik ; Geschiohte der Kriegs- 
kuiist; Ejiegsgeschichte in gewahlten Beispielen; Schiessiibungen. 

Artillerie- und technische Anstalten sollten fieissig besucht und 
praktische Ofifiziere ausgebildet werden. 

Wochenstunden, fur die namlichen Tageszeiten wie in den 
Stabsschulen angesetzt, waren im niederen Kurse im 1. Jahr- 
gange: Bohmisch 5, Geographie 4»/i, Geometrie 6, Artillerie 4, Terrain- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungnrn. 



209 



lehre 2, Militargeschaftsstil 2 8 /i, Dienstreglement etc. I 1 /*, Situa- 
tionszeichnen 6, Handzeichnen 2, Schreiben 2; im 2.: Italienisch 3 8 /4, 
Weltgeschichte 3 8 /4, Elementarmechanik 6, Artillerie 4 1 /*, Feld- 
befestigung 4 1 /*, Rechnungswesen der Kompagnien lVt, Dienst- 
reglement etc. l'/t, Geometralzeichnen 8, Hand- nnd Situations- 
zeichnen nebst Schreiben 4; im 3.: Italienisch 3 8 A, Physik nnd 
Chemie 9, Artillerie- und Raketenunterricht, Dienst in den Batterien 
3 8 /4, Feldin8truktion 3, bestandige Befestigungskunst 6, Abrichtungs- 
nnd Exerzierreglement 3, Geschaftsgang in den Kanzleien und Ad- 
jutantendienst 2, Pferdekenntnis, Stalldienst, Reit- und Fahrschule 4. 

Im hoheren Kurse: 1. Jahrgang: Franzosisch 5, Militar- 
geographie 4 1 /*, analytische Geometric, Differential- und Integral- 
rechnung 9, Artillerie 4, Festungskrieg 4 1 /*, militarstilistische 
tTbungen 2, Zeugrechnungswesen 2 1 j%, Abrichtungs- und Exerzier- 
reglement 2, Hand- und Situationszeichnen 4; im 2.: Franzosisch 3 3 /i, 
hohere Mechanik 6, Experimental-Physik und -Chemie 12, Artillerie 3, 
Geschichte der Kriegskunst 3, Dienst vorschriften 27», Dienst in 
Werkstatten etc. I 1 /*, militarstilistische tTbungen IVj, Abrichtungs- 
etc.-Reglement l 1 /*, Hand- und Situationszeichnen 3; im 3.: Fran- 
zosische Stiliibungen 2 7a, Artillerietechnik 6, hohere Artillerielehre 
und Kenntnis fremder Artillerien 3 8 /4, Marineartillerie 17a, Heeres- 
organisation l 1 /*, Kriegsgeschichte 47a, Kriegsgesetze V/%, Unter- 
suchung von IQeingewehr und Geschiitz 17a, Baukunst 4, Geometral- 
und Maschinenzeichnen 8, Hand- und Situationszeichnen 3. 

Die praktischen tbungen dienten der allgemeinmilitarischen 
und der artilleristischen Ausbildung und erstreckten sich ausserdem 
auf das Aufnehmen. 

Die Oberleitung ftthrte die General- Artillerie -Direktion, den 
Unterricht leitete ein Stabsoffizier des Bombardierkorps als 
Studiendirektor (nicht mehr „magister Matheseos") , ein zweiter 
iiberwachte den flbrigen Dienst und die praktischen tTbungen. Jeder 
Lehrer erhielt vom Studiendirektorate durch das Korpskommando 
ein Programm, welches „die vorzunehmenden Lehren, ihre Begrenzung 
sowie die zu benutzenden Quellen" enthielt. Nach diesem arbeitete 
der Lehrer seinen Vortrag aus, welchen er dem Direktor vorzulegen 
hatte. Die Lehrer sollten aus den befahigtesten Offizieren, welche 
zugleich den Beruf zum Unterrichten hatten, genommen, als 
Assistenten und zur dienstlichen tTberwachung sollten ihnen Feuer- 
werker zugeteilt werden. Die Lehrer sollten bis zum Hauptmann 2., 
unter Umstanden selbst 1. Klasse, in ihrer Stellung verbleiben und 

Monument* Germ*niM Paed»gogio» XV. 14 



Digitized by Google 



210 



Geschichte des Militar-Erriehungs- und -Bildungswesena etc. 



wie die Feuerwerker bei der Beforderung bevorzugt werden. Die aus 
dem niederen Kurse Austretenden kamen als Feuerwerker zu den 
Kompagnien. Es gingen ihnen aber die in den hoheren Kurs Ge- 
langenden, etwa i U der Gesamtzahl, vor. Diese wurden vorzugsweise 
zu Offizieren befordert. Die Rangbestimmung der Schfiler erfolgte 
auf Grund der nach den Prfifungsergebnissen verfassten Qualifikations- 
listen, welche im Verein mit den Naehrichten der Truppenbefehls- 
haber fiber die praktisohe Verwendbarkeit fur die Ernennung zum 
Offizier zum Anhalte dienten. 

Die Prufungen wurden durch die Lehrer unter dem Vorsitze 
des Korpskommandanten und eines von der Generaldirektion zu be- 
stimmenden Generals oder Stabsoffiziers im Beisein des Studien- 
direktors abgehalten, die Kommission bezeichnete die Prfifungsgegen- 
stande; die „Fortgangsklasse" wurde fur jeden Gegenstand durch 
eine Nummer ausgedruckt, welche das Produkt aus der Fortgangs- 
ziffer und der festzusetzenden Rangsziffer des Gegenstandes war; die 
Summe der Fortgangsnummern bestimmte schliesslich den Rang des 
Schfilers. 

Wo irgend moglich, sollten in den Regimentern Offiziers- 
schillen fur Befestigung und Erweiterung des erlangten Wissens 
bezw. fur Ausbildung derjenigen Offiziere eingerichtet werden, welchen 
der Zeitverhaltnisse wegen solche nicht in vollem Masse hatte zu teil 
werden konnen. 

Lehrgegenstande waren: Artillerie, Diensfc- und Exerzier- 
reglements aller Wafifen, Feldinstruktion , Taktik der drei Waffen; 
Kriegsge8chichte in gewahlten Beispielen; stilistische tTbungen; 
Kenntnis des Pferdes; Aufgaben fiber das Entwerfen von Batterien 
etc. Die Teilnehmer lieferten Ausarbeitungen, fiber welche der 
General-Artillerie-Direktion berichtet wurde; sie dienten dieser zum 
Anhalte bei den Beforderungsvorschlagen. 

B. Die Artillerie-Hauptschule. 
Eine A. E. vom 26. Dezember 1850 setzte an die Stelle des 
Bombardierkorps eine Artillerie-Hauptschule. Sie ward in Olmutz 
errichtet und sollte der Waffe einen anderen Ersatz bieten, als aus 
jener hervorging, und namentlich der tTberalterung des Offizierkorps 
vorbeugen. Deshalb sollten „die eintretenden Individuen nicht zu 
weit in den Jahren vorgeschritten sein , und ihre Ausbildung in der 
moglich st kfirzesten Zeit bewirkt werden". Sie zerfiel in zwei Ab- 
teilungen: 1) sollten in einem 4jahrigen Kursus 200 Kanoniere 



Digitized by Googl 



Osterreich-Ungarn . 



211 



und 36 k. k. Kadetten, welche das 20. Lebensjahr nicht iiberschritten 
hatten, aus dem Stande der Artillerieregimenter und des Raketeur- 
korps zu brauchbaren Offizieren herangebildet werden; in der 2. 
sollten in einem 2jahrigen „besonders talentvolle jungere Offiziere 
eine hdhere wissenschaftliche Vervollkommnung in taktischer und 
artillerietechnischer Hinsicht erhalten und bei sonstiger Eignung zu 
brauchbaren Lehrern fQr die Schule ausgebildet werden". Ihre Zahl 
betrug vorlaufig 24. 

Das Lehr- und Aufsichtspersonal bestand aus 1 General 
oder Oberst als Lokaldirektor oder Kommandant, 2 Stabsoffizieren, 
davon einer als Studiendirektor, 23 Offizieren, 1 Auditor, 1 Rechnungs- 
fuhrer, 2 Arzten und 54 Personen der Artillerie vom Feuerwerker 
abwarts, dann 3 Offizieren und 68 Personen vom Unteroffizier ab- 
warts als Zugeteilten nebst 30 Reitpferden. 

Dem Studiendirektor war insbesondere die Leitung des 
Unterrichts ubertragen; er sollte die notigen Kenntnisse besitzen, 
urn ein richtiges Urteil uber alle vorgetragenen Gegenstande ab- 
geben zu konnen, und batte dariiber zu wachen, dass dieselben ein- 
heitlich mit Rucksicht auf den Zweck der Anstalt und in der ange- 
messenen Begrenzung vorgetragen wflrden. Der Lehrplan trug nicht 
mehr ein ausschliesslich artilleristisches Geprage; die Waffe sollte 
aus ihrer Abgeschiedenheit heraus-, ihr Offizier in den Kreis seiner 
Kameraden treten. Die gezogene Altersgrenze errichtete eine Schranke 
gegen Bewerber um das goldene Portepee, denen die Erziehung fQr 
den Offizierstand abging. Der Grundsatz, dass jeder Einzelne von 
der Pike auf gedient haben musse, blieb aber in Geltung und die 
mathematischen Studien standen noch immer in einem fur die Mehr- 
zahl der Offiziere unnStig hohem Masse im Vordergrunde. Man 
mochte auf ein Wissen, dessen Besitz der Stolz der Waffe war, nicht 
sofort allzu sehr verzichten. 

Der Unterricht der 1. Abteilung umfasste: Funktionslehre, 
hohere Gleichungen, analytische Geometrie in elementarer Behand- 
lung, Differential- und Integralrechnung, hohere Mechanik und 
Maschinenkunde ; Grundzuge der Physik und Chemie mit besonderer 
Rucksicht auf Artillerietechnik ; Geometral-, Situations- und Freihand- 
zeichnen; Terrainlehre; SchSnschreiben; Militar-Geschaftsstil , Adju- 
tantendienst, Militar-Rechnungswesen; Franzosisch, Italienisch, Boh- 
misch; Artillerie- und Raketenunterricht ; Feld- und best&ndige 
Fortifikation; Festungskrieg mit besonderer Berucksichttgung der 
Artilleriebauten ; Geographie; Geschichte; Dienst^ und Exerzier-Vor- 



Digitized by Google 



212 



Geschichte des Miiitar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



schriften; Taktik der drei Waffen; Feldinstruktion ; theoretischen 
Unterricht fiber Pferdewartung, Stallorduung, Hufbeschlag, aussere 
Pferdekenntnis , Zaumung, Sattelung, Beschirren, Packen; Reiten, 
Fahren; Schwimmen, Fechten, Voltigieren; Exerzieren mit Sabel und 
Kleingewehr; Exerzieren, Rich ten und praktische Handhabungen mit 
dem Feld- und Batteriegeschutze ; Beurteilen der Entfernungen ; 
Batterie- und Schanzbau, Ausstecken von Parallelen und Batterien; 
Erklarung yon Angriff und Verteidigung einer Festung mit Hilfe eines 
Modells; Schiessen mit Kleingewehr und Geschutz; Aufnahme mit 
dem Messtische a la me, Nivellieren und Schiehten-Aufnahme; tTbung 
im Kommandieren. 

In der 2. Abteilung: Physik und Chemie mit Selbstubung im 
Experimentieren und Analysieren; Feld-, Angriffs- und Verteidigungs- 
AusrQstung; Theorie der Artillerie in bezug auf Konstruktion des 
Materials und der Wirkung ; Taktik mit Berucksichtigung der FQhrung 
grosserer Artilleriekorper ; Grundsatze der Strategie; Kriegsgeschichte 
in gewahlten Beispielen ; Heeres-Organisation in Krieg und Frieden ; 
Geschichte der Eriegskunst; Maschinenzeichnen; Dienst in Werk- 
statten, Depots und Zeughausern; Militargeographie und Statistik; 
Zeichnen Ton Planen; Ausstecken von verschanzten Stellungen und 
Lagern; Plazierung der Batterien bei grosseren Truppenkorpern mit 
bezug auf das Terrain; Schiessflbungen mit Zugrundelegung ballistic 
scber Bedingungen; Ernst- und Lustfeuerwerkerei ; Besuch von Werk- 
statten and technischen Etablissements in der Nahe und auf einer 
grosseren Rundreise, Verfassung von Relationen hieruber. 

C. Die Stabsschulen. 

Die Auflosung des Bombardierkorps und der Ersatz der Bildungs- 
anstalt desselben durch die Artillerie-Hauptschule bedingten eine 
durch Augustin unter dem 30. Oktober 1851 angeordnete neue 

Organisation der Stabsschulen der Artillerie-Regimenter 

und des Raketeurkorps. 1 ) 
Die Stabsschulen hatten theoretisch und praktisch zu Unter- 
offizieren auszubilden und jungere Leute fur die Artillerie-Haupt- 
schule vorzubereiten. Sie bestanden bei einem jeden der 5 Regimenter 
und beim Raketeurkorps, und sollten zur Kriegszeit nicht aufge- 
lost werden. Eine jede hatte 1 Hauptmann als Kommandanten, 



Metallographiert (Kriegs-Archiv). 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



213 



2 Oberlieutenants als Professoren , 6 Feuerwerker als Assistenten, 
6 Korporale zur Aufsicht and zum Dienst, 15 Oberkanoniere bezw. 
10 X)berraketeure (Halbinvalide) fur den Hausdienst, 180 k. k. Ka- 
detten und Oberkanoniere, bezw. 90 Kadetten und Oberraketeure als 
Schiiler, 1 Furierschutz und 2 Privatdiener , im ganzen 213 bezw. 
118 Kopfe. Die Festungsartillerie-Bataillone , welche keine Schulen 
hatten, schickten Bombardiere und Kanoniere in die Stabsschulen 
der betreflfenden Regimenter. Feuerwerker und Korporale, welche 
ihre Ausbildung zu vervollstandigen beabsichtigten , durften den 
Schulen „zugeteilt" werden. 

Die Schiiler blieben ganz in ihren soldatischen Verhaltnissen, 
nur ward gestattet die Gemeinen mit „Sie" anzureden. ') Fur den 
inneren Dienst war jede Schule wie eine Kompagnie gegliedert; die 
Schuler des 2. Jahrganges wurden, namentlich im Sommer, auf die 
Verwendung als Vorgesetzte vorbereitet. Alle Bestimmungen fiber 
das Unterrichtswesen waren der General-Artillerie-Direktion vorbe- 
halten. 

Bedingungen der Aufnahme waren: wenigstens nahezu 
erreichtes 16. Lebensjahr und hinreichende korperliche Ausbildung; 
Gesundheit und das vorgeschriebene Militarmass oder gegrundete 
Hoflhung es zu erlangen; gute Konduite; gutes Bestehen der Auf- 
nahmeprufung, von welcher Feuerwerker und Korporale enthoben 
waren. Wer nur zum Unteroffizier bestimmt war, durfte nicht ein Alter 
erreicht haben, „welches die Eignung und Neigung fur die bezugliche 
Ausbildung ausschlosse". Die Aufnahmeprufung forderte: hin- 
reichende Kenntnis des Dienstreglements fur den Gemeinen; ge- 
nugende tTbung im Lesen von Gedrucktem und Geschriebenem in 
deutschen und lateinischen Buchstaben; leserliches, nicht allzu un- 
gelaufiges und unkorrektes Dictandoschreiben ; Rechnen der 4 Rech- 
nungsarten in unbenannten und benannten Zahlen und gemeinen 
Bruchen. Sie ward vor einer Kommission abgelegt, deren Vorsitzender 
die Mitglieder und den prGfenden Offizier ernannte. tJber einen 
Mangel an Kenntnissen konnte hinweggesehen werden, wenn die Auf- 
fassung des Gepruften geeignet erschien, ihn die Lucken bei gehorigem 
Eifer erganzen zu lassen. 

Die Schulen begannen am 16. Oktober. Wer nicht befriedigte, 
kehrte nach Ablauf des 1. Jahres zur Truppe zuriick; die Vorziig- 



J ) Das „Du u ward ubrigens erst mit Einfiihrung der allgemeinen Weljr- 
pflicht abgeschafft. 



Digitized by Google 



214 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -BildungswesenB etc. 



lichsten kamen in die Hauptschule, sie durften in der Kegel das 
20. Lebensjahr nicht uberschritten haben; die ubrigen traten nach 
Schluss des 2. Jahres zur Trnppe zuruck and wurden dort nach 
Massgabe der offenen Stellen zu Korporalen ernannt, teilten den 
Anspruch auf diese Beforderung aber mit denjenigen Anwartern, 
welche die Scbule nicht besucht batten. Wenn sie 1 Jahr als 
Korporale zur Zufriedenheit gedient batten, konnten sie zu Feuer- 
werkern befordert werden. Die Ernennung war der General-Artillerie- 
Direktion vorbehalten. 

Unterrichtsgegenstande waren: deutsche Sprache und 
Schreiblehre; bohmische Sprache; Schonschreiben ; stilistische tbungen 
und Militargeschaftsstil; Verpflegungswesen; Arithmetik und Algebra; 
Elementargeometrie mit Einschluss der praktischen Messkunst ; popu- 
late Mechanik; Artillerie-Unterricht; Abrichtungs- and Exerzier- 
Reglement; Dienst des Unteroffiziers ; Fuhrung kleiner Transporte; 
Feld- und bestandige Fortifikation; Geometral-, freies Hand-, Linien- 
und Situationszeichnen ; Exerzieren mit dem Sabel und am Geschutze ; 
Beurteilung der Distanzen, Flazierung des Geschutzes; Handhabung 
des Geschiitzes ; Munitionsverfertigung; Schiessubungen ; Batteriebau; 
Aufnahmen mit dem Messtische. 

Das Winterseniester (November bis Juni) war dem theoretischen, 
das Sommerseme8ter (Juli bis September) dem praktischen Unter- 
richte gewidmet. Im Oktober wurden Wach- und sonstiger Dienst 
betrieben, auch durfte dann beurlaubt werden. Der Unterricht 
dauerte im Winter vormittags 4V«, nachmittags 2 bis 3Vt Stunden; 
im Sommer war er fur beide Jahrgange meist gemeinsam. Die 
Freistunden sollten namentlich der Wiederholung dienen, fur welche 
bessere Schuler als Korrepetitoren bestellt werden konnten. 

Nach Ablauf des Wintersemesters fanden Prufungen vor einer 
Kommission unter Vorsitz des Inspektors statt, welche darauf die 
Fortgangsklassen fur jedes Fach erteilte. In den praktischen Unter- 
richtsgegenstanden besichtigte der Inspektor. 

Der Fortgang wurde durch die Ziflfern 5 bis 0 (vorzuglich bis 
schlecht) bezeichnet, von denen jede mit der dem Fache beigelegten 
Rangsziffer multipliziert wurde, durch Summierung der Ergebnisse 
ward der Platz bestimmt. Die Rangsziflfern (4 bis 1) waren 4 fur 
Arithmetik und Algebra; Geometrie und Messkunst; Mechanik; Geo- 
metralzeichnen ; moralische Fuhrung; 3 fur Kriegsartikel und Diensfc- 
reglement; Artillerie-Unterricht; Abrichtungs- und Exerzier-Regle- 
ment; Dienst des Unteroffiziers; Militar-Geschaftsstil ; Verpflegswesen ; 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



215 



Transportfuhrung; Aufhahmen; Befestigungskunst; 2 far Deutsch und 
Rechtschreiben ; Bohmisch ; Schdnschreiben ; Situationszeichnen; Linien- 
zeichnen; I far Exerzieren; Geschiitzrichten ; Manipulation mit dem 
Geschutze; Pferdewartung etc. 

4. Anordnungen beim Pionierkorps. 

A. Die Pionierkorpsschule. 

Die Korpsschule zu Tulln erfreute sich eines guten Rufes, ihre 
Sehuler waren ein gem gesehener Offiziersersatz. Aber die Anstalt war 
seit dreissig Jahren nicht fortgeschritten. Ob. Anton Ritter v. 
Mollinary, am 30. November 1850 zum Korps-Kommandeur ernannt, 
beauftragte den Kommandanten , Hptm. v. Ghilain, mit der Be- 
arbeitung eines Entwurfes zu einer Neugestaltung , welche zugleich 
den Interessen des Korps dienen und die wissensehaftliche Aus- 
bildung fordern sollte. Ein Erlass des Armee-Oberkommandos vom 
12. Juli 1851 bestimmte, nachdem Hess die Vorschlage *) gebilligt 
und der Kaiser sie in allem Wesentlichen genehmigt hatte, nach- 
stehendes : 

Die Zahl der Zoglinge betragt 150, von denen 100 zum Stande 
der Schule, 50 zum Korps gehoren; die der Jahrgange wird von 
3 auf 4 erhoht. Letzteres geschah, weil der Lehrplan erweitert und 
die aus dem Zivil Eintretenden militarisch ausgebildet werden mussten. 
Die Korpsstellen besetzt das Kommando mit besonderer Beriick- 
sichtigung der Zoglinge der Unteroffizierschule , die iibrigen das 
Kriegsministerium. Der Eintritt erfolgt mit 14 Jahren; die Privat- 
zulage wird auf 10 Gulden erhoht. In einer Aufnahmeprufung sind 
genugende Kenntnis der deutschen Sprache nachzuweisen , und die 
an Kadetten allgemein zu stellenden Forderungen (S. 216) zu er- 
fQllen; Ghilain hatte eine Prflfung in alien Fachern der 4. Normal- 
klasse vorgeschlagen. 

Der Lehrplan umfasste: Schon- und Rechtschreiben; deutsche 
Stillehre; Geographie; allgemeine Weltgeschichte; Geschichte der 
Kriegskunst; Reglements und Felddienst; Militaradministration und 
Geschaftsstil ; Situationszeichnen ; Waffenlehre, verbunden mit scharfen 
Schiessubungen mit Geschutzen; Algebra, Geometrie, ebene und auf 
Yorschlag des Korpskommandos spharische Trigonometrie , sowie fur 



») Auszugsweise bei Brinner a. a. O., T. II, 1, S. 421. 



Digitized by Google 



216 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



die befahigteren Sch filer die Elemente der hdheren Mathematik; 
Geometralzeichnen; praktische Geometric; Mechanik, Physik; Baa- 
technologie; Strassen-, Wasser- und Briickenbau samt den zuge- 
horigen Zeichnungen; Feld- und permanente Befestigung; der 1. und 
2. Teil des Reglements fur die technischen Verrichtungen des Pionier- 
korps; Bohmisch; Italienisch (Ghilain hatte Franzosisch vorge- 
schlagen); Exerzieren mit der Waffe; okonomische Aufnahme, gra- 
phisches Triangulieren, Nivellieren, Militaraufhahme ; Pionierarbeiten ; 
Voltigieren, Fechten, Turnen, Schwimmen. Personal: 1 Haupt- 
mann (Kommandant), 9 Offiziere (Professoren), 2 Feldwebel, 9 Korpo- 
rale, 30 Pioniere, 1 Tambour, 1 Hornist. 

Die auf dieser Grundlage 1851/1852 neugestaltete Schule ging 
infolge der Organisation von 1852 in einer Pionier-Schulkompagnie 
auf und erstand erst spater wieder. 

Eine andere, schon fruher (S. 186) erwahnte Bildungsanstalt, 

B. die Offizierschule zu Klosterneuburg, 1851 — 1852, 
hatte nur den vorzeitig aus Tulln entlassenen Pionieroffizieren 
Gelegenheit zur Vervollstandigung ihrer Ausbildung zu bieten. 

Die Schule ward am 1. April 1851 eroffnet und bestand unter 
dem Kommando des Hptm. v. Magdeburg ein Jahr lang. Unter- 
richtsgegenstande waren : die Reglements, militarisches Zeichnen und 
Aufhehmen, Stilistik, Briicken-, Strassen- und Wasserbau, Geometrie, 
Mechanik, Physik, Geographie, Geschichte, Franzosisch und Italienisch. 
Es fallt auf, dass die bestandige Befestigung nicht darunter ist. 

5. Einfuhrung einer Priifung behufs Eintritts als Kadett. 

Als ein Zeichen der Zeit ist die Einfuhrung einer Priifung 
behufs Eintritts als Kadett zu erwahnen. Die Kenntnisse, welche der 
Betreffende nachzuweisen hatte, waren freilich sehr gering und ihr 
Besitz entsprach weder der Stellung, welche der Offizier in der 
burgerlichen Gesellschaft einnahm, noch den Anspriichen, welche sein 
Beruf an seine geistige Bildung machte; dass aber uberhaupt etwas 
gefordert wurde, war von grundsatzlicher Bedeutung und der erste 
Schritt auf einer Bahn, deren Betreten unwiderstehlich weitere nach 
sich Ziehen musste. 

Mit dem 1. Januar 1851 horte die Einstellung von Gemeinen 
ex propriis gegen Erlag eines Monturgeldes auf. Junge Leute, welche 
das 15. Lebensjahr erreicht und nach den bestehenden Gesetzen An- 
spruch auf Kadettenstellen hatten, baten jetzt den Inhaber desjenigen 



Digitized by Google 



(Werreich-Ungarn. 



217 



Truppenteiles , bei welchem sie einzutreten wunschten, um ihre An- 
nahme und meldeten sich, wenn solche erfolgt war, beim nachsten 
Armeekorps- bezw. Landes-Militar-Kommando , welche letztere zu 
Agram, Temesvar und Zara bestanden, behufs Ablegung der Prufung, 
zu deren Vornahme vierteljahrlich eine jedesmal anders zusammen- 
gesetzte, erst in den letzten zehn Tagen des betreffenden Zeitraumes 
zu bestimmende, aus einem Stabsoffizier, zwei Hauptleuten und zwei 
Subaltern offizieren bestehende Kommission berufen ward. In be- 
sonderen Fallen konnte ein Brigadekommando beauftragt werden, die 
Prufung vornehmen zu lassen. Als Grundlage fur das Mass der nachzu- 
weisenden Kenntnisse ward der Stand des 2. Jahrganges der 4. Normal- 
klasse angenommen, namlich: korrekte und leserliche Schrift, Fahig- 
keit ohne Fehler deutsch dictando zu schreiben und einen kurzen, 
fasslichen Aufsatz iiber einen einfachen Gegenstand zu verfassen; 
gelaufige und richtige Ausfuhrung der vier Spezies, Rechnen mit 
Bruchen, Regel-de-tri ; allgemeine geographische Begriflfe fiber die 
Gestalt der Erde, Kenntnis der Weltteile und ihrer Hauptlander, 
genaue Kenntnis der Monarchic in bezug auf ihre Gebirge, Flusse, 
politische Einteilung und Bevolkerung. Die Kommission erteilte 
entweder das Zeugnis uber das Bestandenhaben oder sie gestattete die 
Anmeldung zu nochmaliger Prufung nach Jahresfrist oder sie wies, 
sowohl nach der ersten wie nach einer zweiten Prufung, end- 
gultig ab. 

II. Die Organisation der Militarbildungsanstalten 

vom Jahre 1852. 

Inzwischen war auch die obere Heeresleitung nicht mussig ge- 
blieben. Es stand die tTberzeugung fest, dass die yorhandenen 
Militarbildungsanstalten fur das Heer, welches, mit dem Lorbeer 
frisch erkampfter Siege geschmuckt, unter Fuhrung seines jugend- 
lichen Kriegsherrn des Kaisers Franz Josef, auf den meisten 
Gebieten soldatischer Thatigkeit neue Bahnen beschritten hatte, nicht 
mehr geniigten. Es war eine Ansicht, welche namentlich Hess ver- 
trat. Zu Anderungen drangten auch der Wechsel in der ofifentlichen 
Meinung und eine vorgenommene Umgestaltung der burgerlichen 
Schulen. Es war klar, dass vieles yon dem bisher mit Zahigkeit 
festgehaltenen Alten fallen musse. Der blutige Ernst der bestandenen 
Kampfe hatte gezeigt, dass das Heer anders und besser vorbereiteter 



Digitized by Google 



218 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Fuhrer bedurfe; die fireignisse batten die Schaden der vorhandenen 
Anstalten erkennen lassen und die Ursachen ihrer Mangel bloss- 
gelegt. 

Einer der grossten, aber zugleich der schwierigst zu beseitigenden 
unter den letzteren war der, dass die Militar-Erziehungsanstalten 
weit weniger ihrer eigentlichen Bestimmung als der Versorgung der 
Sohne mittelloser Eltern gewidmet waren. Dabei beruhte der Unter- 
richt nirgends auf festen, den Bedurfhissen der Zeit Rechnung 
tragenden Lehrplanen; oft fehlten diese ganz und, wo sie vorhanden 
waren, blieben sie haufig unbeachtet. Von einein Zusammenhange 
zwischen den Lehrplanen der einzelnen Anstalten, einer Einheitlich- 
keit des gesamten Unterrichtsganges war keine Rede; es konnte 
daher weder das Weiterbauen auf einer bestimmten Grundlage, noch 
die Yersetzung eines Zdglings in eine andere Anstalt stattfinden. 
An Lehrbuchern war Mangel; von den vorhandenen geniigten 
man die iiberhaupt nicht, andere batten vielleicht nicht den Beifall 
des Vortragenden ; daher wurde haufig der Unterrichtsstoff diktiert. 
Es stand nicht einmal in jedem Erziehungshause wenigstens ein 
Dienstr, Abrichtungs- und Exerzierreglement zur VerfUgung; zu- 
weilen gab es nur Abschriften, welche die Zoglinge hergestellt 
hatten. 1 ) Ungeachtet aller Versprechen wurde eine Anstellung beim 
Militar-Bildungswesen meist als „Friedens-Anstellung", als eine Ver- 
sorgung fur Felddienstunfahige, angesehen. Das Vorwartskommen von 
Offizieren, welche in den ausubenden Heeresdienst zurucktraten , be- 
gegnete, trotz der ihnen gunstigen Bestimmungen, manchen Schwierig- 
keiten. Bei ihrer Auswahl sprachen vielerlei Rucksichten mit, welche 
mit ihrer Eignung fur die Verwendung nichts gemein hatten. Der 
Heranbildung von Charakteren bei den Zoglingen standen die Grund- 
satze kl6sterlicher Zucht entgegen, nach denen die Hausordnungen 
gehandhabt wurden. Die Leibesubungen waren vernachlassigt. Und 
dabei erforderten die Anstalten einen Aufwand, welcher ganz ausser 
Verhaltnis zu der Zahl der ausgebildeten Zoglinge war. 

Alle diese TJbelstande erheischten dringend Abhilfe. Sie wurde 
ihnen vornehmlich durch einen Mann, welcher als die Seele der 
Reform bezeichnet werden muss, zu teil. Es war der damalige Major 
im General-Quartiermeisterstabe Anton Scudier, welcher im Januar 
1851 in das Kriegsministerium berufen wurde. Im namlichen Jahre 
trat eine Kommission zur Ausarbeitung eines einheitlichen Planes 

») Streffleure Osterr. Mil. Zeitachrift, Wien 1866, IV, 72. 

Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



219 



behufs Uragestaltung der Militar-BildungsanstaJten zusammen, deren 
Arbeit sein Werk war. Den Vorsitz fuhrte FML. Graf Johann Co- 
ronini-Cronberg, dessen Empfeblung Scudier in das Ministerium 
gebracht hatte. Das Ergebnis der Beratungen *) war, dass 

1) Die Anstalten sich in drei Gruppen vereinigen lassen wurden : 
in Erziehungshauser, welche Unteroffiziere liefern, in Akademien, 
welche Offizierssohne versorgen und zu wissenschaftlich gebildeten 
Offizieren erziehen sollten, und in Kadettenkompagnien , deren Zog- 
linge ein Mittelglied darstellten, da die Kompagnien bestimmt waren, 
Unteroffiziere zu bilden, aus denen mit der Zeit Offiziere werden 
konnten. Die bisherigen Kompagnien hatten Genugendes geleistet, 
es habe ihren Zoglingen aber an wissenschaftlicher Bildung gefehlt. 
Die Akademien machten zu bohe Anspriiche, die Halfte der Zoglinge 
sei nicht im stande denselben zu genugen. Es solle ein Austausch 
der meistbefahigten Kadetten mit minder begabten Akademikern 
ermdglicht und dazu sollten die Kadettenkompagnien in Vorbereitungs- 
anstalten fur die Akademien umgewandelt werden. 

2) Dass die Fachbildung erst mit dem 15. bis 16. Jahre zu 
beginnen und der Eintritt in die Erziehungsanstalten erst dann zu 
erfolgen habe, dass aber, um mittellosen Offizieren die Erziehung 
ihrer Kinder und Bewerbern, welche der deutschen Sprache nicht 
machtig seien, das fur 15- bis 16jahrige mit Schwierigkeiten ver- 
bundene Aneignen derselben zu erleichtern, Gelegenheit zum Ein- 
tritte im Alter von 10 bis 12 Jahren geboten werden musse. Die 
Grundlage fur die Einheit des Offizierkorps musse in den Erziehungs- 
anstalten gelegt und dabei dem spezifisch-osterreichischen Stand- 
punkte vollste Bechnung getragen werden ; die Sonne der Mannschaft 
seien moglichst fruh dem Kasernenleben zu entziehen. Anstalten fur 
letztere waren dringendes Bedurfnis; Ende 1851 hatten die Erziehungs- 
hauser 1284 Zoglinge, davon 773 in Ararial-, 511 in Zahlplatzen, 
im Alter von weniger als 11 Jahren, wozu deren noch 51 in einer 
fur Grenzoffizierssohne von 1851 bis 1853 bestehenden Anstalt 
kamen. 

Diesen Thatsachen gegenuber konnte sich die Kommission der 
tfberzeugung von der Notwendigkeit des Bestehens von Elementar- 
anstalten nicht verschliessen. Sie wollte dieselben jedoch moglichst 
beschranken und daher Zahlzoglinge unter 11, sowie Soldatenkinder 
unter 7 Jahren ganz ausschliessen. Sie meinte ferner, dass die 



») Streffleurs Osterr. Mil. Zeitachrift ftir 1866, IV, 75. 



Digitized by Google 



220 Geschichte des MilitSr-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



304 Militar-Ararial-Platze der Akademien far die Menge der be- 
rechtigten Bewerber nicht ausreichen und dass die Erganzung der 
Artillerie-Haupt-, sowie der Stabsschulen, zweckmassiger durch Zog- 
linge als durch Mannschaften erfolgen wurde. Sie stellte daher als 
Grundsatze auf: 

Schcidung der Anstalten in hohere und niedere; Trennung des 
allgemeinen vom Fachunterrichte ; Vorsicht bei der Auswahl der in 
hohere Anstalten ttbertretenden und Berucksichtigung ihrer WQnsche 
in betreff der Art der Anstalt; Beschrankung der Zoglingszahl 
eines Jahrganges auf 50, bei 7- bis lljahrigen auf 25; Trennung 
der Altersklassen , so dass in einer Anstalt hochstens vier derselben 
in ebensovielen Jahrgangen vereinigt sind; Entfernung von Zog- 
lingen, welche wegen korperlicher, sittlicher oder geistiger Gebrechen 
ungeeignet sind; allmaliges Aufhoren des Eintrittes von Zoglingen 
aus der Truppe; Trennung der Knaben-Erziehungshauser von den 
Regimentern; sorgsamere Ausbildung und Auswahl der Lehrer, Ver- 
besserung ihrer Stellung durch Zulagen und sonstige Vorteile; ge- 
meinsame Oberleitung aller Militar-Erziehungsanstalten. 

Demgemass beantragte die Eommission : 

Beschrankung der Neustadter und der Genie-Akademie auf die 
4 bezw. 3 hoheren Jahrgange; 

Umwandlung der Artillerie-Hauptschule in eine Artillerie- 
Akademie ; 

Eintrittin die Akademien mit erreichtem 15., nicht uberschrittenem 
16. Jahre; 

Zoglingszahl in Wiener-Neustadt 400, in der Artillerie- und 
Genie-Akademie je 200; Teilung jedes Jahrganges in Wiener-Neu- 
stadt in 2 Parallelklassen zu je 50 Zoglingen; 

Vereinigung der Zoglinge rier aus der Neustadter und der 
Genie-Akademie auszuscheidenden unteren Klassen in Vorbereitungs- 
anstalten fur die Akademien; 

Beschrankung der Aufnahme in letztere auf Zoglinge, welche 
fur eine hohere Ausbildung geeignet sind und denen die Wahl der 
Waffe thunlichst zu flberlassen ist, wahrend die iibrigen ihren Ange- 
hSrigen zuruckgegeben oder in niedere Anstalten versetzt werden; 

Begunstigung des unmittelbaren Eintrittes in die Akademien 
nach Bestehen einer strengen Prilrang (aus Ersparnisrucksichten); 

Errichtung von 4 Vorbereitungs- (Kadetten-) Anstalten mit je 
200 Zoglingen; 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



221 



Aufnahmealter and Lehrplan derselben wie in den vier unteren 
Klassen von Wiener-Neustadt; 

Ausmusterung als Lieutenants 2. Klasse aus Wiener-Neustadt 
(zur Infanterie und Kavallerie); 

tTbertragung der in den Akademien vorhandenen Stiftsplatze 
auf samtliche Kadettenanstalten und Akademien; 

Erhdhung der Zahl der Freiplatze, Einrichtung halber Frei- 
platze ; 

Auflassung samtlicher k. k. Kadetten (495) und Verwendung 
der Ersparnisse (114510 Gulden) zu teilweiser Deckung des Mehr- 
aufwandes, welcher ausschliesslich den Sohnen von k. k. Offizieren 
zu gute koramt; 

Trennung der 49 Erziehungshauser, von denen bei ihrer Auf- 
losung nach Ausweis des Militar-Schematismus fur das Jahr 1852 
noch 42 bestanden, in Unter-Erziehungshauser mit je 100 7- bis 
lljahrigen (Zahlende ausgeschlossen), Ober-Erziehungshauser mit je 
200 11- bis 15jahrigen, Schulkompagnien mit je 120 16- bis 18jah- 
rigen / ngen; 

allmalige Umwandlung der Kadetten-Kompagnien in Infanterie- 
Schulkompagnien ; 

Auflosung der Raketeurkorps-Schule ; Umwandlung der Artillerie- 
und Genie-Stabs- und der Pionierkorps-Schulen in Artillerie-, Genie- 
und Pionierkorps-Schulen; 

Erganzung der Schulkompagnien aus den Ober-Erziehungshausern 
und der Privaterziehung ; 

Prufung beim Eintritt aus der Privaterziehung in die Schul- 
kompagnien, Begunstigung dieses Eintritts aus Ersparnisrucksichten; 

"Obersetzung der vorzuglichsten Zoglinge der vierten Jahrgange 
der Unter-Erziehungshauser in die Kadettenanstalten, der zweiten 
Jahrgange der Artillerie-, Genie- und Pionierkorps-Schulkompagnien 
in die Artillerie- und Genie-Akdemie ; 

Ausmusterung der ubrigen Zoglinge der Schulkompagnien, je nach 
ihrem Fortgange, als wirkliche Korporale mit Feldwebel- oder Feuer- 
-werker-, Gefreite mit Korporals-Auszeichnung, Gefreite ; keine Anrech- 
nung der Militarerziehungszeit als Dienstzeit; Bestimmung, dass vor- 
zeitig aus einer Akademie oder Schulkompagnie Ausgetretene nicht vor 
der regelmassigen Ausmusterung ihrer Klassengenossen zu Offizieren 
befordert werden durfen; 

Errichtung eines Institutes zur Heranbildung von Lehrern fflr 
die niederen Anstalten; 



Digitized by Google 



222 Geschicbte des Militar-ErziehungR- und -Bildungsweaena etc. 

Errichtung eines hdheren Artillerie- und Genie-Kurses zu hoherer 
wissenschaftlicher und tecbnischer Ausbildung von Offizieren; ausser- 
tourliehe Beforderung derjenigen Offiziere zu Ober-Lieutenants, welche 
diesen 2jahrigen Kurs mit Auszeichnung durchgemacht haben; 

Errichtung einer Kriegsschule fur Offiziere aller Waffen behufs 
Heranbildung fur hohere Chargen, besonders fur den Generalstab, 
mit den namlichen Beforderungsvorteilen wie beim hSheren Artillerie- 
und Genie -Kurse; Bestimmung, dass dem Generalstabe nur solche 
Offiziere zugeteilt werden durfen, welche die Schlussprufung mit Vor- 
zug bestanden haben; 

Zulagen fur die als Kommandanten und Professoren verwendeten 
Offiziere; Vorrucken der Subalternen in die hohere Charge nach 
6jahriger Verwendung in der niederen. 

Die Antrage der Kommission erhielten durch Erlass vom 
12. Februar 1852 *) die Allerhochste Genehmigung. Zu ihrer 
Durchftihrung ward beim Armee-Oberkommando eine gleichzeitig mit 
der Oberleitung aller Militar-Erziehungs-Anstalten betraute eigene 
Seklion errichtet, an deren Spitze Scudier trat. Damit wurde die 
noch jetzt bestehende Einrichtung geschaffen, kraffc deren die 
Oberleitung dieses ganzen Dienstzweiges der 6. Abteilung des Kriegs- 
ministeriums iibertragen ist. Ihr Vorstand ist thatsachlich der General- 
Inspektor des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens ; sein Wirkungs- 
kreis ist ein weit umfassenderer als der des preussischen Inhabers 
der gleichnamigen Stelle und seine Machtffllle eine sehr viel grossere. 
Die Einrichtung wurde durch die auf einer A. E. vom 8. September 
1864 beruhende Ernennung eines „6eneral-Inspektors der Militar- 
Bildungsanstalten" (zuerst GM. Frhr. v. Bils, bisher Vorstand der 
6. Abteilung des Kriegsministeriums, seit 3. Juni 1865 GM., spater 
FML. v. Baumgarten) unterbrochen ; am 20. Marz 1868 ging der 
Posten wieder ein. 

Die Organisation vom Jahre 1852 unterschied drei Arten 
von Militarbildungsanstalten: 

1) zur Heranbildung von Unteroffizieren, welche bei vorhandener 
Eignung spater zu Offizieren befordert werden konnten: Militar-Unter- 
und Ober-Erziehungshauser und Schulkompagnien (bezw. Eskadron); 

2) zu unmittelbarer Heranbildung von Offizieren: Kadetten -In- 
stitute und Militar-Akademien ; 

3) teils fur besondere Lehrzweeke, teils zur Erganzung und 



>) A.-V.-Bl. Nr. 14 vom 14. Februar 1852. 



Digitized by Google 



(Werreich-Ungarn . 



223 



Vervollstandigung der Durchbildung der Offiziere: Militar-Lehrer- 
Institut, hoherer Artillerie- und Genie-Kurs, Kriegsschule. 

Die Anstalten der beiden erstgenannten Gruppen waren der Er- 
ziehung und dem Unterrichte, die der letzteren nur dem Unterrichte 
gewidmet Jene standen unter sich insofern im Zusammenhange, als 
die vorzugliehsten Zdglinge der Unter-Erziehungshauser in die Ka- 
detten-Institute, die der Schulkompagnien der tecbnischen Truppen 
in die Akademien ubertreten und umgekehrt aus den Kadetten-Insti- 
tuten und den Akademien Riickversetzungen in die Ober-Erziehungs- 
hauser und Schulkompagnien stattfinden konnten. Gemeinsam fur 
die beiden ersten Gruppen waren die Vorschriften fiber Stifts- und 
Zahlplatze. Jene zerfielen wie bisher in Militar-Ararial-, Landes- 
(Staats- oder standische) und Privat-Stiftsplatze. Als Grundsatz fQr 
Verleihung von Ararialplatzen gait, dass Sonne der Oberoffiziere 
bis zum 11. Jahre ihren Eltern belassen, Mannschaftskinder schon 
mit erreichtem 8. aufgenommen wurden. Es waren vorhanden: 

1) Militar-Ararial-Stiftsplatze : a. fur Sohne von k. k. Offizieren, 
welche mit dem Degen dienen, in den Kadetten-Instituten und Aka- 
demien 892 ganze, 192 halbe; b. fur Sohne von nicht mit dem 
Degen dienenden Offizieren, Auditoren, Militar-Arzten und-Beamten von 
der 11. Diatenklasse aufwarts in den namlichen Anstalten 8 ganze, 
8 halbe; c. fur Sdhne von k. k. Militars in den Erziehungshausern 
3000 ganze, die Zahl der Platze in den Schulkompagnien stand nicht 
fest. Von den Ararialplatzen in den Kadetten-Instituten und Militar- 
Akademien waren die ganzen fur die Sohne unbemittelter, die halben 
fur die Sohne bemittelter oder unbemittelter, in hoheren Stellungen 
befindhcher Offiziere etc. bestimmt 

2) Landes- (Staats- und standische) Stiftsplatze waren 172 in 
den Kadetten-Instituten, 65 in den Erziehungshausern vorhanden; 
ungarische, siebenburgische , banatisch-serbische und kroatisch-slawo- 
nische Platze standen in Aussicht. 

3) Privat-Stiftsplatze gab es 48 bezw. 125. 

In den Kadetten-Instituten etc. blieben 300, in den Ober-Er- 
ziehungshausern 310 Platze fur Zahlzoglinge oflFen; die Unter-Er- 
ziehungshauser waren ihnen verschlossen. Die Erziehungsbeitrage 
sollten laut C.-V. des Kriegsministeriums vom 8. Mai 1852 so viel 
betragen, als der Unterhalt eines Ararialzoglings kosten wurde. 
Es wurde daher fur sie eine Pauschsumme erlegt, welche in den 
Erziehungshausern 150, in den Kadetten-Instituten 400, in den Aka- 
demien fur jedes der drei ersten Jahre 600, fur das 4. 800 Gulden 



Digitized by Google 



224 



Geschichte des Militar-Erziehuiigs- und -Bildungswesens etc 



betrug. Nach erfolgter Abrechnung ward Nachzahlung geleistet oder 
der tlberschuss zuruckgerechnet 

Die Angehorigen eines Bewerbers urn Aufhahme mussten sich 
schriftlich verpflichten, „letzteren dem k. k. Militar zu widmen und 
ihn unter keinem Vorwande zuruckzuverlangen". Die Militarplatze 
der Erziehungshauser verlieh das Oberkommando, spater das Kriegs- 
ministerium, die ubrigen der Kaiser, die Vorschlage von Landes- 
Stiftsplatzen genehmigte der Kaiser, von Privatplatzen das Ober- 
kommando bezw. Kriegsmini8terium; letzteres verlieh die Zahlplatze. 
Bei Militarstiftlingen sorgte der Staat sogar fur die tTberfuhrung in 
die Anstalt. 

DieAufnahme erfolgte in der zweiten Septemberhalfte; es gingen 
ihr eine gesundheitliche und eine wissenschaftliche Prufung vorauf. 
Der Besitz eigener Wasche und Kleidung war ausgeschlossen. 
Gewahrung von Taschengeld durch Vermittelung des Anstalts- 
Kommandos stand im Belieben der Angehorigen; der Betrag durfte 
auch in den Akademien 3 Gulden monatlich nicht fibers ch rotten. 

Fur den Unterricht wurden einheitliche Lehrplane ausge- 
arbeitet und Lehrbucher vorgeschrieben ; mit dem theoretischen war 
praktischer Unterricht verbunden. 

Zuruckgebliebene Zoglinge wurden, wenn sie das vorgeschriebene 
Alter hatten, assentiert, sonst in niedere Anstalten versetzt oder 
aus den Erziehungshausern etc. bis zu jenem Alter einem Hand- 
werker in die Lehre gegeben. Wer wegen kSrperlicher Gebrechen 
aus Ararialplatzen der Akademien entfernt wurde, erhielt, wenn 
seine Eltern ganz mittellos waren, jahrlich 150 Gulden, bis er 
mindestens ebensoviel im Staatsdienste bezog; der aus gleichem Grande 
aus Erziehungshausern oder Schulkompagnien Entlassene wurde irgend- 
wie bei einer Heeresanstalt versorgt; Zahlzoghnge wurden ihren 
Angehorigen zuruckgegeben. Zoglinge, welche aus irgend welchem 
Grunde aus einer Militar-Bildungsanstalt entlassen waren, durften in 
keine andere wieder aufgenommen und nicht Mher zu Offizieren er- 
nannt werden, als bis die Jahrgange, welchen sie zuletzt angehort 
hatten, ausgemustert waren. 

Die Erziehungshauser und die Schul-Kompagnien (-Eskadrons) 
waren dem betreffenden Armeekorps-Kommando oder Gouvernement, 
die Schulkompagnien der Artillerie und des Genie dem betreffenden 
Direktor, die der Pioniere dem General-Quartiermeister, die hSheren 
Anstalten unmittelbar dem Armee-Oberkommando, spater dem Kriegs- 
ministerium unterstellt. Die bei den Militar -Bildungsanstalten ver- 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



225 



wendeten Offiziere erhielten Zulagen, die Subalternen riickten nach 
Gjahriger Zugehdrigkeit zu einer Charge mit ihren Hinterleuten in 
die nachsthohere auf. Die Lehrer und Lehrgehilfen der Erziehungs- 
hauser waren Unteroffiziere; sie sollten aus dem Militar-Lehrer- 
institute hervorgehen; jene erhielten 6 und nach 6jahriger Ver- 
wendung 10, letztere 4 Gulden monatlich Zulage. 

1. Anstalten zur Heranbildung von Unteroffizieren. 

A. Militar-Unter-Erziehungshauser. 

Die MiUtar-Unter-Erziehungshauser waren zunachst far die ehe- 
lichen Sonne der zum Feuergewehrstande gehorenden Mannschaften 
bestimmt; nach diesen hatten verschiedene gleichgestellte Militar- 
personen und Invaliden Anspruch auf die Aufhahme. Sonne gefallener 
Vater, sonstige Waisen und ahnliche Bewerber wurden vor alien be- 
rucksichtigt, Offizierskinder unter besonderen Verhaltnissen. Knaben 
unter 7 Jahren, welche der Hilfe dringend bedurften, kamen zu- 
nachst in das Waisenhaus zu Wien. 

Mit der Errichtung der Unter-Erziehungshauser, deren 12 auf- 
gestellt wurden, ging die Auflosung der Regiments-Knaben-Erziehungs- 
hauser Hand in Hand. Jene bestanden zu Erems (1854 nach Enns 
verlegt), Hall, Bergamo (1853 nach Belluno verlegt), Budweis mit 
dem Filiale Neuhaus (1853 nach Josefstadt yerlegt), Znaim (1854 
nach Prerau verlegt), Przemysl (1856 nach Tarnow verlegt), Lemberg, 
Waitzen (1856 nach Pressburg verlegt), Grosswardein und Szamos 
Ujvar (beide 1855 aufgelost), Fiume (1857 nach Cividale verlegt) und 
Pancsova. 

Die 100 Zoglinge eines jeden Hauses zerfielen in vier Jahr- 
gange, der Eintritt erfolgte in der Kegel in den untersten. Das 
Eommando fuhrte ein Subalterno£Gzier, welchem 1 Hauskaplan, 
1 Oberarzt, 4 Feldwebel (Klassenlehrer), 2 Lehrgehilfen (Unter- 
offiziere), 6 Aufsichtskorporale und ein Wirtschaftspersonal beigegeben 
waren. Der hervorragend auf Anschauung gegriindete Unter- 
richt erstreckte sich auf Religion, Deutsch, Naturgeschichte, Geo- 
graphie, Kopf- und Tafelrechnen, Schonschreiben , Freihandzeichnen, 
Anfangsgrunde des Abrichtungs-Reglements, Turnen, Schwimmen. Die 
Kost bestand aus Friihstuck (Milch), Mittagsmahl (Suppe, Rindfleisch 
und Gemuse oder Mehlspeise), Abendmahl (Gemiise oder Mehlspeise). 

Den jahrlichen Aufwand 1 ) fur jedes Haus bezifferte die Hof- 

») StrefflOTis Oaterr. mil. Zeitechrift, Wien 1866, IV, 84. 

Monument* Germ»nU« raedagogica XV. 15 



Digitized by Google 



226 Ge&chichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesena etc. 



Kriegs-Buchhaltung im Jahre 1866 mit 113,88 Gulden fur Kost, 15,84 
fur Kleidung, 43,27 fur sonstige Bedurfiusse eines jeden Zoglings und 
mit 8182 Gulden fur das Personal. 

B. Militar-Ober-Erziehungshauser. 

Die 12 Ober-Erziehungshauser wurden errichtet zu Sankt Polten, 
mit Filialen zu Enns und Linz, an deren Stelle 1854 ein solches zu 
Krems trat, Kuttenberg, Marburg mit dem Filiale Weitz, Cividale 
(1854 nach Serravalle verlegt), Brunn mit dem Filiale Prosnitz (1855 
nach Mahrisch-Weisskirchen verlegt), Teschen (1856 aufgelost), Lem- 
berg, Pressburg (1856 nach Guns verlegt), Kaschau mit einem zuerst 
in Leutschau, seit 1853 in Bartfeld befindlichen Filiale, Orlath, 
Petrinia, seit 1854 mit einem Filiale zu Vinkovce (1856 nach Kame- 
nitz bei Peterwardein verlegt), und Karansebes mit Filiale Bosovich 
(1856 aufgelost). Der Eintritt erfolgte aus den Unter-Erziehungs- 
hausern wie aus der Privaterziehung in die unterste Klasse nach 
einer Priifung uber den Besitz der in der 2. Klasse der Normalschulen 
zu erwerbenden Kenntnisse und stand auch Zahlzoglingen offen. 
Anspruch auf Aufnahme hatten dieselben Bewerber, wie bei den 
Unter-Erziehungshausern, die 200 Zoglinge zerfielen in vier Jahr- 
gange. Das Kommando fuhrte ein Hauptmann, welchem 2 Sub- 
alternoffiziere, 1 Hauskaplan, 1 Ober-, 1 Unterarzt, 4 Feldwebel 
(Klassenlehrer) , 2 Lehrgehilfen (Unteroffiziere), 1 Feldwebel -Haus- 
adjutant, 8 Aufsichtskorporale und ein Wirtschaftspersonal beigegeben 
waren. Der Lehrplan umfasste Religion, Deutsch, Bohmisch (Kutten- 
berg), Ungarisch (Kaschau, Pressburg), Italienisch (Cividale), Romanisch 
(Kamenitz), Naturkunde, Geographie, Geschichte, Arithmetik, Dienst-, 
Abrichtungs- und Anfangsgrunde des Exerzierreglements , Schon- 
schreiben, Freihandzeichnen, Turnen, Stockfechten und Schwimmen. 
Die Kost war die namliche wie in den Unter-Erziehungshausern. 

Der Jahresaufwand betrug 1866 fur Kost je 129,94, 
Kleidung 21, sonstige Bedurfnisse 38,58, fur das Personal 15413 
Gulden. 

Nach Beendigung des 4. Jahrganges erfolgte der ftbertritt in 
eine der 

C. Schulkompagnien 1 ) (Schuleskadrons). 

Es waren 6 fur die Infanterie, 2 fur die Grenze, 3 fur die Kavallerie, 
5 fur die Artillerie, 1 fur das Genie, 1 fur die Pioniere in Aussicht 

l ) Reglement fUr die Schulkompagnien vom 8. September 1852. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ung&m. 



227 



genommen. Von den Infanterie-Schulkompagnien wurden zunachst 3, 
zu Klosterneuburg, Bruck an der Leitha und Fischau, aufgestellt, 1853 
wurden die Kadettenkompagnien zu Olinfitz und zu Graz in solche um- 
gewandeltund 1854 die sechste zu Hamburg errichtet; Grenzkompagnien 
1852 zu Weisskirchen im Banat, Belovar und Vinkovce ins Leben 
gerufen, die letztgenannte aber schon 1854, die beiden anderen 1859 
wieder aufgelost; von den Kavallerie-Schuleskadrons gelangte nur 
eine, und zwar 1856 zu Weisskirchen in Mahren, von wo sie 1858 
nach Enns tibersiedelte, zur Aufstellung; die 5 Artilleriekompagnien 
wurden zu Prag, Wien, Graz (1854 nach dem nahen Liebenau ver- 
legt), Verona, Pest, die Geniekompagnie zu Krems (1861 Sankt 
Polten) errichtet; die Pionier-Korpsschule zu Tulln ward 1853 in eine 
Schulkompagnie umgewandelt. An Steile der Grenz-Schulkompagnien 
traten lautA. E. vom 5. Dezember 1858 Grenz-Regimentsschulen 
(bezw. Titeler Bataillonsschule), lediglich zur Heranbildung von Unter- 
offizieren (S. 238); Grenzer, welche Offiziere zu werden wunschten, 
traten in die Infanterie-Schulkompagnien. Die Grenzschulen, an den 
Stabsorten errichtet, mit einem Stande von 50 bis 60 (Belovar 80 
bis 90, Titel 30 bis 40) Zoglingen, hatten drei Jahrgange. Sie 
standen unterSubalternoffizieren, denen Unteroffiziere beigegebenwaren. 

Die Sch filer waren „Z6glinge" oder „Frequentanten". Jene kamen 
aus den Ober-Erziehungshausern oder aus der Privaterziehung; auch 
Sonne unbemittelter, verdienter Staatsbeamten wurden unentgeltlich 
als Zoglinge aufgenommen. Beim Eintritte musste das 15. Lebens- 
jahr vollendet, durfte das 18. nicht uberschritten sein, die Frequ en- 
tan ten (nur bei der Artillerie-, dem Genie, den Pionieren) gehSrten 
dem Mannschaftsstande an, durften beim Eintritte hochstens zwei 
Jahr gedient haben, nicht mehr als bezw. Ober-Kanoniere , Gefreite 
oder Oberpioniere sein. Sie wurden nur zugelassen, wenn andere 
geeignete Anwarter fehlten. Bewerber um Aumahme in eine tech- 
nische Kompagnie aus der Privaterziehung mussten 4 Schuh 10 Zoll, 
sonst 4 Schuh 8 Zoll messen, eine Prufung aus den Lehrgegen- 
standen des Ober-Erziehungshauses bestehen und das Deutsche be- 
herrschen. Beim Austritte wurden die Zoglinge assentiert. 

Das K omnia n do fuhrte ein Hauptmann (Rittmeister), welchem 
bei der Infanterie und der Kavallerie je 3, bei den iibrigen Truppen- 
gattungen je 6 Subalternoffiziere, 4 Feldwebel (Wachtmeister, Feuer- 
werker) und ein Manipulations-, Aufsichts- und Bedienungspersonal bei- 
gegeben waren; die Seelsorge ubernahm ein Ortsgeistlicher, die Ge- 
sundheitspflege ein OberaTzt. 

15* 



Digitized by Google 



228 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesera etc. 



Der Jahre8aufwand betrug fur Kost 129,94, Kleidung und 
Rustung 24, 8onstige Bedurfnisse bei der Infanterie, den Pionieren 
und Grenzem 52,15, der Artillerie 53,53, dem Genie 55,43, fur das 
Personal bei einer Infanterie- 10 915,20, einer Artillerie- 13 519,20, 
einer Genie- 13 747,20, einer Pionier-Kompagnie 13 892,20 Gulden. 
Die Aufldsung der Schuleskadron geschah hauptsachlich , weil sie 
zuviel kostete; die Betrage kann ich nicht angeben. 

a. Infanterie-Schulkompagnien. 
Die Zahl der Schiller war je 120, welche in zwei Jahrgange 
zerfielen. Der Lehrplan umfasste Religion, Bohmisch (Olmutz), 
Ungarisch (Hamburg), Arithmetik und Elementar-Geometrie, Geo- 
graphic und Geschichte von Osterreich, militarische Aufsatz-Lehre 
und administrative Manipulation bei der Kompagnie, Pionierdienst, 
Kenntnis der Infanteriewaffen , die Reglements, Felddienst, Schon- 
schreiben, Situationszeichnen, Turnen, Stock- und Sabelfechten. Die 
vorzuglichen Zoglinge traten als Korporale, die guten als Gefreite 
mit Korporalsauszeichnung , die mittelmassigen als Gefreite aus; die 
vorzuglichen und guten wurden, wenn sie das Montursgeld erlegten 
oder von der Entrichtung gesetzlich befreit waren, ohne weitere 
Prufung zu Kadetten ernannt. 

b. Kavallerie-Schuleskadron. 

Die Eskadron (60 Zoglinge, 71 Pferde) zerfiel in zwei Jahrgange. 
Der Unterricht erstreckte sich auf Religion, Polnisch, Arithmetik 
und Elementargeometrie, Geographie und Geschichte von Osterreich, 
militarische Aufsatze und Manipulation, Kenntnis der Kavalleriewaffen, 
Reglements, Felddienst, Pferdewartung, Stallordnung, Exterieur des 
Pferdes, Knochen-, Zahn- und Huflehre, Hufbeschlag mit praktischer 
Ausubung, Schonschreiben, Situationszeichnen, Reiten, Voltigieren, 
Stock- und Sabelfechten, Schwimmen. 

Der Austritt geschah wie zur Infanterie. 

c. Grenz-Schulkompagnien. 

Jede hatte 120 Zoglinge, welche mit Rucksicht auf die den 
Ober- und Unteroffizieren der Grenze obliegende Teilnahme an der 
Verwaltung des Landes nach einem umfassenderen Lehrplane unter- 
richtet wurden als die ubrigen Infanteriekompagnien und daher in 
3 Jahrgange zerfielen. Lehrgegenstande waren: Religion, Romanisch 
(Weisskirchen) oder Illyrisch (Belovar), Geographie und Geschichte 
Osterreichs, Arithmetik und Algebra, Geometric, ebene Trigonometric 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



229 



mid praktische Messkunst, militarise}] e Aufsatze und administrative 
Manipulation bei der Kompagnie, Waffenlehre, Pionierdienst, Strassen- 
und Bruckenbau, burgerliche Baukunst, Landwirtschaftslehre, Grenz- 
Grundgesetze und -Verwaltung, Dienst-, Abrichtungs-, Exerzier- und 
Feldreglement, Schdnschreiben, Situationszeichnen , Turnen, Fechten, 
Schwimmen. 

Der Austritt zur Grenzinfanterie geschah wie zur Infanterie. 

d. Artillerie-Schulkompagnien. 

Jede (120 Mann) hatte 3 Jahrgange. Lehrgegenstande 
waren: Religion; Bohmisch, Ungarisch oder Italienisch; Arithmetik 
und Algebra, Geometric, ebene Trigonometrie, praktische Messkunst, 
populare Mechanik; Physik und Chemie; Geographie und Geschichte 
von Osterreich; Militar-Aufsatze, administrative Manipulation; Zeug- 
rechnung, Artillerie; Fortifikation (Feld- und Elemente der bestandigen 
Befe8tigung) ; die Reglements; Schdnschreiben; darstellende Geometrie 
und Geometralzeichnen ; Pferdewartung, Stalldienst, Beschirrung; 
Turnen , Stock- und Sabelfechten , Schwimmen. Ubri ge n s unterlag 
der Lehrplan mehrfachen Anderungen. Die ausgezeichnetesten unter 
den Zoglingen kamen aus dem 2. Jahrgange als Vizekorporale in die 
Artillerie-Akademie. Von den zuriickgebliebenen traten demnachst 
die vorzuglichen als Korporale, die guten als Vormeister oder Bom- 
bardiere, die fibrigen als Oberkanoniere aus. 

Im Anschluss an diese Vorschriften erliess die General-Artillerie- 
Direktion einen eingehenden Lehrplan (26 Bogenseiten; metallo- 
graphiert ohne Ort und Jahr; im Kriegsarchiv). 

e. Genie-Schulkompagnie. 

120 Schuler wurden in 3 Jahrgangen unterrichtet: in 
Religion; Geographie und Geschichte von Osterreich; Arithmetik, 
Algebra, Geometrie, ebener Trigonometrie, praktischer Messkunst; 
militarischen Aufsatzen und administrativer Manipulation; Pionier- 
dienst, Sappen- und Minendienst; permanenter Befestigung; burger- 
hcher Baukunst; Waffenlehre; Dienst-, Abrichtungs-, Exerzier-, Feld- 
Reglement; Schdnschreiben; Situations- und Architekturzeichnen; 
Turnen, Fechten, Schwimmen. Der Austritt erfolgte nach denselben 
Grund8atzen wie bei der Artillerie. Die Besten traten nach Beendigung 
des 2. Schuljahres als Frequentanten und Vizekorporale in die Genie- 
Akademie, wo sie unentgeltlich zu Offizieren ausgebildet wurden ; die 



Digitized by Google 



230 



Geschichte des Militar-Eraehungs- und -Bildungswesens etc. 



iibrigen wurden demnachst in entsprechender Weise der Genietruppe 
iiberwiesen. Die 

f. Pionier-Schulkompagnie 
war ganz so eingerichtet wie die des Genie. 

Der vom Korpskommando in Gemassheit Erlasses des General- 
Quartiermeisterstabes vom 28. September 1852 aufgestellte Lehr- 
plan *) war so geordnet, dass in den beiden unteren Jahrgangen die fur 
die Genie-Akademie nut i gen Kenntnisse erlangt werden konnten; im 
3. wurden die Schuier weiter zu Unteroffizieren ausgebildet. Es 
wurden daher vorgetragen: im 1. Jahrgange aus der Arithmetik und 
der Algebra die Lehre von den algebraischen Operationen, Potenzen, 
Wurzelgrossen, Logarithmen, Gleichungen und Progressionen ; im 2. 
aus der Geometrie gerade und krumme Linien, Anwendung der 
Algebra auf geometrische Aufgaben, Stereometrie und ebene Trigono- 
metrie; im 3. aus der praktischen Messkunst Aufhahme mit dem 
Messtische, Nivellieren, Winkelmessen mit den einfachen Instru- 
menten; ferner populare Mechanik und Elemente der darstellenden 
Geometrie. Die Vortrage dauerten von Oktober bis JunL Im Juli 
fanden die Priifungen, im August praktische tTbungen statt. Die 
Errichtung erfolgte am 1. Oktober 1853 in Klosterneuburg, die Unter- 
offizierschule (S. 200) kam nach Tulln. 

2. Anstalten zur Heranbildung von Offizieren. 

A. Kadetten-Institute 

wurden 1852 zu Hamburg und Strass (1858 nach Eisenstadt verlegt), 
1854 zu Krakau, 1855 zu Marburg mit je 200 Zdglingen errichtet, 
welche zwischen dem vollendeten 11. und dem nicht iiberschrittenen 
12. Lebensjahre eintraten und Kenntnis der Lehrgegenstande der 
3. Klasse der Normalschule nachweisen mussten, die des Deutschen 
ward nicht unbedingt gefordert; wer sie nicht besass, ward darin im 
1. Halbjahre gesondert unterrichtet. 

Das Kommando ffihrte ein Stabsoffizier, welchem 1 Subaltern- 
offizier als Adjutant, 2 Hauptleute, 10 Subalternoffiziere, 2 geistliche 
Professoren, 1 Eechnungsoffizial, 2 Arzte, 12 Inspektions-Feldwebel, 
4 Fuhrer, sowie Handwerks- und Bedienungspersonal beigegeben 
waren. Jahresaufwand fur die Kadetten: Kost je 189,90, Kleidung 
37,80, sonstige Bedurfhisse 50,4, fur das Personal 25673 Gulden. 

*) Brinner a. a. O., II, 429. 



Digitized by Google 



Osterreich- Ungarn. 



231 



Der Unterricht, auf vier Jahrgange verteilt, umfasste Religions- 
lehre, deutsche Sprache und Redekunst, Franzosisch, Naturgeschichte, 
Geographie, Geschichte, Arithmetik, Algebra, Geometrie, ebene 
Trigonometrie, Abrichtungsreglement und Exerzieren, Schonschreiben, 
Freihandzeichnen, Turnen, Stockfecbten, Schwimmen. 

Nacb zufriedenstellender Beendigung des 4. Jahrganges erfolgte 
tTbertritt in eine Akademie, wobei Wunsche thunlichst beruck- 
sichtigt wurden. Wer nicht befriedigt und nicht sohon vorher in ein 
Ober-Erziehungsbaus versetzt war, kam in eine Infanterie-Schul- 
kompagnie. 

B. Militar- Akademien. 

Der Eintritt erfolgte mit ganz oder fast vollendetem 15. bis zu 
nicht uberschrittenem 16. Lebensjahre vor alleni aus den Kadetten- 
Instituten, dann aus den Sehulkompagnien und der Privaterziehung. 
Aus den Sehulkompagnien Zugehende wurden assentiert, zu Vize- 
korporalen befordert und unentgeltlich als Frequentanten aufge- 
nommen. Eintritt fand nur in den 1. Jahrgang statt. Wer aus der 
Privaterziehung kam, musste eine Aufnahmeprufung bestehen, 
welche umfasste: deutsche Redekunst (Prosodie, die verschiedenen 
Vers- und Dichtungsarten, Theorie des rednerischen Stils, rhetorische 
Stilarten); allgemeine Kenntnisse aus den drei Naturreichen-, Kenntnis 
der allgemeinen Regeln der franzosischen Sprache, tTbersetzen in das 
Franzosische ; Geographie; Geschichte des Altertums und des Mittel- 
alters; Geometrie und geradlinige Trigonometrie, Anwendung der 
Algebra, geometrische Aufgaben; Freihandzeichnen. Ausserdem 
wurden entsprechende Religionskenntnisse und eine gute, gelaufige 
Handschrift gefordert 

Die Sch filer zerfielen in vier Jahrgange. Wer sich vernach- 
lassigte, wurde nach dem 1., 2. oder 3. Jahre in eine Schulkompagnie 
versetzt oder, wenn er korperlich tauglich war, als Kadett assentiert, 
Zahlzoglinge nur mit Zustimmung der Angehorigen. 

Die Ausmusterung geschah der Regel nach als Unterlieutenant; 
wenn Stellen fehlten aus der Artillerie-Akademie auch zur Infanterie, 
aus der Genie-Akademie zum Pionierkorps. Wer nicht genugte, wurde 
als Eadett assentiert. 

In Wiener-Neustadt wurden Franzosisch, arithmetische und geo- 
metrische Analysis, Mechanik, Physik, Militarstilistik , PionierdieDst, 
Feldinstruktion, Situationszeichnen ; in den anderen Akademien Franzo- 
sisch, hohere Mathematik, Mechanik, Physik, Chemie, Militarstilistik und 



Digitized by Google 



232 



Geschichte des Milit&r-Erziehung?- und -Rildungswesens etc. 



fur die Artillerie die Kenntnis der Waffe, fur das Genie darstellende Geo- 
metric, Fortifikation , Sappe- und Minenfach sowie Baukunst bei Be- 
messung der Urteile fiber die Leistungen doppelt gerechnet 

Jahresaafwand fur jeden Zogling: Kost 215, Eleidong und 
Rustung 50,40, sonstige Bedurfnisse in der Neustadter- 79,31, Genie- 
113,30, Artillerie-Akademie 109,01; fur das Personal bez. 102 883, 
84 475, 73 176 Gulden. 

a. Die Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt 

wurde von den Neuerungen insofern beruhrt, als sie auf der in den 
Kadetten-Instituten gesehaffenen Grundlage weiter zu arbeiten und 
ibre Aufgabe fortan in vier Jahren zu erledigen hatte. Ihre TJnter- 
richtsgegenstande waren: Religion, Franzosisch, Italienisch, Boh- 
misch, Ungarisch, Logik und Psychologic, Geographie, Geschichte, 
analytische Geometric, hohere Analysis, Mechanik, spharische Trigono- 
metrie, mathematische Geographie, Triangulierung, Physik, Chemie, 
praktische Messkunst, Aufnahme a la vue, darstellende Geometric, 
Militar-Stilistik , positives Volker- und osterreichisches Privatrecht, 
Militar-Strafgesetze und -Strafverfahren, Pionierdienst mit Feldbe- 
festigung, permanente Befestigung, burgerliche Baukunst, Waffenlehre, 
Terrainlehre und Situationszeichnung, Dienstreglement und Militar- 
verfassung, Infanterie-, Abrichtungs-, Exerzier-, Eavallerie- und Feld- 
reglements, Keiten, Turnen, Fechten, Tanzen, Schwimmen, ausserdem 
Freihandzeichnen fur Zoglinge mit Anlage und Neigung. 

Die Zahl der Kadetten betrug 400. Der flbrige Stand an 
Personal war: 1 Oberst oder General, welchem fur Unterricht, 
Aufsicht und Verwaltung 3 Stabs- und 34 Oberoffiziere, fur Seel- 
sorge und Unterricht 4 geistliche Professoren, fur den Gesundheits- 
dienst 1 Regiments-, 1 Ober-, 2 Unterarzte, zur Rcchnungsfuhrung 
5 Beamte beigegeben waren; dazu kam ein zahlreiches Bedienungs- 
und sonstiges Personal, so dass ausser den Zoglingen 309 Kopfe 
vorhanden waren. Fur den Reitunterricht waren 64 Pferde bestimmt. 

Der Ausgemusterte ward wie fruher auf Staatskosten ausge- 
rustet. Fur die Kavallerie mussten die Angehorigen einen Equi- 
pierungsbeitrag von 1000 Gulden und einen Monatszuschuss von 
25 Gulden zusichern. 

b. Die Artillerie-Akademie zu Olmfitz (bezw. Mahrisch-Weiss- 

kirchen). 

Die Einrichtungen der Artillerie-Hauptschule wichen von den fur 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



233 



die ubrigen Waffen geschaffenen zu sehr ab, als class sie hatten be- 
stehen bleiben konnen. Ausserdem trat immer mehr das Streben 
hervor, Mitglieder der hoheren Gesellschaftsklassen der Waffe zuzu- 
ruhren. 

Es trat daher an Stelle der 1, Klasse der Hauptschule eine 
Artillerie-Akademie, welche mit 160 Schulern und 40 Frequentanten 
zu Olmutz errichtet und 1858 nach Mahrisch-Weisskirchen verlegt 
wurde. Der Plan, sie demnachst in Wiener-Neustadt mit der Genie- 
Akademie in einem Neubau zu vereinigen (S. 235), blieb unausgerahrt. 
Die fruhere 2. Klasse ward zu einem „hoheren Artilierie-Kurse" um- 
gestaltet. 

Der Unterricht der Akademie erstreckte sich auf Religion, Fran- 
zosisch, Italienisch , Bohmisch, Logik und Psychologie, Geographie 
und Geschichte, analytische Geometrie und hohere Analysis, dar- 
stellende Geometrie, Mechanik und Maschinenlehre , mathematische 
Geographie, Physik und Chemie, praktische Messkunst, Aufnahmen 
a la vue, Militar-Stilistik , positives Volker- und osterreichisches 
Privatrecht, Militar-Strafgesetze und -Strafverfahren, Terrainlehre und 
Situationszeichnen, Feld- und permanente Fortifikation, Taktik der 
drei Waffen, Artillerie-Festungskrieg, Batteriebau, Artillerie-Felddienst, 
Raketenunterricht, Dienstreglement, Militarverfassung, Abrichtungs- 
und Exerzierregiements der Artillerie und Infanterie, Hufbeschlag- und 
Zahnlehre, aussere Pferdekenntnis, Zaumen, Satteln, Pferdewarten, 
Reiten, Turnen, Tanzen, Fechten, Schwimmen, ferner bei Neigung 
und Geschick Freihandzeichnen. 

c. Die Genie-Akademie zu Kloster Bruck. 

Die Ingenieurakademie war schon 1851 in veranderter Gestalt 
nach Kloster Brack bei Znaim verlegt. Sie sollte fortan nur der eigenen 
Waffe dienen. Die Zahl der Zoglinge betrug 160. Lehrgegenstande 
waren: Religion, Franzosisch, Italienisch, Logik und Psychologie, 
Geographie und Geschichte, analytische Geometrie, hohere Analysis, 
darstellende Geometrie, Mechanik, Maschinenlehre, mathematische 
Geographie, Physik, Chemie, praktische Messkunst, Aufnahmen a la 
vue, Militar-Stilistik, positives Volker- und osterreichisches Privatrecht, 
Militar-Strafgesetze und -Strafverfahren, Terrainlehre, Situations- 
zeichnen, Waffenlehre, Artillerie, Befestigungskunst, burgerliche und 
Schon-Baukunst, Pionierdienst, Dienstreglement, Militarverfassung, 
Abrichtungs-, Exerzier-, Feldreglement, Reiten, Turnen, Tanzen, 



Digitized by Google 



234 Geachichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Fechten, Schwimmen; ferner bei Neigung und Geschick Freihand- 
zeichnen. 

3. Anderweite BUdungsanstalten. 

Es waren die nachstehenden : 

a Das Militar-Lehrer-Institut. 

Seit 1811 hatte man Unteroffiziere, welche an den Erziehungs- 
hausern lehren sollten, zu padagogischen Kursen an Musterschulen ent- 
sandt (vgl. S. 94). Die Ergebnisse waren ungenugend. Esward daher am 
1. Oktober 1852 zu Wiener-Neustadt ein Militar-Lehrer-Institut 1 ) 
errichtet, urn gat verwendbare Lehrer fur die Unteroffizier-Bildungs- 
anstalten und brauchbare Inspektions-Feldwebel bezw. -Feuerwerker 
fur die Offizier-Erziehungsanstalten, dann aber auch Fechfc- und Turn- 
lehrer fur die Institute und fur die Truppen heranzubilden. Wir 
haben hier nur mit der ersteren von den beiden Abteilungen zu thun, 
in welche die Anstalt zerfiel. 

Die Gesamtzahl der Schuler ward auf 60, zur Halfte „Padagogen", 
zur Halfte „Fechter" festgesetzt. Bedingung derZulassung waren 
fur jene yollendete 2jahrige Dienstzeit und Yorkenntnisse in den 
Lehrgegenstanden der Militar-Erziehungshauser ; ausserdem sollten 
sie in der Kegel ausser der deutschen eine andere Nationalsprache 
verstehen; Gewandtheit in jedem dieser Gegenstande ward nicht 
verlangt. Die Frequentanten waren kaserniert, sie bezogen die 
Gebuhrnisse ihres Grades und einen Menagezuschuss. Das Kom- 
mando fuhrte ein Stabsoffizier oder Hauptmann, welchem 6 Sub- 
alternoffiziere als Lehrer und 4 Feldwebel, letztere als Lehrgehilfen 
bei den korperlichen tTbungen, beigegeben waren. 

Die Lehrerabteilung wurde unterrichtet in: Padagogik und Me- 
thodik (nach Erfordernis durch einen biirgerlichen Lehrer), deutscher 
und einer anderen osterreichischen Nationalsprache, Arithmetik und 
Geometrie, Geographie, Militar-Stilistik und administrativer Mani- 
pulation, Schonschreiben, Freihand- und Situationszeichnen , Turnen, 
Fechten, Schwimmen, Exerzieren. Der Unterricht ward mit Ruck- 
sicht auf seinen Sonderzweck erteilt. DerLehrgang war einjahrig. 
Die Frequentanten durften von der Teilnahme an Vortragen, „fur 
welche sie keine Eignung oder Vorliebe besassen", befreit werden. 
Die bestanden habenden Schuler wurden, wenn Stellen offen waren, 



») A.-V.-B1. vom 16. Februar 1852. 

Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



235 



sofort als Lehrer angestellt; sonst kehrten sie zunachst zum Regi- 
mente zuruck. 

b. Die hoheren Eurse fur Artillerie and Genie 
zu einer Akademie zu verschmelzen, war allerdings im Jahre 1852 
beabsichtigt, die damals erlassenen Vorschriften enthalten ihren Lehr- 
plan, in Wiener-Neustadt ward die Herstellung eines grossartigen 
Gebaudes fur sie in Angriff geDommen und eine 1854 zu Wien amt- 
lich veroffentlichte Druckschrift „Die k. k. Militarbildungsanstalten 
mit besonderer Rucksicht auf die Vorschriften fur den Eintritt" fuhrt 
die Akademie unter den bestehenden Anstalten auf — die Kurse 
blieben aber trotzdem getrennt. 

Der hohere Artillerie-Kurs, aus der 2. Abteilung der 
Artillerie -Hauptschule hervorgegangen , blieb mit der Artillerie- 
Akademie vereinigt. Nach dem Schematismus von 1856 wurden 
10 Unterlieutenants 1. Klasse von 6 Lehrern in technischer Artillerie, 
Franzosisch, Physik und Chemie, technischer Mechanik, Maschinen- 
zeichnen und Reiten unterrichtet. Der hohere Genie-Kurs ward 
1855 bei der Genieakademie zu Kloster Bruck als eine „vorlaufige 
Einrichtung" mit einem Jahrgange ins Leben gerufen. 

c. Die Kriegsschule. 1 ) 
Die zu Wien errichtete Kriegsschule «) ward bestimmt, „Offiziere 
aller Waffen fur hohere Chargen, vorzugsweise aber fur den General- 
stab und die hohere Adjutantur heranzubilden". Die Zahl durfte 
30 nicht uberscbreiten und betrug zunachst 24. Nach Ausweis des 
Schematismus ist sie nicht innegehalten. So zahlte 1856 der 1. Jahr- 
gang 19, der 2. 16 Frequentanten. Die Bewerber mussten 
mindestens zwei Jahr als Offiziere bei der Truppe gedient, durften 
das 26. Lebensjahr nicht uberschritten haben und legten eine Auf- 
n ahmeprufung, nach der anfanglichen Bestimmung bei der General- 
stabsabteilung ihres Armeekorps, nach dem Reglement von 1854 in 
der Kriegsschule ab. Die Reisekosten trug der Staat. Die Prufung, 
im Umfange der Abgangsprufiing von Wiener-Neustadt vorzunehmen, 
erstreckte sich auf Mathematik einschliesslich spharische Trigono- 
metrie, Geschichte, Geographie; Waffenlehre, Feld- und permanente 
Befestigung, Pionierdienst, Abrichtungs- und Exerzierreglements der 
Infanterie, Kavallerie und Artillerie, Feldreglement, Situationszeichnen 



») A.-V.-B1. vom 2a Februar 1852. 

») Eeglement fur die k. k. Kriegsschule. Metallographiert. Folio. 



Digitized by Google 



236 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 

anter Yorlage eines Probeblattes , Stilistik (lurch Ausarbeitung einer 
Aufgabe unter Aufsicht, Franzdsisch; ferner musste der Anwarter 
ungarisch, italienisch oder slawisch sprechen, eine gelaufige, lesbare 
Hand schreiben und reiten konnen. 

Die Vortrage wurden anfangs in zwei Zimmern eines Hauses in 
der Teinfalterstrasse, seit 1854 in der ehemaligen Gewehrfabrik in 
der Alservorstadt gehalten. Je unscheinbarer die aussere Erscheinung, 
urn so sorgsamer war die Oberleitung, urn so bedeutender das Lehr- 
geschick der Professoren, urn so grdsser waren Begabung und Fleiss der 
Schuler. Grundliches Wissen und die Fahigkeit, es zum Konnen zu 
gestalten, waren die Ziele des Unterrichts. Das Verstandnis, welches 
Lehrer und Lernende fur die dem Heere ganz fremde Einrichtung, 
altere, meist im Kriege erprobte Offiziere auf die Schulbank zu 
setzen, an den Tag legten, machte die Kriegsschule bald beliebt und 
hochangesehen. Die Erfolge der Zoglinge sprechen fur die Leistungen 
der Anstalt. Von den Frequentanten der 1852 — 1855 eingetretenen Jahr- 
gange batten es bis 1889 37 zum General gebracht, darunter Friedrich 
Beck, Ludwig Cornaro, Wilhelm Rein Hinder, Johann ftoskiewicz, 
Johann Freiherr von Waldstatten, Alois Ritter von Haymerle, Leo- 
nidas Popp, Geiza FejSrvary de Koml6s-Keresztes , Anton Edler von 
Hilleprandt, Zeno Graf Welsersheimb. Zwei davon waren Minister, 
einer Chef des Generalstabes , einer General-Adjutant des Kaisers, 
drei Korpskommandanten etc. geworden. 1 ) 

Unterrichtsgegenstande waren: 

Im 1. Jahrgange: Situationszeichnen, erlautert durch Terrain- 
lehre; hohere Taktik, Manovrierreglement der Infanterie und Kavallerie; 
Generalstab8dien8t bei Brigaden, Divisionen, Armeekorps; hoherer 
Adjutantendienst; im 2.: Situationszeichnen (wie oben); Organisation 
der grosseren europaischen Heere; Militargeographie Europas und 
Statistik der bedeutenderen Staaten; Grundsatze der Strategic, 
erlautert durch Darstellung lehrreicher Feldzuge. 

Der Unterricht fand vom 1. November bis 30. April an alien 
Wochentagen von 9 bis 12 Uhr vor-, von 1 bis 3 Uhr nachmittags 
statt. Allmonatlich hatte jeder Schuler zwei grossere Aufgaben aus 
der hoheren Taktik, dem Generalstabsdienste etc., abwechselnd fran- 
zdsisch, sehriftlieh auszuarbeiten. Die Vortrage waren nicht lediglich 
akademisch. Die Professoren fragten und es fand ein lebhafter 
Meinungsaustausch statt. 



*) Nach der Zeitung ,^rmeeblatt" Nr. 11, Wien 12. Marz 1889. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



237 



Zum Zweck der Ausbildung im Dienste derjenigen Waffen, 
bei denen sie nicht gestanden hatten, wurden die Frequentanten vom 
Juni bis September Truppenkdrpern der Garnison zugeteilt. Am 
Sehlusse der tfbungen sollte der BetrefiFende im stande sein, eine 
Batterie, Eskadron oder Infanteriedivision selbstandig zu komman- 
dieren. Fur den 1. Jahrgang fand im Mai eine Mappierung, fur 
den 2. eine Triangulierung statt. Jeder Teilnehmer an einer der- 
selben erhielt ein Pauschal von 30 Gulden und die Vorspannsauslagen. 

Jeder Schuler bezog zwei Futterportionen und monatlich 
20 Gulden. 

Gemeinsame Unterbringung und Tafel waren in Aussicht gestellt ; 
auch sollte Gelegenheit zum Reiten, Fechten und Turnen gegeben 
werden. 

Zwischen dem 1. und 10. Oktober fand fur den 2. Jahrgang 
eine Prufung fiber den gesamten Unterricht vor dem Direktor und 
den Professoren der Anstalt statt. Jedes Mitglied gab sein Urteil, 
von dem die Befdrderung zum Ober-Lieutenant und die Zuteilung 
zum Generalstabe abhing, schriftlich ab. Auch wer dieses Ziel nicht 
erreichte, hatte, wenn er sonst gunstig beurteilt war, nach dreijahriger 
vorzuglicher Dienstleistung bei der Truppe Beforderung ausser der 
Reihe zu gewartigen. Im Frieden sollten nur absolvierte Kriegs- 
schuler in den Generalstab versetzt werden. Dem 1. Jahrgange 
diente der Oktober zur Erholung. 

Direktor war ein General oder Oberst des Generalstabes; Pro- 
fessoren waren Stabsoffiziere oder Hauptleute des letzteren; sie 
waren von allem anderen Dienste befreit. Zuerst waren es 5; dazu 
kamen ein Stabsoffizier als Reitlehrer und ein Beamter des Ministeriums 
des Ausseren fur den Unterricht im Franzosischen. 

III. Anderungen in den Jahren 1852 bis 1859. 

Im Anschluss an den Erlass vom 12. Februar 1852 (S. 222) ward am 
16. verfugt, dass die Einstellung von k. k. Kadetten, sowie die Auf- 
nahme von Zdglingen in die Kadetten-Kompagnien und in die Pionier- 
korpsschule aufzuhoren habe, dass die Zoglinge der Regimentsknaben- 
Erziehungshauser in solche iiber und in solohe unter 11 Jahren zu 
sondern seien, und dass diese Hauser dann nicht mehr den Regiments- 
kommanden unterstehen sollten. Wer den Lehrkurs der Neustadter 
Akademie zur Zufriedenheit durchgemacht hatte, sollte als Lieutenant 



Digitized by Google 



238 Geschichte des Militar-Eraiehungs- und -Bildungswesena etc 



2. Klasse ausscheiden. Der Armeelieutenants-Kurs der Genie-Akademie 
sollte mit Beginn des neuen Schaljahres in eine 7. Klasse umge- 
wandelt werden, deren Schiiler, wenn sie befriedigten, als Lieutenants 
zur Genietruppe eingeteilt werden wiirden. Die Schuler der Artillerie- 
Hauptschule (in Zukunft Artillerie-Akademie), welche als vorziiglich 
bezeichnet werden wiirden, sollten als Artillerie-Lieutenants 2. Klasse 
austreten. Eine in Klosterneuburg vorlaufig eingerichtete Erziehungs- 
anstalt fur Sonne von Grenzoffizieren ging ein. 

An Stelle der Grenz-Schulkompagnien (S. 227) trat laut A. E. 
Yom 5. Dezemberl858 zur Heranbildung von Unteroffizieren fur die 
beiden Warasdiner Regimenter eine gemeinsame, fur jedes der ubrigen 
14 Regimenter und das Titeler Bataillon eine besondere Regiment s- 
bezw. Bataillonsschule, deren Lehrer unter Leitung eines eben- 
falls als solcher wirkenden Subalternoffiziers Unteroffiziere waren. 
Sie wurden an den Stabsorten errichtet, einzelne wurden spater zu 
Brigadeschulen vereinigt. Gegenstande des TJnterrichts waren: 
Religion, deutsche Sprache und Rechtschreibung, Arithmetik, Geo- 
metrie, Geographie, Geschichte, militarische Aufsatze und administra- 
tive Manipulation, Waffenlehre , Pionierdienst, Dienst-, Abrichtungs- 
und Exerzierreglement, Felddienst, Schonschreiben, Situationszeichnen, 
Turnen, Stock- und Sabelfechten , Schwimmen. Bei jedem Regi- 
mente erhielten 8, beim Titeler Bataillon 4 Frequentanten Stipendien 
von je 50 Gulden jahrlich. 

IV. Die MiUtar-Bildungsanstalten im Jahre 1859. 

Wir haben gesehen, dass der Plan von 1852 manche Ab- 
anderungen erfuhr. Ihr Gesamtergebnis geht aus einem Reglement 1 ) 
hervor, welches laut Armeebefehl Nr. 28 vom 24. Februar 1859 als 
„ausschliessliche Norm fur das Militar-Bildungswesen und die diesem 
Zweige ausserhalb des Truppenverbandes gewidmeten Anstalten" zu 
gelten hatte. Der wesentliche Inhalt war: 

[I.] Die Militar-Erziehungsanstalten. 
Einteilung und Bestimmung blieben die fruheren. Es sollten 
in Zukunft bestehen: Unter-Erziehungshauser zu Prerau, Fischau, 
Bruck an der Leitha, Weisskirchen im Banate und Belluno; Ober- 



Wien. Aus der kaiserlich kSnitrlichen Hof- und Staatsdruckerei. 1859. 
Folio. 240 Seiten. 

Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



239 



Erziehungshauser zu Kut ten berg, Kaschau, Guns, Kamenitz, Strass; 
Schulkompagnien fur Infanterie zu Hamburg und Olmiitz, Artillerie 
zu Frag, Olmiitz, Erakau, Liebenau, Pioniere zu Tulln, Genie zu 
Sankt Polten, die Schuleskadron zu Enns; Kadetteninstitute zu 
Hamburg, Eisenstadt, Marburg, Fiume; Akademien zu Wiener-Neu- 
stadt, Weisskirchen in Mahren, Kloster Brack. Die Zahl der Zog- 
linge jeder einzelnen Anstalt und die Vorschriften fiber die Aufnahme 
waren die fraheren. Militar-Freiplatze gab es in den Erziehungs- 
hausern und Schulkompagnien 2180, Zahlzoglinge nur in letzteren, 
die Kadetten- Institute und Miktar-Akademien hatten 750 ganze, 
200 halbe Freiplatze fiir Militarzoglinge. Das Normalalter fur 
den Eintritt war uberall das fraher vorgeschriebene , bei den Schul- 
kompagnien waren bestimmte Korperlangen Bedingung fur die 
Aufnahme. An Vorkenntnissen, durch Schulzeugnis und Auf- 
nahmeprafung nachzuweisen , wurden verlangt: fiir Ober-Erziehungs- 
hauser das Pensum der 3. Klasse der Normalschule ; Schulkompagnien : 
deutsche Sprache', schriftlicher Aufsatz, Arithmetik, Geographie, Ge- 
schichte im Umfange des Lehrplanes der 4. Klasse der Ober- 
Erziehungshauser; Kadetteninstitute: Pensum der 4. Normalklasse ; 
Akademien: Pensum der 4. Klasse der Kadetteninstitute. Die Zahl 
der Jahrgange blieb die bisherige. Das Schuljahr dauerte vom 
1. Oktober bis 31. August; im September war kein Unterricht. 
Bearbeiten von Aufgaben und korperliche tJbungen hatten den 
Mussiggang fernzuhalten. 

Sonntags ward in den Kadetteninstituten und Akademien nur 
vormittags, in den flbrigen Anstalten gar kein Unterricht erteilt. 
Dieser fiel ausserdem aus am Geburts- und Namenstage des Kaisers, 
am Allerseelentage, am Tage vor Weihnachten, am Silvester, an den 
zwei letzten Faschingstagen, am Aschermittwoch und an den drei 
letzten Tagen der Charwoche. — Die Lehrer leiteten zugleich die 
Erziehung. 

Sonn- und Feiertags wohnten die Zoglinge der Messe bei; jedes 
halbe, in den Unter-Erziehungshausern jedes Vierteljahr war Beichte 
und Kommunion. Nichtkatholiken nahmen womoglich mehrmals im 
Jahre an ihren eigenen Keligionsubungen teil. 

Im Sommer ward thunhchst jeden Tag gebadet und ge- 
schwommen, im Winter alle zwei Wochen abwechselnd ein Voll- und 
FuBsbad genommen. Die Zahne wurden allmonatlich durch den Arzt 
nachgesehen. Womoglich ward taglich vor- wie nachmittags ein 
Spaziergang gemacht. In den Schulkompagnien und Akademien 



Digitized by Google 



240 Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungaweseus etc. 



ward das Schlittschuhlaafen gefibt. Sonn- und Feiertags wurden 
nachmittag8 grossere Spaziergange gemacht. Es wurden Wettlaufen, 
Grabenspringen, Ballspiel etc. getrieben. 

Die Prfifungen, in Gegenwart der Vorgesetzten, begannen bei 
den Artillerie-Schulkompagnien am 1. Juni, bei den ubrigen und in 
den Akademien am 1. Juli, in den anderen Anstalten am 1. August. 

Den Fortschritt bezeichneten die Noten: E „vorzfiglich", 
1 „gut", 2 „mittelmassig", 3 „schlecht". Vorzugliche und gute 
Zoglinge erhielten zwei bezw. eine Distinktionsborte am Kragen 
(Erziehungshauser und Schulkompagnien gelbe Wolle, Kadetten- 
institute Seide, Akademien Goldfaden). In den Unter-Erziehungs- 
hausern waren 2, in den anderen Anstalten 4, in Wiener-Neustadt 
8 Schuler eines jeden Jabrganges Unteroffiziere. Wiederholung eines 
Jahrganges konnte gestattet werden. 

Das Aufrucken aus den niederen in die hdheren Anstalten erfolgte 
nach den fruheren Grundsatzen. Zoglinge der Offiziers-Erziehungs- 
anstalten, welche nicht entsprachen, traten in die Ober-Erziehungs- 
hauser und die Schulkompagnien zuruck; solcbe aus den Eadetten- 
instituten, welche im 4. Jahre nicht befriedigten , in die Schul- 
kompagnien. 

Der Eintritt in die Armee erfolgte im September, aus den 
Schulkompagnien fur die Yorzuglichsten als K or pontic, Gute als 
Gefreite (Vormeister) oder Vizekorporale, Mittelmassige als Gefreite 
(Vormeister), die ubrigen als Gemeine bezw. Oberkanoniere, Ober- 
pioniere, Genie-Gemeine L Klasse, samtlich als Assentierte mit der 
Verpflichtung zu 8 Jahr Prasenzdienst im Heere, 2 Jahr in der 
Reserve. Akademiker, welche den 4. Jahrgang vorziiglich oder gut 
beendet hatten, traten als Unterlieutenants 2. Klasse, die ubrigen 
als Kadetten aus. 

Die fruheren Bestimmungen fiber Entlassung fur den Heeres- 
dienst nicht geeigneter oder vorzeitig austretender Zoglinge blieben 
in Kraft. Ebenso die Lehrplane. 

p.] Das MUitar-Lehrer-Institut. 

Die Einrichtung war im wesentlichen die fruhere; die Zahl der 
Schuler betrug 50; der Aufzunehmende sollte mit den Lehrfachern 
der Erziehungshauser, ausser Religion und Naturgeschichte, bekannt, 
brauchte aber nicht in jedem vollkommen gewandt zu sein. Am 
1. August begann die Prfifung; am Schlusse wurden Aufgaben fiber 
das Verhalten in den Erziehungshausern bearbeitet 



Digitized by Google 



(Wrreieh-Ungarn. 



241 



Am Unterrichte in Methodik und Padagogik, Deutsch, Militar- 
stil, Schonschreiben und den Reglements musste jeder teilnehmen; 
bei Geographie, Geschiehte, Arithmetik, Geometrie, popularer Anatomie 
und Freihandzeichnen stand es in seinem Belieben. Die mathe- 
matischen Facher sollten fur die Yerwendung als Repetenten an 
Kadetteninstituten vorbereiten. 

[III.] Der hdhere Artillerie- und der hohere Genie-Kurs und die 

Kriegs8chule. 

Der hohere Artilleriekurs hatte 20, der hohere Geniekurs 12, 
die Kriegsschule 30 Frequentanten. Fur die Aufnahme wurden ein 
Alter von mindestens 21, hochstens 26 Jahren, vollstandige Gesund- 
heit, lediger Stand, die Lieutenantscharge , wenigstens 2jahrige 
Truppendienstzeit und fur die Kurse Kenntnis der analytischen 
Geometrie und hoheren Analysis, Mechanik, Physik und Chemie, 
Militarstilistik, des Franzdsischen, der Befestigungskunst, ferner bezw. 
der Artilleriegegenstande oder der Baukunst, alles im Umfange der in 
den Akademien gebrauchten Lehrbucher, gefordert. Die Anspruche 
der Kriegsschule waren die Mheren. Der Nachweis erfolgte durch 
Prufungen, welche mundlich und schriftlich in den Anstalten vorge- 
nommen wurden. Auf Grund der Prufungsakten traf das Armee- 
Oberkommando die Auswahl. 

Der Unterricht dauerte 2 Jahre; das Schuljahr dauerte vom 
1. Oktober in der Kriegsschule bis Ende September, in den Kursen 
bis Ende August. Es wurden gelehrt: 

Hoherer Artilleriekurs: Mechanik in Anwendung auf Ma- 
schinen, Maschinenzeichnen, Physik und Chemie mit Selbstubung im 
Experimentieren und Analysieren, Theorie der Artillerie mit bezug 
auf die Konstruktionen. Kenntnis fremder Artillerien, Geschiehte der 
Artillerie, Dienst der technischen Artillerie, Festungs- und Belagerungs- 
ausrflstungen, Dotierung der Festungen, Dienst der Artillerie in den- 
selben, Taktik, Geschiehte einiger Belagerungen und Verteidigungen, 
rranzosisch, Reiten. 

Hoherer Geniekurs: Mechanik in Anwendung auf Maschinen, 
Maschinenzeichnen und Baukunst, Physik und Chemie mit Experi- 
mentieren und Analysieren, Befestigungskunst, Baukunst, Schonbau- 
kunst mit architektonischer Zeichnung, Theorie der Artillerie, Ge- 
schiehte einiger Belagerungen und Verteidigungen, Franzosisch. 

Kriegsschule: Militargeographie, Taktik, Grundsatze der Stra- 
tegie, Generalstabs- und Adjutantendienst, Staatsorganisation und 

M on u menu UermanUe P»edsgogi<w XV. jg 



Digitized by Google 



242 Geschichte dea Militar-Erziehungs- uad -Bildungawesens etc. 



Armeeverwaltung, Terrainlehre und Situationszeichnen , Franzdsisch, 
Reiten. 

Die L Jahrgange der Kurse unteraahmen im August unter Leitung 
der Professoren der Mechanik, Physik und Chemie eine Reise behufs 
Besichtigung von Artillerie- und sonstigen technischen Anstalten. Die 
Krieg38chuler im 1. Jahre eine tfbungsmappierung, im 2. Rekognos- 
zierungen; in beiden Jahren nahmen sie bei Truppenkorpern der Wiener 
Grandson an deren Herbstubungen teil; am Schlusse der letzteren 
hatten sie je nach ihrer Zuteilung eine Infanterie-Division, Eskadron 
oder Batterie selbstandig zu kommandieren. 

Die Schlussprufungen, fur die Kurse am 1., fur die Kriegs- 
schule am 20. September beginnend, waren schriftlich und mundlich. 
Sie begriffen die Vortrage beider Jahre; die miindlichen fanden in 
Gegenwart der Professoren, des Kommandanten und eines vom 
Armee-Oberkommando bestimmten Generals statt. Die Prufungsbe- 
richte wiesen jedem Horer den seinen Leistungen entsprechenden Rang 
an. Prufungen der 1. Jahrgange fanden nicht statt; es ward fiber 
dieselben Ende Mai und Ende September an das Armee-Ober- 
kommando berichtet. Wiederholung eines Jahrganges ward nur wegen 
Krankheit gestattet. 

Die mit Erfolg absolvierten Unterlieutenants warden zu 
Oberlieutenant8 befordert. Alle, mit Ausnahme von Kriegsschulern, 
welche sofort im General-Quartiermeisterstabe Stellung fanden, gingen 
zur Truppe zuruck. Kriegsschuler, welche nicht binnen drei Jahren 
in den General-Quartiermeisterstab gelangten, sollten dann, vorzug- 
liche Dienstleistung vorausgesetzt, ausser der Tour befordert werden. 

Vorstande der Kurse waren die Kommandanten der Akademien. 
Die Kriegsschule leitete ein General oder Oberst. Lehrer der 
Kurse waren Professoren der Akademien. An der Kriegsschule lehrten 
7 Professoren und 1 Reitlehrer; der Unterricht im Franzosischen 
konnte einem burgerlichen Lehrer flbertragen werden. Die Schule 
hatte 36 Reitpferde, welche zugleich der hier nicht zu schildernden 
Militar-Administrativen Lehranstalt dienten. 

[IV.] Unterordnung, Leitung, Gerichtsbarkeit der Militar- 

Bildungsanstalten. 

Die Erziehungshauser und Schulkompagnien unterstanden zu- 
nachst den Brigade-, dann den Landes-General-Kommanden , alle 
flbrigen Anstalten unmittelbar dem Armee-Oberkommando, welches 
mit der tlberwachung Stabsoffiziere oder Generale beauftragte. Die 



Digitized by Google 



ftsterreich- Uug&rn. 



243 



Disziplmarbestrafung ubten die Kommandanten nach Massgabe ihres 
Ranges aus. 

[V,] Verpflegung, Bekleidung, Ausrustung, Beurlaubung. 
Verpflegung: 

Das Fruhstuck bestand in den TTnter-Erziehungshausern 
aus V* Seidel Milch (1. April bis 15. Oktober kalt, sonst warm) und 
6 Lot Brot (halbweiss), in den Ober-Erziehungshausern vom 
16. April bis 30. September aus 8 Lot Brot, sonst in 1 Seidel 
warmer Milch und 6 Lot Brot, in den Schulkompagnien aus 8 Lot 
Kommissbrot. Statt der Milch durfte Wassersuppe gegeben werden. 
Das Mittagsmahl bestand an Fleischtagen uberall aus eingekochter 
Rindssuppe, 4 bezw. 6 Lot halbweissem bezw. 8 Lot Kommissbrot, 
Rindfleisch mit Sauce, Zuspeise; an Fasttagen aus Wassersuppe, 
Mehl-, Milch- oder Obstspeise, dazu Brot. Die Jause in den 
Erziehungshausern aus 6 Lot halbweissem, in den Schulkompagnien 
9 Lot Kommissbrot; das Abend ma hi uberall in einer Zuspeise (Ge- 
muse, ausser Sauerkraut, Kartoffeln, Reis etc.) und 4 bezw. 6 Lot 
halbweissem bezw. 6 Lot Kommissbrot. Die „Erlauterungen" zur 
Speiseordnung bilden ein formliches Kochbuch. 

Das Fruhstuck der Kadetteninstitute war das der Ober- 
Erziehungshauser, in den Akademien bestand es aus 8 Lot halb- 
weissem Brot; das Mittagsmahl allgemein an Fleischtagen aus 
Rindssuppe, Rindfleisch mit Zugehor, Braten mit Zugehor oder Ein- 
gemachtem, abwechselnd mit Mehlspeise; an Fasttagen aus Wasser- 
suppe, Mehl-, Milch- oder Fischspeise oder Zuspeise mit einer Auflage, 
Obst- oder Mehlspeise; dazu 6 bezw. 8 Lot Brot Als Jause ward 
dieselbe Brotmenge, als Abendmahl eine dem dritten Mittagsgange 
entsprechende Speise nebst 4 bezw. 6 Lot Brot gegeben. Das Muster 
ernes Speisezettels giebt u. a. an fur Sonntag mittags Reissuppe, 
Rindfleisch mit grunem Salat, gebackenes Lammernes, abends Mehl- 
schmarren; Montag Griessuppe, Rindfleisch mit Sardellensauce, Apfel- 
koch bezw. Rindsbraten; Dienstag Mehlgerstelsuppe, Rindfleisch mit 
Erdapfelsalat , Hammelbraten bezw. Nudeln in der Milch; Mittwoch 
Semmelknodelsuppe , Rindfleisch mit Erdapfeln in gesauerter Sauce, 
Rostbraten bezw. Zimmetreis; Donnerstag Fleckerlsuppe , Rindfleisch 
mit Dillsauce, Birnstrudel bezw. heiss abgesottenes Lammernes mit 
Krenn; Freitag Griessuppe, Rindfleisch mit Susskraut, Dampfnudeln, 
Nudeln mit Kas; Sonn abend Ulmergerstelsuppe, Rindfleisch mit ein- 
gebrannten Erbsen bezw. Fleckerln in der Milch. 

16* 



Digitized by Google 



244 Geschichte des Militar- Eraiehungs- und -BildungswesenB etc. 



Adjustierung: In den Unter-Erziehungshausern Lager- 
mutze aus mohrengrauem, Mantel aus graumeliertem, Waffenrock axis 
mohrengrauem Tuche mit Umschlagkragen, krapproten Parolis, Auf- 
schlagen und Passepoils, gelben Knopfen, mohrengraue Weste, licht- 
blaue Pantalons, Halbstiefeln, Hemd, Gattie, ferner leinener Kittel 
und Sommerho8en, schwarzes Halstucb, gewirkte Hosentrager, 
tuchene Faustlinge. In den Ober-Erziehungshausern ausser- 
demTschako, Gewehr, Patronentasche. Die Schulkompagnien waren 
im wesentlichen wie die deutsche Infanterie bezw. die weissadjustierten 
Dragoner, die technischen Truppen, die Zoglinge der Kadetten- 
institute wie die der Ober-Erziehungshauser, jedoch nach dem 
Schnitte der deutschen Infauterie und mit hochroter Egalisierong, 
die der Akademien wie die der Kadetteninstitute mit dem Unter- 
schiede adjustiert, dass sie statt der ffir jene vorgeschriebenen Achsel- 
dragoner Achselwulste hatten. Ausrustung und Bewaffnung in den 
Kadetteninstituten und in Wiener-Neustadt waren die infanteristische, 
in den anderen Akademien die der betreffenden Waffe. 

Wer aus einer Akademie als Offizier austrat, erhielt je 

1 Tschako oder entsprechende Kopfbedeckung, Lagermiitze, Mantel, 
Waffenrock od. dgl., Weste, Feldbinde, Sabel, Koppel, Portepee, je 
6 Hemden, Gattien, Sacktucher, 1 Paar Soeken, 3 Handtftcher, je 

2 Paar Halbstiefel und lederne Handschuhe, 2 Halsbinden, 6 Hals- 
streifen, 1 Paar Hosentrager, 1 Essbesteck nebst silbernem Loffel, 

3 Servietten, 1 Lederkoffer nebst Handtasche, alles neu, ferner die 
von ih hi gebrauchten Schatullen mit Kammen, Bursten etc., Reiss- 
zeug, Lehrbucher matbematischen und militarischen Inhaltes, sowie 
50 Gulden als Stammeinlage in den Equipierungsfonds. Wer als 
Kadett ausgemustert ward, nahm bestimmte Waschestucken mit und 
war von der Eintrittstaxe befreit, der pensionierte Z ogling erhielt 
einen Zivilanzug und Wasche. 

An Taschengeld ward in den Schulkompagnien 0,50, in den 
Akademien 1 Gulden monatlich gewahrt. Ausserdem durften die An- 
gehorigen bis zu 1 Gulden in den Unter-, 1,50 in den Ober-Er- 
ziehungshausern und Schulkompagnien, 2 in den Kadetteninstituten, 
3 in den Akademien geben. 

Urlaub konnte nach der Prufung und den praktisohen tftrangen 
bis zum 28. September gewahrt werden. 

[VI.] Anstaltspersonal. 
Offiziere mussten, urn verwendet zu werden, mindestens 6 Jahr, 



Digitized by Google 



dsterreich-Ungani. 



245 



da von 2 als Offiziere, gedient haben und als Subalterne ledig oder 
kinderlose Witwer sein; letztere Bestimmung wuTde am 13. Juni 
1867 aufgehoben. Inspektions- oder manipulierende Feldwebel mussten 
ledig sein und mindestens 2 Jahr als Unteroffiziere gedient haben. 
Jede Anstellung erfolgt zunachst auf Probe. Generale, Stabsoffiziere 
und Studiendirektoren ernannte der Kaiser, die iibrigen Offiziere, 
Lehrer und Unteroffiziere das Armee-Oberkomraando. 

Jeder Offizier, den rechnungslegenden ausgenommen, ward naeh 
6 jahriger guter Dienstleistung in einer Charge ausser der Tour bis zum 
Rittmeister oder Hauptmann 1. Klasse befordert. Beforderung zum 
Stabsoffizier erfolgte nach dem Range; der Betreffende ruckte am 
Ende des Schuljahres zur Truppe ein, wenn er nicht bei einer 
Militar-Bildungsanstalt als Stabsoffizier Verwendung fand. Tiber die 
Oberstlieutenants -Charge hinaus gab es bei diesen, den Akademie- 
kommandanten und die Kriegsschul-Professoren ausgenommen, keine 
Beforderung mehr. Majore und Oberstlieutenants, welche als solche 
mindestens 6 Jahre an Militar-Bildungsanstalten gewirkt hatten, 
wurden beim tTbertritte in den Ruhestand zur nachsthoheren Charge 
befordert und in dieser pensioniert. Lehr- und Inspektions-Feldwebel 
wurden nach 6jahriger guter Verwendung und bei vorhandener Eignung 
fur den Truppendienst, wenn sie in den Offizier-Erziehungsanstalten 
als Korrepetitoren zu verwenden waren auch fruher, zu Unter- 
lieutenants 2. Elasse befordert. 

Die Offiziere erhielten Zulagen (Gebiihrenreglement § 17), Sub- 
alternoffiziere, welche in Kadetteninstituten und Akademien die Kom- 
pagnieinspektion versahen, an den betreflfenden Tagen die Kost der 
Zoglinge. Zivillehrer, welche ausschUessHch an Militar-Erziehungs- 
anstalten unterrichteten, erhielten ein Gehalt von 600 und, wenn sie 
nicht dort untergebracht waren, ein Quartiergeld von 200; solche, 
welche noch anderweit angestellt waren, ein Gehalt von 400 Gulden. 
Xetzteres erhielten auch die Tanzmeister nebst 150 Gulden fur Tanz- 
musik und freiem Quartiere oder 200 Gulden Quartiergeld. Nach 
je 6 Jahren stieg das Lehrergehalt urn 100 Gulden. 

Von den Stabsoffizieren und Hauptleuten eines Kadetteninstitutes 
oder einer Akademie, sowie von den Hauptleuten aller Ober-Er- 
ziehungshauser und Schulkompagnien durfte nur V» verheiratet sein. 

[VII.] Gebaude und innere Einrichtung. 

In den Lehrsalen wurden 28, in den Schlafsalen 54 Quadrat- 
schuhe Luftraum fur den Kopf und eine Hohe von 13 bezw. 14 Schuhen 



Digitized by Google 



246 Genchichte des Militar- ErziehungB- und -Bildungswesens etc- 



verlangt. In der Regel lagen erstere im 1., letztere im 2. Stock. 
Die Wohnungen des Personals sollten von den Zoglingsraumen mdg- 
lichst get remit sein. Die Scholkompagnien batten eiserne K aval e its 
nach der Armeevorschrift, die ubrigen Anstalten holzerne Bettstellen, 
alle mit Strohsacken. Die Bettwasche ward in den Scholkompagnien 1-, 
in den ubrigen Anstalten 2mal monatlich gewechselt. Die hochste 
durcb Heiznng hervorzubringende Warme sollte in den Lehrsalen 15°, 
in den Turnsalen etc. 9°, in den Schlafsalen abends 10°, morgens 13° 
betragen. 

• • 

V. Anderungen in den Jahren 1859 bis 1865. 

Die erste Neuerung war die Wiedererrichtung einer Pionier- 
korpsschule. 1 ) Die notig gewesene Verm ehrung der Offiziere hatte 
Schwierigkeiten gemacht und war nur dadurch ermdglicht, dass die 
Leitung der Schulkompagnie darauf bedacht gewesen war, den Fre- 
quentanten eine sie zur Verwendung als solche befahigende Yor- 
bildung in hdherem Grade zu gewahren, als eigentlich Torgeschrieben 
war. Durch die jungste Erfahrung in dem Glauben an die Zweckmassig- 
keit des beobachteten Verfahrens bestarkt, richtete Ob. v. Ghilain, 
seit dem 12. Februar 1858 Korpskommandant t bereits im November 
18 5 9 zu Klosterneuburg einen „2. Jahrgang der Unteroffiziers- 
schule" ein, urn Kadetten, anderen mit entsprechenden Vorkennt- 
nissen versehenen Korpsangehorigen und geeigneten Unteroffizieren 
eine hohere Ausbildung zu gewahren. Durch A. E. vom 15. Oktober 
I860*) wurde sodann die Unteroffizier- in eine zu Tulln aufzu- 
stellende Korpsschule umgewandelt, deren wesentliche Bestimmung 
die Ausbildung tuchtiger Unteroffiziere bleiben, welche aber geeignete 
Schuler in einem zweiten Jahre weiter fordern sollte. Es wurden 
fiir sie jahrlich 500 Gulden ausgeworfen. 

Durch die namliche A. E. ward auch die sofortige Zusammen- 
stellung von ordentlichen 

Regimentsschulen bei den Artillerie- und Genie- 

Regimentern 

angeordnet, welche hauptsachlich praktische Unteroffiziere heran- 
bilden sollten. Sie hatten zwei Jahrgange, fur jede waren jahrhch 
800 Gulden bestimmt. 



») Brinner a. a. 0., II, 2, S. 6. 

») A.-V.-Bl., Nr. 40 vom 24. Oktober 1860. 



Digitized by Google 



OBterreich-Ungarn. 



247 



Dagegen warden laut A. E. vom 15. Juli 1864 1 ) dieOber-Er- 
ziehungshauser und die Schulkompagnien nicht mehr als 
Unteroffizier-Erziehungsanstalten bezeichnet. Ihre Zoglinge sollten 
vielmehr derart vorbereitet werden, dass sie bei langerer und vor- 
zuglicher Dienstleistung bei der Truppe die Qualifikation zu Offizieren 
erlangen kSnnten. 

Die namlichen Rficksicbten hatten veranlasst, dass dnrch A. E. 
vom 12. Mai 1860 vom Schuljahre 1860/61 an der Artillerie- 
Akademie die Ausbildung von Lehrern und Abrichtern im Fahren 
und Reiten ubertragen ward, welche bis dahin einer 1852 zu Wien 
begrundeten Artillerierequitation obgelegen hatte. Es war eine mit 
der eigentlichen Bestimmung der Anstalt schwer zu vereinigende Auf- 
gabe. Es wurde ihr dazu eine bespannte Kavalleriebatterie uberwiesen. 

Umgekehrt wurde bei der Kavallerie verfahren. Das 1808 zu 
"Wiener-Neustadt errichtete, 1823 aufgeloste, 1836 zu Salzburg von 
neuem ins Leben getretene, 1850 nach Wien verlegte Kavallerie- 
Equitationsinstitut sollte in Zukunft den Offizieren auch Ge- 
legenheit zu wissenschaftlicher Ausbildung bieten. Eine Kommission*) 
unter dem Vorsitze des General-Kavallerie-Inspektors, G. d. K. Furst 
Franz Liechtenstein, welcher auch Scudier angehorte, berichtete 
daruber am 5. Juli 1860 an das Armee-Oberkommando. Alle Mit- 
glieder erkannten an, dass der Kavallerie-Offizier nicht nur ein guter 
Reiter, Reitlehrer und Abrichter sein, sondern dass er vor allem die 
erforderlichen Kenntnisse haben musse, urn die ihm zufallenden tak- 
tischen Aufgaben im Geiste der Waffe erfassen und ausfuhren zu 
konnen. Eine Kavallerieschule habe beide Ziele zu verfolgen. Daher 
sei der Lehrplan der Equitation, welcher bisher Theorie und Praxis des 
Reitunterrichts, Kavallerie- Abrichtungs-,Exerzier- und Dienstreglement, 
tierarztliche Schule, Fechten und Voltigieren umfasst hatte, zu er- 
weitern. Die Schiiler sollten, ohne Oberlieutenants ganz auszu- 
schliessen, in der Regel Rittmeister sein, weil man sie bei den Re- 
gimentern als Lehrer verwenden wollte. Die Ansichten uber die 
Vortrage gingen weit auseinander. Ob. Baron Edelsheim wollte 
Taktik der drei Waffen, Felddienst, Feldbefestigung, Waffenlehre, 
Terrainlehre, die Reglements, Militarstrafgesetze, Heeresverwaltang, 
Theorie des Reitunterrichts, Tierheilkunde und Beschlagskunst haben, 
dazu sollte voltigiert, gefochten und mit Pistolen geschossen werden. 



») A.-V.-Bl., Nr. 16, vom 15. Juli 1864. 
») Kriegs-Archiv 1860, CK 4203. 



Digitized by Google 



248 



Geschichte de* Militar-EraiehungB- und -Bildungswesens etc. 



Die Mehrheit der Mitglieder aber sprach sich dafur aus, dass Taktik 
der drei Waffen und Feiddienst Hauptfacher sein, Feldbefestigung, 
Terrain- und Waffenlehre nur so weit berubrt werden sollten als das 
Verstandnis jener Vortrage fordere, Militarstrafgesetzgebung und 
Heeresverwaltung zu streiehen seien. Der zuerst am 30. Jul i 1860 
vorgelegte Plan erhielt mit einigen Abanderungen am 30. August 
die Genehmigung des Kaisers, l ) und am 1. Oktober ward an Stelle 
des aufgelosten Zentral- Equitations -Institutes in den von diesem in 
der Ungargasse zu Wien innegehabten Gebaude 

die Zentral-Kavallerie-Schule 
mit der Bestimmung eroffnet, „befahigte Offiziere der Kavallerie 
nicbt nur im Reiten, in der Dressur, Behandlung und Benutzung der 
Pferde zu unterricbten, sondern auch fiber die Fiihrung und Ver- 
wendung der Reiterei zu belehren". Jedes der 40 Regimenter ent- 
sandte dazu einen Rittmeister 2. Elasse (ohne Eskadron) oder alteren 
Lieutenant, welche bei musterhafter Konduite gewandte Reiter, er- 
fabrene Abrichter, mit alien Dienstvorschriften vertraut, von rascber 
Auffassung und im Besitze genugender Vorbildung, um dem wissen- 
schaftlichen Unterrichte folgen zu konnen, vom Streben nach hdherer 
Ausbildung und vom Geiste der Waffe erfullt sein und die erforder- 
liche Gesundheit baben sollten. 

Der Unterricht dauerte 1860/61 vom 1. Oktober bis zum 
31. August, seit 1861/62 vom 1. November bis 30. September. Die 
Vortrage erhielten eine praktische, jedes Abschweifen auf ferner 
Liegendes vermeidende Ricbtung. Taktik und Feiddienst waren die 
Hauptfacher, die Rolle der Kavallerie ward vorzugsweise beleuchtet 
und durch kriegsgeschichtliche Beispiele veranscbaulicht. Feld- 
befestigung, Terrain- und WaflFenlehre wurden, wo das Verstandnis es 
forderte, kurz abgehandelt Lehrgegenstande waren ferner die Grund- 
satze des Reitunterrichts. Pferdekunde und Hufbeschlag. Hauptziel 
blieb die Vervollkommnung im Reiten und die kavalleristische Sonder- 
ausbildung. Eine Scblussprufung fand nicht statt, doch hatte 
sich der General-Kavallerie-Inspektor von den praktischen und theo- 
retischen Leistungen der Schuler Kenntnis zu verschaffen. Kom- 
m and ant war ein General oder Stabsoffizier; den wissenscha it- 
lichen Unterricht erteilten Offiziere des General-Quaxtiermeister- 
s tabes. 

») A.-V.-BL 1860, Nr. 32, C.-V. v. 7. September. 



Digitized by Google 



Osterreich- l ngarn. 



249 



Die Kriegsschule war 1859 aufgelost, die Frequentanten 
waren dem General-Quartiermeisterstabe zur Verfugung gestellt worden. 
Nach Beendigung des Feldzuges befabl der Kaiser, dass am 1. No- 
vember 20 rangsjiingere Hauptleute des letzteren, welche die Schule 
nicht besucht hatten, in den 2., 10 von denen, welche einen Jahr- 
gang absolviert hatten, in den 1. Jahrgang eingeteilt werden sollten; 
die Vorlesungen wurden im Sappeurtrakte der Stiftskaserne gehalten. 
Durch A. E. vom 30. September 1860 ward die Zahl der Fre- 
quentanten von 30 auf 40 erhoht, das tfberschreiten der Alters- 
grenze von 26 Jahren sollte in Zukunft kein Hindernis fur die Auf- 
nahme sein. Die Art der Erganzung des General-Quartiermeisterstabes 
durch Kriegsschuler ward durch eine A. E. vom 26. August 1863 
(A.-V.-B1. Nr. 20 vom 10. September, C.-V. vom 5. September, Abt. 5, 
Nr. 831) neu geregelt. Durch C.-V. vom 22. Oktober, Abt. 6, Nr. 3476 
ward den Truppenkommanden aufgetragen, „den Aspiranten Mr die 
Kriegsschule insbesonders die Ausbildung im Situationszeichnen und 
im Franzosischen zu empfehlen, urn nicht wie bisher namentlich dem 
ersteren eine so grosse Zahl von Unterrichtsstunden widmen zu 
miis8en". 1865 erfolgte die tfbersiedelung in das auf der Area des 
Jesuitenhofes an der Dreihufeisengasse in der Vorstadt Wieden er- 
baute, mit Reitschule und Stallungen versehene Anstaltsgebaude. 

Aufgelost wurden aus Sparsamkeitsrucksichten 1860 die Schul- 
eskadron, 1862 das Untererziehungshaus zu Belluno, 1865 die Genie- 
Schulkompagnie. 

DieMilitarakademie zu Wiener-Neustadt, 1 )deren Direktor 
GM. Knoll seit 1859 .^Commandant" hiess, bezifferte, bei 400 Zog- 
lingen, ihren Stand seit dem 1. Mai 1859 mit 1 Kommandanten, 

1 Subalternoffizier als Adjutanten, 3 Stabsoffizieren, 12 Hauptleuten 
oder Rittmeistern , worunter 1 Okonomie-Inspektor, 22 Subaltern - 
oftizieren, worunter 1 Montursoffizier, 1 Auditor als Professor und zur 
Gerichtspflege , 4 geistlichen Professoren, worunter 1 Religionslehrer 
und Prediger, 2 Tanzmeistern ; 1 Rittmeister und 1 Subalternoffizier, 

2 Wachtmei8tern, 1 Fuhrer, 3 Korporalen, 1 Hufschmied, 42 Pferde- 
wartern, 60 Pferden fur den Reitunterricht ; 24 Feldwebeln zur Inspek- 
tion und Manipulation, 8 Fuhrern als Profossen, zum Spital- und Thur- 
Inspektions-Dienste, je 4 Schreibern, Tambours, Hornisten, 2 Arzten, 



J ) Svoboda a. a. 0. 



Digitized by Google 



250 



Geschichte des Militai i • t hungs- und -Bildungsweaens etc. 



5 Krankenwartern, 37 Annee-Dienern, 40 Dienern vom Mannschafts- 
stande, 48 Offiziers-Dienern, dazu kam ein Pionierdetachement (1 Feld- 
webel, 3 Korporale, 20 Ober-, 40 Unterpioniere) fur den Hausdienst 
und die praktischen tTbungen. 1860 wurde der Stand um 30 Reit- 
pferde, 2 Korporale, 22 Pferdewarter vermindert. 

Der L eh r pi an weist an Wochenstunden nach: in I fur Re- 
ligion 1, philosophische Propadeutik 3, deutsche Rhetorik und Poetik 3, 
Franzosisch 3, Algebra und Geometrie7Vt, Geographie 3, Geschichte 3, 
Reglements 3, Geometral- und Freihandzeichnen je 2, Situations- 
zeichnen 6, Turnen, Fechten, Tanzen je 2, im ganzen 42»/i; in II 
Religion 1, Franzosisch 3, Mechanik und mathematische Geographie 7 % 
Messkunst 1% Physik 3, Geschichte 3, Volker- und osterreichisches 
Privatrecht l'/a, Militarstilistik 3, Reglements 4*/s, Zeichnen wie I, 
Turnen 2, Fechten 4, Tanzen 2, im ganzen 46; in III Religion 1, 
Franzosisch 3, Italienisch, Bohmisch, Ungarisch je l 1 /*, Physik 4V«, 
Volkerrecht etc. und Militar-Stilistik wie II, WafFenlehre, Pionier- 
dienst. burgerliche Baukunst je 3, Reglements 3, Zeichnen wie I, 
Reiten 6, Turnen 2, Fechten 4, Tanzen 2, im ganzen 53 l /t; in I 
Religion 1, Franzosisch 4, Italienisch, Bohmisch, Ungarisch, Militar- 
strafrecht je 3, Waffenlehre l 1 /*, Fortifikation 3, Reglements lOVi* 
Situationszeichnen 4, Turnen, Reiten 6, Turnen, Fechten, Tanzen 
je 2, im ganzen 50. 

Dazu im Sommer (1. April bis 31. August) dreimal 2 Stunden 
Exerzieren und 3 Stunden Schwimmen. 

Der 1864 zum General-Inspektor der Militar-Bildungs-Anstalten 
ernannte GM. Frhr. v. Bils fugte physikalische Geographie, Taktik 
und Geschichte der Kriegskunst hinzu. Die Unterweisung im Auf- 
nehmen erstreckte sich fur die 2. Klasse auf den Gebrauch von 
Kette und Massstab, Nivellieren und geometrisches Schichtenlegen 
bei Fischau und Brunn; die 3. nahm eine 2tagige Militarmappierung 
in der Umgegend vor, ebensolange wurde sie im Pionierdienste prak- 
tisch geubt; die 4. Klasse ward im Scheibenschiessen mit Gewehr, 
Pistole und Geschfltz und in der Feuerwerkerei unterwiesen. 

Die Endprufung fand in den Gegenstanden, welche im 4. Jahr- 
gange nicht mehr gelehrt wurden, vor dem Austritte aus der Klasse 
statt, in welcher der Unterricht aufhorte. Auch die ubrigen Klassen 
wurden am Schlusse des Schuljahres gepruft; ausserdem geschah es 
allgemein nach dem 1. und 2. Vierteljahre. Bei letzteren Gelegen- 
heiten erteilten die Professoren Klassifikationen, welche bei den kom- 



Digitized by Googl 



6sterreich-Uugarn . 



251 



missionellen Beratungen fiber die Endprfifungen in Betracht gezogen 
wurden. 

Urlaub konnte vom Schlusse der Jahresprfifungen bis zum 
28. September erteilt werden. Auswartsspeisen bei Angehorigen etc. 
ward gestattet, wenn die wissenschaftlichen Leistungen und die Auf- 
fiihning genfigten. 

Am 1. September 1865 trat Knoll als FML. in den Ruhestand 
und an seine Stelle am 5. d. M. Ob. Moritz Frhr. von Haugwitz, 
bisher Kommandant des 24. Infanterie-Regiments. 

Aus Aniass des Krieges von 1866 wnrden der 3. und 4. Jahr- 
gang aufgelost; in den verfugbaren Raumen wurden nacheinander 
das Ober-Erziehungshaus Guns, die Artillerie- und Genie- Akademie, 
sowie ein Feldspital untergebracht. 

VL Die Truppenschulen der Infanterie und der 
Kavallerie, 1852 bis 1866. 

Bestimmung fiber die bei der Truppe (Infanterie, aus- 
mar8chierte Grenzer, Jager, Kavallerie) abzuhaltenden Schulen: 1 ) 

1. Offizier-Schulen. 

Am Unterrichte, welcher von Anfang November bis Ende 
April wochentlich 3mal in je Stunden stattfand, nahmen samt- 
liche Subalternoffiziere teil. Derselbe umfasste: die Reglements, die 
Kenntnis der eigenen Waffen, die Regimentssprache , Fechten und 
Schiessen. Die Leitung batte ein Stabsoffizier, ausnahmsweise ein 
Hauptmann, welcher zugleich fiber die Reglements unterrichtete ; sein 
Vortrag hatte nicht in trockenem Vorlesen, sondern in einer wechsel- 
seitigen, vom Lehrer durch die Kriegsgeschichte und die Erfahrung 
erlauterten Besprechung zu bestehen. Den Vortrag fiber die Waffen 
hielt jede zweite Woche der Waffenoffizier; der Sprachunterricht fand 
wenigstens 2mal wochentlich statt; war kein geeigneter Offizier vor- 
handen, so erteilte ihn der Regimentskaplan ; fur den Fechtunterricht 
war dem betreffenden Offizier ein Unteroffizier als Gehilfe beigegeben. 
Die Kosten trug das Regiment. Fechtubungen (mit Sabel und 
Bajonett) fanden 2-, Schiessubungen lmal wochentlich statt. 

Die Kavallerieoffiziere wurden in den Regiments-Equitationen 
ebenso ausgebildet. 

») A.-V.-BL Nr. 35 v. 28. April 1852. 



Digitized by Google 



252 Geschichte des Milit&r - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Jeder Hauptmann (Rittmeister) und Lieutenant lieferte im Winter 
zwei, im Sommer eine schriftliche Ausarbeitang aus dem Bereiche 
des Feld-Reglements. 

2. Kadetten-Schulen 

behufs Ausbildung zu Kompagnie -Offizieren wurden in der Weise 
gebildet, dass die wenigstens */> J anr dienenden Kadetten, zu denen 
geeignete Unteroffiziere (in der Kegel nicht mehr als 20) treten 
konnten, einem Kompagnie-Chef fiberwiesen und in einem 2jahrigen 
Lehrgange auf Grand der Lehrbficher der Militar-Bildungsanstalten 
unterrichtet wurden in der Regimentssprache, Arithmetik, Elementar- 
Geometrie nebst Aufhehmen, Militargeschaftsstil, Geographic und 
Geschichte, Situationszeichnen erlautert durch Terrainlehre, Waffen- 
lehre, den Reglements, den gewShnlichsten Pionierarbeiten , Schon- 
und Dictandoschreiben , Fechten, Gymnastik und Schwimmen. Eine 
Vorprufung bestimmte fiber den Eintritt in den 1. oder 2. Jahr- 
gang. Dem Kommandanten waren 2 Subalternoffiziere und 2 Feld- 
webel beigegeben, letztere durften im Schonschreiben unterrichten. 
Die Lehrer waren dienstfrei. Der Hauptmann behielt das Kommando 
seiner Kompagnie bei. 

Im September fand im Beisein samtlicher Offiziere des Regiments 
einePrufung statt. Nur wer die Schule mit gutem Erfolge durch- 
gemacht hatte, durfte im Frieden zum Offizier vorgeschlagen werden. 

Die Sch filer waren gemeinsam untergebracht, der XJnterricht 
fand wochentaglich von 8 bis 12 und von 2 bis 5 Uhr statt, am 
Samstage wuiden die Kadetten jedoch zum Dienst der Kompagnie 
herangezogen. 

Bei der K aval lerie traten die Regiments-Equitationen an Stelle 
der Kadettenschulen. 

3. Unteroffizier-Schulen 

wurden kompagnie-(e8kadrons-) weise abgehalten. Es nahmen teil: 
alle Korporale, Gefreite und je 12 zur Beforderung geeignete Ge- 
meine, sowie diejenigen Kadetten, welche nicht die Kadettenschule 
besuchten. Die Schule dauerte vom 1. November bis Ende Marz. 
Es wurde fiber Dienstgegenstande, im Deutschlesen, Schreiben und 
Rechnen unterrichtet. Den Vortrag fiber Dienstgegenstande fiber- 
nahm der Kompagnie- etc.-Kommandant, den fibrigen XJnterricht er- 
teilten Subaltern- oder Unteroffiziere. Im Frieden sollte nur der 
befordert werden, welcher die Schule mit Erfolg durchgemacht hatte. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



253 



Ausgewahlte Unteroffiziere erhielten durch den Adjatanten 
oder den Rechnungsruhrer Anweisung zur Anfertigung schriftlicher 
Dienstarbeiten. 

Die auf Grund A. E. vom 5. Dezember 1858 in der Militar- 
grenze enrich teten Unteroffizierschulen sind schon erwahnt worden. 

4. Mannschafts-Schulen 

wurden zugweise abgehalten; sie hatten den Unterricht fiber die ver- 
schiedenen Dienstobliegenheiten zum Gegenstande; auch konnte das 
Hal ten von Vortragen iiber Gegenstande der Moral und Religion 
durch den Regimentskaplan angeordnet werden. Der Unterricht fand 
im Winter und sonst bei ungiinstiger Witterung statt. 



Digitized by Google 



Funfter Zeitraum. 

Vom Jahre 1866 bis zur Begrundung der gegenwartig 
bestehenden Verhaltnisse, 1866 bis 1874. 

L Vorl'aufige Anordnungen. 

1. Bei den Truppenschulen. 

Wie der siegreiche Ausgang derjenigen Kampfe, welche das Heer 
in den Jahren 1848 und 1849 gegen aussere und innere Feinde be- 
standen, zu der 1852 in das Leben getretenen Neugestaltung des 
Militar-Erziehungs- und Bildungswesens angeregt hatte, so ausserte 
auf denselben Gegenstand das widrige Ergebnis des Krieges von 1866 
seine Wirkung. Sie ging tiefer als jene. Damals hatte man trotz 
der vorhandenen und empfundenen Mangel gesiegt, jetzt war man, 
wenigstens auf dem ausschlaggebenden Kriegsschauplatze, unterlegen. 
Man tbrschte nach den Ursachen des Missgeschicks , glaubte einen 
der Hauptgrunde in der hoheren geistigen Bildung der Fuhrer des 
preussischen Heeres zu erkennen und legte an dieser Stelle sofort 
die bessernde Hand an. 

Zunachst geschah es auf dem Gebiete der Truppenschulen durch 
den Armee-Oberkommandanten Erzherzog Albrecht in Gemassheit 
einer ihm gewordenen Ermachtigung und auf Grand eines Gutachtens, 
welches eine Kommission unter dem Vorsitze des General-Inspektors der 
Militar-Bildungsanstalten, FML. von Baumgarten, abgegeben hatte, 
durch den Erlass von 

Vorschriften uber die bei den nachbenannten Fusstruppen, 
namlich bei der k. k. Linien- und ausmarschierten Grenz- 
Infanterie, den Jagern, dann bei der Kavallerie abzu- 
haltenden Schulen und iiber die Ausbildung der Ober- 

Offiziere. x ) 



Im Druck erachieuen. 31 Seiten. 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



255 



Die Inspizierung der Schulen, welche bis dahin den General- 
kommanden obgelegen hatte, ging mit Riicksicht auf deren anderweite 
Dienstobliegenheiten und die Ausdehnung vieler Generalate auf die 
Truppendivisionare iiber. Den Generalkommanden verblieb, neben 
der Oberaufsicht, die Entscheidung in okonomischen Angelegenheiten. 
Je nach den ortlicben Verhaltnissen sollten die Schulen zu Verbanden 
vereinigt werden und von Beendigung der Herbstubungen, ohne Unter- 
brechung durch Ferien, bis zu den Fruhjahrsexerzitien dauern. Be- 
teiligung der Schuler am Dienste der Truppen anzuordnen, blieb den 
Divisionaren uberlassen ; Kommandierung zum Wachdienste am Sams- 
tage sollte nicht stattfinden, damit die Schuler dem sonntaglichen 
Gottesdienste nicht entzogen wiirden; wenn sie Wache thun sollten, 
so hatte es am Sonntag Nachmittag zu geschehen. Der Dienst in den 
Schulen war militarisch geordnet. Bei Auswahl der Lehrer sollte 
ausser auf Begabung fur das Fach darauf gesehen werden, dass sie 
Neigung fur dasselbe besassen und dass sie verstanden, in den 
Schulern den militarise lien Geist zu wecken und zu nahren. Bei der 
Auswahl der letzteren hatte Riicksicht auf Energie des Charakters 
ein Hauptaugenmerk zu bilden. 

Die unmittelbare tTberwachung der Schule lag demjenigen Be- 
fehlshaber ob, der die betreffende Abteilung kommandierte. Unter 
ihm stand der Schulkommandant. Samtliche hohere Vorgesetzte 
batten die Schulen in ihre Besichtigungen einzuschliessen und auf 
die wissenschaftlichen Leistungen der Offiziere sorgsam zu achten. 
Die Ergebnisse des Unterrichts sollten bei alien Beforderungen von 
Personen des Mannschaftsstandes bis zum Feldwebel etc. einschliess- 
lich ganz besonders berflcksichtigt und in den Konduitenlisten ange- 
merkt werden. 

PJ Mannschaftsschulen der Fusstruppen und der 

Kavallerie. 

Die Mannschaftsschulen wurden bei der Infanterie kom- 
pagnie- und halbkompagnie-, bei der Kavallerie zugsweise, in den 
Wintermonaten werktaglich, im ubrigen Jahre bei ungfinstiger 
Witterung, abgehalten. Der Unterricht erstreckte sich fur die 
grosse Masse ledighch auf Gegenstande der militarischen Ausbildung, 
doch hatte der Regimentskaplan ab und zu Vortrage uber Religion 
und Moral zu halten. Zur Ausbildung der Chargen bestanden: 

a. Unteroffiziers-Pflanzschulen, nach der Bequartierung 
fur kleinere oder grossere Abteilungen bis zum Regiment hinauf. 



Digitized by Google 



256 Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Der Unterricht, Deutsch, Schon- und Dictandoschreiben , Lesen, 
Rechnen und militarische Vorschriflen umfassend, ward in der 
Regiments-, nach Massgabe der etwaigen Fortsehritte im Deutsehen 
aber in letzterer Sprache erteilt. Das Deutsche war moglichst praktisch 
zu lehren und auf das Erlernen desselben besonderes Gewicht zu 
legen. Fur das Schonschreiben wurden die rastrierten Theken 
(liniiertes Papier) mit vorgedruckten Zeilen und Schriftarten empfohlen. 
Das Rechnen beschrankte sich auf die vier Grundarten, fur Be- 
fahigtere kamen die Bruche hinzu. Als Leitfaden wurden des Hptm. 
Hauer „Elementarbuch" und das „Hilfsbuch fur die Kompagnie- 
(Eskadrons-) Schreibschulen" vom Verfasser des Handbuches fur 
Mannschafts8chulen (Wien, Martin) empfohlen. Kommandant war 
ein der Regimentssprache machtiger Offizier, seine Gehilfen waren 
Unteroffiziere. Die 

b. Manipulations-Schulen bei den Fusstruppen hatten 
Feldwebel etc. auszubilden. Die Schuler waren wach- und dienstfrei, 
die Leitung hatte ein Offizier. Der Unterricht umfasste: Dictando- 
schreiben nebst Erlauterung der Regeln der deutsehen Grammatik, 
Wort- und Satzfugung; militarische Aufsatze (Meldungen, Berichte, 
spezies facti, Quittungen etc.); Arithmetik: die Tier Grand rechnungs- 
arten, gemeine und Dezimalbrfiche, einfache und zusammengesetzte 
Regel-de-tri, Gesellschaftsrechnung; Dienstreglement, namentlich Ver- 
halten des Feldwebels. Die den Manipulations-Schulen gleich- 
stehenden „Regiments-Unteroffiziers-Sehulen der Kavallerie" 
hatten auch uber den Reitdienst und was damit zusammenhangt zu 
unter rich ten. Es nahmen die jungeren Eadetten teil, um fur die 
Equitation yorbereitet zu werden. Ferner gab es 

c. Kompagnie- und Eskadrons-Ghargen-Schulen mit 
der Einrichtung der Unterofifiziers-Pflanzschulen der Infanterie. 

[II] Kadettenschulen der Fusstruppen und Kavallerie- 

Regiments-Equitationen, 

bestimmt, den Offiziersersatz auszubilden, welchen die Bildungs- 
anstalten nicht in genugender Menge lieferten. Das Ungenugende 
einer solchen An or d nun g braucht nicht nachgewiesen zu werden; die 
Schwierigkeit der Aufgabe ward dadurch erhoht, dass der Truppe 
vielfach die Pflicht erwuchs, Anwarter, welche ihren gesamten per- 
sSnlichen Verhaltnissen nach fur den Offizierstand wenig geeignet 
waren, fur denselben zu erziehen. Womoghch waren Brigade- 
schulen aulzustellen, doch durften auch Regiments- und fur die Feld- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



257 



jager Bataillonsschulen eingerichtet werden. Mannschaften, welche 
teilzunehmen wunschten, mussten die von Kadetten geforderten 
Kenntnisse nachweisen. 

Die Anstalten hatten zwei Jahrgange. Der Unterricht dauerte 
bei den Fusstruppen vom Oktober bis zu den Herbstubungen, bei 
der Kavallerie bis zum Friihjahrsexerzieren. Wer den Besitz der zu 
erwerbenden Kenntnisse nachwies, wurde von der Teilnahme befreit. 

Der Unterricht umfasste: 

Fur den 1. Jahrgang: Regiments- nnd deutsche Sprache ; 
Arithmetik und Algebra, ausschliesslich hohere Gleichungen; Ge- 
schichte und Militar-Geographie Osterreichs; Waffenlehre; Situations- 
zeichnen und Terrainlebre; Dienstreglement und Erlauterung der 
Mlitar-Strafgesetze; Abrichtungs- und Exerzierreglement bis ein- 
schliesslich Kompagnie (Eskadron); Taktik der drei Waffen mit be- 
sonderer Berucksichtigung der eigenen; Feldinstruktion ; Turnen; 
Fechten; Scheibenschiessen ; Schwimmen. 

Fur den 2. Jahrgang: Regimentssprache ; Administration: 
Manipulation bei einer Kompagnie (Eskadron); Organisation der k. k. 
Armee; Geometrie; Geometralzeichnen , praktische Messkunst; allge- 
meine Kriegsgeschichte (besonders interessante Gefechte); Militar- 
geographie der Nachbarstaaten ; Pionierdienst (Feld- und Lagerarbeiten) ; 
Situationszeichnen und Terrainlehre ; Taktik der drei Waffen ; Dienst- 
und Exerzierreglement; Feldinstruktion; Erlauterungen der Militar- 
Strafge8etze ; korperliche ttbungen (wie oben). 

Fur die Kavallerie ausserdem Reiten und was damit zu- 
sammenhangt. 

Unterrichts8tunden waren taglich 5 bis 6, davon wochentlich 
in : Deutsch 6, Mathematik 4, Zeichnen nebst Terrainlehre und Mess- 
kunst 6, Geschichte und Geographie 3, militarische Facher 2, Reiten 
Chochstens" drei Pferde) 12, Taktik und Heeresorganisation 5, 
Pionierdienst, Waffenlehre etc. 4. Die ubrige Zeit gehorte der 
notigenfalls vom Auditor oder Kaplan zu lehrenden Regimentssprache, 
den anderen korperlichen tFbungen und der Wiederholung. Den 
zuerst genannten und den Reitunterricht erteilten 9 Lehrer. Rechts- 
pflege trug der Auditor, Manipulation ein Proviantoffizier vor. Dem 
Kaplan konnten auch der Mathematik- und Geschichtsunterricht uber- 
tragen werden. 

Al8 Lehrmittel wurden empfohlen: eine nach Ollendorff Me- 
thode verfasste Sprachlehre; Lehrbuch der Militar-Stilistik fur die 
k. k. Akademien; Moinik, Arithmetik und Geometrie; Geometrie zum 

Monument* Germanise P»edagogio» XV. 17 



Digitized by Google 



258 Geschichte dee Militar - Krziehungs- and -Bildungswesens etc. 



Gebrauch der k. k. Unterrealschulen ; Pfltz, Geschichte, 2. und 3. Ab- 
teilung; Geographie fiir die k. k. Kadetten-Schulen ; Leitfaden fur den 
Unterricht iiber die HandfeuerwaflFen zum Gebrauch der k. k. Infanterie- 
Schul-Kompagnien ; Wasserthal, Pionierdienst (fur den Lehrer); Vor- 
lageblatter von Scheda; Wanka, Terraindarstellung (fur den Lehrer); 
Czibulz, Terrainlehre ; der praktische Dienst im Felde, von einem 
hdheren Offizier; Schuppler, Administration etc. der k. k. Armee; 
Hieser, zeichnende Geometrie; Limpockh, Geometral-Linien-Zeichnung ; 
fiir Kriegsgeschichte nnd Militargeographie die Leitfaden der Akademie ; 
Sonklar, allgemeine Geographie. Das Diktieren war untersagt. Fiir 
Unterrichtsmittel hatte jeder selbst zu sorgen, doch konnten sie 
fur ganz nnbemittelte fleissige Schuler des Mannschaftsstandes ans 
dem Schul-Pauschale beschafft werden. 

Eine am Schlusse des 1. Jahrganges vorgenommene Prufung 
entschied fiber die Versetzung in den 2., eine am Ende des letzteren 
im Beisein der Vorgesetzten abgehaltene fiber den Rang. Nur wer 
befriedigt hatte, durfte zum Offizier vorgeschlagen werden. Personen 
des Mannschaftsstandes, welche den 1. Jahrgang mit Erfolg besucht 
hatten, waren von der Kadettenpriifung entbunden. 

[HI.] Ausbildnng der Offiziere. 

a. Durch Vortrage fiber militarische Gegenstande, von zwei- 
stfindiger Dauer, in moglichst grossem Kreise, wdchentlich zweimal 
abzuhalten. 

b. Durch schriftliche Ausarbeitungen fiber Aufgaben aus dem 
Feldreglement, deren jeder nicht ausdriicklich davon befreite Haupfc- 
mann etc. und Subalternoffizier in jedem Winter drei, unter Beifugung 
von Kroquis, zu liefern hatte. 

c. Durch Fecht-, Schiess-, Reitiibungen und Rekognoszie- 
rungsritte. 



Kavallerie-Brigade-Equitationen, zu den en Rittmeister, welche 
nicht Eakailrons-Kommandanten waren, und Lieutenants wahrend der 6 Winter- 
monate vereinigt wurden, hatten vor aUem die reiterUche Ausbildung und die 
Forderung in alien Zweigen des KavalleriedieDstes zum Gegenstande. Zu den 
theoretischen Vortragen gehorte ein solcher fiber die Taktik der drei Waffen. 
Im allgemeinen sollte ei n Offizier von jeder Eskadron teilnehmen. Ein Staba- 
offizier war Kommandant. 



Ein Teil dieser Anordnungen trat ausser Kraft, als die auf einer 
A. E. vom 13. April 1867 beruhende „Bef6rderungs-Vorschrift fur 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



259 



Generate, Stabsoffiziere , Oberoffiziere, dann Offiziersaspiranten der 
k. k. Landarmee" l ) die „Offiziersaspiranten" geschaffen hatte. Nur 
diesen stand, abgesehen von Auszeichnung vor dem Feinde, Anspruch 
auf Beforderung zu and, urn Offiziersaspirant zu werden, bedurfte es 
des Bestehens von zwei Prfifungen, von denen die erste den Besitz 
eines gewissen Grades allgemeiner Bildung, die zweite genugende 
Kenntnisse in den Faehwissenschaften bezeugen sollte. 

Das Recht der Ernennung zu Offizieren verblieb zunachst noch den 
Regimentsinhabern oder anderen hdheren Befehlshabern. Die Ausubung ward 
aber an die Bedingung geknupft, dass der zu Bef&rdernde die vorgeschriebenen 
Prfifungen gut bestanden habe, und es ward ausserdem befohlen, dass von je 
vier in einem Truppenkdrper frei werdenden Stellen die beiden ersten durch 
die eigenen Offiziersaspiranten nach der Rangtour, die dritte durch einen Zog- 
ling der Militarakademien , die vierte „durch einen vorzugsweise klassifizierten 
Offiziersaspiranten" besetzt werden solle. Die Wahl der letzteren Btand vor- 
laufig noch den Regunentsinhabern etc. zu; sie konnte „aus dem eigenen oder 
einem anderen Truppenkorper, ohne Rucksicht auf die Rangtour" erfolgen. 
Eine A. E. vom 9. Juni 1868 beseitigte auch dieses Vorrecht. Die Ernennung 
samtlicher Offiziere blieb dem Kaiser vorbehalten; die Ernennung zu Offiziers- 
aspiranten wurde dem Kriegsministerium iibertragen. 



Die Schaffdng der Offiziersaspiranten war eine Massregel von 
tief einschneidender Wirkung. Sie erheischte eine Reihe weiterer An- 
ordnungen. Zur Beratung fiber dieselben wurde eine Kommission 
outer dem Vorsitze des FZM. Ritter von Hauslab, des Vorstandes 
samtlicher wissenschaftlichen Militar-Komitees, welcher bereits im 
Jahre 1852 einen nicht zur Annahme gelangten Entwurf fur die 
Einrichtung der Militar-Bildungsanstalten ausgearbeitet hatte, berufen. 
tTber das von derselben abgegebene Gutachten erstattete das Armee- 
Oberkommando am 19. Mai Bericht und am 16. Juni erging die 
A. E. in Gestalt einer 

Vorschrift iiber Prufung und Ernennung zu Kadetten und 
Offiziersaspiranten in der k. k. Landarmee.*) 

Urn die Bewilligung zum Eintritt als Kadett bei einem der 
zur Annahme berechtigten Truppenkorper (Infanterie, Grenzer, Jager, 
Kavallerie, Artillerie, Genie, Pioniere) darf sich jeder Inlander be- 
werben, welcher den fur den Eintritt in das Heer vorgeschriebenen 



") A.-V.-B1. vom 26. April 1867, C.-V. vom 24. April 1867. 
") A.-V.-B1. vom 12. Juli 1867, C.-V. vom 11. Juli 1867. 

17* 



Digitized by Google 



260 Geschichte dee Militar-Eraiehunga- uud -Bildungswesens etc. 



Bedingnngen entspricht und ein makelloses Vorleben, sowie eine 
Subsistenzzulage nachzuweisen vermag, welche bei der Kavallerie 
nicht hoher als 25, bei den iibrigen Truppen nicht ho her als 
10 Gulden monatlicb gefordert werden darf. Ausserdem ist jedem 
schon dienenden, gut konduisierten Soldaten vom Feldwebel etc. 
abwarts gestattet, sich um die Ernennung zum Kadett zu be* 
werben. Bei dieser hat ein jeder, die Sdhne der in den Armeeverband 
gehorigen Offiziere etc. vom Hauptmann abwarts ausgenommen, die 
Eintrittstaxe von 20 Gulden zu bezahlen. Die Gesuche sind an 
den Regimentsinhaber bezw. dessen Stellvertreter zu richten, welcher 
sie ohne triftige Grunde nicht zuriickweisen darf. 

Der Ernennung geht eine Priifung voran, welche vierteljahrlich 
bei den Manterie-Truppen-Divisionskommanden bezw. einem Truppen- 
teile der Artillerie etc. abgehalten wird. Sie kann im Frieden vor 
und nach dem Eintritte stattfinden; wahrend eines Krieges darf nur 
geprflft werden, wer noch nicht Soldat ist. Wer aus einem Ober- 
Erziehungshause oder einer Schulkompagnie mit Auszeichnung ge- 
schieden ist, braucht behufs Ernennung zum Kadett keine Priifung 
abzulegen. 

Als Offiziersaspiranten, zu deren Annahme ausser den zur 
Einstellung als Kadetten berechtigten Truppenteilen gewisse Be- 
ll orden etc. berechtigt sind, diirfen geeignete Soldaten vom Feld- 
webel etc. abwarts (Kadetten, sowie Nichtkadetten), bei der Linien- 
Infanterie, den Grenzern, Jagern und der Kavallerie auch junge 
Leute aus dem bflrgerlichen Stande angenommen werden, welche die 
an Kadetten gestellten Vorbedingungen erfullen. 

An Kenntnissen werden gefordert: 

1) Priifung zum Kadett. 

Sprachkenntnis: Fahigkeit sich fiber einen einfachen Gegen- 
stand, mtindlich wie schriftlich, klar und bundig auszudriicken; leser- 
liche Handschrift; korrektes Schreiben. 

Mathematik: wie in der letzten Klasse der Unterrealschule 
(des Untergymnasium8). 

Geographie: Einfache Grundbegriffe der mathematischen, 
Kenntnis der Verteilung von Land und Meer im grossen, der be- 
deutendsten Gebirgszuge, Hoch- und Tiefebenen, Flussgebiete , der 
politischen Einteilung von Europa; eingehende Kenntnis von Mittel- 
europa, insbesondere Osterreichs, in bezug auf Gebirge, Fliisse, 
politische Einteilung und Bevolkerung. 



Digitized by Google 



Osterreich- Ungarn . 



261 



Geschichte: Allgemeine Kenntnis von Altertum und Mittel- 
alter; Kenntnis der neueren und neuesten Zeit, besonders Oster- 
reichs. 

2) Prufung zum Offiziersaspiranten. 

a. Linien-Infanterie, Grenztruppen, Jager und Ka- 
vallerie. 

Sprachkenntnis: Ausser Deutsch (Fertigkeit im miindlichen 
und schriftlichen Gedankenausdruck, korrekter Sul) Regimentssprache, 
urn sich der Mannscbaft' verstandlich machen zu konnen. 

Mathematik: Algebra, einschliesslich Gleichungen 2. Grades mit 
einer und mehreren Unbekannten; Planimetrie, Stereometrie , ebene 
Trigonometrie; Linearzeichnen, Konstruktion der in der Geometrie vor- 
kommenden Aufgaben. 

Praktische Messkunst: Elementaroperationen des Aufnehuiens 
mit dem Messtisch, Krokieren, soweit es fur den Subalternoffizier 
notig ist. 

Terrainlehre und Terraindarstellung (Situationszeichnen): 
Benennung und Wurdigung der Terrainformen im Wirkungskreise 
des Subalternoffiziers; Karten- und Planlesen; Zeichnen eines ein- 
fachen Situationsplans. 

Geographie: Genauere Kenntnis der Oro- und Hydrographie, 
der Hauptkommunikationen , Festungen, Kriegshafen von Mittel- 
europa, besonders Osterreichs. 

Geschichte: Gute Kenntnis der Hauptbegebenheiten (besonders 
Neuzeit, namentlich Osterreichs). 

Militar-Administration: Vorscbriften fur die Kompagnie 
bezw. Eskadron. 

Abriohtungs- und Exerzierreglement, bis einschliesslich 
Kompagnie bezw. Kavallerie-Division. 

Dienstreglement: Wirkungskreis des Subalternoffiziers. 

Organisation: Gliederung der Armee im grossen (Frieden, 
Krieg), Genaueres fiber die eigene Waffe. 

Taktik der dreiWaffen: Allgemeine Kenntnis aller, genauere 
der eigenen, im Wirkungskreise des Subalternoffiziers. 

Pionierdienst: Herstellung und Zerstorung von Land- und 
Wasserkommunikationen durch die eigene Mannschaft, wichtigste 
Lagerarbeiten, Feldbefestigung, Herrichtung von Ortlichkeiten zur 
Verteidigung. 



Digitized by Google 



262 Geschichte das AlilitSr-Erziebungs- und -Bildungswesena etc. 



Permanente Befestigung: Hauptbestandteile einer Festung, 
Angriffs- und Verteidigungsarbeiten. 

Waffenlehre: Hand- und Feuerwaffen, Geschutze und Munition 
der eigenen Armee. 

Bei der Kavallerie ferner: Exterieur, Krankheiten, Hufbe- 
schlag, Wartung, Sattelung, Zaumung des Pferdes, Reiten. 

b. Bei der Artillerie: Ebenso unter folgenden Abwei- 
chungen: 

Sprachkenntnis: Ausser Deutsch eine der Nationalsprachen. 

Mathematik: Elementarmathematik , einschliesslich spharische 
Trigonometric Kegelschnittslinien und Elemente der analytischen 
Geometrie; auf diese Elementarkenntnisse gegrundet: Mechanik, Ma- 
8chinenlehre t Pbysik. 

Praktische Messkunst: Aufaahmen mit dem Messtisch, a la 
vue, Nivellieren, Schichtlegung. 

Militar-Admini8tration: Vorschriften fur die Batterie bezw. 
Kompagnie und die technische Artillerie. 

Pionierdienst: Herstellung von Feldbatterien und Einrichtung 
von Feldsehanzen far Geschutzverteidigung. 

Permanente Befestigung: wie in der Artillerieakademie, die 
Waffenlehre nur roit elementar - mathematisch - physikalischer Be- 
grundung. 

Chemie mit Rucksicht auf Technologie, soweit sie in der 
Artillerie Anwendung findet. 

Zeichnen von Geschutzen, fortifikatorischen Planen, Maschinen. 
Pferdewesen, Reiten, Fahren. 

c. Bei den Genie- und Pioniertruppen abweichend von der 
Infanterie etc.: 

Mathematik: Mechanik, mathematische und darstellende Geo- 
metrie wie in der Genie- Akademie ; Mathematik einschliesslich alge- 
braische Analysis, analytische Geometrie, Differential- und Integral- 
rechnung. 

Praktische Messkunst: wie bei der Artillerie. 

Terrainlehre etc.: Zeichnen von Situationsplanen mit Dar- 
stellung der Unebenheiten durch Schraffierung und durch Horizontal- 
schichten. 

Militar-Administration: Bau-Administrationsdienst wie fur 
den Objektskommandanten. 

Pionierdienst: Pionier-, Land- und Wasser-, Sappe- und 



Digitized by Google 



OBterreich-Ungarn. 



263 



Minendienst wie far den 2. Jahrgang der Regimentsschulen; Feld- 
befestigung wie in der Genieakademie. 

Ferner: Bautechnologie , burgerliche, Bracken-, Strassen-, 
Wasserbaukunst, Elemente der*Sch6nbaukunst, Ornamenten-, Masehinen- 
zeichnen, Eisenkonstruktionen wie in der Genieakademie. 

Prfifungen der Offiziersaspiranten finden fur bereits Die- 
nende am Schluss des Schuljahres der betreffenden Bildungsan- 
stalten, fur Zivilanwarter zu derselben Zeit und in der 1. Dezember- 
halfte statt. 

Das Urteil kann bei beiden Prufungen auf vorzuglich, gut, 
ungenugend lauten. In letzterem Falle kann die Prufung einmal, 
jedoch nicht vor Ablauf eines Jahres , wiederholt werden, doch kann 
unter (Jmstanden bereits nach der ersten Prufung endgiiltige Ab- 
weisung erfolgen. Fur die in der Aspirantenprufung Bestandenen 
wird eine Reihenfolge festgestellt, in welcher die aus dem Zivil hervor- 
gegangenen die letzte Stelle einnehmen. 

Ferner wurde bestimmt, dass die Offiziersaspiranten die 
Prarogativen der Kadetten haben, an den Vortragen und praktischen 
TTbungen der Ofifiziere teilnehmen und auch ausser Dienst mogliohst 
in deren Gesellschaft gezogen werden sollten. Sie batten das seidene 
Portepee der Unteroffiziere, thaten den Dienst ihrer Charge, empfingen 
die entsprechenden Gebuhren und wurden gesondert von der Mann- 
schaft bequartdert. Die Adjustierangs-Vorschrift vom 2. April 186 8 
verlieh ihnen das goldene Bortchen der Feldwebel am Kragen und, 
auf den Enden des letzteren, einen silbernen Distinktionsstern ; der 
Tschako hatte die Feldwebelborte. Behufs ihrer Vorbereitung auf 
die Prufung wurden nachstehende 

Offiziersaspiranten-Schulen 
geschaffen, deren Lehrplan dem Umfange der Prafungsforderangen 
entsprach: 

a. Offizier8a8piranten-Schule fur die Artillerie 
zu Wien, mit 2 Jahrgangen von je 50 Frequentanten (hochstens). 
Sie sollte hauptsachlich befabigtere Unteroffiziere aumehmen und 
eroffhete den Besuchern giinstige Aussichten, da diese nach ihrer 
Absolvierang im September Kadetten, im Oktober Offiziersaspiranten 
und im November, mithin ein Jahr vor dem gleichen Jahrgange 
der Militartechnischen Schule, Lieutenants wurden. Sie hatte 
daher wahrend der kurzen Zeit ihres Bestehens ^ starken Zudrang. 

Dolleczek a. a. 0., S. 607. 



Digitized by Google 



264 Gescbichte dee Milit&r-Erziehungs- nnd -Bildungsweaena etc 



b. Offiziersaspiranten-Schule fur die technischen 

Truppen 

(Genie und Pioniere) zu Erems, mit zwei Jahrgangen von je 24 Fre- 
quentanten, welche nur dann eroffnet wurde, wenn eine genugende 
Schulerzahl vorhanden war. 

Dem Eintritte in beideSchulen ging eine Prufung vorauf; die 
Schlussprufungen umfassten die Vortrage beider Jahrgange. Wer 
in b. bestand, trat, falls er zum Unterlieutenant befordert war, in den 
hoheren Geniekurs; unter der namlichen Voraussetzung durfte der 
aus a. Austretende um Einteilung zum hSheren Artillerie-Kurse 
nachsuchen. 

c. Truppen-Divisions-Schulen *) 
fur Infanterie- und Kavallerie-Truppen, an den Sitzen der Divisions- 
kommandos, fur die Kadetten und zu Offizieren geeignete Mann- 
schaften, welche die Kadettenprufung bestanden hatten. Der Unter- 
richt dauerte von Anfang Oktober bis Ende Juni. Dann legte der 
1. Jahrgang eine Prufung ab, von deren Ausfalle die Wiederein- 
berufung abhing, und kehrte vorlaufig zur Truppe zuruck ; der 2. ward 
der Schlussprufung unterzogen. 

Die Schulen waren Truppenschulen. Die Frequentanten, welche 
kaserniert waren und eine gemeinsame Menage fiihrten, wurden als 
Soldaten behandelt und nicht dem Zwange der Bildungsanstalten 
unterworfen. Kommandanten waren Stabsoffiziere oder Hauptleute 
(Rittmeister), Lehrer Offiziere, welche zugleich mit Hilfe geeigneter Fre- 
quentanten den Dienstbetrieb beaufsichtigten. Jede Divisions-Schule 
erhielt zur ersten Einrichtung 1000, fur Lehrmittel erhielten a. und b. 
je 800, c. je 400 Gulden jahrlich. 

2. Bei den Militar-Bildungsanstalten. 

Durch A. E. vom 31. Mai 1867 ward im Hinblick auf die ge- 
planten Anderungen angeordnet, dass die Altersgrenze fur den Eintritt 
in die Kadetten-Institute , behufs besserer Vorbildung in den offent- 
lichen Schulen, von 12 auf 13 Jahre zu verlegen sei. tTberhaupt 
sollte die Militarerziehung moglichst abgekurzt werden und daher 
sollten die zu unmittelbarem Eintritte in die Truppe in den Stand 
setzenden Anstalten vermehrt, die fur die Vorbereitung bestimmten 
vermindert werden. Die in Guns in Kraft befindliche Einrichtung 



*) Vorechrift fQr die Trappen-Divisions-Schulen, mitgeteilt durch A.-V.-Bl. 
vom 12. Juli 1867, C.-V. vom 11. Juli 1867. 



Digitized by Googl 



Osterreich- Ungarn . 



265 



eines praktischen Kursus ward auf die anderen Ober-Erziehungshauser 
aasgedehnt. Die Schulkompagnien und die praktischen Kurse sollten 
zugleich den Ersatz der Kavallerie berflcksichtigen. Der Kursus der 
Schulkompagnien ward auch fur die Infanterie von 2 auf 3 Jahre aus- 
gedehnt; demnachst sollten ihre ausgezeichnetesten Zoglinge ebenfalls 
in die Akademien versetzt werden; nach Wiener- Neustadt sollte es 
schon am 1. Oktober 1867 geschehen. Die Schulkompagnien erhielten, 
ihrer hoheren Bestimmung entsprechend , Tanzlehrer. Der hohere 
Genie -Kurs ward auf 2 Jahre erweitert und eine entsprechende 
Anderung des Lehrplanes der Akademie empfohlen. Zur Kriegs- 
schule durften, ausser den eigentlichen Frequentanten , auch andere 
Offiziere, namentlich von der Kavallerie, als Horer zugelassen werden. 

Bei den technischen Truppen bestrebte sich die ihnen vorge- 
setzte General - Genie -Inspektion, die Ausbildung der Offiziere des 
Pionier-Regiments auf die Hone der an die Genieoffiziere gestellten 
Anspruche zu fordern. Ein in ihrem Auftrage beim Pionierregimente 
bearbeitetes Unterrichtsnormale vom 12. Oktober 1867 schrieb vor, 1 ) 
dass behufs Beforderung zu Oberlieutenants die Offiziere eine Prufung 
aus der Baukunst, besondere dem Strassen-, Wasser- und Briicken- 
Baue, in dem fur den 4. Jahrgang der Genie-Akademie vorgeschrie- 
foenen Umfange, zu Hauptleuten aus der Befestigungskunst und der 
Taktik, in gleichem Umfange wie fur Genieoffiziere erforderlich, ab- 
legen sollten. Jeder, der nicht durch langere Dienstzeit im Regimente 
als Offizier sich derart theoretisch und praktisch bewandert erwiesen 
habe, dass seine erspriessliche Verwendung als Pionieroffizier jeder- 
zeit als gesichert betrachtet werden konne, war der Prufung zu unter- 
werfen; nur einige altere Offiziere einer jeden Charge wurden davon 
befreit. Ffir die ubrigen wurden „Offlziers-Schulen M errichtet, 
in denen in drei Abteilungen Mathematik, Baukunst, Befestigungs- 
kunst und Taktik vorgetragen wurden. Sie begannen am 1. November 
und sollten im Sommer, soweit der anderweite Dienst gestattete, fort- 
bestehen. Da bereits am 1. September 1868 die technischen Truppen 
wieder getrennt wurden und das Pionierregiment von neuem dem 
Generalstabe unterstellt ward, batten die Bestimmungen nur geringe 
Tragweite. 

Die ubrigen Neuerungen werden, da sie in engem Zusammen- 
hange mit den 1868 massgebend gewordenen Einrichtungen stehen, 
bei letzteren erwahnt werden. 



*) Brinner a. a. O., 2. Teil, 1. Band, S. 208. 



Digitized by Google 



266 Geschicbte dee MilitSr-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



II. Die Neuordnung vom Jahre 1868. 

1. Die Milit&r-Bildungsanstalteii. 

A. Leitende Grundsatze. 

Ein Rflckblick auf die seit 1852 verflossenen Jahre zeigt, dass 
bis 1866 viel geleistet war. Namentlich hatte die Zahl der aus den 
Bildungsanstalten hervorgegangenen Zoglinge zugenommen. Wahrend 
1852 die uiederen Anstalten im Durchschnitt 1 ) jahrlich 130, die 
hoheren 60 Offiziere geliefert hatten, waren es 1866 236 bezw. 145. 
Die einheitliche Leitung hatte eine grosse, nicht selten allzu grosse 
Thatigkeit entwickelt; sie hatte bereits eingestehen mussen, dass die 
Entwurfe Scudiers fiber das Notige mid Erreichbare hinausgegangen 
waren, und erhebliche Abstriche an ihnen gemacht. Der Vorwurf, dass 
zn viel Geld ausgegeben war, bildete eins der gewichtigsten Bedenken. 
Das Bauwesen hatte sehr erhebliche Sum men, es hiess 14000 000 
Gulden, gekostet. Die Herstellung eines Akademiegebaudes fur die 
technischen Truppen (S. 235) hatte 2 bis 3 Millionen erfordert, dann war 
der Bau eingestellt, das Gemauer auf Abbruch Terkauft. Gegner des 
Systems behaupteten ferner, dass die Bildungsanstalten noch immer 
zu sehr Wohlthatigkeitsanstalten seien und gegen ungeeignete Zog- 
linge allzu nachsichtig verfuhren, dass die humanistische Bildung 
vernachlassigt werde, dass klosterliche Abgeschiedenheit die mili- 
tarische Jugend von der Aussenwelt und sugar vom Verkehr mit den 
Ihrigen fern hielte und eine schlechte Vorbildung fur das spatere 
Leben biete. In den zur Vorbereitung fur den Offizierstand be- 
stimmten Anstalten ward die Teilnahme von Unteroffizieren an der 
Erziehung immer mehr als schwerer t)belstand empfunden. Es 
fehlten denselben vielfach padagogisches Geschick und geseUschaft- 
liche Bildung; den Kasernenton und die oft rohe Behandlung, in 
denen sie sich haufig gefielen, erwiderten ihre Untergebenen mit Trotz, 
Hohn und nicht selten mit groben Ausschreitungen , welche mit 
schweren Strafen geahndet wurden. Die als Unteroffiziere aus- 
tretenden Zoglinge wuchsen in Verhaltnissen auf, deren Anspruche 
ihre spatere Stellung nicht erfullen konnte. Endlich lit t die Gute 
des Lehr- und Aufsichtspersonals unter dem grossen Bedarfe. 

Die offentliche Meinung forderte grundsatzliche Neuerungen, 

») Streffleura Oaterr. mil. Zeitechrift 1866, IV, 82. 

Digitized by Google 



ftsterreich-Ungarn. 



267 



welche auch durcb die bevorstehende Einfuhrung der allgemeinen 
Wehrpflicht bedingt wurden; dabei notigte aber die wirtschaftliche 
Lage des Staates zu ausserster Sparsamkeit. Kin e Hilfe gewahrte auf der 
anderen Seite der bobere Standpunkt der offentlichen Schulen im Ver- 
gleicbe zu dem, welchen sie 1852 eingenommen hatten. Dieser Um- 
stand rief den Gedanken hervor, die militarischen Elementar- und Vor- 
bereitungsanstalten zu beschranken und die bisherigen Aufwendungen 
fur Stiftsplatze wenigstens teilweise als Stipendien zu verwerten, 
deren Genuss die Nutzniesser in den Stand setzen wurde, ihre Vor- 
bildung fur den Offiziersberuf auf den offentlichen Schulen zu er- 
werben. Fur die grosse Masse der Truppenoffiziere rechnete man 
ausserdem auf einen vermehrten Zudrang, welchen das neue Wehr- 
gesetz schaffen wurde, eine Erwartung, welche sich nicht erfullte. 

Wie im Jahre 1852 Scudier es gewesen war, so wurde jetzt 
der am 7. Mai 1868 durch den am 18. Januar d. J. zum Kriegs- 
minister ernannten FZM. Franz Freiherrn von Kuhn an die 
Spitze der 6. Abteilung berufene Ob. Eduard Ritter Pechmann 
vonMassen, welcher damals als „unangestellt" zu Wiener-Neustadt 
lebte, die Seele der Neuerung. Kuhn, ein Neustadter und der Vor- 
zuglichste seines Jahrganges, war ein allgemein und fachwissenschaft- 
lich hocbgebildeter Mann und ein Freund der klassischen Studien; 
Pechmann war als vorzuglicher Mathematiker, besonders auf geo- 
dati8chem Gebiete, bekannt; 1 ) dabei war er ein grundlich gebildeter 
Padagog, Geist vom Geiste Kuhns. 8 ) 

Als leitende Grundsatze 3 ) fur die Neuordnung wurden auf- 
gestellt: Verminderung der Kosten; Ersatz der Unteroffizier-Erzieh- 
ungsanstalten durch Truppenschulen ; Belassung der Anwarter fux die 
hoheren Anstalten in elterlicher Obhut bis zu vollendetem 14. Lebens- 
jahre unter Gewahrung von Stipendien; Pflege der humanitaren 
Bildung in den Offizier-Erziehungsanstalten bei engerem Anschlusse 
der letzteren an die burgerlichen Staatsanstalten ; Verwendung ge- 
prufter Lehrer in den Militar-Bildungsanstalten; Erziehung durch 
geeignete OfiBziere. 

In betreff der Einrichtung der kiinftigen Bildungsanstalten wurde 
bestimmt, dass die Mitwirkung von Unteroffizieren bei der Erziehung, 
sowie die Fernhaltung der Zoglinge von der Aussenwelt aufhoren, 

») Erater Jahresbericht iiber die k. k. Militar-Erziehungs- und -Bildungs- 
anstalten, Wien 1884, 8. 11. 

9 ) Militar- und Marine-Zeitung Nr. 137, Wien, 7. April 1886. 
») Ostercdchisch-ungariiche Blatter, Teachen 1877, II, 265. 



Digitized by Google 



268 



Geschichte des Militar-Erriehungs- und -BildungBweaena etc. 



dass die Beurteilung ihrer Leistaogen durch eine anders geartete 
Klassifikation, bei welcher die einzelnen Lehrfacher ihrer Bedeutung 
entsprechend mehr oder weniger hoch bewertet wurden, zweckmassiger 
gestaltet and dass beim AuMcken in hohere Klassen ein strengerer 
Massstab angelegt werden solle. Es sollten Lehrerkonferenzen mit 
beratender Stimme abgehalten und die Schlussprafungen durch Kom- 
mi88ionen unter dem Vorsitze dazu befehligter Offiziere vorgenommen 
werden. An die Lehrer wurden hohere Anforderungen gemacht. 

Bereits durch eine mittels C.-V. vom 13. Juni 1867, Prasidiale 
Nr. 2176, veroffentlichte A. E. vom 31. Mai ward bestimmt, dass ein jeder 
Offizier des aktiven oder Ruhestandes, welcher Unterricht geben 
wolle, vorher eine Priifung abzulegen, dass er vor tJbernahrae eines 
Vortrages eine Zeitlang (etwa ein Semester) dem Unterrichte seines 
Vorgangers beizuwohnen und eine ljahrige Probezeit zu bestehen habe. 
Eine C.-V. vom 21. Juni 1870 ') teilte mit, dass nur solche Offiziere, 
aktive wie vom Ruhestande, als Lehrer humanistischer und natur- 
wi8senschaftlicher Facher in den Militar-Bildungsanstalten verwendet 
werden wurden, welche die Lehramtsprufung 8 ) vor der Realschul- 
Priifungskommission zu Wien bestanden hatten. Wenn dieselben 
ihre Thatigkeit auf die Militar-Bildungsanstalten beschrankten, wurde 
vom Nachweise der sonst geforderten Vorstudien und von der Ma- 
turitatsprufung abgesehen werden. Diese in dem fur die Ober-Real- 
schule vorgeschriebenen Umfange abzulegende Prufung erstreckte 
sich auf zwei Gruppen: Deutsch, Ungarisch, Bohmisch, Franzosisch, 
Geographie, Geschichte; Elementar-Mathematik, darstellende Geo- 
metric, Naturgeschichte, Physik, Chemie. Jeder Bewerber hatte sich 
mindestens in zwei Gegenstanden derselben Gruppe prufen zu lassen, 
in Geschichte nur in Verbindung mit Geographie. 

B. Vorbereitende Anordnungen. 

Eine A. E. vom 13. August 1868 befahl, dass mit dem Schuljahre 
1868/1860 das Militar-Untererziehungshaus Weisskirchen im Banate, 
die Infanterie-Schulkompagnien Olmutz und Eainburg, das Kadetten- 
institut Hamburg und das Militarlehrer-Institut aufzulosen und in 
den 1. Jahrgang der bestehen bleibenden Anstalten, ausgenommen 
Schulkompagnien und Akademien, Aspiranten aus der Privaterziehung 
nicht mehr aufzunehmen seien. Der Eintritt in die Militar-Bildungs- 



') N.-V.-BL, 87. Stiick vom 27. Juni 1870. 
«) Reichsgesetee 1853, 24. Stflck. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



269 



anstalten habe in Zukunft in reiferem Alter und mit hoheren Vor- 
kenntnissen als bisher zu erfolgen. Denjenigen Aspiranten, welche 
Anspruch auf einen Militar-Zoglingsplatz batten, blieb dieser gewahrt. 
Sie sollten , wenn sie nicht in eine Anstalt aufgenommen wurden, zur 
Yorbereitung fur den Eintritt in eine solche Stipendien erhalten. 
Diese betrugen : fur einen ganzen Unter-Erziehungshausplatz 150, fur 
einen halben 75, fur einen ganzen Ober-Erziehungshausplatz 170, fur 
einen halben 85, fur einen ganzen Kadetteninstitutsplatz 300, fur 
einen halben 150 Gulden. Der Fortgenuss von Stipendien ward von 
der Beibringung entsprechender Schulzeugnisse abhangig gemacht 
Ein statt eines Unter-Erziehungshausplatzes gewahrtes Stipendium 
sollte zum Besuche der dem Alter entsprechenden Klasse einer Nor- 
mal -Haupt-, ein statt eines Ober-Erziehungshausplatzes gegebenes 
zu dem der betreffenden Klasse einer Unterreal-, ein statt eines 
Kadetteninstitutsplatzes zuerkanntes zu dem der korrespondierenden 
Klasse eines Real-Unter- oder Obergymnasiums bezw. einer Unter- 
oder Ober-Realschule, je nachdem der Eintritt in die Militar- oder in 
die Genie- oder Artillerie-Akademie erstrebt wurde, verpflichten. Die 
Durchfiihrung der Anordnung machte viele Schwierigkeiten, welche 
noch dadurch vermehrt wurden, dass von den auf nichtdeutschen 
Schulen Unterrichteten genQgende Fortschritte im Deutschen nach- 
gewiesen werden mussten. 

Durch die Aufhebung der fur Knaben bestimmten Anstalten 
wurde eine grosse Zahl von Omzieren und Militarbeamten hart be- 
troffen, denen die Gelegenheit fehlte, sie zu Hause unterrichten zu 
lassen. Der Kaiser genehmigte daher am 24. August 1870, dass 
letztere aus dem Bereiche der Generalkommanden Lemberg, Ofen 
und zum teil Agram, der Divisions- und Militarkommanden 
Krakau, Kaschau, Pressburg, Temesvar, Hermannstadt und Zara, 
falls ihnen keine Gelegenheit zum Besuche deutscher Schulen ge- 
boten sei, schon beim tTbertritte in die Mittelschulen bei Lehrer- 
familien oder in Konvikten in deutschen Provinzen untergebracht 
werden dflrften. Die Bewerber urn eine solche Vergunstigung mussten 
fur die unterste Gymnasialklasse reif und der deutschen Sprache 
machtig sein. Das Arar bestritt Unterkunft, Verpflegung, Lehr- 
mittel; fur Kleidung, Wasche, Schuhwerk sorgten die Angehorigen. 
Sie besuchten die betreffenden Gymnasien und traten nach gut ab- 
solviertem Untergymnasium in ein zu Sankt Polten zu errichtendes 
Militar-Kollegium uber. 

In Ausfuhrung der erlassenen Bestimmungen gingen ein: die 



Digitized by Google 



270 



Geechichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungawesens etc. 



Untererziehungshauser zu Weisskirchen im Banate 1868, Brack an der 
Leitha und Prerau 1869, Fischau 1870, die Obererziehungshauser zu 
Kamenitz 1869, Kaschau 1871, Kuttenberg 1872, Strass 1873, Guns 
1874, die Infanterie-Schulkompagnien zu Olmutz und Hainburg und 
die drei Grenz-Schulkompagnien 1868, die Artillerie-Schulkompagnien 
zu Krakau, Liebenau, Olmutz und Prag, die Genie-Schulkompagnie 
zu Sankt Polten und die Pionier-Schulkompagnie zu Tulln 1869, die 
Kadetten -Institute zu Hainburg 1868, Marburg 1869, Sankt Polten 
1870, Eisenstadt 1871, wogegen 1870 das Miiitarkollegium zu Sankt 
Polten eroffnet ward. In den beiden 1869 bestehen bleibenden Ka- 
detten-Instituten wurden zu Eisenstadt die vier 3., in Sankt Polten 
die vier 4. Jahrgange vereinigt. 

C. Durchfuhrung der vorbereitenden Anordnungen. 

Eine A. E. vom 7. Juni 1871 brachte die Vorbereitungen zum 
Abschlusse. Sie verfugte nachstehende, durch das N.-V.-Bl. vom 
1. Juli, 30. Stuck, veroffentlichte , hier im Auszuge wiedergegebene 

Organische Bestimmungen fur die k. k. Militar-Bildungs- 

Anstalten. 

Die Militar-Bildungs-Anstalten zerfallen in: 

Militar-Erziehungs- und Bildungsanstalten: Militar- 
technische Schule (mit einer Voranstalt), Militar-Kollegium ; Militar- 
Akademien. Erstere bereiteten fur letztere vor. 

Fachbildungsanstalten: der hohere Artillerie-, der h5here 
Genie-Kurs, die Kriegsschule, der Zentral-Infanterie- und der Zentral- 
Kavallerie-Kurs, sowie seit 1873 ein Vorbereitungskurs fur Stabs- 
offizier-Aspiranten der Artillerie. 

Die Erziehungs- sollten zugleich Wohlthatigkeitsanstalten sein; 
die Fachbildungsanstalten sollten fur hohere dienstliche Verwendung 
ausbilden. Die Oberleitung hatte das Kriegsministerium, insonder- 
heit die VI. Abteilung; die Aufsichtsfuhrung war durch die In- 
spizierungsvorschrift fiir das Heer, enthalten in den Organischen Be- 
stimmungen fur das Heerwesen (N.-V.-Bl. 1869, 26. Stuck, C.-V. vom 
30. Marz, Pras. 1260) geregelt. Kommandanten der Anstalten, welche 
Generale oder Stabsoffiziere waren, hatten die Strafbefugnis eines 
Regimentskommandanten. Die Ernennung der Kommandanten, 
Studiendirektoren und Zivilprofessoren verfugte der Kaiser, die An- 
stellung des ubrigen Personals das Ministerium. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



271 



21. Jlilitar-Erziehungs- und Bildungsanstalten. 
Die Zoglinge waren Militarzoglinge in ganz- oder halbfreien 
Platzen, Stiftlinge (Staats-, Landes-, Privat-) oder Zahlzoglinge. 
Au8serdem konnten ganze und halbe Stipe ndien hoherer oder nie- 
derer Kategorie verliehen werden. Die hohere Kategorie gewahrte 
Anwartschaft auf die Akademien, die niedere auf die iibrigen An- 
stalten. 

Bedingung der Aufnahme wie der Verleihung eines Stipen- 
diums waren: korperliche Eignung, Kenntnis des Deutschen und 
entsprecbender Schulbesuch, mindestens der 1. Fortgangsklasse. Fur 
jedes auf einem ganzen oder halben Freiplatze in einer Anstalt zu- 
gebrachte oder begonnene Jahr war era ganzes bezw. halbes Jahr 
iiber die dreijahrige Linien-Dienstpflicht prasent zu dienen, wobei 
jedoch ein Dienen fiber die gesetzliche Prasenz-Dienstdauer von 10 
(unter TJmstanden 7) Jahren ausgeschlossen war. Zahlzoglinge 
mussten, wenn sie langer als 4 Jahre in einer Anstalt gewesen waren, 
ein 4. Prasenzjahr dienen. Fur Stipendisten galten besondere Be- 
stimmungen. Wer vorzeitig aus einer Erziehungs anstalt ausschied, 
durfte nicht vor seinen Jahrgangsgenossen Offizier werden. 

Das Schuljahr dauerte vom Oktober bis zur zweiten Halfte des 
August; im September waren Ferien. 

o. Die Militartechnische Schule zu Mahrisch-Wei^s- 

kirchen, 

zu welcher im Herbst 1869 die Artillerie-Schulkompagnien aus Prag, 
Olmutz, Liebenau und Krakau vereinigt wurden, bereitete ihre 480 
Zoglinge fur die Technische Militarakademie oder fflr die Artillerie- 
Kadettenschule vor. Der oberste der drei Jahrgange zerfiel in zwei 
Teile, in deren einem, der „theoreti8chen Abteilung", 30 bis 35 Zog- 
linge, besonders durch mathematischen Unterricht, fflr den Eintritt 
in die Technische Akademie vorbereitet wurden. Die Anstalt 
teilte die Raume der nach Wien verlegten Artillerie- Akademie mit 
zwei Batterien und einer Artillerieequitation. Bedingung der Auf- 
nahme war erfolgreiche Absolvierung einer Unterrealschule oder 
eines TJntergymnasiums. Der Lehrplan, welcher der der Ober- 
realschule war, umfasste Religion, Deutsch, Franzdsisch, Bohmisch 
(oder Ungarisch), Mathematik, praktische Messkunst, Physik, tech- 
nische Chemie, Naturgeschichte, Geographie, Geschichte, Militar- 
Stilistik , Dienst-, Abrichtungs-, Exerzier-Reglement, Schonschreiben, 
Stenographic, darstellende Geometric nebst Zeichnen, Freihand- und 



Digitized by Google 



272 Geschicbte de8 Militar-Eraiehungs- und -Bildungswesene etc. 



Situationszeichnen, Pferdepflege, Turnen, Fechten, Schwimmen, Exer- 
zieren, Scheibenschiessen mit Gewehr und Geschutz, Messtisch- und 
a la vue Aufnehmen, Reiten. 

Kommandant war ein Artillerie-Stabsoffizier; ausserdem waren 
31 Offiziere, 2 geistliche Professoren und 135 Personen vom Feld- 
webel abwarts thatig. Wer die Schule „mit Vorzug" durchmachte, 
trat in die Technische Militar-Akademie fiber ; die ubrigen kamen, 
soweit sie genugt batten, als Unteroffiziere oder Vormeister zu Re- 
gimentern und durften nach Jahresfrist die Kadettenschule besuehen. 
„Ungeeignete" wurden als Oberkanoniere ausgemustert. 

Als Vorbereitungsanstalt diente ein Ober-Erziehungshaus 
zu Guns mit 200 Zoglingen und im allgemeinen dem Lehrplane 
der Unterrealschule. 

b. Das Militarkollegium zu Sankt PSlten, 

mit Beginn des Schuljahres 1870/71 an Stelle des dortigen Ka- 
detteninstitutes getreten, bereitete fur Wiener- Neustadt vor. Be- 
dingung der Aufnahme sollte ursprunglich erfolgreicher Besuoh 
der 4. Klasse eines G) T mnasiums oder Realgymnasiums sein, doch 
ward der Zutritt auch denen eroffnet, welche mit gutem Erfolge die 
5. Gymnasialklasse besucht hatten. Der Aufenthalt war auf 2 Jahre 
berechnet. Der Lehrplan, dem der 5. und 6. Gymnasialklasse nach- 
gebildet, umfasste Religion, Deutsch, Franzosisch, Geographic Ge- 
schichte, Naturgeschichte, Arithmetik, Algebra, Geometrie, Schon- 
schreiben, Stenographie, Freihand- und Linienzeichnen, Stockfechten, 
Schwimmen, Tanzen, Exerzieren. Die Zahl der Z ogling e betrug 
200, die ZahlzSglinge entrichteten ein Bekostigungs-Pauschale 
(jabrlich 531 Gulden 25 Kreuzer fur den gesamten Unterhalt). An 
Lehr- und Aufsichtspersonal waren thatig: 1 Stabsoffizier als Kom- 
mandant, 13 Oberoffiziere, 4 geistliche Professoren, 2 Arzte, 1 Tanz- 
meister und 63 Personen vom Feldwebel abwarts. 

c. Die Technische Militar-Akademie zu Wien, 

am 1. November 1869 durch die Vereinigung der Artillerie- und 
der Genie-Akademie entstanden, hatte 240 Schuler und 4jahrigen 
Lehrgang. Sie ward in dem der Stiftsgasse zugewendeten Teile der 
Stiftskaserne untergebracht, deren Grundstock die fur das Chaosstift 
auf der Laimgrube hergestellten Gebaude bilden. Kommandant war 
GM. Freiherr Karl Hoffmann von Donnersberg. 

Der Lehrplan erstreckte sich auf deutsche Rhetorik, Poetik und 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



273 



Litteratur; philosophische Propadeutik; franzosische Sprache; Geologie 
and Gesteinlehre/, Geschichte and Geographic; hu here Mathematik, 
hohere Geodasie, praktische und darstellende Geometrie; Chemie und 
chemi8che Technologie; allgemeine und technische Physik ; technische 
und analytische Mechanik, mechanische Technologie; allgemeine 
Maschinenkunde mit Zeichnen, Maschinenlehre , Maschinenbau mit 
Konstruktionsubungen; Hochbau, Encyklopadie der Ingenieurwissen- 
schaften, allgemeine Baukunde, Geschichte der Architektur, Ornamentik 
andOrnamentenzeichnen; Encyklopadie der Rechtswissenschaften und 
europaisches Volkerrecht; Militarstrafgesetz; Waffenlehre, Batteriebau 
und Geschichte des Kriegswesens , Fortifikation, Sappe- und Minen- 
unterricht; Militar-, Schreib- und Rechnungsgeschaft ; Abrichtungs-, 
Exerzier-, Dienstreglement; Situationszeichnen und Terrainlehre ; 
Taktik; Pferdekenntnis; Reiten, Fechten, Turnen, Tanzen. 

Mit der Akademie war ein Artillerie-Equitations-Kurs ver- 
bunden, welcher am 1. Mai 1871 von derselben getrennt und zu 
einem „Artillerie-Zentral-Equitation8-Kurs" erweitert wurde. Er hatte 
Reitlehrer auszubilden und daneben fur den Reitunterricht der Aka- 
demie und der Artillerie- Kadettenschule zu sorgen. 

d. Die Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt. 

Die Schuld an den Misserfolgen des Jahres 1866 ward in erster 
Linie dem Generalstabe und, da seine Offiziere meist aus Wiener- 
Neustadt hervorgegangen waren, der Militar-Akademie beigemessen. 
Man warf ihr vor, dass sie Kriegsprofessoren statt Soldaten beran- 
ziehe, dass Gedachtniskram die Stelle des Verstandnisses einnehme, 
mechanische Fertigkeit den Mangel an Wissen decken miisse. Der 
Geist sei in spanische Stiefeln eingeschnflrt, die Zoglinge wurden ver- 
mittelst eines Frage- und Antwortspieles abgerichtet; man huldige 
der Form, nicht dem Wesen. Den Zoglingen wurden tJberhebung 
und Dunkel vorgeworfen und laut tonten die Klagen uber monchische 
Zucht und klosterliche Erziehung. Mehr als 1852 geschehen war, 
ward daher die Akademie dieses Mai von dem Wechsel des Systems 
beruhrt. Zunachst erhielt sie einen anderen Kommandanten. Ob. Ritter 
von Kees, aus der Infanterie hervorgegangen, ersetzte am 1. Ok- 
tober 1868 den in den Ruhestand tretenden GM. Freiherrn von 
Haugwitz. Die Neuordnung sollte im wesentlichen den Gedanken 
der ersten Errichtung verwirklichen , neben tuchtiger soldatischer 
Vorbereitung dasjenige Mass allgemeiner Bildung zu gewahren, zu 
dessen Erlangung die hoheren Staatsschulen Gelegenheit boten, so 

Monument* OermanUe Paedagogica XV. 18 



Digitized by Google 



274 Geachichte des Militar-Eraiehungs- und -Bildungsweaens etc. 



dass der austretende Akademiker im stande sein wurde auch im 
burgerlichen Berufe seinen Platz auszufullen. 

Schon 1868/69 wurden Encyklopadie der Rechtswissenschaften, 
Nationaldkonomie, der osterreichisch-ungarische Verfassungs- und Ver- 
waltungsorganismus und Stenographie in den Lehrplan aufge- 
nommen, aus welchem die biirgerliche Baukunst ausfiel. Zwischen 
Bohmisch und Ungarisch konnte der Zogling wahlen, die Teilnahme 
am Freihandzeichnen stand in seinem Belieben. Das Lehrfach 
Algebra und Geometrie ward erweitert und als „hohere Mathematik" 
auf die beiden unteren Jahrgange verteilt; der Unterricht in Terrain- 
lehre und militarischen Aufnahmen umfasste stufenweise Vorubungen 
im Gelande, dann Aufnahmen ohne Eatasterbehelf in geeigneten 
Gegenden, sowie militarische Kekognoszierungen und Beschreibungen 
nebst Aufgaben aus dem niederen Generalstabsdienste im Verein mit 
Aufnahmen in schwierigem Gelande. 

Die militarische Ausbildung ward nach alien Seiten aus- 
gedehnt. Bei den tTbungen verrichteten Zoglinge zu Pferde den 
Dienst als Befehlshaber und Adjutanten und zu Pferde ward der 
Sicherheits- und Aufklarungsdienst der Kavallerie geubt. Die Anstalt 
nahm an grosseren tTbungen der Garnison und am Exerzieren der 
Artillerie teil; die besten Zoglinge besuchten das Lager bei Brack 
an der Leitha. 

Nachdem mit 1869/70 der Unterricht im Italienischen ein- 
gestellt, der in der Stenographie dem Militar-Kollegium zu Sankt- 
Polten uberwiesen, dagegen Geodasie und Astronomie, fQr welche 
Pechmann besondere Vorliebe hatte und im Park ein Observatorium 
hergestellt ward, 1870/71 das Lateinische, ein Lieblingsfach des 
klassisch gebildeten Kriegsministers von Kuhn, von neuem eingefuhrt 
waren, umfasste der Lehrplan an Wochenstunden: 

Im 1. Jahrgange: Religion 1, deutsche Rhetorik, Poetik und 
Litteraturgeschichte 3; Lateinisch 3; Franzosisch 3; Geographie 3; 
Geschichte 3; Philosophie 2; hohere Mathematik 4 1 /* im Sommer, 
8 im Winter; praktische Geometrie 47> im Sommer; Physik und 
Chemie 3; Abrichtungsreglement 2; Situationszeichnen und Terrain- 
lehre 5 im Sommer, 4 im Winter; Fechten 2; Turnen 2; Tanzen 
im Winter 2; im ganzen 41. 

Im 2.: Religion 1; Deutsch (wie oben) 2; Lateinisch 3; Fran- 
zosisch 3; Bohmisch oder Ungarisch U/s; Geographie 3; Geschichte 3; 
Philosophie 2; hohere Mathematik 4; darstellende Geometrie 4; 
Physik und Chemie 4Vs; Situationszeichnen etc. im Sommer 5, im 



Digitized by Google 



(Werreich-Ungarn. 



275 



Winter 4; Fechten 2; Turnen 2; Tanzen im Winter 2; im ganzen 
im Sommer 40, im Winter 41. 

Im 3.: Franzosisch 3; BShmisch oder Ungarisch 2 1 /*; physi- 
kalische Geographie 2; Geodasie nnd spharische Astronomie 4 1 /!; 
Mechanik 6; Militar-Stilistik, Heeres-Organisation und Administration 
im Sommer 2, im Winter 3; Waffenlehre 2; Pionierdienst und Feld- 
befestigung 4; Dienstreglement !>/•; Exerzierreglement 1; Taktik 2; 
Situationszeichnen etc. im Sommer 5, im Winter 4; Fechten 2; 
Turnen 2; im ganzen 39 Vs. 

Im 4.: Franzosisch 4; Bohmisch oder Ungarisch lVi; National- 
okoDomie 3; osterreichisch-ungarische Verfassung und Verwaltung2; 
Encyklopadie der Rechtswissenschaften, Volker- und Privatrecht 3; 
Militar-Strafgesetze 2; Militar-Stilistik etc. 2; Waffenlehre 3; Forti- 
fikation 3; Geschichte des Eriegswesens 2; Dienst- und Exerzier- 
reglement je 1; Exerzierreglement und Hippologie 1V»; Taktik 4; 
Situationszeichnen etc. 2 ; Reiten ti ; Fechten 2 ; im ganzen 43. 

Dem unobligaten Freihandzeichnen waren allgemein 2 Wochen- 

stunden, militarischen tTbungen war im Sommer wochentlich 

ein Tag gewidmet. Die neuen Anordnungen fur Lehrmethode, Vertei- 

lung des Unterrichtsstoffes und die Prflfungen stellten das Erwecken 

eigener Geistesthatigkeit bei den Zoglingen und die Forderung wirk- 

lichen Verstandnisse in den Vordergrund. Um zu verhindern, dass 

ein Schfiler einzelne Facher unter Vernachlassigung der abrigen be- 

vorzugen konne, wurden Klassifikationsbedingungen aufgestellt, 

deren Nichterfullung den Ausschluss von Auszeichnungen , die Ver- 

pllichtung zur Wiederholung des Jahrganges und selbst Entfernung 

aus der Anstalt zur Folge haben konnte. In der Unterhaltung 

durch Lesen wurde grossere Freiheit gewahrt, den drei unteren 

Jahrgangen standen klassische Werke, dem obersten die ganze 

Bibliothek zur Verfugung. Peinliche TTberwachung, angstliche Bevor- 

mundung und Abschliessen yon der Aussenwelt sollten aufhoren. Es 

hatte sich die tfberzeugung Bahn gebrochen, dass auf diese Weise 

Charaktere nicht erzogen, Selbstandigkeit, Verlasslichkeit und Ge- 

wandtheit im Verkehr nicht gefordert wurden, dass vielmehr der 

Wechsel zwischen dem Leben in der Anstalt und dem nach dem 

Austritte ernste Gefahren mit sich bringe. Kuhn verfugte daher, 

dass dem Thun und Lassen des Einzelnen die angangige Freiheit 

verstattet werde. Die Klassen-Feldwebel wurden durch Pensionar- 

offiziere ersetzt, denen die besten Zoglinge aller Klassen zur Seite 

standen. Es wurde an Sonn- und Feiertagen der Besuch der Ange- 

18* 

Digitized by Google 



276 



Geachichte des Militar-Erziehungg- und -Bildungawesena etc. 



horigen bis nach Wien, selbstandiges Ausgehen in die Stadt und 
Theaterbesuch gestattet. Ausser in den Herbstferien wurde auch 
Ostern und Weihnachten Urlaub bewilligt. Der Schriftwechsel mit 
den Angehorigen und die Verfugung fiber das Taschengeld wurden 
freigegeben. 

Die durch diese Neuerungen bewirfcten Umwalzungen erwiesen 
sich zunachst nicht alle als erspriesslich. Wenn auch Schilderungen, 
wie in der Wiener „Neuen Mmtarzeitung" (Nr. 102 vom 20. De- 
zember 1871), den Stempel arger tfbertreibung an der Stirn tragen, 
so waren doch die vielfachen Elagen fiber Indisziplin und Missbrauch 
der Freiheit nicht ohne Grand. 

Den Forderungen der Zeit entsprechend wurden mancherlei Ver- 
besserungeD in den baulichen und Gartenanlagen vorgenommen. 1 ) 

Mit Beginn des Schuljahres 1872/73 trat GM. Ludwig Froh- 
lich von Elmbach an die Spitze der Anstalt. 

33. Fachbildungsanstalte n. 

a. Der hohere Artillerie- und Geniekurs. 

Die hohere fachwissenschaftliche Ausbildung der Angehorigen 
der Artillerie- und der Genie-Waffe verblieb in Gemassheit einer 
A. E. vom 29. Oktober 1866 (N.-V.-Bl., 36. Stuck, vom 10. No- 
vember, C.-V. vom namlichen Tage, Pr. 623) den General-Inspektoren. 
Gleichzeitig ward angeordnet, dass die Studienplane der betreffenden 
hoheren Kurse, ohne Verlangerung der letzteren, so ausgedehnt 
werden sollten, dass die Frequentanten durch den Besuch auch fur 
den Generalstab vorbereitet wurden. Nach der am 1. August 1869 
geschehenen Errichtung des technischen und administrativen 
Militar-Komitees,*) eines aus der Vereinigung des Artillerie- und 
des Geniekomitees hervorgehenden Hilfsorganes des Kriegsministeriums, 
ward jene Aufgabe dieser Behorde anvertraut, welche uberhaupt die 
Fortschritte von Wissenschaft und Technik in bezug auf deren Ver- 
wertung fur Kriegszwecke zu verfolgen hatte. 

Die Leitung der Kurse ward den Sektionschefs des Komitees 
fibertragen, alsProfessoren wurden Offiziere mit Jahreszulagen von 
420 Gulden angestellt. Jeder Professor (Stabsoffizier oder Hauptmann) 
erhielt einen Assistenten, welcher zugleich zum Professor heran- 
gebildet werden sollte. Nach Bedarf wurden bfirgerliche Lehrer 
herangezogen. Bewerber um die Zulassung als Frequentanten 

*) Svoboda a. a. 0., 8. 83. 

») A.-V.-B1. vom 17. Juli 1869, 57. Stuck, C.-V. vom 15. d. M. 



Digitized by Google 



6flterreich-Ungarn. 



277 



(Lieutenants) muss ten das 21. Lebensjahr vollendet und mindestens 
2 Jahre als Offiziere bei der Truppe zu vollster Zufriedenheit gedient 
haben. Dure Zahl bestimmte der Kriegsminister. Der Besuch konnte 
auch ausserordentlichen Horern gestattet werden, welche keine Auf- 
nahmeprufung zu bestehen, die Schlussprufung aber mitzumachen 
hatten. Jene, welche im September zu Wien abgelegt wurde, erstreckte 
sich auf hdhere Mathematik, Mechanik, praktische Geometrie, Geo- 
graphie, franzosische Sprache, Militar-Stilistik, Terrainlehre und 
Situationszeichnen, Waffenlehre, Fortifikation und fur die Genieoffiziere 
Baukunst; alles im Umfange der Vortrage an den betreflFenden 
Akademien nach Anleitung der eingefuhrten Lehrbiicher. Vortrags- 
gegenstande waren: 

Fur den Artilleriekurs: Fachgegenstande: Artillerielehre 
mit physikalischer und mathematischer Begriindung-, technische 
Mechanik und Maschinenkonstruktion ; Festungskrieg; Feld-, Festungs- 
und Belagerungsausrustung der Artillerie ; Technologie mit Rucksicht 
auf Artilleriewesen. Militarische Lehrgegenstande: Taktik, 
verbunden mit tlbung im Rekognoszieren und Erokieren; Strategie, 
erlautert durch Beispiele aus der Kriegsgeschichte. Nicht obligat 
fur Frequentanten, welche genugende Kenntnisse nachwiesen : Volks- 
wirtschaftslehre ; Statistik; i^anzosisch ; Englisch. 

FOr den Geniekurs: Fachgegenstande: Fortifikation, ein- 
schliesslich Festungskrieg, erlautert durch Darstellung der wichtigsten 
Belagerungen; Schonbaukunst ; Baumechanik, Eisenbahn- und Strassen- 
bau; Technologie mit Rucksicht auf Geniewesen; technische Mechanik 
und Maschinenkonstruktion; Artillerielehre in ihren Beziehungen auf 
Befestigungskunst. Der allgemein-militarische Unterricht war 
mit dem Artilleriekurse gemeinsam. 

Jeder Professor entwarf alljahrlich eine genetische Skizze fur 
seinen Vortrag, welche von samtlichen Professoren und Assistenten 
des Kurses kommissionell gepruft wurde. Lehrplan und Stunden- 
einteilung genehmigte der Kriegsminister. 

Eingehendere Bestimmungen und einzelne Anderungen 
wurden durch A. E. vom 8. September 1873 1 ) angeordnet. Sie 
schrieben vor, dass die Kurse dazu dienen sollten „befahigte, im 
Truppendienste bereits ausgebildete Offiziere in denjenigen technischen 
Fachern und Kriegswissenschaften zu unterrichten , deren Kenntnis 
ihnen fur hohere Stellen und fur spezielle Verwendungen in ihrer 



») N.-V.-Bl. 1873, 63. Stfick, C.-V. vom 3. November. 



Digitized by Google 



278 Geschichte des Militaj-ErziehungB- und -Bildungswesena etc 

Waffe unentbehrlich ist". Inspizierung and Leitung blieben die 
fruheren. Um Aufnahme konnte jeder Offizier der betrefFenden 
Waffen bitten, welcher mindestens drei Jahre bei der Truppe gedient 
hatte, in der Qualification sliste „sehr gut" geschildert war, den 
Nachweis uber den Besitz bestimmter Kenntnisse lieferte und eine 
Prufung in hoherer Mathematik und analytischer Mechanik bestand. 
Jene Kenntnisse waren: 

Fur die Aspiranten beider Kurse: Hohere Mathematik (Herr, 
Lehrbuch der hoheren Mathematik); 1 ) darstellende Geometrie (fur 
geometrische Darstellung, Schattenlehre und Zentral-Perspektive : 
Schreiber, technisches Zeichnen, 2. TL; kotierte Ebenen: Tunkler, 
Anhang zum praktischen Defilement; Axonometrie: Schmied, theo- 
retisch-praktischer Jahrgang der Axonometrie; Parallel-Perspektive : 
Skichersky, orthographische Parallel-Perspektive); analytische Me- 
chanik (fur Mechanik fester und flussiger Korper: Dirschl, Lehrbuch 
der Mechanik, 1. und 2. Tl., ausschliesslich Bewegung des Wassers 
in Rohrenleitungen, Kanalen und Flussen und der Aeromechanik; fur 
mechanische Warmetheorie, Mechanik der Gase und Dampfe: Zeuner, 
Grundzflge der mechanischen Warmetheorie, 2. Aufl.); Franzosisch 
(Ploetz, Schulgrammatik) ; praktische Geometrie (Hartner, praktische 
Geometrie); Chemie (Roscoe, kurzes Lehrbuch der Chemie, deutsch 
von Schorlemmer); allgemeine und technische Physik (Pisko, Lehr- 
buch der Physik fur Ober-Kealschulen , mit mathematischen Ergan- 
zungen nach MQllners Physik); Maschinenlehre (Marin, Maschinen- 
lehre) ; Situationszeichnen und Terrainlehre (Muschinsky und Pfihoda, 
Theorie der Terraindarstellung). 

Fur denArtilleriekurs: Artillerie-Unterricht (Maresch, Waffen- 
lehre; Juptner, die Feldartillerien Osterreichs, Frankreichs etc.; 
v. Eschenbacher, uber moderne Artillerien); Festungskrieg (v. Brunner, 
. Leitfaden zum Unterricht im Festungskriege); mechanische Techno- 
logie (Karmarsch, mechanische Technologie, 1. Teil); Fortifikation 
(v. Brunner, Leitfaden zum Unterricht in der Feldbefestigung ; 
v. Tunkler, desgl. in der permanenten Fortifikation). 

Fur den Geniekurs: Hochbau mit konstruktiven tTbungen 
(Weiss v. Schleussenburg, Lehrbuch der Baukunst); Strassen- und 
Eisenbahnbau (Leitfaden des Eisenbahnwesens mit Rucksicht auf den 
Dienst der Feldeisenbahnabteilungen) ; Fortifikation (v. Brunner, Tunkler; 



J ) Der Inhalt der in ( ) genannten Werke bezeichnet den Umfang 

des nachzuweiflenden Wiaaens. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



279 



Wagner, Grundriss der Fortification ; technischer Unterricht fur die 
k. k. Genietruppe) ; Waffenlehre (Maresch). 

Wer eine oder die andere der bisherigen Unterrichtsanstalten 
mit Erfolg besucht hatte, war von der Ablegung der Aufnahme- 
prfifung mehr oder weniger befreit. Wer auf der Kriegsschule gewesen 
war, ward ebensowenig aufgenommen, wie dort ein ehemaliger Horer 
eines der Kurse Zutritt fand. 

Die Vorprfifungen wurden Anfang April am namlichen Tage 
bei samtlichen Truppen-Divisionskommanden als Klausurarbeiten 
abgehalten. Jeder Bewerber bearbeitete aus jedem Fache, in dem 
er geprfift wurde, drei vom Kriegsministerium gestellte Fragen. Die 
Ausarbeitungen wurden dem Kriegsministerium eingesandt, welches 
auf ein Gutachten der Technischen Militar-Akademie fiber die Zu- 
lassung zur Aufnahmepriifung entschied. Diese fand Anfang 
Oktober zu Wien vor dem Studien-Inspektor und Professoren der 
Akademie statt. Wer die Vorprufung in hoherer Mathematik und 
analytischer Mechanik mindestens „sebr gut" bestanden hatte, war 
von derselben befreit. Sie war eine moglichst applikatorisch vorzu- 
nehmende schriftliche Klausurprufung und sollte feststellen, ob der 
Bewerber das erforderliche Mass positiver Kenutnisse und die notige 
Fertigkeit der Anwendung besasse, nm den Vortragen fiber Artillerie, 
Maschinenlehre, Fortifikation und Baumechanik folgen zu konnen. 
Die Kommission durfte anch miindlich priifen. Ihr Gesamturteil 
sprach sich daruber aus, ob der Bewerber „vorzuglich befahigt", 
„befahigt" oder nicht „geeignet" erscheine. Die letzteren kamen 
nicht weiter in Frage, fiber die fibrigen verffigte das Ministerium. 
Betahigte, welche wegen Raummangels keinen Zutritt fanden, wurden 
ffir das nachste Jahr zuruckgestellt. Eine Wiederholung der Prfifung 
war zulassig, wenn die Kommission sich dafur aussprach. Die 
Klassifikation ward jedem auf-Ansuchen mitgeteilt, Bei wiederholter 
Prfifting stimmte die Kommission ab, ob sie auch in den Fachern 
eintreten solle, in denen bereits genugt war. Als ausserordentliche 
Horer konnten ohne Prfifung Offiziere der k. k. Ersten Arcieren- und 
der k. Ungarischen Leibgarde zugelassen werden. 

Jeder Kurs umfasste zwei Jahrgange; der theoretische Unter- 
richt dauerte vom 15. Oktober bis 15. Juni. Daran schloss sich fur 
den 1. eine 2monatliche tTbung in Militar-Aufnahme und Rekog- 
noszierung, unter Leitung von Generalstabsoffizieren ; ffir den 2. des 
Artilleriekur8 die Teilnahme an den tTbungen der Artillerie-Schiess- 
schule und eine 3w6chentliche Reise zur Besichtigung technischer 



Digitized by Google 



280 Geachichte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



Anstalten; fur den 2. des Geniekurs eine Reise zum Besuche wichtiger 
Bauten and befestigter Platze und eine auf den Entwurf grosserer 
Befestigungsanlagen bezugliche Ubung. Die ubrige Zeit bis zu den 
im September stattfindenden Priifungen war zum Auszeichnen der Auf- 
nahme und zur Vorbereitnng auf die Prufung bestimmt. 
Vortragsgegenstande waren: 

Fiir den Artilleriekurs: Artillerielehre ; Artillerieausrustung 
und Festungskrieg, erlautert dureh Darstellung der vorzuglichsten 
Belagerangen der Neuzeit (mit dem Artillerie-Stabsoffiziers-Aspiranten- 
knrse); Staatenbefestigung; Maschinenlehre mit besonderer Rucksicht 
auf die Artillerie-Konstruktionen; Taktik und Strategic, erlautert 
durch Beispiele der Kriegsgeschichte (mit dem Artillerie-Stabsoffiziers- 
Aspirantenkurse); chemische Technologie; Mappieren und Rekognos- 
zieren, verbunden mit Krokieren und Losung taktischer Aufgaben; 
Volkswirtschaftslehre (Vortrag der Kriegsschule) ; Statistik ; franzd- 
sische und englische Sprache, von denen eine obligat, die andere 
unobligat war und der Prufung nicht unterlag, samtlich mit dem 
Geniekurse. 

Fur den Geniekurs: Fortifikation (Defilement permanenter 
Befestigungen, Kriegsbaukunst, Festungsprqjekt, Minenlehre, Festungs- 
krieg, Staatenbefestigung); Wasser- und Seebau; Baumechanik; 
Bruckenbau; architektonische Stillehre und Entwurf militarischer 
Hochbauten; Taktik; Strategie; Artillerie (mit Rucksicht auf Forti- 
fikation); die beim Artilleriekurse genannten Facher. 

Die Grundsatze fur Umfang und Behandlung der Lehr- 
stoffe, Lehr- und Studienbehelfe, sind in ausfuhruchen Lehrplanen 
und genetischen Skizzen niedergelegt , welche die Professoren ent- 
warfen; Lehrplane und Skizzen wurden alljahrlich kommissioneller 
Prfifung durch die Professoren unterzogen ; die Vorschlage unterlagen 
kriegsministerieller Genehmigung. Schon wahrend des Unterrichts 
wurden taktische Aufgaben im Freien gelost und technische Anstalten 
besucht. Die Professoren hatten sich durch Unterredungen und 
vorziiglich durch schriftliche und konstruktive Arbeiten der Horer 
von deren Auffassung und Fortschritten zu uberzeugen. Das Ver- 
bleiben im 2. Jahrgange hing vom Ausfalle der am Schlusse des 1. 
erteilten Klassifikation ab. 

Zur Teilnahme an der Schlussprufung war jeder Horer ver- 
pflichtet. Sie durfte in den im 1. Jahrgange abgeschlossenen Fachern 
schon nach Beendigung desselben abgelegt werden und ward vor 
einer aus dem betreffenden General-Inspektor, dem Prasidenten des 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



281 



Komitees, dem Studien-Inspektor und Abgeordneten des Kriegs- 
niinisteriums bestehenden Kommission durch die Professoren vorge- 
nommen; letztere waren fur ihr Fach Eommissionsmitglieder. Jeder 
Professor legte der Kommission schriftlich eine Reihe von Fragen 
vor, aus denen diese wahlte , worauf jedem Frequentanten eine oder 
mehrere derselben durch das Loos zugewiesen wurden. Bei den 
mundlichen Prufungen durften die Mitglieder Zwischenfragen stellen ; 
die schriftlichen bestanden in Klausurarbeiten ; bei beiden durften 
nur Logarithmentafeln, Karten, Gesetzbucher u. dgl. benutzt werden. 
Auf Grund der schriftlichen Arbeiten bestimmte die Kommission, ob 
noch mundliche Prufung stattfinden solle ; zu letzterer hatte ein jeder 
Offizier Zutritt. 

Der Gesamterfolg konnte als „vorzugiich", „sehr gut", „gut" 
oder „ungenugend" beurteilt werden. Wiederholte Teilnahme am 
Kurse war stattnehmig, wenn langere Krankheit den Besuch der Vor- 
trage oder anstrengende geistige Thatigkeit verboten hatte. Wer 
mindesten8 „gut" bestand, erhielt daruber ein Zeugnis; die Klassi- 
fikationslisten gingen den Truppenkorpern zu. 

b. Der Vorbereitungskurs fiir die Stabsoffiziers-Aspi- 

ranten der Artillerie. 

Die Beforderungsvorschrift vom Jahre 1867 schrieb fur die Stabs- 
offiziers-Aspiranten der Artillerie eine Prufung vor. Urn ihnen Ge- 
legenheit zum Erwerbe der in derselben nachzuweisenden Kenntnisse 
zu geben, ward, nachdem ihnen seit 1861 gestattet gewesen war die 
fur sie in betracht kommenden Facher im Zentral-Kavalleriekurse 
zu horen, durch A. E. vom 13. Mai 1873 (N.-V.-Bl., 29. Stuck, vom 
9. Juli, C.-V. vom 21. Juni, Pras. 2365) ein eigener Kurs errichtet. 

Die Inspizierung lag dem General-Artillerie-Inspektor, die Ober- 
leitung dem Prasidenten des Komitees, die unmittelbare Leitung dem 
bei letzterem als Studien-Inspektor eingeteilten Stabsof&zier ob, die 
Vortrage hielten Stabs- und Oberoffiziere, Professoren oder andere 
Lehrer des Zivilstandes. Bedingung der Aufnahme war, dass die 
Eignung zur Beforderung iiberhaupt vorhanden war. Der Kurs 
dauerte vom 15. Oktober bis zur 2. Julihalfte und war mit der 
Schiessschule verbunden. Vorgetragen wurden : Artillerielehre, Terrain- 
lehre, Heeresorganisation , Taktik, Strategie, Artillerieausrustung, 
Festungskrieg. 

Das Prftfungsverfahren entsprach im wesentlichen dem fur den 



Digitized by Google 



282 Geschichte dee Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 

hoheren Artillerie- und Geniekurs vorgeschriebenen. Teilnahme an der 
Prufung ohne vorangegangenen Besuch des Kurses war gestattet 

c. Die Krieg8schule. 

Am 27. August 1866 erging der AllerhSchste Befehl zur Wieder- 
eroflnung der Kriegsschule mit dem Beginne des Unterrichtsjahres. 
Am 29. Oktober (N.-V.-Bl., 36. Stuck, vom 10. November, C.-V. vom 
gleichen Tage, Pras. 623) ward dem gleichzeitig an der Spitze des 
Kriegsmini8teriums stehenden Generalstabs-Chef FML. Frhrn. v. John 1 ) 
die Oberaufsicht ubertragen und angeordnet, dass die einzuberufenden 
Offiziere mindestens drei Jahre unmittelbar bei der Truppe gedient 
haben mussten. Zugleich wurden einige Vorschriften fur die Weiter- 
bildung der fur den Generalstab in Aussicht genommenen Frequen- 
tanten der Kriegsschule nach ihrer Entlassung aus letzterer mitgeteilt. 
Bei der Einberufung vom Jahre 1866 gelangten in den 2. Jahrgang 
die 1865 eingetretenen Offiziere, deren Ausbildung durch den Krieg 
unterbrochen war. In den 1. wurden 27 Offiziere einberufen, welche 
die Aufnahmeprufung mit Erfolg abgelegt hatten, und 15, welche 
keiner solchen unterzogen waren. Die Zulassung der letzteren war 
auf Grund einer vom Kriegsminister FML. Frhrn. v. John unter dem 
7. Dezember 1866, Abt. 6, Nr. 4321, erlassenen Verfugung ge- 
schehen, dass Offiziere, welche sich durch ausgezeichnete Dienst- 
leistung zur Aufnahme in die Kriegsschule qualifizierten, ohne Ab- 
legung der Aufnahmsprufung zur Horung von Vortragen zugelassen 
werden konnten, so fern es die Raumlichkeiten erlaubten. Diese 
Offiziere durften die Facher, welche sie horen wollten, wahlen, 
waren also nicht zur Teilnahme an samtlichen Vortragen verpflichtet, 
brauchten den Sommerubungen nicht beizuwohnen und ausser in 
Taktik und Strategie eine Schlussprufung nicht abzulegen. Sie 
wurden als „unobligate", „externe" oder „ausserordentliche" Frequen- 
tanten bezeichnet, die anderen als „interne" oder „ordentliche". Ihr 
Kommando dauerte so lange, als sie bei der Truppe entbehrlich 
sein wurden; in Beziehung auf Gebuhren wurden sie behandelt, als 



J ) Geb. zu Brack a. d. Leitha 20 November 1805, gest 26. Mai 1876 zu 
Wien, wabrend des Feldzuges von 1866 Chef des Generals tabes in Italien, 
6. September 1866 Chef des Generals tabes der Armee, gleichzeitig mit der 
Leitung des Kriegsministeriums beauftragt, 30. Oktober 1866 zum Kriegsminister 
ernannt, gab 18. Januar 1868 letztere Stellung an FZM. v. Kuhn ab, blieb 
Chef dee Generalstabea bis 27. M&rz 1869, ward dann kommandierender General 
in Graz und 14. Juni 1874 von neuem Chef des Generals tabes. 



Digitized by Google 



Oeterreich-Ungarn. 



283 



wenn sie bei letzterer anwesend waren. Die meisten machten 1867 
die tTbungsmappierang mit, beteiligten sicb im vollen Umfange an 
der Scblussprufung des 1. Jahrganges und ruckten in den 2. auf. 
In den 1. wurden fur 1867/68 auf Grand der Bedingungen vom 
Jabre 1866 29 interne und 11 externeHorer aufgenommen; letztere 
waren samtlich altere Offiziere (Hauptleute, Rittmeister, Ober- 
lieutenants. *) Im Jahre 1867 trat Ob. Alexander Guran an die 
Spitze der Schule. 

Johns Nachfolger als Kriegsminister, der FZM. v. Kuhn, wandte 
der Anstalt sofort seine Aufmerksamkeit zu, indem er von einer am 
10. Februar 1868 unter dem GM. Josef Gallina zusammenbe- 
rufenen Eommission ein Gutachten forderte. Dieses lautete: Die 
Krieg88chule muss eine Hochschule fur alle befahigten Offiziere 
werden und deren eine grossere Zahl ausbilden. Dieselben mussen 
anders ausgewahlt werden als bisher geschah. Es muss auf ein ge- 
reifteres Alter, nicht weniger als 24 Lebens- und 4 Dienstjahre, und 
grundlichere Vorbildung gesehen werden. Da Raum fur 80 Horer 
vorhanden ist, aber nur 60 Schuler systemisiert sind, konnen 
20 „externe Horer" zugelassen werden. Zur Zeit waren 53 von jener, 
27 von dieser Art vorhanden. Die letzteren wurden als vorziigliche 
Schuler bezeichnet ; es sei aber keine Gewahr geboten, dass es immer 
so sein werde. Auch konnten nur bemittelte Offiziere eine derartige 
Verwendung erbitten. Ungenugende Vorkenntnisse hatten namentlich 
in der Terrainlehre den Unterricht aufgehalten; sie hatten sich auch 
im mundlichen und schrifthchen deutsehen Ausdruck gezeigt, wo der 
Mangel auf die offentlichen Schulen zuruckgefuhrt wurde. Die 
Leistungen im Franzosischen genugten ebensowenig; die Kommission 
meinte, dass die dem Generalstabsoffizier fur mancherlei Zwecke 
unentbehrliche Hohe doch nicht erreicht werden wiirde und dass es 
besser sei, weniger Zeit auf dieses Lehrfach und mehr auf Staats- 
xmd Volkerrecht zu verwenden, welche bisher franzosisch vorgetragen 
waren aber besser von Fachleuten deutsch gelehrt werden wurden, 
sowie, zu besserem Verstandnisse desHeerverwaltungsdienstes, National- 
okonomie unter die Lehrfacher aufzunehmen. Den iibermassigen 
Anforderungen an das Gedachtnis moge durch Leitfaden, welche in 
Vorbereitung waren, entgegengewirkt werden. Schliesslich ward 
empfohlen besonderes Gewicht auf die moralischen Eigenschaften der 
Frequentanten zu legen. 



*) Mitteilung des k. und k. Beichs-KriegsminiBteriums. 



Digitized by Google 



284 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesena etc. 



Der Generalstab war mit diesen Vorschlagen nicht ganz einver- 
standen. John's Bericht vom 1. Mai will der Anstalt den Charakter 
der Fachschule gewahrt wissen. Wenn die vorgeschlagene Ver- 
mehrung der Horer eintrete, werde die Armee von der Schule ohnehin 
grosseren Nutzen Ziehen als bisher. Drei Dienstjahre seien geniigend; 
das Franzosische moge man nicht beschranken, aber man moge die 
Schiiler fur den Unterricht nach ihren Fahigkeiten einteilen; die 
Zeit fiir die neuen Facher konne durch weniger umfassenden Unter- 
richt im Situationszeichnen und iiber die Fortschritte im Artillerie- 
und Geniewesen gewonnen werden. Die Teilnahme an Gegenstanden, 
welche nicht unmittelbar dem Berufe zu Gute kamen, wie am Fran- 
zosischen, sollte freiwillig sein. Die Einfuhrung von Leitfaden, 
soweit es sich nicht urn materielle Daten und positive Regeln handele, 
8ei bedenklich,i weil sie der Selbstthatigkeit im Wege standen. Erz- 
herzog Albrecht sprach sich unter dem 30. Juni 1868 for 
vorangegangene 4jahrige Dienstzeit aus, damit die Entlassenen nicht 
zu rriih Oberlieutenants und die Beforderungsverhaltnisse der 
Offiziere nicht allzu verschieden wurden. Er verwarf das Lehrfach 
„Strategie", weil es nicht darauf ankame, Strategen zu bilden, sod- 
dern Taktiker, und berief sich dabei auf die vom General v. Peucker 
fiir die preussische Kriegsakademie erlassenen Vorschriften. 

Darauf ward angeordnet (A.-V.-Bl. vom 4. Juli 1868, 23. Stuck, 
C.-V. vom 2. Juli 1868, Pras. 1736), dass die Kriegsschule in der 
Folge nicht mehr ausschliesslich Pflanzschule rur den Generalstab, 
sondern eine Hochschule fur die ganze Armee sein und dass von 
den austretenden Frequentanten nur so viele dem Generalstabe zu- 
geteilt werden sollten, als zur Deckung des Abganges unumganglich 
notwendig erscheine. Jeder Jahrgang bestand aus 40 Frequentanten, 
unter denen auch Hauptleute sein durften. Die Forderung vorange- 
gangener 3jahriger Dienstzeit bei der Truppe oder in Stellungen, 
welche der fortwahrenden Beriihrung mit letzterer nicht entriickten, 
blieb Bedingung der Aufnahme, bei welcher die alteren den jiingeren 
Offizieren vorgezogen wurden. In der Eintrittspriifung musste von 
1869 an Eenntnis der Mechanik und Physik nach dem Lehrplane von 
Wiener-Neustadt nachgewiesen werden ; im Situationszeichnen, in der 
Theorie der Terraindarstellung und im Franzosischen sollten die An- 
forderungen nach und nach derart gesteigert werden, dass der Unter- 
richt in ersterem Fache auf ein Geringstes beschrankt werden konnte, 
der in letzterer Sprache aber nur notig hatte, moglichst grosse 
Kenntnisse zur Vollkommenheit zu bringen. Vorzuglich oder sehr 



Digitized by Google 



Osterreich-Un garn . 



285 



gut bestandene Schlussprufung gab Anspruch auf sofortige Be- 
forderung zum Oberlieutenant; bei der Beurteilung als „gut" ward 
letztere erworben, sobald der Betreffende sich auch bei der Truppe 
als vollkommen geeignet erwies. Ausserordentliche Horer fanden des 
beschrankten Raumes wegen nur Aufnahme, wenn sie sich fur eine 
Professur vorbereiten wollten ; sie hatten sich der Ein- und der Aus- 
trittsprufung zu unterwerfen. 

Im Unterrichte wurden manche Neuerungen eingefuhrt: 
In den Vortragsstunden fur deutsche Litteratur wurden, nach vor- 
angegangener Besprechung und mit Hinweisung auf die analytische 
Asthetik, freie Redeubungen uud Entgegnungen gehalten, welche der 
Professor kritisierte; der Offizier sollte sich gewohnen mit Selbst- 
vertrauen vor einer grosseren Versammlung zu sprechen. An Stelle 
der Strategie trat im 1. Jahrgange Militargeographie als Vorbereitung 
auf jene. Staats- und Volkerrecht wurden in 2, Volkswirtschaft und 
Verwaltungsgesetzkunde in 3 Wochenstunden durch Universitats- 
professoren gelehrt, von denen jeder jahrlich 600 Gulden erhieli 

Laut C.-V. vom 10. Dezember 1869 (N.-V.-BL, 98. Stuck) wurde 
bei der Vorprufung auch Kenntnis der Kegelschnittslehre und der 
Messinstrumente gefordert. 

Die „Organischen Bestimmungen fur die k. k. Militar- 
Bildungsanstalten", welche im Jahre 1871 auf Grund einer 
A. E. vom 17. Juni (A.-V.-Bl. 30. Stuck, vom 1. Juli, C.-V. vom 
30. Juni, Pras. 2065) die Verhaltnisse neu regelten, stellten als 
Bedingung der Zulassung zur Vorprufung den durch Schulzeugnisse 
zu fuhrenden Nachweis in der Mehrzahl „sehr guter", im iibrigen 
mindestens „guter" Kenntnisse in Elementarmathematik einschl. 
spharischer Trigonometrie und Kegelschnitte , praktischer Geometrie, 
Mechanik, Physik, Chemie, Geographie und Geschichte. Die Vor- 
prufung erstreckte sich auf deutsche Stilistik (nach den ubrigen 
Arbeiten zu beurteilen), Franzosisch, Felddienst, Taktik, Kenntnis der 
Waffen des Heeres, Pionierdienst, Befestigungskunst, das eigene Heer- 
wesen, die taktischen Vorschriften derjenigen Waffen, denen der Ge- 
prufte nicht selbst angehorte, Terrainlehre und Situationszeichnen. 

Aus jedem Fache waren bei der Vor- wie bei der Aufnahme- 
prufung drei vom Ministerium gestellte Fragen unter Verschluss 
schriftlich zu beantworten. 

Den Umfang des Gebietes ergab der Lehrplan von Wiener-Neu- 



Digitized by Google 



286 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



stadt, das Ministerium bezeichnete die zur Vorbereitung geeigneten 
Lehrbucher. 

In der Aufnahmeprufung wurden verlangt: FranzSsisch, ge- 
laufiges Lesen, schnelles und richtiges tTbersetzen in das Deutsche, 
orthographisch und syntaktisch richtiges TTbertragen kleinerer Satze 
in das Franzdsische ; Felddienst und Taktik in dem fur die Kadetten- 
schulen vorgeschriebenen Umfange; Kenntnis der Waffen: blanke 
Waffen, Schiess-, Spreng-, und Knallpraparate , Feuergewehre, glatte 
Geschutze, gezogene Geschutze; Pionierdienst: Werkzeuge, Mate- 
rialien, Lagerbauten, Anlage, Zerstorung, Herstellung von Ver- 
bindungen; Befestigungskunst: Feldbefestigung (Theorie mit Ruok- 
sicht auf den Bogenschutz, Herrichtung des Gelandes und von 
Ortlichkeiten zur Verteidigung, Bau von Feldschanzen), permanente 
Befestigung (Entwickelung; Minen; Einteilung der festen Platze mit 
Beachtung der Sonderbestimmung; Einfluss der gezogenen Geschutze; 
Andeutungen fiber Befestigung ganzer Staaten; provisorische Be- 
festigungen; Hauptgrundsatze der bestandigen Befestigung; Grund- 
ziige des Festungskrieges); Heerwesen Osterreich-Ungarns ; rein tak- 
tische Vorschriften fur jene Waffen, denen der Aspirant nicht angehort; 
die Abrichtungs- und Exerzierreglements ; Terrainlehre und Situations- 
zeichnen (Bergzeichnung nach Modell, ebene Planzeichnung). 

Die aussere Anordnung der Prufungen blieb die Mhere; sie 
durften wiederholt werden. Wenn der Raum es erlaubte, konnten 
ausserordentliche Horer zugelassen werden, welche von der Auf- 
nahmeprufung befreit waren, aber an der Schlussprufung teil- 
nahmen. Die vorzuglichsten Frequentanten des Zentral-Infanterie- 
und des Zentral-Kavallerie-Kurses konnten als solche in den 2. Jahr- 
gang treten. 

Die theoretischen Vortrage dauerten vom 15. Oktober bis 30. 
Juni; Juli und August waren im 1. Jahre der Aufnahme, im 2. der 
Rekognoszierung gewidmet; im September zeichnete der 1. Jahrgang 
die Aufnahme aus, der 2. legte die Prufung ab. Vom 1. bis 14. 
Oktober waren Ferien. Die Ausbildung bei anderen Waffen sollte 
wahrend der Zuteilung zum Generalstabe stattfinden. 

Die Schlussprufung, welche vor einer unter Vorsitz des Chefs 
des Generalstabes aus dem Direktor und den prufenden Professoren 
und drei vom Ministerium bestimmten Stabsoffizieren bestehenden Kom- 
mission stattfand, war schriftlich und mundlich. Fur letztere stellte 
der Professor Fragen, von denen der Vorsitzende die wahlte, welche 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



287 



der eine oder andere beantworten sollte. Die Frequentanten des 
1. Jahrganges durften die Schlussprufung in den abgeschlossenen 
Fachern sofort ablegen; auch konnte an derselben teilnehmen, wer 
ohne Besuch der Kriegsschule Anspruch auf aussertourliche Be- 
forderung erwerben wollte , sowie der, welcher nach bestandener Auf- 
nahmeprafung vom Horen eines Vortrages befreit zu werden wunschte. 

Das Urteil der Kommission lautete auf vorzuglich, sehr 
gut, gut oder ungenfigend. Wiederholung eines Jahrganges 
konnte gestattet werden, wenn die Teilnahme durch Krankheit be- 
eintrachtigt worden war. Der Ausfall derPrfifung entschied iiber 
den Anspruch auf aussertourliche Befflrderang nach Massgabe der 
fur diesen Gegenstand allgemein geltenden Bestimmungen. 

Eine A. E. vom 31. Marz 187 2 (N.-V.-Bl., 20. Stuck, vom 
28. April) fiber die bei der Aufhahme in die Kriegsschule zu er- 
fullenden Bedingungen empfiehlt zur Vorbereitung auf die Vor- 
prfifung: Elementarmathematik etc. : die Lehrbficher von Mo£nik 
und Lubsen, sowie Fesser, Lehre von den Kegelschnitten. Prak- 
t is die Geometrie: Schmarda, praktische Messkunst; Hartner, prak- 
tische Geometrie (teilweise). Mechanik: Fesser, Mechanik fur 
Wiener- Neustadt. Physik: Schabus, Physik fur Obergymnasien. 
Chemie: Kauer, Elemente der Chemie gem ass den neueren An- 
sichten, 2. Auflage. Geographie: Leitfaden fur die k. k. Militar- 
Akademien; Klun, Leitfaden fiir Mittelschulen, 1. Abt. (ausser- 
europaische Lander). Geschichte: Piitz, Grundriss der Geographie 
nnd Geschichte fur die oberen Klassen hoherer Lehranstalten; Weber, 
allgemeine Weltgeschichte. 

Ferner Studienbehelfe fur den Unterricht: Felddienst 
und Taktik: Exerzierreglements ; Felddienst fur das k. k. Heer; 
Waldstatten, Taktik. KenntnisderWaffen: Kochert, Waffenlehre ; 
Kropatschek, Broschuren fiber die k. k. Hinterladungsgewehre. Pi o n i e r- 
dienst von Wasserthal. Befestigungskunst: Wasserthal, Feld- 
befestigung; Leitfaden fur den Unterricht in der Fortifikation fur die 
k. k. Kadettenschulen , L II.; desgl. ffir die Artillerie- und Genie- 
Schulkompagnien, III. (Angriff und Verteidigung fester Platze). 
Heerwesen: Nauendorff, Kriegsmacht Osterreichs. Terrainlehre 
und Situationszeichnen: Vorlaufig Wanka, Theorie der Terrain- 
darstellung; von 1874 an Muszynski und Pfihoda, Terrainlehre. 

Im Jahre 1872 fibernahm Ob. Ludwig Frhr. v. Cornaro die 
Leitung der Kriegsschule. 

Ein auf Grand der gemachten Erfahrangen aufgestellter Stu- 



Digitized by Google 



288 Geschichte des Militar- Erziehungs- und -Bildungawesens etc. 



dienplan, welcher die Zwecke des Unterrichts in den einzelnen 
Fachern kennzeichnet und ihren Umfang begrenzt, erschien 1873 
(Druck und Verlag von L. W. Seidel in Wien, 8°, 48 Seiten). Der- 
selbe nennt als Unterrichtsgegenstande: Heerwesen; Taktik; Strategic ; 
Militargeographie ; Terrainlehre, Situationszeichnen, Aufnehmen; ope- 
rativen Generalstabsdienst; tTbungsrekognoszierung; Waffenlehre ; 
Fortifikation ; Naturwissenschaften ; Volkerrecht; Yolks wirtschaftslehre ; 
deutsehe Litteratur; Franzosisch; Kulturgeschichte (freiwillig). 

d. Der Zentral-Infan terie-Kurs. 

Der Zentral-Infanterie-Kurs hatte den Hauptleuten der Linien- 
und der Grenz-Infanterie, sowie der Jager Gelegenheit zum Erwerbe 
der Eignung zur Befdrderung zu geben und zugleich ihre Beurteilung 
nach einheitlichem Massstabe auf Grund ihres positiven Wissens zu 
ermoglichen. Derselbe ward in Wien abgehalten ; die unverheirateten 
Frequentanten wohnten in der Stiftskaserne. Fur Lehrbucher etc. 
erhielt jeder monathch 6 Gulden. 

Die Lei tun g hatte ein dem Kriegsminister unmittelbar unter- 
stellter Brigadier der Garnison, welchem ein Stabsoffizier zur Seite 
stand. DieZahl der Frequentanten ward alljahrlieh festgestellt. 
Den Unterricht erteilten Professoren der Anstalt (3) oder der 
Technischen Militar-Akademie, welche 192 Gulden Zulage erhielten. 

Vom Besuche war befreit, wer eine Militar-Akademie, den 
hoheren Artillerie- oder Genie-Kurs oder die Kriegsschule vollkommen 
absolviert hatte; war es in der Kriegsschule oder in einem der Kurse 
„mit gutem Erfolge" geschehen, so war er auch von der Schluss- 
prufung befreit. 

Die Vorkenntnisse wurden durch kommissionelle Kolloquien 
mit den Eintretenden und durch Ausarbeitungen, welche diese lieferten, 
festgestellt. 

Das TJnterrichtsjahr dauerte vom 1. November bis 30. Sep- 
tember. Besuch von militarischen Anstalten und tTbungsplatzen, prak- 
tische tTbungen etc. unterstutzten die Vortrage. Kolloquien und 
schriftliche Arbeiten verschafften Kenntnis von den Fortschritten und 
der Auffassung. 

Im September fand vor einer unter Vorsitz eines Generals aus 
dem Kommandanten, den Professoren und zwei Vertretern des Kriegs- 

*) N.-V.-BL, 29. Stiick, vom 9. Juni 1870, C.-V. vom 8. Juni 1870, Prfe. 
Nr. 1988. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



289 



ministeriums bestehenden Eommission die mundliche und schriftliche 
Schlussprufung statt Das Urteil, aaf welches der Gesamteindrack 
and die Eenntnisse in Taktik und Strategic den wesentlichsten Ein- 
fluss za aussern batten, konnte auf vorziiglieh , gat, ungenugend 
lauten; es war for die Beforderung, tourliche wie aussertourliche, 
von Bedeutong. Wiederholung des Besuches war gestattet, wenn der- 
selbe durch Krankheit unterbrochen gewesen war, die der Priifung fur 
diejenigen, welche sie ohne Schulbesuch abgelegt hatten. 
Der Lehrplan umfasste: 

a. Theoretischen Unterricht: Taktik der drei Waffen, wie 
in der Kriegsschule (grossere Ausarbeitangen); Grandziige der 
Strategie: Grundbegriffe , erlautert durch kriegsgeschichtliche Bei- 
spiele, kritisches Einzelstudium eines Feldzuges; Organisation des k. k. 
Heere8, Vergleich mit dem Auslande; Waffenlehre: Hand- und Feuer- 
waffen und Munition des k. k. Heeres, tlberblick uber die Waffen- 
und Geschutzsysteme der Grossmachte ; Terrain-Benutzung und -Be- 
schreibung als Vorbereitung zur Rekognoszierung, Aufnehmen und 
Krokieren (Zeichnungen nur in Blei); Pionier-Dienst: Lagerarbeiten, 
Herstellung von Strassen, Brilcken, Eisenbahnen; Befestigungskunst: 
Hauptgrundsatze , Hauptsystemte der bestandigen Befestigung, Feld- 
und fluchtige Befestigung, Angriff und Verteidigung von Befestigungen, 
Verwendung der Infanterie dabei; Feld-Telegraphie ; Ausseres, Pflege, 
Beschlag, haungste Krankheiten des Pferdes; freiwillige Teilnahnie 
an den Vortragen der Technischen Militar-Akademie uber Physik, 
Chemie, Mechanik. 

b. Praktische tTbungen: Wdchentlich einmal ein Rekognos- 
zierungsritt, dessenAufgabe hinterher imLehrsaale ausgearbeitet wurde; 
jeder Frequentant brachte sein Pferd mit ; ausserdem waren 10 ararische 
vorhanden; fur den Unterricht war ein Reitlehrer bestellt, welcher 
auch im Satteln und Zaumen unterwies. An einem Fecht- und 
Voltigierunterrichte teilzunehmen, war freigestellt. 

e. Der Zentral-Kavallerie-Kurs. 

In Gema8sheit einer A. E. vom 4. Februar 1870 aus der Zentral- 
Kavallerie-Schule hervorgegangen , hatte der Zentral-Kavallerie-Kurs 
neben der gleichen Bestimmung wie der Zentral-Infanterie-Kurs die 
Aufgabe, Lehrer fiir die Brigade -Offiziersschulen zu bilden und die 
vorgeschriebene Reitmethode zu gleichmassiger Auffassung und An- 
wendung zu bringen. 

Kommandant war der Kavallerie -Brigadier in Wien, der Stand 

Monumento Germaniae Paedagogie» XV. 19 



Digitized by Google 



290 



Geschichte dea Militar-Erziebungs- und -Bildungsweaens etc 



an Professoren betrug 5. Jeder Rittmeister hatte 2 eigene Pferde mit- 
zubringen; ausserdem stellte das Regiment fur ihn ein Remontepferd. 

Die Lehrgegenstande waren die fur den Infanterie-Kurs vorge- 
sehriebenen; ihr Umfang war nach der Bestimmung der Anstalt be- 
messen. 

2. Die Truppenschulen. 1 ) 

Ebenso bedeutsam wie die Umwalzungen im Bereiche der 
Militarbildungsanstalten waren die Neuerungen bei den Truppen- 
schulen. Ihre Thatigkeit war bisher eine sehr untergeordnete gewesen. 
Sie hatten weder auf die Ausbildung des Offiziersersatzes merklichen 
Einfluss geaussert noch die Unteroffiziere wissenschaftlich wesentlich 
gerordert; Unterricht an die Mannschafb war nur vereinzelt erteilt. 
Jetzt traten die Truppenschulen in Beziehung auf die Erziehung des 
Offizierkorps in einen vorlaufig freilich sehr bescheidenen Wettbewerb 
mit den Bildungsanstalten und gleichzeitig begannen sie eine be- 
merkenswerte Thatigkeit bei der Heranbildung der Unteroffiziere zu 
entwickeln. Jener erste Teil ihrer Wirksamkeit hatte die Gefahr einer 
Scheidung des Offizierkorps in zwei Gruppen im Gefolge, von denen 
die eine, im allgemeinen aus den ho*heren Schichten der Gesellschaft 
hervorgegangene, den Bildungsanstalten entstammende, einen hoheren 
wissenschaftlichen Standpunkt einnahm als die andere, in den Kadetten- 
schulen erzogene und teilweise aus der Mannschaft erganzte. Es 
lag mithin die Moglichkeit vor, dass aus der Anordnung wie in 
Frankreich ein in zwei scharf geschiedene Teile getrenntes Offizier- 
korps hervorgehen kSnnte. Anderungen, welche 1889 ihren Anfang 
nahmen, sind bestimmt, derselben entgegenzuwirken. Wir wenden 
uns zu den Thatsachen, haben aber vorauszuschicken, dass inzwischen 
die Verhaltnisse der Bewerber urn das goldene Portepee wiederum einer 
Neugestaltung unterzogen waren, in dem eine A. E. vom 24. Januar 
1869 s ) die 1867 geschaffenen Offiziersaspiranten durch „Kadett- 



*) Die „Instruktion fur die Truppenschulen" erschien in acht Teilen, von 
denen der 1. „al]gemeine* Grundsatze" aufstellt, die ubrigen (I— VII) die Be- 
stimmungen f'ii r die einzelnen Truppengattungen (Linien- und Grenz-Infanterie, 
dann Jagertruppe; Kavallerie; Artillerie; Genietruppe; Pionier- Regiment; 
Sanitatstruppe; Milit&r-Fuhrwesens-Korps) enthalten. Die allgemeinen Grund- 
satze werden unter ^annschaftsschulen" mitgeteilt werden; die Instruktion fur 
die Sanitatstruppe, welche, soweit sie hierhergehort, sich mit der fur die Infanterie 
geltenden deckt, ist fortgelaasen. Samtliche Instruktionen sind zuerat 1870 — 71 
in der k. k. Hof- und Staatsdruckerei zu Wien hergestellt. 

») A.-V.-Bl. 1869, 27. Stuck, C.-V. vom 6. April, Pras. 884. 



Digitized by Google 



dsterreieh-Ungarn. 



291 



Offiziers-Stellvertreter" ersetzte. Die vorhandenen Offiziers- 
aspiranten erhielten den Titel „Kadett". In Zukunft konnte ,jeder 
junge Mann von allgemeiner wissenschaftlieher und sozialer Bildnng, 
sowie von unbescholtenem Vorleben" nach bestandener Prufung znm Ka- 
dett befordert werden und damit Anspruch auf Beforderung zum Offizier 
erwerben. Er sollte zu den Vortragen und sonstigen zur Ausbildung 
der Offiziere bestehenden Einrichtungen heran- und auch ausser- 
dienstlich in die Gesellschaft der letzteren gezogen und konnte zu 
den Unteroffizier8chargen befordert werden. Hatte er die Prufung 
zum Offizier bestanden und geniigte er im ubrigen, so ward er zum 
Offiziers-Stellvertreter ernannt und war dann der erste Unteroffizier 
und der Vorgesetzte des Feldwebels. Es ist dies die noch gegen- 
wartig geltende Einrichtung. 

A. Vorbereitungs- und Kadettenschulen. 

Die zur Heranbildung von Offizieren bestimmten Truppenschulen, 
die „Vorbereitungs-" und die „Kadettenschulen", wurden, ausgenommen 
die fur die technischen Truppen bestimmten, durch A. E. vom 
15. Januar 1869 (A.-V.-Bl., 3. Stuck) der 6. Abteilung des Kriegs- 
ministeriums unterstellt. 

Die bei der Infanterie und den Kaiser-Jagern bestehenden „Re- 
giments-Kadetten-Schulen" hiessen fortan „Regiments-Vorbereitungs- 
Schulen", die „Offiziers-Aspiranten- (Frequentanten-) Schulen" der 
technischen Truppen „Artillerie-" bezw. „Genie-" oder „Pionier-Ka- 
detten-Schule". 

Fur die Pioniere war, nachdem sie von neuem vom Genie ge- 
trennt und ihre „militar-technischen und szientifisohen Agenden" dem 
Generalstabe unterstellt waren, das Ausscheiden aus der gemein- 
samen Offiziersaspiranten - Schule zu Krems und durch kriegs- 
ministeriellen Erlass vom 2. Oktober 1868, Pr&s. 2694, die Auf- 
stellung einer „Regiments- Vorbereitungs- und Offizier s-Aspiranten- 
Schule" angeordnet, fiir welche das Gebaude des Kadetten-Institutes 
zu Hamburg nebst Park, eine Einrichtungssumme von 2000 Gulden 
undLehrmittel aufgeloster anderer Anstalten angewiesen worden waren. 1 ) 
Sie begann ihre Thatigkeit mit 1868/9 und hatte vor allem die zu 
Offizieren geeigneten Mannschaften, demnachst aber, mit Genehmigung 
des Ministeriums, Bewerber um Kadettenstellen aus burgerlichen 
Kreisen aufzunehmen; auch konnten Zoglinge anderer militar- 



») Brinner a. a. 0., 2. Teil, 1. Band, S- 210. 

19* 

Digitized by Google 



292 Geachichte des Militar-Erziehuugs- und -Bildungsweaens etc. 



technischer S hulen in ihren 1. Jahrgang ubertreten. Gemeinsames 
Ziel sollte die ErneniiuDg zu Offiziersaspiranten des Fionierregiments 
sein. Gleichzeitig war die bisherige Regiments- in eine Unter- 
offiziersschule mit dem Lehrplane jener and mit einjahrigem Kurse 
umgewandelt. Sie bestand zu Hamburg. — Die Schulkompagnie zu 
Tulln ward 1869 aufgelost 

Fur die Genie-Kadettenschule ward am 1. Juni 1870 zu 
Wien, wohin sie am 1. Oktober iibersiedeln sollte, ein abgekurzter, 
viermonatlicher Vorbereitungskurs eingerichtet. 

Als Lehrer durften bei den Kadettenschulen laut C.-V. vom 
4. Oktober 1869 (A.-V.-Bl., 80. Stuck) Offiziere des Ruhestandes 
verwendet werden. Eine C.-V. vom 30. Mai 1870 (N.-V.-Bl., 27. Stuck) 
liess vorlaufig mit Riicksicht auf die verffigbaren Geldmittel nur je 
einen Lehrer bei den Infanterie- etc. Kadettenschulen zu, deren jeder 
jahrlich 500, in Wien, Pest, Prag und Brunn 600 Gulden als Re- 
muneration und nach zehnjahriger Lehrthatigkeit Anspruch auf eine 
Pensionserhohung erhielt Die Bewerber mussten entweder in Ma- 
thematik oder in zwei von den vier Fachern Stilistik, Geographie, 
Geschichte, Naturwissenschaften unterrichten konnen und ihre Be- 
fahigung durch das Zeugnis der bestandenen Lehramtskandidaten- 
Prufung oder durch den Nachweis einer fruheren erfolgreichen Lehr- 
thatigkeit an einer militarischen Unterrichtsanstalt oder durch eine be- 
sondere Prufung nachweisen. Der Anstellung ging eine dreimonatliche 
Probezeit vorauf. 

a. Infanterie, Kavallerie, Militar-Fuhrwesens-Korps. 
Die Vorbereitungsschulen 
waren bestimmt, „talentierte und bildungsfahige Soldaten oder Truppen- 
eleven, 1 ) deren Fahigkeiten fur den direkten Eintritt in die Kadetten- 
schule noch nicht gehorig entwickelt waren, entsprechend heranzubilden". 
Es bestandje eine bei jedem Infanterie- und dem Kaiser-Jager-Regi- 
mente, sowie gemeinsame bei zwei oder mehreren Jagerbataillonen. Die 
Kavallerie und das Fuhrwesen hatten die Einrichtung nicht; ihre Ange- 
horigen wurden einer jener Schulen zugewiesen. Wer das Ziel derSchule 
nicht erreichte, sollte womoglich Unteroffizier werden. Eine Eintritts- 
priifung hatte die erforderUchenVorkenntnisse nachzuweisen ; sie muss- 
ten das Verstehen des deutschen Vortrages ermoglichen. 

l ) Freiwillige, welche auf Beforderung dienten und vor Erreichung des zur 
Assentierung erforderlichen Alters von 17 Jahren eintraten. (Vorschrift iiber 
die Aufnahme und Behandlung der Truppeneleven , A.-V.-BL, 86. Stuck, vom 
3. November, C.-V. vom 28. Oktober 1869.) 



Digitized by Google 



dflterreich-Ungam. 



293 



Schulkommandant war ein Hauptmann, welcher daneben seine 
Kompagnie befehligte und dem Regiments-Kommandanten unmittelbar 
unterstand ; zwei Subalternoffiziere waren die Lehrer, ein Unter- 
zier, womoglich ein Kadett-Feldwebel, der auch als Lehrer ver- 
wendet werden konnte, fuhrtedie Aufsicht; Soldaten (fur je 5 Schuler 1) 
verrichteten die Bedienung und die hauslichen Arbeiten; alle waren 
frei von sonstigem Dienste; nach Bedarf konnten noch Offiziere des 
Dienststandes als Lehrer herangezogen werden. Der Kommandant 
unterrichtete in einem oder dem anderen Fache selbst, am seine Zog- 
linge moglichst kennen zu lernen. 

Der Unterricht dauerte vom 1. November bis Ende August; 
dann folgte eine Prtifung; im September und Oktober fanden Exer- 
zieren, Felddienst, korperliche und grossere Waflfenubungen, Distanz- 
beurteilen, Krokieren und Scheibenschiesseu statt; im Oktober durfte 
ein kurzer Urlaub erteilt werden. Fur die Lehrmittel hatten 
die Schuler zu sorgen, Unbemittelten konnten sie aus dem Pauschale 
beschafft werden. Die Instruktion sagt ferner: „Eine Sammlung guter 
Biicher ist von grossem Werte und wird deren allmahliche Erwerbung 
oder doch zeitweilige Benutzung durch die Schuler empfohlen." Ende 
Dezember wurde solchen Schiilern, deren wissenschaftliche Leistungen 
nicht genugten, eine 2monatliche Frist gestellt, nach deren Ablaufe 
eine Prufung fiber ihren Verbleib entschied; in gleicher Weise ward 
Schiilern mit mangelhafter Ffihrung eine Besserungsfrist gewahrt. 

In alien Schulen zeichneten die Lehrer „Qualifikationsvenner- 
kungen" auf, welche der Kommandant bei der Aufstellung von 
„Qualifikationstotalen" benutzte. 

Eine in der 2. Augusthalfte vor Offizieren des Truppenkorpers 
und der Schule abzulegende Schlussprufung entschied dariiber, wer 
in die Kadettenschule ubertreten, wer ausnahmsweise ein zweites Jahr 
in der Vorbereitungsschule verbleiben, wer zur Truppe einrucken 
sollte. Es waren nicht die wissenschaftlichen Leistungen allein mass- 
gebend, sondern es ward auch die sonstige Eignung in Betracht ge- 
zogen. 

Die Schuler wurden abgesondert von der Mannschaft „kasern- 
inassig" bequartiert; ausser Schlafzimmern hatten sie ein Unterrichts- 
lokal. Vom Garnison- und Wachdienste waren sie frei. Sie wurden 
wie Soldaten behandelt, welche fur eine besondere Verwendung aus- 
gebildet werden sollten. 

Der Lehrplan folgt auf S. 296. 



Digitized by Google 



294 Ge«cbichte dee MilitSr-Eraiehungs- und - Bil dungs weeens etc. 



Die Kadettenschulen 
hatten ihren Zoglingen „die far ihre Stellung erforderliche allgemeine 
Bildung, sowie dasjenige militarische Wissen zu verschaffen, welches 
sie nicht nur zur Erf&llung ihres Berufes als Subalternoffiziere be- 
fahigen, sondern sie auch in den Stand setzen wurde, sich durch Selbst- 
studium far hohere Dienstesspharen auszubilden". Es bestanden 
deren mit je zwei Jahrgangen zu Wien, Graz, Brann, Prag, Lemberg, 
Budapest, Pressburg, Kaschau, Temesvar, Agram, Innsbruck, Her- 
mann8tadt, Zara; davon waren Wien, Brfinn, Prag, Lemberg, Buda- 
pest, Temesvar zugleich fur die Kavallerie etc. bestimmt. Alle standen 
unter den kommandierenden Generalen, welche die Oberleitung dem 
am Orte der Schule befindlichen Trappen-Divisions-Kommandanten 
iibertragen durften. Jedes Linien- und Grenzinfanterie- und jedes 
Kavallerie -Regiment sollte jahrlich 5, jedes Jager-Bataillon 2 Aspi- 
ranten an die Schule abgeben. Fur Sanitatstruppe und Fuhrwesen 
waren keine Zahlen vorgeschrieben. 

Der Eintritt war vom Nachweise der Eignung und von der 
tTbernahme der Verpflichtung abhangig, fur jedes in der Schule zu- 
gebrachte oder begonnene Jahr ein Jahr iiber die gesetzliche Linien- 
dienstpflicht im Prasenzstande nachzudienen. Frequentanten von 
vorzuglicher Ffihrung, welche wegen mindestens 2monatlicher Krank- 
heit ein 2. Jahr in einer Klasse zugebracht oder die Eignung zum 
Kadetten uberhaupt nicht erreicht hatten, konnten vom Nachdienen 
entsprechend befreit werden. Die wissenschaftliche Eignung konnte durch 
das Zeugnis einer Vorbereitungs- oder einer Unterrealschule (Unter- 
gymnasiums) uber befriedigende Absolvierung oder in einer Auf- 
nahmepriifung nachgewiesen werden. Jeder trat in den 1. Jahrgang 
ein. Wer aber hinreichende allgemein wissenschaftliche Kenntnisse 
besass, urn den Unterricht in diesen entbehren und gleichzeitig mili- 
tarische Vortrage beider Klassen horen zu konnen, durfte schon 
nach einem Jahre die Schlussprfifung ablegen. 

Kommandant war ein Major oder Hauptmann; den Unterricht 
erteilten Offiziere, den in Taktik, Terrainlehre und -darstellung solche 
des Generalstabes; fur den in nicht militarischen Fachern durften 
Offiziere des Ruhestandes verwendet werden. Der Schulkommandant 
war der Aufsichtsbehorde, welche besonders durch den Generalstabs- 
chef Einfluss auf sie zu aussern hatte, unmittelbar unterstellt. Die 
Divisions-, Brigade- und Truppenkommandanten durften die Schulen 
jederzeit besuchen. Die Aspiranten der berittenen Truppen brachten 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn . 



295 



ihre Dienstpferde mit; far je zwei derselben war ein W&rter 
kommandiert. 

Der Unterricht dauerte Tom 1. November bis zum 15. Juli, 
dann folgten bis Ende September praktische und Truppenubungen. 
Bei mehr als 50 Sohulern wurden Parallelklassen eingerichtet. K;t- 
valleristen und Schuler vom Fuhrwesen hatten taglich Reitunterricht. 
Die Lehrer sollten die Schuler mit den Pflichten der Subaltern- 
offiziere vollkommen bekannt machen, daruber hinaus ihnen nur die 
Wege weisen. Praktische tTbungen fanden, wie in der Vor- 
bereitung8schule, statt; wenn die Schuler an Truppenubungen teil- 
nahmen, wurden sie entweder als Vorgesetzte bei der Truppe ver- 
wendet oder die Schule trat selbstandig auf. Von Mitte Juli bis 
Ende August wurden vom 2. Jahrgange die okonomische Messtasch- 
aufhahme und das Nivellieren, sowie einfache Pionier- und Feld- 
befestigungsarbeiten ausgefuhrt. Der 1. wurde in der Militar-Map- 
pierung, namentlich in der graphischen Triangulierung, dem Hohen- 
messen und der Detailaufnahme geubt; jeder Teilnehmer hatte eine 
Strecke Landes selbstandig aufzunehmen; die Geiibteren verliessen 
dazu die Station, die anderen blieben in der Nahe derselben. Der 
Vortrag fiber Waffenlehre wurde durch den Besuch der Artillerie- 
Schiessplatze und durch tTbung in der Bedienung von Feldgeschutzen 
geforderl Festungen, Arbeitsstatten, Schlachtfelder etc. wurden be- 
sucht, wenn sich Oelegenheit bot. Im Oktober konnte Urlaub erteilt 
werden. 

Die Jahresprufungen fanden in der 1. Julihalfte vor einer 
Kommis8ion von Offizieren unter Vorsitz eines Generals statt, in 
welcher die Schule durch den Kommandanten und 2 Lehrer vertreten 
war; die Fachlehrer pruften; nach Massgabe des Raumes konnten 
die Angehorigen der SchQler zugegen sein. Die Priifung des 
1. Jahrganges diente zur Kontrole, war aber in den Fachern, 
welche in demselben zum Abschlusse gelangten, eingehender; in den 
ubrigen wurde nur der gepruft, welchen der Vorsitzende bezeichnete 
oder wer darum bat, weil er die ihm zugebilligte Klassifikation ver- 
bessern wollte. Bedingung fur das Vorrucken in den 2. Jahrgang 
war, dass hochstens 2 Noten „mittelmassig" oder „schlecht" in 
minder wichtigen Gegenstanden vorhanden und dass dieselben durch 
mindestens „sehr gute" in wichtigeren gedeckt waren. 

Die „Kadettenprufung u ward am Schlusse des 2. Jahr- 
ganges abgelegt. Bei Beurteilung ihrer Ergebnisse zahlten Stilistik, 
Mathematik, Terrainlehre, Pionierdienst, Befestigungskunst, Taktik, 



Digitized by Google 



296 Geschichte des Militar-Erzlehunga- und -Bildungswesens etc. 



Felddienst, Heeresorganisation, Militaradministration doppelt; Sprach- 
kenntnis (deutsche und Regiments- bezw. eine zweite Sprache abge- 
sondert), Naturwissenschaften , Terraindarstellung , Messkunst und 
Terrain aufnahme, Geographic, Geschichte, Waffenlehre, Abrichtungs-, 
Exerzier- (bezw. Fuhrwesens-Fachkenntnisse) , Dienst-Reglement ein- 
fach. Als „ungeeignet" Abgewiesene durften die Prufung nach 
Jahresfrist wiederholen. Nochmalige Wiederholung durfte der Kriegs- 
minister gestatten. 

Besuch der Schule war nicht Bedingung der Zulassung zur 
Prufung. Wer letztere bestanden hatte, durfte an der nachfolgenden 
Mappierung teilnehmen; that er es nicht, so hatte er das Versaumte 
demnachst, als Kadett oder als Offizier, nachzuholen. 

Das Unterr ichtspauschale betrug Tom 1. Januar 1874 an 
fur Wien 1200, Budapest 1100, Prag, Graz je 1000, Lemberg, 
Agram je 900, Temesvar, Brunn je 800, die ubrigen je 600 Gulden 
jahrlich. 

Bei Mobilmachungen sollten Vorbereitungs- wie Kadetten- 
schulen aufgelost und bei einer teilweisen die Truppeneleven bestehen- 
bleibenden Anstalten uberwiesen, bei einer allgemeinen anderweite 
Einrichtungen uuter Offizieren des Ruhestandes getroflfen werden. 



Der Lehrplan der einklassigen Vorbereitungsschulen 
schrieb vor: 

Sprachen: Deutsche Sprache und Rechtschreibung , nach 
Heyses Leitfaden; Regimentssprache in der Ausdehnung des Dienst- 
verkehrs; bei deutschen Regimentern eine zweite Nationalsprache. 

Stilistik: Kleine Aufsatze, wie sie der Unteroffizier zu ver- 
fassen hat. 

Mathematik: Die vier Rechnungsarten in der Zahlen- und 
Buch8tabenrechnung mit ganzen, gebrochenen und Wurzelgrossen; 
Proportionen (Mocnik, Arithmetik, I, II). 

Terrainlehre, Terraindarstellung: Benennungen (Wald- 
statten, Terrainlehre); Planzeichnen ausschliesslich Schraffierung; 
Kenntnis der konventionellen Zeichen (Scheda, Zeichenschlussel) ; 
Anfertigung einer Terrainskizze im ebenen Gelande; Zurechtfinden 
mittelst Spezialkarte oder Plan. 

Geographie: Grundlehren; Weltteile nach Lage, Form, Grosse, 
Bevolkerung, politischer Einteilung; Lineamente der grossen Gebirgs- 
ziige, SchiflFahrtslinien, Verkehrswege; Nam en und Lage der Gross- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



297 



stadte , Hauptbandelsplatze und geschichtlich denkwiirdiger Orte 
(Daniel, Geographie fur hdhere Unterrichtsanstalten). 

Geschichte: Hauptbegebenheiten bis zum Mittelalter, Volker- 
wanderung (Weber, Weltgeschichte). 

Waffenlehre: Blanke und Feuerwaffen der eigenen Truppe; 
Gebrauch, Erhaltung. 

Taktik und Felddienst: Dienst des Unteroffiziers im Felde, 
besonders Sicherheitsdienst (Felddienst far das k. k. Heer). 

Abrichtungs-, Exerzier-, Dienstreglement: Ausbildung 
des Zuges; Kompagnie-Exerzieren, so dass der Schuler einen Zug in 
der Kompagnie fuhren lernt; allgemeine Standespflichten , besondere 
Dienste, Kasernenordnung, Monturs- und Waflfenbehandlung, Garnison- 
und Wachdienst; spezielle Vorschriften fur die Personen des Soldaten- 
standes einschliesslich des Zugfiihrers. 

Schonschreiben, Exerzieren, Scheibenschiessen, Fechten, Turnen, 
Schwimmen. 

Der Lehrplan der Kadettenschulen schrieb vor: 

Erster Jahrgang: 

8 til istik: Grossere Aufsatze aus dem Wirkungsbereiche des 
Subalternoffiziers (Ivansky, Militar-Stilistik). 

Mathematik: Algebra: Gleichungen 1. and 2. Grades, Reihen, 
Logarithmen; Geometrie einschliesslich Planimetrie (Lehrbucher von 
MoSnik). 

In beiden JahrgSngen nur die Fundament alsfitze behufs Losung der ge- 
■wShnlichsten Aufgaben. 

Terrainlehre, Terraindarstellung, praktiscbe Mess- 
kunst: Terrainlehre unter Hinweis auf die Benutzung des Terrains 
im Kriege (Waldstatten); Schraffierung (Wanka, Terraindarstellung, 
Scheda);Ausstecken,Messen etc. einer geradenLinie; Gebrauch des Mess- 
tiscbes bei einer okonomischen Aufhahme; Vorgang beim Nivelheren 
(Schmarda, Messkunst). 

Geographie: Osterreich-Ungarn (Sonklar, Geographie fur 
Kadettenschulen). 

Geschichte: Bis zum Sturze des 1. franzosischen Kaiser- 
reiches (Weber, erganzt durch Gatti, Geschichte von Osterreich). 

Pionierdienst: Kenntnis der Materialien, deren Vorbereitung 
und Verarbeitung; Arbeiten im Lager und auf dem Marsche; Aus- 
besserung und Zerstorung von Brflcken, Eisenbahnen etc. Das 



Digitized by Google 



298 Geachichte des Milit&r-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Wesentlichste uber Kriegsbriicken (Leitfaden fur Pionierdienst und 
Feldbefestigung). 

Befestigungskunst: Einfache Erdwerke; Herrichtung von 
Ortlichkeiten zur Verteidigung; wichtigste Befestigungsarten ; Haupt- 
bestandteile einer Festung; wichtigste Angriffs- und Verteidigungs- 
arbeiten (zu bearbeitender Leitfaden). 

Waffenlehre: Blanke und Feuerwaffen nebst Munition des k. k. 
Heeres, insbesondere Flugbahn und Wirkung der Feldgeschiitze ; 
Schussarten und Distanzen; Erhaltung der Waffen; das Wesent- 
lichste uber fremde Waffen; Neuerungen der Waffentechnik (Reiter, 
Elementar-Waffenlehre). 

Taktik und Felddienst: Taktik der Infanterie, Kavallerie, 
Artillerie (Waldstatten, Taktik); Sicherheitsdienst (Felddienst fur 
das k. k. Heer). 

Militar-Administration: Verwaltung einer Kompagnie; Ftth- 
rung von Transporten; Bearbeitung von Aufsatzen und Tabellen. 

Abrichtungs-, Exerzier-, Dienstreglement: Kompagnie- 
Exerzieren (grundlich); Dienstreglement (vollstandig). 

Exerzieren, Fechten, Turnen, Schwimmen; thunlichst Scheiben- 
schiessen. 

Zweiter Jahrgang: 

Stilistik wie im 1. Jahrgange. 

Mathematik: Geometrie einschliesslich Stereometrie und ebene 
Trigonometric (MoCnik). 

Naturwissenschaften: Physik (allgemeine Eigenschaften der 
Korper, popular, Hinweis auf das praktische Leben); Chemie (Zu- 
sammensetzung, Verwandtschaft und Veranderung der Korper, mit 
Beispielen aus der ehemischen Technologie, wie Verfalschung von 
Lebensmitteln, Schiesspraparate , Desinfektion) ; Mecbanik (Krafte, 
Gleichgewicht, Bewegung, Maschinen wie Hebel, Keil, Rolle, Schraube, 
Wasserrad, Dampfmaschine etc.). — (Netoliczka, Lehrbuch der Phy- 
sik, Chemie und Mechanik.) 

Terrainlehre, Terraindarstellung, praktische Mess- 
kunst: Terrain-Lehre, -Benutzung, -Beschreibung (Waldstatten); Aus- 
fertigung und Kopieren von Planen, Schraffieren nach Modellen; 
Feldmessen, Hohenmessen; graphische Triangulierung mittelst des 
Messtisches, Militarmappierung, Krokieren (Wanka, Schmarda). 

Geographie; Mathematische, soweit die Vorkenntnisse gestatten; 
politische des Norddeutschen Bundes, der deutschen Sudstaaten und 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungani. 



299 



Frankreichs, das Bemerkenswerteste fiber Russland, Italien, England, 
Turkei, Schweiz (Sonklar). 

Geschichte: Neueste Zeit (Weber, Gatti). 

Taktik und Felddienst: Angewandte Taktik, dnrch Beispiele 
erlautert (Waldstatten); Felddienst (besonders die Obliegenheiten des 
Subalternoffiziers). 

Heeresorganisation: Gliederang des k. k. Heeres; die Armee- 
Division im Felde. 

Abrichtungs-, Exerzier-, Dienstreglement: Das Exerzier- 
reglement der eigenen Waffe nach vollem Inhalte ; Straf-Gesetze und 
-Verfahren. 

Korperliche ttbungen: wie im L Jahrgange. 



Mit Beginn des Schnljahres 1873/74 traten an Stelle der 
obigen einklassigen Regiments-Vorbereitungsschulen zweiklassige 
(N.-V.-BL, 57. Stack), eine jede fur mehrere nach der Ordre de 
bataille zusammengehorende Truppenkorper bestimmt, unter Leitung 
von Stabsoffizieren und dem Kommando von Oberlieutenants. Es 
wurden drei zu Wien, je eine zu Graz, Klagenfart, Triest, Zara, 
Brunn, Olmutz, Prag, Josefstadt, Theresienstadt, Pilsen, Budweis, 
Lemberg, Krakau, Budapest, Pressburg, Kaschau, Temesvar, Linz, 
Innsbruck, Hermannstadt, Klausenburg, Agram, Belovdr, Esseg, Otto- 
£a£ und Kamenitz errichtet. In den Standorten fand demnachst einiger 
Wechsel statt. 

b. Artillerie. 

Eine Kadettenscbule fur die gesamte Artillerie ward zu Wien in 
der Kaserne am Rennwege mit Beginn des Schuljahres 1868/69 eroflEhet. 
Sie batte zwei Jahrgange und unterstand im Wege des Artillerie- 
Direktors dem Reichskriegsminister. Die Schulerzahl sollte 150 nicht 
flberschreiten ; durch A. E. vom 11. Juli 1872 ward sie auf 240 fest- 
gesetzt, fur welche Parallelkurse eingerichtet wurden. Wer in einer 
Aufhahmeprufung genugende Vorkenntnisse nachwies, konnte sofort 
in den 2. Jahrgang treten. Kommandant war ein Major oder 
Hauptmann. 

Die Aufnahmeprufung erstreckte sich auf: 

Sprachkenntnisse, schriftliche Aufsatze: Deutsche Sprache mit 
richtiger Ausdrucksweise in Wort und Schrift; ungarische oder eine 
slavische fur den Verkehr mit der Mannschaft. 



Digitized by Google 



300 Geschichte des Milit&r-Erziehungs- und •Bildungsweaeps etc. 



Mathematik: Umfang des Lehrbuches von MoSnik fur Ober- 
gymnasien. 

Terrain darstellung: Anfertigen einer Terrainskizze im ebenen 
Gelande; Zurechtfinden mittelst Spezialkarte oder Plan. 

Geographie nach Klun, Lehrbuch fur Mittelschulen. 

Geschichte (Altertum, Mittelalter, neuere Zeit) nach Putz, Lehr- 
buch fur die mittleren Klassen hoherer Lehranstalten. 

Abrichtungs-Reglement: Ausbildung zn Fuss und beim Feld- 
geschutze. 

Exerzier-Reglement einschliesslich Exerzieren der Batterie bezw. 
Kompagnie. 

Der Lehrplan umfasste: 

Sprachkenntnis, schriftliche Aufsatze : Beide Jahrgange : GrSssere 
Aufsatze aus der Sphare des Subalternoffiziers (Ivansky, Militar- 
Stilistik, erganzt durch den Lehrer nach den artilleristischen Sonder- 
anspruchen). 

Mathematik: I. Jahrgang: Spharische Trigonometrie, analytische 
Geometrie, theoretische Mechanik (Jesser, analytische Geometrie, 
Hfiber, Mechanik); 2. Jahrgang: Theoretische Mechanik, beschreibender 
Teil der Elemeute der Maschinenlehre (Arnstein, Maschinenlehre). 

Darstellende Geometrie: 1. Jahrgang: Rechtwinklige Projektions- 
lehre (Schnedar); 2. Jahrgang: Schattenkonstruktionslehre, Linien- 
und Parallelperspektive (Schnedar); Axonometrie, ihre Anwendung 
auf mechanische, architektonische und artillerist ischo Gegenstande 
(Lehrbuch von Robert Schmidt). 

Naturwissenschaften: 1. Jahrgang: Physik: Eigenschaften der 
Korper, Wirkungen der Molekularkrafte, experimentaler Nachweis der 
Hydro- und Aerostatik, Hydro- und Aerodynamik, Schall, Elektrizitat, 
MagDetismus, Licht, Warme; das Wichtigste mit elementarmathe- 
matischer Begrundung, um die Mechanik und Artillerietheorie zu 
verstehen (Dubic, Physik); 2. Jahrgang: Chemie: haufigst vor- 
kommende Grundstoffe, Verbindungen derselben, welche in der 
Artillerietechnik vorkommen, Eisen-, Schiesspulverfabrikation, Analyse 
im allgemeinen, spezielle von Gusseisen, Bronze, Schiesspulver; das 
Wichtigste der organischen Chemie (Roseve, Chemie). 

Praktische Messkunst: 1. Jahrgang: Aufnahme mit dem Mess- 
tische, Gebrauch der Winkel-Messinstrumente , Nivellieren, H6hen- 
messen; 2. Jahrgang: Graphische Triangulierung, Militar-Mappierung, 
Aufhahmen a la vue, Krokieren. 

Terrainlehre,-dar8tellung: 1. Jahrgang: Nach demLehrbuche von 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungara. 



301 



Zaffauk; 2. Jahrgang : Oro-, Hydro-, Topographie nebst Wiirdigung der 
Terrain telle (nach dem nam lichen Lehrbuche). 

Geographic: 1. Jahrgang: Politische von Europa (nach dem Leit- 
faden fur die k. k. Militar-Akademie) ; 2. Jahrgang: Mathematische 
(nach Jesser, Lehrbuch fur den II. Jahrgang der Neustadter Militar- 
Akademie). 

Geschichte: 1. Jahrgang: Allgemeine der neuesten Zeit (Weber); 
2. Jahrgang: Geschichte der osterreichisch-ungarischen Monarchic 
(Gatti). 

Militar-Administration: Vorschriften fur den Artillerieoffizier ein- 
schliesslich Zeugdienst. 

Abrichtungs- und Exerzier-Reglement: Exerzieren der eigenen 
Waffe grundlich, der ubrigen in den Grundzugen gelegentlich der 
taktischen Vortrage. 

Dienstreglement: 1. Jahrgang: Dienstreglement fur die k. k. 
Artillerie; Straf-Gesetze und -Verfahren im k. k. Heere. 

Heeresorganisation: 2. Jahrgang: Gliederung des k. k. Heeres; 
die Truppendivision im Felde; Organisation der Artillerie. 

Taktik und Felddienst: 1. Jahrgang: Grundbegriffe vom Kriege 
und der Kriegskunst, Gliederung in Taktik und Strategic, Charakte- 
ristik der einzelnen Waffen, ihre Taktik bis zum Bataillon (bezw. 
Eskadron, Batterie), Gefecht der verbundenen Waffen bis zur Truppen- 
division, Kavallerie- und Artilleriereserven, angewandte Taktik, 
Beurteilung des Gelandes, sein Einfluss auf die Taktik, Marsch, 
Sicherheits- und Nachrichtenwesen , Lager, Kantonnierung, Gefecht, 
Lokalgefechte, Schlacht, durch kriegsgeschichtliche Beispiele erlautert ; 
2. Jahrgang : Kleiner Krieg, Grundsatze der Strategie, soweit sie zum 
Yerstandnisse eines Feldzuges notwendig sind, Gebirgskrieg, Entwicke- 
lung der Taktik seit 1792; ein Feldzug (seit 1796) wird durchgefOhrt 
— solange kein geeignetes Lehrbuch vorliegt, nach lithographierten 
Vortragen des Lehrers, welche nach Berneck, Waldstatten, Griesheim, 
Bustow, Rechkron zusammengestellt und durch kriegsgeschichtliche 
Beispiele zu erlautern sind. 

Feldbefestigung und Pionierdienst: 1. Jahrgang: Schanzen, ihre 
Einrichtung fur Geschutz, Annaherungshindernisse, Holzbauten, Yer- 
schanzen von Anhdhen, Thalern, Waldern, Flussverschanzungen, Feld- 
schanzen, mit Berucksichtigung der gezogenen Geschutze, Baumaterial, 
Verrichtungen im Lager, Herrichtung des Terrains zur Verteidigung, 
Strassen und Wege, tTbergange (Wasserthal, technischer Pionier- 
dienst). 



Digitized by Google 



302 



Geschichte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



Permanente Befestigung und Festungskrieg : 2. Jahrgang : Grund- 
satze, Befestigungssysteme, Angriff und Verteidigung von Festungen, 
mit besonderer Berttcksichtigung der Artillerie, durch kriegsgesehichtr 
liche Beispiele erlautert (Lehrbuch fur die Kadettenschulen, II). 

Waffenlehre: 1. Jahrgang: Schutz- und blanke Waffen, Feuer- 
waffen, die osterreichischen insbesondere, Gebrauch und Wirkong; 
Neuerungen im Waffenwesen (Kochert, Waffenlehre). 

Artillerielehre : 2. Jahrgang: Schiesstheorie, Geschutz-, Geschoss- 
konstruktion , Fuhrwerkstheorie (nach lithographierten Vortragen des 
Lehrers). 

Spezielle Fachgegenstande und Geschicklichkeiten: Pferdewesen, 
praktischer Batteriebau, Geometral-, Maschinen-, Geschutzzeichnen, 
Turnen, Reiten, Distanzschatzen , Handhabungen mit dem Artillerie- 
material. 

Der Unterricht dauerte vom 1. November bis 15. Juli, dann 
folgten praktische und Truppenubungen. 

Die praktischen tTbungen bestanden in Exerzieren, Richten, 
Handhabungen mit dem -Artilleriematerial, Distanzschatzen, Batterie- 
bau, Beschirren, Satteln, Zaumen, Packen, Reiten (nach dem Be- 
durfnisse der Schuler), praktischem Messen und Terrainaufnahme (bis 
auf 9 Meilen von Wien). Letzteres nahm der 1. Jahrgang in der 
2. Julihalfte mit dem Messtische, den gewdhnlichsten optischen und 
katoptrischen Winkelmess-Instrumenten und im Nivellieren vor; der 
2. ubte in der 1. Juliwoche Terrainaufnahmen a la vue und Kro- 
Meren. 

Die Frequentanten wohnten Versuchen des Technischen und 
Administrativen Mihtar-Komitees bei und nahmen an tTbungen der 
verbundenen Waffen und Artillerie-Exerzitien teil; auch wurden Aus- 
fluge wie bei den Infanterie-Kadettenschulen unternommen. 

Durch A. E. vom 4. Januar 1870 (N.-V.-BL, 22. Stuck) war 
auch externen Horern des Zivilstandes, behufs Vorbereitung auf 
die Prufung zum Artilleriekadett oder Reserveofi&zier , die Teilnahme 
am Unterrichte gestattet. Sie mussten vollstandige Kenntnis 
der deutschen Sprache in Wort und Schrift nachweisen und ein 
Ober-Gymnasium , eine Ober-Realschule oder gleichgestellte Anstalt 
mit mind est ens „gutem (< Erfolge durchgemacht haben und zahlten 
halbjahrlich 25 Gulden; Unbemittelte konnten davon ganz oder teil- 
weise befreit werden. 

Die Schuler waren wachfrei; Lehr- und Lernmittel wurden aus 
dem Unterrichts-Pauschale bestritten. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn . 



Die Jahres- bezw. Schlussprufung, an welch letzterer auch 
Soldaten ohne die Schule besucht zu haben und Zivilisten teilnehmen 
durften, fand vor einer Kommission, deren Mitglieder zwei Artillerie- 
stab8offiziere, der Kommandant und die Lehrer der Scbule waren, 
unter Vorsitz des Artillerie-Direktors beim Generalkommando in Wien 
statt. Der Hergang bei der Prufung entsprach dem fQr die Infanterie- 
Kadettenschulen vorgeschriebenen. 

Bei allgemeiner Mobilmachung sollte die Schale aufgelost, 
die zuruckbleibenden Frequentanten sollten einer anderen Kadetten- 
schnle oder einer unter Offizieren des Ruhestandes zu errichtenden 
Anstalt uberwiesen werden. 



Zum Zweck besserer Vorbereitung ordnete eine A. E. vom 
11. Juli 1872 an, dass im August und September 187 3 ein „Vor- 
bereitungskurs" abgehalten werde. Durch A. E. vom 2. Juli 18 74 
ward die Dauer desselben auf ein Jahr Mr 120 in zwei Parallel- 
klassen zu unterrichtende Frequentanten ausgedehnt. In einer Auf- 
nahmeprafung mussten genugende Kenntnis der deutschen Sprache 
in Wort und Scbrift, Gelaufigkeit im Ziffernrechnen einschliesslich 
Proportionen und Bekanntschaft mit dem Dienste der Feld- bezw. 
Festungsartillerie nachgewiesen werden. Bewerber aus dem Zivil 
batten geringeren Anspruchen zu genugen. tfberhaupt sollte bei der 
Prufung auf das Gesamtverhalten und darauf Wert gelegt werden, 
ob dasselbe auf geistige Befahigung schliessen liesse. Der Unter- 
richt erstreckte sich auf Algebra, Geometrie ausschliesslich Trigono- 
metrie, Terrainlehre und -darstellung , Geographie, Geschichte, Feld- 
befe8tigung, Artillerielehre, Exerzier- und Dienstreglement. 

c. Genietruppen. 

Die Genie-Kadettenschule bestand aus der eigentlichen 
Schule und einem Vorbereitungskurs, beide 1870 von Kloster Brack 
nach Wien iibersiedelt, dem dortigen Geniebataillon attachiert und 
seinem Kommandanten als Oberleiter unterstellt. Der General- 
Geniedirektor, der Brigadier und der Kommandant des betreffenden 
Regiments hatten sie zu uberwachen, „respektive dienstlich zu inter- 
venieren u . Kommandant war ein Hauptmann, welcher zugleich 
eine Geniekompagnie befehligte ; 2 Subalternomziere (auch vom Ruhe- 
stande) lehrten diejenigen Facher, an deren Vortrage die Schuler nicht 
in der Technischen Akademie teilnahmen. Ein Unteroffizier, wo- 



Digitized by Google 



304 Geschichte des MilitSr-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



moglich Kadett-Feldwebel, beaufsichtigte die Schuler; er konnte 
zugleich Zeichen-, Fecht- etc.-Lehrer und Korrepetitor sein; in 
korperlichen tTbungen durfte auch der manipulierende Feldwebel 
unterweisen. Kommandant und Lehrer sollten womoglich wahrend 
des Schuljahres nicht gewechselt werden. Das Leben der bei dem 
Bataillon kasernmassig untergebrachten Schuler war militarisch 
geordnet, der Dienst wurde wie in der Kompagnie gehandhabt; die 
Vorbereitungsschuler thaten ab und an Wachdienst, die Kadetten- 
schuler lebten nur den Studien. TJnterrichtsstunden waren vor- 
geschrieben: 

Fur den Vorbereitungskurs: Franzosisch 3; algebraische 
und hohere Analysis, analytische Geometrie 6; darstellende Geo- 
metrie 7Vs, ausserdem fur Erdbau, Verkleidungs- und Versicherungs- 
arbeit, Waflfenlehre, Felddienst und Taktik, Fortifikation, Festungskrieg, 
Sappeur-, Mineur- und Pionierdienst, Terrainlehre, Dienst- und 
Exerzierreglement, Militaradministration, Heeresorganisation , Militar- 
stilistik , Situations- und Ornamentenzeichnen, Fechten und Turnen, 
in solcher Ausdehnung, dass nicht mehr als 40 Wochenstunden 
entfielen. 

Fur den 1. Jahrgang: Franzosisch (unobligat) 3; Analysis 
und analytische Geographie 6; darstellende Geometrie 5; praktische 
Geometrie 3; Chemie 4; Physik 2; Hochbau 7 1 /*; Fortifikation und 
Festungskrieg 5; Situationszeichnen 2ty; Reiten 3; Fechten 1; im 
ganzen 39. 

Fur den 2. Jahrgang: Physik 3; technische Mechanik 4; 
Maschinenkunde 3; Hochbau und Encyklopadie der Ingenieurwissen- 
schaften 7 1 /*; Geschichte der Architektur 3; Felddienst und Taktik 4; 
Fortifikation und Festungskrieg 7 1 /*; Situationszeichnen 2; Reiten 3; 
Fechten 1; im ganzen 38. 

Der Vorbereitungskurs nahm Soldaten und laut A. E. vom 
2. Juni 1870 auch Truppeneleven auf. Letztere mussten die Ober- 
realschule befriedigend durchgemacht haben. Die Eintrittsprfifung 
erstreckte sich auf Algebra, Geometrie, Trigonometric, Stereometric ; 
Physik, Chemie, Mechanik; Geometralzeichnen und darstellende 
Geometrie; Geschichte, insbesondere des Altertums; Geographie von 
Europa; deutschen Stil. Des Deutschen musste der Bewerber in 
Wort nnd Schrift yollkommen machtig sein. Die Prflfang durfte 
nach Jahresfrist einmal wiederholt werden; Unteroffiziere , welche 
jenes Wissen nicht besassen, aber die Unteroffizier-Bildungsschule 
„vorzfiglich" durchgemacht hatten, durften versuchsweise zugelassen 



Digitized by Googl 



6*terreich-Ungarn . 



305 



und von einzelnen Vortragen befreit werden, urn desto mehr Zeit auf 
andere verwenden zu konnen. 

Der Unterricht, welcher vom 1. Oktober bis 15. August 
dauerte, fand teils in der TJnteroffizier-Bildungsschule des Bataillons, 
teils gemeinsam mit den Einjahrig-Freiwilligen, teils gesondert, vom 
Montage bis zum Freitage statt. Der Sonnabend gehorte der den 
Schulern gemeinsam mit den Einjahrig-Freiwilligen zu erteilenden Unter- 
weisung. Briickenschlag ward bei den Pionieren in Klosterneuburg 
gezeigt, Wasserfabren und Schwimmen beim Geniebataillon erlernt, 
aus8erdem Exerzieren, Felddienst, teehnisehe tTbungen im Genie-, 
Feld- und Festungsdienst, Anfertigung von Terrainskizzen im Freien, 
Aufnehmen und Nivellieren, Scheibenschiessen gelehrt. — Im Sep- 
tember konnte Urlaub erteilt werden. — Die Lehrmittel wurden 
aus dem Unterrichtspauschale beschafft. 

Die Vorschriften fiber Besserungsfristen , Schlussprflfungen etc. 
entsprachen den fur die anderen Waffen geltenden. Wer nicht ein- 
hellig als fur die Kadettenscbule „geeignet" bezeichnet ward, konnte 
den Kurs wiederholen oder in eine Infanterie-Kadettenschule oder in 
einen bei der Genietruppe bestehenden „Eurs fur die Militar-Ver- 
waltungs-Branche", gegenwartig ,,Militar-Bau-Werkmeisterkurs", ein- 
treten. 

Im April wurden die „guten" Schuler zu Gefreiten, die „vor- 
zuglichen" zu Vize-Korporalen und nach Bestehen der Schlusspriifung 
die in die Kadettenschule ubertretenden zu wirklichen Korporalen 
bezw. mit Fuhrersauszeichnung vorgeschlagen und nach Massgabe der 
offenen Stellen vom Regimentskommandanten dazu ernannt. 

Bei einer allgemeinen Mobilmachung sollte die Schule aufge- 
lost und die Truppeneleven als Schreiber und Zeichner beim Tech- 
nischen und Administrativen Militarkomitee verwendet werden. 

Der Eintritt in die Kadettenschule konnte aus dem Vorbe- 
reitungskurae, dem Soldaten- oder dem Zivilstande geschehen. Wer 
ersteren nicht durchgemacht hatte, musste ein befriedigendes Zeugnis 
uber die Absolvierung des 2. Jahrganges der allgemeinen Abteilung 
eines technischen Institutes besitzen und eine vor dem Kommandanten 
des Genie-Bataillons , sowie drei Lehrern des letzteren abzulegende 
Priifung bestehen. Er wurde von der Teilnahme am Unterrichte der- 
jenigen Facher, in denen er befriedigt hatte, befreit und musste 
dagegen am Ende des 1. Jahres eine Priifung aus dem Dienst- und 
Abrichtungsreglement und aus der Waffenlehre, am Ende des 2. eine 

Monument* 0«rm»nUe Paedtgoglca XV. 20 



Digitized by Google 



306 Geschlchte des Millt&r - Eraiehungs- und -BildungsweaeM etc. 



solche aus dem Exerzierreglement , der Heeresorganisation and der 
Militaradministration bestehen. tlber die Aufnahme entschied das 
Reich8-Kriegsmini8terium; Bedingung war tTbernahme der ublichen 
Nachdienstpflicht Die Aufhahmeprufung durfte nach Jahresfrist 
wiederholt werden. Unmittelbarer Eintritt in den 2. Jahrgang war 
nicht gestattet, doch durften absolvierte Techniker sich durch die 
Teilnahme an Vortragen auf die Schlussprufung vorbereiten. Da 
ein solcher Prequentant aber gleichzeitig Feld- und bestandige Be- 
festigung horen musste, so hatte er die Kenntnis der ersteren so 
fruh zu erwerben, dass er Ende Dezember eine PrQfung im Umfange 
des technischen Reglements ablegen konnte. 

Die Zahl der Schiller sollte mit Mcksicht auf die Beforderung 
und auf die Raumverhaltnisse in der Akademie, an deren Unterrichte 
jene in den meisten Fachern teil nahmen, etwa 16 betragen. 

Der Unterricht in hoherer Mathematik schloss an den des 
Vorbereitungskurses, er hatte hauptsachlich das Verstandnis anderer 
Facher und der am hoheren Geniekurs zu horenden zu beruck- 
sichtigen; Mechanik und Masohinenkunde sollten im Hinblick auf die 
Praxis, die Baumechanik so gelehrt werden, dass, wer nicht in den 
hoheren Kurs gelangte, im stande sei, die gewdhnlichen Bauberech- 
nun gen auszufuhren. Der Heitunterricht ward in der Akademie 
erteilt, das Turnen nach eigener Wahl betrieben, Exerzieren, Feld- 
dienst und Scheibenschiessen mit der Genietruppe, Aufnehmen und 
Nivellieren im 1. Jahrgange, Mappierung und Aufnehmen a la ?ue 
im 2. vorgenommen. Zu technischer Ausbildung wurde der 1. Jahr- 
gang im Spatsommer Geniekompagnien zugeteilt; die ganze Schule 
wurde bei grosseren Sprengungen u. dgl. herangezogen ; der 2. Jahr- 
gang besuchte interessante militarische Anstalten und Baulichkeiten, 
unter Umstanden nahm die Schule an der tTbungsreise der Einjahrig- 
Freiwilligen teil. In der 2. Septemberhalfte konnte der 1. Jahrgang 
Urlaub erhalten. 

Am Ende des 1. Halbjahres wurden alle „yorzuglichen" und 
auch sonst wtirdigen Frequentanten des 1. Jahrganges urn eine Unter- 
offizieracharge und nach abgelegter Jahresprufung zu Feldwebeln be- 
fordert. 

Die Bestimmungen zur Erprobung des Fortganges fanden ver- 
scharfte Anwendung. So wurden Ende Dezember und nach Ablauf 
des nachsten Vierteljahres an einem vorher nicht bekannten Tage in 

Gegenwart des Lehrers Aufgaben aus den vorgetragenen Unterrichts- 

stoflfen in gegebener Zeit schriftlich bearbeitet 



Digitized by Google 



Onterreich-Ungarn. 



Die Schreibmaterialien beschaffle der Schfiler selbst, die ubrigen 
Lehrmittel die Schule. 

Die Jahres- und Schlussprfifungen fanden gleichzeitig mit 
jenen der Akademie in den gemeinsam gehdrten Wissenschaften Tor 
der namlichen durch den Kommandanten und den Oberleiter der 
Schule verstarkten, in den ubrigen vor einer vom Kriegsministerium 
bestimmten Kommission statt, unter deren Mitgliedern der Oberleiter, 
der Kommandant und die Lehrer der Schule waren. Nach Mass- 
gabe des Raumes durften die Angehorigen der zu Priifendejn zu- 
gegen sein. 

Die Prufungen erstreckten sich auf die Unterrichtsgegenstande 
des betreffenden Jahres , fur die Schlussprufung kamen die im 2. Jahr- 
gange nicht vorgetragenen mit der Note des Vorbereitungskurses 
bezw. 1. Jahrganges in Ansatz. Die Kenntnisse im Deutschen wurden 
nach einer grosseren Arbeit und dem mundlichen Vortrage beurteilt, 
fur Geographic und Geschichte war der Erfolg der Aufnahmeprufung 
massgebend. Wer eine bessere Note zu erlangen wunschte, durfte 
eine Nachpriifung ablegen. 

Zur Prufung ohne Besuch der Schule konnte zugelassen werden, 
wer ein gutes Abgangszeugnis von einer der bestehenden technischen 
Lehranstalten besass und eine Prufung in den reinmilitarischen 
Fachern bestand. 

Die Vorschriften fur das Aufrucken in den 2. Jahrgang und das 
Abhalten der Prufungen entsprachen den fur die anderen Waffen 
gegebenen. 

Wer zum Kadett „nicht geeignet" war, konnte, wenn ihm nicht 
gestattet wurde den Jahrgang nochmals durchzumachen, die Prufung 
ohne solchen Besuch nach Jahresfrist, ausnahmsweise auch noch ein 
zweites Mai, wiederholen. 

Bei allgemeiner Mobilmachung sollte die Schule aufgelost 
werden. 

d. Pioniere. 

Die Pionier-Kadettenschule hatte nicht allein Offiziere fur die 
Waffe, 8ondern auch solche auszubilden, welche die Leitung der 
Pioniere bei der Infanterie, den Jagern und der Kavallerie uber- 
nehmen konnten. Ihre Frequentanten waren aktive Mannschaften 
oder Truppeneleven sowohl des eigenen Regiments wie anderer 
Truppenkorper. Die Zahl durfte 150 nicht ubersteigen, darunter 

20* 



Digitized by Google 



308 



Geschichte des Militar-ErziehungB- und -Bildungsweaens etc. 



hochstens 80 vom Regiment. Sie batten eine Nachdienepflicht zu 
ubernehmen. 

An Vorkenntnissen wurden gefordert: for den 1. Jahrgang 
die mit durchaus gutem Fortgange erfolgte Absolvierung der Vor- 
bereitungsschule (S. 291), einer Unter-Realschule oder eines Unter- 
gymnasiums, ferner Vollendung des 15. Lebensjahres; fur den 2. die 
Absolvierung der 5. Klasse einer vollstandigen Realschule oder der 
6. eines Gymnasiums; fiir den 3. deren Absolvierung. Wer diesen 
Forderungen mindestens „gut" geniigt hatte, war von der Aufnahme- 
prufung befreit. Unmittelbarer Eintritt in den 4. Jahrgang war nicht 
gestattet; fortgeschrittene Schuler des 3. Jahrganges durften jedoch, 
wie bei der Artillerie, die militarischen Vortrage des 3. und 4. gleich- 
zeitig besuchen und die Prufung ein Jahr fruher ablegen als ihre 
Genossen. 

Die Prafungen zum Eintritte in den 1. Jahrgang konnten bei der 
Schule, bei einem Pionierbataillone oder einer anderen Kadettenschule, 
die zum Eintritte in hohere Jahrgange mussten bei ersterer abgelegt 
werden. Kenntnis des Deutschen musste so weit vorhanden sein, dass 
die Moglichkeit vorlag den Vortragen zu folgen; grosser Wert ward 
auf Mathematik, fiir die hoheren Jahrgange auf technische Vorkennt- 
nisse gelegt; bei den iibrigen Wissenschaften kam es mehr auf allge- 
meines Verstandnis als auf „viele Details" an; bei Bewerbern aus 
dem Mannschaftsstande besonders auf praktische Brauchbarkeit. 

Der Unterricht dauerte vom 1. November bis 30. September; 
im Oktober wurden die aus dem Zivil Eintretenden militarisch aus- 
gebildet. 

Der ausruhrliche Lehrplan, welcher auch die dem Unterrichte 
etwa zu Grunde zu legenden Bucher nennt, schreibt an Wochen- 
stunden vor: 

Fur den 1. Jahrgang: Deutsch (Heyse, Grammatik; Verna- 
lecken, Litteraturgeschichte) 3 J /a ; Ungarisch oder Bohmisch (nach Ollen- 
dorff bezw. Cebusky, solange keine Grammatik nach Ollendorff vor- 
handen) 2; Franzosisch, freiwillig (nach Toussaint-Langenscheidt) 2; 
Arithmetik, Algebra, Geometrie (nach Lubsen) 9 ; zeichnende und dar- 
stellende Geometrie (nach Hieser bezw. Schnedar) 3; Physik (nach 
Piesko) 3; Situationszeichnen (nach Scheda), Winter 3, Sommer 4; 
Geographie (nach Daniel) 3; Geschichte (nach Weber) 3; Kriegs- 
brucken-Reglement 1; Waffenlehre (nach Reiter) l 1 /*; Abrichtungs-, 
Exerzier- und Dienstreglement 2. 

Fur den 2.: Deutsch wie im 1.; TJngarisch oder Bohmisch und 



Digitized by Google 



6Bterreich-Ungarn. 



309 



Franzosisch wie im 1.; Trigonometric, hdhere Geometrie 7Vi; dar- 
stellende Geometrie 3Vj; Chemie (nach Hornig) 3 ; Situationszeichnen, 
Winter 3, Sommer 4; praktische Messkunst (nach Baur) 
Geographic 3; Geschichte 3; Kriegsbrucken-Reglement 1; Waffen- 
lehre l 1 /*; Abriohtungs-, Exerzier- und Dienstreglement 2. 

Fur den 3.: Deutsch (Ivansky, Militarstilistik) l 1 /*; Ungarisch 
oder Bdhmisch und Franzosisch wie im 1.; technische Mechanik 
(nach Huber), Winter 7*/ti Sommer 6; zeichnende und darstellende 
Geometrie (nach Schnedar bezw. Tilscher) 3; chemische Technologie 1; 
Terraindarstellung und -lehre (nach Wanka bezw. Waldstatten) 
Winter l 1 /** Sommer 1; Situationszeichnen 3; praktische Messkunst 
(nach Schmarda) l l f»; Geographie von Osterreich-TJngarn (nach 
Kornenfel8) 2; Geschichte 2; Kriegsbrucken-Reglement 1; Bau- 
technologie und Baukunde (nach Weiss), Winter 6, Sommer 7; Feld- 
befestigung (nach Tunkler) 2; Waffenlehre 1; Felddienst (nach dem 
Reglement), Winter lVi, Sommer 1; Armeeorganisation, Winter U/i, 
Sommer 1; Abriohtungs-, Exerzier- und Dienstreglement 2. 

Fur den 4.: Deutsch wie im 3., Winter l'/i, Sommer 1; Un- 
garisch oder B6hmi8ch 2; Franzosisch, unobligat lVi; Analysis, 
Differential- und Integralrechnung (nach Lubsen), Winter 6, Sommer 5; 
Maschinenlehre und -zeichnen (nach Haindl), Winter 3, Sommer 4; 
Telegraphenwesen, Winter 1 l /t ; Terraindarstellung und -lehre, Winter 
l 1 /*? Sommer 1; Situationszeichnen 3; physikalische und mathe- 
matische Geographie (nach Jesser) 2; Geschichte Osterreich-Ungarns 
(nach Gatti) 2; Kriegsbrucken-Reglement 1; Kriegsbruckenwesen 
(eigenes, verglichen mit fremden), Sommer 1; Strassen- und Eisen- 
bahnbau 4Vi; Wasser- und Briickenbau 6; standige Befestigung 
(nach Tunkler und Welsperg) 2; Taktik (nach Waldstatten) 2; 
MiUtaradministration, Winter 1% Sommer 1; Abriohtungs-, Exerzier- 
und Dienstreglement, Winter 2 1 /*, Sommer 2. 

Ausserdem: Schonschreiben nach Bedurfniss an Sonn- und Fest- 
tagen; Turnen, Winter fur I und II 1, III und IV 2, Sommer an Regen- 
tagen; Fechten I und II 1, III und IV 2 (fur I und II freiwillig); 
Freihandzeichnen 2; Stenographieren 1. 

Im Deutsch en sollte in I und II eine tuchtige syntaktisch- 
rhetorische Vorbildung gegeben und die Bekanntschaft mit der Ge- 
schichte der Litteratur und deren hervorragendsteu Erzeugnissen 
vermittelt, in III und IV die militarische Realprosa behandelt, im 
Franzosi8chen das Lesen militarisch-technischer Bucher, im Un- 
garischen und im Bohmischen das Sprechen gelehrt werden. 



Digitized by Google 



310 Geschichte des Militar - Erziehunge- und -Bildungaweaens etc. 



Der Vortrag in den Grunddisziplinen der Mathematik sollte er- 
schopfend sein, von den Fortschritten in Differential- und Integral- 
rechnung hing wesentlich die Rangesbestimraung ab; in den huma- 
nistischen und naturwissenschaftlichen Fachern sollte die 
notige encyklopadische Bildung gewahrt, Situationszeichnen, 
Terrainlehre und Militarmappierung sollten die vier Jahre hin- 
durch womoglich vom namlichen Lehrer gelehrt werden. Der Unter- 
richt in Geographie hatte ein Hauptaugenmerk auf graphische Dar- 
stellung zu richten, der in Baukunde die militarische Nutzanwen- 
dung nie aus dem Auge zu verlieien, der im Telegraphenwesen 
sich mit dem Morseschen Schreibtelegraphen , allgemein mit den 
sonstigen Systemen und mit den Feldtelegraphen zu beschaftigen. 
Feldbefestigung war eingehend, die permanente wie in den 
Infanterie-Kadettenschulen, jedoch einschliesslich der Aufgaben des 
Pionieroffiziers imFestungskriege, vorzutragen. Bei den militarischen 
Fachern war zu berucksichtigen , dass die Schuler nicht allein fur 
die Pioniertruppe bestimmt waren. 

An praktischen "Cfbungen wurden, teils in Verbindung mit 
den Vortragen, teils nach ihrer Beendigung vorgenommen: Exerzieren, 
Felddienst, Scheibenschiessen, womoglich Teilnahme an den Artillerie- 
tJbungen auf der Simmeringer Heide, Exerzieren am Feldgeschutz, 
Pionierubungen, denen die Sommernachmittage von 4 bis 7 Uhr fast 
ausschliesslich gehorten, Distanzbeurteilen. Die Schuler wurden im 
Juni und Juli mit den Instrumenten bekannt gemacht, im September 
wurden von II und III bei Hainburg etwa 500 Joch okonomisch aufge- 
nommen; IV fuhrte dort vom 15. August bis 30. September eine Militar- 
mappierung aus. — Die Unterrichtsmittel wurden wie in den 
Infanterie-Kadettenschulen beschafft. Das Unterrichtspauschale betrug 
1200 Gulden. — Nach Weihnachten, vor Ostern und vor den Schluss- 
prufungen fanden Interimspriif ungen statt, deren Ergebnisse als 
Grundlage fur die bei den Mitte August stattfindenden Jahres- und 
Schlussprufungen zu machenden Anforderungen dienten. Die Jahres- 
prufungen waren Versetzungsprufungen, welche von den Lehrern 
unter Vorsitz eines hoheren Pionieroffiziers vorgenommen wurden. Das 
Aufracken hing von der Erfullung bestimmter Bedingungen ab. Wieder- 
holung des Jahrganges ward ausnahmsweise gestattet. 

Die Schlussprufung ward vor einer Kommission abgelegt, 
welche, unter Vorsitz eines Generals, aus dem Kommandanten und 
einem Stabsoffizier des Regiments und den Offizieren der Schule be- 
stand. Sie entschied, ob der einzelne fur das Regiment oder fur eine 



Digitized by Google 



O ster reich- CJngarn. 



311 



andere Truppe „vorzuglich geeignet", „geeignet" oder „ungeeignet" 
sei, und bestimmte den Rang innerhalb der Gruppe. Doppelt be- 
rechnet wurden: Stilistik, niedere und hdhere Mathematik, Mechanik, 
Maschinenlehre, Messkunst, Kriegsbriickenwesen , permanente Fortifi- 
kation, allgemeine Baukunde, Brucken-, Wasser-, Strassen- und Eisen- 
bahnbau, Taktik, Felddienst, Heeresorganisation, Militaradministration. 
Mit Rucksicht auf den Umfang des Lehrplanes erhielten in beiden 
Gruppen die Zoglinge den Rang vor den gleichzeitig ernannten 
Eadetten der Infanterieschulen. 

Schulkommandant war ein Hauptmann, als Lehrer wirkten 
10 Subalternoffizi ere ; sie sollten nicht weniger als 3, nicht mehr als 
5 Jahre bei der Schule bleiben. Je ein Frequentant aus IV war als 
Kadett-Feldwebel einem der 4 ZQge zugewiesen, in welche die Kom- 
pagnie fur den inneren Dienst zerfiel. Die Frequentanten waren 
kasernmassig bequartiert und fuhrten eine gemeinsame Menage, sie 
durften feinere Uniformen etc. als die gelieferten tragen und ihre 
Kleider von den zur Schule kommandierten Pionieren reinigen lassen. 
Leichtkranke kamen in das Haus-, schwerer Erkrankte in das Garnison- 
spital nach Pressburg. Bei einer allgemeinen Mobilmachung sollte die 
Schule in verringertem Umfange fortbestehen. 

B. Mannschaftsschulen. 

Die Allgemeinen Grundsatze, welche der „Instruktion fur die 
Truppen8chulen" (S. 290) vorangestellt waren, bezeichnen als den 
Zweck die Belehrung des Soldaten fiber alle „in den verschiedenen 
Verwendungen und Chargengraden ihm unentbehrlichen Kenntnisse". 
„Es sollen die Verstandes- und TJrteilskrafte des einzelnen angeregt, 
gescharft und dahin gelenkt werden, dass er in alien und auch un- 
erwarteten Lagen mit Besonnenheit und selbstbewusster Sicherheit zu 
handeln vermag." Ausserdem soli das moralische Element gepflegt 
werden. 

Diese Grundsatze und die auf ihnen beruhenden Einrichtungen 
sind bis heute nicht wesentlich geandert worden. Nachstehend ist 
daher eine einheitliche, uber den funften Zeitraum hinausgreifende 
Schilderung gegeben, welche demnachst nur durch Bestimmungen aus 
dem Jahre 1890 erganzt werden wird. 

Die Leitung der Schulen ist Sache der Truppenkommandanten, 
der Unterricht soli auf das Notwendigste beschrankt werden. Urn 
ihn mSglichst gleichartig zu gestalten, nennen die Instruktionen auch 
die fur die nicht rein reglementarischen Facher zu benutzenden Lehr- 



Digitized by Google 



312 Geschichte dee Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



bucher. Die Lehrmethode soli ein moglichst grundliches Aneignen 
des Unterrichtsstoffe8 erstreben. Gedankenloses Auswendiglernen und 
wortliches Hersagen soli ausgeschlossen sein, der Anschauungsunter- 
richt besonders gepflegt werden. 

Der tbeoretische Unterricht darf an einem Tage nicht langer 
als 6, der einzelne Vortrag nicbt mehr als l 1 /*, nur das Zeiehnen 
darf 2 Stunden dauern. Bei der Neuheit des Gegenstandes hielt man 
fur notig anzuordnen, dass die Lehrthatigkeit eine bleibende Ver- 
wendung sein solle und das Schulhalten nicht dem Offizier voni Tage 
ubertragen werden durfe. Womoglich sollen die Lehrer mehrere 
Jabre in ibrer StelluDg belassen und Storungen im Schulbesuche 
durch anderweiten Dienst tbunlichst vermieden werden; Ferien 
finden nur statt: vom 24. Dezember bis einschliesslich 1. Januar; 
vom Grundonnerstag bis Ostermontag (spater 2. Januar bezw. Oster- 
dienstag); am kaiserlichen Geburts- und besonderen Gedenktagen des 
Truppenkorpers; an den letzten zwei Faschingstagen und dem Ascher- 
mittwoch. 

„Truppen8ohulen" sind ausser den Vorbereitungs- und Kadetten- 
Schulen : Mannschafts-, Unteroffiziers-, Unteroffiziers-Bildungs-, Mani- 
pulations-, Emjahrig-Freiwilligen-Schulen; ferner Schulen fur besondere 
Ausbildungszweige. 

a. Linien- und Grenz^-Infanterie und Jagertruppe. 

Der Unterricht in den „Mannscbaftsschulen <( beschrankt sich 
auf die rein dienstlichen Facher; derselbe wird in der Regiments- 
sprache erteilt, „wobei zu trachten ist, dass wenigstens die Kommandos 
und die Benennungen der notwendigsten Gegenstande in der deutschen, 
als der Dienstsprache, erlernt werden". — In den „Unteroffiziers- 
scbulen 44 werden sowohl die UnteroflQziere, welche dessen bedflrfen, 
wie der Nachwuchs fur dieselben in den Wintermonaten auch im 
Schreiben, Rechnen, der Anfertigung schriftlicher Arbeiten, im Karten- 
lesen und womoglich in den Anfangsgrunden des Krokierens unter- 
wiesen. Beides ist Sache der Kompagnie, soweit nicht „Unteroffiziers- 
Bildungs-Schulen" bestehen. Eigentliche Prflfungen finden nicht statt. 
Als Lehr- und Lernbehelf werden 1885 empfohlen die „Dienstror- 



Die allgemeinen Bestimmungen hat ten auf die Grenz-Infanterie 
sinngemasse Anwendung zu linden. Als die Grenze bald darauf ihre militarische 
Sonderstellung fiberhaupt verlor, h6rte der Unterachied von selbst auf und 
auch die auf der A. E. vom 5. Dezember 1858 beruhenden Schulen (S. 227) 
erreichten ihr Ende. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



313 



schriften fur den Soldaten ohne Chargengrad der k. k. Fusstruppen", 
bezw. die „Dienstvorschriften fur den Unteroffizier der k. k. Fuss- 
truppen", beide von Major Strohueber. Der Unterrioht wird, hier 
wie in den gleichstehenden nbrigen Schulen, moglichst in deutscher 
Sprache erteilt, jedenfalls ist zu trachten, dass die Schuler sich diese 
so weit aneignen, dass sie einen einfachen Auftrag verstehen und ver- 
standliche kurze Meldungen erstatten konnen. 

Von Mannschafts- und Unteroffiziersschulen fiir be- 
sondere Ausbildungszweige sind hier die Kurse fur Feld- 
gendarmerie zu erw&hnen, welche alljahrlich korpsweise vom 
1. April bis Ende August stattfinden. Die Oberleitung hat ein Stabs- 
offizier des Generalstabes; Lehrer sind: ein Kavallerieoffizier, zugleich 
Kommandant , welcher den allgemeinen Gendarmeriedienst vortragt 
und die Kavalleristen unter den Schulern im Eeiten unterrichtet, 
ein Generalstabsoffizier fur diejenigen Facher, in denen der Gendarm 
ihm als Gehilfe dient, und ein Auditor fur einen Vortrag fiber 
Gegenstande des militarischen Rechtes. Die ersten 2 bis 3 Monate 
dienen dem theoretischen Vortrage, dann wird derselbe mit prakti- 
schen tTbungen verbunden. Es sind wochentlich etwa zu widmen: 
dem Unterrichte fiber Dienstleistungen fur Generalstabszwecke 4, 
dem Zeichnen als Vorbereitung fur Krokieren 6, dem Vortrage uber 
Felddienst 3, Trainvorschrift 2, Armeeorganisation 2, Dienstvorschrift 
far die Feldgendarmerie 3, Militarrecht 2, Dienstreglement 2, sach- 
liche Stilubungen 6, im ganzen 30 Stunden. Bedingungen der 
Kommandierung sind Kenntnis des Lesens, Schreibens und der 
deutschen Sprache; am Schlusse findet Prufung und Zeugnisertei- 
lung statt. 

Unteroffiziers-Bildungs-Schulen werden bataillons- oder 
regimentsweise dann errichtet, wenn der Nachwuchs far den Besuch 
der Kompagnie-Schulen erst vorbereitet werden muss. Der Unterricht 
dauert vom L Dezember bis Ende Mai; die Schuler sind von sonstigem 
Dienste befreit; ein Offizier, mit der Strafgewalt eines Kompagnie- 
Kommandanten, steht an der Spitze; er unterrichtet teils selbst, teils 
sind ihm dazu Kadetten oder Unteroffiziere beigegeben. Lehr^cher 
sind, abgesehen von den Dienstgegenstanden : Lesen, Schon- und 
Dictando-Schreiben, Rechnen ; Lehrziele : leserliches Schreiben, Lesen 
von Handschriften, Rechnen der vier Grundarten; bei vorhandenen 
Fahigkeiten darf dariiber hinausgegangen werden. Die Unterrichts- 
sprache ist zunachst die des Regiments, der Gebrauch der deutschen 
ist anzustreben, so dass Schuler, welche ohne Kenntnis eingetreten 



Digitized by Google 



314 Geschichte des Militar-Eraiehungs- und -Bildungswesens etc. 



sind, nach beendigtem Eurse sich wenigstens notdurftig ausdriicken 
konnen. Nach Beendigung der Schule findet eine Prufung vor dem 
Truppenkommandanten statt. Die Schuler erhalten Zeugnisse. Zur 
Heranbildung von Rechnungs-Unteroffizieren konnen sie nachEnnessen 
des Regimentskommandanten an Winternachmittagen oder -abenden 
2 bis 3 mal wochentlich im Rechnen etc. unterrichtet werden. — Wo 
auf diese Weise fur jenes Bedurfnis nicht ausreichend gesorgt werden 
kann und keine Unterofhziers-Bildungsanstalten bestehen, namentlich 
bei zerstreuter Unterbringung, konnen am 1. Dezember fur hocbstens 
4 Monate „ftlanipulations-Schulen" errichtet werden. Die Schuler 
werden durch einen Offizier, dem ein Unteroffizier beigegeben werden 
kann, in Grammatik, Satzfugung, Rechtschreibung, Rechnen, dem 
Verwaltungs- und Rechnungswesen der Eompagnie und in der 
praktischen Manipulation unterrichtet 

b. Kavallerie. 

■ 

Die fur die Infanterie geltenden Bestimmungen finden sinnge- 
masse Anwendung. Abweichend davon wurde jedoch durch die 
3. Auflage der lustruktion im Jahre 1885 die Aufstellung von Unter- 
offizier-Bildungs-Anstalten bei den Regimentern zur Regel gemacht. 
Ein besonderer Lehrgegenstand ist das Dictandoschreiben mit Blei- 
stift auf Schreibtafeln. A Is Lehr- und Lernbehelf ward 1885 
das „Instruktionsbuch far die Unterofnziers- und Mannschafts-Schulen 
der k. k. Kavallerie" empfohlen. Der Unterricht endet mit dem 
April. Auf Ausbildung im Reiten wird Hauptgewicht gelegt 

In der nach Erfordernis am 1. Dezember zusammenzustellenden 
,3anipulation8Schule", 1870 „Kurs zur Heranbildung des Ersatzes fur 
Rechnungs-Wachtmei8ter" genannt, unterrichtet uber das Rechnungs- 
wesen der Truppenrechnungsfuhrer; die Oberleitung hat der Proviant- 
offizier. 

c. Artillerie. 

Die Einrichtung der Regiments- bezw. Bataillons-Schulen ward 
auf Grund einer A. E. vom 3. August 186 9 *) dahin geandert, dass 
die Kurse zweijahrig und dass eine hohere und eine niedere Ab- 
teilung gebildet wurden. Letztere sollte nur zu Unteroffizieren, 
erstere womoglich fur die Kadettenschule heranbilden. Wegen naherer 
Bestimmungen ward auf die in der Bearbeitung befindliche Instruktion 
hingewiesen, welche fur das Nachstehende die Grundlage bildet. 



*) A-V.-BL 1869, 71. Stflck, C.-V. vom 18. August. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



315 



Der Unterricht ist umfassender als bei der Infanterie und der 
Kavallerie. 

In der Mannschaftsschule der Batterie bezw. Kompagnie 
wird denen, welche Vorkenntnisse besitzen, Lese-, Schreib- und 
Rechenunterricht erteilt. Es werden je eine Klasse fur Schon- und far 
Dictandoschreiben, zwei fur das Rechnen gebildet, in der 1. Klasse wird 
das Rechnen mit unbenannten und benannten Zahlen, in der 2. mit 
Bruchen und Proportionen geiibt; beim Schreiben wie beim Rechnen 
sind die Aufgaben yon allgemeinmilitarischer und artilleristischer 
Natur; 1885 fiel letztere Anordnung weg. 

Die Unteroffiziers-Schule heisst Batterie-(Kompagnie)-Vor- 
meister-Schule. Sie begann zuerst Anfang November, seit 1871, 
der Rekrutenausbildung wegen, am 1. Dezember und soli nicht fiber 
den Juni hinaus dauern. Urn Lehrkrafte zu ersparen, durfen die 
Schulen fur mehrere Batterien bezw. Kompagnien gemeinsam sein. 
Es werden diejenigen Unteroffiziere, welche des Unterrichtes noch 
bedurfen, und diejenigen Vormeister herangezogen, welche zu Unter- 
offizieren herangebildet werden sollen. Bei der Kompagnie liegt die 
Leitung dem Kommandanten ob, welcher den Unterricht teils selbst 
erteilt, teils durch Offiziere, nach der ersten Vorschrift auch durch 
Unteroffiziere oder Kadetten, erteilen lasst. Gemeinsame Schulen 
leitet ein Hauptmann mit Hilfe von Offizieren und Kadetten. Den 
Vortrag fiber Verwaltung kann der Truppenrechnungsffihrer fiber- 
nehmen. Lehrfacher sind die fiir die Unteroffiziers-Bildungs-Schulen 
vorgeschriebenen ; die Unterrichtssprache ist die deutsche. 

Unteroffiziers-Bildungs-Schulen wurden 1871 bei den 
Regimentern der Feld- und den Bataillonen der Festungs-Artillerie 
eingerichtet. Im Anfange ihres Bestehens erhielten in denselben 
auch die Truppeneleven und die Einjahrig-Freiwilligen Unterricht. 
Sie hatten einjahrigen Kurs und zerfielen in eine niedere und eine 
hohere Abteilung ; erstere sollte tuchtige praktische, letztere praktisch 
und theoretisch besser gebildete Unteroffiziere und den Nachwuchs 
fur die Kadetten-Schule ausbilden. Deutscher, Schreib- und Rechen- 
Unterricht ward erteilt, weil schwachere Schuler dessen bedurfen 
wnrden. Die Regimentsschulen sollten nicht mehr als 60 bis 70, 
die der Bataillone nicht mehr als 40 bis 50 Schuler zahlen. Sitz 
der Schule war die Stabsstation. Es fand eine Aufnahmeprufung 
statt ; Truppeneleven, welche ein Unter-Gymnasium oder eine Unter- 
Bealschule erfolgreich durchgemacht hatten, waren davon befreit 

DieniedereAbteilung musste nachweisen: genfigende Kenntnis 



Digitized by Google 



316 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



der deutschen Sprache in Wort und Schrift, urn den Vortragen 
folgen und deutsche Lehrbucher lesen zu konnen; lesbare, ziemlich 
korrekte Handschrift; Rechnen mit benannten Zahlen, Bruchen 
und womoglich Proportionen ; die hdhere: Kenntnis der deutschen 
Sprache; Verfassen kleiner Aufsatze; gelaufige, korrekte Handschrift; 
Algebra bis zu den Gleiehungen; Geometrie bis zur Trigonometrie; 
Geographie von Osterreich, allgemeine Begriffe der ubrigen euro- 
paischen Staaten und der Weltteile; doch sollten weniger der Um- 
fang des Wissens als Auffassungsvermogen und Schulbildung be- 
riicksichtigt werden. Das Lehr- und Aufsichts-Personal bestand 
aus 1 Hauptmann als Schulkommandanten , 2 bis 3 Subaltern- 
offizieren und 6 (Festungs-Artillerie 5) Unteroffizieren als Lehrern, 
Lehrgehilfen, zur Aufsicht etc. Der Kommandant erteilte, haupt- 
sachlich um seine Zoglinge kennen zu lernen, einigen Unterricht 
selbst. Die Sorge fur Ordnung, Eintracht und Moralitat sollte vor- 
nehmlich ein Unteroffizier, am zweckmassigsten ein alterer Kadett- 
Feldwebel, ubernehmen. Die Bedienung, das Kochen etc. besorgten 
Soldaten. Die Schulen bestanden von Anfang November bis Ende 
September; die Zeit bis Ende Mai war besonders fur den theo- 
retischen, die ubrige fur den praktischen Unterricht bestimmt. 
Der Lehrplan umfasste: 

Fur die niedere Abteilung: deutsche Sprache und Rechtr 
schreibung (nach Heyse); Bohmisch oder Ungarisch mit vorwiegend 
praktischer Richtung; Stilistik (kleine Aufsatze); die vier Grund- 
rechnungsarten mit ganzen, gebrochenen und Dezimalzahlen; Pro- 
portionen; Terrain-Lehre und -Darstellung: Kenntnis derkonventionellen 
Bezeichnungen, um die wichtigsten Gegenstande annahernd richtig, 
w enigstens in Blei, einzeichnen zu konnen ; Linienzeichnen, um kleine 
Skizzen von Batterie-Bauteilen (Blei, Kreide) anfertigen zu konnen; 
Artillerie- Unterricht: die den Wirkungskreis des Unteroffiziers um- 
fassenden Abschnitte des dienstlichen Unterrichtsbuches nebst An- 
leitung zum Gebrauche der Schiess- und Wurftafeln; Militaradmini- 
stration: wie fur den Unteroffizier erforderlich , besonders Transport 
fuhrung; Abrichtungs- und Exerzierreglement einschl. Zugfuhren, 
Dienstreglement ; Schon-, Recht-, Dictandoschreiben (auch mit Blei 
auf Schreibtafeln); Geschicklichkeiten : Reiten (fur Feldartillerie, 2 bis 
3mal wochentlich wahrend des praktischen Kurses), Pferdewesen (fur 
Festungsartillerie wegen der Gebirgsartillerie), Exerzieren, Fechten, 
Turnen, Schwimmen. 

Fur die hoh ere Abteilung, in welcher der Umfang der Vortrage 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



317 



in denjenigen Fachern, deren Kenntnis bei der Priifung zum Reserve- 
offizier nachgewiesen werden musste (S. 331), nach Massgabe der dabei 
zu erfuilenden Forderungen zu regeln war: Bohmisoh oder Ungarisch 
(wie oben); Stilistik (Aufsatze aus dem Wirkungskreise des Subaltern- 
offiziers); Mathematik fur den Eintritt in die Kadetten-Schule ; Be- 
nennung der Terrain-Teile und -Gegenstande (Waldstatten , Terrain- 
lehre), Planzeichnen , Krokieren; Geometral-, Geschutz-, Batterie- 
zeichnen; Artillerie-Unterricht: Erweiterung des Vortrages der niederen 
Abteilung; Mmtar-Administration, soweit der Rechnungs-Feuerwerker 
sie kennen muss; Abrichtungs- und Exerzier - Reglement einschl. 
Batterie bezw. Eompagnie ; Dienstreglement und ubrige oben genannte 
Lehrfacher bezw. Geschicklichkeiten wie in der niederen Abteilung. 

Auf Ausbildung zu Lehrern ward besonderes Gewicht gelegt und 
der theoretische Vortrag fruh mit praktiscben tTbungen verbunden. 
Weihnachten und Ostern konnte kurz beurlaubt werden, einmal im 
Monate durfte der Schuler zum Wacbdienste herangezogen werden; 
Schreib- und Zeichengerat und Lehrmittel wurden aus dem Schul- 
pauschale bezahlt. Ende Dezember ward ungenugenden Schulern 
eine zweimonatliche Frist gesetzt, nach deren Ablaufe eine Priifung 
mit ihnen vorgenommen wurde; fiel sie ungenugend aus, so kehrte 
der Betreffende zum Truppenteile zurflck. In der zweiten Maihalfte 
fand im Beisein der hdheren Vorgesetzten eine miindliche Schluss- 
prufung statt, eine schriftliche ging vorber. Bei der mundlichen 
wurden die vom Lehrer schriftlich vorbereiteten Fragen verlost. 
Nach den Ergebnissen und nach den Lehrerzeugnissen wurden 
die Schuler als „Torzuglich" , „sehr gut", „gut", „mittelmassig << , 
„schlecht" im Ziffernwerte von 5 bis 0 bezeichnet, aus den Summon 
ward eine Einheitenzahl zusammengestellt, fiir welche Artillerie und 
Militar-Administration doppelt zahlten. Sie bestimmte den Klassen- 
rang. Ausgezeichnete Schuler durften zu Oberkanonieren und zu 
Vormeistern, die in der Schlussprufung bestandenen zu Unteroffizieren 
ernannt werden. Die Schuler waren, von der iibrigen Mannschaft 
gesondert, kasernmassig untergebracht; neben den Schlafzimmern 
sollte jede Abteilung ein geraumiges lichtes Unterrichtslokal haben. 

Der innere Dienst ward wie bei der Truppe gehandhabt. 

1874 ward in Gemassheit einer A. E. vom 2. Juli 1 ) mit Rfick- 
sicht auf die geanderte Einrichtung der Kadettenschule die hohere Ab- 
teilung aufgelassen. Das Unterrichtspauschale der einzelnen Schulen 



*) N.-V.-Bl. vom 1. August 1874, 30. Stuck, C.-V. vom 25. Juli. 



Digitized by Google 



318 



Gefechichte dea Militar-Erziehunga- und -Bildungswesens etc 



wurde fur die Feldartillerie von 600 auf 400, fur die Festungs- 
artillerie von 400 auf 300 Gulden herabgesetzt. 

Gegenwartig bestehen bei der Feld-Artillerie Brigade-Schulen 
in den Stabsstationen der Korps-Artillerie-Regimenter ; Truppeneleven 
und Einjahrig-Freiwillige nehmen daran nicht mehr teil. Zweck ist 
die Heranbildung praktischer Unteroffiziere, obgleich zunaehst nicht 
ausgeschlossen war, dass erfolgreich absolvierte Frequentanten in die 
Kadettenschule ubertraten. Der Kurs dauert vom Dezember bei der 
Feld-Artillerie bis zum 30. April, worauf die Frequentanten zu ihren 
Abteilungen zuruckkebren, bei der Festungs-Artillerie bis zum 31. Mai, 
worauf ein praktischer Kurs folgt, der nach Beendigung der scharfen 
Schiessubungen , welche womoglich Anfang August stattfinden, ge- 
schlossen wird. 

Der Lehrplan ist im wesentlichen der der fruheren niederen 
Abteilung. Doppelrechnung einzelner Facher bei der Zeugniserteilung 
findet nicht mehr statt. Das Lehr- und Aufeichtspersonal geht nach 
Beendigung des Unterrichts zur Truppe. Bei letzterer erfolgt dann 
die praktische Ausbildung der Schuler zu Unteroffizieren. Die Be- 
forderung vorzuglicher Frequentanten zu Oberkanonieren und Vor- 
mei8tern darf in der Schule, die zu Unteroffizieren erst nach vollendeter 
Ausbildung bei der Batterie (Kompagnie) thunlichst am Schlusse der 
Waffenubungen (1. Halfte September) geschehen. Dabei ist auf den 
Klassenrang moglichste Rucksicht zu nehmen. 

Eine Sonderausbildung der Rechnungsunteroffiziere war urspriing- 
lich nicht vorgesehen. Was die gegenwartige Instruktion unter 
„Manipulations-Schulen" begreift, ist in der Kegel ein an Winter- 
Nachmittagen und -Abenden stattfindender Unterricht, welchen der 
Truppen-Rechnungsfuhrer oder ein geeigneter Unteroffizier den An- 
wartern erteilt. Ausnahmsweise werden Manipulationsschulen wie 
bei der Infanterie und Kavallerie eingerichtet 

d. Genie-Truppe. 

Eine A. E. vom 18. Februar 1870 (N.-V.-Bl., 18. Stuck, C.-V. vom 
28. Marz) befahl im nachsten Schuljahre die Regiments- durch TJnter- 
offizier8-Bildungs-Schulen zu ersetzen. Nach der „Instruktion" (S. 290) 
sollten Mannschafts-, Unteroffiziers-Bildungs- und Regiments- (Batail- 
lons-)Unteroffiziers-Schulen bestehen. 

Die Mannschaftsschulen, fur 1 oder 2Kompagnien bestimmt, 
zerfielen in technische und in Schreib-Schulen, jede Art hatte zwei 
Jahrgange. Letztere wurden nachmittags abgehalten und dauerten 



Digitized by Google 



(Werreich-Ungarn. 



319 



zwei Stunden. In ihren 1. Jahrgang traten die des Lesens und 
Schreibens wenig oder gar nicht kundigen Leute. Sie wurden nach 
Nationalitaten geschieden, im Lesen, Schreiben und Rechnen der vier 
Spezies sowie mit gemeinen Bruchen unterrichtet nnd sollten in der 
Zeit vom 1. Dezember bis Ende Marz so weit gebracht werden, dass 
sie mindestens ihren Namen leserlich schreiben und Vermerke uber 
Einnahme und Ausgabe machen konnten. In den 2. Jahrgang wurde 
ohne Rucksicht auf Nationalist aufgenommen, wer den 1. mit Erfolg 
durchgemacht oder einige Schulbildung mitgebracht hatte. Der 
Unterricht war von gleicher Daoer und umfasste die namlichen 
Facher. Das Lesen ward fur die Bildung von Geist und Herz ver- 
wertet, das Schreiben erstreckte sich auf das Abfassen von Mel- 
dungen etc., das Rechnen auf die Dezimalbruche. Dem Unterrichte 
lagen die Lehrbucher der Normalschulen zu Grunde. 

In die Unteroffiziers-Bildungsschule gelangte nur, wer 
lesen und schreiben konnte. Der Urfcerricht, welcher in den mili- 
tarischen, den technischen und den Schreib-, Rechnen- und Zeichen- 
Unterricht zerfiel, erstreckte sich anf Rechtschreibung, das Verfassen 
von Aufsatzen, die Proportioned Regel de tri und Toisieren, Linear- 
zeichnen, Kopieren und Zeichnen technischer Gegenstande, Bau- 
zeichnen mit und ohne Farben; Fortgeschrittenere konnten auch im 
Freihand- und Situationszeichnen und in der Projektionslehre unter- 
wiesen werden. Dem Unterrichte waren an den ersten fflnf Tagen 
der Woche je lVi Nachmittagsstunden gewidmet; in den Mannschafts- 
und den Unteroffiziers-Bildungs-Schulen lehrten Unteroffiziere. 

Die fahigeren Schuler der Bildungs- gingen in die ebenso ein- 
gerichteteD Regiments- (Bataillons-) Unteroffiziers-Schule 
uber. Es sollte in ihnen das in jenen erworbene Wissen vertieft und 
erweitert werden. Den Unterricht erteilten hauptsachlich Offiziere. 

Das jahrliche Unterrichtspauschale des Regiments betrug 
700 Gulden. Am Schulschlosse fand Prufung und Klassifizierung statt. 

Fur den Manipulationsdienst wurden die Anwarter nur prak- 
tisch oder auch durch einen winterlichen Abendunterricht ausgebildet. 

Die 1878 erschienene 2. Auflage der Instruktion geht auf Grund der 
gemachten Erfahrungen von der Annahme aus, dass samtliche Rekruten 
einigermas8en lesen und schreiben konnen. Es findet daher in den 
Mannschaftsschulen elementarwissenschaftlicher Unterricht nicht mehr 
statt. Die zu Unteroffizieren geeignet erscheinenden Leute treten 
vielmehr am 1. Dezember in die Kompagnie-Unteroffiziers- 
oder in die Unteroffiziers -Bil dungs -Schule, welche jenen Fachern 



Digitized by Google 



320 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -BildungBwesens etc. 



1 bis 1 1 /« Nachmittagsstunden widmen. Die Einrichtung der ersteren 
ist im wesentlichen die fruhere. Es wird womoglich in deutscher 
Sprache und in der Regel durch Offiziere unterrichtet. Der Lehrplan 
ist auf Messkunst und Profilieren, Vorkenntnisse aus der Naturlehre 
(wenn es mit dem Standpunkte der Schfiler vereinbar ist), Grund- 
begriffe der Befestigungskunst (Feld- und bestandige) und des Festungs- 
krieges, die Manipulation, das Rechnen mit Dezimalzahlen , Flachen- 
und Korperberechnungen ausgedehnt 

Bei jedem Feldbataillone besteht ausserdem eine Zeichen- 
schule unter Leitung eines Offiziers mit dem Beistande von 1 oder 

2 Unteroffizieren. Sie findet im Winter mindestens 4mal wochent- 
lich in je l 1 /* Stunden, im Sommer an Sonn- und Regentagen statt 
Es nehmen Mannschaften und Unteroffiziere teil. Der Unterricht 
erfolgt nach der „Anleitung zur Erteilung des Unterrichtes im Zeichnen 
vom Jahre 1877". 

Unteroffiziers-Bildungsschulen werden fur ein odermehrere 
Bataillone eingerichtet, wenn die Unteromziersschulen den Bedarf 
nicht decken konnen. Sie bestehen vom 1. Dezember bis Ende Marz; 
die Schuler sind vom Dienste bei ihren Abteilungen befreit. Die 
Schule wird einem Bataillonskommandeur unterstellt; ein geeigneter 
Offizier ist Schulkommandant, 3 bis 4 andere sind Lehrer, Unter- 
offiziere, Unterlehrer und Korrepetitoren ; sie fuhren die Aufsicht und 
lehren Schreiben und Rechnen. 

Die Regiments- (Bataiilons-) Unteromziers-Schulen bestehen nicht 
mehr; die Vorschriften fur die Ausbildung im Manipulations- 
dienste sind in Kraft geblieben. 

e. Pioniere. 

Nach der Instruktion von 1871 bestanden Kompagnie- und 
Bataillonsschulen ; erstere zerfielen in Mannschafts- und Unteroffiziers- 
Schulen. Der Unterricht in jenen beschrankte sich auf das rein 
Dienstliche; diese waren Unteroffiziers-Bildungs- und Unteroffiziers- 
Schuien, zur ersten Ausbildung des Chargenachwuchses bezw. zur 
Befestigung und Erweiterung des in jenen Erlernten bestimmt. Samt- 
liche Rekruten, welche lesen und schreiben konnten, kamen in die 
Unteroffiziers-Bildungs-Schule der Kompagnie. Der wissen- 
schaftliche Unterricht, welcher naturgemass gegen die militarische 
und technische Ausbildung zurflckstand, erstreckte sich auf: Lesen 
von Druck und Schrift; Schonschreiben (deutsch und lateinisch); 
Dictandoschreiben in Verbindung mit den nStigsten Grundregeln der 



Digitized by Google 



Osterreich- Uugarn. 



32 L 



Sprachlehre und Orthographie; Kenntnis der tabellarischen Dar- 
stelliuigsweise und Verfassen der einfachsten Tabellen, sowie der 
gewohnlichsten schriftlichen Meldungen und Rapporte; Kenntnis der 
Tier Rechnungsarten mit unbenannten und benannten Zahlen und 
Kopfrechnen. Der Unterricht fand von Anfang November bis Ende 
Marz in je 2 Wochenstunden far Lesen und Schreiben, 2 fur Dic- 
tandoschreiben, 1 fur Tabellieren, 1 fur Rechnen statt. 

In den Bataillons-Unteroffiziers-Schulen wurden die 
fahigsten Schuler der Kompagnie-Schulen vom 1. November bis Ende 
Marz fur ihren Beruf fortgebildet Dem wissenschaftlichen Unter- 
richte waren zwei Wochenstunden gewidmet, in denen die obigen 
Facher wiederholt wurden. Am Schlusse fanden Prufung und Klassi- 
fikation statt. 

Zur Vorbereitung auf den Manipulationsdienst ward nach 
Bedurfhis ein Winterkurs mit 2 Wochenstunden eingerichtet. 

Die gegenwartige Einrichtung bestimmt laut Instruktion etc., 
3. Aufl., Wien 1887, fur den Unterricht in den „Elementargegen- 
standen" in der Unteroffiziers-Bildungs-Schule der Kom- 
pagnie 10 Wochenstunden, wahrend 8 dem Truppen-, 19 dem 
Pionierdienste gehoren. Das an der Hand der Lehrbehelfe fur die 
Volksschule zu erstrebende Ziel ist: „Aneignung der Kenntnis der 
deutschen Sprache in Wort und Schrift insoweit, urn die dem Unter- 
offizier zur Verfugung stehenden Dienstbflcher mit Erfolg lesen und 
kurze einfache Meldungen richtig niederschreiben zu konnen; Er- 
langung einer solchen Fertigkeit im Rechnen, wie sie fur den Dienst 
des Unteroffiziers in technischer und administrativer Beziehung un- 
entbehrlich ist." 

In derBataillons-Unteroffiziers-Schule sind denElementar- 
gegenstanden 4, dem Truppendienste 8, dem Pionierdienste 21 Wochen- 
stunden gewidmet. Der Unterricht in ersteren umfasst Dictando- 
schreiben, Rechnen und Zeichnen; beim Dictandoschreiben wird das 
Verfassen kurzer schriftlicher Meldungen und das Erteilen mund- 
licher Befehle geubt ; die Fertigkeit im Rechnen ist fur das Bediirfnis 
des dienstfuhrenden Feldwebels und des technischen Parteifuhrers zu 
erweitern. Das Zeichnen beginnt mit dem Linearzeichnen. Jeder 
Schuler soli die technischen Zeichnungen verstehen und kleinere Ent- 
wurfe selbst anfertigen lernen. Zweckloses Kopieren ist zu vermeiden 
und mehr Wert auf Richtigkeit und Sauberkeit als auf Schonheit zu 
legen. Schulleiter ist ein Kompagnie-Kommandant, Lehrer ein Offizier, 
Korrepetitor ein Kadett oder Unteroffizier. 

Monumeuta GermanUe Paedagogica XV. 21 



Digitized by Google 



322 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



e. Militar-Fuhrwesens-Korps. 
Beim Militar-Fuhrwesens-Korps (seit 1880 „Train") erhalt die 
Mehrzahl der Mannschaft keinen wissenschaftlichen Unterricht. Die 
Vorbereitung zu Unteroffizieren erfolgtinUnteroffiziers-Bildungs- 
Schulen, anfanglich zu Wien, Prag und Pest, dann aber in alien 
Stabsstationen der Regimenter aufgestellt; sie bereiten zugleich auf 
die Verwendung als Zugffihrer, Wachtmeister und Rechnungswacht- 
meister vor. Ihr theoretischer Kurs wahrt vom 1. November bis 
30. April. Der Lehrplan nennt als elementare Unterrichtsgegenstande: 
Lesen, Schreiben, Rechnen der vier Grundrechnungsarten; nach dem 
Standpunkte der Schuler kann derselbe erweitert werden. Diese 
sollen zu praktischen Unteroffizieren herangezogen und nicht durch 
zu viel Theorie beirrt werden. Unteroffizieren, welche keine genugende 
Kenntnis der Elementarwissenscbaften besitzen, soil fortgesetzt Ge- 
legenheit gegeben werden, dieselbe zu vervollstandigen. 

C. Fortbildung der Offiziere und Kadetten. 

Bei nacbstehender Darstellung sind wie bei den Mannschafts- 
schulen die geringen spateren Anderungen der ursprunglichen Ein- 
richtungen in die Mitteilung der altesten Vorschrift eingeflochten, so 
dass im sechsten Abschnitte nur einige Zusatze zu machen sind, 
welche durch die Erwahnung der neuesten Anderungen das Bild 
vervollstandigen werden. 

Der Drang nach Wissenschaft, ein kennzeichnendes Merkmal der 
Umgestaltung des Heerwesens nach dem Jahre 1866, macht sich 
auch in den Einrichtungen bemerklich, welche fur die Fortbildung 
der Offiziere und Offizieranwarter getroffen wurden und nebenbei helfen 
sollten, denjenigen Offizieren, welche nicht die in Zukunft zu ver- 
langenden Kenntnisse besassen, solche zu verschaffen. Fur die For- 
derung wissenschaftlicher Zwecke enthalten, unter der tfberschrift 

„Instruktive Beschaftigungen der Offiziere und Kadetten", 

die ,Jn8truktionen fur die Truppenschulen" nachstehende Bestim- 
mungen : 

a. Infanterie und Jager. 
Als Mittel zum Zweck, „die Kenntnis der Berufsobliegenheiten 
zu befestigen, die richtige Auffassung und gleichmassige Durchfuhrung 
der taktischen und Dienstesvorschriften zu fordern, das militarische 
Urteil zu klaren und auf die Erweiterung des Wissens und die fortr 
schreitende Selbstausbildung der Offiziere und Kadetten anregend 



Digitized by Google 



Osterreich- Ungarn . 



hinzuwirken", sollten anfangs Besprechungen und mfindliche Vortrage, 
Relationen uber stattgehabte ttbungen, schriftliche taktische Aus- 
arbeitungen und Rekognoszierungen dienen; naoh der gegenwartig 
geltenden Vorschrift sind die Relationen fortgefallen und an Stelle 
der Rekognoszierungen tTbungsreisen getreten; hinzugekommen ist 
das Kriegsspiel. 

Die Besprechungen und Vortrage haben sich mit Gegen- 
standen der Taktik und der Kriegsgeschichte , der sonstigen Dienst- 
vorschriften, des Waffenwesens , den Wahrnehmungen bei voran- 
gegangenen tlbungen und mit den abgelieferten schriftlichen taktischen 
Ausarbeitungen zu beschaftigen. Sie finden von Anfang Dezember 
bis Ende Marz statt; Zahl uud Dauer sind gegenwartig von 2- auf 
lmal wochentlich und von je l 1 /* auf 1 Stunde herabgemindert; 
auch enthalt die neuere Vorschrift eine Bestimmung nicht mehr, 
welclie der Anordnung anfangs in etwas den Stempel einer Schul- 
stunde aufdrfickte und aus dem Streben hervorging die Lucken des 
Wissens der fraher ohne den Besitz der jetzt geforderten Kenntnisse 
Beforderten zu erganzen, indem sie sagte, dass formliche PrQfungen 
nicht abzuhalten seien, dass der Vorgesetzte jedoch aus der Dis- 
cission Anhaltspunkte zur Beurteilung der Aufmerksamkeit und Be- 
fahigung der Zuhorer gewinnen solle. Dieser Vorgesetzte ist in der 
Regel der Truppenkommandant, welcher auch die Aufgaben, und zwar 
an samtliche ihm unterstellte Omziere, erteilt. Als Hilfsmittel ward 
die Errichtung bezw. Unterhaltung von Bibliotheken auf Kosten der 
Offiziere angeordnet 

Die Relationen fiber 0b ungen, von samtlichen Offizieren etc. 
vom Hauptmann abwarts zu liefern, bezogen sich auf Feldubungen, 
welche die Betreffenden zu leiten oder bei denen sie einigermassen 
selbstandige Aufgaben zu ldsen gehabt hatten. Die Relationen wurden 
24 Stunden nach der tJbung abgeliefert und durch ein Kroquis oder 
eine Oleate erlautert. Die namlichen Bearbeiter, mit Ausnahme einer 
grossen Zahl auf Grand anderweit bewiesener wissenschaftlicher Be- 
fahigung oder mit Rucksicht auf ihre dienstliche Verwendung davon 
befreiter Offiziere, hatten in jedem Winter eine eingehende taktische 
Ausarbeitung zu liefern. Derselben lag eine mit alien drei Waffen 
zu losende, nicht wirklich ausgefuhrte Aufgabe aus dem Felddienste 
zu Grande. Sie war von einer Terrain beschreibung und einem Kroquis 
zu begleiten. 

Die gegenwartig zu liefernden schriftlichen taktischen Aus- 
arbeitungen werden entweder im Zimmer mit Benutzung von 

21* 



Digitized by Google 



324 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungsweeena etc. 



Kartell und Planen oder im Freien mit Zuhilfenahme von solchen 
unter unmittelbarer Anschauung des Gelandes hergestellt. Jene be- 
ziehen sich hauptsachlich auf die Thatigkeit ausserhalb des Gefechtes, 
diese auf die Durchfuhrung des letzteren. Jungeren Offizieren wird 
einige Zeit vorher mitgeteilt, aus welchem Gebiete der Gegenstand 
genommen werden wird. Solcher Aufgaben, an denen samtliehe 
Offiziere als Aufgabensteller oder als Ausarbeitende teilnehmen, 
werden in jedem Winter von jedem Teilnehmer zwei gelost. Aus den 
Bearbeitern werden Gruppen gebildet, welche die namliche Aufgabe 
unter Klausur gleichzeitig bearbeiten. Die Erledigung soil in 2 bis 
3 Stunden moglich sein. Die Beurteilung der Losungen erfolgt 
schriftlich ; ausserdem bespricht sie der Aufgabesteller miindlich. 

Es werden ferner taktische Aufgaben im Freien gelost, und 
zwar von jeder Gruppe im Winter, wenn die Witterung es erlaubt, 
statt der Arbeit im Zimmer und zweimal in der Zeit von Anfang 
April bis Ende Juni. Die Aufgaben sind ahnlich wie jene; alle Aus- 
arbeitungen werden an Ort und Stelle (in Blei) angefertigt und ab- 
gegeben, die Besprechung erfolgt unmittelbar. 

Die Rekognoszierungen wurden teils im Regiment oder Ba- 
taillon in der Nahe der Station vorgenommen, teils waren es 
tJbungs-Rekognoszierungen, welche 8 bis 10 Tage dauerten und unter 
Leitung von Generalstabs- und sonstigen fachkundigen Offizieren, 
meist brigadeweise , auf weitere Entfernungen stattfanden. An 
letzteren nahmen auch Unteroffiziere und die zu Feldgendannen aus- 
gebildeten Mannschaften teil. Es wurden Berichte erstattet und 
durch Kroquis erlautert. 

An Stelle dieser Rekognoszierungen, welche sich nur mit dem 
Gelande befassten und die Benutzung durch Truppen ausser acht 
liessen, sind Ubungsreisen getreten, bei denen taktische Aufgaben 
gelost werden. Sie dauern etwa 8 Tage; Ausdehnung und Zahl der 
Teilnehmer hangen von der Hone der zur Verfugung gestellten Geld- 
summen ab. Zu den Reisen werden altere Hauptleute etc. (aller 
Waffen ausgenommen den Train) befehligt, welche weder die Kriegs- 
schule noch den Stabsoffiziers-Aspiranten-Eurs durchgemacht haben; 
ausserdem einige als Feldgendannen ausgebildete Unteroffiziere. Bei 
der Reise werden 2 bis 3 Gefechtsubungen, auch mit Gegenseitigkeit, 
vorgenommen, die ubrige Zeit wird der Ausarbeitung von Dispositionen 
fur Marsche und Ruhestellungen gewidmet. Die Ausarbeitungen 
werden an Ort und Stelle gemacht und besprochen. Bei den Reisen 
sollen gleichzeitig etwaige Fehler in den Karten berichtigt werden. 



Digitized by Google 



Osterreich-Oiigani. 



325 



Das Kriegsspiel wird von Anfang Dezember bis Ende Marz 
monatlich zweimal von nicht mehr als 12 Teilnehmern gespielt. 

b. Kavallerie. 

Bei der Kavallerie war in der Instruktion vom Jahre 1870 
als Zweck der „instruktiven Beschaftigungen" bezeiebnet: „durch einen 
fortgesetzten Ideenaustausch fiber die Grundsatze der Kriegfuhrung 
in ihrer Anwendung auf die dem Kavallerieoffizier im Felde vor- 
wiegend znfallenden Aufgaben das militarische Urteil zu klaren, die 
taktischen Kenninisse zu befestigen und die Teilnehmer zur fort- 
schreitenden Selbstausbildung anzuregen". Diesem Zwecke soli ten 
Rekognoszierungen , Relationen, taktische Ausarbeitungen, Bespre- 
chungen und Vortrage dienen. Die Vorschriften fur die Infanterie 
hatten sinngemasse Anwendung zu finden. 

Die gegenwartige Instruktion steckt der Kavallerie das Ziel 
der Infanterie; von den Mitteln sind ihr jedoch nur die taktischen 
Ausarbeitungen und die tfbungsreisen geboten. Auf jene finden die 
fQr die Infanterie gegebenen Vorschriften sinngemasse Anwendung; 
Schlusstermin fur die Anfertigung ist Ende Juli; Bearbeiter, welche 
der Dislokationsverhaltnisse wegen zu der Klausur nicht herangezogen 
werden konnen, liefern binnen 12 Stunden nach Empfang der Aufgabe. 

Besondere Fortbildungsanstalten der Kavallerie sind die 
Brigade- Of fiziers-Schulen. 

Dieselben traten laut A. E. vom 8. Oktober 1869 (A.-V.-BL, 82. Stuck 
vom 15. Oktober 1869) an Stelle der Regimen tsequitationen und 
wurden in erster Linie der reiterlichen Ausbildung gewidmet, zugleich 
aber hatten sie Gelegenheit zur Aneignung der „zur Fiibrung der anver- 
trauten Abteilungen notwendigen militarischen Kenntnisse" zu geben. 
Der Unterricht dauert in der Regel vom L Oktober an 6 Monate. 
Der Brigadier wahlt den Ort (womoglich die eigene Station), wobei 
auf eine gedeckte Reitschule und die sonst erforderlichen Raumiich- 
keiten Riicksicht zu nehmen ist, den Kommandanten und die Lehrer und 
ruhrt die Oberaufsicht; den Regimentskommandanten ist unbenommen 
die Schule zu besuchen, um sich von den Fortschritten ihrer Unter- 
gebenen zu uberzeugen. Als Kommandant ist der geeigneteste Oberst- 
Lieutenant oder Major zu bestellen ; die Lehrer sind zwei Rittmeister, 
von denen damals der eine nach 1866/7 den Zentral-Kavallerie-Kurs 
durcbgemacht haben musste, und der in der Brigade zur Ertei- 
lung des wissenschaftlichen Unterrichts am meisten Geeignete, der 
andere der beste Reiter und Abrichter sein soil. Frequentanten sind 



Digitized by Google 



326 Geschichte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



die 6 rangsaltesten Subalternoffiziere eines jeden Regiments, welche 
die Schule noch nicht oder nicht mit gentigendem Erfolge besucht 
haben. 

Hauptgegenstande des theoretischen Unterrichtes sind: Die Regle- 
ments ; die Taktik, mit besonderer Rficksicht auf die Verwendtmg der 
Reiterei, und der Felddienst, beide dnrch die Kriegsgeschichte veran- 
schaulicht; Ausseres, Krankheiten, Wartnng und Beschlag des Pferdes 
— alles, woes angeht, von praktischen tTbungenbegleitet. JederSchuler 
hat with rend des Kurses eine grossere taktiscbe Ausarbeitung zu 
liefern; ausserdem wird Anleitung zum Abfassen von militarischen 
Meldungen und Berichten gegeben. 

Solange nicht alle Schuler die neuerdings verlangten Kenntnisse besassen, 
fand auch Unterricht in Waffenlehre, Pionierdienat, Terrainlehre und Zeichnen 
(um ein Kroquia in Blei ausfuhren zu kSnnen) stalk 

Nach Beendigung des Kurses halt der Brigadier eine Prufung 
ab; auf Grund derselben und der Zeugnisse des Kommandanten 
werden die Leistungen als „vorzuglich", „sehr gut", „gut" oder „un- 
genflgend" bezeichnet. Die Zeugnisse werden zur Kenntnis des Mi- 
nisteriums und des Truppenteiles gebracht; der Totalerfolg wird in 
den Qualifikationslisten verzeichnet. 

c. Militar-Fuhrwesens-Korps, bezw. Train. 
Die altere Vorschrift entsprach ganz der fur die Kavallerie 
erlassenen, die neue nennt Besprechungen, miindliche Yortrage, 
schriftliche Ausarbeitungen als Gegenstande des Unterrichtes. 

d. Artillerie. 

Die „Instruktiven Beschaftigungen" der Artillerie waren und sind 
die fur die Infanterie vorgeschriebenen auf das Sonderbedurfhis der 
Waffe angewandt, welches wieder fur Feld- und fur Festungsartillerie 
verschieden ist, so dass z. B. erstere die Gegenstande der Aus- 
arbeitungen der Taktik, letztere sie dem Festungskriege entnimmt, 
jene das allgemeine, diese das Festungskriegsspiel betreibt. Zu den 
Winterausarbeitungen kommt im Sommer ein Bericht fiber eine 
tTbung mit gemischten Waffen bezw. uber eine applikatorische tTbung 
aus dem Festungskriege. 

e. Genie-Truppe. 
Von den anfangs vorgeschriebenen instruktiven Beschaftigungen 
sind die wie bei der Infanterie vorzunehmenden mundlichen Vor- 
trage und Besprechungen weggefallen. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



327 



Die 8chriftlichen Ausarbeitungen waren anfanglich 
grossere Abhandlungen iiber Gegenstande der Taktik, der Kriegs- 
technik im allgemeinen und vorzugsweise des ausubenden Dienstes 
im Kriege, welche so zu wahlen waren, dass jeder Offizier mit der 
Zeit den gesamten Geniedienst durcharbeitete. Eine solche Aus- 
arbeitnng hatte wahrend des Winters ein jeder Offizier vom Haupt- 
mann abwarts, mit Ausnahme einzelner Befreiten, zu iiefern. Wer 
weniger als 2 Jahre diente und der Kadett lieferte im Sommer eine 
zweite. Ausserdem hatte, nach Beendigung des praktischen Unter- 
richtes, jeder Bataillons- und Kompagnie-Kommandant seine Be- 
merkungen fiber Ausbildung, Ausrustung etc. nebst etwaigen Vor- 
schlagen zu Anderungen in einer Relation niederzulegen ; den ubrigen 
Offizieren war freigestellt, das Gleiche zu thun. 

An Stelle jener Abhandlungen sind gegenwartig gruppenweise 
unter Klausur anzufertigende Ausarbeitungen wie bei den ubrigen 
Truppengattungen getreten. Von Anfang Dezember bis Ende Februar 
haben die Hauptleute eine taktische, die Lieutenants etc. zwei Auf- 
gaben, darunter eine taktische, zu bearbeiten ; wer den Hoheren genie- 
Kurs mit gutem Erfolge durchgemacht hat, ist davon befreit. Bei 
Bearbeitung der technischen Aufgaben ist die Benutzung solcher 
Hilfsmittel erlaubt, welche der Offizier in das Feld mitnehmen kann. 

Schriftliche Ausarbeitungen werden ferner bei Gelegenheit von 
taktisch-technischen tTbungen gemacht, welche im Sommer, 
unter Beteiligung samtlicher Offiziere etc., im Freien vorgenommen 
werden; Truppen etc. sind dabei nicht zur Stelle und die Arbeiten 
des Genie werden nicht thatsachlich ausgefuhrt; alle Befehle, An- 
schlage, Entwiirfe etc. werden aber ebenso zu Papier gebracht wie 
in der Wirklichkeit geschehen wfirde. 

Ahnlicher Art sind die applikatorischen Cbungen im Festungs- 
kriege, in Elementaraufgaben und in Festungsraandver zerfallend; sie dienen 
jedoch mehr der rein militariachen ala der wissenschaftlichen Ausbildung. 

Statt der jetzigen tTbungsreisen (S. 324) schrieb die In- 
struction von 1870 Rekognoszierungen unter sinngemasser Anwendung 
der (S. 324) mitgeteilten Gesichtspunkte vor. 

Das Kriegsspiel dient besonders dazu, die jungeren Offiziere etc. 
taktische Aufgaben losen zu lassen; die Benutzung des Festungs- 
KriegS8piels ist dem freien Willen der Offiziere uberlassen. 

Offiziere, welche den Hoheren Genie -Kurs mit Erfolg durch- 
gemacht haben, konnen behufs weiterer Ausbildung zum Besuche 
der Technischen Hochschule kommandiert werden. Sie mussen 



Digitized by Google 



328 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



sich verpflichten, die dort zugebrachte Zeit iiber ihre gesetzliche 
Prasenz nachzudienen , erhalten eine Monatszalage tod 10 Gulden 
und miissen sich event, den dort abgehaltenen Prflfungen unterziehen, 
denen dann ein Delegierter des Technischen und Administrativen Militar- 
Komitees beiwohnt. Auch zum Besuche anderer TJnterrichtsanstalten 
und zu Belehrungsreisen werden Beihilfen gegeben. 

Bestimmungen fur den Besuch von Fachbildungsanstalten vom 
31. Marz 1880: Wer zur Zivil - Hochschule oder zur Praktizierung an einem 
technischen Etabliesement zugelassen zu werden wunscht, muss bei der Truppe 
mindestenB drei Jahre zur Zufriedenheit gedient haben und darf in der Kegel 
nicht mehr als Ober - Lieutenant sein; er muss durch seine Klassifikation an 
einer Militar-Bildungsanstalt oder durch staatsgfiltige Zeugnisse den Besitz der 
nfltigen Vorkenntnisse nachweisen und die oben erwahnte Dienstverpflichtung 
eingehen. Die betreffenden Offiziere werden dem Militar-Komitee zugeteilt und 
stehen unter dem Studien-Inspektor des entsprechenden Hoheren Kurses. Fre- 
quentanten der chemisch-technischen Fachschule erhalten eine monatliche Zu- 
lage von 25 Gulden fur Lehrmittel, Chemikalien und Erfordernisse der Ubungen 
im Laboratorium. HSrer anderer Facher beziehen monatlich 10 Gulden fur 
Studienbehelfe. Kollegiengelder, Taxen etc. bezahlt das Arar. Das Kommando 
dauert in der Kegel nicht fiber 2 Jahr. Nach der Beendigung findet eine 
Prufur^g vor einer Kommission unter Vorsitz des Praaidenten des Militar- 
Technischcn Komitees statt. Besucher von technischen Anstalten legen eine solche 
nicht ab. €"ber diese hat das Komitee jedoch dem Kriegsministerium Bericht 
zu erstatten. 

f. Pioniere. 

Fur die Pioniere schrieb die altere Instruktion die Be- 
ar be itung von, je nach dem Umfange, 1 oder 2 Aufgaben aus den 
einzelnen Fachern des Feld-Pionierdienstes wahrend des Winters, 
unter Beigabe von KroMs und erganzenden Terrainbeschreibungen, 
sowie Besprechungen und mundliche Vortrage wie bei der 
Infanterie vor. Ferner hatten militarise he und technische Re- 
kognoszierungen , namentlich auch der Besuch von Bauplatzen 
stattzufinden ; zu den (S. 324) erwahnten "Cbungsrekognoszierungen 
konnten Pioniere herangezogen werden, wenn es sich um Aufgaben 
ihres Faches handelte. Weitere Gelegenheit zur Ausbildung konnte 
auserwahlten Offizieren durch Teilnahme an einer auf Grand einer 
besonderen Instruktion alljahrlich stattfindenden Flussbeschreibung 
geboten werden. Ferner bereisten alljahrlich einige zur Verwendung 
bei den Feldeisenbahntruppen bestimmte Hauptleute und Ober- 
lieutenants auf 6 bis 8 Wochen Eisenbahnlinien und 2 Subaltern- 
offiziere befanden sich stets als Horer am k. k. poly technischen 
In 8 ti tut zu Wien, um zu Lehrern fiir die Pionier-Kadettenschule aus- 
gebildet zu werden ; dieselben mussten sich verpflichten, nach erlangter 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



329 



Ausbildung ihre Kenntnisse mindestens 3 Jahre lang an jener Schule 
oder fur besondere Verwendungen zu verwerten. Ausser freiem 
Unterrichte etc. erhielten sie eine Monatszulage von 10 Gulden. Jeder 
musste nach Beendigung seines Kommandos einen knrzen Leitfaden 
zum Vorirage der von ihm gehorten Gegenstande einreichen. 

Gegenwartig finden mundliche Vortrage und Bespre- 
chungen wie bei der Infanterie statt. 

Das Kriegsspiel wird in ausgedehntem Umfange betrieben: es 
werden dazu Gruppen gebildet, Subalternoffiziere und Kadetten haben 
im Winter monatlich mindestens eine Aufgabe zu losen; die Haupt- 
leute etc. werden zu diesem Zwecke mehrfacb gesondert versammelt. 

Der Ausarbeitungen werden dreierlei angefertigt: tech- 
nische, im Winter im Zimmer unter Zuhilfenahme der Faeh- 
litteratur je eine von jedem Subalternoffizier und Kadett; technisch- 
taktische, im Herbst von samtlichen Offizieren und Kadetten des 
Bataillons vereint im Freien, auf Grund unmittelbarer Anschauung 
der Ortlichkeiten, ohne thatsachlich Arbeiten auszufuhren und ohne 
Truppen; taktische, im Sommer im Freien, wie bei der Infanterie, 
die Verwendung der Truppen im Gefechte behandelnd. 

Besuche von Bauten und Teilnahme an den Fluss- 
beschreibungsarbeiten finden wie friiher statt; ferner bieten 
Rekognoszierungen von Wegen, welche auf Befehl des Reichs- 
Kriegsministeriums vorgenommen werden, und die Ausfiihrung von 
staatlichen Strassen- und Bruckenbauten, zu denen Pionier- 
offiziere herangezogen werden, Gelegenheit zur Fortbildung. Die 
Technische Hochschule in Wien konnen 1 bis 3 Offiziere auf je 
2 Jahre besuchen ; die Begunstigungen und Verpflichtungen derselben 
sind die fur die Genietruppe geltenden ; von dem Erfolge ihrer Studien 
haben sie in einer Prufung Rechenschaft abzulegen. 

D. Einjahrig-Freiwillige. 

Mit der durch die Gesetze vom 5. Dezember 1868 eingefuhrten 
allgemeinen Wehrpflicht fanden auch die Einjahrig-Freiwilligen Ein- 
gang in das k. k. Heer. Die Bedingungen fur die Zulassung wurden 
durch eine „Instruktion" geregelt. Militarischer Zweck der Einrichtung 
war: gebildete Wehrpflichtige, welche den Wehrstand nicht zum 
Lebensberufe machen wollen, zu brauchbaren Reserseoffizieren heran- 
zubilden, um durch sie im Kriegsfalle den Hauptteil des grossen 
Mehrbedarfes an Offizieren zu decken. Wer sich dazu nicht eigne, 
konne immerhin noch einen brauchbaren Unteroffizier abgeben. Die 



Digitized by Google 



330 Geschichte des Militar-Krziehungs- und -Bildungawesena etc. 



im ubrigen nach preussischem Muster gestaltete Einrichtung wandte 
der wissenschaftlichen Seite der Ausbildung von vornberein weit 
grossere Fiirsorge zu als dort geschieht; es wurde in viel umfassenderer 
und eingehenderer Unterricht erteilt und die Beforderung mehr als 
dort von den Erfolgen dieses Unterrichtes abhaugig gemacht 

Fur die Zulassung als Einjahrig-Freiwilliger war die Absolvierung 
des Obergymnasiums, der Oberrealschule oder einer gleichstehenden 
Lehranstalt Bedingung. Wenn diese nicbt durch Schulzeugnisse 
erfullt werden konnte, durfte eine Prfifung stattfinden, welche sich 
laut C.-V. vom 24. April 18 69, Pras. 3050 (A.-V.-BL, 37. StUck) auf 
Mathematik (Algebra, Geometric, Stereometrie) , Geschichte, Geo- 
graphie, Latein und eine zweite lebende Sprache, entweder der Mon- 
archic oder Franz6si8ch oder Englisch, erstreckte. Statt in Stereo- 
metric durfte sie auch in zwei von den Fachern: kaufmannische 
Arithmetik, Naturgeschichte, Physik, Chemie abgelegt werden. Wer 
kaufmannische Arithmetik wahlte, wurde in der Geographic besonders 
mit Mcksicht auf Handel und Gewerbe der Monarchic befragt. 
Statt in Latein oder in einer der ubrigen (zweiten) Sprachen konnte 
eins von den anderen vier Nebenfachern gewahlt werden, doch durfte 
der Betreffende nicht schon zwei derselben an Stelle der Stereometrie 
erkoren haben. Es wurde gefordert: Algebra bis einschl. der Glei- 
chungen zweiten Grades mit einer Unbekannten, Geometrie bis 
einschl. Kegelschnittslinien, Stereometrie vollstandig; Weltgeschichte, 
allgemeine bis zum 2. Pariser Frieden, Naheres fiber die Monarchie ; 
mathematische und physikalische Geographic im allgemeinen, geo- 
graphische Verhaltnisse der funf Weltteile, besondere von Mitteleuropa, 
spezielle der Monarchie; tTbersetzen in das Lateinische, Exponieren 
aus Sallust oder Casar; ubersichtliche Kenntnis der drei Naturreiche; 
wichtigste Lehren der Physik; Elemente der Chemie, ihre Anwendung 
auf die wichtigsten Gewerbszweige. Die Prufung ward in der den 
Aspiranten gelaufigsten Sprache vorgenommen, in welcher grundliche 
Kenntnis der Grammatik und die Fahigkeit, einen orthographisch 
fehlerfreien und gut stilisierten Aufsatz zu fertigen, verlangt wurde. 
In der zweiten Sprache ward richtiges tlbersetzen aus dem Buche 
und nach dem Gehor gefordert. 

Die Einjahrig-Freiwilligen traten am 1. Oktober in den Dienst 
Ihre Ausbildung ward zunachst durch eine Vorschrift vom 4. 
Februar 1869 (A.-V.-BL, 9. Stuck) und spater durch die Instruktionen 
fur die Truppenschulen geregelt. Denjenigen, welche wahrend ihrer 
Dienstzeit an ihrer Weiterbildung fur ihren burgerlichen Beruf 



Digitized by Google 



Osterreieh-Ungam. 



331 



arbeiten wurden, sollte so viel Vorschub geleistet werden, als ohne 
Gefahrdung der militarischen Ausbildung geschehen konne. Bei der 
Infanterie und den Jagern wurde die Sorge fur letztere einem 
dem Truppen-Kommandanten unmittelbar unterstellten Offizier uber- 
tragen, dem je nach ihrer Anzahl andere Offiziere und Unteroffiziere 
beigegeben wurden; als Kommandanten der „Freiwilligen-Abteilung" 
konnte ihm die Disziplinar-Strafgewalt eines Kompagnie-Komman- 
danten beigelegt werden. Bei der Kavallerie wurden samtliche 
Einjahrig-Freiwillige einer Eskadron oder der Unteroffiziers-Bildungs- 
Schule zugeteilt, ihre Ausbildung erfolgte durch einen dazu be- 
fehligten Offizier bezw. durch den Kommandanten der Schule; in 
grosseren Garnisonen war dem Regiments-Kommandanten iiberlassen, 
sie im Einvernehmen mit dem Kommandanten eines anderen Truppen- 
korpers am Unterrichte beiletzterem teilnehmen zu lassen. Bei der 
Artillerie erfolgte die Ausbildung in der hoheren Abteilung der Unter- 
offiziers-Bildungs-Schule ; beim Pionier-Regiment in der Bataillons- 
Unteroffiziers-Schule, welcher zu diesem Zwecke Kadetten und Unter- 
offiziere zugeteilt wurden; auch konnte eine Freiwilligen-Abteilung 
gebildet werden. Bei derGenietruppe, bei welcher ein Teil zu 
Unteroffizieren ausgebildet werden sollte, was bei den anderen Waffen, 
abgesehen vom Militar-Fuhrwesens-Korps, nur mit den zu Offizieren 
nicht Geeigneten geschah, erfolgte die Einzelabrichtung nicht, 
wie bei den ubrigen Truppengattungen, in der Kompagnie etc., sondern 
getrennt yon der der ubrigen Mannschaft, sie musste am 15. No- 
vember beendet sein; bereits am 15. Oktober hatte der durch Offiziere 
und Kadetten, in weniger wichtigen Fachern auch durch Feldwebel, 
zu erteilende theoretische Unterricht zu beginnen. Formliche Vor- 
trage wurden nur fur wenigstens drei Horer eingerichtet. Wenn nicht 
so viele vorhanden waren , arbeiteten sie fur sich, Unzuverlassige 
unter Aufsicht. Die Einjahrig-Freiwilhgen des Fuhrwesens-Korps 
wurden den Unteroffiziers-Bildungs-Schulen zu Wien, Prag und Pest 
uberwiesen; ihre Ausbildung erfolgte thunlichst gesondert von den 
ubrigen Mannschaften ; ein Offizier der Schule gab ihnen die erforder- 
liche Anleitung, namentlich fur ihr Selbststudium. Wenn nur wenige 
Einjahrig-Freiwillige vorhanden waren, konnten sie einem Truppen- 
korper der eigenen Garnison zugewiesen werden. 

Gegenstande der Prufung zum Reserveoffizier (tabellarische 
Beilage zur Vorschrift vom 3. Februar 1869, demnachst in den 
Instruktionen for die Truppenscliulen ausgeruhrt) waren: 



Digitized by Google 



332 Geschiehte des Militar-Eraiehunga- und -Bildungswesens etc. 



Fur Infanterie etc., Kavallerie, Pioniere und Fuhr- 
wesen: 

Stilistik: Aufsatze aus der Wirkungssphare des Subalternoffiziers. 
Wer des Deutschen nicht genugend machtig war, hatte sich die 
Kenntnis in dem fur den Dienst des Offiziers unerlasslichsten Um- 
fange anzueignen. Bei der Infanterie etc. sollte dazu womoglich 
durch den Besuch der Vorbereitungsschule (S. 292) Gelegenheit ge- 
geben werden. 

Terrainlehre, Terraindarstellung, praktische Messkunst: Formen- 
lehre, Terminologie , Anfertigung von Kroquis, Lesen von Karten und 
Planen, Vergleichen derselben mit der Natur, Zureehtfinden nach 
ihnen im Gelaude. 

Pionierdienst, Befestigungskunst, WaflFenlehre, Taktik, Felddienst, 
Militar-Administration: in dem fur die Kadetten-Schulen vorge- 
schriebenen Umfange. 

Heeresorganisation : Gliederung des Heeres im grossen, im Kriege 
und im Frieden, Eingehenderes uber die eigene Waffe. 

Abrichtungs- und Exerzier-Reglement im vollen Umfange. 

Dienstreglement: Ganz besonders die Dienstesvorschriften far 
den Subalternomzier. 

Bei der Kavallerie und dem Fuhrwesen: Pferdekenntnis etc. 

Fur die Artillerie sind die Anforderungen in der Instruktion 
genauer bezeichnet, als vorstebend geschehen ist. Sie verlangt 
Kenntnis der Feld- und permanenten Befestigung nach Tunkler 
I und II, stellt im Artillerieunterrichte an die Feld- und an die 
Festungs-Artillerie verschiedene Anspruche und ordnet die Doppel- 
rechnnng des Prufungsergebnisses far einzelne Facher an. 

Fur die Genie truppe wird, nachdem die Forderungen in 
Stilistik, Messkunst, Terrainlehre, den Reglements, Administration, 
Felddienst, Taktik in etwa gleichem Umfange wie fur die Infanterie 
aufgestellt sind, verlangt: 

Strassen-, Brucken-, Lagerbau, Erd-, Bekleidungs-, Versicherungs- 
Arbeiten nach dem technischen Reglement; 

Feldbefestigung nach dem Lehrbuche fur die k. k. Kadetten- 
schulen, Entwurfe und tTbungen im Detaillieren ; ebenso 

Permanente Befestigung; 

Waffenlehre: Vorzeigen der gebrauchlichen Nahwaflfen, Eingehen- 
deres uber das Wanzl- und Werndlgewehr ; Feld-, Gebirgs- und 
Batteriegeschutze nach Schussarten, Schussdistanzen, Lafettierungen ; 

[Baukunst ward nicht vorgetragen. Wer die Prufung ablegen 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



333 



wollte, musste sich durch Selbststudium vorbereiten; wer den Hoch- 
bau nicht an einer Technik (d. h. technischen Lehranstalt) h6rte, ward 
Qber Maurer- und Zimmermanns-Arbeiten nach „ Weiss, Baukunst fur 
die Genie-Akademie" geprfift; wer ein gutes Zeugnis einer Technik 
besass, war von der Prfifung befreit; wer nur Unteroffizier werden 
wollte, batte die Abschnitte des technischen Reglements fiber Bau- 
materialien, Werkzeuge und Zimmermanns-Arbeiten zu studieren.J 

Angriff und Verteidigung fester Platze: nach dem Leitfaden fur 
die k. k. Kadetten-Schulen; Ausarbeiten eines Entwurfes fur Ver- 
teidigungs-Instandsetzung einer Front oder eines Forts (ohne Minenkrieg) ; 

Sappeur- und Mineurdienst: nach dem technischen Reglement, 
mit Weglassung des Minderwichtigen ; 

Eisenbahnbau : Provisorische Herrichtung und Zerstorung, nach 
dem Reglement (Selbststudium); 

Geometral-, Baukonstruktions-, Situations-Zeichnen fur Unkundige 
in der Unteroffiziers-Bildungs-Schule. 

Die Regiments-Kommandanten hatten die Vortrage fiber Wissen- 
schaften, ffir welche es keine geeigneten Lehrbucher gab, lithographieren 
zu lassen. 

Wer von vornherein auf die Beforderung zum Offizier verzichtete, 
wurde mehr praktisch ausgebildet; die zu Offizieren Auszubildenden 
besichtigten eine nahgelegene Festung. 

Auszeichnung bei der Heranbildung der Einjahrig-Freiwilligen 
sollte in den Qualifikationslisten als Verdienst der betreffenden Offiziere 
ersichtlich gemacht werden. 

Die Prfifungen fanden zwischen dem 15. September und 15. 
Oktober vor einer aus Truppenoffizieren und Lehrern der Schule zu- 
sammengesetzten Kommission statt. Sie hatten, abgesehen vom 
Genie, zugleich die praktische Befahigung darzuthun; die Kenntnisse 
imDeut8chen wurden durch den Verlauf der Prufung, die in Stilistik durch 
eine schriftliche Arbeit erprobt; von dem, dessen Muttersprache nicht 
die deutsche war, wurde nur verlangt, dass er in einer fur den Dienst- 
gebrauch ausreichenden Weise sich verstandlich machen konne. Bei 
der Prufung durfte er sich seiner Muttersprache bedienen. Fur 
Klassifikation und Rangsbestimmung galten die Vorschriften ffir 
Kadettenschulen , doch blieb die deutsche Sprache ausser Betracht. 
Die Prfifung durfte nach Jahresfrist wiederholt, eine dritte vom Reicbs- 
kriegsministerium gestattet werden. Wer beim Diensteintritte erklart 
hatte, nur Unteroffizier werden zu wollen, wurde beim eigenen Truppen- 
korper geprfift. 



Digitized by Google 



334 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Bei der Genietruppe fand Ende Marz eine Vorprufung statt, 
auf Grund deren Ernennungen zu Unteroffizieren stattfanden, bei an- 
haltendem Fleisse und praktischer Verwendbarkeit durften im Sommer 
weitere erfolgen. Auf die Zulassung zur Prufung zum Reserve- 
offizier hatte Anspruch, wer zwei Jahre Technik gehort hatte; 
andere durften auf Empfehlung des Truppenkommandanten teilnehmen. 
Fur einzelne Facher durften Zeugnisse der besuchten Lehranstalt die 
Prufung ersetzen. 

E. Landwehr-Offiziers-Aspiranten-Schulen. * 

Das Wehrgesetz vom 5. Dezember 18 68 schrieb vor, dass der 
Offiziersersatz , ausser durch Cbertritt aus dem aktiven Heere und 
der Reserve, durch stufenweises Avancement in der Landwehr selbst, 
nach den im Heere bestehenden Grundsatzen, erfolgen solle; also 
entweder nach befriedigend abgelegter Prufung oder, ohne diese, zur 
Belohnung fur diejenigen, welche die notige Befahigung ohnehin be- 
sitzen und sich vor dem Feinde ausgezeichnet haben. Um die Vor- 
bereitung auf jene Prufung zu erleichtern, ordnete das Landesver- 
teidigungs-Ministerium unter dem 25. Februar 187 3 (V.-Bl. f. d. k. k. 
Landwehr Nr. 5 vom 4. Marz) die Errichtung von Landwehr-Offiziers- 
Aspiranten-Schulen an, welche am 16. Marz 1873 bei den Landwehr- 
kommanden zu Wien, Graz, Prag und Lemberg aufgesteUt wurden. 
Der Umfang der Vortrage war im allgemeinen der fur die Schulen 
der Einjahrig-Freiwilligen vorgeschriebene; Unterricht, Lehrmittel # und 
Karten wurden unentgeltlich geboten. Zum Besuche wurden zuge- 
lassen: die der Landwehr angehorenden Personen, welche Offiziere 
zu werden wunschten, Offiziere der nichtaktiven Landwehr, welche 
ihre Kenntnisse vervollkommnen wollten, sowie Personen des Zivil- 
standes, welche ohne der Wehrpflicht zu unterliegen, die Ernennung 
zu Landwehroffizieren anstrebten, ohne die erforderliche militarische 
Ausbildung in hinreichendem Masse zu besitzen. Mit Rucksicht auf 
die Teilnehmer und ihre burgerliche Beschaftigung wurden auch 
Abendkurse eingerichtet , fur welche die Zeit von 7 bis 9 Uhr und 
die Sonntagnachmittage benutzt wurden. Die Schulen schlossen am 
31. August. 

Am 1. Dezember 1873 wurden an den namlichen Orten sowie 
zu Briinn und Innsbruck neue Kurse eroiinet, deren theoretischer 
Teil bis zum 31. Juli 1874 dauerte. Im August und September 
fanden praktische tTbungen, im Oktober die Schlussprafungen statt 



Digitized by Google 



Sechster Zeitraum. 



Die Gegenwart, 1874 bis 1890. 
1. Allgemeiner Uberblick. 

Das „System Pechmann", ein landlaufiger Ausdruck fur die Ge- 
8amtheit der unter dem Ministerium Kuhn getroffenen Einrichtungen, 
hatte fast allgemeine Unzufriedenheit heryorgerufen. Die Stimmen 
der militarischen Presse legen Zeugnis ab von der weit verbreiteten 
Missstimmung. Wie verschieden der Standpunkt der Blatter ist, in 
diesem Punkte herrscht Einmutigkeit. Wir fiihren ein Gesamturteil 
an, welches zugleich die dem System gemachten Vorwurfe enthalt. 
Die Quelle, aus der es stammt, schliesst jeden Ein wand gegen die 
Sachlichkeit und Unparteilichkeit der Meinungsausserung aus. Es 
sind die Osterreichisch-Ungarisehen militarischen Blatter, l ) eine Zeit- 
schrift, deren nahe Beziehungen zum FM. Erzherzog Albrecht den 
Wert ihrer Mitteilungen verburgen. Sie schreibt: 

„So vielverheissend das neue Programm und die aufgestellten 
Grundsatze erschienen, ebenso ungenugend zeigten sich schon nach 
vier bis fiinf Jahren die Resultate desselben; denn es waren ideale 
Faktoren in Rechnung gebracht worden, welche teilweise gar nicht 
oder doch nur in ausserst vermindertem Werte vorhanden waren", 
und begrundet dieses Drteil durch eine Reihe von Einzelausstellungen 
an den geschaffenen Einrichtungen. Pechmann hat letztere demnachst 
in einer 1882 gedruckten Schrift „Ein padagogischer Beitrag zur 
Massen-Erziehung in den k. und k. Militar-Instituten" verteidigt, 
welche den GM. Ritter v. Haymerle zu einem Aufsatze „tTber In- 
fanterie-Kadettenschulen" -(Streffleurs Osterreichische militarische 
Zeitschrift, Wien 1884, I, S. 205) veranlasste. 



Jahrgang 1877, II, 266. 



Digitized by Google 



336 



Geachichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



Am meisten angefochten wurde die Verleihung von Stipendien 
an Stelle der Aufnahme in Erziebungsanstalten. So berechtigt an 
und fur sich die Forderung ist, dass die Erziehung der Sonne, so- 
lange sie Kinder sind, womoglich in der Familie geschehen soil, und 
so willkommen die Erziehungsbeitrage der Mehrzahl derjenigen Vater 
waren, welche Gelegenheit hatten ihre Sonne im eigenen Hause unter- 
iiehten zu lassen, so hart wurden die ubrigen betroffen. Und 
ihrer wurden vermoge der Nationalisierung der Schulen immer mehr. 
Dazu war der geistige Standpunkt der aus der namlichen Klasse von 
Scbulen der verschiedenen Lander hervorgehenden Zoglinge sehr un- 
gleich. Nur in den deutschen Provinzen bestand die Moglichkeit, 
die Stipendiaten genugend Deutsch zu lehren. Ausserdem war sehwer 
festzustellen , ob die Lernerfolge eine hinreichende Gegenleistung 
fur die Gewahrung des Stipendiums bildeten. Erziehungsanstalten 
fur Kinder bis zu dem fur die Aufnahme in die Akademien oder 
Kadettenschulen befahigenden Alter waren ein Bedurfnis. 

Das Militarkollegium fand keinen Beifall und drohte zu ver- 
waisen. Die Erweiterung der Lehrplane sehadete der Griindlichkeit 
des Unterrichtes. Die Kadettenschule hatte ihren Lehrstoff in wenig 
mehr als der Halfte der Zeit zu bewaltigen, welche den biirgerlichen 
Schulen zu Gebote stand, und daneben faehwissenschaftliche Gegen- 
stande zu erledigen. Der Unterricht blieb daher auf der Oberflache. 
Und trotzdem wurden die Schuler uberb&rdet Das eingefuhrte Klassifi- 
kationssystem gestattete Jedem, einen beliebigen Lehrgegenstand zu 
vernachlassigen und den Ausfall an Einheiten durch anderweite Mehr- 
leistung auszugleichen. Er durfte nur nicht irgendwo als „unge- 
nugend" beurteilt werden; denn damit war die Versetzung ausge- 
schlossen. Aber gerade die Strenge dieser Vorschrift bewirkte, dass 
sie nachsichtig gehandhabt wurde. Und die Freiheit, welche die 
Klassifikation gewahrte, fuhrte dahin, dass, wer z. B. in einem vier- 
fach zahlenden Fache sich eben uber das „Ungenugend" erhob, da- 
mit vier Einheiten mehr erwarb als ihm das „Ausgezeichnet" in 
einem einfach anzusetzenden Gegenstande gebracht hatte. 

Da trat an Kuhns Stelle am 14. Juni 1874 der G. d. K. Frhr. 
von Roller. Mit Kuhn ging Pec hm ami. Auf Kollers Antrag wurde 
noch im namlichen Jahre zum Vorstande der "VI. Abteilung OberstrLt 
von Wurmb 1 ) ernannt und mit der Neugestaltung der Verhaltnisse 



*) Adolf von Wurmb, am 1. Dezember 1832 zu Kremsier geboren, 1846—48 
Zogling der Olmutzer Kadetten-Kompagnie, 1848 Lieutenant bei Kaiser- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



337 



betraut. Am 1. Januar 1875 gingen an die Abteilung aach die An- 
gelegenheiten des Artillerie-, Genie- und Pionier-Bildungswesens fiber. 
Am 20. Juli 1876 trat an Kollers Stelle FML. Graf Bylandt- 
Rheidt. Wurmb war der von beiden Ministern geteilten Ansicht, 1 ) 

1) dass eine auf den Lebrplan der Realschule basierte Ausbildang 
far den Offizier jeder Waffe die zw^ckmassigste sei; 

2) dass die vorbereitenden Schulen den Akademien ein gleich- 
artig vorgebildetes und daher gleichwertiges Schulermaterial zu 
liefern hatten; 

3) dass der Lehrplan der Militar-Erziehuugs- und -Bildungs- 
Anstalten mit denen der offentlichen Scbulen insoweit ubereinstimmen 
solle, dass vorzeitig austretende Zoglinge ihre Studien an Zivilschulen 
fortsetzen konnten; 

4) dass eine Vennehrung der Militar-Erziehungs- und -Bildungs- 
Anstalten eintreten musse. 

Die Durchfuhrung dieser Grundsatze erkennen wir in den verfiigten 

II. Einzelanordnungen. 

1. Erziehungs- und Bildungs-Anstalten. 

Die Neuerungen begannen im November 1874 mit der Umge- 
staltung des Ober-Erziehungshauses zu Guns in eine „k. k. Militar- 
Unter realschule". Am 6. Oktober war befohlen, dass ihr Lehrplan 
dem der vier niederen Klassen der 7klassigen Realschule angepasst 
werden und dass sie „der Heranbildung eines in jeder Richtung 
entsprechenden Nachwuchses fur die Militar-Technische Schule" 
dienen solle. Der Normalstand an Zoglingen betrug 200, 1874/75 
waren 203, 1877/78 gar 235, 1881/82 nur 196 vorhanden. Die 
Mehrzahl befand sich immer in ganzen Ararial-Freistellen (1877/78 



Infanterie, trotz aller in den Kriegen von 1848 und 1849, 1859 und 1866 be- 
thatigten Tflchtigkeit eret 1872 zum Major befordert, war durch seine ausge- 
zedchnete Leitung der Kadettenschule in Prag bekannt geworden. W. ward 
1887 FML. und Kommandeur einer Infanterie-Truppen-Division , nahm gleich 
darauf krankheitshalber den Abschied und starb am 24. September 1888 zu 
Koritschau in Mahren (Streffleurs Osterreichische Militarische Zeitechrift, I, 
Wien 1889). 

«) Erater Jahreabericht fiber d. k. k. Militar-Erziehunga- und Bildunga- 
Anatalten. Herauagegeben vom Organ der Militar-Wiasenschaftlichen Vereine 
mit Benutzung amtlicher Quellen. Wien 1884. (Eine Fortaetzung iat noch 
nicht erfulgt ) 

Monumenta Qermani»« Paedtgogica XV, 22 



Digitized by Google 



338 Geschichte des Mllitfir- Ereiehungs- und -Bildungaweeens etc. 



162), daneben gab es halbe Ararial-Freistellen , Stiftungs- und Zahl- 
platze. Fur letztere beide Arten betrug das voile Bekostigungs- 
pauschale 300, das halbe 150 Gulden. Fur die Aufhahme wurde 
gefordert, dass die vier Klassen der Volksschule gut durchgemacht 
waren, das Bestehen einer Prafung und ein Alter von mindestens 10, 
hochstens 13 Jahren. Es waren dies die vorlaufigen Anordnungen. 

Eine A. E. vom 19. Juni 1875 (N.-V.-BL, 25. Stuck, vom 14. Juli, 
C.-V. vom 5. Juli, Pras. 2458) genehmigte die vom Kriegsministerium 
gemachten Vorschlage zu den Anderungen. Als sie durchgefuhrt 
waren, bestanden das Miiitar-Waisenhaus zu Fischau (1877), die 
Unter-Realschulen zu Guns (1874), Sankt Pdlten (1875), Eisenstadt 
(1879), Kaschau (1881), die Ober-Realschule zu Weisskirchen in 
Mahren (1875) als Vorbereitungs-Anstalten fur die Militar- Akademien 
bezw. fur die Kadettenschulen. 

DieMilitar-Akademien, von denen die zu Wiener-Neustadt, vom 
zweiten ihrer durch Verordnung vom 26. Juli 1877 von vier auf drei 
verminderten Jahrgange an in eine Infanterie- und eine Kavallerie- 
Abteilung geschieden, ihre Zdglinge fur diese Waffen, die Technische 
Militar-Akademie zu Wien, an welcher auch die Frequentanten der 
Genie-Kadettenschule ihren Unterricht erhielten, in eine Artillerie- 
und eine Genie- Abteilung gegliedert, die ihrigen fur die technischen 
Truppen ausbildete, blieben bestehen. 

Der Stand an Zdglingen betrug im Militar-Waisenhause bei 
7 Jahrgangen 140, in den Unter-Realschulen bei 4 Jahrgangen je 
200, in Eisenstadt jedoch 260, in der Ober-Realschule bei 3 Jahr- 
gangen 450, in den Akademien bei 3 Jahrgangen 300 bezw. 200, 
wurde jedoch nach Ausweis des „Ersten Jahresberichts etc." in den 
niederen Anstalten haufig uberschritten. Die Zahl der Zdglinge in 
den Akademien erreichte dagegen bis 1884 den Sollstand nicht. Dann 
aber wuchs der Andrang fur Wiener-Neustadt derart, dass der Stand 
1888/89 auf 350 erhoht, und dass fur 1891/92 eine (thatsachlich ein- 
getretene) Vermehrung auf 400 Zoglinge in Aussicht genommen wurde. 

In betreff der Aufnahme aus der Privaterziehung in die 
genannten Anstalten ward vorgeschrieben : 

Es bestehen Ararial- (ganz und halb freie), Stiftungs- (Staats-, 
Landes-, Privat-), Zahlplatze. Die Ararialplatze werden auf Vorschlag 
des Eriegs-, die Staats- und Landes-Stiftungsplatze auf den des 
Landesverteidigungs-Ministers , die Privat-Stiftungsplatze auf Grand 
der Stiftungsbriefe vom Kaiser, die Zahlplatze vom Kriegsminister 
verliehen. 



Digitized by Google 



daterreich-Ungani. 



339 



Ansprnch auf Ararialplatze haben: in erster Linie die 
Sonne (eheliche und legitimierte) von Personen des Heeres, der 
Kriegsmarine und beider Landwehren, des aktiven, Rnhe- und Inva- 
lidenstandes , ausschliesslich Gefreite, Soldaten und Gleichgestellte ; 
in besonderen Fallen auch der Offiziere ausser Dienst und der Militar- 
Pensionisten ; in zweiter Linie der Kapellmeister und mit Abschied 
entlassenen Unteroffiziere ; in dritter Linie die von Hof- und Zivil- 
Staatsbeamten und -Staatsbediensteten. Die Berucksichtigung ge- 
schieht in nachstehender Reihenfolge: ganz verwaiste; vaterlose 
Waisen, besonders wenn der Vater vor dem Feinde gestorben ist; 
Sonne von Vatern, welche durch Wunden invalid geworden sind; 
mutterlo8e Waisen; Sohne unbemittelter Eltern mehrerer Kinder, be- 
sonders wenn die Vater sich vor dem Feinde oder im Staatsdienste 
uberhaupt hervorgethan haben. Dabei wird die nachstehende Ord- 
nung beobachtet: Sohne aktiver und in den Ruhestand getretener 
Offiziere des Heeres und der Kriegsmarine , dann der Landwehren, 
dann Sohne von Militar-Arzten , Beamten etc. Ein ausnahmsweiser 
Ansprueh anf Ararialplatze steht einer Reihe weiterer Personen zu, 
unter denen gut gediente Unteroffiziere genannt sein mogen. 

Halbe Freiplatze erhalten vorzugsweise Aspiranten, deren Vater 
der 6. oder einer hoheren Rangklasse angehdren oder deren Eltern 
sich in gunstiger Vermogenslage behnden. 

Auf Zahlplatze haben die Sonne aller dsterreiohischen und 
ungarischen Staatsburger Ansprueh ; die von Offizieren und Beamten 
haben vor anderen Bewerbern den Vorzug. Das ganze „Bekdsti- 
gungs-Pauschale" betrug in der Unter-Reaischule 300, Ober- 
Realschnle 400, Akademie 600 Gulden. Durch A. E. vom 10. Februar 
1880 wurde es fur die Realschulen auf 400, fur die Akademien auf 
800 Gulden festgesetzt. Die Inhaber voller Freistellen entrichteten 
bei der Aufhahme und beim Aufsteigen in eine hohere Anstalt je 
6 Gulden fur die Schuleinrichtungen und bei Beginn des Unterrichts- 
jahre8 je 12 Gulden fur Lehrmittel. 

Der Eintritt konnte in jede Klasse geschehen. Fiir jedes ganz 
oder teilweise auf einem ganz freien Ararial- oder Stiftsplatze zuge- 
brachte Jahr war ein voiles , fur jedes auf einem halbfreien zuge- 
brachte ein halbes Jahr fiber die dreijahrige Liniendienstzeit prasent 
zu dienen, wobei aber die gesetzmassige Grenze der Prasenzdienst- 
dauer von 10 bezw. 7 Jahren nicht uberschritten werden durfte. 
Zahlzoglinge waren zu 4jahrigem Prasenzdienste verpflichtet, sobald 
sie langer als 4 Jahr den Anstalten angehort hatten. 

22* 



Digitized by Google 



340 Geschichte dea Militar-Erziehungg- und -BildungswesenB etc. 



Allgemeine Bedingungen der Aufnahme waren: Oster- 
reiehische oder ungarische Staatsbiirgerschaft, bei A u si and era die 
kaiserliche Genehmigung; korperliche Eignung; befriedigendes sitt- 
liches Betragen; nicht uberschrittene Altersgrenze; Besitz der erforder- 
lichen Kenntnisse. 

AnSehweite wurde gefordert: Fliessendes Lesen auf mindestens 
44,7 cm von Schriftproben mit 1,6 mm hohen Buchstaben (Schrift- 
skala Nr. 7, nach Professor Dr. von Jager) in einer dem Bewerber 
gelaufigen Spracbe bei normal offen gehaltenen Lidern, sowie Ent- 
zifiFern von Schriftproben in einer fremden Sprache. 

Das* hochste Alter war fur den Eintritt in I der Unter- 
Realschule das am 1. Oktober nicht uberschrittene 12. Lebensjahr. 
Diese Grenze erhohte sich fur eine jede folgende Klasse um ein Jahr. 
Aufnahme in das Waisenhaus durfte bis zum vollendeten 13. ge- 
schehen. 

Die erforderlichen Vorkenntnisse waren zunachst durch Schul- 
zeugnisse, dann in einer Aufnahmeprufung nachzuweisen. Grundbe- 
dingung war genugendes Verstandnis der deutschen Sprache, um dem 
Unterrichte folgen zu kdnnen. Die Schulzeugnisse mussten be- 
zeugen: fur den Eintritt in I der Unterrealschule befriedigende Ab- 
solvierung der 4., anfangs auch noch der 5. Klasse einer Volks- oder 
der gleichgeltenden einer Bttrgerschule, fur II jene der L, fur III 
der 2., fur IV der 3. Klasse einer Realschule, eines Gymnasiums 
oder Realgymnasiums oder einer gleichgeltenden Bflrgerschule ; fur 
I, II, III der Oberrealschule der bezw. 4., 5., 6. einer Realschule, 
eines Gymnasiums oder Realgymnasiums. — Fur den Eintritt in I 
einer Akademie war befriedigende Absolvierung einer vollstandigen 
Realschule, eines Gymnasiums oder Realgymnasiums, fur II ein- 
jahriger Besuch einer technischen Hochschule oder einer Universitat 
Bedingung. Eintritt in hohere Klassen war ausgeschlossen. 

Fur den Eintritt in I der Unterrealschule wurde gefordert: 
Deutsche Sprache: Fertigkeit im Lesen deutscher und latei- 
nischer Schrift, Kenntnis der Elemente der Formenlehre, Fertigkeit in 
der Analyse des einfachen Satzes, Kenntnis der Hauptregeln der 
Rechtschreibung und der Zeichensetzung, Anwendung derselben beim 
Dictandoschreiben. Arithmetik: Fertigkeit in den vier Grund- 
rechnungsarten mit ganzen Zahlen. Schreiben: Fertigkeit im 
Schreiben deutscher und lateinischer Kurrentschrift. — Schon bald 



Digitized by Google 



Outerreich-Ungarn. 



341 



wurde jedoch gestattet, *) die Aufnahmeprufung in der Mutterspraehe 
abzulegen. Unkenntnis der deutschen Sprache war bei sonst guten 
Fabigkeiten kein Hindernis mehr fur die Aufnahme. 

Die Priifung fur die hoheren Jahrgange der Realschulen erstreckte 
sich auf die in der betreffend niederen Klasse gelehrten Gegenstande 
im Umfange des Vortrages bei genugender Kenntnis des Deutschen, 
am jenem folgen zu konnen. — Far die Akademien musste Kenntnis 
des gesamten Unterricbtsstofifes der Realschule nacbgewiesen werden. 
Die militarischen nnd die besonderen Geschicklichkeiten , sowie die 
militarischen TTbungen, waren nicht Gegenstand der Priifung, welche 
hier in deutscber Sprache stattfand. Fur die Aufnahme in II erstreckte 
sich dieselbe auf alle in I gelehrte Facher im vollen Umfange. 

Die Aufnahmepriifungen wurden in den Anstalten vorgenommen. 
Bewerber, deren Kenntnisse hinter dem Erfordernisse nicht allzuweit 
zuriickblieben und die durch den von ihnen gemachten Gesamtein- 
druck zu der Annahme berechtigten, dass sie das Fehlende nachholen 
wurden, konnten, wenn sie fur eine niedere Stufe bezw. Anstalt zu 
alt waren, probeweise zugelassen werden; ihre endgultige Aufnahme 
hing von der nachsten Abschluss-Elassifikation ab. 

Bevor wir auf die innere Einrichtung der neuen Anstalten und 
die Anderungen in den Akademien naher eingehen, geben wir seinem 
wesentlichen Inhalte nach den 

Lehrplan der k. k. Militar-Realschulen.*) 

Die Militar-Realschulen bezwecken den Zdglingen beizubringen : 

1) die Grundlagen der allgemeinen Bildung, deren der Offizier 
zur Ausfullung seiner gesellschaftlichen Stellung bedarf; 

2) das allgemeine Wissen, welches fur die erfolgreiche An- 
eignung der militarischen Fachwissenschaften unbedingt erforder- 
lich ist; 

3) die elementaren Kenntnisse und Geschicklichkeiten, welche 
fur die formelle Ausubung des militarischen Berufes in Stellungen 
unter der Charge des Subalternoffiziers notig sind ; 

4) eine ehrenhafte, echt militarische, dem Berufe durchaus zu* 
gewendete und in ihm aufgehende Gesinnung. 

Anzahl und Umfang der theoretischen Unterrichtsgegenstande 
sind im allgemeinen die der Zivil-Staats-Realschulen. Der unter 3) 



*) Ereter Jahresbericht a. a. O, 8. 29. 

») N.-V.-Bl., 25. Btflck, vom 14. Juli 1875. 



Digitized by Google 



342 Geschichte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungaweaens etc. 



genanntc Zweck wird durch einen auf Anschauung und bestandige 
Ubung gegrundeten, vorzugsweise praktisch betriebenen TJnterricht 
erreicht; das unter 4) bezeichnete Ziel ist auch durch die tibrigen 
Unterweisungen etc. zu fordern. 

Die meisten theoretischen Unterrichtsgegenstande, welche eine 
ausgesprochen systematische Behandlung erlauben, werden schon in 
der Unter-Realschule gewissermassen abgeschlossen. Sie erfahren 
hier eine uberwiegend anf das Anschauliche gerichtete, „mehr in- 
duktive" Behandlung, welche auf ein allgemeines Zurechtfinden in 
den Wissenschaften hinarbeitet. Auf der oberen Stufe ist der 
TJnterricht mehr deduktiv, zielt auf strong systematisches Wissen 
und erweitert letzteres auch dem Umfange nach. In alien Gegen- 
standen, in denen er applikatorisch betrieben wird, nimmt er zu- 
nachst nur auf die elementaren praktischen Bedurmisse des Berufes 
Rucksicht 

Alle Unterrichtsgegenstande sind als gleichwertig zu betrachten; 
jeder hat zur allmahlichen Vermehrung des Wissens und Konnens 
und zu einer harmonischen Entwickelung der Fahigkeiten der Zog- 
linge beizutragen. Daher ist der TJnterricht mit bestandiger Ruck- 
sicht auf den Zusammenhang der yerschiedenen Gegenstande unter- 
einander zu erteilen. 

Die ununterbrochene TJnterrichtsdauer betragt eine Stunde, fur 
den im Zeichnen in der Regel 2. In der Ober-Realschule darf sie 
fur einzelne Facher auf I 1 /* ausgedehnt werden; zwischen zwei sich 
unmittelbar folgenden Unterrichtsgegenstanden muss ein Abstand 
von Vi Stunde liegen. Jeder Zogling hat taglich V« Stunde Turn- 
oder Fechtunterricht. 

Alle korperlich anstrengende tTbungen finden am fruhen Morgen 
oder nach dem theoretischen TJnterrichte abends statt. 

Bei Erteilung des Unterrichtes sind nicht Umfang und Anord- 
nung des Lehrbuches, sondern die vorgeschriebenen Lehrziele und 
Lehrbegrenzungen massgebend. Fiir die einzelnen Facher wurde 
bestimmt: 

[I.] Theoretische und graphische Unterrichtsgegenstande. 

[1.] Sprachen. 

DerUnterricht erfolgt auf Grundlage des Unterrichtes imDeutschen. 
Er muss mit Berucksichtigung des logischen und allgemein bildenden 
Moments in den Sprachen betrieben und durch Einbeziehung der 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



343 



schdnen Litteratur zur Entwickelung richtigen Urteils und edelen 
Geschmacks in litterarischen Dingen benutzt werden. Er soil auch 
mit dem Unterrichte in den ubrigen Gegenstanden durch Benutzung 
ihrer Lehrstoffe in Beruhrung bleiben und zu bundigem, klaren, ge- 
wahlten Ausdrucke anleiten. 

Franztisische Sprache: 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Unter-Realschule: Plotz, Elementar-Grammatik (I. II); 1 ) 
Schulgrammatik (III. IV), petit vocabulaire (I. II), lectures (III. IV), 
vocabulaire systematique (III. IV); Taschenwdrterbuch , Tauchnitz 
(in. IV). 

Ober-Realschule: Plotz, Schulgrammatik (I), lectures (I), 
vocabulaire systematique (I — III); Borel, grammaire (II. Ill); Plotz, 
literature franchise (II. Ill); classiques francais (II. Ill); Taschen- 
worterbuch, Tauchnitz (I); Sachs, Worterbuch (II. III). 
Lehrziele: 

Unter-Realschule: Aussprache, Lesen, Schreiben; uber- 
sichtliche Kenntnis der Sprachlehre; Fertigkeit im tTbersetzen aus 
dem Franzosischen und einfacher "Cbungsstiicke aus dem Deutschen ; 
Kenntnis der unentbehrlichsten Redensarteu. 

Ober-Realschule: Kenntnis der Sprachlehre; Verstandnis 
der Sprache innerhalb der Vorstellungskreise der Zoglinge, Gewandtheit 
im mundlichen Gebrauche fur den gewdhnlichen Verkehr, im schrift- 
lichen fur die freie Bearbeitung einfacher Aufgaben; Einfiihrung in 
die Litteratur. 

[Dem Unterrichte geht allgemein die Aneignung eines Vorrats 
von Wortern, Satzen und eigentiimlichen Redensarten parallel, ferner 
Dictandoschreiben und tTbersetzen. Das franzosisch gefuhrte Ge- 
sprach ist, nachdem die erforderliche erste Grundlage erworben ist, 
unausgesetzt zu kultivieren. 

Der Lehrplan schreibt fur ein jedes Fach genau die Begrenzung 
und Einteilung des Unterrichtes vor. Die betreffenden Bestim- 
mungen hier ausfuhrlich wiederzugeben , wiirde zu weit fuhren und 
durfte urn so mehr unterlassen werden, als schon die Titel der 
Lehrbucher den Umfang andeuten. Es ist daher nachstehend iiber 
den Gegenstand nur da eine Auskunft gegeben, wo es wiinschens- 
wert erscheinen konnte eine solche zu erhalten.] 



*) Die eingeklammerten Ziffera bezeichnen die Jahrgange der Anstalten. 



Digitized by Google 



344 



Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesena etc. 



Bohmische Sprache: 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Unter-Realschule: Faltys, Sprachbuch (I — IV); Jirecek, 
Obrazy z rakouskfch zemi, narodfiv a dejin (IV); Rank, kleines 
Ta8chenworterbuch (III. IV). 

Ober-Realschule: Faltys, wie oben (I); Mluvnice eeska 
(II. Ill); Jirefcek, wie oben (I); ders., Anthologie z literatury ceske 
(II. Ill); Censky, Vojenskf fcitanka (III); Rank, wie oben (I); ders., 
Taschenwdrterbueh (II. Ill); Censk£, Vojensky sloonik nfcmecko- 
ceskf (HI). 

Lehrziel: wie beim Franzdsischen. 
Ungarische Sprache: 
Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Unter-Realschule: Toepler, Grammatik (I— IV); Szvorenyi, 
Olvas manyok a gymnasiumi ipartanodai alsobb osztalyok szamara 
1. kotel (IV); Ballagi, Taschenwdrterbueh (111. IV); Stettner, Ele- 
mente der ungarischen Sprachlehre (I— IV). 

Ober-Realschule: Toepler, wie oben (I); Szvorenyi, Kisebb 
magyar nyelvtana etc., Sz6tan-Mondattan (II. Ill); ders., wie oben, 
1. — 4. (I— III); ders., A magyar nemzeti irodalom rovid ismertetese 
(II. Ill); Ballagi, wie oben (I); ders., vollstandiges Worterbuch etc. 
(II. III). — Beszedes, ungarische Militarsprache (HE) und Szvor6nyi, 
A magyar irodalmi tanulmanzok kezikdnyve (II. Ill) als Lehr- 
behelfe. 

Lehrziel: wie beim Bohmischen. 
Deutsche Sprache: 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Unter-Realschule: Heinrich, Grammatik fur Mittelschulen 
(I IV); Neumann und Gohlen, Lesebuch fur die 1. bis 4. Klasse 
der Gymna8ien (I— IV); Sanders, Katechismus der Orthographie (I— IV); 
ders., orthographisches Schulworterbuch. — Niedergesass, Sprachbuch 
fur Biirgerschulen (I. II); Heyse, Schulgrammatik (III. IV); Wurst, 
Sprachdenklehre (I— IV) als Lehrbehelfe. 

Ober-Realschule: Egger, Lehr- und Lernbuch fur hohere 
Lehranstalten (I— m); Reichl, mittelhochdeutsches Lesebuch (I. II); 
Klassiker, Schulausgaben (II. Ill) nach Bedarf ; Sanders, wie oben. — 
Sanders, Vorschlage zu einer einheitlichen Rechtschreibung (I — HI), 
sowie orthographisches Worterbuch (I— III) als Lehrbehelfe. 

Lehrziel: 

Unter-Realschule (I— IV): Riohtiges und ausdruckvolles 



Digitized by Google 



{Werreich-Ungara . 



345 



Lesen und Sprechen, fehlerfreies Schreiben, Sprachlehre; Fertigkeit 
in Vcrfassung von Aufsatzen; angemessener Vortrag auswendig ge- 
lernter tTbungsstucke. 

TJnter- und Ober-Realschule (alle Klassen): Voiles Ver- 
standnis der deutschen Sprache; Gewandtheit im mundlichen und 
schriftlichen Gebrauche innerhalb des Vorstellungskreises; Kenntnis 
der vornehmsten Darstellungsfonnen und des Bildendsten der Litte- 
ratur; ttbersicht der letzteren. 

[2.] Beschreibende Wissenschaften. 

Die beschreibenden Wissenschaften sollen richtige Vorstellungen 
von den organisierten und unorganisierten Teilen des Erdkorpers, ihres 
raumlichen, zeitlichen und ursachlichen Zusammenhanges, ihrer Ver- 
einigung zu einem einheitlichen Bilde der Natur hervorbringen. Ihr 
Lehrstoff ist in erster Linie als allgemeines Bildungsmittel zu be- 
trachten; ausserdem bereiten Naturgeschichte, Physik und Chemie 
fur die technischen, Geographie und Geschichte far die militarischen 
Studien vor; endlich ist die Geschichte als das wirksamste Anregungs- 
mittel fur die Heranbildung eines festen Charakters und einer vater- 
landischen, dem Berufe zugewendeten Gesinnung zu benutzen. 

Chemie: 
Lehrbuch: 

Unter-Realschule: Handl, kleines Lehrbuch (IV). 

Ober-Realschule: Roscoe, Lehrbuch, bearbeitet von Schor- 
lemmer (I— II). 
Lehrziele: 

Unter-Realschule: Auf Anschauung gegrundete Bekannt- 
schaft mit den wichtigsten Grundstoffen und ihren Verbindungen. 

Ober-Realschule: Eingehende Kenntnis der Grundstoffe und 
ihrer Verbindungen mit Berucksichtigung ihrer Bedeutung in der 
Natur und ihrer Anwendungen. 

Physik: 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Unter-Realschule: Krist, Anfangsgriinde der Naturlehre 

(in. iv). 

Ober-Realschule: Reiss, Lehrbuch (I— HI); Hann, Hoch- 
steller und Pokorny, allgemeine Erdkunde (HI); 
Lehrziele: 



Digitized by Google 



346 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Unter-Realschule: Auf Anschauung gegrundete Bekannt- 
schaft mit den wichtigsten physikalischen Naturersoheinungen. 

Ober-Realschule: Eingehende, durch Anwendung der Ele- 
mentar-Mathematik unterstutzte Kenntnis der physikalischen Natur- 
ersoheinungen. 
Geschichte : 
Lehrbucher: 

Unter-Realschule: Gindely, Lehrbuch fiir die unteren 
Klassen der Mittelschulen (II— IV, in I kein Lehrbuch); Neuhauser, 
Geschichte der osterreiehisch-ungarischen Monarchie (III. IV) als Lehr- 
behelf; Kiepert, Wandkarte des Altertums (II); Spruner und Bret- 
schneider, Wandatlas, Mittelalter (HL IV). 

Ober-Realschule: Lehrbuch fur Ober-Gymnasien (I — III); 
Neuhauser, wie oben (I— III); Kiepert, Wandkarten des Altertums 
(I — III) ; Spruner und Bretschneider, Mittelalter und Neuzeit (I — III). 
Lehrziele (fur beide Schulen): 

Kenntnis der Hauptbegebenheiten mit Berucksichtigung der 
Entwickelung der Kultur, unter Hervorhebung des militar-biogra- 
phischen Moments und eingehender Wurdigung der vaterlandischen, 
sowie der Geschichte der Neuzeit uberhaupt. — Der Geschichtsvortrag 
in I der U.-R. bereitet vor, er soli durch Schilderung ergreifender, 
gesinnungbjidender Ereignisse die Liebe zum Studium der Geschichte 
erwecken; der an das Sagenhafte streifende Teil der Altertums- 
geschichte 1st hier abzuhandeln. — In der Unter-Realschule werden 
Altertum und Mittelalter, in der Ober-Realschule I wird die Zeit bis 
1648, in II bis 1815 erledigt. 
Geographic : 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Unter-Realschule: Klun, Leitfaden (I— IV) ; Stieler, Schul- 
atlas (I— IV). Wandkarten: Planiglobien ; Weltkarte nach Mercator 
von Berghaus; Europa von v. Stulpnagel und Bar; Osterreich-Ungarn 
von Dolezal; Asien, Afrika, Amerika, Australien (I— IV). 

Ober-Realschule: Sonklar, Geographie von Europa (I— II); 
Stieler, Berghaus, v. Stulpnagel, wie oben. Daneben werden Karten 
der einzelnen Lander genannt. 

Lehrziel (fur alle Klassen): 

Beziehungen des Erdkorpers zum Weltsystem; naturliche Be- 
schaffenheit, naturliche und politische Gliederung und Zusammenhang 
der Teile der Erdoberflache; beztiglich Europas: Naheres fiber die 
Oro- und Hydrographie , Kultur, politische und militar-statistische 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



347 



Verhaltnisse , eingehender Osterreich-Ungarn und Nachbarlander. — 
Dem Unterrichte geht die bildliche Darstellung der betreffenden 
Teile der Erdoberflache parallel. Von II der U.-R. an ist vor Be- 
ginn des Unterrichtes fiber die einzelnen Weltteile eine Wiederholung 
der in I der U.-R. abgehandelten hydro- und orographischen Ver- 
haltnisse vorzunehmen. 
Naturgeschichte : 

Lehrbueher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Unter-Realschule: Pokorny, Tierreich (I. IV), Pflanzenreich 
(II. IV), Mineralreich (HI. IV); Schwab, Schulgarten als Lehr- 
behelf. 

Ober-Realschule: Thome\ Zoologie (I), Botanik (II. Ill); 
Fellocker, Mineralogie und Geognosie (HE); Hann, Hochstetter und 
Pokorny, Erdkunde (III); Schwab, wie oben. 

Lehrziel (besonders Mineralien, Flora und Fauna Osterreich- 
Ungarns): 

Unter-Realschule (I— IV): Auf Anschauung gegrundete Be- 
kanntschaft mit den drei Naturreichen. 

Fur beide Schulen: Eingehende Kenntnis der drei Natur- 
reiche und des Wichtigsten aus der Morphologie der Mineralien, 
Pflanzen und Tiere, aus der Physiologie der Pflanzen und Tiere, 
aus der Geognosie, Geologie, Klimatologie , Pflanzen- und Tier- 
geographie. 

Der Unterricht, namentlich in Botanik, ist womoglich durch 
Anlage eines Schulgartens zu unterstutzen, welchen unter Anleitung 
des Lehrers sich freiwillig dazu erbietende Zoglinge ubernehmen. 

[3.] Mathematik. 

Der Unterricht soli im echten Sinne wissenschaftlich, keineswegs 
in ubermassiger Abstraktion betrieben werden. Allen geeigneten 
Satzen hat durch Anwendung auf die beschreibenden Wissenschaften 
die Darstellung ihres Nutzens zu folgen. Ausser den Veranlassungen 
aus dem gewdhnlichen Verkehr sind hierfur Geographie, Physik und 
Chemie besonders geeignet. Das Geometralzeichnen soil in genauer 
Beziehung zur Geometrie erhalten, diese selbst mit steter Bedacht- 
nahme auf das Anschauungsvermogen gelehrt werden. Der Unter- 
richt in Mathematik, sofern er nicht unmittelbar Vorbereitung und 
Hilfe fur bestimmte angewandte Facher ist, hat stets auf Kraftigung 
der Urteilsfahigkeit abzuzielen und darf nie in Formalismus oder 
zwecklo8e Abstraktionen ausarten. 



Digitized by Google 



348 Geschicbte des Militar - Erziehunga- und -Bildungswesens etc. 



Geometralzeichnen, s. graphische Facher: 
Geometrie : 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Unter-Realschule, s. graphische Facher. 

Ober-Realschule: Mocnik, Geometrie (I— III); Heiss und 
Eschweiler, Geometrie (I— III) als Lehrbehelf. 
Lehrziel: 

Unter-Realschule, s. Geometralzeichnen. 
Unter- und Oberrealschule: Kenntnis der niederen Geo- 
metrie. 

In der Ober-Realschule I wird Planimetrie, in II Planimetrie, 
ebene Trigonometrie, Stereometric , in III spharische Trigonometrie, 
analytische Geometrie einschl. Kegelschnitte vorgetragen. 
Arithmetik und Algebra: 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Unter-Realschule: Motnik, Arithmetik und Algebra far 
Unter- Real- und Bflrgerschulen (I— IV); Lamberger, Rechenmeister, 
Strehl, Rechnungsaufgaben , bearbeitet von Schubert (I— IV), als 
Lernbehelfe. 

Ober-Realschule: Mocnik, Arithmetik etc. fur die uberen 
Klassen der Mittelschulen (I— III); Heiss, Beispiele und Aufgaben 
(I— HI), als Lehrbehelf. 
Lehrziel: 

Unter- Realschule: Fertigkeit im Kopf- und schriftlichen 
Zifferrechnen ; Anwendung auf im Verkehr haufiger vorkommende 
Aufgaben; Anwendung der Grundrechnungsarten mit allgemeinen 
Zahlen; Auflosung von Gleichungen I. Grades mit einer und zwei 
Unbekannten. 

Ober-Realschule: Kenntnis der gesamten Arithmetik und 
niederen Algebra. 

[4.] Graphische Facher. 

Stenographic (fur I und II der O.-R.): 
Lehrbuch: Faulmann, stenographisches Lehrgebaude. 
Lehrziel: Erlangung einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 
Worten in der Minute. — Der Unterricht dient gleichzeitig zur 
Wiederholung der Sprachlehre; der praktische Teil ist zur Erweiterung 
der Kenntnisse iiberhaupt zu benutzen. 
Seh&nschreiben: 
Lehr- und Lernbehelfe: 



Digitized by Google 



Osterreich'Ungarn . 



349 



Schreib-Theken fur die k. k. Militar-Bildungsanstalten ; Zeich- 
nungsschlussel des k. k. militar-geographischen Institute, als Lehr- 
behelf. 
Lehrziel: 

Eine fliessende, leserliche, gefallige Handschrift, Fertigkeit in 
der Planschrift. 
Zeichnen: 

Der Unterricht soli in erster Linie das AnschauungsvermGgen 
entwickeln, in zweiter praktische Zwecke, namlich Verstandnis iin 
Gebrauche und Geschicklichkeit in Anfertigung bildlieherDarstellungen, 
besonders technischer Gegenstaade und des Terrains, verfolgen; 
schliesslich soil er den Sinn fQr das Angemessene in technischen, fur 
das Schdne in alien freien kunstlerischen Darstellungen wecken und 
bilden. 

Der theoreti8che Unterricht erfolgt nach Moglichkeit auf der 
durch den Unterricht im Geometralzeichnen geschaffenen Grundlage; 
letzteres umfasst das Wissenschaftliche des Linienzeichnens und der 
Schattengebung und soil in Verbindung mit dem Freihandzeichnen 
erhalten werden. In gleich genauer Verbindung soli dieser Unter- 
richt mit jenem in der Geometric stehen , den er vorzubereiten und 
zu unterstutzen hat. Die Theorie des Terrainzeichnens ist im Geo- 
metralzeichnen als Anwendung des Erlernten zu lehren; im ubrigen 
ist jenes eng an das Freihandzeichnen anzulehnen. Die Behandlung 
der Zeichenmaterialien, das Technische der Schatten- und Farben- 
gebung, die Belehrungen fiber Zusammenstellung und Wahl der 
Darstellungsmethoden sollen, insofern die Gegenstande eine gemein- 
same Erdrterung erfordern bezw. zulassen, im Freihandzeichnen zum 
Vortrage kommen. — Der Zeichenunterricht soli so betrieben werden, 
dass die bildliche Darstellung in alien beschreibenden Wissenschaften 
zu einer Art Verstandigungsmittel werde, von dem moglichst oft Ge- 
brauch zu machen ist Umgekehrt soli er seinen Stoff zum Teil 
den beschreibenden Wissenschaften entnehmen und zur Befestigung 
in diesen, sowie zur Vermehrung des Wissens und der Einsichten 
uberhaupt, dienen. Auf kunstlerische Leistungen ist der Unterricht 
keinenfalls zu berechnen, dagegen ist der Richtigkeit der Auffassung 
und dem Verstandnisse unablassige Sorge zu widmen. 
Situations- Zeichnen : 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Ober-Realschule: Zafifauk, Anleitung fur graphische Dar- 
stellung des Terrains (I— III); Zeichnungsschliissel (I -III), wie oben. 



Digitized by Google 



350 



Geschicbte des Militar-Erriehungs- und -Bildungsweaens etc. 



Lehrziel: 

Kenntnis und Verstandnis der Darstellung der Erdoberflache in 
Planen, insbesondere der Terraindarstellung in moglichst innigem 
Anschlusse an die freie Darstellung der Landschaft; entsprechende 
Fertigkeit 

Freihandzeichnen: 

Lehrbflcher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Streissler, geometrische Formenlehre, 1. Abt. (I, II der U.-R.); 
Vorlagen und Modelle fur Freihandzeichnen in den k. k. Militar- 
Bildungs-Anstalten (I— IV der U.-R., I der O.-R.); Lehrplan fur 
Freihandzeichnen an Mittelschulen, als Lehrbehelf. 

Lehrziel: 

Kenntnis der freien Perspektive; Fertigkeit in der freien Dar- 
stellung und Schattierung (Farbengebung) einzelner Gegenstande und 
einfacher Gesamtbilder aus freier Hand. — Der Unterricht wird in 
U.-R. I mit dem in Geometralzeichnen vereinigt 
Geometral-Zeichnen : 
Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Unter-Realschule: Streissler, s. Freihandzeichnen. 
Ober-Realschule: Schnedar, darstellende Geometrie (I— III) ; 
Tunkler, graphisches Defilement (II. Ill) als Lehrbehelf. 
Lehrziel: 

Unter-Realschule: Kenntnis der Elemente der Geometrie 
und der geometrischen Konstruktionslehre; Linienzeichnen. 

Ober-Realschule: Kenntnis der rechtwinkligen Prqjektions-, 
dann der Schattenlehre einschl. der Theorie der Terraindarstellung; 
geometrische Darstellung und Schattierung einzelner Gegenstande. 

[5.] Vortrage fiber sittliches, dienstliches und gesellschaft- 

liches Verhalten. 

Die Vortrage fiber Religionslehre , Dienstreglement und gesell- 
schaftlichen Verkehr, erganzt durch solche fiber Staats- und Private 
recht, sollen auf die Heranbildung eines rechtlichen festen Charakters, 
feiner Gesittung, strenger Gesetzmassigkeit im Thun und Lassen und 
eines unerschfitterlichen Pflichtgeffihls hinwirken. Gleichzeitdg sollen 
die Zoglinge eine Gesetzeskenntnis erlangen, die ihrem Alter und 
ihrer Zurechnungsfahigkeit vor dem Gesetze entspricht. Die hervor- 
ragendsten Stellen des Dienstreglements , welche als Grundsatze 
gewissermassen fur jeden Augenblick des militarischen Lebens von 
Bedeutung sind, sollen wortlich dem Gedachtnisse eingepragt werden. 



Digitized by Google 



(Wrreich-Ungarn. 



351 



Bei den mehr formellen Bestimmungen und bei den Gepflogenheiten 
guter Sitte ist der Nachdruck darauf zu legen, dass sie den Zog- 
lingen zur zweiten Natur werden ; jene sind daher im Dienstbetriebe 
jeder Zeit ohne die mindeste Abweichung zu fordern bezw. moglichst 
haufig zu fiben; auf die Einhaltung dieser ist ununterbroohen zu 
achten. Regelmassige Vortragsstunden waren fur den Unterricht 
nicht angesetzt. 

Gesellschaftlicher Verkehr (Unter-Realschule). 

Lehrbehelfe: Knigge, Umgang mit Menschen; Von einem 
deutschen Soldaten ; Unserer Armee. — Grundzflge des osterreichischen 
Zivil- und Staatsrechts. 

Lehrziel: Aneignung der Gepflogenheiten des gesellschaftlichen 
Verkehrs, besonders der militarischen Art und Sitte; Verstandnis 
des Sinnes dieser Gepflogenheiten zur Erzielung echten gesitteten 
Benehmens. Daran anschliessend und mit Beziehung auf die Vor- 
trage fiber Religion und Dienstreglement: Grundbestimmungen des 
Straf- und Privatrechts in einer dem Alter angemessenen Auswahl 
und Form. 

Dienstreglement (Unter- und Ober-Realschule). 
Lehrbiicher, Lehr- und Lernbehelfe: 
Haus- und Dienstordnung fur die k. k. Militar-Realschulen ; 
Dienstreglement, 1. Teil, als Lehrbehelfe. 
Lehrziel: 

Verstandnis und Aneignung der Vorschriften fiber das dienstliche 
Verhalten der Untergebenen ; Erweckung und Befestigung militarischen 
Pflicht- und Ehrgeffihls. 

Beligionslehre (Unter-Realschule) : 

Lehrbiicher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Drechsl, biblische Geschichte (I. II) ; Fischer, katholische Religions- 
lehre (I-IV). 

Lehrziel: 

Kenntnis der biblischen Geschichte; Aneignung der Grundsatze 
der Religion zur Begrundung moralischer Lebensanschauungen und 
morali8chen Verhaltens. — Unterricht fiber die katholische Glaubens- 
und Sittenlehre; Erklarung der wichtigsten Zeremonien. — Ffir I 
Geschichte des alten, fur II des neuen Bundes. 

Fur die Ober-Realschule finden sonntagliche Exhorten 
statt. 



Digitized by Google 



352 Geschichte des Militar-Enaehungs- uud -Bildungswesens etc. 



[II.] Militarische Geschicklichkeiten und tJbungen. 

Alle militarischen tTbungen sind applikatorisch an Modellen 
und Zeichnungen oder mit Venneidung jeder Zeitverschwendung am 
Lehmkasten in so genauem Zusammenhange unter einander zu be- 
treiben, dass die Zoglinge von dem Wesen ihres kunftigen Berufes, 
den Hauptumrissen nach, moglichst richtige, zusammenhangende Vor- 
stellungen erlangen, so dass der akademische Unterricht ohne weit- 
laufige Erlauterung der Elemente folgen kann. Bei der (lurch die 
Offiziere geschehenden Ausbildung werden die Zoglinge des hocks ten 
Jahrganges zur Ausbildung der jungeren, namentlich der aus der 
Privaterziehung eintretenden Zoglinge mit verwendet. Bei alien mili- 
tarischen ftbungen ist auf korperliche Entwickelung und Leistungs- 
fahigkeit moglichst Bedacht zu nehmen. 

Die ttbung der militarischen Geschicklichkeiten bezweckt 
Erlangung und Bewahrung der Gesundheit, Gewandtheit und Rustig- 
keit des Korpers, Erweckung von Mut, Selbstvertrauen und Geistes- 
gegenwart. Sie beginnt spielend, die Anforderungen werden allmahlich 
gesteigert. Die Beschaftigung soil zu edelem Wetteifer anleiten und 
eine dauernde Neigung fur die tTbungen entwickeln. 
Pionierdienst und Batteriebau (Ober-Realschule) : 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Technischer Unterricht fur die k. k. Genie- und Pioniertruppe; 
Leitfaden fur die Pioniere der Infanterie etc.; Instruktion fur Anwen- 
dung des Infanteriespatens ; Ajtillerie-Unterricht fur die 3. Unterrichts- 
klasse. 

Lehrziel: 

Kenntnis der wichtigsten Erdarbeiten im Feld- und Festuugs- 
kriege, Verstandnis ihres Zweckes. Ausstecken, Profilieren, Erdarbeit, 
Herstellen von Bekleidungsmaterial. Dazu alljahrliche Ausfuhrung 
von Lagerbauten, Materialienerzeugung, Notstegen, fluchtigen Befesti- 
gaugen und einer Belagerungsbatterie. 
Geschiitzexerzieren (Oberrealschule) : 

Lehrbuch, Lehr- und Lernbehelf: 

Exerzier-Reglement fur die k. k. Artillerie. 

Lehrziel: Ausbildung in Bedienung der Feld-, Gebirgs- und 
wichtigsten Batteriegeschutze des k. k. Heeres. 
GeschUtzwesen (Oberrealschule) : 

Lehrbucher, Lehr- und Lernbehelfe: 

Artillerie-Unterricht fur die l. f 2. und 1. Teil der 3. Unter- 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



353 



richtsklasse; Anleitung zu den Handhabungen mit dem Artillerie- 
materiale. 

Lehrziel: entsprechend dem fur das Geschutzexerzieren (Feld-, 
Gebirg8- und wichtigste BatteriegeschQtze des k. k. Heeres). 
Felddienst (Oberrealschule). 
Lehrbuch, Lehr- und Lernbehelf: 
Dienst-Reglement II. Teil. 

Lehrziel: Vertrautheit mit denjenigen Formen, deren Einubung 
mdglich ist. 

Nach hinreichend vorgeschrittener Ausbildong ist das Exerzieren, 
wenn thunlich, auf das Terrain zu verlegen, zur Felddienstiibung zu 
gestalten und alio 14 Tage mit einem tlbungsmarsche , womoglich 
mit Feldubung, zu verbinden, wobei allmahlich die Technik der 
Marsche, der Lager-, Sicherheits-, Nachrichtendienst und das Gefecht 
geiibt werden. 

Infanterie- Exerzieren. 

Lehrbuch, Lehr- und Lernbehelf: Exerzier-Reglement fur 
die k. k. Fusstruppen. 

Lehrziele: Fur die U.-R.: Ausbildung ohne Gewehr; einzeln, 
in Zuge, in der Kompagnie. Fur die O.-R. : Mit Gewehr; einzeln, 
im Zuge, in der Kompagnie, im Bataillon. Die Eompagnien sind 
jederzeit von Offizieren zu kommandieren. 

Gewehrwesen und Scheibenschiessen. 
Lehrbiicher, Lehr- und Lernbehelfe: Die Instruktionen. 

Lehrziele: Fur die U.-R.: Bekanntsehaft mit dem Zimmer- 
karabiner, Schiessen mit demselben. Fur die O.-R.: desgl. mit den 
Handfeuerwaffen des Heeres. 

Schwimmen (nach der Instruktion von d'Argy). 
SUbel-, Bajonett-, Rapier-, Stockfechten. 
Lehrbehelfe: 

Fechtunterricht vom ehemaligen Militar-Lehrer- Institute; Exer- 
zier-Reglement fur die k. k. Fusstruppen I; Unterricht im Stock- 
fechten in den k. k. Militar-Bildungsanstalten. 

Lehrziel: Vertrautheit mit Fuhrung der Hieb- und Stichwaffen; 
das Stockfechten dient als Vorschule. 
Turnen : 

Lehrbehelfe: Leitfaden fur die Lehrer in den Ober-Erziehungs- 
hau8ern etc.; Schadek, Militar-Gymnastik; Kocziczka, Leitfaden fur 
die Lehrer in den k. k. Militar-Akademien etc. 

Monument* Oermaniae Paedagugica XV. 23 



Digitized by Google 



354 Geschichte des Milit&r-Erziehungs- und -Bildungsweeena etc. 



Lehrziel: Gewandtheit and Ausdauer in Freiiibungen, imLaufen, 
Springen, Ringen und auf alien Apparaten. 

[in.] Besondere Geschicklichkeiten und tJbungen. 

Gesang und Musik (Unter- und Ober-Realschule): Vortrag 
einfacher Lieder, insbesondere Soldatenlieder, zur Hebung des mili- 
tarise hen und kameradschaftlichen Geistes, ferner zur Entwickelung 
der Stimme und des musikalischen Sinnes. Nach Wunsch und Mog- 
lichkeit Kultivierung eines Instrumentes (gegen Bezahlung des Lehrers). 

Tanzen (Ober-Realschule), um Gewandtheit des Benehmens und 
Geschicklichkeit in den gewohnlichen Tanzen zu erzielen. 



tlbersicht 

der Unterrichtsstunden an den k. k. Militar-Realschulen. 



Unterrichtsgegenstande 
und Beachaftjgungen : 




Militar- 


Zusammen : 


Unter- 


Ober- 


Ke&Lschule 


I 


II jlll 


IV 


I-IV 


I 


11 


III 


I-III 


Jahrgang 


I. Theoretische und graphische 
Unterrichtsgegeustande . . . 

f Deutsch .... 

1. Spracben U X^.' B ? h : 

Franzoaisch . . 

2. Beschrei- ( S^ft" ' ' ' 
bende Geschichte . . . 
Wissen- i Naturgeschichte . 

Rchaften Fhyaik .... 
sciiaiten | Chemie . # . 

f Arithmetik und 
3. Mathe- 1 Algebra . . . 
matik j Geometrie . . . 

Geometralzeichnen 
Geometralzeichnen 
4 Graphische Freihandzeichnen 
Facher i Situationszeichnen 
1 Schonschreiben . 
1 Stenographic . . 
5. Vortrage ( 

lich^dienst- Re"gionslehre . 

liches und ge-< SSfiftSrt ' 
sellschaft- ) Cr«ell8chaftliche« 
liches Ver- Verhalten . . 
halten I 


wochentliche Unterrichtsstunden 


31 
6 

3 
3 
3 
2 
2 

3 

Sit 
Sic 

}« 

2 

1 

1 


31 
6 

3 
3 
2 
2 
2 

a 

he G 
he * 
3 

4 

2 

1 

die 


32 
4 

3 
3 
2 
2 
2 
3 

4 

e timet 
raphi 
3 
4 

1 

1 
14 

e 


32 
3 

2 
2 
2 
2 
2 
3 
3 

4 

raliei 
sche 

3 
4 

1 
1 

Taj 
;ine 


126 
19 

11 
11 

9 
8 
8 
6 

3 

14 

chneo 

faeher 
12 
15 

6 
4 

;e dui 
Stun 


36 

8 

2 
2 
3 
3 
3 
3 
2 

3 
3 
3 
3 
3 
1 
1 
1 

Son 
chs< 
de ' 


36 
3 

2 
2 
2 

3 
3 
3 
2 

3 
3 

3 

a 

2 
1 
1 

nt&gi 
2hn 
Vor 


36 
3 

2 
2 

3 
3 
3 
3 
2 

3 

3 

3 
3 
2 
1 

;e Ei 
ttli< 
trag 


108 
9 

6 
6 
8 
8 
9 
9 
6 

9 
9 

9 
9 
5 

3 
2 

horlen 

:h etv 


234 
28 j 

17 62 
17' 
17 1 
17 

17 J75 

J 

23 f QQ 

9 

21) 
24 

5 >61 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



Unterrichtsgegenstande 
und Beschtiftigungen 



II. 



Militariacho Ge- 
schJcklichkeiten u. 
Ubungen . . . 

Turnen .... 

Stockfechten . . 

Rapierfechten . 

Baionettfechten 

Sabelfechten . 



(Winter 
Sommer 



Infanterie- 
zieren . . . 

Felddienst . . 

Geechiitzwesen . 
Geechutz-Exer- 



I Winter 
iSommer 



{Sommer 



Pionierdienst, Batteriebau 

III. Besondere Geschicklichkeiten 

und Ubungen 

Tauzen 

Gesang und Musik . . . 





Militar- 






Unter- 


Ober- 


RealBchule 


I 


II III IV [-IV 


I 


II 


Illjl-III 



Jahrgang 



a 

i 



a 

9 

B 
0 



W 

n 



Bis mr volliogencn einielnen Ausbildung tiglieh y a Stumie 

loler Mitbenutiang der Zeit fDr Gewehrwesen, Scheiben 
ichirsieo und Inftnterietiertieren 



Winter- 



IWinter- 
. Sommer 



>2 

' z 

E 

30 



3 

5 



3| — 
3 



14 

22 



~U 12 



f) 
8 



Zu geeigneter J»hresieit mindestens 3 mil die W»the 



I' 



5 
8 



a 3i ; 



15 
24 



29 
46 



21 



— - 1 



I 



1 1 



3 



1 
1 



1 
1 



3 
8 



I'nter Kitbenutiung der UnterrithUstuodeB fflr GeschOU- 



3 
3 



nod Geschutmeriieren 



2 
2 



36 36 



2 

2 

38 
40 
6 63 



38 
6 

621 65 6J 



B 
8 



38 148 
40 156 
24* 

26 



6? 
62 



44 

47 

72 
* 6 



I 

It 
7 2 

7|| 7* 



3 
1 



44 
47 
7" 



9 
3 

6 



17 
3 
14 



}l7 



142 km 

141 >297 
22 i46« 
*9! 



23J 



6 thr morgens Lis 9 I'hr abends, d. i. li 



5 thr 



bis JO Ihr abends, d. L M| 



9 91 

104 104! 



n\ 9* 



Is 



74 

1 a 



7 1 ~4 

1 I ■ < 



83 8|j 8| 



23 
26 



Wochentliche Un- iwinur- 
terrichtastunden \Sommer- 
An jedem Wochen- 

tage 

Von Tagwache bis 
Zapfenstreirh zur 
Verfugung . . . 
Haualicne Verrich- 
tungen, Stunden- 
wechael, Mahl- 
zei ten. Exerzieren, 
Schwimmen,Wie- 
derholung, Er- 
holung .... 

Die Klassifikation erfolgte mittelst der Noten: vorzuglich, 

sehr gut, gut, geniigend, ungenugend, schlecht, welche in den 

theoretischen und graphischen Unterrichtsgegenstanden, sowie den mili- 

tarischen Geschicklichkeiten und tTbungen Zahlenwerte von bezw. 5, 

4, 3, 2, 1, 0 Einheiten erhielten. Auf Grund derselben wurden Ge- 

samterfolg und Klassenrang jahrlich zweimal festgestellt. Wer nicht 

in alien Oegenstanden klassifiziert wer den konnte, blieb „unein- 

geteilt". Vorziiglicher Gesamterfolg ward durch die Unteroffiziers-, 

sehr guter durch die doppelte, guter durch die einfache Auszeichnung 

23* 



Digitized by Google 



356 Geechichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



anerkannt Die einfache Auszeichnung bestand in einer, die doppelte in 
zwei, furRealschulen gelbseidenen, furAkademien goldenen Bortchen am 
Kragen; als Unteroffiziersauszeichnung kam znr Doppelborte je ein 
Knopf am ruckwartigen Ende. Die entspreehende Auszeichnung fand 
sich auch am Tschako. Sie bestand ferner im seidenen Portepee. 

Zum Anfsteigen in den nachsten Jahrgang war mindestens 
„genugender", in eine hohere Anstalt „guter" Gesamterfolg erforder- 
lich. Aus dem Waisenhaase konnte das Anfsteigen bei mindestens 
gutem Gesamterfolge, nach Beendigung mindestens des 3. Jahrganges 
und bei erreichtem 10., nicht tiberschrittenem 12. Lebensjahre in I 
der U.-R. erfolgen; alle fibrigen Zoglinge traten, bei mindestens 
„genugendem" Gesamterfolge, nach vollendetem 14. Lebensjahre, in I 
einer Infanterie-Kadettenschule uber; korperlich Ungeeignete wurden 
einer burgerlichen Lehranstalt ubergeben oder einem burgerlichen 
Berufe zugeffihrt. Nach Beendigung von IV der U.-R. geschah bei 
mindestens „gutem" Gesamterfolge der tfbertritt in die O.-R., fur 
einzelne in die Marineakademie. Wer das 14. Lebensjahr erreicht 
hatte und korperlich hinreichend entwickelt war, wurde bei „ge- 
niigendem" Gesamterfolge ohne Aufhahmepriifung in eine Infanterie- 
Kadettenschule ubersetzt Nach Beendigung von III der O.-R. 
stiegen die Zoglinge mit mindestens „gutem" Gesamterfolge ohne 
Aumahmeprufung in eine Militarakademie , die mit „genugendem" 
in III einer Infanterie- oder Kavallerie- oder in II der Pionier- oder 
Artillerie-Kadettenschule auf. Oberrealschuler, welche die hochste 
Klasse mindestens „gut" durchgemacht hatten und fur den Heeres- 
dienst korperlich ungeeignet waren, sollten laut C.-V. vom 1. Sep- 
tember 1881 gleich den Zoglingen der Akademien im Heeres- 
verwaltungsdienste angestellt werden. Sie traten laut A. E. vom 
27. Februar 1878 in die niedrigste Diatenklasse. Wahrend der Probe- 
zeit wurden sie vom Staate unterhalten. Die Kosten ihres Unterhaltes 
betrugen 1882, wenn sie in einer mQitarischen Bildungsanstalt unter- 
gebracht werden konnten, jahrlich 400, sonst 600 Gulden. 

Wiederholung eines Jahrganges war krankheitshalber 
iiberall, ausserdem bei „ungenugendem" Gesamterfolge im Waisenhause 
und in den Realschulen (hier unter bestimmten Bedingungen in betreflf 
der Klassifikation) zulassig. In der Regel durfte wahrend des ganzen 
Verbleibens in den Anstalten nur ein Jahrgang wiederholt werden. 

Wenn Besserung erhofft werden konnte, so erfolgten wegen un- 
geniigenden Betragens oder aus Unfleiss entspringenden ungenugenden 
Gesamterfolges Verwarnungen, welche in den Lehrerkonferenzen 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



357 



beschlossen und vom Kommando verhangt wurden. Naeh Ablauf 
einer Besserungsfrist wurde die Verwarnung, von welcher die Ange- 
horigen Kenntnis erhielten, aafgehoben oder es wurde beim MiniBterium 
auf Entfernung angetragen. Letzteres unbedingt, wenn Zog- 
linge beim Jahresabschlusse ungenugenden Fortgang aufwiesen und 
nicht zur Nachprufung zugelassen wurden oder bei groben Vergeben. 
Bei strafbaren Handlungen, welche fur die Offiziersstellung unwiirdig 
machten, ward strafweise Entfernung beantragt; gegen Zoglinge 
unter 14 Jahren durfte sie nicht ausgesprochen werden. Sie schloss 
vom Wiedereintritte und von der Ernennung zum Kadetten aus. 

Nachprufungen fanden statt, wenn Zoglinge krankheitshalber 
bei den Prufungen nicht beurteilt werden konnten. Es durften auch Zog- 
linge zugelassen werden, welche wegen ungenugenden Gesamterfolges 
nicht versetzt werden konnten. • « 

Aus den obersten Jahrgangen der Miiitarakademien erfolgte der 
Austritt bei mindestens „gutem" Gesamterfolge als Lieutenant, bei 
„genugendem" als Kadett. Wer bei mindestens „genugendem" Be- 
tragen und Fleiss nicht hinreichende Befahigung zeigte, konnte in 
eine Kadettenschule (ausgenommen Genie-) iibertreten. Freiwillig 
vorzeitig Ausgeschiedene durften im Frieden vor Austritt ihres Jahr- 
gangs nicht zu Offizieren vorgeschlagen werden. 

An Personal war ausser dem Kommandanten und Adjutant on 
vorhanden: 

In Wiener-Neustadt 37 Offiziere (Oberstlieutenant bis Lieu- 
tenant), 4 Geistliche (Weltpriester und Piaristen), 4 burgerliche 
Lehrer, 1 Tanz- und 1 Fechtlehrer, 2 Arzte, 1 Tierarzt, 13 Feldwebel, 
10 Fuhrer, 4 Unteroffiziere als Schreiber, 16 Armeediener (darunter 
1 Gartner, 1 Modelltischler, 1 Laborant, 1 Portier, 1 Kirohendiener), 
4 Tambours, 4 Hornisten, 4 Krankenwarter, ferner ein Reitschul- 
personal fur 50 Reitpferde. 

Bei der Technischen Militar-Akademie 32 Offiziere (Oberst 
bis Oberlieutenant), 9 Zivillehrer, 2 Arzte, 1 Tierarzt, 11 Feuerwerker, 
7 FOhrer, 3 Unteroffiziere als Schreiber, 4 Hornisten, 24 Armee- 
diener (darunter 1 Mechaniker, 1 Laborant, 1 Modelltischler, 1 Kirchen- 
diener, 1 Portier, 14 Klassendiener, 39 Hausdienerj, ferner ein Reit- 
schulpersonal fur 50 Reitpferde. 

Bei der Militar-Technischen Schule 26 Offiziere (Haupt- 
leute und Lieutenants), 2 Geistliche, 3 Arzte, 10 Feuerwerker, 
30 Fuhrer und Korporale, 4 Trompeter, 4 Krankenwarter, 24 Klassen- 
diener, 20 Hausdiener. 



Digitized by Google 



358 Geschichte des Militar-Ereiehunga- und -Bildungswesena etc. 



Bei der Oberrealschule 31 Offiziere (Hauptleute und Ober- 
lieutenants), 2 Geistliche, 2 burgerliche Lehrer, 18 Feldwebel, 
2 Fuhrer, 3 Korporale, 1 Armeediener, 4 Signalblaser, 57 Hausdiener. 

Bei den Unterrealschulen zu Guns, Sankt Polten, Kaschau 
bezw. Eisenstadt 2 bezw. 3 Hauptleute 1. und ebenso viele 2. Klasse, 
4 bezw. 6 Oberlieutenants, 2 bezw. 3 Lieutenants, 1 geistlicher Pro- 
fessor, eine Anzahl von Feldwebeln als Lehrgehilfen und fur den 
Hausdienst und von Zugsfuhrern far den letzteren Zweck, Soldaten 
als Krankenwarter, Klassen- und Hausdiener. 

Die der bewaffiieten Macht angehorigen Personen bezogen # die 
chargenmassigen Gebiihren und Zulagen laut Gebuhrenvorsohrift, 
die mit Dekret angestellten Professoren der Akademien wurden den 
ordentlichen Professoren der Teohnischen Hochschule zu Wien gleich 
gehalten, die ohne solches angestellten Professoren und Lehrer em- 
pfingen Remunerationen. Den als Lehrer verwendeten Offizieren, den 
geistlichen Professoren, Auditoren und Arzten wurde bei Bemessung 
der Pension ein jedes Jahr ihrer Dienstleistung fur 16 Monate ange- 
rechnet. In betreff des Aufruckens in hohere Stellen bestimmte die 
Befdrderungsvorschrift vom 23. Dezember 1875, dass die bei 
den Uilitar-Bildungsanstalten verwendeten Offiziere, welche sich im 
Konkretualstande ihrer Waffe befanden, mit dem Vordermanne avan- 
cieren sollten, Hauptleute und Oberlieutenants jedoch nur bei zweifel- 
loser Eignuug zur Beforderung. Im anderen Falle sollten sie, wenn 
sie in das oberste Sechstel ihres Grades gelangt waren, behufs £r- 
probung zur Truppe einrucken. Hauptleute oder Rittmeister, deren 
Beibehaltung im Lehrstande erwunscht sei, konnten mit dem Vorder- 
manne aufrucken, miissten aber gleichzeitig in den Armeestand ver- 
setzt werden. 

Das Schuljahr begann im Waisenhause am 20., in den Real- 
schulen am 1., in den Akademien am 18. September und endete im 
Waisenhause und in den Akademien am 17. August, in den Unter- 
realschulen^ am 30. Juni, in der Oberrealschule am 15. Juli Es 
bestand aus einem Winter- und einem Sommerhalbjahre. An letzteres 
schlossen sich in der Oberrealschule und in Wiener-Neustadt Anfang 
Juli, in der Technischen Akademie Anfang Juni beginnende prak- 
tische Kurse, in den Akademien nach erfolgter Inspizierung durch 
Abordnungen des Ministeriums. Vor Beginn des Sommerhalbjahres 
fand die Klassifikation statt. 

Die Strafen waren Ordnungsstrafen, welche von Verweisen beim 
Rapport bis zu teilweiser oder ganzer Vorenthaltung des von den 



Digitized by Google 



Osterceich-Ungarn. 



359 



Angehorigen ausgesetzten Taschengeldes, und Disziplinarstrafen, 
welche vom Arrest bis zur Verschlechterung der Konduitennote mit 
dem daraus folgenden Yerluste bestimmter Begunstigungen gesteigert 
wurden. 

Die Belohnungen bestanden in den erwahnten Auszeichnungen 
und damit verbundenen Begunstigungen und in der Berficksichtigung 
beim Urlaube. 

Erziehungs- und Besserungsmittel wurden auf der unteren Stufe 
mit vaterlicher Milde, auf der mittleren mit Strenge, auf der oberen 
mit militarischem Ernst, welchem aber Wohlwollen und Fursorge nicht 
fehlen durften, angewendet Mit den Anforderungen an Benehmen 
und Pflichtgefuhl wuchs das Mass der gestatteten Freiheiten. Die 
alteren und zuverlassigen Zoglinge warden zur Beaufsichtigung mit- 
verwendet. Der Kommandant hatte mit den Zoglingen und deren 
Vorgesetzten unausgesetzte Fuhlung zu erhalten; unmittelbare Er- 
zieher waren im Waisenhause die militarischen Klassenlehrer, in den 
Eealschulen die als Klassenvorstande verwendeten, anfangs Kompagnie- 
Kommandanten genannten Offiziere, in den Akademien die Kompagnie- 
Kommandanten. Dieser Obere stieg in der Kegel mit der Klasse auf. 
Der „In8pektionsdienst" wechselte im Waisenhause unter den Militar- 
lehrern, in den ubrigen Anstalten unter den dazu verfugbaren Offi- 
zieren. In den Eealschulen standen die Zoglinge ausserdem unter 
den Unteromzier-Lehrgehilfen, welche in den namlichen Raumen 
schliefen. 

Der Dienstbetrieb begann auf das im Sommer um 5, im 
Winter um 6 Uhr gegebene Signal „Tagwache". Dem Frtihstuck 
folgte Unterricht, durch den „Rapport" unterbrochen, und dem Unter- 
richte das Mittagsessen. Fur dieses waren Tischgesellschafben ge- 
bildet, deren Vorsitzende die Speisen vorzulegen, die Unterhaltung zu 
leiten und auf An stand und Ordnung zu halten hatten. Zwischen 
Mittagessen und Nachmittagsunterricht lag eine Erholungszeit, welche 
bei gunstiger Witterung im Freien zugebracht wurde. An Schultagen 
ward um 4 oder 5, an Sonntagen um 2 Uhr der Tagesbefehl ver- 
lautbart. Dann folgte die Jause und dieser korperliche oder musi- 
kalische Chung oder Selbststudium. Um 8 Uhr fand das Nachtmahl 
statt, um 9 Uhr wurde zu Bett gegangen. Wenn alles zur Ruhe 
war, erstattete der Z ogling vom Dienst dem Inspektionsomzier etc. 
Meldung. In jedem Schlafsaale hielt ein Diener Nachtwache. An 
schulfreien Nachmittagen unternahmen die Zoglinge des Waisenhauses 
und der Realsohulen unter Aufsicht eines Omziers etc. grossere 



Digitized by Google 



360 Geschicbte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



Spaziergange; Akademiker und ausgezeichnete Oberrealschfiler durften 
far sich ausgehen. 

Zum Aufenthalte ausserhalb der Schulstunden dienten meist 
die Lehrsale. Fur den Unterricht in Zeichnen, Physik und 
Chemie, den korperlichen tTbungen und der Musik waren eigene 
Zimmer bestimmt. Die Schlafsale enthielten eiserne Bettstellen 
mit gesteppten Strohsacken und Unterlagsdecken bezw. Rosshaar- 
matratzen, keilformigen Strohkopfpolstera bezw. Rosshaarpolstern, 
Leintuchern, Winter-, Sommer- und Decken zum Bedecken der Betten 
am Tage. Bei jedem Bette stand ein Hasten mit Laden und Fachera 
fur Spiegel, Kamme, Haar-, Zahn- und Kleiderbursten , Seife und 
tagliche Kleidungsstucke. Nachts waren Mantel und Pantoffeln zum 
Verlassen des Saales, sowie Trinkwasser zur Verfugung. In nachster 
Nahe der Schlafsale lagen heizbare Waschkammern. Fur Voll- und 
Fussbader und fur Schwimmschulen war gesorgt. Sprechzimmer 
gaben Gelegenheit zur Unterhaltung mit den Angehorigen, Spielplatze 
und Lesezimmer zur Erholung; wo letztere fehlten, standen die Bucher 
in Schranken in den Schulzimmern. 

Die Hauptmahlzeiten wurden an gedeckten Tischen unter Auf- 
sicht der Inspektionsoffiziere eingenommen. Das Fruhstuck bestand 
aus KafFee, Milch oder Einbrennsuppe und einer Semmel; das Mit- 
tagsmahl aus Suppe, Rindfleisch mit Sauce oder Gemuse, Mehl- oder 
Zuspeise mit einer Auflage, an Sonntagen meist Braten mit einer 
Zuthat, sowie Brot; das Nachtmahl aus einer Fleisch-, Mehl- oder 
belegten Zuspeise und Brot. Bei festlichen Veranlassungen ward 
mittags eine vierte Speise, sowie mitunter Bier oder Wein, zur Jause 
Brot gegeben. Die Bekostigung jerfolgte durch einen Unternehmer 
oder durch die Anstalt. Kommandant und Arzt wohnten im Ge- 
baude, die Offiziere zum Teil ausserhalb, es war fur diese jedoch ein 
Kasino vorhanden. 

Die Kleidung war, ausser im Waisenhause, militarisch. Die 
Zoglinge des letzteren trugen mohrengraue Blusen mit hochroten 
Paroli und Beinknopfen und gleichfarbige Pantalons, statt der Hals- 
binde ein schwarzes Tuch, Mr die kaltere Jahreszeit hat ten sie ge- 
wirkte Armelleibel und Mantel, fur den Sommer Anzuge von grauem 
Zwirn. Realschuler und Akademiker hatten mohrengraue Waffen- 
rocke, lichtblaue Pantalons, blaugraue Mantel mit gelben glatten 
Knopfen und hochroter Egalisierung, die Realschuler hatten am 
Rockkragen rote Paroli, die Ober-Realschuler ausserdem rote Achsel- 
wulste und Achselspangen, die Akademiker neben letzteren voile rote 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



361 



Kragen, alle hatten rote Aufschlage. Die Blusen waren in den 
Realschulen mohrengrau, in den Akademien blau. In Wiener- Neu- 
stadt konnte die Schutzenschnur verliehen werden. Tschakos und 
Waffen (Infanteriegewehr und Seitenwaffe) hatten nur Oberrealschule 
und Akademien, alle hatten Feldkappen. Als Unterkleidung wurden 
in kalterer Jahreszeit entsprechend hergerichtete altere Blusen ge- 
tragen ; die Halsbinden waren mit den Halsstreifen der Offiziere ver- 
sehen ; i in Summer wurden Pantalons aus russischer Leinwand, zum 
Turnen zwilchene Anzuge getragen. Zum Anzuge gehorten ferner 
Halbstiefel und Stiefeletten, elastische Hosentrager, Handschuhe, 
Tag- und Nachthemden, Unterhosen, Fusssocken oder Fusstiicher. 
Jedes Stuck war mit Namen und Nummer des Inhabers gezeichnet. 
Ausser Wasche, Fussbekleidung, Handschuhen, Kappen und Hals- 
binden waren eigene Sachen verboten. — Die Offiziere hatten die 
Uniform ihrer Truppenteile, die Unteroffiziere eine der der Z og- 
ling e ahnliche. 

Einige Abweichungen zeigt der Lehrplan fur das 
Militar-Waisenhaus zu Fischau 1 ) 
welches, nachdem dasUntererziehungshaus am 1.0ktoberl870 aufgeldst 
und zunachst bestimmt war, dass Militar-Waisen sowie im aufnahme- 
fahigen Alter befindliche Sdhne von Heeresangehorigen, denen jedes 
Mittel zur Erziehung mangele, bis zu 120 im k. k. Waisenhause zu 
Wien untergebracht werden sollten, im Herbst 1877 eroflhet wurde. 

Der Unterricht ward hier wie in der niederosterreichischen 
Volksschule erteilt, Prufungen und Klassifikation waren wie in der 
M ilitar-Unterrealschule. 

Lehrziel war die Vorbereitung fur den Eintritt in die Militar- 
TJnterreal8chule. 

An Wochenstunden standen zur VerfQgung: 

in I fur Religion 2, Deutsch 16, Arithmetik 6, Freihandzeichnen 1 ; 

in II fur Religion 2, Deutsch 12, Geographie und Geschichte 1, 
Naturgeschichte 1, Arithmetik 6, Freihandzeichnen 1, Schreiben 6; 

in III fur Religion 2, Deutsch 10, Geographie etc. 2, Natur- 
geschichte 1, Arithmetik 6, Freihandzeichnen 2, Schreiben 2 ; 

in IV fur Religion 2, Deutsch 8, Geographie etc. 2, Natur- 
geschichte 2, Arithmetik 1, Geometric und geometrisches Zeichnen 1, 
Freihandzeichnen 2, Schreiben 2; 

in V fur Religion 2, Deutsch 6, Geographie etc. 2, Natur- 



al N.-V.-Bl., 45. Stack, Yom 14. September 1877. 



Digitized by Google 



362 Geschichte de« Militar-Erzlehungs- und -Bildungswesens etc. 



geschichte 2, Naturlehre 2, Arithmetik 4, Geometrie etc. 3, Frei- 
handzeichnen 2, Schreiben 1; 

in VI fur Religion 1, Deutsch 4, Geographie etc. 3, Natur- 
geschichte 2, Naturlehre 2, Arithmetik 4, Geometrie etc. 3, Frei- 
handzeichnen 4, Schreiben 1; 

in VII fur Religion 1, Deutsch 4, Geographie etc. 3, Natur- 
geschichte 2, Naturlehre 2, Arithmetik 4, Geometrie etc. 3, Frei- 
handzeichnen 4, Schreiben 1; 

ferner fur Bdhmisch oder Ungarisch in I bis IV je 1, in V bis 
VII je 2 und allgemein in Gesang 2, Kompositionsspielen, Kartonage, 
IIolz- und Gartenarbeit 2, Turnen und Exerzieren 6, im ganzen also 36. 

Mittelst A. £. vom 23. Jauuar 1883 ward befohlen, dass das 
Waisenhaus unter die Militar-Erziehungs- und Bildungs-Anstalten 
einzureihen sei und dass seine Zdglinge, welche bei erreichtem 10. und 
nicht iiberschrittenem 13. Lebensjahre den 3. oder einen hoheren 
Jahrgang mindestens „gut" absolviert haben wurden, in die I. Klasse 
einer U.-R. zu versetzen, die ubrigen bis zur Reife fur die Kadetten- 
schule im Waisenhause zu behalten seien. 

Ein anderweiter, auf Grund der inzwischen gemachten Erfahrungen 
bearbeiteter, im Jahre 1882 veroffentlichter 

Lehrplan der k. k. Militar-Erziehungs- und Bildungs- 
Anstalten 1 ) 

stimmt mit dem Vorganger in den allgemeinen Anordnungen fast 
wortlich uberein. In Bezug auf den Religionsuuterricht sagt er er- 
ganzend, dass solcher in der U.-R. fur die romisch-katholischen Zdg- 
linge stattzufinden habe, dass fur die Andersglaubigen entsprechend 
zu sorgen und dass alien zeitweise Gelegenheit zu geben sei, die reli- 
giosen Ubungen ihrer Konfession vorzunehmen. Die ununterbrochene 
Unterrichtsdauer in der O.-R. ist allgemein auf 1 bis l 1 /* Stunden 
festgesetzt, wahrend letztere fruher Ausnahme war, die Pause zwischen 
zwei sich unmittelbar folgenden Stunden ist auf 5 bis 10 Minuten 
vermindert, keine Stunde darf urn mehr als 5 Minuten verkurzt 
werden. Der Zeichenunterricht soil I 1 a bis 2 Stunden wahren; die 
Dauer der Lehrstunden der U.-R. ist die fruhere. An ein em Nach- 
mittage der Woche findet kein oder wenigstens kein theoretischer 
Unterricht statt. 

Ein Vergleich des neuen Lehrplanes mit dem von 1875 ergiebt 
nachstehende Einzeliinderungen, unter denen die Herausgabe yon 



J ) Wien, k. k. Hof- und Staatedruckerei, 1882. Neuabdruck 1885. 



Digitized by Google 



Oeterreich-Ungam. 



363 



Lehrbuchern durch das Kriegsministerium zu bemerken ist ; die hier 
beobachtete Reihenfolge der Unterrichtsfacher ist die im Lehrplane 
von 1885 innegehaltene. 

Militar-Unter-Realschule 
[I.] Theoretische und graphische Unterrichtsgegenstande. 

Deutsche Sprache: An Stelle des Lehrbuches von Neumann und 
Gehlen ist das von Neumann, 4 Teile, getreten. Die Schriften von 
Sanders sind durch „Regeln und Worterverzeichnis fur die deutsche 
Rechtschreibung in den k. k. Militar-Erziehungs- und -Bildungs- 
anstalten und Kadettenschulen" ersetzt. 

Die Zoglinge, welche die ungarische Staatsburgerschaft besitzen, 
muss en am Unterricbte in dieser Sprache teilnehmen, den anderen 
bleibt die Wahl zwischen Ungarisch und B ohm is eh uberlassen. 
Im Bohmischen sind an Stelle der Werke von Faltys und Jirecek das 
„Bdhmische Sprachbuch" (aus dem k. k. Schulbucher-Verlag), 1. und 
2. Stufe (I, II), „Csenk?,F., Grammatik" (III, IV) und „Lesebuch" (I— IV); 
im Ungari8chen an Stelle der Grammatik von Toepler desselben 
Verfassers „Praktischer Lehrgang der ungarischen Sprache, verbessert 
von Szemak" getreten. 

Fur die franzOsische Sprache ist als Lehrziel bezeichnet: rich- 
tige Aussprache; korrektes Lesen; Kenntnis der Formenlehre und der 
syntaktischen Grundregeln; Aneignung eines entsprechenden Yorrates 
von Wortern und kurzen Redensarten; angemessene Fertigkeit im 
tTbersetzen aus dem Franzdsischen ins Deutsche und umgekehrt, 
innerhalb der Grenzen des Lehrstoffes. Anregung zu passenden 
Sprechubungen. 

Fur die Geogi-aphie sind Klun und Stieler durch „Sonklar, Lehr- 
buch I", und „Kozenn, Schulatlas, bearbeitet von Sonklar", beide fur die 
Militarbildungsanstalten bestimmt, verdrangt; hinzugekommen sind 
„Letoschek8 physikalisch-geographische und astronomisch-geographische 
Wandkarten". Das Lehrziel ist: Kenntnis der Elemente der mathe- 
matischen und der allgemeinen physikalischen Geographie, dann der 
Grundziige der Lander- und Volkerkunde aller Weltteile. Der Lehr- 
stoff ist so verteilt, dass in der U.-R. der Vortrag uber Asien, Afrika, 
Amerika und Australien beendet wird. 

Fiir die Geschichte sind Gindely und Neuhauser durch ein im 
Auftrage des Eriegsministeri urns bearbeitetes „Lehrbuch der allgemeinen 
Geschichte, I und II", von welchem I (Altertum) 1889 in (umge- 
arbeiteter) Auflage erschien, und „Mazuth, Auszug aus der Ge- 



Digitized by Google 



364 Geschichte des Militar-Eraiehungs- und -Bildungswesens etc. 



schichte Osterreich-Ungarns" (Lebrbuch far I) ersetzt. In betreflF 
des Lebrzieles heisst es: „Der TJnterricht in I hat vor allem den 
Zweck, die aus den verschiedenen Provinzen stammenden, mit sehr 
ungleicher Vorbildung aufgenommenen Zoglinge mit dem Wissens- 
wertesten ans der Geschichte der Dynastie und des Vaterlandes ver- 
traut zu machen, hierdurch das Interesse fur alles Vaterlandische 
zu wecken und die Keime wahrhaft patriotischer Gesinnung in die 
jugendlichen Gemiiter zu pflanzen." 

Das Lehrziel fur Naturgeschichte musste erheblich beschrankt 
werden, weil der Unterricht in III und IV ganz aufhorte. Es werden 
in I die Zoologie, in II Mineralogie und Botanik erledigt. 

Das Lehrziel fur Physik ist ein durch das Experiment ver- 
mitteltes Verstandnis der leicht fasslichen Naturerscheinungen und 
ihrer Gesetze mit einiger Berucksichtigung der praktischen An- 
wendungen. 

Fiir Chemie dient als Lernbeheif „Lielleg, erster TTnterricht" ; das 
Lehrziel ist das Mhere, die Vorruhrung von Experimenten ist dabei 
besonders empfohlen; es sollen die wichtigstenphysikalisch-chemischen 
Erscheinungen und Prozesse gezeigt und eine gedrangte Charakteristik 
der Elemente und der verschiedenen Arten der aus ihnen ent- 
stehenden Verbindungen gegeben werden. 

Fur Arithmetik und Algebra sind Lernbehelfe : MoCnik, wie fruher, 
„Villicus, Arithmetik fur die IV. Klasse der Realschulen" (IV); Lehr- 
behelfe: „Knirr, Lehrbuch der Arithmetik", ders., Elemente der 
Arithmetik"; „Stubba, Sammlung algebraischer Aufgaben" ; die schon 
gebrauchten Werke von Lamberger und Strehl. Das Lehrziel ist auf 
die Gleichungen mit mehreren Unbekannten ausgedehnt 

Fur Geometrie und Geometralzeichnen liegt „Choura, Lehrbuch 
des Geometralzeichnens fur die k. k. Mihtar-Realschulen" I, 2 dem 
beide Gegenstande gleichzeitig behandelnden Unterrichte zu Grunde. 

Fur das Freihandzeichnen war ein eigener „Unterricht im Frei- 
handzeichnen an den k. k. Militar-Erziehungs- und -Bildungsanstalten 
und Kadettenschulen" erschienen. Lehrziel ist Kenntnis der Grund- 
zuge der geometrischen Anschauungslehre ; Darstellung und Schat- 
tierung geometrischer und omamentaler Formen, dann womoglich 
des menschlichen Kopfes aus freier Hand nach Modellen und Vorleg- 
blattern. 

Dem Schtinschreiben dienten als Lernbeheif: „Schriftvorlagen fur 
die k. k. Militar-Real- und Kadettenschulen"; als Lehrbehelf: die zu- 
gehorige „Pragmatik". 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungaru. 



865 



Als Dienstvorschriften und Anstandslehre wird jetzt bezeichnet, 
was fruher „Vortrage uber sittliches, dienstliches und gesellschaft- 
liches Verhalten" hiess. Zu den Lehrbehelfen ist „Papst, Unserer 
militarischen Jugend" getreten. 

[II.] Militarische Gesch icklichkeiten und tTbungen. 

Beim Exerzieren ist das Lehrziel Erlangung einer militarischen 
Stellung und tadellose Ausfuhrung der Kopf- und Korperwendungen, 
sowie der Ehrenbezeugungen und des Marsches; ferner Gewdhnung 
an rasche und piinktliche Befolgung militarischer Befehle und an 
Ordnung in Reih und Glied. 

Die tfbung im Zimmergewehr-Scheibenschiessen ist auf IV be- 
schrankt. Gegen Jahresschluss findet ein Pramienschiessen statt. 

Mit dem Turnen werden in III und IV tTbungen im Stock- 
fechten und in den Verbeugungen verbunden. Nach Massgabe der 
ortlichen Verhaltnisse findet Schlittschuhlaufen statt 

Der Unterricht im Fechten (III, IV) bezweckt die Erlangung 
einiger Geschicklichkeit in der Fiihrung des Rapiers ; der im Schwim- 
men, fur welchen neben der Instrukfion yon d'Argy der Leitfaden 
des Grafen A. Buonacorsi als Lehrbehelf dient, beginnt mit tlbungen 
auf dem Lande beim Turnen. 

[III.] Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 

Der Unterricht in Gesang und Musik soli zugleich eine er- 
heiternde Anregung bieten und dazu sullen von Zeit zu Zeit musi- 
kali8ch-deklamatori8che AufFuhrungen stattfinden. Als „Lehrstoff und 
Vorgang" sind bezeichnet: das Notensystem: Benennung, Einteilung, 
Wert der Noten; Benennung der Intervalle, Vorzeichen, Takt- und 
Tonarten; Absingen und Niederschreiben der Dor- und Moll-Ton- 
leitern, Nennen und Erkennen der Intervalle; Notenlesen, Zahlen 
und Ausschlagen der wichtigsten Taktarten. Die Gesangubungen 
finden teils jahrgangsweise, teils unter Vereinigung aller musikalisch 
und gesanglich vorgeschrittenen Zoglinge statt. Letztere pflegen den 
schulgerechten zwei- und mehrstimmigen Gesang. 

Die tTbersicht der Zahl der wochentlichen Unterrichts- 
s tun den weist folgende Anderungen nach: im Deutschen eine Ver- 
minderung urn 1 Stunde in II; im Ungarischen und Bdhmischen 
um je 2 in I und II, urn 1 in III; im Franzosischen eine Vermehrung 
urn 1 in I und IV ; in Naturgeschichte und Naturlehre um 1 in I 



Digitized by Google 



366 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



und II, den ganzlichen Ausfall fur III und IV; in Arithmetik und 
Algebra eine Vermehrung am 1 in I und II; in Geometrie und 
Zeichnen eine Verminderung urn 3 in I; in Schdnschreiben eine 
Vermehrung um je 1 in I und III. 

Die Gesamtzahl ist bezw. 30, 30, 30, 31 Woehenstunden. 

Militar-Oberrealschule. 

[I.] Theoretische und graphische Unterrichts- 

gegenstande. 

Fur die deutsche Sprache ist an Stelle von Egger das „Lesebuch 
von Janker und Noe" getreten. Die Rechtschreibung ist wie bei 
der Unter-Realschule. Lehrziel ist Fertigkeit in geordneter und 
stilistisch richtiger Darstellung eines im Unterrichts- und Erfahrungs- 
kreise der Zoglinge gelegenen Gedankeninhaltes ; durch Lekture ge- 
wonnene Bekanntschaft mit einer Auswahl des Bildendsten aus der 
deutschen Litteratur; aus Beispielen abgeleitete Charakteristik der 
Hauptarten der poetischen und prosaischen Kunstformen ; Kenntnis 
des Wichtigsten aus den Biographien der Klassiker und hervor- 
ragendsten deutsch-dsterreichischen Schriftsteller. 

Fur den Unterricht im Ungarischen werden benutzt die „Gram- 
matik von Toepler" ; „Szvorenyi, Olvasmanyok" etc., 2. bis 4. kotel ; die 
Worterbucher von Ballagi und als Lehrbehelf „Besz6des, ungarische 
Militarsprache". 

Fur das Bdhmische „Censky, Grammatik"; „Jire£ek, Obrazy z 
rakouskfch zemi, ndrodfto a dejen"; „Censky, Vojensky titanka" (III); 
derselbe, ,Jiesebuch fur die k. k. Militar-Erziehungs- und -Bildungs- 
Anstalten", 2. und 3. Teil; die Worterbflcher von Rank und als Lehr- 
behelf, ausser „6enskf , Vojenskf " etc., die Grammatik von Vymazal. 
Lehrziel ist Vervollkommnung in Aussprache, Lesen und Scbreiben, 
einige Fertigkeit im Sprechen und tTbersetzen in das Deutsche und 
umgekehrt; ubersichtliche Kenntnis der Sprachlehre. 

Fur das Franzbsische ist Lehrziel: richtiges, fliessendes Lesen; 
Kenntnis der Syntax; angemessene Fertigkeit im tTbersetzen aus dem 
Franzosischen und im TTbertragen leichterer deutscher Texte in das- 
selbe; einige Gelaufigkeit in einfachsten Gesprachen; Kenntnis des 
Wichtigsten aus der Biographie der im Lesebuche genannten hervor- 
ragendsten Schriftsteller. In I und II wird der Gebrauch des 
Franzosischen als Unterrichtssprache angebahnt; in III wird die 
deutsche Sprache nur angewendet, wenn die Ausfuhrungen des Lehrers 



Digitized by Google 



Csterrdch-Ungarn. 



367 



nicht verstanden werden oder den Anforderungen hinsichtlich des 
Ausdrucks nicht genugt wird. 

Der Unterricht in Geographie hat die in der U.-R. erlangten 
Kenntnisse zu vertiefen und zu erweitern and namentlich mit Europa 
bekannt zu machen. „Hinsichtlich der Detaillierung des Lehrstoffes 
schreitet das Unterrichtsziel mit der relativen Wichtigkeit des Lehr- 
textes vor", daher werden die Nachbarstaaten eingehender behandelt 
al8 das ubrige europaische Ausland; das Hauptgewicht liegt auf dem 
Inlande. TTberburdung des Gedachtnisses mit Namen, Zahlen etc. ist 
zu vermeiden. 

Fur die Naturgeschichte trat an Stelle von Fellocker etc. 
„v. Hochstetter und Bisching, Leitfaden der Mineralogie und Geologie". 
Das Lehrziel ist eine systematische TJbersicht der Tier- und Pflanzen- 
gruppen auf Grand der Kenntnis des Wichtigsten aus ihrer Ana- 
tomie, Physiologie und Morphologie ; Kenntnis der wichtigeren Mine- 
ralien und der wichtigsten Thatsachen aus der Geologie. Das 
Hauptgewicht liegt auf einer moglichst lebendigen Naturanschauung 
und auf der Scharfung des Beobachtungssinnes ; zu weit gehende 
Systematik und kleinliche Einzelheiten sollen sorgfaltig vermieden 
werden. Der Vortrag erstreckt sich in I auf Zoologie, II Botanik, 
III Mineralogie und Geologie. 

Der Vortrag fiber Physik, welchem die Mittelschulenausgabe 
des „Lehrbuche8 von Handl" zu Grande gelegt wird, bezweckt das Ver- 
standnis der wichtigsten Naturerscheinungen , vermittelt durch expe- 
rimentelle und andere Beobachtungen unter Anwendung der Rech- 
nung, soweit hierzu elementar-mathematische Kenntnisse ausreichen. 
Derselbe bespricht iff II die allgemeinen physikahschen Eigenschaften 
der Korper, Mechanik, Wellenlehre, Akustik; in in Magnetismus, 
Elektrizitat, Optik, Warmelehre, Grundzuge der Astronomie. 

Fur Chemie ist Lehrziel: Verstandnis der chemischen Vor- 
gange, der Bedingungen ihres Zustandekommens und der Gesetz- 
massigkeit ihres Auftretens, vorwiegend auf experimentellem Wege 
herbeizufuhren; iibersichtliche Kenntnis der Grundstoffe und ihrer 
Verbindungen mit besonderer Bezugnahme auf den Haushalt der 
Natur und ihre industrielle Verwertung. 

Fur Arithmetik und niedere Algebra soil der Unterricht grflnd- 
liohes Verstandnis und ausserdem Fertigkeit im praktischen Ziflfer- 
rechnen und in den elementaren algebraischen Rechnungsopera- 
tionen vermitteln. Es werden abgehandelt in I Kettenbrache; 
unbestimmte (diophantische) Gleichungen 1. Grades; Potenzen und 



Digitized by Google 



368 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungsweaens ete. 



Wurzelgrossen ; Ausziehen der 2. und 3. Wurzel, Logarithmen, Glei- 
chungen 2. Grades mit einer Unbekannten; in II hdhere Glei- 
chungen, welche auf quadratische zurflckgefuhrt werden konnen, 
quadratische Gleichungen mit zwei Unbekannten, Exponentialglei- 
chungen, unbestimmte Gleichungen 2. Grades mit zwei Unbekannten, 
ProgTessionen , Zinseszinsen- und Rentenrechnung, Kombinations- 
lehre, binomischer Lehrsatz; in III Wahrscheinlichkeitsrechnung, 
Zerlegung komplexer Ausdrucke in ihren reellen und imaginaren Teil, 
Berechnung des Moduls und Arguments, graphische Darstellung 
komplexer Grossen. 

Fur Geometrie werden dem Unterrichte „Mocnik, Geometrie fur 
Obergymnasien", „Mikoletzky, Konstruktion algebraischer Ausdrucke", 
und das „Lehrbuch von Heiss und Eschweiler" (Lehrbehelfe) zu Grunde 
gelegt. Lehrgegenstande sind in I die Geometrie der Ebene, in II 
Goniometrie und ebene Trigonometrie und Stereometrie , in III ana- 
lytische Geometrie der Ebene und spharische Trigonometrie. 

Geometralzeichnen wird nach dem „Lehrbucb von Choura 
fur die Militar-Oberrealschule" und den „Studienblattern von Steiner" 
gelehrt. 

Fur das Freihandzeichnen ist Lehrziel: Vervollkommnung in Auf- 
fassung und Darstellung plastischer Ornamente, sowie der mensch- 
lichen Gestalt; einige Fertigkeit im Landschaftszeichnen ; Entwickelung 
des Sch6nheits8innes. 

Dem Unterrichte in Situationszeichnen dienen ferner „v. Reitzner, 
Schule der Terraindarstellung samt Instruktion (als Lern-) und Prag- 
matik" (als Lehrbehelf). Lehrziel ist: Kenntnis der Darstellung 
der Erdoberflache in Plan en, insbesondere der Terraindarstellung; 
Fertigkeit im Zeichnen der Topographic der Ebene; einige tTbung in 
Darstellung einfacher Terrainformen. 

Schanschreiben wird nur noch in I gelehrt, um Batard-, Kur- 
8iv-, Rotond-, stehende und liegende rSmische und Blockschrift zu 
lehren und im Tabellieren zu iiben. 

Stenographie, aus I und II in III verlegt, wird nach Gabels- 
berger getrieben. Der Ausfiihrung der Zeichen ist die grosste Auf- 
merksamkeit zu widmen und erst allmahlich zu einer Schreib- 
geschwindigkeit von 70 bis 80 Worten in der Minute iiberzugehen. 

Fur Exerzieren und den Truppendienst ist Lehrziel: Aus- 
bildung im Infanterieexerzieren bis einschl. Bataillon, wobei das 
Hauptgewicht auf das geschlossene Exerzieren zu legen ist; jeder 



Digitized by Google 



Osterreich-Un gam . 



369 



Schiiler soli imstande sein, als Instruktor die Ausbildung des ein- 
zelnen Soldaten korrekt durchzufuhren. Praktische Einubung der 
wichtigsten Formen des Felddienstes ; praktisch erworbene Fertigkeit 
in Behandlung und Konservierung des Extrakorps-Gewehrs mit Werndl- 
Ver8chluss M. 1873/77, sowie die Hauptmerkmale, durch welche sich 
die iibrigen Handfeuerwaffen mit Werndl-Verschluss von jenem unter- 
scheiden ; durch Anschauung vermittelte Bekanntschaft mit den Hand- 
waffen iiberhaupt. — Schiessen mit Zimmerkarabiner und Extrakorps- 
Gewehr; Schiessregeln ; Theorie des Schiessens. Beim Exerzieren 
nehmen die Zoglinge von III die Stellen der Vorgesetzten ein. 

Fur Pionierdienst und Geschtitzwesen sind Lehrbehelfe: die 
dienstlichen Vorschriften und Pukl, Unterricht im Pionierdienst. 
Daft Lehrziel ist: einige Fertigkeit in den einfachsten Arbeiten des 
Pionier-Landdienstes, ferner Kenntnis der Feld-Geschutze ; angemessene 
Fertigkeit in ihrer Bedienung und Handhabung; Elemente des Bat>- 
teriebaues. Die Erklarungen sind auf das Wesentlichste zu be- 
schranken und durchwegs auf die Anschauung zu stutzen. 

Turnen und Schwimmen wie in der U.-R. Die ZSglinge von 
m konnen als Turngehilfen verwendet werden. Der Leitfaden von 
Koziczka ist nicht mehr Lehrbehelf. Beim Fechten wird syste- 
matische Ausbildung in der Fuhrung des Rapiers bezweckt. Gesang 
und Musik werden wie in der U.-R. betrieben. Der Tanzunter- 
richt begreift Stellung, Verbeugungen und die allgemein ublichen 
Tanze. 

tTbungen und Vortrage im praktischen Kursus. 

Veld- und Gefechtstibungen der Kompagnien mit Gegenseitig- 
keit und im Bataillon, einige womoglich gemeinsam mit der Ka- 
vallerie-Kadettenscbule und mit 1 bis 2 Geschutzen, for welche die 
O.-R. die Bedienung, die Kadettenschule Bespannung und Chargen 
stellt — Pionierdienst und Geschtitzwesen. — Scheibenschiessen. Es 
stehen zur Verfugung fur I je 10, II 20, III 30 Patronen. Best- 
schiessen von in. 

Turnen, Fechten, Schwimmen werden fortgesetzt; schriflliche 
und Zeicheniibungen werden bei andauernd ungunstiger Witterung 
vorgenommen. 

DieZeiteinteilung unterliegt kriegsministerieller Genehmigung. 

Die Zahl der wochentlichen Unterrichtsstunden 
in den theoretischen und graphischen Unterrichtsgegenstanden ist in 
I urn 3, in II und HI urn je 2 geringer geworden, sie betragt bezw. 

Monumenta Gennaniao Pftfldftgogioa XV. 24 



Digitized by Google 



370 Geschichte des Militar - Ereiehungs- und -Bildungswesens etc. 



33, 34, 34. Sie ist verm eh rt im Franzosischen in I, II, III urn 
je 1; Physik in II und III urn 1 ; Chemie in I und II urn 1; Frei- 
handzeichnen in I urn 1; Stenographie in III um 2; verringert in 
Geographie in I und HI um 1; Geschichte in III um 1; Natur- 
geschichte in II um 1; Physik in I um 3; Chemie in III um 2; 
Freihandzeichnen in II und HI um 1; Situationszeichnen in I und 
II um 1; Schonschreiben ist in II und HI, Stenographie in I und 
II fortgefallen. — Auf Exerzieren und Truppendienst werden bis zu 
vollzogener Ausbildung 3 Wochenstunden, auf Turnen, Fechten und 
die besonderen Geschicklichkeiten wird die friihere Zahl verwendet. 

Im ganzen ist eine Minderbelastung mit Unterrichtsstunden ein- 
getreten und die Erholungszeit entsprechend vermehrt. 

Militar-Akademien. 
Allgemeines. 

Als den Zweck des Unterrichtes in den Militar-Akademien 
bezeichnet der Lehrplan von 1882 (Neuabdruck 1885) „die Heran- 
bildung theoretisch hoher ausgebildeter und praktisch grundlich ge- 
schulter Offiziere aller Hauptwaffen". Diese sollen nicht nur „die 
Befahigung zum Subalternoffizier ihrer Waffe erlangen, sondern es 
soil auch ihre wissenschaftliche Ausbildung in dem Masse erweitert 
werden, als fur spatere Absolvierung der Fachbildungsanstalten bezw. 
den Dienst der Spezialstabe erforderlich ist". Der Lehrplan um- 
fasst daher sowohl diejenigen allgemeinwissenschaftlichen Kennt- 
nisse, welche einer hoheren Ausbildung, je nach der Waffe, zur 
Grundlage dienen, als auch diejenigen militarischen und militar- 
technischen Kenntnisse, deren der Subalternoffizier zur vollkommenen 
Ausubung seiner Berufspflichten, sowie fur seine Fortbildung bedarf, 
und diejenigen Fertigkeiten, welche er besitzen muss, um alien ihm 
zufallenden Aufgaben des Kriegsdienstes gewachsen zu sein. TTnter- 
richt und Erziehung sollen zusammenwirken, um die gesellschaftliche 
Bildung zu vervollkommnen und die militarischeGesinnung zu befestigen 

Die Wiener-Neustadter Akademie soil fur die Kriegs- 
schule vorbereiten und den Zogbngen daher ein erhohtes allgemeines 
Wissen bieten; „ihre intellektuellen Fahigkeiten durch die Pflege 
exakter Wissenschaften zur vollstandigen Entwickelung bringen;" die 
mathematisch-naturwissenschaftlichen Facher, welche praktisch anzu- 
wenden nur Einzelne in die Lage kommen werden, sind auf ein 
engeres Feld begrenzt. Die zur Ausbildung von Artillerie-, Genie- 
und Pionier-Offizieren bestimmte Technische Militar-Akademie 



Digitized by Google 



6«terreich-Ungarn . 



371 



soli ausserdem ffir die ,,Hoheren Kurse" vorbereiten; sie muss daher 
neben „der BereicheTung des allgemeinen Wissens und der voll- 
kommenen Entwickelung der intellektuellen Fahigkeiten eine ein- 
gehende Pflege der matbematisch-naturwissenschaftlichen Gegenstande 
sowie der technischen Hilfsdisziplinen" bieten. Allgemein ist den 
Anforderungen derjenigen Waffen, denen die Anstalt ihren Ersatz 
liefern soli, hervorragend Rechnung zu tragen. 

Die Daner der Ausbildung betragt drei Jahre; das Schul- 
jahr (18. September bis 17. August) zerfallt in einen theoretischen 
und einen praktischen Teil, ersterer in ein Sommer- und ein Winter- 
halbjabr. Der theoretische Kurs endet in Wiener -Neustadt am 
30. Juni, in der Technischen Akademie am 31. Mai ; den anschliessenden 
praktischen Kursen gehen 3 bis 4tagige Inspizierungen durch Ab- 
geordnete des Reichs-Kriegsministeriums yorher. 

Alle TJnterrichtsgegenstande der namlichen Gruppe sind als 
gleichwertig zu betrachten; die ffir die Realschulen massgebenden 
Grundsatze fiber Religionsunterricht und -tTbungen gelten auch far die 
Akademien; ebenso im allgemeinen die Anordnungen der O.-R. fur 
Unterricht und Tageseinteilung. Fur Nachhilfe der in Sprachen, 
im Zeichnen, Schonschreiben und der Stenographic zuruckgebliebenen 
Schuler ist angemessen zu sorgen. 

Die Einfiihrung neuer Lehr- und Lernbucher unterliegt der 
Genehmigung des Reichs-Kriegsministeriums. FUr die Erteilung des 
TJnterrichtes sind nicht jene, sondern die Bestimmungen des Lehrplans 
und der Prufungsordnung massgebend. 

Einzelbestimmungen ffir Wiener-Neustadt. 
[A.] Theoretische und graphische TJnterrichtsgegenstande. 

Milit&r -Geschaftsstil. Lehr- und Lernbehelfe: Iwanski, Mili- 
tar-Stilistik; Geschaftsordnung fur das k. k. Heer; Regeln etc. 
fur Rechtschreibung zum Gebrauch der k. k. Militar-Bildungsan- 
stalten etc. — Lehrziel : Gewandtheit im mundlichen und schriftlichen 
Gebrauche der Sprache; Eigentiimlichkeiten des militarischen Brief- 
und Geschaftsstils und Geschaftsordnung ffir das k. k. Heer, so- 
weit die Kenntnis fur den Truppenadjutanten erforderlich ist. Die 
Zoglinge sollen Kurze und Korrektheit im Ausdrucke erlangen und 
an einfache, klare Schreibweise gewohnt werden. 

Ungarische und b&hmische Sprache. Lehr- und Lernbehelfe: 

Die der O.-R.; Dienstvorschriften etc. als Lesebucher; Theater- 

stucke, Erzahlungen etc. — Lehrziel: Verbesserung der Aussprache; 

Befestigung der grammatikaUschen Kenntnisse ; Fertigkeit im mfind- 

24 • 



Digitized by Google 



372 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



lichen und schrifllichen Gebrauche, besonders far den Dienst; mili- 
tarische Tenninologie. 

Franzbsische Sprache. Lehr- and Lernbehelfe: Die der O.-R.; 
Beauvais, literature militaire; Bryant, lectures militaires; Lust- 
spiele; Plotz, Chrestomathie. — Lehrziel: Vervollkommnung der Aus- 
sprache; grammatikalische Kenntnisse; Fertigkeit im ttbersetzen aus 
dem Franzosischen und in dasselbe; tfbung im Sprechen und im 
franzosischen Aufsatze; Aneignung eines militarischen und technischen 
Wortvorrates; einige Kenntnis der Litteratur, besonders der mili- 
tarischen, wozu in jedem Halbjahre 2 bis 3 Unterrichtsstunden ver- 
wandt werden konnen. Die Unterrichtssprache ist die franzosische. 

Geographic (physikalische Geographie und Grundziige der Mili- 
targeographie). Lernbehelfe: Sonklar, Leitfaden der physikalischen 
Geographie. — Lehrbehelfe: Hann, Hochstetter und Pokorny, Erd- 
kunde; Leipoldt, physische Erdkunde nach Peschel; Frhr. v. Gem- 
mingen-Massenbach, Deutschland und seine Nachbarstaaten ; Wand-, 
Gerippe-, geoplastische Karten. — Lehrziel: tJbersichtliche Kenntnis 
der physikalischen Beschaffenheit des Erdkorpers; eingehende Kenntnis 
von Mitteleuropa, besonders Osterreich-TJngarns, vom militarischen 
Standpunkte. Es soil die Grundlage far ein Studium der speziellen 
Militargeographie gelegt werden; vorher ist stets auf Einpragung 
eines Gesamtbildes der physischen, topograph! schen und Kultur-Ver- 
haltnisse der Lander, ihrer geographischen und historischen Stellung 
hinzuwirken ; tTberladung des Gedachtnisses mit Namen, Formen und 
Zahlen ist strong zu vermeiden. 

Allgemeine Kriegsgeschichte. Lehr- und Lernbehelfe: Auto- 
graphierte Vortrage des Lehrers ; v. Berneck , Geschichte der 
Kriegskunst. — Lehrziel: Gedrangte Wiederholung der allgemeinen 
Geschichte bei eingehenderer Entwickelung des Kriegswesens, dann 
der wichtigsten Kriegsereignisse der verschiedenen Epochen, beson- 
ders der neueren und neuesten Zeit, namentlich Osterreich-Ungarns. 
Der Unterricht soli fiir das Studium der speziellen Kriegsgeschichte 
vorbereiten. Reflektierende oder kritische Darstellungen sind zu ver- 
meiden, dagegen sind die Gelegenheiten zurBefestigung der patriotischen 
und militarischen Gesinnung zu benutzen. Eine kurze Darstellung 
der politischen Zustande und Ereignisse bildet den Rahmen; die 
Schilderung des Kriegswesens bereitet fur das Verstandnis der Kriegs- 
ereignisse vor, letztere bilden den Hauptstoff der Vortrage. Der 
Verlauf der Kriege wird in grossen Zugen geschildert; die wichtigen 
Momente derselben, insbesondere die Waffenthaten des k. k. Heeres, 
werden etwas eingehender beleuchtet. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



373 



Physik und Technologic Lernbehelfe: Die Lehrbiicher der 
O.-B.; autographierte Vortrage des Lehrers. Zur Lektiire das „Buch 
der Erfindungen und Gewerbe". — Lehrbehelfe : Kosak, mechanische 
Technologie; Hess, die Naturwissenschaften ini Dienste des Krieges. 
— Lehrziel: Befestigung und Erweiterung des Lehrstoffes der Real- 
schule, mit hervorragender Berucksichtigung der Mechanik; tTberblick 
uber die allgemeine und die Militar-Technik. 

Hifhere Mathematik. Lernbehelfe: Die der O.-R.; Liibsen, 
algebraische Analysis, analytische Geometrie und Infinitesimalrech- 
nung. — Lehrbehelfe: Herr, hohere Mathematik; Burg, hohere 
Mathematik. — Lehrziel: Kraftigung des Vorstellungs- und Schluss- 
vermogens uberhaupt; tTbersicht uber Zweek und Methoden der 
hoheren Analysis; Einpragung der Elemente jener Rechnungs- 
formen, von welchen die angewandten mathematischen Disziplinen 
vorwiegend Gebrauch machen. Alles unter Beschrankung auf das 
wirklich Notige und Anwendung derjenigen Art der Entwickelung 
oder Bewei8fuhrung, welehe am einfachsten und schnellsten zum 
Ziele fQhrt. Der Vortrag begreift in I algebraische Analysis, die 
Grundzuge der Differentialrechnung, die analytische Geometrie der 
Ebene und des Raumes; in U die Anwendung der Differential- und 
die Grundzuge der Integralrechnung. 

Praktische Geometrie, Lehr- und Lernbehelfe: Hartner, niedere 
Geodasie; Schell, Tachymetrie. — Lehrziel: Befahigung zu selb- 
standiger Ausfuhrung yon Yermessungsarbeiten aus der niederen 
Geodasie. Daher insbesondere : Einrichtung, Rektifikation und Hand- 
habung der in der Feld- und Hohenmesskunst gebrauchlichen Instru- 
mente, namentlich der militarisch wichtigen; wissenschaftliche und 
praktische Ausbildung in den Messmethoden. 

Darstellende Geometrie. Lernbehelfe: Choura, darstellende 
Geometrie; Schmidt, theoretisch- praktische Axonometrie. — Lehr- 
behelfe: Meyer, axonometrische Projektionsmethode; Schreiber, Linien- 
Perspektive. — Lehrziel: Ausbildung des Vorstellungsvermogens; 
Prqjektionslehre; Fertigkeit einfache, wirklich oder nur in der Idee 
Torhandene Gegenstande nach zweckmassigen Methoden darzustellen. 
Hauptgegenstande des Vortrages sind: orthogonale Projektionsmethode; 
orthogonale und schiefe Parallel-Perspektive (Axonometrie), Zentral- 
Perspektive. 

Privates und Vffentliches Recht; Militar-Strafgesetze. Lern- 
behelfe : Hfibner und Leutner , privates und offentliches Recht 
der osterreichisch - ungarischen Monarchie; Hubner, Strafgesetze. 



Digitized by Google 



374 Ge*chichte des Militar-Erziehunga- und -Bilduugswesens etc. 



— Lehrziel : Erlangung richtiger Anschauungen iiber das Wesen des 
Recites und Staates; Verstandnis der wichtigsten Rechtsverhaltnisse; 
fibersichtliehe Kenntnis der Militar-Strafgesetze und des ehrengerichtr 
lichen Verfahrens. 

Heeresorganisation. Lehr- und Lerabehelf: Seeling und Rieth, 
Heeresorganisation. — Lehrziel: Allgemeine Kenntnis der Wehr- 
verfassung der Monarchie und des Organismus der bewaffneten Macht 
im Frieden und im Kriege; eingehendere der Organisation einer 
Truppendivision im Felde. 

MilitiXr - Administration. Lernbehelf : Rieth , Militar - Ad- 
ministration. — Lehrbehelfe: Kohlhepp, Militardministration einer 
TJnterabteilung; Militargesetze und Normalien-Sammlung ; Admini- 
strationsvorschriften fur das Pferdewesen. — Lehrziel: Kenntnis 
der Grundsatze des Dienstbetriebes; flbersichtliche Kenntnis der 
Administrationsvor8chriften fur eine Unterabteilung, Transportruhrung, 
Dienstreisen etc.; Grundsatze der Administration, der Bauobjekte; 
Vorschriften iiber Pferdewesen (Kavallerieabteilung). — Detailkenntnis 
darf nicht gefordert werden. Es ist vielmehr Verstandnis der Agenden 
der Militaradministration anzustreben. Daneben wird meist ein Verweis 
auf die Instruktionen genflgen, deren genauere Kenntnis der Dienst- 
praxis uberlassen bleibt. Der Unterricht ist nach Moglichkeit mit 
Ubungen im Militar-Geschaftsstil zu verbinden. 

Waffenlehre. Lernbehelf: Lankmayr, Watfenlehre. — Lehrbe- 
helf: Maresch, Waffenlehre. — Lehrziel: Allgemeine Kenntnis 8 e im 
Waffenwesen, genaue von Einrichtung, Gebrauch und Wirkungsfahig- 
keit der osterreichischen Waffen und der Bewaffhung des Heeres; 
allgemeine Kenntnis des osterreichischen Feld- und Gebirgs-, flber- 
sichtliche des Fe8tungs-Artilleriematerials, sowie der Bewafihung der 
bedeutendsten europaischen Heere. 

Pionierdienst. Lernbehelf: Pukl, Pionierdienst. — Lehrbehelfe: 
Technischer Unterricht fur die k. k. Pioniertruppe und sonstige 
Instruktionen. — Lehrziel: Kenntnis der den Pionierabteilungen der 
Infanterie, Jager und Kavallerie, sowie diesen selbst obliegenden 
Arbeiten auf Marschen und im Lager. Allgemeine Kenntnis von 
StrasBen-, Eisenbahn- und Briickenbau, soweit sie bei der Terrain- 
rekognoszierung, sowie fur die Zerstdrung und Instandsetzung mit 
den einfachsten Mitt el n notig ist; flbersichtliche Kenntnis des k. k. 
Kriegsbrflckenmaterials und der wichtigsten Baueinrichtungen von 
Unterkunftsraumen mit besonderer Rflcksicht auf Bequartierung. 

Befestigung und Festungskrieg. Lehr- und Lernbehelfe: 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



375 



v. Brunner, Leitfaden fiir Feldbefestigung, bestandige Befestigung, 
Festungskrieg. — Lehrziel: Allgemeine Kenntnise in formeller und 
angewandter Befestigungskunst; Kenntnis der Konstruktionsdetails 
der gebrauchlichsten Typen der Feldbefestigung; richtige Anschau- 
uDgen fiber Wert und Widerstandsfahigkeit der Befestigungsanlagen; 
Kenntnis des Vorganges bei Angriff nnd Verteidigung von Feld- 
befestigungen; allgemeine Kenntnisse vom Festungskriege. — Die 
Feldbefestigung wird in II, die bestandige in III vorgetragen. 

Exerzier-Reglement. For die Infanterie-Abteilung ist Lehr- 
ziel die grfindliche Kenntnis des Reglements bis einschl. Bataillon. 
Der Unterricht begreift in I : Ausbildung des einzelnen Soldaten und 
des Soldaten im Gliede, Ausbildung und Fuhrung des Zuges und 
der Kompagnie, gymnastische tTbungen; in II: Vorgang bei der 
Rekrutenausbildung, Stellung und Exerzieren der Chargen, Ver- 
wendung eines Bataillons; III: praktische Ausbildung zu Chargen 
und Instruktoren. — Fur die Kavallerie-Abteilung ist Lehrziel 
die grfindliche Kenntnis des Reglements bis einschl. der Eskadron, 
ubersichtliche der Vorschriften fur ein Regiment. Der Unterricht 
begreift in II: Exerzierreglement , I. Teil, dann II. Teil, 1. 
Hauptstfick (Aufstellung und Bewegung einer Eskadron); in III: 
II. Teil, 2. Hauptstfick (die namlichen Vorschriften fur ein Regi- 
ment). 

Taktik. Lernbehelfe: Waldstatten, Taktik; Exerzierreglements ; 
Dienstreglement, 2. Teil. — Lehrbehelfe: Thyr, Taktik; Seubert, 
Taktik der Gegenwart in Beispielen; Hotze, theoretisch-taktische 
Sommer- und Winterarbeiten der Truppenoffiziere ; Direktiven ffir den 
Unterricht der Taktik in Kavallerie-Brigade-Offizierssohulen. — Lehr- 
ziel: Genaue Kenntnis und grfindliches Verstandnis der allgemeinen 
taktisch-reglementaren Vorschriften, soweit sie den Wirkungskreis der 
Fusstruppen- und Kavallerieoffiziere beruhren; Verstandnis der allge- 
meinen taktischen Begriffe und der Grundsatze fur Verwendung und 
Fuhrung der drei Hauptwaffen; Losung einfacher taktischer Aufgaben 
bis zur Verwendung kleinerer aus den drei Hauptwaffen gebildeter 
Korper nach dem Plane, nach der Karte und im Terrain. Die Zog- 
linge sollen lernen im Wirkungskreise des Subalternomziers die 
taktischen Vorschriften richtig anzuwenden, dem Verlaufe taktischer 
Vorgange mit Verstandnis zu folgen und die Fahigkeit erwerben sich 
in diesem Wissen und Konnen weiter auszubilden. I: Allgemeine 
Begriflfe vom Kriege; Charakteristik der verschiedenen Waffengattungen ; 
Elementartaktik der Infanterie, Kavallerie, Artillerie und aus der 



Digitized by Google 



376 



Geschichte des Militar- Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



an ge wand ten Taktik: Marsche, Lager, Kantonierungen , sowie im 
Aiischlusse Dien8treglement , 2. Teil, 17. und 18. Abschnitt; in m 
a us der ange wand ten Taktik: Sicherungs- and Naohrichtendienst; 
Befehlsgebung ; Nachrichtenwesen; Gefechtslehre (kriegsgeschichtliche 
Beispiele), sowie im Anschlusse Dienstreglement, 2. Teil, 19. bis 
21. Abschnitt; ferner Grundzuge fur Disponierung der Hilfs- und 
Verbandplatze und fur den Munitionsersatz ; Bedeutung und Benutzung 
der Eisenbahnen und Grandziige der Verpflegung im Kriege; da- 
neben Losung taktischer Aufgaben und einschlagige t bungen im 
Gelande. 

Dienstreglement, nach dessen Anleitung yorgetragen werden 
in 1: Pflichten und Verhalten des Soldaten, grundsatzliche Be- 
stimmungen, Verhalten des Untergebenen, Kasern- und Quartiervor- 
schriften, Dienstbetrieb im allgemeinen, Ebrenbezeugungen, person- 
liche Vorschriften ; in II: Verhalten des Vorgesetzten, besondere 
Dienste, Eommando und Dienst in Garnisonen, Aufrechterhaltung der 
offentlichen Ordnung, Wachverhaltungen, personliche Vorsohriften ; in 
IH: Disziplinar-Strarreeht, Wiederholung des gesamten Lehrstoffes. 

Gesundheitspflege und Sanitatsdienst. Lehr- und Lernbehelfe: 
Instruction fiber Gesundheitspflege; Leitfaden fur das k. k. Sani- 
tats- Hilfs -Personal. Ferner Lehrbehelfe: Roth und Lex, Militar- 
ily giene; Kirchner, desgl.; Urban, Anthropologie; Alter, militararzt- 
licher Ratgeber. — Lehrziel: Kenntnis der Grundsatze der Gesund- 
heitspflege mit besonderer Eucksicht auf das militarische Leben, der 
Regeln fur die erste Hilfe, des Notwendigsten fiber den Sanitatsdienst 
im Felde. 

Pferdewesen. Lehr- und Lernbehelfe: Pillwax, Hufbeschlag- 
lehre; Mfiller, Anatomie und Exterieur; Vorschriften fiber Pferde- 
wesen des k. k. Heeres. — Lehrziel: Aneignung der fur den Kavallerie- 
Truppenoffizier (bezw. den berittenen fiberhaupt) notwendigsten Kennt- 
nisse; Vertrautheit mit den wichtdgsten Vorschriften fiber Pferdewesen. 
Der Vortrag fur die Kavallerieabteilung ist ausfuhrlioher, der fur die 
Infanterieabteilung minder eingehend; jene wird im Sommer fiber 
Zahnlehre, Beurteilung des Pferdes im allgemeinen, Aufnahme des 
Katiouale und Hufbeschlag unterrichtet. 

Terrainlehre und Terraindarstellung. Lehr- und Lernbehelfe: 
v. Keitzner , Terrainlehre ; ders. , Terraindarstellung ; Situations- 
zeichenschlussel, gr aphis che Vorlagen und Mode lie, herausgegeben 
yom militar-geographischen Institute. — Lehrbehelfe: Muszinski und 
Pfichoda, Terrainlehre; Hoffmeister, militarische Bedeutung des 



Digitized by Google 



Ssterreich-Ungarn. 



377 



Terrains. — Lehrziel: Kenntnis der Benennung und der Charakteristik 
der Terrainteile und Terraingegenstande ; Verstandnis der Methoden 
der Darstellung der Erdoberflache in Planen und Karten, insbe- 
sondere der Bodenplastik ; Mappieren, Krokieren; Fertigkeit in Dar- 
stellung des Terrains fur militarische Zwecke nach der vorgeschriebenen 
and sonstigen Methoden; Modellieren. — Der TJnterricht begreift in I: 
Terrainlehre ; Theorie der Terraindarstellung; Plan- und Kartenlesen ; 
Zeichnen. In II: Chorographie ; Mappierung; Zeichnen. In III: 
Kartographie; Zeichnen; Anfertigung einer statistisch-topographischen 
und taktischen Beschreibung; Krokieren. 

Freihandzeichnen. Lehr- und Lernbehelfe: Machold, Samm- 
lung von Modellen und Vorlegeblattern ; Auswahl von Modellen aus 
den Sammlungen der Akademie der bildenden Kunste und des oster- 
reichischen Museums; Machold, Tafeln und Modelle zur Pferde- 
Anatomie. — Lehrziel: Erweiterung des Verstandnisses und der Auf- 
fassung von Fonnen der organischen Natur, sowie von solchen der 
Ornamentik und der Landschaft; erhohte Fertigkeit in der Darstellung. 
Bei der tTbungsmappierung wird Anleitung zum Entwurfe landschaft- 
licher Kroquis nach der Natur gegeben. Zeitweise finden Vortrage 
uber Kunstgeschichte statt. 

[B.] Militarische Geschicklichkeiten und tTbungen. 

Im Exerzieren und fur den Truppendienst wird Verwend- 
barkeit in der Stellung des Offiziers innerhalb der durch die Be- 
stimmungen uber den theoretischen TJnterricht gekennzeichneten 
Grenzen erstrebt. 

Fur das Tumen ist Lehrziel die moglichste Vervollkommnung 
der in der O.-B. erworbenen Geschicklichkeit und Brauchbarkeit als 
Anweiser. Es werden auch Feuerwehrubungen vorgenommen. Zum 
Zwecke derselben ist eine mehrstockige Hausfront errichtet worden. 

Durch den Fechtunterricht soli der Gebrauch des Sabels 
und des Bajonettgewehrs als Stosswaflfe, schulgerechte, gewandte 
Fiihrung von Rapier und Sabel gelehrt werden. In I wird im 
Rapier-, in II im Sabel-, in III im Sabel- und Bajonettfechten unter- 
wiesen. 

Beim Reiten ist Lehrziel fur die Kavallerieabteilung in II 
und III: Erlangung angemessener Geschicklichkeit im Reiten und 
im Gebrauche der Waffen zu Pferde; Kenntnis der Vorschriften fur 
die Ausbildung zu Pferde; die Infanterieabteilung soli in III ange- 
messen im Reiten ausgebildet werden. 



Digitized by Google 



378 



Geschichte dea Militar •Erziehungs- und -Biklungswesens etc. 



Im Schwimmen wird die erworbene Fertigkeit moglichst ge- 
fordert. 

[CJ Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 

Vortrage fiber gesellschaftlichen Verkehr finden mit Riicksicht 
auf Alter und Entwickelung der Zoglinge und ihre kunftige Stellung 
als Offiziere wie in der Realschule statt. Wie dort werden Gesang 
und Musik getrieben. Auch wird das Wissenswerteste aus der 
Musikgeschichte vorgetragen. 

Im Tanzen wird in I im Winter in den all gome in ublichen 
und den gebrauchlichen Nationaltanzen unterrichtet, fur II und III 
finden gelegentliche ttbungen statt. 

tlbersicht der Gegenstande und der Wochenstunden im 

theoretischen Kurse. 



U n terrichtegegenstand 



Infanterie- J Kavallerie- 
Abteilung 



n 



in 



i-iii 



ii 



iu 



A. Theo- 
retische 
und 
graphische * 
Unterrichts- 
gegenstande 



B. Militari- 
sche Ge- 
Rchicklich- 
keiten und 
Ubungen 



Militar-Geschaftsstil 

Ungarisch oder Bohmisch . . . 

Franzosiach 

Geographie 

Kriegsgeschichte 

Physik und Technologie .... 

Hohere Mathematik 

Praktische Geometrie 

Daretellende Geometrie .... 
Privat- und offentliches Recht etc. 

Heereaorganisation 

Militaradnnnistration 

Waffenlehre 

Pionierdienat 

Befeatigung, Festungskrieg . . . 

Exerzier-Beglement 

Taktik 

Dienst-Reglement 

Gesundheitapfiege etc 

Pferdewesen 

Terrainlehre etc 

Freihandzeichnen 

Gruppe A 
Hxerzieren und Truppendienst 

Turnen 

Fechten 

Reiten (60 Pferde) 

Schwimmen 

Gruppe B 



3 



2 

»* 
5 



u 



? 4 

8 
1 



4' 

7 5 

5 

4 

4 

7 

3 

3 

2 

2 

2 

4 

3 

? 

8 
3 



2 

2 
5 



24 
1 

8 

1 



4 
4 



2 
3 
4 
5 
4 
4 
3 



2 
2 
2 
2 

? 

8 
2 



III in den letzten 2 Mo- 
naten statt Dienstreglement 



1 

3 



3 

JtfL 

29 ^9427^ 
5 
1 
1 



1 

1? 



1 



1 

9 
3 
86 
15 
3 
4 
4 



3 



3 



2 
6 
14 



29*29i 59 

1 

1 

44 



i 



2 
1 
2 
12 
mal 



Im Sommer (2 bis 
wochentlich) 
7 26 7| 94 17 



y Googl 



Osterreich-Ungarn. 



379 



Infanterie- Kavallerie- 



UnterrlchtBgegen stand 


Abteilung 


I ii 


mji-iii 


ii in 


n-m 


C. Beaondere 1 
Kenntnisse 1 
u. Geachick- \ 
lichkeiten j 


Vortrage flber Verkehr .... 

Tanzen (nur im Winter) .... 

Gruppe C 
Wochentliche CJnterrichtastunden 


Jede 2 
1 1 1 
Wahr 

1 ! 1 

37 |38 


. Woche 
1113 
end der 
atund 
1 3 
40 115 


eine Stunde 
1 1 1 1 1 2 
Erholunjrs- 
en g 

11112 
38 40 | 78 



tTbungen und Vortrage im praktischen Kurse. 

Kleinere Unterweiaungen, Vorfibungen und Scheibenachieaaen begin nen 
wahrend des theoretischen Unterrichtea im Sommer. Vortrage and Beachafti- 
gungen, fur welche bestimmte Tage nicht festgesetzt sind, werden an solchen 
vorgenommen , welche durch vorgeachriebene Ubungen nicht vollatandig auage- 
fullt aind; es durfen aber nicht mehr als 7 bis 8 BeachaftigungSBtunden auf den 
Tag fallen. Sonn- und Feiertage aind nicht ala Ubungstage zu verwenden, 
konnen jedoch zu Reisen, zu Auaarbeitungen etc. benutzt werden. 

Sprachen, Militiir-Gesch&ftsstil: Schriftliche trbungen bei an- 
dauernd ungunstigem Wetter. 

Physik und Technologie : Besuch der meteorologischen Zentral- 
Anstalt, von Eisenwerken, Mascbinen-, Metallwaarenfabriken etc. (vgl. 
Exkursion). 

Praktische Geometric- Vorubungen; Losung, von Elementarauf- 
gaben mit der Messkette; Rektifikation and Gebrauch von Winkel- 
trommel, Winkelrohr und Prismenkreuz ; mittelbares Messen von Ent- 
fernungen; Gebrauch des Messtisches; einfachste Losongen des Pothe- 
notschen Problems; Gebrauch des Theodolithen ; Winkelmessen nach 
der Serien- und Repetitionsmethode ; eventuelle Messung und Ermitte- 
lung von Zenithdistanzen (Astrolabium , Feldmessbussole); Gebrauch 
der Nivellierinstrumente; Ausfuhrung eines Nivellements; Hohen- und 
Distanzmessen mit dem Stampferschen Nivellierinstrumente. — Auf- 
nahme: Graphische Triangulierung und okonomische Aumahme in 
1 : 2500 oder 1 : 1440 (jede Partie c. 50 ha). Schichtenaufnahme 
nach den ublichen drei Methoden (Massstab je nach dem Gelande). 
Nach Umstanden trigonometrische Triangulierung in 1 : 12500, ca. 
25 qkm. — Militar-Mappierung (nebst Vorubung) nach ubertragenen 
Punkten in 1 : 12500, Sektionsgrosse 4 qkm. — Landschaftszeichnen 
nach der Natal. — Fur III Krokieren. 

Heeresorganisation: Besuch des Train -Zeug- Depots; Pionier- 
iibung zu Klosterneuburg (S. 380). 



Digitized by Google 



380 Geschichte dee Militar-Eraiehungs- und -Bildungswesena etc. 



Milit&r administration: SchrifUiche ttbungen bei andauemd un- 
gunstigem Wetter; Besuch eines Augmentations -Vorrats-Magazins, 
gelegentlich der Exkursion. 

Waffenlehre: Distanzbeurteilen ; Beiwohnen von Artillerie-Sehiess- 
iibungen; Besuch der k. k. Artillerie-Arsenals. 

Pionierdienst: Vorubungen: Ausstecken, Profilieren; Seilver- 
bindungen; Erd-, Zimmermanns-, Bekleidungsarbeiten; Herstellen 
einfacher tTbergange; Lagerarbeiten ; Gebrauch des Kriegsbrucken- 
Materials; Wasserfahren mit Waidzillen und Pontons; Herstellen und 
Zerstoren von Eisenbahn-Oberbau ; Besichtigung des Bahnhofes. — 
In Klosterneuburg: Successives und gliederweises Schlagen einer 
leichten Kriegsbriicke ; Offnen und Schliessen des Durchlasses; Ab- 
brechen; Bruckenteile mit mehrfacher und verschmalerter Bahn; 
tTberschiffinittel, tTberschiffen. Besuch der von den Pionieren 
erbauten Objekte, ihrer Sammlungen und Vorrate. 

Befestigung: Ausfuhrung fluchtiger Befestigungen mit dem 
Infanterie-Spaten und gewohnlichen Werkzeugen; Herstellen einer 
feldmassigen Befestigung; Anwendung der Hindernisse und der be- 
sonderen Kampfmittel; Sprengungen; taktisch-technische tTbungen; 
Besuch einer Festung und eines Genie-TTbungsplatzes. 

Exerzieren: Infanterie im Bataillon, Kavallerie im Zuge zu 
Pferde und im Skelett der Eskadron; beide mit der bespannten 
Batterie (HI). Daneben andere kleinere TTbungen. — Scheiben- 
schiessen: Infanterie mit Gewehr, Kavallerie mit Karabiner; beide 
mit Revolver. 

Ausbildung im Truppendienste ; Taktik. 

Garnison- und Lager-Wachdienst ; Vorposten und Patrouillen; 

Infanterie-Gefecht8ubungen; Felddienstubungen im Bataillon mit der 

als Zug formierten Kavallerieabteilung. 

SchrifUiche und mttndliche Losung taktiacher Aufgaben, nach dem Plane, 
der Karte und im Gelande (event. KriegSBpiel). Mehrtfigige Ubungsreise. Be- 
teihgung an den Truppenfibungen mit gemiechten Waffen im Lager bei Bruck 
a. d. Lei t ha. Aufgaben, anfangs aus dem Wirkungskreise des Subalternoffiziere ; 
dann Fiihrung und Verwendung kleinerer Abteilungen aus alien drei Waffen 
(Sicherungsdienst und Gefecht einfacher taktischer Unterabteilungen), dann die 
Verwendung von Korpern aus gemischten Waffen (bis zu 3—4 Bataillonen, 
1 Eskadron, 1 Batterie). Einzelne Aufgaben umfassen auch die Befestigung 
eines Gefechtsfeldes. Fur die Aufgaben gilt die Instruktion fur die Truppen- 
schulen. — Fftr die Kavallerie Ubungen im Aufklarungsdienste. 

Exkursion von IH, gegen Ende des praktischen Kurses, mehr- 

tagig: Zum Besuche einer Festung, von Heeresanstalten , Militar- 

gebauden etc., daneben wird. die Gelegenheit zum Bekanntmachen 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



381 



mit geschichtlich oder sonst interessanten Punkten, Kunstdenkmalern, 
industriellen Anstalten etc. benutzt Die Exkursion soli den Zog- 
lingen zu einem angenehmen Abschlusse ihrer akademischen Aus- 
bildung werden. Der Kommandant setzt den Plan fest und teilt 
einzelnen Offizieren besondere Aufgaben zu. Wenn es die Zeit ge- 
stattet, verfassen die Zdglinge gemeinsam einen Reisebericht, welcher 
vervielfaltigt und ihnen mitgegeben wird. 

Zeitverwendung im praktischen Kursus, 1. Juli bis 17. August: 



I II III 
Tage 

Inspizierung 3 3 3 

Praktische Geometrie 17 20 4 

Artillerie-Schiessubungen und -Arsenal .... — 2 — 

Pionierdienst 10 5 — 

Gefechtsfibungen und Felddienst 7 7 7 

Taktische tJbungen — — 16 

Lager zu Bruck 4 4 4 

Exkursion — — 6 

Zur Verfugung des Kommandanten — — 1 



Als Kommandanten folgten dem GM. von Frdhlich 1876 GM. 
Franz Stransky Edler von Dresdenburg, 1878 GM. Laurenz Hitter 
von Zaremba, 1880 GM. Othmar Crusiz, 1887 Ob. Franz Hart- 
mann, 1889 GM. Eduard Succovaty, 1890 GM. Ludwig Bitter 
v. Kosak. 

Einzelbestimmungen fur die Technische Militar- 

Akademie. 

[A.] Theoretische und praktische Unterrichtsgegenstande. 

Militar-Gesehaftsstil, ungarische oder bohmische 
Sprache, franzosische Sprache, Geographie, allgemeine 
Kriegsgeschichte, praktische Geometrie, privates und 
offentliches Recht, Militar-Strafgesetze, Heeresorgani- 
sation, Taktik, Dienstreglement, Gesundheitspflege und 
Sanitatsdienst,Terrainlehre und Terraindarstellung werden 
im allgemeinen vorgetragen wie zu Wiener-Neustadt. 

Die Zeitverteilung zeigt einige Verschiedenheiten. Die haupt- 
sachlichsten Abweichungen des Lehrplanes sind nachstehend ange- 
geben: 



Digitized by Google 



382 Geschichte dea Militar-Erziehunga- und -Bildungawesens etc. 



Physik. Lernbehelfe: Autographierte Vortrage des Lehrers. — 
Lehrbehelfe: Krebs, Delaunays analytische Mechanik ; Bitter , ana- 
lytische Mechanik; ders., techniscbe Mechanik; Wernicke, Mechanik; 
Bauschinger, graphische Statik; Clausius, mechanische Warmetheorie; 
Mousson, Physik. — Lehrziel: Verstandnis der wichtigsten Lehren 
und der Methoden physikalischer Forschung, nnter besonderer Beruck- 
sichtigung der Mechanik; Anwendung der hoheren Mathematik; 
Erlauterung durch Experimente und Beispiele aus der technischen 
und militarischen Anwendung. Vorgetragen werden analytische 
Mechanik, elektrodynamische Massbestimmungen , Erdmagnetismus, 
Optik. Al8 Beispiele dienen einfache Maschinen; Beugungsmecha- 
nismen; Festigkeit der Materialien; hydraulische Kraft- und Dampf- 
maschinen; Telegraphen- und Induktionsapparate. Bei der Artillerie 
sind nach Moglichkeit die Dynamik fester Korper, die Mechanik der 
Gase und die mechanische Warmetheorie, beim Genie die Statik 
uberhaupt, bei beiden die Festigkeitslehre zu behandeln. 

Chemie und Technologie. Lehr- und Lernbehelfe: Beckerhinn, 
theoretische Chemie; ders., mechanische Technologie. — Lehr- 
behelfe: Roscoe, Chemie, deutsch von Schorlemmer; Zwick, chemische 
Technologie; Bolley, chemische Technologie; Gottgetreu, physikalische 
und chemikalische Beschaffenheit der Baumaterialien; Kronauer, Atlas 
zur mechanischen Technologie. 

Fur die Artillerie -Abteilung ist Lehrziel Erlangung allge- 
meiner Kenntnis der chemischen und mechanischen Technologie ein- 
schliesslich der Waffenerzeugung. Es werden vorgetragen in I die 
Entwickelung und die Grundlehren der theoretischen Chemie und der 
Metallurgie; Gewinn und Verwertung von Eochsalz und Salpeter; 
explosive Fraparate; die mechanische Bearbeitung der Metalle und 
des Holzes; Grundzuge der Erzeugung der Kriegswaflfen. 

Fur die Genie -Abteilung treten an Stelle der Waffenerzeugung 
die Grundzuge der Bau-Technologie (Bau- und Verbindungsmaterialien; 
Glas- und Thonwaarenfabrikation; Konservierung von Baustoffen ; 
Desinfektion). 

Hdhere Mathematik. Lernbehelfe: Autographierte Vortrage des 
Lehrers.— Lehrbehelfe: Salmon, analytische Geometrie derKegelschnitte 
und des Raumes; Bertrand, traite* des calculs differential et integral; 
Schlomilch, Differential- und Integralrechnung, I. Teil; Herr, hohere 
Mathematik; Schmitt, Prinzipien der neueren ebenen Geometrie. — 
Lehrziel: Kraftigung des Vorstellungs- und Schlussvermogens; grund- 
liche Kenntnis jener Gebiete, welche den angewandten mathematischen 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



383 



Fachwissenschaften vorwiegend zur Grundlage dieneu. Es werden 
vorgetragen in I: Algebraische Analysis und analytische Geometrie 
der Ebene und des Raumes; in II: Differential- und Integral- 
rechnung. 

In darstellende Geometrie ist das Lehrziel: Moglichst voil- 
kommene Ausbildung des Anschauungs- und Vorstellungsvermogens; 
Kenntnis der Projektionsmethoden bis zur Befahigung jedes wirkliche 
oder gedachte technische Objekt nach der zweckmassigsten Methode 
darzustellen und sich aus den Darstellungen Form, gegenseitige 
Lage und Beziehung der Bestandteile zu versinnlichen. Zum Vor- 
trage gelangen: Orthogonale und schiefe Parallel-Perspektive ; Dar- 
stellung des Punktes, der geraden und k rummer. Linien, der ebenen 
und krummen Ebenen und der Korper; bei letzteren: Konstruktion 
ihrer Scbnitte, Selbst- und Schlagsobatten. Vorgang bei Darstellung 
grosserer techniscber Objekte. Zentral-Perspektive : Distanz-, Flucht- 
und Teilungspunkte; perspektivische Massstabe; freie Perspektive; 
Punkt, Gerade und Ebene in gegenseitiger Beziehung; Darstellung 
von Raumgrossen in gerader und schrager Ansicht; Schraffen-Kon- 
struktion. Kotierte Projektionen. — Fur das Genie flberdies: Stein- 
8chnitt. 

Baukunst (Genie-Abteilung). Lehr- und Lernbehelfe (bis zum 
Erscheinen eines dem Lehrplane entsprechenden) : Weiss vonSchleussen- 
burg t Baukunst; Riedel und Schmidt, Vorlageblatter; Gugitz, Wiener 
Baukon8truktionen. — Lehrbehelfe: Schaffer, Hochbauwesen ; Wan- 
derley, Bau-Konstruktionslehre ; Riihl, provisorische Spitalsanlagen; 
Gruber, Beispiele fur Anlage von Kasernen und Spitalern; die amt- 
lichen Direktiven, Instruktionen und Anleitungen. — Lehrziel: 
Kenntnis der hauptsachlichen Baukonstruktionen , besonders der fur 
den Genietruppen-Offizier wichtigen; einige Fertigkeit im Entwurfe 
provisorischer Gebaude etc. zu militarischen Zwecken. 

Die MilMr-Adminhtration wird wie in Wiener-Neustadt ge- 
lehrt. Ausserdem in der Artillerie-Abteilung: Verwaltung und 
Verrechnung des Artilleriematerials , technisch-administrativer Dienst 
beim Artillerie-Zeugswesen , Vorschriften fiber Pferdewesen; in der 
Genie-Abteilung: Verwaltung und Verrechnung der Feldausrustung 
fur die Genietruppe. 

Der Artillerie - Unterricht der Artillerie-Abteilung bezweckt: 
Grfindliche Kenntnis im ganzen Umfange und Befabigung zur 
Unterweisung der Mannschaft; Fertigkeit in den Verrichtungen 
der Feld-, Gebirgs- und Festungs-Artillerie. Es wird erteilt in I 



Digitized by Google 



384 Geachichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



und II: Unterricht fur Feld- und 7 cm -Gebirgsbatterien und fur 
Festungskompagnien ausschl. Marsch- und Feldverhaltungen , welche 
bei der Taktik vorgetragen worden; ferner in I: Allgemeines fiber 
Batteriebau; in II: Beschreibung der osterreichischen Mitrailleurs 
und der gezogenen Marine-Geschiitze , Gebrauch der Schiess- und 
Wurftafeln des Festungsartillerie-Materials ; Batteriebau bei Angriff 
und Verteidigang fester Platze ; Feldbatteriebau. — Allgemein : Hand- 
habung der Geschfitze (vorwiegend praktisch) und Zeichnen der 
Einzelheiten aus dem Batteriebau. 

Der Vortrag fiber Waffenlehre soil, unter Zugrundelegung der 
in Wiener-Neustadt gebrauchten Lehr- und Lernbehelfe und ffir die 
Artillerie der dienstlichen Vorschriften , fur die Artillerie -Abtei- 
lung allgemeine Kenntnisse in Waff en- und Artillerie wesen und in 
der Schiesstheorie und eine tTbersicht fiber die Bewaffhung in den 
bedeutendsten europaischen Staaten geben; fur die Genieabteilung ist 
der Vortrag wie in Wiener-Neustadt. 

Der technische Unterricht der Genie -Abteilung macht mit den- 
jenigen Abschnitten des „Technischen Unterrichts ffir die k. k. 
Genietruppe" bekannt, welche nicht zum Vortrage der praktischen 
Geometrie, Baukunst, Befestigung und des Festungskrieges gehoren; 
ferner mit den technischen Verrichtungen der Genietruppe, beson- 
ders mit den Spreng- und Zfindmitteln, mit dem k. k. Kriegs- 
bruckenmaterial und der Feldausrfistung der Genietruppe, sowie mit 
der Instruktion fiber permanente Demolitionsminen in Brficken und 
Viadukten. 

Im Pionierdienste wird die Artillerie -Abteilung wie in Wiener- 
Neustadt unterrichtet , jedoch mit Ausschluss der im Batteriebau 
erorterten Abschnitte und unter Beschrankung des ffir sie nur mittel- 
bar wichtigen Lehrstoffes. 

Fur Befestigung und Festungskrieg sind in der Artillerie- 
Abteilung Lehr- und Lernbehelfe: Wagner, Fortifikation samt 
fortifikatorischem Atlas; Mollik, Angriff und Verteidigung fester 
Platze; Sammlung von Konstruktionsdetails der Kriegsbaukunst. Das 
Lehrziel ist Erlangung derjenigen Kenntnisse in formeller und ange- 
wandter Befestigungskunst, deren der Artillerietruppen-Offizier bedarf, 
um bei Instandsetzung, Verteidigung und Angriff von Befestigungen 
die zweckentsprechenden artilleristischen Massnahmen trefifen zu 
konnen; Kenntnis der Grundsatze des Festungskrieges; tTbersioht 
der Artillerie-Belagerungs- und Festungsausrfistung. In II werden 
Feldbefestigung, bestandige und provisorische Befestigung wie zu 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



385 



Wiener-Neustadt vorgetragen; in III Grundziige der Artillerie-Be- 
lagerungs- und Festungsausrustung, des Festungskrieges und seiner 
Entwickelang mit besonderer Berucksichtignng der Artillerie. — Fur 
die Genie- Abteilung sind ferner Lehr- und Lernbehelfe: Wurmb, 
Kriegsbaukunst; ders., Beispiele aus der Kriegsbaukunst; Tunkler, 
das graphische Defilement; ders., Befestigungs-Manieren und-Systeme; 
Handbuch far k. k. Genie- und Pionieroffiziere ; Beilagen zu den 
Normen fur die Genieausrustung fester Platze. Das Lehrziel ist 
Kenntnis der Feld- und provisorischen Befestigung und des Kampfes 
um Feldschanzen; der bestandigen Befestigung und der wichtigsten 
Konstruktionen bei Ausscbluss bautechnischer Details; allgemeine 
Kenntnis des Festungskrieges; Befahigang zur Anordnang und Aus- 
fuhrung fluchtiger Befestigungen im Wirkungskreise des Kompagnie- 
Kommandanten; zum Entwurfe und Bau einzelner feldmassiger oder 
provisorischer Werke, sowie zum Dienste des Genietruppen-Offiziers 
im Festungskriege. 

Der XJnterricht fiber das Exerzier-Reglement bezweckt fur die 
Artillerie- Abteilung: Griindliche Kenntnis desselben bis einschliesslich 
der Vorsehriften fur Aufstellung einer Batterie, dann fur Ausbildung 
und Fuhrung einer Kompagnie; der Genie- Abteilung wird er wie zu 
Wiener-Neustadt, theoretiseh jedoch nur in II, erteilt. 

Im Pferdewesen wird die Artillerie wie zu Wiener-Neustadt 
die Kavallerie, das Genie wie dort die Infanterie unterrichtet, letztere 
nur im praktischen Kurse. 

Freihandzeichnen. In I der Artillerie -Abteilung: nach plasti- 
schen Modellen ornamentaler und figuraler Art, in den letzten 
4 Monaten der Pferdeanatomie; eventuell Landschaftszeichnen. — In 
I der Genie- Abteilung: Zeichnen des plastischen Elementes in den 
verschiedenen Darstellungsarten unter Berucksichtigung der Stil- 
gattungen. — In II beider Abteilungen wird bei der "ttbungs- 
mappierung Anleitung zum Entwurfe landscbaftlicher Skizzen nach 
der Natur gegeben. 

[B.] Militarische Geschicklichkeiten und tTbungen. 

Die Ausbildung im Exerzieren und Truppendienste erfolgt wie 
zu Wiener-Neustadt, fur die Artillerie mit Rucksicht auf den 
Sonderdienst, und erstreckt sich fur I— III auf Infanterie-Exerzieren 
(Ausbildung des Soldaten; Ausbildung und Fuhrung des Zuges und 
der Kompagnie; im praktischen Kurse tftmngen im Bataillon); Ge- 
wehr- und Schiesswesen mit dem Extrakorps-Gewehre (ausser III der 

Monument. G.rmama. PftedagOgloa XT. 25 



Digitized by Google 



386 



Geechichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Artillerie-Abteilung) ; praktische Unterweisung in der Adjustierungs- 
vorschrift, in Kasern- and Zimmerordnung; far I und II auf Schiessen 
mit dem Extrakorps-Gewehre ; fur II und III praktische Unterweisung 
im Garnison-, Lagerwach-, Vorposten- und Patrouillendienst; fur III 
auf Unterricht uber die Instruktion fur die Truppenschulen der be- 
treffenden Waffe, sowie auf Ausbildung zu Instruktoren. — Ferner fur 
die Artillerie auf Exerzieren beim bespannten und unbespannten 
Feld- (bis zur Batterie), beim 7 cm Hinterlad-Gebirgs- und den 
Festungsgeschutzen ; fur II und III auf den Gebrauch des Kavallerie- 
sabels; Exerzieren der Chargen und Oberoffiziere, Satteln, Zaumen, 
Anschirren, Packen, Pferdewartung; fur ITT auf den Gebrauch des 
Revolvers und Schiessen mit demselben. Fur das Genie auf Exer- 
zieren beim unbespannten Feld-, Gebirgs- und Festungsgeschutze und 
Schiessen mit dem Extrakorps-Gewehre. 

Turnen, Fechten, Schwimmen: wie zu Wiener-Neustadt 
Reiten: Artillerie wie die Kavallerie, Genie wie die Infanterie 
zu Wiener-Neustadt; erstere wird auch im Fahren unterrichtet. 

[C] Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 
Wie zu Wiener-Neustadt. 



tfbersicht der Gegenstande und Wochenstunden im theo 

retischen Kurse. 









Artillerie 




Genie 




Unterrichtsgegenstande 






































I 


n 


ni 


i-in 


I 


II 


ill 


i-in 


A. Theo- 
retische 
und gra- 

phiHche > 

Unter- 

richte- 

gegen- 

stande 


Militar-Geschaftsstil . . . 
Ungariscli oder Buhmisch . 

Kriegsgeechichte .... 

Cbemie und Technologie . 
Hohere Mathematik . . . 
Praktische Geometric . . 
Darstellende Geometrie 

Privates und offentliches 

Heeresorganisation . . . 
MJlitaradniinistration . . 
Artillerieunterricht . . . 

Technischer Unterricht . . 

Befeatigung, Festungskrieg 


1% 
1% 
27, 

3 

47, 

3 

5 

47, 


27, 
17, 

i 
47, 

17, 

)* 

1 

47, 


17, 
17, 

3 

77, 

2 
2 
4 

2 


4 

47, 
57, 
4 
3 

I' 1 ' 

9 
3 
5 

2 

17, 

2 

}127, 
1 

67, 


17, 
17, 
27, 

3 

f' 

57, 
4 


27, 
17, 
27, 
4 

47, 

17, 

57, 
6 


17, 
17, 

3 

77, 

6 
2 

17, 
4 


4 

47. 
77, 
4 

3 

7V, 
3 
9 
3 

67* 
6 

2 

IV, 
17, 

4 

57, 
10 



y Google 



6sterreich-Ungarn. 



387 



Unterrichtegegenstande 



A. Theo- 
retische 
und gra- 
phische J 
Unter- 
richts- 
ii- 



B. Milita- 
rische Ge- 
schicklich-^ 
keite» 
und 
Obungen 

C Beson- 
dere 
Kennt- 
nisae und' 
Geschick- 
lichkeiten 



Exerzierreglement . . . 

Taktik 

Dienstreglement . . . . 

Gesundheitspflege etc. . • 

Pferdewesen 

Terrainlehre etc 

Freihandzeichnen .... 

Gruppe A 
Exerzieren und Truppen- 

dienst 

Tumen 

Fechten 

Keiten (50 Pferde) . . . 

Scbwimmen 



Artillerie 



II 



II 



1 

a 
i 



ILL 



i-m 



9 
l 



l 
4 

§ 



Genie 



I II 



1 



III 



1 — 

2 4 
1 1 



I-III 



1 

6 
3 



8 
2 

31" 4 31 



Gruppe B 



Vortrage fiber Verkehr 
Gesaug und Musik . . . 
Tanzen (nur im Winter) 

Gruppe C 

WSchentliche Unterrichta- 
stunden 



in den letzten zwei Monaten 
anstatt Dienstreglement 



a 



9 
1 

IV. 



32V. 93 31V.34 34 



9 
1 
1 

3 

In den 



9 
9 



1 

4V 



2 
7 

9 



6 
2 



m prtktiiehea line 



2 



9 
l 
1 



7 
2 

99V. 



9 



l 
4 



e 

2 

3V, 



3V. IV. 
7VJ - 

Sommermonaten womog ich 
2 bis 3 mal wochentlich 
4V.|7 [7V.J19 |4%|4 | 7 

Jede Woche eine Stunde 
1 II |1 I 3 |1 |1 |1 |3 
Wahrend der Erholungsstunden 
111 31113 



15V. 



|37 39 



41 



116 38 39 



42 



119 



tTbungen und Vortrage im praktischen Kurse, 
1. Juli bis 17. August. 

(Allgemeine Grundsatze wie zu Wiener- Neustadt.) 




Artillerie 



U 



Experimentelle Vortrage 

Vorubungen zur Au&ahme .... 
Abstecken von Eisenbahnkurven . . 
TJnterricht beim Feld- und Gebirgs- 

geschiitze 

Desgl. beim Festungsgeschutze . . 

Distanzbeurteilen 

Richten auf grosse Entfernungen . . 
Handhabungsarbeiten beim Feldge- 

schiitze 

Desgl. beim Festungsgeschutze . . 
Auf- und Abpacken des Gebirgs- 

geschutzes 

Ausstecken und Profilieren .... 

Batteriebau 

Handhabungsarbeiten mit dem Fuhr- 

werke 



40 



8 
8 
12 
12 

6 
6 



16 



8 
8 



0 

6 



6 
16 



III 



B 



i 
4 



8 
4 

5 
6 
16 



Genie 



40 
5 



U 



111 



8 



Digitized by Google 



388 Geechichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungaweeens etc. 



UnterrichtsgegenBtande 


Artillerie 


Genie 


I 


II 


III 


I 


11 


in 


Tech- 
niacher 
Unter- 

richt, * 
Pionier- 
dienst 

Befeati- / 
gung \ 

Exer- 
„zieren, 
Ubungen 

im 
Truppen- 
dienste, 
Taktik 

<jrc8Uxm- 

heits- . 
pflege etc. 
Pferde- 
weaen | 

Reiten ^ 


Techni8cher Unterricht und Zeichnen 
Auaatecken, Profilieren, Tracieren 
Ausarbeiten eines feldmaasigen Stra- 

saenprojektea 

Packnng der Feldausriistung der Ge- 

Beaichtigung des Genie- Hauptparkes 
Voriibungen im Briickenbau . . . 
Zeichnen von Aufgaben 

AuBfTihrung fliichtiger Befeatigungen 

[Im Bataillon 

p Mit dem unbespannten 

Seren ! Feld " u> Uebirga-Geaohutz 
iMit der beapannten Batterie 
iMit dem FeBtungageachfitze 
Garnison-.Garnison und Lager . .1 
und JVorposten und Patrouillen/ 
Feld- jlnfanterie-Gefechtsubungen 
dienst (Felddienat im Bataillon 

thwa &* |Sonatfgo 8 Vorirbungen ! '. 
AdjuBtierungavorschrift , Zimmer- 

Satteln, Packen etc , Pferdewarten . 

Fortaetzung der Vortrage .... 

Satteln etc., Pferdewartung .... 
Fortaetzung der Ubung, Reiten ins 

Ubungsstunden im ganzen 
Grossere tJbungei] 


12 

12 
18 

8 

3 

9 
18 

2 


12 

12 

6 
18 
6 

3 

9 
18 
24 

1 

16 


12 

2 
42 
3 

18 
18 
5 

24 

12 
12 

6 


12 
10 

16 
2 

16 

12 

3 

3 
4 

12 
18 

2 


28 
10 

6 

16 

3 

16 

12 
• 

4 

12 
18 

1 


16 

10 

6 
3 
2 

12 

12 
18 

12 

12 
6 

12 


190 


175 


207 


158 


131 


137 


Unterrichtsgegenstande 


Artillerie 


Genie 


I 


n 


ni 


I 


11 


in 


Praktische i 
Geometrie 1 


6konomische und Schichtenaufhahme 


21 






21 






Terrain- f 
















dar- { 






22 






22 




stellung 1 














Chemie 1 


Beauch chemiBch-technischer Etablisse- 














etc. 1 




4 






4 






Baukunst 


Besuch von Gebauden etc 












2 



Googl 



Osterreich-Ungarn . 



389 



Artillerie 



Unterrichtsgegenstande 



Artillerie- . 
unter- 
richt, ) 
Waffen- 
lehre 

Tech- 
nischer 
Unter- 
richt, i 
Pionier- 
dienst 



-I 



Befesti 
gung 



Taktik { 

Pferde- j 
wesen i 
Aus- 
bildung 

im 
Truppen- 
dienste 
Exkursion 



Batteriebau am Kasten .... 

Artillerie-Schiessubungen j 8 

Besuch des Artillerie- Arsenals . . . 1 
Aufwerfen fluchtiger Deckungen . . 

Batteriebau am Kasten ..... 
Zu Land im Anschluss an die Cbungen 

des zu Wien stationierten Genie- 

bataillons 

Zu Wasser bei Haiuburg 

Ausstecken und Traceren von Strassen- 

ziigen 

Aufsuchen von Eolonnenwagen . . 
AusfUhrung von Objekten der Feld- 

befestigung 

Besuch des Floridsdorfer Briicken- 

kopfes 

Besuch einer grosseren Festung . . 
Schriftliche und mundliche Aufgaben, 

Ubungsreise 

Besuch des Schlachtfeldes von Aspern II — 
Besuch der k. k. Hofstallungen und 

des Tierarznei-Instituts 



Scheibenschiessen mit Handfeuer- 
waffen 



Wie zu Wiener-Neustadt .... 

Ubungstage im ganzen 37 



II 



a 

8 
1 
1 



III 



2 
8 
1 
1 



Genie 



II 



9 
8 



III 



a 



6 

■s 



8. Exkursion 



14 
1 



5 



36 36 



2 
1 

14 



2 2 



5 



42 44 | 45 



Die Ko mm an dan ten der Technischen Miktar-Akademie waren 
seit 1875 GM. (FML.) Otto Frhr. von Hartlieb, 1882 GM. Wilhelm 
Ritter von Wagner, 1885 GM. Julian von Roczkowski, 1889 
GM. Karl Ritter von Ludwig. 

Bestimmungen fiber die Art des Unterrichtes und die 
Abhaltung der Prufungen. 

Art des Unterrichtes. 
Der Lehrer hat seinen Unterrichtsgegenstand innerhalb des 
Schuljahres in dem durch Lehrplan und Programm vorgezeichneten 
Umfange vorzutragen und dabei die Hauptbegriffe und Grundsatze 
auf das eingehendste, das Untergeordnete oder Nebensachliche so weit 
zu besprechen, als es im Sinne des Lehrzieles zur Verdeutlichung 
der Hauptbegriffe oder der Lehrsatze durchaus ndtig ist. Stets soil 
ihm gegenwartig sein, dass der wahrhafte Erfolg seines Unterrichtes 
in der grundlichen und nachhaltigen Aneignung jener Hauptbegriffe 



Digitized by Google 



390 Geschichte des Militar - Ereiehungs- und -Bildunpiweaena etc. 



und Grundsatze in ihrem logischen Zusammenhange und in einer 
angemessenen Fertigkeit in der Anwendung des Erlernten liegt. 
Seine Vortragsstunden sollen zugleieh die vorziiglichsten Lernstunden 
der Zoglinge sein. Daher darf er nicht fruher weitergehen, als bis 
er fiberzeugt ist, dass die Mehrzahl sich den ganzen wesentlichen 
LebrstofF angeeignet hat, was nor zu erreichen ist, wenn er sich 
unausgesetzt bemuht, durch regen Verkehr mit den Zoglingen ihre 
Auffassung zu ergrunden, ihr Wissen und Konnen zu erweitern und 
zu befestigen. Seine Lehnnethode soil sich nach dem Alter und 
der intellektuellen Entwickelung der letzteren und im allgemeinen 
nach den Grundsatzen der Instruktionen zum Normalplane der 
osterreichischen Realschulen richten. Hauptgrundsatz ist, dass er 
sich nicht auf zusammenhangende Vortrage beschrankt, sondern dass 
er dem Unterrichte mehr oder weniger das Geprage gegenseitiger Er- 
orterung des Lehrstoffes giebt Ein Teil der Unterrichtszeit ist fur 
die Wiederholung und zur Ermittelung der Auffassung des Vor- 
getragenen zu verwenden. Dazu bietet sich die angemessenste Ge- 
legenheit bei den Prafungen und den Besprechungen der fur diese 
gefertigten Arbeiten. 

Als Mittel zur Hebung der Erfolge wird die Verwendung ge- 
eigneter Zoglinge als Korrepetitoren empfohlen, wobei vornehmlich 
freiwillig sich Meldende berucksichtigt werden sollen. In den hoheren 
Anstalten wird diese Hilfeleistung mehr dem kameradschafUichen 
Geiste und der Einsicht der Zoglinge uberlassen. Der Lehrer darf 
aber ebensowenig verzichten hierauf Einfluss zu aussern, wie er die 
reifere Entwickelung zum Anlass unbedingten Vertrauens auf ihren 
Fleiss machen darf. 

Die Einteilung des Vortrages erfolgt auf Grand eines in Schlag- 
worten entworfenen programmes" (einer genetischen Skizze), welches 
der Lehrer alljahrlich, nachdem er das Programm des Vorjahres 
gepruft bat, dem Kommando vorlegt. In demselben ist der Lehrstoff 
in einen wesentlichen und einen nebensachlichen Teil systematisch 
und in scharfster Weise auszusondern und die ungefahre Verteilung 
des Vortrages auf die Monate ersichtlich zu machen. Nach Er- 
messen des Kommandanten konnen die Programme verrielfaltigt den 
Schulera in die Hand gegeben werden. 

Dem Unterrichte dienen namentlich auch die Wiederholungen 
und das griindliche Durchdenken des Vortrages seitens der Zoglinge. 
Die hiermr bestimmte Zeit soil durch keinerlei den Unterrichts- 
zwecken entgegengehende oder dieselben nicht bestimmt fordernde 



Digitized by Google 



Osterreich-TJngarn. 



391 



Arbeiten verkummert, und daher sollen ausserhalb der Unterrichtszeit 
zu erledigende Aufgaben nur auf das sparsamste gestellt werden. 
Die Bestimmungen des Normal-Lehrplanes fiber die Zahl der Haus- 
aufgaben konnen in der Militar - Realschule nicht voll beachtet 
werden; wo solche fortfallen miissen, sollen an ihre Stelle mindestens 
ebensoviele Schulaufgaben treten. Auch wahrend der Ferien sind, 
nach Anordnung des Kommandanten , Hausaufgaben zu bearbeiten, 
Haus- und Schulaufgaben werden, abgesehen von den fur die Pru- 
fungen bestimmten, um die Bearbeiter nicht durch angstliche Riick- 
sicht auf die Klassifikation zu storen, nur in allgemeinen Ausdrucken 
begutachtet. 

Diktieren des Vortrages wie freiwilliges unausgesetztes Nach- 
schreiben sind untersagt. Anwendung und Ausubung des Gelehrten 
haben, wo es angeht, das ganze Jahr hindurch stattzunnden. Mit 
dem Ende des Vortrages ist der Unterricht nicht abgeschlossen, erst 
die praktischen tTbungen konnen darthun, welchen wirklichen Erfolg 
derselbe gehabt hat. 

Prufungen. 

Keine Prufung darf sich auf einzelne Teile des Vortrages be- 
schranken, jede soil Tielmehr den gesamten behandelten Unterrichts- 
stoff umfas8en, weil die Zoglinge dadurch bei angemessener tTbung 
des Gedachtnisses zu jener "CTbersicht und Beherrschung des Erlernten 
gefuhrt werden, welche das Ziel jedes verstandig betriebenen Unter- 
richtes bilden muss. Selbstverstandhch muss ein solche s Zuruck- 
gehen in logischem Zusammenhange geschehen und es mussen 
Antworten genugen, welche das Verstandnis und die Erinnerung des 
Ganzen darthun. 

Die Prufungen sollen zunachst ermitteln, ob und in welchem 
Grade die Zoglinge des ihrer Ausbildung gewidmeten Aufwandes 
wurdig sind. Ferner sind sie ein Mittel zur Aufrechterhaltung der 
Schuldisziplin. Wenn sie auch aus diesem Grunde mit einer gewissen 
Formlichkeit abgehalten werden, so darf dabei nicht ausser Acht 
bleiben, dass sie auch zur Belehrung dienen sollen. Schliesslich 
soil die Gelegenheit benutzt werden um Lob und Anerkennung oder 
Tadel und Beschamung auszuteilen. 

Die Prufungen werden mundlich und schriftlich aus alien theo- 
retischen und graphischen, praktisch aus alien teilweise oder ganz 
praktischen Unterrichtsgegenstanden vorgenommen. 

In jedem zahlenden Unterrichtsgegenstande der Gruppe A werden 



Digitized by Google 



392 GeschichU: des Militar-Eraiehungs- und -Bilduugswesens etc. 



so viele (mundliche nnd schriftiiche) Prufungen abgehalten, class 
auf je 2 Monate durchschnittlich eine Prufungsklassifikation entfallt; 
jeder Zogling wird im Laufe des Semesters mindestens ein-, des 
Schujjahres dreimal mundlich gepruft. In alien Unterrichtsgegen- 
standen, bei denen ein praktischer Teil in Betracht kommt, findet 
in jedem Semester, in welchem der letztere zur tTbung gelangt, 
wenigstens eine praktische Prufung statt. Die ubrigen Prufungen 
sind je nach Erfordernis mundlich, schriftlich oder praktisch. In 
den nichtzahlenden Unterrichtsgegenstanden der Gruppe A und alien 
der Gruppe B wird in jedem Semester mindestens einmal gepruft. 
Die Vortrage uber gesellschaftlichen Verkehr bilden keinen Prufungs- 
gegenstand. Ob und in welch r Weise Gesang, Musik und Tanzen 
zu einem solchen gemacht werden sollen, bestimmt der Kommandant. 

Je eine mundliche und praktische Prufung im Semester 
umfasBt den gesamten vorgetragenen Stoflf. Die praktischen Pru- 
fungen durfen mit den mundlichen vereinigt werden. 

Zu Ende des Schuljahres findet in den Bealschulen, nach Er- 
messen des Kommandanten auch in den Akademien, vor dem Lehr- 
korper und den Angehorigen der Zoglinge eine Schlussprufung statt, 
deren Hauptteil eine musikalisch-deklamatorische Vorstellung, ein 
Schauturnen, eine Fechtubung etc. bilden; bei derselben werden die 
Zeichnungen u. dgl. aufgelegt. 

Die mundlichen Prufungen werden vor versammelter Klasse 
oder, wenn es ausnahmsweise die Zeit nicht erlaubt, vor einer grosseren 
Zahl von Zdglingen abgehalten. Haufiges Statthnden empfiehlt sich 
besonders auf den Elementarstufen und bei schwachern Schulern; 
sie sind unentbehrlich fur Beurteilung der Lehrerfolge und besonders 
geeignet, dieselben zu fordern. 

Schriftliche Prufungen konnen mit einzelnen, mehreren 
oder samtlichen zusammenunterrichteten Schulern, bei gemeinsamer 
oder gesonderter Fragestellung, vorgenommen werden. Sie eignen 
sich besonders fiir die hdheren Stufen. Sie ersparen Zeit und sind 
geeignet, uber die Auffassung bestimmter Gebiete, Sicherheit des 
TJrteils und Selbstandigkeit in Denken und Ausdruck zu orientieren. 
Die Fragen mussen eine Umgehung oder willkiirliche Begrenzung 
der Antwort ausschliessen. Wenn hinreichende tTberwachung statt- 
finden kann, erhalten alle Bearbeiter die gleichen Aufgaben. Es 
wird empfohlen mitunter Fragen, welche an andere Lehrzweige an- 
knupfen, und solche aus dem angewandten Teile der Wissenschaft 
zu stellen, Die Arbeiten werden in der Kegel in die Aufgabenhefte 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



393 



eingetragen, deren Form der Kommandant im Einvernehmen mit 
dem Lehrkdrper festsetzt. Aussere Saaberkeit der Arbeiten und 
Richtigkeit des Ausdruckes so 11 en strong beachtet, Fremdworter 
moglichst ausgeschlosaen werden. Die Arbeiten sind baldmoglichst 
zu beurteilen und zuruckzugeben; bei der Erorterung, welche den 
eigentlich unterrichtenden Teil der Prufung bildet, soil verletzende 
Kritik vermieden werden. Bei ungenugenden Leistungen und gutem 
Willen soli lieber eine nicht offentliche Belebrung eintreten. 

Die Aufgabenhefte mussen jeden Augenblick vorgezeigt werden 
konnen ; die ubrigen Prufungsarbeiten werden vom Lehrer gesammelt 
und nach Schluss des Schuljahres zuruckgegeben. Auf das Be- 
wahren der Arbeiten seitens der Zoglinge wird grosser Wert gelegt. 

Als Prufungsarbeiten in den graphischen Fachern dienen 
die unter den Augen des Lehrers gefertigten Stiicke. 

In den militarischen Geschicklichkeiten ete. finden eigent- 
lich e Prufungen nicht statt. Um den Wetteifer anzuspornen, nimmt je- 
doch der Kommandant solche auf den verschiedenenAusbildungsstufen, 
jedenfalls aber zum Schlusse des Schuljahres, mit aller Formlichkeit 
vor. Den im Exerzieren abzuhaltenden wohnen samtliche Offiziere bei. 

Der Kommandant hat samtlichen Unterricht eingehend zu 
uberwachen und notigenfalls zu leiten. Er muss sich genaue Kenntnis 
vom Wissen und Konnen und von der Unterrichtsmethode der Lehrer 
verschaffen und sich ein selbstandiges Urteil fiber die Zoglinge bilden ; 
je nach den Umstanden soil er sich aktiv am TJnterrichte beteiligen. 
Er hat dahin zu wirken, dass der theoretische Unterricht, mit Ruck- 
sicht auf Schulung der intellektuellen Fahigkeiten, als Grundlage 
aller angewandten Facher und mit Beziehung auf den militarischen 
Beruf betrieben wird und sich streng innerhalb der vorgeschriebenen 
Grenzen halt. Er hat darauf zu achten, dass das Zeichnen nicht 
in blosse tTbung der mechanischen Fertigkeit ausartet. Er hat ferner 
darauf zu halten, dass alle praktischen, militarischen und militariseh- 
technischen tbungen dem Zwecke der Anstalt angemessen betrieben 
werden. Es ist dies vor allem in den Akademien wichtig, wahrend 
in der O.-R. die militarischen und mihtarisch-technischen tfbungen 
nicht weiter ausgedehnt werden durfen, als mit der Eigenart einer 
Vorbereitungsanstalt vertraglich ist; eine seiner wichtigsten Obliegen- 
heiten ist die Vermittelung eines einheitlichen Vorganges beim 
TJnterrichte. Diesem Zwecke hat er besonders die Versammlungen 
des Lehrkorpers dienstbar zu machen. Die Lehrer verwandter Facher, 
besonders neueingetretene, soli er zu gegenseitigem Besuche ihrer 



Digitized by Google 



394 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bildungsweeens etc. 



Stunden anregen. Die hocbwichtige Klassifikation kann nur richtig 
erfolgen, wenn der Lehrer darauf halt, dass der Zdgling stets die an 
ihn gerichtete Frage beantwortet, und nicht gestattet, dass er die 
Antwort umgeht, und wenn er ferner bloss mechanischen Leistungen 
des Gedachtnisses entgegentritt. Der Kommandant hat sich zn 
uberzeugen, dass diese Grundsatze beachtet werden, und daher 
haufig den miindlichen Prfifungen beizuwohnen; ausserdem hat er 
von den schriftliehen und graphisehen Ausarbeitungen Kenntnis zu 
nehmen. Nie darf er dulden, dass ein Lehrer seinen Unterrichts- 
gegenstand in den Augen der Schuler durch Nachgiebigkeit entwerte. 
Er hat daher auf strenge Erfullung der an die letzteren gestellten 
Arbeitsforderungen, Gerechtigkeit in Klassifikation und konsequente 
Handhabung der disziplinaren Vorschriften zu halten und hat zu 
verhuten, dass ein Lehrer die Krafte der Schuler ausserhalb der 
Unterrichtszeit fur sein Fach iibertrieben in Anspruch nimmt. 

Der Kommandant soli alien Teilen des Unterrichtes in vollem 
Umfange des Wortes „vorstehen". Alle Vorschlage des Lehrkorpers 
sollen durch ihn Form und Ausgleichung gewinnen, er soli die Be- 
grenzung und den Einklang der einzelnen Facher uberwaehen und 
sowohl mit dem Lehrkdrper wie mit der Jugend einen unmittelbaren 
Verkehr unterhalten. 



Fur die gegenwartige Gestaltung der Anstalten bilden 
auf A. E. vom 6. Januar 1887 beruhende 

Orgauische Bestimmungen fiir die k. k. Militar-Erziehungs- 

und -Bildungsanstalten 1 ) 
die grundlegende Vorschrift. Aus ihrem Inhalte haben wir nach- 
zutragen, dass fur die Besichtigungen seitens des mit der Oberleitung 
betrauten Kriegsministeriums die Inspizierungsvorschrift vom Jahre 
1882 massgebend ist. Sie ermachtigt den Minister, Inspizierungen 
selbst vorzunehmen, sowie solche durch Sektionschefs oder Abteilungs- 
vorstande vornehmen zu lassen; in der Regel geschehen sie durch 
den Vorstand der 6. Abteilung. 

Das gerichtliche Straf- und Begnadigungsrecht stent 
demjenigen Armeekorps-Kommando zu, zu dessen Bereiche die Anstalt 
gehort. Die Gerichtsbarkeit wird in den Akademien durch 
Akademiegerichte, in den ubrigen Anstalten durch das am Orte be- 
findliche oder nachstgelegene Garnisongericht, die Disziplinar- 

») N.-V.-BL 1887, 2. Stuck, Z.-V. vom la Januar. 



Digitized by Google 



(Werreich-Ungarn. 



395 



Strafgewalt von den Anstaltskommandanten in dem einem Truppen- 
kommandanten eingeraumten Umfange ausgeflbt. 

Zum Zwecke der padagogischen und der militarisch-dienstlichen 
Leitnng gliedern sich die Militar-Realschulen in Klassen und je eine 
Stabsabteilung, zu welcher die nicht bei jenen eingeteilten Personen 
gehoren. Jeder Jahrgang bildet eine Klasse; zahlt ersterer mehr 
als 50 Zdglinge, so werden Parallelklassen in entsprechender Menge 
gebildet; sie werden mit I, II u. s. f., bezw. Ia, lb u. s. f. bezeichnet, 
Daneben bildet als Exerziereinteilung jode Unter - Realschule ein 
Halbbataillon zu 2, die Ober-Realschule ein Bataillon zu 3 Kom- 
pagnien. Die Militar-Akademien zerfallen in das Zoglings-Halb- 
bataillon und die Stabsabteilung; jenes besteht in Wiener-Neustadt 
aus einer 1. und 2., in Wien aus der Artillerie- und der Genie-Zoglings- 
Kompagnie. Die Kompagnien setzen sich aus Zoglingen aller Jahr- 
gange zu gleichen Teilen zusammen. Diese Gliederung liegt zugleich 
der taktischen Formation zu Grunde. Wenn in Wiener-Neustadt ein 
Teil der Zoglinge zu Pferde ausruckt, so bilden solche von III den 
„Kavallerie-Zug". Zur Genie-Zoglings-Kompagnie gehoren auch die 
Genie-Kadettenschuler. Die fur die Militar-Verwaltung bestimmten 
Zoglinge der Technischen Militar-Akademie bilden eine „Abteilung 
der uberkompletten Zoglinge". 

Fur die Handhabung derHaus- und Dienstordnung hat das 
Kxiegsministerium „Grundzuge" 1 ) aufgestellt, welche allgemein zur 
Richtschnur dienen. Nach Anleitung derselben besteht fur jede 
Anstalt eine durch den Kommandanten unter Zuziehung des Lehr- 
korpers entworfene besondere Haus- und Dienstordnung, welche auf 
dem Dienstreglement zu fussen und in den hoheren Anstalten sich 
den Be8timmungen desselben strikter anzuschliessen hat als in den 
niederen. Sie unterliegt der Genehmigung des Kriegsministeriums, 

welches ein Muster fur die aussere Anordnung gegeben hat. 

Beispielsweise geben wir nachstehend die Tageseinteilung yon Wiener- 
Neustadt: 6 Uhr Aufstehen, 6 S0 5 Minuten Freiiibungen, dann Fruhstuck 
im Speisesaale (Kaffee, im Sommer Milch, und Weizenbrot), 7 bis 10 Unter- 
richt in zwei Fachem (entweder je l 1 /, Stunden oder das eine l 1 /*, das andere 
1 Stunde nebst V« Stunde Vorbereitung; Pausen werden nicht gemacht). Die 
Zeit yon 10 bis 11 ist dem inneren Dienste gewidmet, um 10* 6 wird als zweites 
FrulistOek Weizenbrot gegeben. 11 bis 12 wissenschaftlicher Unterricht oder 
korperliche ^Taungen. 12 15 Mittagessen (Suppe, Fleisch und Gemiise, Braten 
oder Mehlspeisej; dann Bpaziergang, Schlittschuhlaufen etc. 2 bis 4 Unterricht 
in zwei Fachem oder in einem Fache mit V» Stunde Vorbereitung. 4—5 Er- 



») Metallographiert, Folio, 10 Seiten mit einer Beilage. 



Digitized by Google 



396 Geschichte des Militar-Erziebuags- und -Bildungswesens etc. 

bohing, Jause (Brot), Befeblsausgabe etc 5—8 Arbeit (1 Stunde unter Auf- 
sicht des Lehrers), Nachhilfe- und Sprachubungsstunden, korperliche Qbungen, 
Baden etc. Um 8 Uhr wird warmes Abendbrot (meist eine Fleischspeise) 
gegeben, dann folgt Erholung, wozu ein mit Zeitungen etc. reich ausgestatteter 
Lese- und ein Erholungssaal zu Gebote stehen; in letzterem darf geraucht, 
Bier und Wein getrunken, Klavier, Billard, Schach etc. aber nicht Karten 
gespielt wcrden. Um 9 Uhr darf, spatestens um 10 muss zu Bett gegangen 
werden. An Bonn- und Feiertagen wird Urlaub erteilt, auch an ein bis zwei 
bestimmten Wochentagen ist den einzelnen Jahrgangen abends das Ausgeben 
gestattet. In der Anstalt finden zuweilen Abendvergnugungen statt, zu denen 
Verwandte und Bekannte eingeladen werden. 

Die Disziplinarstrafen sind: Verweise, Ausschluss von VergunBtigungen, 
Antreten im Dienstanzuge, Haus- und einfacber Arrest (mit voller Bekdstigung). 

Der grosste Festtag der Akademie ist der 18. August, der Oeburtstag des 
Kaisers. Die zur Ausmusterung gelangenden Zdglinge von III, deren Er- 
nennung zu Lieutenants mit dem Range von diesem Tage bereits veroflent- 
licht ist, legen die neue Uniform an, werden durch den Kommandanten 
feierlich vereidet und vereinigen sich dann mit Vorgeeetzten und Lehrern zum 
Abschiedsmahle in der festlich geschmuckten Reitschule. 

Der regelmassige Austritt aus der Militarerziehung erfolgt 
nach Absolvierung einer Militar-Akademie, und zwar bei mindestens 
„gutem" Gesamterfolge als Lieutenant unter Gewahrung eines Equi- 
pierungsbeitrages , welcher je nach der Waffe 120 bis 250 Gulden 
betragt, bei „genugendem" als Kadett, bei „ungenugendem" als Unter- 
offizier. Wer das den Realscbulern gesteckte Ziel, in eine der beiden 
Akademien aufgenommen zu werden, nicht erreicht, kann, wenn er 
sonst zum Offizier geeignet ist, den Weg durch die Kadettenschulen 
einschlagen. 

Vorzeitiger Austritt kann erfolgen: auf Grund der Klassifikation; 
wegen bleibender korperlicher Untauglichkeit; wegen Nichterfullung 
der Zahlungspflichten ; auf Bitte der Angehdrigen, welche der Anstalts- 
kommandant ohne weiteres erfullen darf; im Mobilisierungsfalle fur 
den altesten Jahrgang der Akademien. Eein aus einem jener Grunde 
Entlassener darf im Frieden fruher als einer seiner Jahrgangsgenossen 
zum Offizier befdrdert werden. Zdglinge der Akademien mit min- 
destens „genugendem", der Ober-Realschule mit mindestens „gutem" 
Gesamterfolge, welche zu Offizieren des Soldatenstandes korperlich 
untauglich sind, konnen zur Dienstleistung bei einem Militar- 
verwaltungszweige herangezogen werden. 

Die Kommandanten der Realschulen („Schulkommandanten") 
werden aus den aktiven Stabsoffizieren des Soldatenstandes gewahlt 
Sie sollen entweder Lehrer an einer Militar-Erziehungs- und -Bildungs- 
Anstalt oder Kommandanten einer Kadettenschule gewesen sein. 
„Akademiekommandant" soli in der Regel in Wiener-Neustadt ein 



Digitized by Google 



Osterreich- Ungarn. 



397 



aus der Infanterie oder Kavallerie, za Wien ein aus der Artillerie 
oder dem Genie hervorgegangener General oder Oberst sein. Die 
Verwaltungsoffiziere sollen in der Regel in irgend einem Lehrfache, 
die Truppenrechnungsruhrer in Mihtaradministration unterrichten 
konnen. 

Das Lehr- und Erziehungspersonal erganzt sich in den Militar- 
Real8chulen: 1) Aus Offizieren des Soldatenstandes, welche die Lehr-' 
amtsprufung fur Mittelschulen abgelegt haben oder die Lehrbefahigung 
fur die ungarische, bohmische oder franzosische Sprache oder die 
graphischen Unterrichtsgegenstande „besonders" (durch Zeugnisse, 
Prurang, Besuch der Akademie der bildenden Kunste, Verwendung 
im mihtar-geographischen Institute etc.) nachweisen oder den Militar- 
Feehfc- und Turnlehrer-Kurs absolviert oder sich als Lehrer an 
Kadettenschulen bewahrt haben. 2) Aus geistlichen Professoren. 
3) Aus Militararzten, welche die Eignung zur Erteilung von Unter- 
richt in Naturge8chichte besitzen. — In den Militar-Akademien: 
1) Aus Offizieren des Soldatenstandes, welche einige wissenschaftliche 
Disziplinen an einer Zivil-Hochschule gehort oder die Kriegsschule, 
den hoheren Artillerie- oder Geniekurs absolviert oder durch wissen- 
schaftliche Leistungen, insbesondere litterarische Thatigkeit, sich 
hervorgethan oder die Lehrbefahigung fur Sprachen und die gra- 
phischen Unterrichtsgegenstande wie bei den Realschulen nachweisen 
oder als Lehrer reinmilitarischer oder mil it arisen -technischer Gegen- 
stande an Kadettenschulen hervorragende Erfolge erzielt haben oder 
hinsichtiich ihrer Verwendbarkeit im Truppendienste vorzflglich be- 
schrieben sind und entweder den Militar-Fecht- und Turnlehrer-Kurs 
oder die MUitar-Schiessschule absolviert haben und daneben im 
Ungarischen oder Bohmischen unterrichten oder als Korrepetitoren 
des Franzosischen verwendet werden konnen oder durch Absolvierung 
des Militar-Reitlehrer-Institutes die Eignung zum Reitlehrer erworben 
haben. 2) Aus geistlichen Professoren. 3) Aus Auditoren, welche 
in Rechtslehre und einem anderen theoretischen Lehrfache, 4) aus 
Militararzten, welche in Gesundheitspflege und Sanitatsdienst, 5) aus 
Militar-Tierarzten, welche im Pferdewesen unterrichten konnen. 

Jedem aktiven Ofhzier, Militargeistlichen, Auditor, Militararzt, 
Truppenrechnungsfuhrer und Militar-Tierarzt, welcher die entsprechende 
Charge bekleidet, ist freigestellt, um Verwendung bei den Anstalten 
zu bitten. Die Gesuche gelangen durch die Vorgesetzten an das 
. Ministerium, welches die Bittsteller, wenn sie nicht sofort Ver- 
wendung finden, bescheidet ob sie in Aussicht genommen sind oder 



Digitized by Google 



398 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungaweaens etc. 



nicht; geeignete Personlichkeiten konnen auch von Amts wegen vor- 
geschlagen werden. 

Kommandanten und Lehrer, welche Stabsoffiziere sind, ernennt 
der Kaiser, alle fibrige zam Lehr-, Erziehungs- nnd Verwaltuugs- 
personale gehorige Personen, die Kommandanten der Halbbataillone 
und Kompagnien der Akademien und die Studienleiter der Technischen 
Militar-Akademie der Kriegsminister. Die Stabsoffiziersstellen sollen 
wi8senschaftlich hervorragende Offiziere erhalten, welche als Haupt- 
leute mit Erfolg im Lehrfache gewirkt haben und sich dem letzteren 
ganz widmen wollen. 

Offiziere der Reserve konnen in den Realschulen, Offiziere some 
Militargeistliche und Arzte des Euhestandes in alien Anstalten ver- 
wendet werden, wenn sie die Lehrbefahigung fur Mittelschulen be- 
sitzen, der deutschen Sprache in Wort und Schrift machtdg und ledig 
sind. Der Anstellung geht ein Probejahr voran. Zivillehrer finden 
nur Verwendung, wenn geeignete Militars nicht vorhanden sind; sie 
werden auf Kiindigung angestelit und erwerben keine Versorgungs- 
anspriiche; wenn sie nicht standige Platze ausfullen, so heissen sie 
„externe". Unteroffiziere, welche als Korrepetitoren oder Instruktoren 
brauchbar sind, konnen als Lehrgehilfen angestelit und bei der Auf- 
sicht der Zoglinge, soweit solche Unteroffizieren obliegt, verwendet 
werden. 

Kommandanten und Lehrer von Wissenschaften, deren Beherr- 
schung langerer Vorbereitung bedarf, sollen mindestens 6, Kompagnie- 
Kommandanten in der Regel 3, in den Akademien mit der Aus- 
bildung im Truppendienste oder in militarischen Greschicklichkeiten 
betraute Offiziere hochstens 6 Jahre in diesen Verwendungen bleiben. 
Der Wechsel findet nach Schluss des Schuljahres statt. Im Mobili- 
sierungsfalle wird das Lehrpersonal vermindert. 

Stellvertreter des Kommandanten ist der im Range nachste 
aktive Offizier des Soldatenstandes. 

In den Militar-Realschulen wird in jeder Klasse ein Ober- 
offizier (in der Regel Hauptmann) als Klassenvorstand bestellt, wel- 
cher nebst einem anderen Lehrgegenstande den Vortrag fiber „Dienst- 
vorschriften und Anstandslehre" ubernimmt. Ein Offizier ist ihm als 
Stellvertreter beigegeben. — In jeder U.-R. werden 3 (1 Halbbataillons-, 

2 Kompagnie-Kommandanten), in der O.-R. 4 OflEiziere (1 Bataillons-, 

3 Kompagnie-Kommandanten) als Exerzierlehrer, in letzterer wird 
1 Offizier, welcher Gewehrwesen lehrt und die Schiessiibungen leitet, 
als Waffenoffizier verwendet In den U.-R. leitet je 1 Offizier 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



399 



das Schiessen mit dem Zimmergewehre. — Der TJnterricht der O.-R. 
in Pionierdienst und Geschutzwesen und der Schwimmunterricht in 
alien Realschulen wird geeigneten Offizieren, der Gesang-, Musik- und 
Tanzunterricht Mitgliedern des Lehrkorpers oder externen Lehrern 
Tom Zivilstande iibertragen. — Die geistlichen Professoren sind mit 
der Seelsorge und der Matrikelruhrung betraut; sie lehren ausserdem 
theoretisohe Gegenstande. Naturgeschichte lebren die Militararzte. 

In den Militar-Akademien ist je ein Stabsoffizier (vom 
Truppenstande) Halbbataillons-Kommandant; er unterrichtet fiber das 
Dienstreglement In Wiener-Neustadt werden 3, in Wien 2 Stabs- 
offiziere (1 von der Artillerie, 1 vom Genie) als Studienleiter be- 
stellt ; dort fur je 2 Parallelklassen etnes Jahrganges, hier fur die 
betreffende Abteilung. Als Kompagnie-Kommandanten werden rang- 
altere Hauptleute (womoglich solche, welche ihre Befahigung zu 
Stabsoffizieren dargethan haben) verwendet. In Wiener-Neustadt 
sollen sie der Infanterie oder den Jagern, in Wien der Waffe ange- 
horen; der Kommandant der Genie-Zoglingskompagnie befehligt zu- 
gleich die Genie-Kadettenschule. — Den Kompagnie-Kommandanten 
werden zu padagogischer Hilfeleistung Klassenoffiziere beigegeben, 
welche zugleich den Vortrag fiber gesellschaftlichen Verkehr fiber- 
nehmen und bei der militarischen und dienstlichen Ausbildung durch 
Instruktionsoffiziere unterstutzt werden. Jene wie diese verrichten 
den Kompagniedienst nach dem Dienstreglement. — Die AusbilduDg 
in den militarischen Geschicklichkeiten und die Leitung der tTbungen 
im Truppendienste liegt den Halbbataillons- und Kompagnie-Kom- 
mandanten, Instruktionsoffizieren und Reitlehrern ob. Die tTbungen 
in taktischer Thematik leiten die als Taktiklehrer eingeteilten General- 
stab suffizi ere, die fachtechnischen tTbungen der Technischen Militar- 
akademie die Studienleiter. — In jeder Akademie versieht 1 Offizier 
den Dienst als Waffenmeister, in der Technischen ruhrt einer das 
Kommando fiber die fiberkompletten Zoglinge. — Den geistlichen 
Professoren liegen Seelsorge und Matrikelffihrung ob; ausserdem sind 
sie Korrepetitoreu der deutschen Sprache, insbesondere bei Zoglingen, 
welche, auf nicht deutschen Anstalten vorgebildet, unmittelbar in die 
Akademie getreten sind. Die Auditoren haben neben ihrem Amte 
Rechtspflege und einen weiteren Gegenstand zu lehren, die Militararzte 
nnterrichten fiber Gesundheitspflege und Sanitatsdienst, die Tierarzte 
fiber Pferdewesen. Eine jede Anstalt hat ein eigenes Spital. 

Die Begfinstigungen des Personals sind hohere Berechnung 
der Dienstzeit bei der Pensionsbemessung und besondere Gebfihren. 



Digitized by Google 



400 



Geschichte des Militar-Ereiehunga- und -Bildungawesens etc. 



Auf ersteren Vorteil, die Anrechnung ernes jeden als Professor oder 
Lehrer in einer Militar-Bildungsanstalt zugebrachten Jahres als einer 
Dienstzeit von 16 Monaten, haben Kommandanten und Verwaltungs- 
personal nur Anspruch, wenn sie zogleich Lehrer waren. Die besonderen 
Gebuhren sind Dienstzulagen, welche monatlich far die Kommandanten 
der Akademien 100, der O.-R. 75, U.-R. 50, fur die ubrigen Offi- 
ziere etc. 16 Gulden und (fur letztere) nach je 5 Jahren 8 Gulden mehr 
betragen. Als eine ausnahmsweise Begunstigung tritt das im 
Sinne der Beforderungsvorschrift zulassige Aufrueken von Haupt- 
leuten (Rittmeistern) in besonderen Verwendungen bei tTbersetzung 
in den Armeestand hinzu. 



Die Beurteilung der Zoglinge erfolgt gegenwartig auf Grund einer 

Vorschrift fiber die Klassifikation. *) 
Die Noten sind vorzuglich, sehr gut, gut, genugend, unge- 
nugend, schlecht mit den Zahlenwerten 5 bis 0. Fur die Konduite 
darf Zoglingen unter 14 Jahren „schlecht" nicht zuerkannt werden. 
Bei Beurteilung des Fleisses liegt das Gewicht auf der Beharrlichkeit 
in den Bemuhungen, nicht auf den Leistungen ; bei der Konduite ist 
die gunstige oder ungunstige Einflussnahme auf die Kameraden zu 
berucksichtigen. 

Zweimal im Jahre (Waisenhaus und Realschulen zu WeihnachteD, 
Akademien Ausgang Februar, alle Anstalten Ende des Schuljahres) 
werden, nach den Priifungsergebnissen und den stattgehabten Einzel- 
klassinkationen, Abschluss-Klassifikationen vorgenommen, deren 
Unterlage teils die Lehrerurteile, teils Kommissionsbeschlusse bieten. 

Der Gesamterfolg wird auf Grund der Abschluss- Klassifikation 
in Konduite, in Fleiss, in Kenntnissen und Geschicklichkeiten fest- 
gestellt und mit den obigen Noten, ausser durch „schlecht", be- 
zeichnet. Fur Zuerkennung der einen oder der anderen bedarf es der 
Erfullung bestimmt vorgeschriebener Bedingungen in den einzelnen 
Lehrgegenstanden und in der Konduite. Verschiedene Bewertung 
der Faktoren nach der ihnen beizulegenden Wichtigkeit findet nicht 
statt. Nach dem Gesamterfolge wird der Klassenrang bestimmt. 
„Vorzuglicher" , „sehr guter", oder „guter" Gesamterfolg wird durch 
die Vorzugs-, doppelte oder einfache Auszeichnung (zwei Bortchen 
mit aufgenahtem Knopfe, bezw. zwei oder ein Bortchen am ruck- 



*) Wien, aus der k. k. Hof- und Staatedruckerei, 1889 (N.-V.-Bl., 43. Stuck). 



Digitized by Google 



Osterreich-Ui.garn. 



401 



wartigen Ende des Kragens) anerkannt und durch Vergunstigungen 
belohnt, fiber welche die Haupt- und Dienstordnung bestimmt. Bei 
„Ungenugend" in Konduite oder Fortschritten, auf MaDgel an Fleiss 
beruhend, werden, wenn Ermahnungen fruehtlos geblieben sind, 
formliche Verwarnungen erteilt, mit Besserungsfristen von mindestens 
3 Monaten in jenem, bis zum nachsten Klassifikationsabschlusse in 
diesem Falle. Erfolgt keine Besserung, so wird beim Reich s-Kriegs- 
ministerinm Entlassung beantragt. Die Nacbprufungen sind bei- 
behalten. 

Wiederholung eines Jahrganges kann in I bis III der 
U.-R., I und II der O.-R. und fur unmittelbar eingetretene , des 
Deutschen nicht vollstandig machtige Zoglinge in I der Akademien 
gestattet werden. Besonders berucksichtigungswerte Falle ausge- 
nommen darf wahrend des gesamten Aufenthaltes in den Anstalten 
Wiederholung nur einmal stattfinden. Fur das Waisenhaus gelten 
mildere Bestimniungen. 

Fur das Aufsteigen in eine hohere Klasse ist geniigender, in 
eine hohere Anstalt guter Gesamterfolg ndtig. Wer diese Bedingungen 
nicht erfiillt oder fur wen in der hoheren Anstalt kein Platz ist, 
kann, wenn er im Waisenhause oder in den Realschulen mindestens 
genugenden Gesamterfolg gehabt hat, in eine Kadettenschule uber- 
treten. 

Entfernung aus den Anstalten wird durch das Reichs-Kriegs- 
ministerium verfugt. Erfolgt sie „strafweise", was nur bei Vergehen 
geschieht, welche kiinftiger Ernennung zum Offizier unwurdig machen, 
so ist die Wiederaufnahme in eine Bildungsanstalt oder Kadetten- 
schule ausgeschlossen. 

Die Angehorigen der Zoglinge des Waisenhauses und der Real- 
schulen werden durch eine „Schulnachricht <( , die der Zoglinge der 
Akademien durch eine „Mitteilung iiber die Studienerfolge" jahrlich 
viermal uber Klassifikation und sonstiges Verhalten der Ihrigen und 
ausserdem von alien aussergewohnlichen in Bezng auf letztere ver- 
fugten Massregeln unterrichtet Wenn bei vorhandenem Fleisse, aber 
mangelnden Fahigkeiten die Entfernung beantragt werden muss, so 
wird den Angehorigen nahe gelegt, um solche selbst nachzusuchen. 

Eine im Anschlusse an die „Organischen Bestimmungen" er- 
schienene 

„Vorschrift fiber die Aufnahme von Aspiranten aus der 
Privaterziehung in die k. k. Militar-Erziehungs- und Bil- 

Monuments Germaniae Paedagogioa XV. 26 



Digitized by Google 



402 Geschichte des Militar- Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



dungs-Anstalten" 1 ) teilt die Personen, denen fur ihre ehelichen 
oder legitimierten Sohne Anspruch auf Ararialplatze eingeraumt 
wird, in 

1) Offiziere des Soldatenstandes und 

2) Militar-Geistliche, Auditoren, Truppenrechnungsfuhrer und 
Militarbeainte des Heeres, der Marine und der Landwehren, welche 
aktiv dienen oder dem Ruhe- oder dem Invalidenversorgungs-Stande 
angehdren; 

3) desgleichen in der Reserve, im Verhaltnis ausser Dienst, im 
nicht aktiven bezw. Urlauberstande der Landwehr nach mindestens 
lOjahriger aktiver Dienstzeit; 

4) in keine Rangklasse eingeteilte Militargagisten, nach wenig- 
stens 12jahriger Prasenzdienstzeit und wenn sie wahrend derselben 
eine Ehe erster Klasse (d. h. eine solche, welche ihnen Anspruch auf 
mancherlei Vergunstigungen seitens des Staates verleiht) geschlossen 
haben, Unteroffiziere des aktiven und des Invalidenstandes des Heeres, 
der Marine und der Landwehren; 

5) aktive und pensionierte, in eine Rangklasse eingeteilte Hof- 
und Zivil-Staats-Beamte nach wenigstens lOjahriger Dienstzeit (letz- 
tere haben auf Platze in Fischau keinen Anspruch). 

Wenn die Vater vor dem Feinde gefallen oder durch schwere 
Verwundung erwerbsunfahig geworden sind, so kann bei 3) und 4) von 
der Mindestdienstzeit abgesehen werden. 

Bei der Bewerbung werden diese Gruppen in obiger Reihenfolge 
berucksichtigt; innerhalb der Gruppen sind massgebend die Zahl der 
vorhandenen bezw. der bereits versorgten, namentlich der auf Staats- 
kosten versorgten Geschwister, die Vermogensverhaltnisse , der aus 
den Schulzeugnissen zu entnehmende Fortgang, die Gelegenheit zu 
anderweiter Erziehung. Aspiranten, deren Vater vor dem Feinde ge- 
fallen sind, Doppel- und vaterlose Waisen, solche, deren Vater schwer 
verwundet sind oder in Orten ohne Mittelschulen garnisonieren oder 
fur Verdienste oder lange vorzugliche Dienstleistung allerhochst aus- 
gezeichnet sind, werden vorzugsweise berucksichtigt; solche, welche 
sich in der 6. oder einer hoheren Rangklasse oder in gunstigen Ver- 
mogensverhaltnissen befinden, erhalten halbe Freiplatze. 

Die Bestimmungen fiber die Verleihung von Zahlplatzen und die 
Betrage des Bekostigungspauschale blieben die friiheren. Neben 
letzterem sind fiir jeden Zogling jahrlich 14 Gulden Schulgeld zu 



') N.-V.-Bl. 1888, 8. Stflck (zu PrSs. 1337). 



Digitized by Google 



Oaterreich- Ungarn. 



403 



entrichten; mittellose Doppolwaisen kunnen von der Zahlung befreit 
werden. 

Die Verpflichtung zum Dienen iiber die gesetzliche dreijahrige 
Prasenzdienstpflicht bestebt nur noch fur die yollendeten Schuljahre; 
vorzeitig entlassene Zoglinge erfullen nur die gesetzliche Pflicht. 
Kurzsichtigkeit geringeren Grades ist kein Hindernis fiir den Eintritt. 
Bewerber unter 14 Jahren mfissen mit einem Fernpunktabstande von 
80, solche, welche das 14. vollendet, das 17. noch nicht erreicht 
haben, auf 60, altere auf 50 cm die Leseprobe (S. 340) bestehen. 

Die Aufhahmefahigkeit liegt im Waisenhause zwischen dem am 
1. September erreichten 7., nicht uberschrittenen 13.; in der U.-R. I 
zwischen dem 10. und 12., II dem 11. und 13., Ill dem 12. und 14., 
IV dem 13. und 15.; in der O.-R. I zwischen dem 14. und 16., II dem 15. 
und 17., Ill dem 16. und 18., in I der Akademien zwischen dem 17. 
und 20. Lebensjahre. Assentierte diirfen nicht aufgenommen werden. 

Fiir die Zulassung zur Aufnahmeprufung ist das Zeugnis der 
entsprechenden Klasse einer Mittelschule fiber deren befriedigenden 
Besuch erforderlich. Die Prufung, welcher die Angehorigen bei- 
wohnen durfen, kann fur U.-R. I in der Muttersprache abgelegt 
werden; Unkenntnis desDeutschen ist kein Hindernis fiir die Aufnahme. 
In die hdheren Jahrgange der U.-R. kann der Eintritt auf Grund 
einer in der Muttersprache abgelegten Prufung stattfinden, wenn der 
Geprufte des Deutschen so weit machtig ist, dass er dem Unterrichte 
folgen kann. Zur Aufnahme in die hoheren Anstalten wird deutsch 
gepriift, doch wird an die Kenntnisse in der deutschen Sprache ein 
milderer Massstab angelegt, wenn die Prufung in der Muttersprache 
vollkommen genugt hat, der Geprufte des Deutschen in Wort und 
Schrift so weit machtig ist, dass er den Vortragen mit Verstandnis 
folgen kann und er alle sonstigen wissenschaftlichen Anspruche voll- 
kommen erffillt hat. Der Umfang der in den Prflfungen darzulegenden 
Kenntnisse entspricht dem Vortrage der nachstniederen Klasse und 
ist aus dem Lehrplane ersichtlich. 

Fur die Aufnahme in U.-R. I werden gefordert: entsprechende 
Fertigkeit im Lesen (bei Ablegung in deutscher Sprache: deutsche 
und lateinische Schrift), hinlangliche tTbung im miindlichen Gedanken- 
ausdrucke. Mundliches Wiedergeben einfacher Erzahlungen. — Ele- 
mente der Formenlehre; Unterscheidung der Hauptteile des einfachen 
Satzes; Kenntnis der wichtigsten Regeln der Rechtschreibung und 
der Zeichensetzung, praktische Anwendung derselben in einem ein- 
fachen Dictando. — Sicherheit im Anschreiben und Aussprechen von 

26» 



Digitized by Google 



404 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Zahlen bis zu 7 St e lien ; das kleine Einmaleins; die Grundrechnuugs- 
arten mit ganzen Zahlen, bei entsprechender Fertigkeit im praktischen 
Eechaen; Losung von Kopfrechnungen einfachster Art. — Lesbare 
Latein-, bei Bewerbern deutscher Zunge auch deutsche Kurrent- 
schrift — Die militarischen Geschicklichkeiten und ttbungen sind nir- 
gends Gegenstand der Eintrittsprfifung. 

Das Jahreserfordernis der Militar-Erziehungs- und 

-Bildungsanstalten 
fur das Jahr 188 9/90 ist in folgender tTbersicht 1 ) zum Ausdruck 

gebracht: 

Unterhalt der Gebiihren des 
Zoglinge bei Zoglinge und Lehr- und Geaamt- 
Anatalten. Beginn des der inneren Erziehungs- kosten. 





Schuljahres. Einrichtung. 


Personals. 








Gulden. 


Gulden. 


Gulden. 


Militar-Akademie . 


, 350 


174 000 


68 805 


242 805 


Techn.-Mil.-Akademie 


211 


112 700 


86 936 


199 096 


Mil.-Ob.-Realschule 


, 461 


149 000 


58 477 


207 477 


Mil.-Unt.-Realschulen 


215 


62 000 


24 800 


86 000 


Sankt Polten . . 


. 213 


63 000 


15 800 


88 800 


Eisenstadt . . . 


282 


73 000 


32 000 


105 000 




. 204 


61 700 


28 600 


90 300 


Militar-Waisenhaus 


, 140 


42 000 


13187 


55 187 



1 075 465 



Der von den Delegationen genehmigteVoranschlag fur 1 890/91 
betrug 1 288 308 Gulden. 

Zoglinge hatten am 1. Januar 1891 nach dem Militar- 
Schematismus: Militar-Akademie 400, Tecbnische Militar-Akademie 
222, Militar-Ober-Realschule 462, Unter-Realschule Guns 205, Sankt 
Polten 207, Eisenstadt 281, Kaschau 215. 



2. Fachbildungsanstalten. 

A. Hoherer Artillerie- und Genie-Kurs. 

Wesentliche Anderungen der Einrichtungen haben nicht statt- 
gefunden. Nach Dollereczek ist seit 1882 Unterricht in Volkswirt- 
schaftslehre und Statistik nicht mehr erteilt. 

Im Jahre 1889 legten die Vorprufung 31 Offiziere der Artillerie, 



») Streffleurs Osterr. mil. Zeitschrift, IV, Wien 1890. 



Digitized by Googl 



ftsterreich-Ungarti. 



405 



32 vom Genie ab, davon bestanden je 28, ausserdem wurden 3 bezw. 
10 unmittelbar einberufen. 

B. Kriegs schule. 
Die Bestimmungen, auf denen die gegenwartige Einricbtung be- 
ruht, 1 ) weichen von den auf Seite 282 ff. geschilderten namentlich in 
den Aufnabmebedingungen und in Bezug auf den zum Zweck des Ein- 
tritts zu fuhrenden Nachweis wissenschaftlicher Bildung, sowie darin 
ab, dass wiederum Artillerie- und Genie-Offiziere aufgenommen werden 
durfen. Nachdrueklieher als Mher wird verlangt, dass die Bewerber 
den praktischen Dienst grandlich kennen. Der wesentliche Inhalt ist: 
„Die Kriegsschule ist die Fachschule fur den Generalstab. Es 
werden in derselben besonders befahigte und vorgebildete , mit dem 
Truppendienste vertraute, eharakterfeste Berufsoffiziere in den Kriegs- 
wissenscbaften unterrichtet. Sie sollen daselbst die fur den Dienst 
im Generalstabe , sowie fur die bdhere Truppenfuhrung erforderliche 
sicbere Grundlage erhalten." Der Cbef des Generalstabes „fubrt die 
Oberaufsicbt betreflfs des Lehrvorganges und der tbeoretischen und 
praktischen Ausbildung der Frequentanten". Zu Erganzungen oder 
Anderungen des Studienplanes bedarf es der Genehmigung des Kriegs- 
ministeriums. 

Kommandant ist ein General oder ein Oberst des General- 
stabes, welchem ein Hauptmann als Adjutant beigegeben ist. Als 
Lehrer gehoren zum Stande der Anstalt 9 Stabsoffiziere oder Haupt- 
leute des Generalstabes und ein Rittmeister fur den Reitunterricht, 
sowie eine Anzahl von Offizieren, welche dem Stande anderer Militar- 
Bildungsanstalten oder dem Technischen und Administrativen Militar- 
Komitee an gehoren, und von biirgerlichen Lehrern. Fur den Reit- 
unterricht 8ind 30 arariscbe Pferde vorhanden; die berittenen Offiziere 
lassen ihre Chargenpferde bei den Regimentern und bringen nur die 
eigenen Pferde mit; letztere stehen in ararischen Stallungen; fur je 
3 wird ein Pferde warter kommandiert, so dass die Diener ganz fur 
die personlichen Ansprucbe der Offiziere verfugbar sind. 

Den Kommandanten und die als Lehrer zu verwendenden Stabs- 
offiziere ernennt und enthebt, auf den durch das Kriegsministerium 
zu unterbreitenden Vorschlag des Chefs des Generalstabes, der Kaiser; 
das ubrige Lehrpersonal der Kriegsminister. Die Lehrer bleiben 
moglichst mehrere Jahre in Verwendung, mehr als die Halfte soil 



*) N.-V.-BL, vom 31. December 1887 , 40. Stilck, C. V. vom 24. d. M. 
Pras. 6569. 



Digitized by Google 



406 Geschichte dee Militar-Erziehungs- und -Bildungawesens etc. 



nicht gleichzeitig gewechselt, neu eintretende sollen in der Regel zwei 
Monate vor Beginn des Schuljahres dem Kommando zur Verfugung 
gestellt werden. 

Zum Besuche werden ausser aktiven Offizieren des k. k. Heeres 
Landwehroffiziere auf Grund besonderer Bestimmungen zugelassen. 
Die Zahl der Frequentanten hangt von der der fur „geeignet" er- 
kannten Bewerber und den vorhandenen Raumlichkeiten ab. Von 
den Bewerbern wird verlangt: mindestens 3jahrige aktive Dienstzeit 
bei der Truppe (bis zum 1. Oktober), davon wenigstens 2 bei einer 
Kompagnie (Eskadron, Batterie); „sehr gute" Schilderung in der 
Qualifikationsliste, fur Kavalleristen und Feldartilleristen mindestens 
genugende Fertigkeit im Reiten; Ausdauer versprechende Korper- 
beschaffenheit; lediger Stand, geordnete finanzielle Verhaltnisse, nicht 
uberschrittenes 30. Lebensjabr; Kenntnis einer Nationalsprache der 
Monarchic (ausser der deutschen) in dem zum Dienstgebrauche ge- 
nugenden Masse, durch die Qualifikationsliste oder ein Priifungs- 
zeugnis nachzuweisen. 

Die Aufnahmeprfifung zerfallt in eine Vor- und eine Haupt- 
priifung; erstere im Marz unter Klausur bei den Truppen-Divisions- 
Kommanden, letztere im September an der Kriegsschule. Die Vor- 
priifung erstreckt sich auf: Geographic, Elementar-Mathematik 
einschl. spharische Trigonometrie und Kegelschnittlinien , praktische 
Geometrie, Rechtslehre, Wafifenlehre, Pionierdienst, Befestigung und 
Festungskrieg. Die Hauptprufung umfasst eine Klausurarbeit fiber 
ein Thema des allgemeinen Wissens zur Beurteilung des Stils; 
franzosische Sprache ; allgemeine Geschichte seit 1648 mit besonderer 
Beriicksichtigung der neuesten Kriegsgeschichte ; Heeresorganisation ; 
Exerzierreglement der drei Hauptwaffen, Dienstreglement II, Taktik; 
Terrain-Lehre und -Darstellung; Situationszeichnen. 

Der Umfang der Forderungen ist durch genetische Skizzen fest- 
gestellt, welche vom Schulkommando entworfen und durch das Eriegs- 
ministerium mitgeteilt werden; sie nennen auch die Studienbehelfe. 

Die Kosten der Reisen zu den Prufungen tragt der Staat. 

0ber die Aufhahmegesuche, welche von den Vorgesetzten 
„in Bezug auf Verwendbarkeit der Bewerber im Truppendienste, 
Charakter, Be^higung und Auffassung, Strebsamkeit etc. in be- 
8timmter, jeden Zweifel ausschliessender Weise, im Einklange und 
als Erganzung zur Qualifikationsliste" zu begutachten sind, ent- 
scheidet, im Einverstandnisse mit dem Chef des Generalstabes , das 
Krieg8ministerium. Die Vorprufungen finden uberall am gleichen 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 407 



Tage statt; die Aufgaben werden vom Schulkommando entworfen, 
durch das Ministerium den Kommanden versiegelt zugeschickt, vom 
rangalteren der mit Leitung der Prufung zu beauftragenden Offiziere 
(Generalstabsehef der Division und Stabsoffizier der Truppe) unmittelbar 
vor der Prufung eroffhet, am namhchen Tage ohne Benutzung von 
Hilfsmitteln geldst nnd im Konzept abgeliefert Samtliche Arbeiten 
gehen an das Schulkommando; dieses lasst die Beurteilung nnter 
Beobachtang von Vorsichtsmassregeln vornehmen, welche moglichste 
Unparteilichkeit gewahrleisten, indem sie dem Beurteilenden die 
Kenntnis der Namen der Verfasser vorenthalten , fasst die Ergeb- 
nisse in einer Klassifikationsnote zusammen, fur deren Aufstellung 
weiter unten mitzuteilende Grundsatze massgebend sind, und be- 
antragt auf Grund derselben beim Kriegsministerium Zulassung zur 
Hauptpriifung, Zulassung zur Wiederholung der Vorprufung oder Ab- 
weisung. Jene Wiederholung findet nur einmal statt, sie umfasst 
alle Prufungsgegenstande und erfolgt auf Kosten der Bewerber. 

Die Hauptprufung wird vor einer unter dem Vorsitze des 
Kommandanten aus den von diesem bestimmten Fachlehrern ge- 
bildeten Eommission abgelegt und durch Lehrer der Eriegsschule, 
nach Bedarf auch durch andere geeignete Personlichkeiten , vor- 
genommen. Die Priifenden stimmen, wenn sie nicht Kommissions- 
mitglieder sind, nur bei ihren eigenen Prufungsgegenstanden ; die Art 
der Prufung (ob schriftlich oder miindlich, ersteres unter Verschluss) 
und den Umfang bestimmt der Vorsitzende. Neben dem Wissen ist 
zu beurteilen „ob der Bewerber in logischer Ordnung und mit ge- 
wandtem schriftlichen Ausdrucke arbeitet und ob er seine Gedanken 
zusammenhangend und klar vorzutragen versteht". Die Ergebnisse 
werden als „vorziiglich" , „sehr gut", „gut", „geniigend" oder „un- 
geniigend" bezeichnet. Die Kommission verfasst dann fur jeden Be- 
werber einen „Befund uber den Gesamterfolg" und stellt ihre Reihen- 
folge fest. Der Gesamterfolg kaun auf „vorzuglich geeignet", 
„geeignet" , „ nicht geeignet" lauten; er ist fur die Einberufung in 
erster Linie massgebend. Ist er bei mehreren Bewerbern gleich, so 
entscheidet zunachst der Einzelerfolg in der Taktik, dann jener in 
der Heeresorganisation; sind auch diese gleich, so entscheiden der 
Offiziersrang, Auszeichnungen vor dem Feinde und die fur Friedens- 
dienstleistungen erhaltenen Anerkennungen. Die als „nicht geeignet 
erkannten" rucken sofort zum Truppenkorper ein; sie konnen nach 
Jahresfrist zur Wiederholung der Hauptprufung zugelassen werden, 
falls die Kommission sich mit Stimmenmchrheit dafur ausgesprochen 



Digitized by Google 



408 Ge&chichte de» Milit&r-Erziehungs- und -Bildungswesens etc 



bat. TTber die Zulassung entscheidet das Kriegsministerium. Als 
„geeignet" bezeichnete Bewerber, welche wegen Mangel an Raum 
nicht aufgenommen werden, behalten den ihnen zuerkannten An- 
spruch auf Zulassung im nachsten and dem darauffolgenden Jahre; es 
ist ihnen iiberlassen, behufs Verbesserung ihrer Klassifikation die 
Hauptprufung za wiederbolen. 

Von den 1873 vorgeschriebenen Lehrgegenstanden fehlen 
Volkswirtschaflslehre und deutsche Litteratur. Die neue Vorschrift 
nennt: Heerwesen; Taktik; Grundsatze tier Strategic, erlautert durch 
kriegsgeschichtliche Beispiele; Militargeographie; Terrain-Lehre und 
-Darstellung ; operative n und administrativen Generalstabsdienst; 
Waflfenwesen; Befestigung und Festungskrieg; Naturwissenschaften 
(hinsichtlich ihrer Anwendung fur Kriegszwecke); franzosische Sprache; 
Staats- und Vdlkerrecht; Vortrage fiber Kulturgeschichte ; Terrain- 
(Situations-) Zeichnen; Reiten. 

Die Vortrage dauern von der zweiten Oktoberhalfte bis Mitte 
Juni; vom 20. Juni bis Mitte August nimmt der 1. Jahrgang Map- 
pierung8- und Krokierubungen, der 2. taktische Studienreisen vor. 
Die Zeit bis Ende September wird yon jenem zum Auszeiobnen, for 
diesen zu weiterer Ausbildung im Reiten und zum Beiwohnen grosserer 
Truppenubungen unter Fuhrung der Lehrer, fur alle zum Besuche 
von Schlachtfeldern, Festungen, tTbungen der technischen Truppen, 
technischer Anstalten etc. benutzt; auch konnen kurze Urlaube er- 
teilt werden. 

Freiwilliger Austritt ist gestattet. Wenn laut der mit Stim- 
menmehrheit abgegebenen Ansioht der Lehrer der erwunschte Fort- 
gang fehlt, wenn Ernst und Eifer fur das Studium mangeln, bei 
langerer Versaumnis wegen Krankheit od. dgl. kann das Kriegs- 
ministerium Enthebung vom Besuche verfugen. Wiedereintritt mit 
oder ohne erneute Hauptprufung oder in Ausnahmefallen Fortsetzung 
der Studien durch Aufnahme in den 2. Jahrgang kann erfolgen, falls 
es bei der Enthebung befurwortet ist. Wiederholung eines Jahr- 
ganges ist nicht stattnehmig. Wer durch Krankheit verhindert war, 
die praktischen tTbungen mitzumachen, darf dies spater nachholen. 

Nach Beendigung der praktischen tfbungen werden die Unter- 
richtRerfolge von den Lehrern bezw. tTbungsleitern durch Klassifikations- 
noten begutachtet und in einer Konferenz der Lehrer vom Stande 
des Generalstabskorps unter Vorsitz des Schulkommandanten werden 
festgestellt: 1) der Erfolg in den einzelnen Vortragsgegenstanden auf 
Grund jener Noten (bei Taktik, operativem (Jeneralstabsdienste, 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn 



409 



Terraindarstellung and Situationszeichnen kommen auch die Map- 
pierang und die taktische Studienreise in Betracht); 2) die Eignung 
der Frequentanten des 1. fur den 2. Jahrgang; 3) der Gesamterfolg 
der Frequentanten des letzteren auf Grand der Einzelerfolge und des 
Ge8amteindrucke8 von ihrer Befahigung (nach Anhaltspunkten, welche 
das Mini8terium mitgeteilt hat); 4) der Antrag auf eingehende 
Schlussprfifung solcher Frequentanten, „welchen nach dem Gutachten 
der Eommission vermoge ihrer thatsachlichen Gesamtleistung der 
Anspruch auf eine bessere Beurteilung zuerkannt werden muss, als 
ihnen sonst formell zukame"; 5) die Eignung fur den Generalstab. 
An der Beschlussfassung nehmen toil: der Kommandant, die tfbungs- 
leiter bezw. Lehrer bei den unter 1), die Lehrer des 1. Jahrganges 
bei den unter 2), samtliche Mitglieder bei den unter 3), 4), 5) genannten 
Fragen. Die Urteile lauten auf „vorzuglich" , „sehr gut", „gut", 
„genugend", „ungeniigend". Fur den 2. Jahrgang darf nur vor- 
geschlagen werden, wer nach den bisherigen Wahrnehmungen einen 
gunstigen Studienabschluss erwarten lasst. 

In der 1. Oktoberhalfte nimmt der Chef des Generalstabes die 
Schluss-Inspizierung vor, welche ihm ermoglieht, die Urteile 
der Lehrer etc. zu prufen und die Frequentanten naher kennen zu 
lernen. Sie findet vor einer unter seinem Vorsitze aus dem Kom- 
m an dan ten, den Lehrern vom St a tide des Generalstabskorps und drei 
vom Kriegsministerium bestimmten Generalen oder Stabsoffizieren 
der Trnppe gebildeten Kommission statt. Sind unter den Frequen- 
tanten Offiziere der k. k. oder der k. ungarischen Landwehr, so ge- 
hort zur Kommission noch ein entsprechender Vertreter. Die Mit- 
glieder sollen zugleich Gelegenheit zu einem Einblicke in die Thatigkeit 
der Anstalt erhalten. Nach Massgabe des Raumes durfen die 
aktiven Offiziere vom Hauptmann etc. aufwarts den Prafungen bei- 
wohnen. Letztere beschranken si eh fur den 1. Jahrgang auf die 
zum Abschlussse gelangenden Facher. Der Chef des Generalstabes 
bestimmt fur jeden Gegenstand und Frequentanten Art und Umfang 
der Pruning; die Fragestellung bleibt im allgemeinen dem Prufenden 
uberlassen; die Kommissionsmitglieder durfen Zwischenfragen thun. 
Ordnet der Vorsitzende schriftliche Arbeiten an, so werden sie in 
begrenzter Zeit in Gegenwart von Kommissionsmitghedern angefertigt 
und durch die Fachlehrer begutachtet. Die Kommission beschliesst 
auch fiber die unter 4) genannten Priiflinge. Nach Bedurmis dient 
die Schhi8sprufung zur Erganzung der Schulurteile. 

An der Inspizierungsprufung konnen auch Offiziere teilnehmen, 



Digitized by Google 



410 



Geschichte dee Militar-ErziehungH- und -Bildungswesem etc. 



welche ohne Schulbesuch die Zuteilung zum Generalstabe oder 
die den Frequentanten in Gemassheit der Beforderungsvorschrift zu- 
kommenden BegQnstigungen zu erlangen wunschen. Sie machen 
schon die Mappierung und die Studienreise mit. Die Altersgrenze 
bleibt bei ihnen ausser Frage. Die Kosten ihrer Einberufung tragt 
der Staat. Nach der Schlussinspizierung kehren die Frequentanten 
des 2. Jahrganges der Regel nach zu ihren Truppenkorpern zuruck. 
Vom Gesamterfolge wird dem Einzelnen wie dem Truppenkorper 
durch das Schulkommando sofort Kenntnis gegeben, Klassifikations- 
auszuge werden nicht mitgeteilt. 



Die Zahl der Bewerber war immer gross. 1889 ward 111 
Offizieren gestattet, die Vorpriifung abzulegen. Davon bestanden 67, 
und zwar: Infanterie 28 von 43, Jager 9 von 13, Kavallerie 6 von 
18, Artillerie 13 von 23, Genie 9 (samtiich), Pioniere 5 von 6, 7 
Offiziere wurden unmittelbar zur Hauptpriifung einberufen. Es traten 
also 74 in den Wettbewerb. 1890 legten 107 die Vorpriifung ab, 
darunter: Infanterie 45, Jager 6, Kavallerie 16, Artillerie 17, Genie 
7, Pioniere 2. 

Kommandant der Kriegsschule ward 1886 an Stelle des FML. 
Daublewsky von Sterneck der GM. Emanuel Merta. 

C. Der Stabsoffiziers-Kurs. 

Eine A. E. vom 11. Juli 1875 (N.-V.-Bl., 26. Stuck, C.-V. vom 
15. d. M., Pras. 2810) verfugte, dass, nachdem ein grosser Teil der 
rangsalteren, jedoch durch langere Zeit noch nicht an die Be- 
forderungstour gelangenden Rittmeister den Zentral-Kavallerie-Kurs 
absolviert habe, letzterer vorlaufig zu sistieren bezw. mit dem Zentral- 
Infanterie-Kurse bis auf weiteres derartig zu vereinigen sei, dass zu 
letzterem, dessen Stand auf 90 Frequentanten festgesetzt wurde, 
alljahrlich funf Rittmeister einzuberufen seien. Die Aufgabe, Reiter 
und Reitlehrer auszubilden, ubernahm ein gleichzeitig fur alle be- 
rittenen Waffen eroflfnetes „Militar-Reitlehrer-Institut". 

Im folgenden Jahre ward die Anordnung durch die auf einer 
A. E. vom 2. November 1876 (N.-V.-Bl., 49. Stuck) beruhende 
Errichtung eines „Stabsoffizier-Kurses u erweitert Am 23. Dezember 
1875 war die neue Befdrderungsvorschrift vorangegangen, in welcher 
es heisst: „Um den Hauptleuten der Infanterie, Jagertruppe, ArtiUerie 
und des Pionierkorps, den Rittmeistern der Kavallerie, ferner den 
Hauptleuten der Geniewaffe, welche den Hoheren Geniekurs noch 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



411 



nicht absolviert haben, Gelegenheit zu bieten, sich fur die behufs 
Beforderung zum Major in der eigenen Waffe vorgeschriebene Prii- 
fang vorzubereiten, werden dieselben, wenn sie „im allgemeinen zur 
Befdrderung geeignet, geschildert sind, nach ihrem Range zar Fre- 
quentierung des Zentral- (Artillerie-Vorbereitungs-, Hoheren Genie-) 
Kurses aufgefordert." Eine Aufhahmepriifung fand nicht statt; Ab- 
legung der Schlussprufungen ohne Besuch der Lehranstalten war 
gestattet Auf die Beforderung konnte verzichtet werden. 

Mit Riick8icht auf den grossen Bedarf an Stabsoffizieren wurden 
die Kurse zunachst auf ftinf Monate und dementsprechend die Vor- 
trage beschrankt. Taktik und die Grundziige der Strategie waren die 
wesentlichsten Gegenstande des Unterrichtes ; Terrainlehre, Heeres- 
organisation, Waffenlehre, Pionierdienst und Befestigungskunst wurden 
als Hilfsfacher gelehrt und ausserdem die Militar-Strafgesetze er- 
lautert; auoh fand tJbung im Reiten und Unterweisung im Pferde- 
wesen statt. 5 Stabsoffiziere und ein Rittmeister erteilten den Unter- 
richt. Im allgemeinen galten die Vorschriften fur den Zentral-In- 
fanterie-Kurs. Auf Lehrziele, Vortragsweise etc. gehen wir nicht ein, 
da Ausdehnung der Kursdauer auf ein Jahr von vornherein in Aus- 
sicht stand. 

Eine formliche Schlussprufung fand nicht statt. Die Leistungen 
warden zunachst durch den Kommandanten und den Lehrkorper auf 
Grund des Ausfalles der im Laufe des Unterrichtes gelieferten schrift- 
lichen Arbeiten und der mit den Schulera gehaltenen Kolloquien 
als „entsprechend" oder „nicht entsprechend" bezeichnet und dann 
durch eine aus ein em General und Stabsoffizieren der Truppe be- 
stehende Kommission beurteilt, unter deren Aufsicht an zwei Tagen 
je eine Aufgabe aus den beiden Hauptfachern bearbeitet wurde. Aus der 
Strategie war es die Erlauterung von Grundsatzen dieser Wissenschaft 
an einem gegebenen Kriegsfalle. Die Pionierhauptleute losten ausser- 
dem eine Aufgabe, welche die Eigenart ihrer Waffe betraf und von ihrem 
Regiments-Kommandanten beurteilt wurde. Die Kommission entschied 
ferner iiber Frequentanten, hinsichtlich deren Kommandant und 
Lehrer ein einstimmiges Urteil nicht erzielt hatten; sie durfte diese 
mundlich und schriftlich priifen. Die abgekiirzten Kurse dauerten vom 
1. November bezw. 1. Mai bis 10. April bezw. 10. Oktober. Kom- 
mandant war ein General der Garnison Wien. Im Herbst 1881 
wurde dazu der Erzherzog Johann Salvator , gleichzeitig Komman- 
dant der 25. Truppen-Division, spater als Schiffskapitan Johann Orth 
durch Schiffbruch in der Siidsee verungluckt, ernannt, welcher sich 



Digitized by Google 



412 Geschichte des Militar-Erziehuuga- und -Bildungawesens etc. 



der ihm hochwillkommenen Aufgabe mit vielem Eifer und grossem 
Verstandnisse unterzog. Die Verhaltnisse hatten damals schon gestattet, 
normal Kurse stattfinden zu lassen. 

Eine A. E. vom 29. Januar 1882 (N.-V.-Bl., 4. Stuck) gab ihnen 
einen 

Lehrplan. 

Nach den „allgemeinen Bestimmungen u desselben war der 
theoretische Teil des Unterrichtes der ErSrterung und Begrundung 
der als bekannt vorausgesetzten Vorschriften , Einrichtungen und 
Verhaltnisse des k. k. Heeres gewidmet; der Unterricht sollte so weit 
als mogb'ch im Wege der Besprechung mit den Horern erfolgen, 
den neuen Erscheinungen im Kriegswesen sollte besondere Beachtung 
geschenkt werden. Die Gesamtheit der Vortrage hatte den jeweiligen 
Stand der Kriegswissenschaften in grossen ZQgen zur Darstellung zu 
bringen. Von der Anschauung war ausgiebigster Gebrauch zu 
machen, die Auswahl der Lehrmittel und der Lernbehelfe den Vor- 
tragenden zu iiberlassen. 

Der theoretische Unterricht fand taglich in 3 bis 4 Vor- 
mittag8stunden statt. 1876 war derselbe nicht auf diese Tageszeit 
beschrankt gewesen; es soil ten aber 1 bis 2 Nachmittage fur das 
Eigenstudium frei bleiben. Am Samstage trat an seine Stelle eine 
taktische Arbeit im Freien, bei ungiinstiger Witterung eine solche, 
8chriftliche, im Lehrsaale. 

Wahrend des praktischen Kurse s (21. Juni bis 31. Juli) 
fand eine 3 wochentliche taktische tJbungsreise , und vom 16. bis 
31. Juli ein Besuch der Armee-Schutzenschule in Bruck an der 
Leitha statt. Letzterer hatte namentlich mit dem feldmassigen 
Schiessen bekannt zu machen. Fur jeden Frequentanten standen 
100 scharfe Patronen zur Verfugang. 1876 waren Reisen nur so- 
weit zulassig, als die Geldmittel gestatteten. 

Die Lehrer hatten sich durch Eolloquien, kurze im Lehrsaale 
ausgearbeitete, schriftliche Aufgaben und Ausarbeitungen im Freien 
von der Auffassung und den Kenntnissen der Frequentanten auf das 
genaueste zu unterrichten. Mindestens zweimal wahrend des Kurses 
fanden unter Vorsitz des Kommandanten Versammlungen des Lehr- 
korpers statt, in welchen uber die Unterrichts-Ergebnisse berichtet 
ward und alle Angelegenheiten behandelt wurden, welche gemeinsame 
Beurteilung erheischten. Die Beschlusse wurden durch Stimmen- 
mehrheit gefasst. 

In der Zeit vom 1. bis zum 10. August fand der Abschluss 



Digitized by Google 



dsterreich-Ungarn. 413 



des Kurses statt. Die Beurteilung erfolgte durch eine aus dem 
Lehrpersonale und hdberen Stabsoffizieren der Truppe bestehende 
Kommission. Am 1. Tage ward eine taktische, am 2. eine strategische 
Aufgabe schriftlich bearbeitet, am 3. und 4. fand mundliche oder 
schriftliche Prufung von Frequentanten statt, iiber deren Gesamt- 
erfolg die Kommission geteilter Meinong war. Die Beurteilung 
lautete auf „vorzuglich", „sehr gut", „gut", „genugend" oder „un- 
geniigend", der Gesamterfolg „entsprechend" oder „nicht entsprechend". 
Pionieroffiziere hatten ausserdem eine Rekognoszierung vorzunehmen 
und daruber ein durch die Beforderungsvorschrift gefordertes Memoire 
zu verfassen. Wiederholung des Besuches wegen nicht entsprechen- 
den Erfolges war unstatthaft, es konnte aber die Schlussprufung in 
den betreffenden Fachern wiederholt werden. Auch durfte letztere 
ohne Teilnahme am Kurse abgelegt werden. 

Vier Stabsoffiziere lehrten die tbeoretischen Facher; ein Major 
erteilte den Reitunterricht, fur welchen 20 ararische Pferde zur 
Verfugung standen ; nach Bedarf konnten externe Lebrer herangezogen 
werden; die Oberleitung fuhrte ein General der Garnison Wien; der 
Reitlehrer war zugleich Hauskommandant. Die unverheirateten Fre- 
quentanten wohnten moglichst im Gebaude der Anstalt (Stiftskaserne 
in der Mariahilfer Strasse), „externe a Horer wurden nicht zugelassen. 

Durch N.-V.-Bl. vom 28.Februar 1885, 9. Stuck, wurde bestimmt, 
da88 dem Eintritte eine zweijahrige Yerwendung im praktischen 
Truppendienste der Waffe unmittelbar vorangegangen sein musse 
und dass eine ungenugend ausgefallene Schlussprufung in samtlichen 
Gegenstanden zu wiederholen sel 

Gemein8amesZielfur alien Unterricht war : Vervolikommnung 
in alien militarischen Kenntnissen, welche dem Stabsofnzier notig 
sind, urn die theoretische und praktische Ausbildung der Truppe und 
des Offizierkorps, sowie den Dienst uberhaupt zu leiten; ferner um 
das Kommando uber eine aus alien Waffengattungen zusammen- 
gesetzte Truppe in den mannigfaltigen Kriegslagen richtig fuhren 
zu konnen. 

Lehrziel, Vortragsweise und wesentliche Unterrichts- 
stunden waren fQr 

Taktik, den wichtigsten Gegenstand: Wiederholung der im 
k. k. Heere bestehenden Vorschriften der drei Hauptwaflfen, unter 
Hervorhebung des Geistes der Vorschriften, dann Anwendung der- 
selben durch Besprechung kriegsgeschichtlicher Beispiele und Losung 



Digitized by Google 



414 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



von Aufgaben; zum Schlusse Besprechung der Instruktion fur die 
Waffenubungen. — 4Va Wochenstunden. 

Grundzftge der Strategic, erortert bezw. begrundet durch 
militar-geographische Besprechung der wichtigen Kriegsschauplatze 
und kriegsgeschichtliche Beispiele, wobei die Militargeographie zur 
Strategic in dasselbe Verhaltnis tritt, in welchem die Terrainlehre 
zur Taktik steht, indem sie die Kenntnis der militar-geographischen 
und -statistischen Verhaltnisse der Strategic vermittelt. Die Wechsel- 
beziehungen zwischen Taktik und Strategic, namentlich ihre zahl- 
reichen Analogien, waren hervorzuheben. — 3 (1876 4) Wochen- 
stunden. 

Terrainlehre: Benennung, Charakteristik , Darstellungsweise 
der Terrainteile , militarische Beurteilung und Beschreibung des 
Terrains; Kartenlesen; Zurechtfinden im Freien nach der Karte. — 
3 Wochenstunden. 

Heeresorganisation: Wehrgesetz und Organisation der eigenen 
Wehrkraft; Organisation im Felde im allgemeinen, genauer die einer 
Truppendivision. Grundzflge der Organisation der grosseren euro- 
paisehen Heere. — l l /s Wochenstunden. 

Waffenlehre: Einrichtung der eigenen blanken und Hand- 
feuerwaffen sowie des Materials der Feld-Artillerie ; Konstruktions- 
grundzuge insbesondere der Feuerwaffen. Taktische Bedeutung 
von Flugbahn, Treflfwahrscheinlichkeit und Geschosswirkung (ohne 
mathematische Beweise). Schiessinstruktion fur Infanterie und Jager. 
tJbersicht tiber das Material der k. k. Festungsartillerie. Grundzuge 
der Bewaffnung der grosseren europaischen Heere. — 2 Wochen- 
stunden. 

Pionierdienst und Befestigungskunst: Beschaffenheit, 
Zurichtung, Verwendung des Materials fur Pionierarbeiten im Felde. 
Verrichtungen der technischen Truppen, welche ein selbstandiger 
Kommandant auf dem Marsche, im Lager, vor und im Gefechte an- 
zuordnen und zu uberwachen hat. Das k. k. Kriegsbrflcken-Material. 
Typen der Feld- und bestandigen Befestigungen ; Grundzuge des 
Festungskrieges. — lVi Wochenstunden. 

Militarstrafgesetze: Die wichtigsten mit Nutzanwendungen, 
besonders Falle, in denen der Kommandant selbstandig zu urteilen 
hat — l x /t Wochenstunden. 

Fflr die Frequentanten der Fusstruppen: Theoretischer 
und praktischer Unterricht im Reiten und Pferdewesen in dem 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



415 



fur die Infanterie-Equitationen l ) vorgeschriebenen Umfange. Der 
Unterricht wird durch Anschauung am lebenden Pferde und am 
Skelett, im Stalle, in der Schmiede, beim Reiten in der Reitschule 
nnd im Freien erteilt. — 3mal wochentlich, darunter ein Ritt in 
das Preie. 

Durch C.-V. vom 20. Februar 1885 (N.-V.-Bl., 9. Stuck) wurde 
die Zahl der Wochenstunden fur Taktik auf 6, Terrainlehre 2, 
WafFenlehre 1 */i festgesetzt, so dass die Gesamtdauer des theoretischen 
Unterrichts 17 1 /* Stunden betrug. Das LehTziel etc. der Strategie 
wurde geandert und die Forderungen herabgesetzt ; namentlich wurden 
keine Anspruche an kriegsgeschichtliche Kenntnisse mehr gemaeht. 

In Gemassheit einer A. E. vom 20. April 1886 (N.-V.-Bl., 15 Stuck) 
erhielt der Kurs einen eigenen Kommandanten, gleichzeitig Inspektor 
der Armee-Schiessschule zu Bruck an der Leitha, in der Person des 
GM. Friedrich Hotze. 



Die gegenwartige Einrichtung beruht auf einer A. E. vom 
15. August 1886 (N.-V.-BL, 30. Stuck), welche den Kurs bestimmt, 
„rangaltere Hauptleute der Infanterie und der Jagertruppe , Ritt- 
meister der Kavallerie und Hauptleute der Feld- und Festungs- 
artillerie, des Pionier- und des Eisenbahn- und Telegraphen-Regiments, 2 ) 
welche die Beforderung zum Stabsofnzier anstreben, zu vereinigen, 
um auf applikatorischem Wege fur ihre Stellungen als Abteilungs- 
kommandanten vorbereitet zu werden". 

Gegenstande dieser Vorbereitung sind: „Kenntnis der 
Eigenttimlichkeiten , der Gefechtsweise und des Zusammenwirkens 
der drei HauptwafiFen; die Erzielung gleichartiger Anschauungen in 
der angewandten Taktik und gleichmassige Auffassung der taktischen 
Vor8chriften der k. k. Armee; Erzielung von Gleichmassigkeit und 
moglichste Klarheit in der Abfassung von Befehlen und Meldungen ; 
das Waffenwesen; die Waffenwirkung der Infanterie- und Artillerie- 
geschosse; Kenntnis der das Gewehr- und Schiesswesen betreffenden 
Reglements und Instruktionen; tTbung in der Anordnung und Aus- 
fuhrung der im Kriege meist vorkommenden technisch-fortifikatoriscben 



«J Naheres: „Instruktion ftlr die Truppenschulen der Infanterie etc." 
3. Aufl., Wien 1886, S. 73 ff.; „Leitfaden fiber den Vorgang beim Unterricht 
in den Infanterie-Equitationen." 

*) Offiziere dieses Regiments, welche der GeniewafFe entstammen und in 
dieee zuruckzutreten wfinschen, besuchen den Hdheren Geniekurs. 



Digitized by Google 



416 Geschichte dea Militar-Erziehunga- und -Bildungawesena etc. 



Herrichtungen ; Kenntnis der Grundbegriffe und der Terminologie 
der Strategic; Methode der Ausbildung der Offiziere." 

Der Kurs steht unmittelbar unter dem Kriegsminister, welcher 
die Inspiziemngen personlich oder durch Beauftragte vornimmt; der 
Personalstand ist gegen fruher urn 1 Stabsoffizier (Lehrer) und 3 
Pferde herabgesetzt, so dass er deren 3 bezw. 12 zahlt. Der Reit- 
lehrer (Major) ist wie bisber Hauskommandant und Prases der Ver- 
waltungskommi8sion. Die Frequentanten bringen eigene Pferde in 
der ihnen zustehenden Anzahl mit; fur je 3 ist ein Soldat als Warter 
bestimmt. Kommandant ist ein General, zugleich Kommandant 
der Armee8chies8schule. Zu seinen Pflichten gehoren Leitung und 
Uberwachung des Unterrichtes und Festhaltung eines gleichmassigen 
Gesichtspunktes bei Beurteilung aller Frequentanten. Es ist ihm 
ein Adjutant beigegeben. Stabsoffiziere als Lehrer ernennt der 
Kaiser, das ubrige Lehrpersonal der Kriegsminister. Letzterer be- 
stimmt alljiihrlich die Zahl der Frequentanten, jeder derselben 
erhalt monatlich 6 Gulden zur Anschaffung von Studienbehelfen. 

Der Lehrkurs dauert vom 15. Januar bis zum 12. August; 
demselben geht ein Spezialkurs fur die Artillerie (s. unten) 
voran. 

Zur Aufnahme konnen nur solche Hauptleute etc. gelangen, 
welche im allgemeinen als zur Beforderung geeignet geschildert sind ; 
sie mussen die erforderliche korperliche und geistige Frische, hin- 
reiehende Befahigung, gute Auflfassung, die Charaktereigenschaften 
und eine der Stellung des Stabsoffiziers entsprechende soziale Bildung 
besitzen und die praktische Eignung zum Abteilungskommandanten 
nachgewiesen haben. Der Einberufung muss eine mindestens 2jahrige 
ununterbrochene Dienstleistung bei der Truppe oder als Kommandant 
einer Kadettenschule oder als Kompagnie- etc.- Kommandant an einer 
solchen oder einer Militar-Akademie unmittelbar vorhergehen. Die 
bei der Priifung von den Hauptleuten der Pioniere zu erf&llende 
Sonderforderung ist auf die des Eisenbahn- und Telegraphen-Regiments 
ausgedehnt. Die Schlussbeurteilung lautet nur auf „entsprechend" 
oder „nicht entsprechend". 

Die Grundzflge des Lehrplanes nennen als Mittel zur Er- 
reichung der gesteckten Ziele: Mundliche Vortrage; Studien von 
Gefechten und Schlachten; technisch-applikatorische Aufgaben im 
Zimmer und im Freien; Rekognoszierungen und Rekognoszierungs- 
berichte; Studienreisen auf Gefechtsfeldern ; tTbungsritte ; Vorfuhrung 
von tfbungen aller Truppengattungen ; Schiessfibungen der Artillerie; 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



417 



Besuch der Annee-Schiessschule und wichtiger Militar-Anstalten ; 
Kriegsspiel; Reitunterricht fur die Hauptleute der Fasstrappen und 
der Artillerie. 

Die taktisch-applikatorischen Ubungen begreifen: Fluch- 
tige Befestigung von Objekten und kleineren Abschnitten; Herrichtung 
eines Kriegskantonements; Lager; Stdrung des Eisenbahn- und Tele- 
graphenbetriebes; Zerstorung von Bahnstrecken ; Weg-Herstellungen 
oder -Verbesserungen; Aufsuchen und Beurteilen von Bracken schlags- 
stellen; Prufung der Tragfahigkeit von Brucken; Rekognoszierungs- 
berichte etc. Auch die Organisation der Armee im Felde ist in 
Betracht zu Ziehen. Die gewohnlichsten strategischen Begriffe sind 
durch Besprechung eines kurzen Feldzuges zu erlautern. 

Der Unterricht im Waffenwesen umfasst: Wirkungsfahigkeit 
der Feuerwaffen; Konstruktionsgrundsatze fur dieselben, abgeleitet 
aus den Forderungen der Wirkung am Ziele. 

tTber Gegenstande ausserhalb des Rahmens dieser Grundziige 
konnen Vortrage eingeschaltet werden; Hauptleute der Artillerie, des 
Pionier- und des Eisenbahn- etc.- Regiments konnen Versuchen des 
Technischen und Administrativen Militarkomitees beiwohnen. 

UnterrichtsprogTamm und Zeiteinteilung sind vor Beginn des 
Kurses dem Ministerium einzureichen. 

Zum Kurse 1886/7 waren einberufen Frequentanten der In- 
fanterie 58, Jager 4, Kavallerie 22, Artillerie 11, Pioniere 1, Eisen- 
bahn- etc.- Regiments 1. 

Der Spezialkurs fur Feld-, Festungs- und technische 
Artillerie (15. Oktober bis 5. Januar) soli Gelegenheit geben, die 
Kenntnisse in Artillerie-Lehre, Artillerie-Ausrustung und Festungskrieg 
in dem fur hohere Kommandostellen erforderlichen Masse zu er- 
weitern. 

Nach Schluss desselben nehmen die Hauptleute der Feld- und 
Festungs-Artillerie am Unterrichte des Kurses teil ; die der technischen 
Artillerie setzen ihre Studien im k. k. Arsenale zu Wien fort; alle 
jedoch nur, wenn sie als „geeignet" anerkannt sind. 

Das Inspizierungsrecht steht dem General-Artillerie-Inspektor 
zu; die wissenschaftliche Leitung und die Prufungen sind Sache des 
Prasidenten des Technischen und Administrativen Militar-Komitees. 
Der Unterricht findet in den Lehrsalen des Stabsoffizierkurses statt, 
dessen Kommandanten die Frequentanten in militardienstlicher etc. 

Monumenta Germaniae Paedagogio» XV. 27 



Digitized by Google 



418 Geechichte des Militfir-Erziehungs- und Bildungswesens etc. 



Beziehung unterstehen. Die Lehrer werden dem Militar-Komitee 
entnommen. 

Der theoretische Unterricht umfasst: Allgemeine Grundsatze 
des Artillerie-Konstruktions- und -Schiesswesens mit steter Beruck- 
sichtigung der Anwendung und Beschrankung auf die einfachsten 
mathemati8chen Begriindungen ; vergleichende allgemeine tTbersicht 
der Artillerie der europaischen Hauptmachte; Grundsatze der Be- 
lagerungs- und Festungsausrustung der Artillerie ; Taktik des Festungs- 
krieges mit besonderer Berucksichtigung der Artillerie und der ihr 
zufallenden technischen Herrichtungen. Der Vortrag ist zu erganzen 
durch: Vorfuhrung von Versuchsergebnissen ; Bearbeirung appli- 
katorischer Aufgaben; Besprechung von Beispielen der Kriegs- 
geschichte; Besuch wichtiger Militaranstalten; Teilnahme an ttbungen 
der Artillerie-Schiessschule. 

Wahrend des allgemeinen Kurses wird der Unterricht in den 
Artillerie-Fachgegenstanden applikatorisch fortgesetzt. Wahrend des 
Spezialkurses erhalten die Hauptleute der Festungs-Artillerie Reit- 
unterricht. 

Fur 1891/92 ist eine versuchsweise Anderung dieser Einrichtungen an- 
geordnet, darin bestehend, dass zwei Kurse, void 21. August 1891 bis 15. Januar 
und vom 1. Februar bis zum 30. Juni, stattfanden. Mit Riicksicht auf die 
Jahreszeit musste fur jenen der praktiache Teil dee Lehrplanee vor dem theo- 
retischen erledigt werden. Es wurde mit einem funftagigen Besuche der 
Brucker Schiessschule begonnen, dann wurden nach einiger tibeoretischer Vor- 
bereitung mehrere praktische Cbungen in der Umgegend von Wien and vom 3. 
his 20. Oktober eine Obungsreise auf die Schlachtfelder von 1866 in Bohmen 
unternommen. Der ubrige Teil der Zeit war Vortragen, der Bearbeitung schrift- 
licher und der Losung mflndlicher Aufgaben auf Kriegsspielplanen gewidmet 
Der zweite Kurs nahm den normalen, allerdings in einen engeren Zeitraum 
zusammengedrangten Verlauf. 



3. Die Truppenschulen. 

A. Kadettensohulen. 

Die Grundzflge der Einrichtung wurden durch A. E. vom 27. 
Oktober 1875 (N.-V.-BL, 42. Stuck) vorgeschrieben. Die Ausfuhrung 
ergab zunachst vorubergehende Zustande. Es mussten die be- 
st ehenden Kurse zu Ende gefahrt, die neuen vorbereitet werden. 
Es gait Raumlichkeiten zu schaffen, den Unterrichtsplan festzustellen, 
das Lehrpersonal zu schulen, den Zugang zu regeln. Auf eingehende 
Dar8tellung der tlbergangsverhaltnisse mussen wir verzichten. Wir 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



419 



finden am Schlusse des Jahres 1876 8 definitive Kadettenschulen : zu 
Wien, Prag, Budapest mit je 400, Lobzow bei Krakau mit 240, 
Hermannstadt and Press burg mit je 200, Liebenau bei Graz mit 170, 
Triest mit 130 Frequentanten ; provisoriscbe zu Lemberg mit 200, 
Agram mit 170, Brunn mit 160, Innsbruck, Kaschau, Temesvar mit 
je 100 Frequentanten; 7 Vorbereitungsschulen, dem I. und 2. Jahr- 
gange einer Kadettenschule gleichstehend : zu Belovar mit 120, 
Olmutz und Laibach mit je 80, Thum in Kroatien mit 70, Linz 
mit 60, Essegg und Ottocac mit je 50, zusammen also mit 3480 
Frequentanten. Kavallerieabteilungen, zugleich fur das Militar-Fuhr- 
wesens-Korps, bestanden zu Wien, Prag, Budapest und Lemberg. 
Ferner bestanden Kadettenschulen zu Wien fur Artillerie mit 480, 
zu Hamburg fur Pioniere mit 150, zu Wien fur Genie mit 2 Jahr- 
gangen und einem Yorbereitungskurs und mit 70 Frequentanten, so 
dass im ganzen 4180 Kadettenschuler vorhanden waren. 

Bestimmung derSchulen war: Kadetten zu liefern, welche, 
nachdem sie sich im praktischen Dienste bewahrt haben wurden, zu 
Offiziers-Stellvertretern und demnachst zu Offizieren befordert werden 
konnten; sie standen unter denjenigen General-(Militar-)Komman- 
den, in deren Bereichen ihre Stationen lagen. Die Schuler waren teils 
Truppeneleven (S. 424), teils Frequentanten, d. h. assentierte Soldaten 
im Alter von mindestens 17 Jahren, welche sowohl aus den Truppen- 
eleven, wie aus der Truppe selbst hervorgingen. Alle waren kasernen- 
massig untergebracht und wie die ubrige Mannschaft gelohnt, 
erhielten aber Aufbesserungen zur Menage und halbweisses Brot. 

Die Frequentanten der Infanterie-, Jager- und Sanitatstruppe 

trugen laut A. E. vom 19. Oktober 1876 die Montierung des Infanterie- 

Regiments Kaiser Franz Josef Nr. 1 ; die der Kavallerie-Abteilungen 

mit kleinen Abweichungen die des Husaren-Regiments Kaiser Franz 

Josef Nr. 1, daneben das Armelleibel der Infanterie, blaugraue Tuch- 

pantalons mit krapprotem Passepoil und Halbstiefel mit Sporen; 

die der Artillerie bezw. des Genie die der Festungsartillerie bezw. 

des Genie mit glatten Knopfen; die Pioniere die des Regiments. 

Wer beim ersten Klassifikationsabschlusse mindestens als „geniigend" 

beurteilt war, erhielt als Auszeichnung eine schmale Goldborte rings 

urn die Armel oberhalb des Aufschlages ; vermogende beschafiten die- 

selbe aus eigenen Mitteln, fur die ubrigen wurde sie aus dem Schul- 

pauschale bezahlt. Die Uniformen waren aus vorgeschriebenem 

Monturatuche angefertigt. Samtiiche Frequentanten trugen Hand- 

schuhe. Wasche, Fusszeug, Feldkappen, Halsbinden und Handschuhe 

27* 



Digitized by Google 



420 



Geachichte des Militiir-Erziehuiigs- und -Bildungswesens etc. 



durften aus eigenen Mitteln und aus besseren Stoffen als die gelieferten 
beschafft werden. Es wurden vorgetragen: Deutsche Sprache und Stil, 
eine der anderen Nationalsprachen , Geographic, Geschichte, Physik, 
Chemie, Mechanik, Arithmetik, Algebra im Umfange des Lehrplanes der 
bfirgerlichen Realschule; ferner Terrainlehre und praktische Messkunst, 
Waffenlehxe, Heeresorganisation und -Verwaltung, die Reglements, 
Taktik, Pionierdienst, Feld- und bestandige Befestigung, Militar- 
Strafgesetze ; dazu an den betreffenden Anstalten die besonderen 
Berufskenntnisse. 

Fur Bewerber, welehe die Kadettenprufung ablegen wollten, 
ohne die Kadettenschule absolviert zu haben, ward unter 
dem 2. August 1876 (N.-V.-Bl., 36. Stuck) eine Vorschrift erlassen, 
deren Bestimmungen den fur die Frequentanten der Schulen gelten- 
den entsprachen. 

Mit dem Beginne des Schuljahres 1878/7 9 war die Umgestaltung 
durchgefuhrt. Eine A. E. vom 3. August 1878 (N.-V.-BL, 40. Stuck) 
stellte die Neuordnung fest. Es bestanden nunmehr 14 Infanterie- 
Kadettenschulen zu Wien, Budapest, Prag, Lobzow, Karthaus bei 
Briinn (1877 aus Brunn dahin verlegt), Hermannstadt, Pressburg, 
Lemberg, Agram (1. und 2. Jahrgang als Filiale zu Karlstadt, wohin 
die Schule 1880 ganz verlegt wurde), Liebenau, Innsbruck, Triest, 
Temesvar, Kaschau, eine Kavallerie-Kadettenschule zu Weisskirchen 
in Mahren und die Kadettenschulen fur Artillerie, Genie und Pioniere 
an ihren fruheren Standorten. Die am 1. September 1878 aufge- 
stellte Anstalt zu Weisskirchen hatte nur den 3. und 4. Jahrgang 
mit je 2 Parallelklassen zu 60 Zoglingen; wer nicht unmittelbar in 
einen dieser Jahrgange eintreten konnte, machte die niederen an einer 
Infanterieschule durch. Die Frequentanten vom Fuhrwesenskorps 
wurden als besondere Abteilung der Prager Schule zugewiesen; sie 
erhielten den Unterricht im Reiten und Fahren bei einer Abteilung 
ihrer Truppe. Fiir die Sanitatstruppe ward eine Abteilung bei der 
Schule zu Pressburg geschaffen. 

Die Zahl der Schuler betrug zwischen 120 und 400, im 
ganzen waren 4340 vorhanden. Als Kommandanten waren uberall 
Stabsoffiziere oder berittene Hauptleute, als standige Lehrer je 8 
bis 10 Hauptleute und Subalternoffiziere in Verwendung; bei den 
Infanterie-Schulen zu Wien, Budapest und Prag, welche Parallel- 
klassen hatten, doppelt so viele; die Artillerieschule hatte 23, die 
Pionierschule 11 standige Lehrer; an der Genie-Schule unterrichteten 



Digitized by Google 



Oaterreich- Ungarn . 



421 



die Lehrer der Technischen Militar-Akademie. Ausserdem war bei 
jeder Schule 1 Unteroffizier als Lehrgehilfe angestellt. Die Kadetten- 
schulen der Infanterie und Kavallerie standen unter den General- 
(Militar-)Kommanden, die Artillerieschule unter dem Artilleriedirektor 
beim Generalkommando Wien, die Geniesehule unter dem Kommando 
der Technischen Militar-Akademie, die der Pionierschule unter dem 
des Regiments. 

Die Einrichtungen der Genie-Kadettenschule, welche 1878 
nicht verandert waren, kamen durch eine A. E. vom 3. August 187 9 
(N.-V.-BL, 32. Stuck) zum Abschlusse. Die Anstalt ward in eine 
innigere Verbindung mit der Technischen Militar-Akademie gebracht 
und wissenschaftlich ganz mit derselben verschmolzen. Der Vor- 
bereitungskurs wurde der 3. Jahrgang; in militarischer Beziehung 
bildete die Schule eine Kompagnie, deren Kommando ein Lehrer 
der Akademie fuhrte. Die Frequentanten (Soldaten oder Truppen- 
eleven) mussten die gleichen wissenschaftlichen Vorbedingungen erfullen 
wie die Akademiker, hatten mit diesen gemeinschaftlichen Klassen- 
rang und wurden auf Grund der Schlussbeurteilung mit jenen zu 
Lieutenants befordert 



Weiteres uber die Einrichtung ordnete auf Grund einer A. E. 
vom 11. Januar 1880 die Instruktion fur die Truppenschulen 
des k. k. Heeres, VIII. Teil: Kadettenschulen. J ) 

Allgemeine Bestimmungen. 

Bestimmung der Kadettenschulen ist die Ausbildung zu 
Kadetten, aus denen sich die Berufsoffiziere erganzen. 

Es sind solche vorhanden fur Infanterie und Jager, Kavallerie, 
Artillerie, Genie und Pioniere. Bei der Infanterie-Kadettenschule zu 
Pressburg besteht eine Abteilung fur die Sanitats-, zu Prag fur die 
Train truppe. Die Kadettenschule der Kavallerie hat 2, die des 
Genie 3 V alle ubrigen haben 4 Jahrgange. 

Stand an Zoglingen: Infanterie-Kadettenschulen Wien, Buda- 
pest je 320, Prag 280, Lobzow, Karlstadt, Triest, Hermannstadt, 
Karthausje 160, Liebenau, Pressburg, Temesvdr je 120, Pressburg 100; 
Kavallerie-Kadettenschule Weisskirchen in Mahren 180; Artillerie- 
Kadettenschule Wien 320; Genie-Kadettenschule Wien 36; Pionier- 



») Im Druck erschienen: Wien 1880 laut N.-V.-Bl., 10. Stuck. 



Digitized by Google 



422 Geschichte des Militar-Ereiehungs- und -Bildungawesens etc. 



Kadettenschule Hainburg 160 (40 Pioniere und 120 Infanteristen 
und Jager, welche letztere den betreffenden Waflfen einen im Pionierfache 
grundlich geschulten Nachwuchs sichern sollen). 

Fur die militardienstliche Leitung sind die Sehulen in 2 bis 4 
Kompagnien (Eskadrons) geteilt Wo es ndtig ist bestehen fur den 
Unterricht Parallelkurse; keine Klasse soli mehr als 50 (anfangs 60) 
Schuler zahlen. 

Die Kadetten sehulen , ausgenommen die des Genie, unterstehen 
im Wege jenes General- oder Militar- (spater Korps-) Kommandos, 
in dessen engerem Amtsbezirke sie aufgestellt sind, die Genie- 
Kadettenschale, durch dasKommando der Technischen Militar-Akademie, 
dem Kriegs-Ministerium. Jene Kommanden haben „auf den gesamten 
Dienstbetrieb, den Unterricht und die Ausbildung der Frequentanten 
Einfluss zu nehmen". Es ist ihnen jedoch gestattet, mit dieser Auf- 
gabe Persdnlichkeiten ihres Befehlsbereiches zu beauftragen. 

Das Erziehungs-, Lehr-, Administrations- und arztliche 
Personal besteht aus dem Kommandanten, den Lehrern (standigen, 
externen, vom Zivil, Lehrgehilfen), dem nur an grosseren Sehulen vor- 
handenen Okonomieoffizier, dessen Verrichtungen sonst standige 
Lehrer wahrnehmen, dem Militararzte bezw. Tierarzte, dem Rechnungs- 
hilfsarbeiter (Unteroffizier). 

Jeder Offizier vom aktiven oder Ruhestande darf um Verwen- 
dung bei einer Kadettenschule bitten. In dem Gesuche sind Vor- 
leben, Eignung etc. nachzuweisen. Kommandanten und standige 
Lehrer ernennt das Kriegsministerium, externe weist die Oberleitung 
nach eingeholter Erlaubnis des Ministeriums zu; letztere durfen an- 
gestellt Werden, wenn einzelne Unterrichtsgegenstande nicht durch 
standige Lehrer vorgetragen werden konnen. Die ausnahmsweise 
Verwendung von Zivillehrern unterliegt kriegsministerieller Genehmi- 
gung. Kommandanten bleiben mindestens 3, st&ndige Lehrer des 
aktiven Standes, welche Wissenschaften vortragen, deren Beherrschung 
langerer Vorbereitung bedarf, mindestens 5, sonst 3 Jahre in ihrer 
Verwendung. Der Wechsel findet nach beendetem Schuljahre statt. 

Der Kommandant ist ein aktiver Stabsoffizier oder Hauptmann 
(Rittmeister) von der betreffenden Waffe. Er tragt die voile Ver- 
antwortung fur den Dienstbetrieb und hat namentlich zu sorgen, 
dass in den Kadettenschulen der Charakter der Truppenschulen nie 
verloren gehe: „Es muss der moglichste Kontakt mit der Truppe 
erhalten bleiben, damit in ihnen ein reges Leben herrsche und ein 
echter Soldatengeist gedeihe." Eine Wiederkehr der fruheren kloster- 



Digitized by Google 



Osterreich-TJngarn . 



423 



lichen Zustande sollte vermieden werden. „Der theoretische 
Unterricht muss so erteilt und die praktische Ausbildung 
derart betrieben werden, dass die Frequentanten nach vollstandiger 
Absolvierung den Dienst eines Kompagnie- etc.- Offiziers bei der 
Truppe anstandslos versehen konnen." Die militar-dienstlichen und 
taktischen tTbungen leitet der Kommandant personlich; die Lehr- 
facher verteilt er nach der Eignung der Lehrer; zu den rein mili- 
tarischen tTbungen werden nur standige Lehrer vom aktiven Stande 
herangezogen. Hauptgegenstand der Fursorge des Kommandanten 
ist die Erziehung fur den Beruf und die gesellschaftliche Stellung 
k. k. Offiziere. Bei dem religiosen Teile derselben ist jedem Glaubens- 
bekenntnisse sein Recht zukommen zu lassen ; die jungeren Zdglinge 
erhalten Religionsunterricht, far die alteren werden Exhorten ab- 
gehalten. Der Verkehr mit den Angehorigen ist zu fordern, notigen- 
falls zu veranlassen, und letzteren seitens des Kommandanten von 
wichtigen Veranderungen, welche den Frequentanten betreffen, recht- 
zeitig Kenntnis zu geben. Der Aufenthalt in der Anstalt wahrend der 
Erholungszeit soli angenehm gemacht werden, damit die Schiiler vor 
mancherlei Ausschreitungen bewahrt bleiben; musikalisch-deklama- 
torische Vorstellungen , zu denen Geladene Zutritt erhalten konnen, 
werden als ein Mittel dazu empfohlen. 

Die standigen Lehrer sind Oberoffiziere, Militar- oder Tier- 
arzte. Die Lehrer der Fachwissenschaften gehoren grundsatzlich dem 
aktiven Stande der Waffe an, fur welche die Anstalt bestimmt ist. 
Sie haben sich an der Erziehung nicht nur wahrend des TJnter- 
richte8, sondern auch bei jeder anderen sich bietenden Gelegenheit 
zu beteiligen und sind mit Rucksicht auf diesen Zweck zu wahlen. 
Der Rangsalteste vertritt n 6 ti gen falls den Kommandanten und 
muss daher von alien die Schule betreffenden Angelegenheiten fort- 
laufend Kenntnis haben ; meist ist er zugleich Prases der Verwaltungs- 
kommission und nicht zurVerwendung alsKompagnie-(Eskadrons-) 
Kommandant heranzuziehen, welche anderen standigen Lehrern, 
aber immer aktiven Offizieren, zu ubertragen ist. Diesen obliegt 
die militar-dienstliche Leitung der Abteilung. Zwei andere standige 
Lehrer werden ihnen als Kompagnie- etc.- Offiziere zugeteilt, 
einer thut den Dienst als Adjutant, einer ist Waffenoffizier, 
einer Bibliothekar. 

Als externe Lehrer konnen nur Offiziere etc. des aktiven 
Standes angestellt werden, welche daneben ihren sonstigen Dienst 
versehen. Lehrgehilfen sind Unteroffiziere des aktiven Standes 



Digitized by Google 



124 



GeBchichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



der betreflfenden Waffe. A Is Korrepetitoren konnen Frequen- 
tanten verwendet werden. 

In den Kadettenschulen, welche einen Militararztals standigen 
Lehrer haben, ist dieser zugleich Chefarzt; in den fibrigen wird sein 
Dienst durch einen Arzt der Garnison versehen. Derselbe halt 
auch den Vortrag fiber Gesundheitspflege; in Pressburg liegt ihm 
die theoretische Ausbildung der Frequentanten der Sanitatstruppe ob. 
Allmonatlich ist der Gesundheitszustand samtlicher Schfiler zu unter- 
suchen. 

Die Frequentanten sollen nach Absolvierung der Schnle als 
Kadetten in das Heer treten und damit die Anwartschaft auf Be- 
forderung zu Offizieren erwerben. 

Als Bedingungen fur die Einstellung als Truppeneleve wurden verlangt: 
Staatsangehdrigkeit; das vollendete 14., nicht uberschrittene 17. Lebensjahr; ent- 
sprechende korperliche Entwickelung; gute Erziehung; erforderliche Vorbildung; 
Ubernahme der mit der Aufnahme verbundenen Verpflichtungen. Die Wahl 
des Truppenteiles war dem Bewerber uberlassen. Bei der Infanterie und den 
Jagern durfte jede Feldkompagnie 4, bei der Kavallerie jede Feldeskadron, 
beim Genie und den Pionieren jede Feldkompagnie 1, jedes Feldartillerie-Regi- 
ment durfte 13, jedes Festungsartillerie-Bataillon 5, die Sanitatstruppe 10, die 
Traintruppe 20 Truppeneleven haben. Dieselben erhielten die Gebuhren eines 
Soldaten der niedrigsten Soldklasse und wurden mit vollendetem 17. Lebens- 
jahre assentiert 

In die Kadettenschulen durfen aufgenommen werden: 

Bewerber des Zivilstandes nach vollendetem (ausnahmsweise bei 
im namlichen Kalenderjahre zuriickzulegendem) 14. Lebensjahr e; Zog- 
linge des Militar-Waisenhauses ; ehemalige Zoglinge der k. k. Militar- 
Erziehungs- und -Bildungs-Anstalten, wenn in den Entlassungspapieren 
kein Bedenken gegen die Aufnahme ausgesprochen ist; Soldaten 
aller Chargen und ausnahmsweise ehemalige Frequentanten einer 
Kadettenschule, vorausgesetzt, dass ihre Entfernung aus derselben 
nicht strafweise erfolgt ist. 

Auslander konnen, jedoch nur nach vollendetem 17. Lebensjahre, 
aufgenommen werden, wenn sie die Allerhochste Erlaubnis zum Ein- 
tritte in das Heer besitzen. 

In welche Schule die Bewerber einzutreten haben, ist durch 
besondere Bestimmung geregelt. 

Zur Aufnahme sind erforderlich : Korperliche Tauglichkeit; 
makelloses Vorleben; entsprechende Vorbildung; tFbernahme der 
Verpflichtung nach dem Austritte fur jedes in der Schule zu- 
gebrachte oder begonnene Jahr ein Jahr fiber die gesetzliche drei- 
jahrige Linien-Dienstpflicht prasent im Heere zu dienen, eine Ver- 



Digitized by Google 



ftsterreicli-Ungarn. 



425 



pflichtung, welche erlischt, wenn der Betreffende vor dem ersten 
Klassifikationsabschlusse bei tadelloser Fuhrung entlassen wird; Ver- 
pflichtung zur Zahlang der Beitrage. 

Die Vorbildung wird durch Schulzeugnisse und in einer 
Aufhahmeprufung nachgewiesen. Erstere mussen — mindestens — 
die Absolvierung mit befriedigendem Gesamterfolge darthun, behufs 
Aufhahme in eine Infanterie- oder die Kavallerie-Kadetten- 
schule: fur I die Absolvierung einer Volks- oder Biirgersehule 
vollstandig oder der 2. Klasse einer Mittelschule ; fur II der vier, fur 
III der sechs nnteren Elassen einer Realschule, eines Gymnasiums 
oder einer gleichgestellten Lehranstalt; fur IV einer Staats-Real- 
schule, eines Gymnasiums etc. vollstandig; in die Artillerie- oder 
Pionier-Kadettenschule: fur I der vier, fur II der sechs unteren 
Klassen einer Staats-Realschule etc., fur III einer solchen Anstalt 
vollstandig (unmittelbarer Eintritt in IV findet nicht statt); in die 
Genie-Kadettenschule: fur I einer Realschule vollstandig (un- 
mittelbarer Eintritt in II und III findet nicht statt). FurBewerber 
des Soldatenstandes kann, ausser beim Genie, von diesen Forde- 
rungen abgesehen werden. 

Die Aufnahmeprufung wird bei der Schule abgelegt, in welche 
der Eintritt erfolgen soli, fur das Genie bei der Technischen Militar- 
Akademie. Der I'm fang der nachzuweisenden Eenntnisse ergiebt sich 
aus den Lehrplanen der oben genannten offentlichen Schulen ; in den 
militarischen Fachern wird fur II und in nicht gepruft, fur IV mussen 
alle erforderlichen Kenntnisse nachgewiesen werden, Kenntnis des 
Deutschen braucht fur die Aufnahme in I der vierklassigen Schulen 
bei Bewerbern anderer Nationalist nur in soweit vorhanden zu sein, 
dass die Moglichkeit fur sie vorliegt in II dem Unterrichte mit Aus- 
sicht auf Erfolg folgen zu konnen, doch mussen sie ihre Muttersprache 
angemessen beherrschen. Die Priifung darf nach Jahresfrist wieder- 
holt werden. 

Jeder Eintretende hat mitzubringen: 6 Hemden, 6 Paar 
Fusssocken (Lappen), 6 Sack-, 3 Handtiicher, 3 Paar Uniformhand- 
schuhe, 1 Paar Halbstiefel (Stiefeletten), und nach erfolgter Aufnahme 
anzuschaffen: 1 Garnitur Proprietaten (Reinigungs- und Putz- 
requisiten) und 1 sperrbaren Koffer (nach Muster). Ferner zahlt 
er beim Eintritte 6 Gulden zur Erhaltung der Schuleinrichtung, bei 
Beginn jedes Schuljahres 12 Gulden als Lehnnittelbeitrag und in 
der Kavallerie-Kadettenschule einen Equitationsbeitrag von jahrlich 



Digitized by Google 



426 Gescbichte d«t Militar-Eraiehungs- und -Bildungswe«en8 etc 



200 Gulden, welcher far Sonne minder bemittelter Offiziere und 
Beamten auf die Halfte herabgesetzt werden kann. 

Die Ende August und Anfang September schriftlich und mund- 
lich vorzunehmende Aumahmeprafung, welcher, wenn der Eaum es 
gestattet, die Angehorigen beiwohnen durfen, muss mindestens „ge- 
nfigend" ausfallen. Ihr Ergebnis wird sofort mitgeteilt; auf Grand 
desselben legt die Kommission der Oberleitung Ranglisten vor, in 
denen die Bewerber als „vorzuglich geeignet", „geeignet", „minder 
geeignet" bezeicbnet werden. Diese bestimmt fiber die Aufnahme. 
In I soil nur aufgenommen werden, wer das 18., in II, wer das 
20. Lebensjahr noch nicht yollendet bat, in IV nur Assentierte oder 
Assentfahige; Truppeneleven durfen, wenn sie das 14. bezw. 15. oder 
16. beendet haben, nur in I bezw. hochstens II oder HI ein- 
treten. Kadettenschuler, welche noch nicht Soldaten sind, werden, 
sobald sie das 17. Lebensjahr zuruckgelegt haben, assentiert; bis 
dahin sind sie Truppeneleven. Die Zdglinge des Militar-Waisen- 
hauses treten als Truppeneleven in I einer Infante rie-Kadetten- 
schule. 

Der Austritt erfolgt in der Regel als Kadett, doch konnen die 
Hervorragendsten unter den „Vorzuglichen" , wenn die Standesver- 
haltnisse es zulassen, ausnahmsweise zu Lieutenants vorgeschlagen 
werden; ist es nicht thunlich, so werden sie, wie alle ubrigen mit 
„vorziiglich M und die mit „sehr gut" absolvierenden, nach Massgabe 
des Abganges an Offiziers-Stellvertretera , als solche eingeteilt. Die 
nicht dazu beforderten als „sehr gut" und die als „gut" Beurteilten 
treten in der Feldwebel- (Wachtmeisfcer-, Feuerwerker-) Charge aus, 
falls sie diese nicht bereits bekleiden. Wer „genugenden" Gesamt- 
erfolg erzielt hat, erhalt die Korporals-Charge, falls er nicht bereits 
diese oder eine hohere inne hat. Als Lieutenants Ausgemusterte 
erhalten den Equipierungsbeitrag der Militar-Akademien. 

Aus der Pionier-Kadettenschule kommen nur die Rangsaltesten 
zum Pionierregimente, die ubrigen zur Infanterie und zu den Jagern; 
sie erhalten den Rang vor den Infanterie-Kadettenschuler. 

Fur III der Genie-Kadettenschule gelten die Vorschriften fur 
den Austritt aus der Genie-Abteilung der Technischen Militar-Akademie. 
Laut A. E. vom 8. Dezember 1882 wurden von 1883/84 an nur die 
mit mindestens „gutem" Gesamterfolge Austretenden zu Lieutenants, 
die ubrigen zu Kadetten vorgeschlagen. Wer beim ganzjahrigen 
Klassifikationsabschlusse des hochsten Jahrganges „genugend" Eicht 



Digitized by Google 



OsteiTeich-Ungarn 427 



erreicht und nicht die Bewilligung zur Wiederholung erhalt, ruckt 
sofort zur Truppe ein. 

Die Entfernung von Frequentanten, welche den Zwecken 
der Schule nicht genugen, kann, nach Beratung in der Kompagnie- 
(Eskadrons-) oder in der Hauptkonferenz, von der Oberleitung „wegen 
ungeniigender Fortschritte", „wegen ungenugender (schlechter) Kon- 
duite" oder „strafweise" verfugt werden, letzteres nur bei entehrenden 
Handlungen, welche zur Erlangung der Kadetten- bezw. Offiziers- 
Charge unwiirdig erscheinen lassen. 

Die Nam en der strafweise Entfernten werden halbjahrlich alien 
Schulen bekannt gemacht. Frequentanten des Soldatenstandes riicken 
zum Truppenkorper ein; Truppeneleven werden den Angehorigen 
zuruckgegeben. Strafweise Enthebung schliesst Wiederaufnahme, so- 
wie Ernennung zum Kadetten ganzlich aus. Frequentanten, welche 
aus anderen Grunden vorzeitig ausgeschieden sind, konnen erst zu 
Kadetten ernannt werden, wenn ihre Jahrgangsgenossen im regel- 
massigen Gange dazu befordert sind. Versetzungen zu andereD 
Schulen auf Ersuchen der Angehorigen findet nur bei mindestens 
gutem Gesamterfolge statt. 

Den Haus- und Stalldienst versehen kommandierte Mann- 
schaften. 

Das Lehrziel ist: die Frequentanten nach Beendigung des 
letzten Jahrganges fur den Truppendienst als Subalternoffiziere brauch- 
bar zu machen. Ihre militarische Ausbildung ist jedoch so zu fordern, 
dass sie im Mobilisierungsfalle schon am Schluss des ersten Halb- 
jahres zu Kadetten ernannt werden konnen. Ausserdem sollen die 
Grundlagen rur eine hohere militarische bezw. militarisch-technische 
Ausbildung gelegt werden, auf welcher weiter gebaut werden kann. 
E8 sind den Schulern mithin zu verschaffen: 

Die unentbehrlichen Grundlagen der allgemeinen Bildung, deren 
der Offizier fur seine ausgezeichnete gesellschaftliche Stellung be- 
darf; das allgemeine Wissen und Konnen, welches Bedingung fur 
die Aneignung der Berufskenntnisse ist; die militarischen und militar- 
technischen Kenntnisse, welche dem Subalternoffizier zur Erfullung 
seiner Berufepflichten und fur seine Fortbildung notig sind; die 
Fertigkeiten , welche er besitzen muss, urn alien Anforderungen des 
Kriegsdienstes gewachsen zu sein. 

Der theoretische Unterrichtist fur Infanterie und Kavallerie 
mehr in anschaulicher, elementarer, fiir die anderen Waffen mehr in 
eingehender, deduktiver Weise zu erteilen; daneben soil er die all- 



Digitized by Google 



428 Geachichte dea MHit&r-Erziehung8- und -Rildungswesens etc. 



gemeine Bildung bereichem. Die Ausbildung in den mili- 
tarischen und den militarisch-technischen Fertigkeiten 
ist durch praktteche Ubungen nachdriicklichst zu unterstutzen. Die 
Frequentanten des oder der beiden hochsten Jahrgange werden als 
Instruktoren bei den niederen verwendet. Erweckung und Be- 
festigung inilitarischer Gesinnung sind ebensowohl Sache des 
Unterrichtes wie der Erziehung. 

DieGesamtdauer des Unterrichtes betragt in den In f an ten e-, 
Artillerie- und Pionier-Kadettenschulen 4 (I— IV), in der Kavallerie- 
Kadettenschule 2 (III, IV), in der Genie-Kadettenschule (I— III) 
3 Jahre. 

Das Schuljahr zerfallt in einen theoretischen (Winter-, Sommer- 
Semester) und einen praktischen Kurs; ersterer dauert, ausser in der 
Genie-Kadettenschule, 9, letzterer 2 Monate, 1 Monat sind Ferien. 
Der theoretische Kurs beginnt am 18. September; der praktische 
dauert vom 18. Juni bis 18. August. 

Die Unterrichtsgegenstande des Lehrplanes sind innerhalb 
der Gruppen [A.] und [B.] gleichwertig. Der Religion sun terricht 
ist mit Rucksicht auf die Konfessionen in diese nicht einbegriffen ; die 
Vortrage (1 Wochenstunde) sollen vornehmlich von der religiosen 
Moral handeln und eine Grundlage fur die sittliche Erziehung bilden. 

Die ununterbrochene Unterrichtsdauer betragt in der Regel 
1 bis l*/t, in den nicht deutschen Nationalsprachen 8 A Stunden; 
dem Zeichnen und der Losung taktischer Aufgaben konnen je 2 ein- 
geraumt werden. Zwischen einander unmittelbar folgenden Unter- 
richtsgegenstanden ist ein entsprechender A list und einzuhalten. 
Korperlich anstrengende tTbungen linden in den freien Morgen- oder 
in den Abendstunden statt; der theoretische Un terricht darf durch 
sie nicht geschadigt werden. 

In den militarischen Gegenstanden muss der Lehrstoff un- 
bedingt bewaltigt werden. 

Sondepbe8timmungen. 

[a.] Infanterie-Kadettenschulen. 
[1.] Theoretischer Kurs. 
[A.] Theoretische und graphische Unterrichtsgegenstande. 

Deutsche Sprache und Milit&r-Geschaftsstil. Lehrziel: Rich- 
tiges Sprechen, Lesen, Schreiben, gestutzt auf Kenntnis der Sprach- 
lehre; Gewandtheit im mundlichen und schriftlichen Gebrauche, 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



429 



Vertrautheit mit den wichtigsten Regeln und Pormen des Stils, be- 
sonders des Militar-Geschaftsstils, Bekanntschaft mit ausgewahlten 
Erzeugnissen der Litteratur. Wochenstiinden : I 6, II 4 1 /*, m 3, IV 2. 

Hier wie bei den ubrigen Fachern schreibt die Instruktion Be- 
grenzung und Einteilung des Lehrstoffes fur die verschiedenen Klassen 
vor. Aus diesen Bestimmungen ist nachstehend nur das Notwendigste 
mitgeteilt. 

Osterreichische, nicht deutsche Nationalsprachen (die beigesetzten 
Ziffern bezeichnen das Starkeverhaltnis der aus der Gesamtzahl der 
Frequentanten gebildeten Unterrichtsgruppen) : 

Wien: Ungariseh und Bohmisch 1:1; Budapest: Ungarisch und 
Kroatisch 1:1; Prag: Bohmisch und Polnisch 1:1; Lobzow: Polnisch; 
Karthaus: Bohmisch und Polnisch 1:1; Hermannstadt: Ungarisch 
und Rumanisch 1:3; Pressburg : Ungarisch und Slowakisch 1:1; 
Lemberg: Polnisch und Ruthenisch 2:1; Agram (demnachst Karl- 
stadt): Ungarisch und Kroatisch 1:2; Liebenau: Slowenisch und 
Ungarisch 1:1; Innsbruck: Italienisch und Slowenisch 1:1; Triest: 
Slowenisch und Kroatisch 1:1; Temesvar: Ungarisch und Rumanisch 
1:2; Kaschau : Ungarisch und Slowakisch 1 : 2. Jeder Frequentant 
muss eine dieser Sprachen erlernen. 

Lehrziel ist mdglichst richtiges Lesen und Schreiben, dann 
Fahigkeit sich im Dienste verstandlich machen und die Mannschaft 
unterrichten zu konnen. Wochenstunden : I— IV je fur jede 
Sprachgruppe. 

Geographic Lehrziel: Kenntnis der Grundziige der mathe- 
matischen und physikalischen Geographie und der Lander- und Volker- 
kunde mit besonderer Berucksichtigung statistischer und militarischer 
Verhaltnisse. Von fremden Weltteilen das fur den Gebildeten Not- 
wendige; Europa eingehender, namentlich die Nachbarstaaten Oster- 
reich-Ungarns, auf letzterem liegt das Hauptgewicht. 

In I werden mathematische und physikalische und die Grund- 
ziige der politischen Geographie Osterreich-Ungarns, in II die fremden 
Weltteile vorgetragen ; in in wird der erste Teil des Pensums von I 
eingehender, sowie ein Teil von Europa, in IV der Rest und nament- 
lich Osterreich-Ungarn abgehandelt. Wochenstunden: I— IV je 3. 

Geschichte. Lehrziel: Kenntnis der allgemeinen Weltgeschichte 
mit besonderer Berucksichtigung Osterreich-Ungarns, namentlich 
dessen Kriegs- und Heeresgeschichte. Es werden vorgetragen in I 
die Zeit bis 1492, in H bis 1789, in in bis 1815, in IV bis jetzt. 
Wochenstunden: I— IV je 3. 



Digitized by Google 



430 Geschichte des Militar - Erziehungs- und -Bilduugsweaens etc. 



Physik und Chemie. Lehrziel: Auf Anschauung gegrundete 
Kenntnis der wichtigsten Naturerscheinungen, ihrer hervorragendsten 
Gesetze und Anwendungen im gewohnlichen Leben und in der 
Militartechnik. 

Zum Vortrage gelangen in III die Eigenschaften der Korper, 
Mechanik, Akustik, Optik; in IV Warmelehre, Grundlehren der 
Chemie, Elektrizitat, Magnetismus. Der Unterricht beruht vorzugs- 
weise auf der Anschauung (Experiment). Nur, wo es nnerlasslich 
ist, sind die einfachsten elementar-mathematischen Begrfindungen zu 
Hilfe zu nehmen. Wochenstunden : III — IV je 3. 

Arithmetik und Algebra. Lehrziel: Grundziige der Arithmetik 
und niederen Algebra. Gewandtheit im mund lichen und schrifttichen 
Ziffernrechnen ; wichtigste Rechnungsarten des gewohnlichen Lebens; 
Algebra in dem fur den Unterricht in Geometrie, praktischer Geo- 
metrie und Elementar-Physik erforderlichen Umfange. — Der Unter- 
richt geht bis zum Potenzieren und Radizieren, den bestimmten 
Gleichungen 2. Grades, den Reihen und Progressionen, die „guten" 
Schiiler werden auch im Logarithmieren unterwiesen. Wochenstunden: 
I und II (hier zugleich fiir Geometrie) je l 1 }*. (Ill s. unten.) 

Geometrie. Lehrziel: Elemente der niederen Geometrie auf 
Grund der im Geometralzeichnen erworbenen BegrifFe und mit Ruck- 
sicht auf die fur praktische Geometrie, Physik, Terraindarstellung 
und Waffenlehre wichtigen Teile. — In II wird Planimetrie und 
Stereometrie, Goniometrie und ebene Trigonometric vorgetragen. 

Praktische Geometrie. Lehrziel: Kenntnis der fur Feld- und 
Hohernmesskunst wichtigsten Instrumente und ihrer Anwendung. 

Wochenstunden fur Algebra, Geometrie und praktische Geometrie : 
ID 77*. 

Dienstreglement. Lehrziel: Kenntnis der allgemeinen Be- 
8timmungen, sowie der Vorschriften fur die Personen des Soldaten- 
standes bis einschl. Hauptmann. Wochenstunden: I — IV je 1, zu- 
gleich fur Gesundheitspfiege und Sanitatsdienst in IV. 

Militar-Administration. Lehrziel: Kenntnis der allgemeinen 
Grundsatze des militar- und miUtansch-administrativen Dienst- 
betriebes, der Administration einer Unterabteilung, Transportffihrung, 
Einzelnreisen, besonderer Dienstesfalle , Administration der Militar- 
Bauobjekte. Wochenstunden in IV: l 1 /*. 

Heeresorganisation. Lehrziel: Kenntnis der eigenen Wehr- 
verfassung und des Organismus der bewaffneten Macht im Frieden 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



431 



und im Kriege; eingehendste Kenntnis der Organisation einer Truppen- 
DiTision im Felde. Wochenstunden in III: l 1 /*. 

Gesundheitspflege und Sanit&tsdienst. Lehrziel: Kenntnis der 
Grundsatze der Gesundheitspflege, der ersten Hilfe bei Unglucks- 
fallen oder pldtzlichen Erkrankungen. Notwendigstes fiber Sanitats- 
dienst im Felde. Wochenstunden in IV s. Dienstreglement. 

Terrainlehre. Lehrziel: Kenntnis der Darstellung der Erd- 
oberflache in Planen und Karten, besonders der Bodenplastik ; der 
Benennung und Charakteristik der Terrain-Teile und -Gegenstande, 
des Mappierens und Krokierens. — Die Terrainlehre wird in II, die 
Darstellung in HI, das Mappieren und Krokieren in IV gelehrt. — 
Wochenstunden: n 1% III 3, IV 3. 

Waffenlehre. Lehrziel: Kenntnis des Waffenwesens ; genaue 
von Einrichtung und Gebrauch der eigenen blanken und Handfeuer- 
waffen, allgemeine des Feld- und Gebirgs-, iibersichtliche des Festungs- 
Artillerie-Materials, sowie der Bewaffnung der ubrigen europaischen 
Heere. Wochenstunden: III 1% IV 2% 

Pionierdienst: Kenntnis der den Pionieren der Infanterie etc. 
im Felde obliegenden Arbeiten, einige Fertigkeit in der Ausfuhrung; 
Strassen-, Eisenbahn- und Bruckenbau, soweit die Kenntnis bei Re- 
kognoszierungen und fur Instandsetzung und Zerstorung mit ein- 
fachen Mitteln notig ist. tTbersichtliche Kenntnis des k. k. Kriegs- 
Bruckenmaterials. Wochenstunden in III: l 1 /*. 

Befestigung und Festungskrieg. Lehrziel: Kenntnis in der 
formellen und angewandten Befestigung, nahere der gebrauchlichsten 
Typen der Feldbefestigung, des Angriffes und der Verteidigung von 
Feldbefestigungen, allgemeine vom Festungskriege. Wochenstunden 
in IV: 47s. 

Exerzier-Reglement Lehrziel: Grundliche Kenntnis bis zu 
den Vorschriften fur das Bataillon: In I bis ausschl. Zug, in II bis 
einschl. Kompagnie, in III bis einschl. Bataillon (im Anschlusse an 
die Taktik), in IV Wiederholung beim Unterricht uber Exerzieren etc. 
Wochenstunden: I 1, II iy«. 

Taktik. Lehrziel: Genaue Kenntnis vom Wirkungskreise des 
Fusstruppenoffiziers. Verstandnis der allgemeinen Begriffe und der 
Grundsatze fur die drei Hauptwaffen; Fertigkeit in Losung einfacher 
Aufgaben bis zur Verwendung kleiner aus letzteren gebildeter Korper 
(nach dem Plane, der Karte, im Gelande). Der Unterricht beschaftigt 
sich in IH mit der Taktik der einzelnen, in IV mit der der ver- 
bundenen Waffen. Wochenstunden: III 3, IV 4. 



Digitized by Google 



432 Geachichte dea Militar-Erziehunga- und -Bildungsweaena etc. 



Geometralzeichnen. Lehrziel: Kenntnis der Elemente der Geo- 
metrie und der wichtigsten Konstruktionen in der Ebene, der recht- 
winkligen Projektion, der Grand-, Auf- und Querrisse, Schichten- und 
Falllinien; Handfertigkeit. Hauptzweck ist Entwickelung des An- 
schauungsvermogens ; im fibrigen ist das Geometralzeichnen Vor- 
schule der theoretischen Geometrie, als solche und als Unterstutzung 
dient es fur alle Facher, in denen von geometrischer Darstellung 
Gebrauch gemacht wird. Wochenstunden: I 2, II 3. 

Freihandzeichnen. Lehrziel: Kenntnis der Grandzuge der 
freien Perspektive, Fertigkeit in Darstellung und Sehattierang ein- 
zelner Gegenstande und einfacher Bilder nach Modellen und Vor- 
lagen und im Entwurfe landschaftlicher Skizzen nach der Natur. 
Neben dem Anschauungsvermdgen soli der Sinn fur das Schone 
entwickelt werden. Wochenstunden : I— III je 2 ; IV an freien Tagen. 

Terraindarstellung. Lehrziel: Fertigkeit in Darstellung fur 
militarise' he Zwecke; Einfuhrung in das Modellieren; Fertigkeit im 
Mappieren und Krokieren, im Anschlusse an Geometral- und Frei- 
handzeichnen in der fur die Terrainlehre bestimmten Zeit zu betreiben. 

Schonschr&iben. Lehrziel: Fliessende, gefallige Schrift; nach 
Vorschriften und Diktat. Fertigkeit in Planschrift. Wochenstunden: 

1 3, n iv«. 

Stenographic (System Gabelsberger). Lehrziel: 70 bis 80 Worte 
in der Minute. Dient gleichzeitig zur Wiederholung der deutschen 
Sprachlehre und zur Erweiterung des Wissens uberhaupt. Wochen- 
stunden in III und IV je I. 

[B.] Militarische Geschicklichkeiten und tTbungen. 

Exerzieren und Ausbildung im Truppendienste. Lehrziel: 
Gelaufigkeit im Dienste des Fusstruppenoffiziers bei Ausbildung der 
Mannschaften und beim Exerzieren bis zum Bataillon (je nach dem 
Ausruckungsstande Halbbataillon) ; Vertrautheit mit dem Gebrauche 
etc. des Gewehres. 

Samtliche Jahrgange exerzieren im Zuge und in der Kompagnie, 
wahrend des praktischen Kurses auch im Bataillon (Halbbataillon), 
werden im Gewehrwesen und in der Schiessinstruktion unterrichtet, 
schiessen mit dem Zimmergewehre (Scheibenschiessen, praktischer 
Ems), werden in Adjustierungsvorschrift , Kasernen- und Zimmer- 
ordnung unterrichtet ; I wird zunachst als Soldaten ausgebildet, 
II— IV fiben Wach-, Vorposten- und Patrouillendienst, HI wird am 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



43.S 



Feldgeschutze , III und IV werden als Instruktoren ausgebildet. 
Woohenstunden: I, II, d je 3, IV 4. 

Turnen. Lehrziel: Gewandtheit und Ausdauer in Freiubungen, 
Laufen, Springen, Ringen und auf den Apparaten. Die frbungen 
sollen zur angenehmen Beschaftigung werden. Woohenstunden: I, 
n je 2, HI, IV je 1. 

Fechten. Lehrziel: Vertrautheit mit den WaflFen der k. k. 
Fusstruppen. I wird im Stock- und den Anfangen des Rapierfechtens : 

II in Rapier- und Sabel-, III in Sabel- und Bajonettfechten unter- 
wiesen. Woohenstunden: I bis IV je I. 

Schwimmen wird zuerst auf dem Lande beim Turnen geflbt, 
dann im Wasser auf Dauerschwimmen, Schwimmen in verschiedenen 
Korperlagen, Springen und Tauchen ausgedehnt. 

[C] Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 

Franzdsische Sprache (fur Frequentanten von II — IV mit min- 
destens „sehr gutem" Gesamterfolge oder bei „gutem" mit entsprechen- 
den Vorkenntnissen). In zwei Gruppen. Woohenstunden : 1 »/» bis 2 
von den Wiederholungsstunden. 

Die Vortr&ge iiber gesellschaft lichen Verkehr bezwecken: An- 
eignung der Gepflogenheiten des gesellschaftlichen, besonders des 
militarischen Verkehrs zur Erzielung derjenigen Wohlanstandigkeit 
in Gesinnung und Auftreten, welche den Offizier auszeichnen soli. 
Sie. behandeln das standesgemasse Benehmen im Leben und im 
Verkehr mit Personen verschiedener Lebens- und RangsteUung; fur 
IV besonders das demnachstige Verhalten gegeniiber den Offizieren. 

III und IV sind uber die Rechtsbeziehungen des burgerlichen Lebens 
und das Privatrecht zu belehren. Alle 2 bis 3 Wochen fur jeden 
Jahrgang etwa einstundiger Vortrag. 

Der Unterricht in Gesang und Musik soil den 2- und 4stimmigen 
Gesang pflegen und zur Entwickelung musikalischen Sinnes und der 
Stimme, sowie zur Erheiterung und zur Hebung des Geistes dienen. 
Er wird durch Frequentanten, nur im Notfalle durch Offiziere oder 
Lehrer, geleitet. Es finden musikalisch-deklamatorische Vortrage statt. 
Gemeinsame tJbungen werden wdchentlich zweimal vorgenommen. 
(1 bis l 1 /* Woohenstunden.) 

Das Tanzen soli Gewandtheit des Benehmens und die gewohn- 
lichen Tanze lehren. Ungeubte werden systematisch unterhchtet, 
die ubrigen tanzen von Zeit zu Zeit in den Erholungsstunden. 

MonumenU Oerm»ni»e Paedagogio» XV. 28 



Digitized by Google 



434 Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesena etc. 



[2.] tTbungen und Vortrage im praktischen Kurs. 

Allgemeine Bestimmungen. 

Es finden teils im theoretischen, teils im praktischen Kurse 
militardienstliche und taktische, Schiess-, militartechnische , geo- 
datische TTbungen und Exkursionen statt. 

Besondere Bestimmungen. 
Die „milit(irdienstlichen und taktischen Obungen 1 ' umfassen: 
Exerzieren, schriftliche und mundliche Losung taktischer Aufgaben 
nach dem Plane, der Karte und im Freien, Sicherungsdienst, Marsch- 
ubungen. 

Als Vorubungen dienen: Distanzschatzen (II, III, IV); Zurecht- 
finden nach Planen und Karten (III, IV); Terrainbeurteilung (IV). 

Die taktischen Aufgaben erstrecken sich bis auf die Verwendung 
kleiner, aus alien drei Waffen zusammengesetzter Abteilungen. Sie 
beziehen sich auf den Sicherheitsdienst und das Gefecht; einzelne 
auch auf den Entwurf kleinerer Feldbefestigungen. Taktische Auf- 
gaben und solche uber Sicherungsdienst im Terrain werden im 
praktischen Kurse gelost. Die Schlussubungen werden, wo es moglich 
ist, unter Mitwirkung von Eavallerie und Artillerie abgehalten. 
Einmal findet eine 2- bis 3tagige Marschiibung mit Kantonement 
und Biwak statt. Fur jeden Frequentanten sind 100 scharfe, 50 
blinde Patronen verfugbar. Ill wohnt, wenn thunlich, Artillerie- 
Schiessiibungen bei. 

Die miliMrisch-technischen Obungen, namentlich behufs Aus- 
bildung im Pionierdienste (fluchtige Deckungen, besonders Schutzen- 
graben ; Verteidigungseinrichtung von Ortlichkeiten), werden besonders 
von III (14 Tage) ausgefuhrt, an den grosseren Arbeiten nehmen 
alle Frequentanten (IV als Parteileiter) teil; HI besucht auch die 
Truppen-Arbeitsplatze. 

Geodatische Obungen: Feld- und Hohenmesskunst (HI), Map- 
pierung (IV). 

Feldmesskunst. Vorubungen: Unterweisung im Gebrauche der 
Instrumente und in den Elementaroperationen, wobei je 10 Schuler 
zu einer Partei vereinigt werden. Dann 7tagige Messtischaufnahme, 
wobei jede Partei von 20 Teilnehmern 1 bis 2 qkm in 1 : 2500 aumimmt 

Hohenmesskunst. Den Vorubungen folgt eine 3tagige Schichl^ 
aufhahme, bei welcher etwa 1 qkm in Schichten gelegt und mit dem 
Messtische aufgenommen wird. Feld- und Hohenmessen konnen 
vereinigt werden; sie dauern dann 10 Tage. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



435 



Milit&r-Mappierung. Voriibung: Parteien von hochstens 10 
SchtUern, von denen jeder mit dem Detaillierapparate versehen ist, 
bearbeiten denselben Terraingegenstand. Dann folgt eine 14tagige 
C bun gsmappie rung (einschl. Reise); Arbeitstage sind auch die Sonn- 
und Feiertage; Arbeitszeit von 5 bis 5 Uhr, mit 1- bis 2stundiger 
Unterbrechung. Im niederen Mittelgebirgs- oder im Berglande 
Parteien von 10 bis 20 Frequentanten unter einem Offizier; sind 
nicht genug Offiziere verfugbar, so arbeiten die Parteien nach ein- 
ander. Jeder Frequentant detailliert, in 1 : 12 500 nnd nach uber- 
tragenen Punkten, 3,5 qkm (in der Reduktion 225 qcm Papierflache), 
misst die II 6 hen und legt die Horizontalschichten. Ferner wird 
krokiert, und es werden landschaftliche Skizzen entworfen. 

Die nach Schluss des praktischen Eurses unter Leitung des 
Kommandanten stattfindende mehrtagige Exkursion dient den gleichen 
Zwecken wie in den Akademien. 

Die an einzelnen Tagen verbleibende Zeit und die Storungen 
durch das Wetter im praktischen Kurse werden zur Wiederholung 
und Erganzung der Vortrage und zu schriftlichen Arbeiten fur I 
und II, auch zum Vorlesen aus popular-wissensehaftlichen Buchern 
benutzt. 

b. Kavallerie-Kadettenschule. 

[1.] Theoretischer Kurs. 

[A.] Theoretische und graphische Unterrichtsgegen- 

stande. 

Die Vorschriften fur die Infanterie - Kadettenschulen finden 
sinngemasse Anwendung. In nachstehenden Punkten finden Ab- 
weichungen statt: 

Von den nichtdeutschen Nationalsprachen werden Ungarisch, 
Bohmisch und Polnisch gelehrt; Starkeverhaltnis 2:1:1; 

der Vortrag uber Pionierdienst findet in 1 Wochenstunde , der 
uber Kriegsbrucken im praktischen Kurse statt; 

der iiber das Exerzierreglement bezweckt grundliche Kenntnis 
der Vorschriften fur die Eskadron, ubersichtliche der fur das Re- 
giment; 

in Taktik hat III eine Stunde mehr (4), im Freihandzeichnen 
(besonders Pferdezeichnen) l /i weniger (lVa). 

Der Unterricht fiber Pferdewesen (IV) umfasst das Wichtigste 
aus der Anatomie und Physiologie, Exterieur, Wartung, Pflege, Huf- 
bescblag, Sattelung, Zaumung (2 Wochenstunden). 

28* 



Digitized by Google 



436 Geschichte dee Militfir - Erriehungs- und -Bildungswesens etc 



[B.] Militarische Geschicklichkeiten und tTbungen. 
Im Exerzieren und Truppendienste wird IV im Gliede und im 
Zuge zu Pferde ausgebildet. Unterrichtszeit s. Eeiten. 

Fechten mit Sabel und Pike (letzteres fiel nach Ablegung der 
Waffe seitens der Uhlanen im Jahre 1884 fort). 

Reiten: HI 3, IV 6 Wochenstunden, in denen auch das Exer- 
zieren zu Pferde betrieben wird. 

[CJ Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 
Wie fur die Infanterie. 

[2.] tTbungen und Vortrage im praktischen Kurse. 

Taktische Schussubungen werden thunlichst mit der Militar- 
Oberrealschule in der bei dieser erwahnten Weise ausgefuhrt. — HI 
besucht den Artillerie-Schiess-, den Genie-tF bungsplatz und dieFestungs- 
werke von Olmiitz. Die Pionierubungen linden im Rahmen der den 
Kavailerie-Pionierzugen gestellten Aufgaben statt. — 

Die Exkursion wird zu Pferde ausgefuhrt. 

c. Artillerie-Kadettenschule. 
[l.j Theoretischer Kurs. 
[A.] Theoretische und graphische Unterrichtsgegenstande. 

Deutsche Sprache und Militar-Geschaftsstil. . Lehrziel: Ver- 
vollkommnung in Sprechen, Lesen, Schreiben und Sprachlehre; Ge- 
wandtheit im miindlichen und schriftlichen Gebrauche der Sprache 
und Vertrautheit mit dem Stil, insbesondere dem Militar-Geschaftsstil, 
Bekanntschaft mit auserwahlten Erzeugnissen der Litteratur. Wochen- 
stunden: I t% H S ( III, IV je lVi. 

Osterreichische , nichtdeutsche Nationalsprachen : Ungarisch und 
Bohmisch; Starkeverhaltnis 1:1. 

Geographic I und II wie HE und IV, 

Geschichte: I, II, III wie II, III, IV der Infanterie-Kadettenschulen. 

Physik. Lehrziel: Eingehende, auf Anschauung gegrundete, 
durch die Elementarmathematik unterstutzte Kenntnis der physi- 
kahschen Naturerscheinungen und ihrer hervorragendsten Gesetze, 
sowie Anwendungen im gewohnlichen Leben und in der Technik. 
Grundlehren und technisch Wichtiges der reinen und angewandten 
M chanik, gestutzt auf elementarmathematische und anschauliche 
Behandlung; Allgemeines aus der Maschinenkunde. — In III werden 
die allgemeinen physikalischen Eigenschaften der Kdrper und die 
Statik fester Korper, die Lehre von den einfachen Maschinen und 
die Festigkeitslehre; in IV die Dynamik fester, die Mechanik fester 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungam. 437 



und luftformiger Korper (vorwiegend experimentell) vorgetragen und 
es wird eine tlbersicht iiber die Maschinenkunde und die Haupttypen 
der Kraft- und fiir die Artillerietechnik wichtigen Arbeitsmaschinen, 
sowie fiber Akustik, Optik, Magnetismus, Elektrizitat, Warme (vor- 
wiegend experimentell) gegeben und deren Anwendung besprochen. 
Wocbenstunden : III 3, IV 6 (durcbschnittlich 3 fur Mechanik, 3 fiir 
den iibrigen damit Hand in Hand gehenden Lehrstoft). 

Chemie. Lehrziel: Kenntnis der wichtigsten Grundstoffe und 
ihrer Verbindungen , der Bedeutung der wichtigsten chemischen 
Korper in der Natur, ihrer hauptsachlichsten Anwendungen im Leben 
und fur militarische , besonders artilleristische Zwecke. Wochen- 
stunden: IV 3. 

Arithmetik und Algebra, woraus vorgetragen werden: in I: die 
Grundoperationen; bestimnite Gleichungen I. Grades; Potenzieren, 
Radizieren, Logarithmieren; Ketten- und Naherungsbruche ; un- 
bestimmte Gleichungen 1., bestimmte und unbestimmte 2. Grades, 
einige hohere und Exponentialgleichungen; Progressionen ; Zinses- 
zinsen- und Rentenrechnung ; Elemente der Wahrscheinlichkeits- 
rechnung. In II wird der Vortrag vertieft und erweitert. Wochen- 
stunden: je 7 1 /* in II. 

Geometrie, aus welcher in II der Lehrstoff von II und UI der 
Infanterie-Kadettenschule und ausserdem die Elemente der ana- 
lytischen Geometrie der Ebene einschl. des Wichtigsten uber Kegel- 
schnitte vorgetragen werden. 

Praktische Geometrie: III wie III der Infanterie-Kadettenschule ; 
lVt Wocbenstunden. 

Dienstreglement und Milit&r - Administration wie in der In- 
fanterie-Kadettenschule; ausserdem Verwaltung und Verrechnung 
des Artilleriematerials und das Artilleriezeugswesen; 2 Wochen- 
stunden. 

Heeresorganisation, Gesundheitspflege und Sanitatsdienst, Teirain- 
lehre wie in der Infanterie-, Pferdetvesen wie in der Kavallerie- 
Kadettenschule. 

Waffenlehre. Lehrziel: Allgemeine Kenntnis im Waffen- und 
Artilleriewesen ; tTbersicht uber die Bewafmung der wichtigsten euro- 
paischen Staaten. Wochenstunden : III 47s, IV 4. 

Der Artillerie- Unterricht, worunter die Anweisung zu den Diensfc- 
verrichtungen verstanden ist, soli mit letzteren in ihrem ganzen 
Umfange bekannt machen und die Befahigung zur Unterweisung der 
Mannschaft vermitteln. Es werden behandelt: in I Feld- und Gebirgs- 



Digitized by Google 



438 Geschichte des Mill tar -Erziehunga- und -Bildungsweeens etc. 



batterien ausschl. Batteriebau: in n, nach vorangegangener Wieder- 
holung, Feld - Batteriebau nebst Zeichnen, Festungskompagnien. 
Wochenstunden : I 3, II 6. 

Pionierdienst wie fur die Infanterie - Kadettenschule ausschl. 
des im Artillerie-Unterrichte Vorzutragenden ; 1 Wochenstunde. 

Befestigung und Festungskrieg. Lehrziel: Kenntnisse, deren 
der Artillerieoffizier bedarf, um die entsprechenden artilleristischen 
Anordnungen treffen zu konnen, und der Grundsatze des Festungs- 
krieges; ubersichtliche Kenntnis der Artillerie - Belagerungs- und 
Festungs-Ausrustung. Der Lehrstoff fur III ist der yon IV der In- 
fanterie-Kadettenschule, ausserdem Zeichnen des Details; fur IV be- 
greift er Belagerungs- und Festungs-Ausrustung; Grundsatze des 
Festungskrieges und seine Entwickelung, besonders in Ansehung der 
Artillerie, dabei Entwiirfe von Angriffsbatterien und Verteidigungs- 
instandsetzungen der Artillerie. Wochenstunden: III 4 l /a, IV 3. 

Der Unterricht fiber das Exerzier-Reglement begreift: in I Exer- 
zieren zu Fuss; Ausbildung am Feld- und Gebirgsgeschutze; in II 
Exerzieren mit dem Bataillon; Gebrauch von Sabel und Revolver; 
Stellung und Exerzieren der Chargen etc. einer Batterie, Batterie- 
Di vision-, Munitionskolonne, Gebirgsbatterie; Ausbildung am Festungs- 
und Kustengeschiitze ; in III Gefechtsthatigkeit der Feld- und Gebirgs- 
artallerie, ihre Ausbildung in Anschlusse an die Taktik; in IV Reiten, 
Fahren, Verhalten der berittenen Bedienungsmannschaft und der 
Bespannung (beim Reitunterrichte abzuhandeln). Wochenstunden: I, 
II je 2Vt, III s. Taktik, IV s. Reiten. 

Taktik sinngemass wie in der Infanterie-Kadettenschule. 

Geometralzeichnen. Lehrziel: Verstandnis der rechtwinkeligen 
Projektionsmethode, der Hauptsatze der Axonometrie und Zentral- 
Perspektive und der Schattenlehre; Fertigkeit in zentral-perspek- 
tivischer Darstellung und Schattierung einfacher Gegenstande. 
Wochenstunden: I 3, II 2, III 3. 

Freihandzeichnen im allgemeinen wie in der Infanterie-Kadetten- 
schule, aber in U bis IV Zeichnen von Ornamenten und Figuren und 
von Gegenstanden nach Modellen, nach der Natur und nach Vor- 
lagen, besonders Pferde; Landschaften womoglich nach der Natur. 
Wochenstunden: I, II je 2; III, IV an Sonntagen etc. 

Terr aindar stellung, Schdnschreiben, Stenographie wie in der In- 
fanterie-Kadettenschule. 



Digitized by Google 



Oaterreich-Ungarn. 



439 



[B.] Militarische Geschicklichkeiten und tTbungen. 

Exerzieren und Ausbildung im Truppendienste sinngemass wie 
in den Infanterie- bezw. Kavallerie-Kadettenschulen. 

lumen wie in der Infanterie-Kadettenschule. 

Fechten wie in der Infanterie-Kadettenschule ohne Bajonett- 
fechten. Wochenstunden : I bis IV je 1. 

Reiten wie in der Kavalierie-Kadettenschule, ausserdem Fahr- 
unterricht Wochenstunden in IV 3. 

Schwimmen wie in der Infanterie-Kadettenschule. 

[C] Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 

FranzOsisck wie in der Infanterie-Kadettenschule. 

Grundzuge der hoheren Mathematik: in III und IV fur sich freiwillig 
Meldende zum Zwecke der Erlangung einer Grundlage fur Selbst- 
studiuni. Lehrstoff fur III: Konvergenz und Divergenz unendlicher 
Reihen; Permutationen , Kombinationen, Variationen; binomischer 
Lehrsatz; arithmetische Reihen hoherer Ordnung; hohere numerische 
Gleichungen; Funktionen und deren graphische Darstellungen bei 
einer und zwei Variabeln; analjtische und synthetische (hohere) 
Geometrie in der Ebene; Erweiterung des bisherigen Vortrages, ins- 
be8ondere der Theorie der Kegelschnitte ; analytische Geometrie im 
Raume; spharische Trigonometrie. — In IV: Differential- und Inte- 
gralrechnung: Ais Beispiele die einfachsten und wichtigsten Ent- 
wickelungen der analytischen Mechanik. Wochenstunden: III, IV je 
l 1 /* bis 2, den Wiederholungsstunden zu entnehmen. 

Vortrdge uber gesellschaftlichen Verkehr, Gesang, Musik, Tanzen 
wie in der Infanterie-Kadettenschule. 

[2.] tTbungen und Vortrage im praktischen Kurse. 

Im allgemeinen wie in der Infanterie-Kadettenschule; statt der 
Schiessubungen finden Artillerieubungen statt 

Das Exerzieren zu Fuss wird wahrend des theoretischen Kurses 
beendet; im praktischen wird einige Male im Bataillon exerziert; 
IV exerziert mit dem bespannten Feldgeschutze, im Geschutzzuge 
und in der Batterie, meist im Skelett. Wenn die Verhaltnisse es 
gestatten, Teilnahme von III und IV an Ubungen eines Wiener Re- 
giments; ferner wohnt IV beritten den taktischen tTbungen der Gar- 
nison bei. 

Die Artillerie- Vbungen , zu denen die Frequentanten samtlich 
oder teilweise herangezogen und bei welchen die alteren Jahrgange 



Digitized by Google 



440 



Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungsweeens etc 



anweisen, umfassen: Richten, Distanzschatzen , Geschfitzplazieren, 
Rekognoszieren , Handhabungsarbeiten, Batteriebau, Erzeugung und 
Behandlung der Munition, Schiessubungen (seit 1875): Unterrichts- und 
Pramienschiessen der Feld- und Gebirgsbatterien (I), Unterrichts- (II) 
und kriegsmassiges Schiessen der Festungskompagnien zu Land (HI), 
tTbungs- und kriegsmassiges Schiessen der Feldbatterien und Revolver- 
schiessen (IV). Die Marsche zu den tlTbungen dienen als Marsch- 
iibungen. 

Die sonstigen militarisch-technischen Vbungen bestehen in ein- 
fachen Pionier-Arbeiten (III); III (und auch IV) wohnt den "Cbungen 
des Genie-Feld-Bataillons, grosseren Versuchen etc. bei. 

Die Exkursion richtet ihr Hauptaugenmerk auf Werkstatten, 
Laboratorien etc.; erlauben es die Geldmittel, so wird eine Festung 
besichtigt. 

d. Genie-Kadettenschule. 
Wie in der Technischen Militar-Akademie. 

e. Pionier-Kadettenschule. 
[1.] Theoretischer Kurs. 

[A.] Theoretische und graphische Unterrichtsgegenstande, 

Deutsche Sprache und Militiir-Geschtiftsstil, dsterreichische, nicht- 
deutsche Nationalsprachen (Ungarisch und Bohmisch; Starkeverhaltnis 
1:1), Dienstreglement , Milit&r- Administration, Heeresorganisation, 
Gesundheitspflege und Sanitatsdienst , Terrain-Lehre und -Dar- 
stellung, Waffenlehre, Befestigung und Festungskrieg , Exerzierregle- 
ment, Taktik, Schonschreiben wie in der Infanterie-Kadetten- 
schule mit folgenden Abweichungen: 

Zum Vortrage fiber MiUtdr- Administration gehoren die Ver- 
waltung und Verrechnung des Pionierzeugs und der Zeuggelder. 

Terrainlehre : hier in II wie dort in II und III, in III wie dort 
in IV; Wochenstunden 4 bezw. 3. 

Waffenlehre: hier in m wie dort in HI und IV; Wochen- 
stunden 3. 

Exerzierreglement : hier in I wie dort in I und II; Wochen- 
stunden I lVu II bis IV wie dort. 

Taktik: in III 2*/t Wochenstunden (dort 3). 

Terraindarstellung etc.: hier in II und III wie dort in II, HI, 
IV; in IV Auszeichnen der Mappierung; 2 Wochenstunden (dort 3). 

Schonschreiben: Wochenstunden in I 2, in II 1 (statt 3 bezw. I 1 /*)- 

Geographies Geschichte, Chemie, Arithmetik und Algebra, Geo- 



Digitized by Google 



6b i erreich - Ungarn. 



441 



metrie, praktische Geometrie, Geometral- und Freihandzeichnen wie in 
der Artillerie-Kadettenschule mit folgenden Abweichungen: 
Chemie in I (dort in III) mit besonderer Berucksichtigung der 
Bautechnik. 

In der Stereometrie sind Beispiele iiber die Massenberechnnng 
bei Strassen und Eisenbahnen vorzunehmen. 

Durch den Unterrioht in praktischer Geometrie soil Handhabung 
der geodatischen Instrumente bei Tracierungen gelehrt werden. 

Geometralzeichnen in I und II wie dort in I bis HI; Zeiohen- 
ubungen in II aus der Bautechnik. Wochenstunden: I 3, II 2*/%. 

Freihandzeichnen: besonders Ornamente und dergleichen. 

Physik: wie in der Artillerie-Kadettenschule, mit Riicksicht auf 
Bautechnik. Wochenstunden 9, davon 6 fur Mechanik, 3 fur den 
ubrigen Lehrstoff. 

Beim Technischen Unterrichte wird eingehend vorgetragen, was 
der "Tinnier genau kennen muss, also in I der Eriegsbruckenbau ; II 
Baumaterialien , Arbeiten; III Arbeiten im Felde; IV, wo ausserdem 
Wiederholung stattfindet, Kriegsbruckenwesen fremder Maehte, Tele- 
graphenwesen. Wochenstunden: I 2*/t, II 3, III */*» IV 2 J /a- 

Bautechnische Gegenstdnde. Lehrziel: Kenntnis der Grundsatze 
fur Anlage und technische Ausfuhrung permanenter Kommunikations- 
bauten ; Fertagkeit im Ausarbeiten einfacher Projekte. In III gelangt be- 
sonders der Hoch-, in IV der Strassen-, Eisenbahn- und Wasserbau 
zum Vortrage, welchem der „Technische Unterricht fur die k. k. 
Pioniertruppe" zu Grunde liegt; derselbe wird durch Zeichnen und 
Losen von Aufgaben unterstutzt. Wochenstunden: III 3, IV 13 V*. 

[B.] Militarische Geschicklichkeiten und tTbungen. 

Exerzieren und Truppendienst, Turnen, Fechten, Schwimmen wie 
in der Iufanterie-Kadettenschule (fur Exerzieren etc. in I bis III je 2, 
IV 2 Wochenstunden); ausserdem wird Wasserfahren betrieben. 

[ft] Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten. 

Franzbsisch, Vortrcige uber gesellschaftlichen Verkehr, Gesang, 
Afusik, Tanzen wie in der Infanterie-, Grundzuge der hoheren 
Mathematik (fur Anwarter auf Eintritt in das Pionierregiment obligat) 
wie in der Artillerie-Kadettenschule. 

Vbungen und Vortrage im praktischen Kurse (unter sinngemasser 
Anwendung der Vorschriften fur die Infanterie-Kadettenschulen) : Mi- 
lit&rdienstliche und taktische Vbungen: die Aufgaben aus der Taktik 
erstrecken sich fur Anwarter auf den Eintritt in das Pionierregiment 



Digitized by Google 



442 Geechichte des Militir-Eraiehungs- und -Bildungsweaens etc. 



auch auf die Verwendung der im Truppenverbande stehenden Ab- 
teilungen des letzteren. 
Schiessiibungen. 

Pionieriibungen: Ausstecken, Profilieren, Defilieren; Verrich- 
tungen mit den Seilen; Erd-, Zimmermanns- und Bekleidungs- 
arbeiten in Verbindung mit der fliichtigen und Feldbefestigung, mit 
dem Endziele auf Befabigung zur Herstellung fluchtiger Deckungen, 
insbesondere Schutzengraben , und zur Leitung der Verteidigungs- 
einrichtung von Ortlichkeiten ; Lagerarbeiten ; Wasserfahren , Ver- 
ankern, frberschiffen , Briickenschlag; Bau von Not- und halbperma- 
nenten Briicken; Tracierung einer feldmassigen Eisenbahn (6 Tage 
und 6 Tage zur Ausarbeitung des Entwurfes). 

Geodatische Obungen (HI) in Feld- und in Hohenmesskunst und 
in Mappieren, bezw. 10, 3, 20 Tage. Bei der Messtisch- und Schichten- 
aufnahme sind 2 bis 3 qkm, bei der Mappierung 6,25 qkm (Reduk- 
tion: 400 qcm Papierflache) zu bearbeiten. 

Die Exkursion richtet sich auf Festungen, Lager, Thalsperren, 
Eisenbahnen, Bracken, industrielle Anlagen, Bruckenschlag eines 
Pionier-Feldbataillons etc.: etwa 10 Tage und 8 fur den Bericht. 



Die Frequentanten der Sanitats- und Traintruppe werden 
in III und IV, statt in Freihandzeichnen, Exerzieren und Truppen- 
dienst, in Gesundheitspflege und Sanitatsdienst bezw. in der Kenntnis des 
Armeefuhrwesens unterrichtet. Wahrend des ersten Teiles des prak- 
tischen Kurses werden jene zn einem Garnisonspitale, diese zu einer 
Traineskadron kommandiert; die Exkursion und die geodatische tTbung 
machen beide mit Im Reiten und Fahren werden die Frequentanten 
vom Train bei der Unteroffizier-Bildungsanstalt der Truppe in Prag 
ausgebildet. 

Im ganzen betragt die Zahl der Wochenstunden in Gruppe 
[A.J fur die Infanterie : fur alle Klassen 30, in [B.] fur I, U, IV 6, III 5; 
fur die Kavallerie in [A.J fur III 31 % IV 27, in [B.] fur HI 5, IV 8; 
fur die Artillerie in [A.] fur I, II, III 33, IV 32, in [B.] fur I, II, IE 3, 
IV 6 ; fur die Pionier-Kadettenschule in [A.] fur I bis IV 33, in [B.] fur 
I, II, III 3, IV 4. Dazu kommt der Unterricht in Gruppe [C], fur 
welchen Stunden nicht bestimmt sind. 

Bestimmungen uber das Erteilen des Unterriohtes und das Abhalten der 

Prufungen. 

Jeder Lebrer hat seinen Lehrstoff innerhalb des Schuljahres zum 



Digitized by Google 



(Werreich- Ungarn. 



443 



Vortrage za bringen, was dadurch ermoglicht ist. dass dieser in einen 
wesentlichen und einen untergeordneten Teil zerfallt. Grundliche 
and nachhaltdge Aneignnng der Hauptbegriffe und Grundsatze in 
ihrem ursachlichen Zusammenhange , bezw. in ihrer logischen An- 
einanderreihung, und angemessene Fertigkeit in der Anwendung 
mussen erreicht werden. Die Vortragsstunden soil en nicht nur Lehr-, 
sondern vorziiglich Lernstunden sein. Der Lehrer darf daher nicht 
eher weiter gehen, als bis die Schiiler sich das Wesentliche des Lehr- 
stoflfes grundlich angeeignet haben. Dies setzt regen Verkehr des 
Lehrers mit den Frequentanten voraus. Fahige Schiiler konnen als 
Korrepetitoren verwendet werden. Jeder Lehrer, welcher ein Fach 
langer als ein Jahr vortragt, reicht dem Kommandanten ein Pro- 
gramm fiber die Unterrichtszeit zur Bestatigung ein, halt es auf 
dem Laufenden und iibergiebt es seinem Nachfolger; solche Pro- 
gramme konnen vervielfaltigt und als Leitfaden gebraucht werden. 

Hausaufgaben sind sparsam zu erteilen; in oder ausserhalb des 
Lehrsaales bearbeitete Aufgaben sind nur allgemein zu begutachten, 
nicht der Elassifikation zu unterziehen, um nicht den Bearbeiter 
durch Kiicksicht auf solche zu storen. 

Diktieren ist unbedingt untersagt; ebenso das Erganzen von 
Lehrbuchern durch autographierte Erganzungen; das Nachschreiben 
ist angemessen zu beschranken. 

(Ein Nachweis der damals im Gebrauche befindlichen Lehrmittel 
war der Instruktion beigegeben.) 

Von den Unterrichts-Erfolgen geben zunachst der Verkehr mit 
den Frequentanten und die Wiederholungsprufungen Rechenschaft, 
welche stets den ganzen vorgetragenen Unterrichtsstoflf umfassen. 

Die Prufungen, welche die namlichen Zwecke wie in den Militar- 
bildungs-Anstalten yerfolgen, werden mundlich und schrifblich aus 
alien theoretischen und graphischen, praktisch aus alien, ganz oder 
teilweise, praktischen Unterrichtsgegenstanden abgehalten. In jedem 
Gegenstande der Gruppe [A.] finden mindestens so viele statt, dass alle 
3 Monate eine „Prurungs-Klassifikation" vorgenommen werden kann; 
in denen, bei welchen ein praktischer Teil vorkommt, jfinden jahrlich 
mindestens zwei, in denjenigen der Gruppe [B.] in jedem Semester 
mindestens eine statt. Gruppe [C] wird, wo es theoretische Lehrgegen- 
stande betrifFt, wie [A.] behandelt. Das Abhalten ist Sache der Lehrer; 
die Instruktion giebt umfassende Reg ein fur ihr Verhalten. 

Eonduite, Fleiss, Fahigkeiten, Eenntnisse und Geschicklichkeiten 
in den Gruppen [A.] und [B.] werden als „vorziiglich u , „sehr gut", „gut" 



Digitized by Google 



444 Geschichte des Milit&r-Ereiehungs- und -Bildungsweaena etc. 



„geniigend", „ungeniigend", „sehlecht" mit den Werten 5 bis 0 
klassifiziert, Fahigkeiten, Gemutsbeschaffenheit, Benehmen und Ad- 
justierang mit einigen Worten geschildert. In der Mitte und am 
Ende des Schuljahres wird aus den Noten ein „Klassifikations-Ab- 
schluss" zusammengestellt. 

Der auf Grund einer Durchschnittsberechnung und von Mindest- 
forderungen ermittelte Gesamterfolg in [A.] und [B.] wird als „vor- 
zughch",. »sehr gut", „gut", „genugend", „ungeniigend" klassifiziert. 

Beim regelmassigen Austritte wird der Frequentant mit vorzttg- 
lichem Gesamterfolge als „zum Kadetten vorziiglich geeignet", mit 
sehr gutem, gutem und geniigendem als „zum Kadetten geeignet 44 , 
bei ungeniigendem als „zum Kadetten ungeeignet" bezeichnet Wer 
den Hauptbedingungen ganz, den Nebenbedingungen nicht voll geniigt, 
erhalt in der Kegel diejenige Gesamtklassifikation , in welcher er 
letztere erfullt hat. Auf VorscUag des Lehrkdrpers darf indessen 
dem, welcher den Bedingungen eines Gesamterfolges nahezu ent- 
sprochen hat, ausser bei „ vorziiglich", der letztere zuerkannt werden. 
Die Entscheidung steht der Oberleitung zu. Zur Bestimmung des 
Klassenranges wird zuerst die Einheitenzahl ermittelt, d. h. die 
Summon der Zahlenwerte der Klassifikationsnoten aller zahlenden 
Unterrichtsgegenstande aus [A.] und [B.]. Sie wird durch einen Bruch 
dargestellt, dessen Zahler die Summe der Werte aus [A.J, dessen Nenner 
der aus [B.] bildet. Der Klassenrang wird zunachst nach dem Ge- 
samterfolge, dann nach jenem Zahler bestimmt 1st dieser gleich, 
so entscheiden der Reihe nach: der Nenner, die Noten for Konduite 
und Fleiss, endlich notigenfalls die „sonstigen Kenntnisse und Ge- 
schicklichkeiten" , besonders Sprachkenntnisse. Wer aus auch nur 
ein em zahlenden Unterrichtsgegenstande der Gruppe [A.] nicht klassi- 
fiziert werden konnte, erhalt keinen Klassenrang. Zum Aufsteigen 
in einen hdheren Jahrgang ist mindestens der Gesamterfolg ,,ge- 
niigend" erforderlich : Wer wegen Krankheit nicht klassifiziert werden 
konnte, darf aufsteigen, muss aber vor Beginn des Sohuljahres eine 
Nacbprurung bestehen. Nachpriifungen diirfen iiberhaupt yorge- 
nommen werden, wenn a. der Lehrer sich genauere Kenntnis iiber 
den wissenschaftlichen Standpunkt eines Frequentanten zu verschaffen 
wiinscht ; b. urn Frequentanten das Aufsteigen in hohere Jahrgange zu 
ermoglichen; c. urn Gelegenheit zur Erlangung einer besseren Klassi- 
fikation in abgeschlossenen Unterrichtsgegenstanden zu geben, in 
denen sie durch Selbststudium ihre Kenntnisse erweitert haben. In 
a. und b. werden sie vom Lehrer, in c. und d. vom Schiiler beantragt 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



# 445 



und stets kommissariseh vor Beginn des Schuljahres vorgenommen ; 
im Falle c. hochstens in zwei Fachern. 

Wiederholung eines Jahrganges bei ungeniigendem Gesamterfolge 
ist bei mindestens guter Eondoite zulassig, wenn weder mehr als 
zwei „ungeniigend" noch ein „schlecht" aus Gruppe [A.] vorliegen. 
Au8serdem ist sie nur gestattet, wenn der Lehrkdrper mindestens 
„geniigenden" Gesamterfolg erwartet. Fiir I, II, III entscheidet der 
Sehulkommandant, for IV die Oberleitung. In der Regel darf nur I 
und hochstens noch ein Jahrgang wiederholt werden. 

ttber alle diese Massregeln berat der Lehrkorper in Kompagnie- 
(Eskadrons-) oder Hauptkonferenzen. Bei ersteren sind samtliche 
Lehrer und der Kompagnie-Kommandant anwesend, der alteste standige 
Lehrer fiihrt den Vorsitz; an letzteren nehmen alle Lehrer unter 
Yorsitz des Schulkommandanten teil, letzterer stimmt nicht mit. Die 
Oberleitung entscheidet. Beratung von Gegenstanden, welche langerer 
Zeit bedurfen, kann Ausschussen ubertragen werden. 

♦ 

Diejenigen Daten der Klassifikationslisten , welche den Frequen- 
tanten bekannt werden miissen, sind ihnen mitzuteilen; die An- 
gehorigen werden von der Beurteilung durch die Klassifikationslisten 
in Kenntnis gesetzt. Wer die Schule absolviert hat, erhalt einen 
Auszug seiner Klassifikationsliste, welcher fiber seine fern ere Dienst- 
verpflichtung und sonstigen personlichen Verhaltnisse, seine Leistungen 
in der Anstalt, seine Beurteilung, seinen Klassenrang etc. Aus- 
kunft giebt. 



tTbrigens ist der Besuch einer Militar-Akademie oder einer Ka- 
dettenschule nicht unerlassliche Bedingung fur die Ernennung zum 
Kadetten. Es konnen vielmehr sowohl Unteromziere und Soldaten wie 
auch Personen, welche dem Heere nicht angehoren, die erforderliche 
Vorbildung auf andere Weise erwerben und den Besitz durch Ab- 
legung der vorgeschriebenen Prufung bei einer Kadettenschule der 
gewahlten Waffe nachweisen. Unteroffiziere etc. durfen zum Zwecke 
der Vorbereitung bis zu 1 Jahr beurlaubt werden. Die zu Priifenden 
nehmen vorher an der Mappierungsubung einer Kadettenschale teil 
und miissen dabei mindestens „geniigenden" Erfolg haben. Die 
Prufung in Gruppe [A.] miissen sie, abgesehen von der in einer nicht- 
deutschen Nationalsprache, im ganzen Umfange ablegen; Beteiligung 
an der Prufung in Gruppe [B.] ist freigestellt. Bewerber aus dem 
Zivil rangieren bei gleicher Einheitenzahl hinter den Soldaten. 



Digitized by Google 



446 # Geachichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Inspizierungen der Kadettenschulen 

werden im Laufe des Schuljahres, nach Anleitung der „Inspizierungs- 
vorschrift fur das k. k. Heer", vorzugsweise durch den Vorstand der 
6. Abteilung des Kriegsministeriums , am Schlusse des Schuljahres 
durch die Korps-Kommaudanten bezw. deren Vertreter vorgenommen; 
die letzteren „mit aller Formlichkeit". Sie sollen nicht fiber eine 
Woche dauern, finden auf Grund eines Inspizierungsprogrammes 
statt und kdnnen mit der okonomisch-administrativen Inspizierung 
verbunden werden. Das Hauptgewicht ist auf den hochsten Jahrgang 
zu legen, weil dieser den besten Anhalt giebt und seine Beschaffenheit 
die nachste und grosste Bedeutung fur das Heer hat. Namentlich 
sind zu beurteilen: Keuntnisse, Geschicklichkeiten, allgemeine Haltung 
der Frequentanten, Wissen, Unterrichtsmethode und Klassifikations- 
weise der Lehrer, Zustand der Anstalt im allgemeinen, ihr Dienst- 
betrieb und ihre Leitung. 

Das Ministerium erhalt ferner Jahresberichte, welche das Schul- 
kommando aufstellt und die Oberleitung erganzt. 

Haus- und Dienstordnung. 

Der Dienst wird im allgemeinen nach dem Dienstreglement ge- 
handhabt. Besondere Anordnungen werden in einer Haus- und Dienst- 
ordnung zum Ausdrucke gebracht, welche vom Schulkommando zu 
verfassen ist und dem Sonderbedurfnisse Rechnung tragt. Die 
Instruktion giebt fiir sie „AUgemeine Anhaltspunkte". 

Militardienstliche und taktische Gliederung. In den Ka- 
dettenschulen mit Farallelklassen bildet je ein Jahrgang, in denen ohne 
solche bilden zwei eine Kompagnie (Eskadron). Die Genie-Kadetten- 
schule bildet eine Kompagnie. Frequentanten von IV versehen den 
Dienst der Feldwebel etc., Zugs- und Zimmerkommandanten. Zur 
Unterweisung in den praktischen Lehrgegenstanden werden nach 
Ermessen des Kommandanten samtliche Frequentanten von IV heran- 
gezogen ; dieselben werden zu Vorgesetzten bei der Truppe ausgebildet. 
So viel als moglich behalten die Kommandanten die ihnen zu- 
gewiesenen Jahrgange bis zu deren Austritte. In der Kavallerie-Ka- 
dettenschule rfickt in der Regel IV (2. Eskadron) zu Pferde, HI (1. 
Eskadron) zu Fuss aus. Die Pferde sind den Frequentanten dauernd 
zugewiesen. 

Der Dienstbetrieb ist wie bei einem selbstandigen Bataillon 
(vereinigten Kavallerie- Division) geregelt. Die als standige Lehrer 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 447 



verwendeten Offiziere, die Lehrgehilfen und ausgezeichnetesten Fre- 
quentanten von IV versehen den Dienst als „Sehul-Inspektion" 
(Dienstreglement, 1. Teil, Punkt 207 bis 223); den als Inspektions- 
Feldwebel, Korporal vom Tage, und Inspektions-Gefreiter versehen 
Frequentanten, die Thor- und Stallinspektion in der Kegel die kom- 
mandierten XJnteroffiziere und Soldaten. Fur jede Schule sind 
Alarm-Disposition und Feuerloschordnung festzustellen; zum Garnison- 
wachdienste werden die assentierten Frequentanten der hoheren Jahr- 
gange (hochstens 3mal jahrlich) herangezogen. Tages- und Stunden- 
einteilung genehmigt die Oberleitung. Unterricht in Gegenstanden, 
welche den Geist mehr anstrengen, ist vormittags, in den gra- 
phischen Fachern und in den militarischen Geschicklichkeiten nach- 
mittags zu erteilen (vgl. S. 342). Zwichen den Vormittagsstunden 
liegt eine Erholungspause, welche zu einem Schulrapporte benutzt wird. 
Jeder standige Lehrer soil, wenn moglich, einen Wochentag vom 
TJnterrichte befreit sein. Die Hauptabschnitte der Tageseinteilung 
werden durch Signale bezeichnet; fur den Wechsel in den Unter- 
richtsstunden durfen Glockenzeichen verwendet werden. 

Den freien Ausgang regelt der Kommandant mit Rucksicht auf 
das Alter der Frequentanten und die Schulzwecke. Es ist darauf zu 
achten, dass jene nur anstandige Gesellschaften und Vergnugungsorte 
besuchen. 

Der theoretische Unterricht findet im allgemeinen in den Lehr- 
salen statt, welche auch wahrend der zur Wiederholung bestimmten 
Zeit zum Aufenthalte dienen. Jeder hat seinen ihm mit Rucksicht 
auf seine Sehkraft und die tfberwachung durch die Korrepetitoren 
angewiesenen Platz. Fur jeden Lehrsaal ist ein Jahrgangs- (Ab- 
teilungs-) Altester bestellt Er hat das Jahrgangs- (Abteilungs-) 
Buch in Verwahrung, in welches der Lehrer seine Bemerkungen fiber 
die Schuler tragt, und legt dasselbe taglich dem Kompagnie- etc- 
Kommandanten vor. Ein Frequentant hat wochenweise „die Lehrsaal- 
Inspektion", derselbe sorgt for die Lehrmittel etc. Beim Eintritte 
eines Vorgesetzten oder H6heren in den Lehrsaal wird „Habt Acht !" 
kommandiert, worauf der Lehrer bezw. Jahrgangsalteste den Rapport 
erstattet. Verlasst jener den Saal, so erheben sich die Frequentanten. 
Werden sie aufgerufen, so machen sie beim Auftreten und Abgehen 
eine leichte Verbeugung. Die Warme im Lehrsaale darf nicht unter 
14° R. sinken; Rauchen ist dort verboten. 

Die Mahlzeiten werden in den Speisesalen ein genu mm en, 
welche auch zum Aufenthalte wahrend der Erholungszeit und zu ge- 



Digitized by Google 



448 Geschichte dee Militar - Erziehungs- und -BildungBweeens etc. 



selligen Zusammenkunften , falls fur letztere nicht besondere Ort- 
lichkeitcn vorhanden sind, benutzt werden. Wahrend der Mahlzeiten 
sind die den gebildeten Standen eigenen Formen streng aufrecht zu 
erhalten. fis werden Tischgesellschaften von 10 bis 14 Frequentanten 
gebildet, deaen ein Frequentant von IV vorsitzt. 

In den Sen laf sal en hat jeder sein Bett, nnter dessen Fuss- 
ende der Koffer steht. Die Beschaffung eines weiss uberzogenen 
Rosshaarkopfpolsters ist in sein Belieben gestellt. Wahrend des 
Tages sind die Schlafsale verschlossen ; die Temperatur soli nicht 
unter 10° R. sinken. Reinigung von Montur und Rustung durch die 
kommandierten Soldaten gegen eine vom Schulkommandanten fest- 
gesetzte Belohnung ist gestattet. 

Fur Leichtkranke bestehen unter Obhut des Arztes Marode- 
zimmer mit Soldaten als Krankenpflegera; Schwerkranke koramen 
in die Militarspitaler, k5nnen aber auch den Angehdrigen ubergeben 
werden. 

Frequentanten des hochsten Jahrganges kann bei vorzuglichem 
und sehr gutem Gesamterfolge die wirkliche oder Titular -Feldwebel- 
etc.-, bei gutem die Titular-Zugsfuhrer-, bei genugendem die wirkliche 
oder Tittdar-Korporalscharge verliehen werden. Wirkliche Chargen 
verleiht derTruppen-, die ubrigen der Schulkommandant Schutzen-etc.- 
abzeichen konnen lach den dienstlichen Vorschriften verliehen werden. 

Der Kommandant hat das Disziplinar-Strafrecht des Eom- 
mandanten eines selbstandigen Bataillons. Er sowohl wie die Kom- 
pagnie- etc.- Kommandanten durfen ausserdem Korrektionsmittel in 
Anwendung bringen, welche den Charakter einer Ermahnung, einer 
Verwarnung oder einer Strafe tragen. Dieselben sollen das Ehrgefuhl 
nicht verletzen und in einer gewissen Steigerung angewendet werden. 
Die Ermahnung (zum Fleisse oder zu besserer Auffuhrung) wird beim 
Kompagnie- etc.- oder beim Ikchulrapporte ausgesprochen. Die Ver- 
warnungen, in der Regel nnr gegen bereits Ermahnte, werden auf 
Grund einer Konferenzberatung, wahrend des Schuljahres oder am 
Schlusse, immer unter Gewahrung einer Besserungsfrist, erteilt; ihrer 
fruchtlosen Anwendung folgt Entfernung aus der Schule. Erscheint 
nach Ablauf der Besserungsfrist die Ursaohe als beseitigt, so wird 
die Verwarnung durch Konferenzbeschluss aufgehoben. Waren un- 
genugende Fortschritte der Grand, so kann die Frist verlangert 
werden. 

Die Strafen zerfallen in Schul- und Disziplinarstrafen. Schul- 
strafen fur Verstosse gegen Schul- und Hausordnung etc bestehen 



Digitized by Google 



Ceterreich-Ungarn. 



449 



in einfachem und strengem Terweise beim Kapport, Verbot des Aus- 
bleibeDS fiber die Retraite, Verpflichtung vor derselben zurfickzukehren 
(beides bis 30 Tage), Entziehang der freien VerfQgung fiber die Ge- 
bfihren auf unbestimmte Zeit (nur vom Zugsffihrer abwarts), tag- 
liches Erscheinen zum Rapport in einer bestimmten Adjustierung oder 
urn eine bestimmte Meldung zu erstatten (nicht fiber 8mal), Auf- 
erlegung schriftlioher Arbeiten, Urlaubsentziehung, Hausarrest (bis 
20 Tage), wie Kasernenarrest zu vollstrecken, Schularrest (nicbt fiber 
12 Stunden) in abgeschlossenem Raume unter angemessener Be- 
schaftigung, strafweise Entfernnng. Mehrere dieser Strafen konnen 
gleichzeitig verhangt werden, nur nicbt Verweis und Arrest. Dis- 
ziplinarstrafen sind die im Dienstreglement, 1. Teil, § 87 ge- 
nannten Verweise, Ordnungs- und Arreststrafen. Anbinden darf nur 
stattfinden, wenn der Betreffende am Unterrichte nicbt mehr teil- 
nimmt und seine Entfernung beantragt ist. Disziplinar- und Schul- 
strafen dfirfen nicbt gleichzeitig verhangt werden. Der einfacbe 
Arrest wird, wenn moglich, abgesondert vollstreckt, an Stelle des 
gescharften tritt in der Regel Einzelarrest. Mit Fasten verbundener 
Arrest findet nur nacb arztlicher Untersuchung statt. 

Der Lehrer bat als solcber kein Strafrecbt, darf aber Straf- 
fallige in Arrest setzen und hat unverweilt zu melden, wenn es ge- 
schehen ist; der Kompagnie- etc.-Kommandant darf alle Schulstrafen 
ausser Urlaubsentziehung und strafweiser Entfernung verhangen, welche 
letztere beiden Strafen der Oberleitung vorbehalten sind. 

Ferien finden statt: vom 18. August bis 18. September, an 
Sonn- und kirchlich gebotenen romisch-katholischen Feiertagen, am 
Geburtstage des Kaisers, vom 24. Dezember bis einschl. 2. Januar, 
von Faschingsmontag bis Aschermittwoch, von Grundonnerstag bis 
Dienstag nach Ostein. 

Dienstpferde bat die Kavallerie- 120, die Artillerie-Kadetten- 
schule 52; den Ersatz liefert das Militar-Reitlehrer-Institut, notigen- 
falls die Kavallerie- (Artillerie-) Regimenter. 

Diensteszulagen: Schulkommandant 18, standige Lehrer etc. 
12 Gulden monatlicb; Lehrgehilfe 20 Kreuzer taglich. Bei langerer 
als lOjahriger Verwendung steigen die Zulagen von 5 zu 5 Jahren 
um bestimmte Satze. Remunerationen erhalten die als standige 
Lehrer verwendeten Offiziere etc. des Ruhestandes in einigen teueren 
Garnisonen je 600, in den fibrigen 500, einige als externe Lehrer ver- 
wendete Offiziere je 100 Gulden jahrlich. Andere Remunerationen 
werden im Einzelfalle festgesetzt. 

Monument a Qsrmaoiae Paedagogioa XV. 29 



Digitized by Google 



450 



Geschichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



Wahrend der Aufnahmezeit und der Exkursion erhalt jeder 
Frequentaut eine tagliehe Arbeitszulage von 20 Kreuzern, wahrend der 
Marschubung die Marsehzulage. Bei den geodatischen ttbungen er- 
halt jede Arbeitspartei das Prastationspauschale mit 4 Gulden. 

Die Kost der Frequentanten besteht aus Fruhstuck, Mittags- 
und Abendmahl, ein Teil des Brotes wird zur Jause oder einer 
anderen vom Schulkommando zu bestimmenden Zeit gegeben. Das 
Brot ist halbweiss und wird taglich frisch gebacken, die Portion 
wiegt 560 g. 

Die Frequentanten durfen im Dienst eigene Wasche, Fusszeug 
und Handschuhe, ausser Dienst eigene Montur aus feinerem Stoffe 
tragen. 

Anderungen vom Jahre 1885. 

Durch A. E. vom 29. April 1885 (N.-V.-Bl., 17. Stuck) wurden 
die Anforderungen an die Vorbildung erhdht, indem gefordert wurde : 
fur Zulassung zur Aufnahmeprufung in I einer Infanterie-Kadetten- 
schule Absolvierung mit „befriedigendem", mindestens aber mit „ge- 
nugendem" Gesamterfolge der vier unteren Klassen einer Mittelschule 
(Realschule, Gymnasium etc.), in II von funf, in III von 6 Klassen, in 
IV Absolvierung einer Ober-Realschule oder eines Ober-Gymnasiums 
(Kavallerie-Kadettenschule entsprechend) j fur I der Artillerie- oder der 
Pionier-Kadettenschule Absolvierung von funf Klassen einer Mittel- 
schule, fur II deren vollstandige Absolvierung; in III und IV fand 
Aufnahme aus der Privaterziehung nicht mehr statt. Nachlass in 
diesen Forderungen war insofern stattnehmig, als die Zulassung zur 
Aufnahmeprufung in I der Infanterie- bezw. Artillerie- oder Pionier- 
Kadettenschule auch dann geschehen durfte, wenn nur drei bezw. 
vier Klassen einer Mittelschule, aber mit einem Vorzugszeugnisse, 
durchgemacht waren. Die Genie-Kadettenschule nahm nur in I auf 
Grund des Maturitatszeugnisses einer Mittelschule auf. 

Es wurde ferner bestimmt, dass an Schulgeld fortan zahlen 
sollten: Sohne von Offizieren, Militargeistlichen, Auditoren, Militar- 
arzten, Truppenrechnungsfiihrern, Militarbeamten und Unteroffizieren 
des aktiven, Rune- und Invalidenstandes des Heeres, der Kriegsmarine 
und beider Landwehren 12, von Offizieren der Reserve und der 
nicht aktiven Landwehr, Offizieren „ausser Dienst", Hof- und Zivil- 
Staats-Beamten bezw. -Bediensteten 160, Sohne aller ubrigen oster- 
reichischen oder ungarischen Staatsbiirger 120 Gulden jahrlich. 



Digitized by Google 



6sterreich- Ungarn. 



451 



Der Stand an Frequentanten der Artillerie-Kadettenschule 
ward 1886 wegen Mangels an Zudrang auf 280 herabgesetzt. *) 

Anderungen vom Jahre 1889. 

Ungleich bedeutendere Anderungen als 1885 wurden durch eine 
A. E. vom 6. April 1889 8 ) angeordnet. Es war der erste Schritt zur 
Beseitigung des Unterschiedes zwischen den „Z6glingen" der Militar- 
Akademien und den „Frequentanten" der Kadettensehulen und zur 
Schaffung eines einheitlichen, durchweg ausdennamlichenGesellschafts- 
klassen hervorgegangenen, auf gleicher Stufe allgemeiner und militar- 
wissenschaftlicher Bildung stehenden Offizierkorps. Die Erganzung 
der Kadettenschuler durch bereits dienende Soldaten hdrte auf; zum 
letzten Male sollte sie bei Beginn des Unterrichtsjahres 1892 in den 
Infanterie- Kadettensehulen stattfinden. Es wurde damit von der 
Offizierslaufbahn eine Klasse von Leuten ausgeschlossen , denen in 
der Regel, wenn sie auch die fur ihre Stellung notigen Kenntnisse 
erworben haben mochten, diejenigen Lebensauschauungen und Um- 
gangsfonnen fehlten, deren Besitz der Offizier nicht entbehren kann, 
wenn er den im burgerlichen Leben ihm zukommenden ausgezeichneten 
Platz in der Gesellschaft ausfiillen soli. Mit ihrer Aufnahme waren 
ausserdem zwei tTbelstande verbunden gewesen, welche jetzt fortfielen. 
Sie selbst waren meist zu alt far die Schule, gelangten zu spat in 
die Stellung, welche sie hinterher einnahmen, und befanden sich in 
Beziehung auf ihre Beforderung zeitlebens in einem Missverhaltnisse 
zu ih r en Eameraden; Eltern aus denjenigen Standen aber, welche 
unter anderen Umstanden gewunscht hatten, ihre Sohne durch die 
Kadettensehulen dem Offizierstande zuzufuhren, trugen Bedenken, die- 
selben in diesen Anstalten in Gemeinschaft mit soviel alter en, aus 
ganz anderen Gesellschaftskreisen hervorgegangenen Leuten erziehen 
zu lassen. Dergleichen Familien trugen ferner Bedenken, ihre Sohne 
Anstalten zu ubergeben, welche denselben die Verpflichtung auf- 
erlegten, sich nach vollendetem 17. Lebensjahre als Soldaten einstellen 
zu lassen und als solche nicht nur die gesetzliche Prasenzdienstpflicht, 
sondern noch ein Mehr daruber hinaus abzuleisten. Die Tragweite 
der jetzt verfugten Massregeln war um so grosser, als die Kadetten- 
sehulen etwa drei Vierteile des gesamten Offiziernachwuchses lieferten. 

Mit Beendigung des Unterrichtsjahres 1889/90 horten die Ka- 



DoUeczek a. a. O., S. 607. 
») N.-V-Bl., 15. Stack. 

29' 



Digitized by Google 



452 Geschichte des Militar-Erziehunga- und -Bildungsweaens etc. 



dettenschulen auf, zu den Truppenschulen zu zahlen. Mit eigenem 
Statute wurden sie unter die Militar-Erziehungs- und -Bildungs-An- 
stalten eingereiht. Die Assentierung horte auf, aber auch der Vorteil 
der Anrechnung des Aufenthaltes als aktive Dienstzeit. Die Ver- 
pflichtung des aktiven Nachdienens flber die gesetzliche Prasenzzeit 
hinaus (ein Jahr fur jedes vollendete Schuljahr) blieb in Gemassheit 
der Bestimmungen des Wehrgesetzes (§ 21, XI. Abschnitt der 
Wehrvorschrift, I. Teil) bestehen. Die Schuler hiessen nicht mehr 
Frequentanten , sondern Zoglinge; ihre Disziplinarbehandlung ward 
derjenigen der Zoglinge der Akademien analog gestaltet. Adjustierung 
und Bewaffnung blieben, wie sie gewesen; in der Ausrustung wurden 
kleine Anderungen vorgenommen. Samtliche Zoglinge erhielten das 
TJnteroffiziers-Portepee und die Korporalsborte am Tschako. Als Aus- 
zeichnungen wurden die fur die Militar-Realschulen vorgeschriebenen 
eingefuhrt. Die Zoglinge erhielten die Gebuhren der bisherigen Fre- 
quentanten, die „L6hnung" ward als „Taschengeld" gewahrt. 

Die an die Vorbildung zu machenden Forderungen wurden in- 
sofern etwas herabgesetzt, als fortan zum Eintritte in die betreflfenden 
Klassen nicht mehr „befriedigender" , mindestens „genugender", 
sondern einfach „geniigender" Gesamterfolg verlangt ward. Der 
Schwerpunkt lag freilich in der Priifung, welche je nach dem Grade 
des Zudranges strenger oder gelinder vorgenommen werden kann. 

Der Eintritt in I hatte zwischen dem zuruckgelegten 14. und nicht 
vollendeten 17., in II vor beendetem 20., in III und IV nicht vor 
zuruckgelegtem 17. Lebensjahre zu geschehen. 

Der regelmassige Austritt erfolgte am 18. Augast unter gleich- 
zeitiger Assentierung und Ernennung zu Kadetten. Die Entlassung 
vorzuglicher Schuler als Lieutenants horte auf. Wer jedoch IV der 
Artillerie- oder der Pionier-Kadettenschule mit mindestens „sehr 
gutem" Erfolge durchgemacht hatte, wurde sofort zum Kadett- 
Offizierstellvertreter, wer dort als mindestens „genugend" beurteilt 
war, als wirklicher Kadett-Feuerwerker bezw. als Kadett-Feldwebel 
(-Oberjager) ausgemustert. Bei Erlass der „Vorschrift uber die Klassi- 
fikation der Zoglinge in den k. und Militar-Erziehungs- und -Bildungs- 
Anstalten" vom Jahre 1889/90 ward angeordnet, dass diese Vorschrift 
so lange auf die Kadettenschulen sinngemasse Anwendung jfinden 
solle, bis letztere Anstalten ein eigenes Statut erhalten haben wurden. 

In der Artillerie- und in der Pionier-Kadettenschule ward das 
Schulgeld von 120 Gulden auf 60, das von 60 auf 30 herabgesetzt. 

Die Genie-Kadettenschule sollte zu bestehen aufhoren. Sie 



Digitized by Google 



Osterreich-TJngarn . 



453 



hatte uberhaupt keine Daseinsberechtigung. Das Vorhandensein von zwei 
verschiedenen Arten von Schulern in derselben Anstalt (S. 421) fuhrte 
zu mancherlei Missverhaltnissen und Missstimmungen. Die Truppen- 
uniform und die Anrechnung der Dienstzeit der Kadettenschuler er- 
regten den Neid der Akademiker. *) Es ward angeordnet, dass 
Neuaufhahmen nicht mehr stattfinden sollten. Mit dem Schlusse des 
Schuljahres 1890/91 traten mithin zum letzten Male Kadettenschuler 
aus der Technischen Militar-Akademie , deren Zogiinge dann ent- 
sprechend vennehrt wurden, aus. 

Die Kavallerie-Kad ettenschule war mit Beginn des Schul- 
jahres 1886/87 (lurch Errichtung einer II vergrdssert, deren Lehrplan 
sich im wesentlichen mit dem der III einer Infanterieschule deckte. 
Diese Anordnung wurde jetzt zu einer endgultigen gemacht; IV konnte 
wie bisher in einer Infanterieschule durchgemacht werden. 

DerEquitationsbeitrag betrug in III 100, in II und I je 200 Gulden; 
derselbe durfte fur Sonne unbemittelter Offiziere und Militarbeamten 
auf die Halfte herabgesetzt werden. 

Die Inspizierung geschah auch jetzt noch sowohl durch das 
Kriegsministerium wie durch die Korpskommanden bezw. den General- 
Inspekteur der Artillerie und fur die Pionierschule durch den Chef 
des Generalstabes ; nahere Bestimmungen wurden vorbehalten. 

Gleichzeitig erliess das Kriegsministerium Weisungen hinsichtlich 
des Lehrplanes, deren wesentlichen Inhalt die nachfolgenden Be- 
stimmungen bilden: 

Die deutsche Sprache, als die Dienstsprache , muss eingehend 
gelehrt werden ; der Schuler muss in ihr, wenn er die Anstalt verlasst, 
seine Gedanken mundlich wie schriftlich klar ausdrucken konnen. 
Hierin besteht das unbedingt zu erreichende Ziel. Gelingt es, den 
Zoglingen auch eine gewahltere Ausdrucksweise in Rede und Stil 
beizubringen , sie mit der deutschen Litteratur bekannt zu machen, 
so ist dies nutzlich und erspriesslich. Der Anfang des Studiums der 
Litteraturgeschichte wird fur II ein kurzer Einblick in die altklassische 
Litteratur nach deutschen tTbersetzungen, fiir in eine Darstellung 
des Einflusses der deutschen Litteratur durch Studium der Werke 
der beruhmtesten Schriftsteller, fur IV eine gedrangte tTbersicht der 
epochemachenden Litteraturen nichtdeutscher Volker sein mussen. 

Beim Unterrichte in Geographic und Geschichte muss ubergrosse 
Belastung des Gedachtnisses mit Zahlen, Daten und Namen ver- 



») Armee- und Marine-Zeitung, Nr. 276 vom 22. April 1889. 



Digitized by Google 



154 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



mieden werden. Aus dem bisherigen Lehrstoffe werden alle uber- 
flussigen und unwesentlichen Eapitel ausgeschieden. 

Mathematik soil getrieben werden, urn den Verstand und das 
Urteil8verm6gen zu scharfen. Leeres Formwesen oder die Pflege der 
Mathematik urn ihrer selbst willen sind vom TTbel und wird daher 
der Umfang dieses Gegenstandes gegenuber dem bisherigen Programm 
in alien Jahrgangen bedeutend eingeschrankt. 

Physik und Chemie sind, wie im Lehrplane deutlich hervor- 
gehoben erscheint, vorwiegend praktisch zu betreiben. 

Stenographie treiben nur Freiwillige ausser der Unterrichtszeit. 

Das Dienstreglement ist von alteren, tuchtigen Offizieren vor- 
zutragen, welche im stande sind, dasselbe durch treffende Beispiele 
aus einem vielseitigen Dienstleben zu erlautern. 

Das Exerzierreglement soli bis einschliesslich der Vorschriften 
fur eine Kompagnie bezw. Eskadron oder Batterie griindlich gekannt 
werden. Die Vorschriften fur die Verwendung des Bataillons bezw. 
der Division sind beim Studium der Taktik zu lehren, welches ledig- 
lich auf dem Boden der reglementarischen Vorschriften zu bleiben 
hat. Es geniigt die Beherrschung der letzteren im Umfange der 
Schrift „Die taktischen Reglements der drei Waffen", im Auszuge 
bearbeitet vom FML. Hotze, Wien 1889. 

In der Waffenlehre muss die genaue Kenntnis des Gebrauches 
und der Wirkungsfahigkeit der blanken und der Handfeuerwaffen, 
sowie eine allgemeine tTbersicht fiber die Einrichtung und die 
Wirkungsfahigkeit des Feld-, Gebirgs- und Festungsgeschutzes erreicht 
werden. 

Auch alle anderen Gegenstande des Vortrages sind auf das Mass 
des wirklich Notwendigen zu beschranken. 



Die Neuordnung der Verhaltnisse wirkte sofort auf den Zu- 
drang zum Besuche der Kadettenschulen gunstig ein. Zum Eintritte 
im Jahre 1889 hatten sich 810 geeignete Bewerber gemeldet, von 
denen nur 709 Platz fanden. In der Kavallerieschule, welche 51 
Zoglinge aufnahm, blieben einige Stellen frei. 

Fur die Aumahme im Schuljahre 1890/91 hatten sich 1779 Be- 
werber gemeldet, von denen 1387 zur Prufung zugelassen wurden 
und 1000 dieselbe bestanden. Von den Gepruften hatten 9 nur 
drei, 689 vier oder mehrere Klassen der Mittelschule durchgemacht. 
836 wurden aufgenommen. 172 waren Sohne von Offizieren und 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



455 



Militarbeamten, 245 von Staats- und offentlichen Beam ten, 38 von 
Unteroffizieren , 44 von Guts- und Realitatenbesitzern , 277 von 
Privatbeamten, Advokaten und Arzten, 60 von Landleuten und Hand- 
werkern. 623 hatten eine monatliche Zulage von 5, 100 von 10, 
36 von mehr als zehn Gulden; 55 erhielten zeitliche Beihilfen, 22 
entbehrten der letzteren ganz. 

Bestimmungen vom Jahre 1891. 

Durch eine A. E. vom 30. Mai 1891 wurden neue „Orga- 
nische Bestimmungen fur die k. k. Kadettenschulen" und 
eine neue „Vorsehrift fiber die Aufnahme von Aspiranten 
in die k. k. Kadettenschulen" genehmigt. Ferner warden eine 
„Vorschrift uber die Disziplinarbehandlung" und eine „Vor- 
schrift fiber die Beurlaubung" ausgegeben. Die Neugestaltung 
der Kadettenschulen wird im Jahre 1896 vollstandig durchgeffihrt 
sein, denn, da Aspiranten des Truppenstandes zum letzten Male 1891 
in I und II, 1892 in I der Infanterie-Kadettenschulen aufgenommen 
werden durfen, so erfolgt der regelmassige Austritt assentierter An- 
gehoriger aus dem Mannschaftsstande zum letzten Male mit dem 
Schlusse des Unterrichtsjahres 1895/96. 

Die Kadettenschulen bildeten fortan die „zweite Gruppe der 
Militar-Erziehungs- und -Bildungsanstalten" , die Akademien etc. die 
„erste". 

Als unterste Altersgrenzen far den Eintritt wurden bestimmt: 
Fur I bis IY einer Infanterie- sowie der Kavallerie-Kadettenschule 
bezw. das erreichte 14., 15., 16., 17., fur I bis II der Artillerie- so- 
wie der Pionier-Kadettenschule, welche in III und IV Aspiranten 
nicht aufnehmen, das 15. bezw. 17.; als hochste in jenen Schulen 
das nicht uberschrittene 16., 17., 18., 20., in diesen das 17. bezw. 
20. Lebensjahr. 

Unterrichtsgegenstande derlnfanterie-Kadettenschule 
sind: Die deutsche Sprache und in der hergebrachten Weise die 
ubrigen Nationalsprachen ; die franzdsische Sprache ; Geographie ; Ge- 
schichte; Arithmetik und Algebra; Geometrie; Geometraizeichnen ; 
praktische Geometrie; Physik; Chemie; Freihandzeichnen ; Schon- 
schreiben; Dienstreglement; Exerzierreglement; Heeresorganisation; 
Waffenlehre; Terrainlehre und -Darstellung; Taktik; Pionierdienst; 
Befestigung und Festungskrieg; Militar-Administration und -Geschafts- 
stil ; Exerzieren und Ausbildung im Truppendienste; Turnen; Fechten; 
Dienstvorschriften und Anstandslehre ; Gesundheitspflege und Sanitats- 



Digitized by Google 



456 



Geachichte dea Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



dienst; Schwimmen. Die Lehrplane der fibrigen Kadetten- 
schuleii tragen dem Sonderbedurmisse der Truppengattungen 
Rechnung. 

Der regelmassigeAustritt erfolgt bei mindestens „genugender" 
Qualification als Kadett-Offlziers-Stellvertreter. Wer mit Riicksicht 
auf die Standesverhaltnisse nicht dazu ernannt werden kanii, wird 
mit der Aussicht auf weitere Beforderung zum Kadett unter Beilegung 
einer Unteroffizierscharge ernannt. Dem Pionierregimente werden die 
geeignetsten Zoglinge seiner Schule, die ubrigen Schtiler der letzteren 
werden der Infanterie oder der Jagertruppe zugeteilt 

Die Schulkommandanten und die standigen Lehrer in 
denjenigen Unterrichtsgegenstanden , deren Beherrschung langerer 
Vorbereitung bedarf, sollen mindestens funf, die fibrigen standigen 
Lehrer mindestens drei Jahre in ihrer Verwendung belassen werden. 
Zu den Begunstigungen der standigen Lehrer ist seit 1889/90 die 
Berechnung einer langeren Dienstzeit nach Massgabe der fur die 
Militar-Erziehungs- und Bildungsanstalten allgemein geltenden Be- 
stimmungen (S. 400) hinzugetreten. 

Im fibrigen sind die Verhaltnisse der Kadettenschulen die fruheren 
geblieben. 

Das Jahreserfordernis der Kadettenschulen fur das 

Schuljahr 1889/90 



geht aus nachstehender tTbersicht J ) hervor: 



Anstalt 1 


Sollstand 

der 
Zoglinge 


StaaU- 
Sub- 
yentionen 


Zoglinge 
and innere 
Einrichtang 


Lehr- and 
ErziehnngB- 
Peroonal 


Geaamt- 
kosten 




Gulden 


Golden 


Golden 


Gulden 


Infanterie-Kadettenschulen 














360 


19440 


65000 


42120 


107 120 




330 


17 800 


61300 


34860 


96160 


Prag ..:... 


330 


18000 


61600 


37 550 


99150 


130 


6900 


23 900 


16460 


40360 




150 


7800 


28 900 


20550 


49 550 


Lobzow 


160 


8900 


29000 


20 570 


49 570 


Hermannstadt . . . 


135 


6300 


23 900 


17 620 


41520 




140 


7900 


24500 


19100 


43 600 


Ldebenau 


130 


6900 


23000 


20930 


43930 


Innsbruck .... 


130 


6 900 


22 800 


18110 


40910 


130 


6800 


24000 


17 820 


41820 




130 


5800 


22 900 


17 470 


40370 


Kavallerie>Kadetten8chule 


190 


12000 


46 500 


40600 


87100 


Artillerie-KadettenBchule • 


280 


16 684 


55 200 


43 600 


98800 


Pionier-Kadettenschvde 


140 


9000 


25 800 


19700 


46500 


Genie-Kadettenschule . . 


20 




3600 




3600 


J 2885 


157 120 


541000 


387160 


928 m 



») Streffleure Osterr. Mil. Zeitschrift, IV, Wien 1890. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



457 



Thatsachlich waren nach dem Militar-Schematismus am 1. 
Januar 1891 Zdglinge und Frequentanten vorhanden in: 
Wien 365, Budapest 355, Prag 360, Karlstadt 150, Karthaus 165, 
Lobzow 160, Hermannstadt 155, Triest 145, Liebenau 135, Press- 
burg 135, Innsbruck 125, Temesvar 130, Weisskirchen 185, Wien 
(Artillerie) 242, Hainburg 160, Wien (Genie) 8. 

Das Militar-Knaben-Pensionat zu Sarajewo. 

Der im Jahre 1878 geschehene Erwerb Bosniens und der Herze- 
gowina gab Veranlassung in der Hauptstadt Sarajewo unter der Be- 
zeichnung als ,,Militar-Knaben-Pensionat" l ) eine Erziehungsanstalt 
einzurichten , deren Bestimmung ist, Knaben aus den besseren Fa- 
milien der bosnisch-herzegowinischen Bevolkerung far den Eintritt in 
die k. k. Kadettenschulen vorzubereiten. Solche, welche den Soldaten- 
stand nicht wahlen, sollen dort jene Kenntnisse erlangen, welche sie 
zur Fortsetzung ihrer Studien an einer Mittelschule befahigen. Weiters 
finden Sohne verdienstvoller Landesbeamten, von k. k. Offizieren, 
Militarbeamten, Beamten der Militarbahnen und -Telegraphen Bosniens 
Aufnahme. Das Pensionat besteht aus einem Vorbereitungs-Jahrgange 
und zwei Klassen, entspricht in seinem Lehrziele einer vierklassigen 
Volksschule, ist fur 80 interne Zoglinge (A) eingerichtet und nimmt 
daneben nach Massgabe des Raumes bis zu 40 externe Zoglinge 

(B) auf; letztere nehmen am gesamten Unterrichte teil und sind 
gleich ersteren uniformiert; fur ihre Unterkunft und Verpflegung 
sorgen die Angehorigen. Das Generalkommando kann ausserdem 
Sohne von Offizieren, Militar- und Zivilbeamten zum Schulbesuche 

(C) zulassen, welche an den militarisehen tTbungen nicht teilnehmen 
und nicht uniformiert sind. 

Die internen Zoglinge sind Stipendisten oder Zahlzoglinge. 
Fur jene sind 32 Landes-, 6 Militar- und 9 Privat-Stipendienplatze 
(von inlandischen Gemeinden gestiftet) vorhanden; es werden solche 
auch zur Halfte oder zu 2 /3 verliehen. Der jahrliche Kost- und 
Bekleidungsbeitrag fur einen Zahlzogling ist 250 Gulden. Fur die 
externen Zoglinge werden je 125 Gulden, fur die zum Schulbesuche 
Zugelassenen wird ein monatliches Schulgeld von 1 Gulden entrichtet. 

Bedingungen der Aufnahme sind: Korperliche Eignung; 



*) „Organi8ation des k. k. Militar-Knaben-Pensionates zu Sarajewo vom 
Jahre 1881"; dem Verfasser vom k. k. Reichs-Kriega-Ministerium abscbriftlich 
mitgeteilt 



Digitized by Google 



458 Geechichte de* Militar-Erziehungs- und -Bildungawesena etc. 



ein Alter von mindestens 9 und fur den Eintritt in den Vorbereitungs- 
Jahrgang, sowie in die 1. K lasso, von hochstens 13, in die 2. von 
hochstens 15 Jahren; fur den Eintritt in die 1. und 2. Klasse ausser- 
dem die entsprechende in einer Aumahmeprufung nachzuweisende 
Vorbildung. 

Die Ausbildung erfolgt nach einem den Landesverhaltnissen 
entsprechenden , vom Reichs-Kriegs-Ministerium festgesetzten Lehr- 
plane. 

Die Zdglinge bleiben grundsatzlich bis zum vollendeten 14. Lebens- 
jahre in der Anstalt und treten dann, wenn sie Soldaten werdea 
wollen, in eine Eadettenschule. Besonders Befahigte konnen aus- 
nahmsweise, wenn sie das 12. Lebensjahr nicht uberschritten haben, 
aus der 1. Klasse in eine Militar-Realschule treten. 

Die Uniform besteht aus blauen Tuchrocken mit scharlachroten 
Stehkragen, Aufschlagen, Achselwulsten und Passepoils, zwei Reihen 
gelber Knopfe und Auszeichnungen wie in den Militar-Realschulen ; 
dunkelblauen Schafwollblusen mit scharlachroten Parolis; blaugrauen 
Tuch- und grauen Zwilchhosen; blaugrauen Manteln; Halbstiefeln 
oder Stiefeletten. Die Kopfbedeckung ist der Fez mit Quaste. 

B. Mannschaftsschulen. 

Eine einheitliche Gesamtdarstellung der Mannschaftsschulen ist 
im Funften Zeitraume (S. 311 ff.) gegeben. Im Jahre 1890 aus- 
gegebene Neuauflagen von Instruktionen fur die Truppenschulen l ) 
enthalten die nachstehend mitgeteilten unbedeutenden Anderungen 
der fruheren Vorschriften. 

a. Infanterie und Jager. 

In den Kompagnie-Unteroffiziersschulen werden gelehrt: 
„Le8en verschiedener Handschriften, Angewohnung einer richtigen und 
deutlichen Schrift, Rechnen mit den vier Grundrechnungsarten, Ver- 
fassung der in den Dienst des Unteroffiziers einschlagenden Listen und 
Vormerkungen, sowie in Verfassung schriftlicher Meldungen und 
einfacher Rechnungen, endlich im Dictandoschreiben auf Schreib- 
tafeln." 

Die im Falle des Vorhandenseins befahigter Schfller gestattet 
gewesene Ausdehnung der Vortrage in den Unteroffiziers-Bil- 



J ) Fflr Infanterie und Kavallerie die 4., fur die Traintruppe die 3. Auflage. 



Digitized by Google 



459 



dungsschulen fiber das in der Instruktion bezeichnete Ziel ist in 
der Nenauflage nicht mehr vorgesehen. 

Lehrziel der Manipulationsschulen ist: „grundlicher Unter- 
richt in der Sprachlehre, Rechtschreibung und im Rechnen, die 
Ausbildung in alien den okonomisch-administrativen Dienst und das 
Rechnungswesen der Kompagnie betreffenden Fachern". 

Teilnahme an den Feldgendarmeriekursen findet nicht 
mehr statt 

b. Kavallerie. 

Einige wahrend des Sechsten Zeitraumes im .Tahre 1885 ange- 
ordnete Neuerungen sind urn die Darstellung einheitlicher zu gestalten 
bereits im Ffinften Zeitranme (S. 314) erwahnt worden. 

c. Train-Truppe. 

Die Mannschaftsschulen der Train-Truppe sind die in Garni- 
sonen, in denen mehrere Unterabteilungen liegen, gemeinsam ab- 
zuhaltenden Manns chafts- und Unteroffiziersschulen. In 
jenen erstreckt sich der Unterricht auf die dienstlichen Facher in 
dem fur den Soldaten in Reih und Glied erforderlichen XTmfange, 
in diesen sollen die Schiiler zugleich zu tuchtigen Zugsfuhrern und 
Wachtmeistern herangebildet werden. 

Neben den (je nach der Schfilerzahl) fur die einzelne Train- 
division oder fur mehrere derselben gemeinsam aufzustellenden 
Unteroffizier8-Bildungsschulen, in denen, ausser in den rein 
dienstlichen Fachern, in deutscher Sprache, im Schon- und Dictando- 
Schreiben, im Rechnen und im Verstandnisse von Karten unterrichtet 
wird, werden wie bei den iibrigen Waffen Manipulationsschulen 
aufgestellt 

d. Eisenbahn- und Telegraphen-Regiment. 

Die Instruktion fur die Truppenschulen des Regiments ist zum 
ersten Male im Jahre 1890 durch den Druck veroffentlicht. Das 
Regiment hat Kompagnie-Mannschafts- und -Unteroffiziers-, Regiments- 
(Bataillons-) Unteroffiziers- und -Manipulations- und einige besonderen 
Ausbildungszwecken dienende Schulen. Der Unterricht fiber all- 
gem einwissenschafbliche Gegenstande ist im wesentlichen der far die 
ubrigen Waffen vorgeschriebene. 



Digitized by Google 



460 



Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesens etc. 



C. Fortbildung der Offiziere und Kadetten. 

Die hauptsachlichsten Neuerungen sind nachstehende: 

Taktische Ausarbeitungen werden grundsatzlich im Freien 
und nur ausnahmsweise im Zimmer angefertigt. Es ist yon Anfang 
Dezember bis Ende Juni eine nach den Waffen gattun gen ver- 
schiedene Zahl (Infanterie 4, Kavallerie 2 etc.) zu liefern. 

Die fruheren tTbungsreisen heissen jetzt „tTbungsreisen im 
Grenzgebiete". Sie werden nnter Leitung von Generalstabs- 
offizieren von Offizieren aller Waffen „in wichtigeren Grenzgebieten 
mit dem Zwecke vorgenommen, die Terrainkenntnis der tlbungs- 
teilnehmer in diesen Gebieten zu erweitern". Es werden „vornehm- 
lich rangaltere, die Beforderung zum Major anstrebende Hauptleute 
und Rittmeister herangezogen". Die Anordnung ist die fruhere. 
Die Teilnahme von Feldgendarmen und das Richtigstellen von Karten 
sind nicht mehr vorgesehen. 

Die Instruktionen fur die einzelnen Waffen, namentlich die 
Sonderwaffen, enthalten manche der Eigenart entsprechende Anord- 
nungen, auf welche hier nicht eingegangen werden kann. 

Fur den Unterrieht in der Taktik in den Kavallerie-Brigade- 
Offiziersschulen erschien im Jahre 1890 ein eigener als „Direk- 
tiven etc." bezeichneter Leitfaden. 

Als Frequentanten an Hochschulen fuhrt der Militar- 
Schematismus far 1891 bei der Universitat zu Wien 1, bei der 
Technischen Hochschule 9 Offiziere auf. 

D. Einjahrig-Freiwillige. 
Anordnungen vor Erlass des Wehrgesetzes vom II. April 1889. 

Die Vorschriften uber die wissenschaftliche Ausbildung der Ein- 
jahrig-Freiwilligen erfuhren zunachst nur Anderungen nebensachlicher 
Art; in Gemassheit der Festsetzungen des Wehrgesetzes vom 
11. April 1889 wurden sie spater grundsatzlich umgestaltet. Wir 
berichten zuerst auf Grand des Vergleiches der Neuauflagen der 
„Instruktionen fur die Trappenschulen" l ) mit der ersten Ausgabe 
uber jene Anderungen. Sie verfugten nachstehendes : 

Der Beginn der „Militarischen Ausbildung" ward genauer 



*) Infanterie, Kavallerie, Artillerie, 3. Aufl. im>; Pioniere, 3. Aufl. 1887; 
Genie, 2. Aufl. 1878; Train, 2. Aufl. 1881; samtlich Wien, k. k. Hof- und 
Staatedruckerei. 



Digitized by Google 



(Wrreich-Ungarn . 



461 



vorgeschrieben als frfiher geschehen war. Nach Abschluss der 
Rekruten-Ausbildung am 1. Dezember, fur das Genie am 1. No- 
vember, sollte damit der Anfang gemacht werden; Ende Mai musste 
sie, ausser fOr Genie und Pioniere, deren theoretischer Unterricht 
im Sommer fortging, beendet sein. Wahrend ihrer Dauer durften 
die Vorgesetzten fiber diejenigen, welche ihre Studien an Hoch- 
schulen fortsetzten, an alien Wochentagen im Winter bis 9, im 
Sommer bis 10 und dann wieder von 2 Uhr an, ferner Sonntags, 
wahrend der Ferienzeiten der Hochschule und wahrend der Zeit vom 
16. Juli bis 15. Oktober, verfugen. Die anfangs genommene grosse 
Rucksicht auf die Privatverhaltnisse blieb also zunaehst massgebend. 

Die Sorge fur die militarische Erziehung lag, ausser beim 
Genie, in erster Linie von allem ubrigen Dienste befreiten Instruktions- 
Omzieren ob, welche mit Rucksicht auf ihre Verwendbarkeit da- 
fur ausgesucht wurden und schon die Rekrutenausbildung leiteten. 
Die Freiwilligen wurden dazu in Abteilungen (in der Regel nicht 
unter 20, beim Train nicht unter 8) vereinigt. Diese Vereinigung 
geschah in Stadten mit Hochschulen, in anderen grosseren Garni- 
sonen und in Erganzungsbezirks-Stationen ohne Beachtung der Zu- 
gehorigkeit zu einem bestimmten Truppentheile, aber mit Rucksicht auf 
Nationalist, Wohnungsverhaltnisse der auf eigene Kosten Dienenden 
und Nahe der Lehranstalt, welche sie besuchten. Einjahrig-Frei- 
willige der Kavallerie, Artillerie, Pioniere und des Trains (letztere, 
wenn sie nicht einer Kavallerie-Abteilung uberwiesen werden konnten) 
wurden, soweit es der Lehrplan gestattete, einer Infanterie-Schule an- 
geschlossen. Feld- und Festungs- Artillerie waren geschieden. Wo 
weder Abteilungen gebildet werden konnten, noch andere Schulen 
am Orte waren, musste der Einjahrig-Freiwillige die bei der Prufung 
geforderten Kenntnisse durch Selbststudium, bei den Pionieren durfte 
er sie in der Unteroffizier-Schule erwerben. Fur die Genietruppe 
trat an Stelle der Abteilung die Freiwilligen-Schule , an die des In- 
struktions-Offiziers ein Hauptmann als Schulkommandant; es waren 
dies jedooh Unterschiede rein ausserslicher Natur. 

Wer nach Ablauf der ersten Halfte des Dienstjahres nicht 
genugende Fortschritte gemacht hatte, wurde durch eine 
Kommission gepriift und nach Befinden der Umstande der Kom- 
pagnie zuruckgegeben, urn mit aller Strenge zum praktischen Dienste 
angehalten zu werden. Die ubrigen wurden am Ende der Dienstzeit 
gepriift und konnten dann zu Unteroffizieren vorgeschlagen werden. 

Der Lehrplan,. „dessen Grenze nicht uberschritten werden 



Digitized by Google 



462 Geschicbte des Militar-Erziehungs- und -Bildungawesens etc. 



darf, war fur Infanterie etc., Kavallerie und Train, abgesehen 
davon, dass Kenntnis der eigenen Waffe im Vordergrunde stand und 
bei den letzteren das Pferdewesen, beim Train auch die Train vorschrift, 
Geschirr- und Wagenlebre hinzutraten, der gleiche. Er umfasste: 

Militar-Stilistik, Terrain-Lehre und -Darstellung im fruheren Um- 
fange, Krokieren nur in Blei. 

Pionierdienst: Material! en ; Arbeit en im Lager und auf dem 
Marsche; Wesentlichstes uber Kriegsbrueken. 

Feldbefestigung: Einfache Erdwerke; Herrichtung von Ortlich- 
keiten zur Verteidigung. 

Bestandige Befestigung: Elemente; Zusammensetzung derselben 
zu Forts und Festungen. 

Waffenlehre: Blanke und Handfeuerwaffen des k. k. Heeres; 
Schiesspraparate; Wirkung und Gebrauch der Feuerwaffen; Feld- 
geschutze der k. k. Artillerie. 

Taktik und Felddienst: Charakteristik der Wirkungsweise der 
drei Waffen, ihre elementare Taktik und ihre Beziehungen zu ein- 
ander; fur Infanterie etc. bezw. Kavallerie noch deren Marsch-, Be- 
reitschafts- und Gefechtsformen. Angewandte Taktik: Marsche, Lager 
und Gefecht, mit besonderer Rucksicht auf die eigene Waffe. 

Militar-Administration: Die Vorschriften, soweit sie auf die Ver- 
waltung der Kompagnie etc. und die Transportfuhrung Bezug haben. 

Heeresorganisation: Gliederung des k. k. Heeres; Zentralleitung 
und Militar-Territorialkommanden in allgemeinen Umrissen; die 
Truppen-Division im Felde. 

Exerzier- und Dienstreglement im fruheren TJmfange. 

DerLehrplan fur die Artillerie schrieb namentlich fur die 
Waffenlehre einen erweiterten Unterricht vor. 

Die Unterweisung der Pioniere ward ausgedehnter in Terrain- 
darstellung, bei welcher auf Schichtenlegung und Losung von Auf- 
gaben in Schichtenplanen besonderes Gewicht zu legen war, und in 
Pionierdienst, welcher umfasste : einfache Messoperationen, Messtisch- 
aufnahmen, einfaches Nivellieren, Kenntnis und Anwendung der in 
der Pionierausnistung eingefuhrten Messinstrumente; Baumaterialien, 
Seilverbindungen, Erd-, Zimmermanns-, Bekleidungs-, Lager-, Spreng- 
arbeiten; Wasser-, Strassen-, Eisenbahn-, Telegraphenbau; Kriegs- 
bruckenwesen, Bau von Not- und halbpermanenten Brucken. 

Der Lehrplan der Genie-Truppe enthielt fur Militar-Stilistik, 
Terrain-Lehre und -Darstellung, Waffenlehre, Taktik und Felddienst, 
Militaradmini8tration, Heeresorganisation, Exerzier- und Dienst- 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



463 



reglement die Vorschriften der Infanterie in sinngemasser An- 
wendung. Ausserdem forderte er behufs Erganzung der praktischen 
Unterweisung theoretisches Bekanntmachen mit Baumaterialien und 
Seilverbindungen, Lager-, Erd- und Bekleidungsarbeiten, Strassenbau, 
Wasserfahren, Verankern, ttberschiffen. Feld- und bestandige Be- 
festigung, Festungskrieg, Minenarbeiten, Sappen-, Batterie-, Feld- 
briicken-, Eisenbahn- und Telegraphenbau wurden fur den Wirkungs- 
kreis des Subalternoffiziers gelehrt; Sappen- und Minenarbeiten nur 
zur Erlauterung der praktischen tTbungen ; Eisenbahnbau denen, welche 
kein Zeugnis fiber Kenntnis desseiben beibringen, im Umfange des 8. 
Teiles des „Unterrichtes fur die Genietruppe" (zum Vortrage gelangten 
nur provisorische Herstellung und Zerstorung von Eisenbahnen und 
Telegraphen). Der Nachmittagsunterrieht durfte nicht uber 3 Stunden 
dauern. Baukunst ward nicht vorgetragen; bei der Prfifung ward 
von denen, welche nicht ein gutes Schulzeugnis aufwiesen, Kenntnis 
der Maurer- und Zimmerarbeiten verlangt. 

Die Vorschriften fiber die Prufung zum Reserveoffizier 
hatten nachstehende Anderungen erfahren: 

Bei der Infanterie etc., Kavallerie, Artillerie, den Pio- 
nieren und dem Train nahmen die Instruktions-Offiziere und Lehrer 
die in der 2. September- (ausnahmsweise 1. Oktober-)Halfte abzuhalten- 
den theoretischen Prfifungen vor und iibten auf den Ausfall durch ihre 
wesentlich in Betracht zu ziehende Beurteilung der Schiiler grossen 
Einflus8, gehorten aber nicht mehr zur Priifungs-Kommission. Bei 
der praktischen Prufung hatte letztere ebenso den Ausspruch der 
Truppenkommandanten zu beriicksichtigen. Den Umfang der Prii- 
fungen bestimmten der Lehrplan und die Vorschriften fiir die prak- 
tiscbe Ausbildung. Die Beurteilung der theoretischen Ausbildung 
lautete auf „vorziiglich", „sehr gut", „gut", „genugend", „ungeniigend", 
„schlecht t4 (5 bis 0), die der praktischen auf „vorziiglich geeignet", 
„geeignet", „nicht geeignet". Bei Feststellung der Einheitenzahl 
blieben Sprachkenntnisse und Stilistik ausser Betracht, die praktische 
„vorziigliche Eignung" ward mit 5, die „Eignung" mit 3 bewertet. 
Unter Beriicksichtigung der moralischen Eignung ward dann der 
„Befund" fest^estellt, ob der Gepriifte zum Reserveoffizier „vor- 
ziiglich geeignet", „geeignet", „nicht geeignet" sei. Wer das Zeugnis 
praktischer Eignung nicht erhalten hatte, durfte als „geeignet" nicht be- 
zeichnet werden und hatte auf eigene Kosten eine femere vierwochent- 
liche Waffenubung durchzumachen, nach deren Beendigung ohne 
formliche Prufung an das Reich skriegsministerium berichtet ward. 



Digitized by Google 



464 



Geachichte des Militar-Erziehunga- und -Bildungsweaens etc. 



Zur Erlangung der Bezeichnung „vorziiglich geeignet" gehorte bei 
der Infanterie „vorzugliche" praktische Eignung und mindestens 
„sehr gut" in Taktik und Felddienst, Dienstr und Exerzierreglement, 
„gut" in alien ubrigen Gegenstanden ; zur Erlangung von „geeignet" 
bezw. praktisch „geeignet" gehorte „gut" in ersteren, „genugend" in den 
ubrigen Fachern. Bei der Kavallerie kam das Pferdewesen hinzu. 
Bei der Artillerie musste die Prufung auch in Waffenlehre und in 
Artillerie-Unterricht, bei der Festungsartillerie ausserdem in be- 
standiger Befestigung und Festungskrieg, mindestens „sehr gut" bezw. 
„gut" ausfallen; bei den Pionieren mussten die Kenntnisse in Dienst- 
und Exerzierreglement, Pionierdienst und Feldbefestigung als min- 
destens „sehr gut" bezw. „gut" bezeichnet sein ; beim Train mindestens 
„sehr gute", bezw. „gute" Leistungen in Taktik und Felddienst, Train- 
vorschrift, Dienst- und Exerzier-Reglement, Pferdewesen, Geschirr- 
und Wagenlehre vorliegen. Auf Grund des Befundes und des Aus- 
spruches des Oflizierkorps iiber die Wurdigkeit ward schliesslich dem 
Reichs-Kriegsministerium eine „Rangierungsliste" vorgelegt. Die 
theoretische Prufung durfte einmal, ein zweites Mai mit Genehmigung 
des Ministeriums wiederholt werden. 

Bei der Genietruppe wurden, ahnlich wie friiher, zur Prufung 
im allgemeinen nur Freiwillige zugelassen, welche eine Technische 
Hochschule absolviert hatten oder wenigstens iiber zwei absolvierte 
Jabre befriedigende Zeugnisse beibrachten. Ausnahmen konnten mit 
solehen gemacht werden, welche „durch besonderen Fleiss und Fort- 
gang, dann durch hervorragende Charaktereigenschaften die Be- 
fahigung zum Reserveoffizier besitzen". Der Prufungskommission 
gehorte auch der Lehrkorper der Einjahrig-Freiwilligen-Schule an. 
Zur Erlangung des Befundes als „vorzuglich geeignet" bezw. ge- 
eignet" waren mindestens „sehr gute" bezw. „gute" Kenntnisse in 
Taktik und Felddienst, Dienstr und Exerzierreglement, Feldbefestigung, 
Minenarbeiten und Feldbruckenbau, „gute" bezw. „geniigende" in 
den ubrigen Fachern erforderlich. 

Anderungen in Gemassheit des Wehrgesetzes vom II. April 1889. 

Das neue Wehrgesetz brach vollstandig mit dem anfanglich 
aufgestellten Grundsatze, nach welchem fiir den Einjahrig-Freiwilligen 
die Fortbiidung fur seine biirgerliche Laufbahn eigentlich die Haupt- 
sache war, hinter welcher die Vorbereitung fur militarische Ver- 
wendung zuruoktreten musste. Die Anordnungen, welche aus diesem 
Gesichtspunkte getroffen waren, hatten sich freilich im Laufe der 



Digitized by Google 



dsterreich-Ungarn. 



465 



Zeit 8chon einige Abschwachungen zu gunsten der soldatisehen Be- 
stimmung gefallen lassen miissen, jetzt brach das Wehrgesetz selbst 
den Stab uber sie, indem es vorschrieb (§ 25 ; Reichsgesetzblatt vom 
13. April 1889, XV. Stuck, No. 41), dass die einjahrige aktive Dienst- 
zeit ausschliesslich der militarischen Ausbildung gewidmet bleiben 
und dass nach Beendigung der ersteren ein jeder Emjahrig-Freiwillige 
durch eine praktische und theoretiscbe Priifung seine Befahigung fur 
die Ernennung zum Reserve- bezw. nicht aktiven Landwehroffizier 
nachweisen soli. Wer besteht und auch sonst den Bedingungen 
entspricht, wird, je nach dem organisationsmassigen Bedarfe, zum 
Reserve- oder nicht aktiven Landwehroffizier oder, wenn dieser Bedarf 
gedeckt ist, zum Kadetten ernannt. Wer nicht besteht, dient ein 
zweites Jahr, kann zu wiederholter Teilnahme am Unterrichte zu- 
gelassen werden, legt, wenn dies geschehen ist, nochmals die Priifung 
ab und tritt dann ohne Rucksicht auf das Ergebnis derselben in die 
Reserve (bezw. nicht aktive Landwehr) uber; Freiwillige, welche sich 
wahrend des zweiten Dienstjahres durch Eifer und Geschick bemerkbar 
gemacht und die Pruning gut bestanden haben, konnen auch nach 
einer Probezeit in die Aktivitat der Landwehr treten. 

Eine unmittelbare Folge dieser Bestimmung war, dass seitens 
des Unterrichtsministers die Immatrikulierung Einjahrig-Frei- 
williger an den Hochschulen ausgeschlossen wurde. Die 
Zeit des Einjahrig-Freiwilligen-Dienstes kommt mithin bei Berechnung 
der Studienzeit nicht mehr in Anrechnung. 

Das Wehrgesetz hatte das Mass der bei der Priifung zu 
machenden Anspruche und die Anordnung der Priifung 
der A. E. vorbehalten. Diese erfolgte in „Neuauflagen der IV. Abschnitte 
der Instruktionen fur die Truppenschulen", welche nachstehende, dem- 
nachst auch in den Instruktionen fur die Truppenschulen der ein- 
zelnen Waffengattungen abgedruckte Vorschriften enthalten: 

Bei der Infanterie zerfallt das Dienstjahr in drei Zeitraume, 
von denen der 1. (1. Oktober bis 30. November) die Rekruten-, der 
2. (1. Dezember bis 30. April) die weitere militarische, der 3. die 
praktische Ausbildung und die Dienstleistung bei der Truppe umfasst. 
Wahrend des l.und 2. Zeitraumes werden in den Truppenkorpern 
„Einjahrig-Freiwilligen-Schulen" gebildet, welche nicht weniger 
als 20, nicht mehr als 60 Schuler zahlen und von einem Haupt- 
mann befehligt werden. Derselbe ist zugleich Lehrer des Exerzier- 
Reglements, der Taktik und des Felddienstes ; es sind ihm 2 bis 3 
Subalternoffiziere beigegebeD. Letztere, unter Umstanden auch andere 

Monumucta Germani*e P«edagogio» XV. 30 



Digitized by Google 



466 Geschichte des MilitSr-ErziehungB- und -Bildungswesens etc. 



Offiziere und der Rechnungsfuhrer, erteilen den ubrigen Unterricht. 
Schulkommandant und Insfruktionsoffiziere mussen im stande sein, 
Schulern, welche des Deutschen nicht machtig sind, Aufklarung in 
deren Muttersprache zu geben. Fur die Rekrutenausbildung sind die 
Be8timmungen des Exerzier-Reglements massgebend, doch sollen die 
Schuler wahrend dieser Zeit bereits Kenntnis der allgemeinen mili- 
tarischen Standespfiichten, der wichtigsten Kriegsartikel, der Grund- 
begriffe vom Schiess- und Waffenwesen und der Organisation ihrer 
Waffe erwerben. Der 2. Zeitraum gehort der TJnterweisung in 
denjenigen militarischen Eenntnissen, die dem Reserveoffizier un- 
bedingt notig sind. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem theoretischen 
Unterrichte, bei dessen Erteilung auf etwa mangelnde Bekanntschaft 
mit der deutschen Sprache Rucksicht zu nehmen ist. Die Vortrage 
sind, namentlich wahrend der ersten Monate der Ausbildung, in der 
Muttersprache der Schuler zu erlautern. Es ist aber darauf hin- 
zuwirken, dass letztere sich nach und nach den fur den Dienst not- 
wendigen Grad der Kenntnis des Deutschen aneignen. Der Be- 
schaftigung der Einjahrig-Freiwilligen sind wochentaglich je 8 Stunden, 
an Sonn- und Feiertagen je 2 Vormittagsstunden zu widmen. Ferial- 
tage sind der 24., 25., 26. Dezember, der Neujahrs-, die beiden 
Oster- und die Gedenktage der Truppe. A.m Schlusse dieses Zeit- 
raumes werden die Schuler durch den Sehulkommandanten und die 
Instruktionsoffiziere kommissionell beurteilt; die besten werden jzu 
Korporalen (Unterjagern) vorgeschlagen. Dann erfolgt die "Oberweisung 
zu den Kompagnien, bei denen wahrend des 3. Zeitraumes die 
praktische Ausbildung erfolgt. In dieser Zeit werden die Einjahrig- 
Freiwilligen 2- bis 3mal wdchentlich nachmittags, unter dem fruheren 
Sehulkommandanten und einem der Instruktionsoffiziere, zu appli- 
katorischen tTbungen oder theoretischem Wiederholungsunterrichte 
vereinigt. Wenn die Witterung t)l)ungen im Freien verbietet, werden 
schriftliche Aufgaben bearbeitet. 

In der 2. Septemberhalfte findet vor einer unter dem Vorsitze 
eines Brigadiers aus Offizieren gebildeten Kommission die Prufung 
zum Reserveoffizier statt. Als Grundlage dienen der Kommission die 
Urteile der Kompagnien fiber die praktische Eignung und die Klassi- 
fikation aus dem Exerzier- und dem Dienstreglement. Lauten sie 
ungunstig, so nimmt die Kommission eine Prufung in diesen Gegen- 
standen vor. Ist es nicht der Fall, so wird schriftlich in Taktik 
und Felddienst, Militar-Geschaftsstil und okonomisch-adrninistrativem 
Dienste, miindlich in Taktik und Felddienst, Waffen-, Schiess- und 



Digitized by Google 



ftaterreich-Ungarn. 



467 



Heerwesen, Terrain-Lehre und -Darstellung und dem technischen 
Unterrichtsfache gepruft. Gebrauch der Muttersprache bei den Prii- 
fongen ist gestattet. Fur die Beurteilung sind die bisherigen Vor- 
8chriften in Kraft geblieben. Das Schlussurteil kann auf „vorziiglich", 
„entsprechend", „nicht entsprechend" lauten. 

Die fur die iibrigen Truppengattungen geltenden An- 
ordnungen entsprechen den fur die Infanterie getroffenen. 

Lehrplane und Prufungsforderungen sind gegen friiher 
nur in unwesentlichen Nebendingen geandert. 

Der Ausfall der im Herbst 1890 abgehaltenen Priifungen that 
den grossen Nutzen der getroffenen, von der Regierung bei der 
Volksvertretung mit vieler Muhe durchgesetzten Neuordnung uber- 
zeugend dar. Wahrend in den ersten zwanzig nach Einfuhrung der 
allgemeinen Wehrpflicht verflossenen Jahren etwa 48 % der Ein- 
jahrig-Freiwilligen zu Reserveoffizieren befSrdert werden konnten, 
waren es dieses Mai 81 % ; wahrend 1889 von 2924 Gepruften 53 % 
bestanden, genugten 1890 von 2938 jene 81 °/o, von den ubrig 
bleibenden 19% batten 5% teils we gen Erankheit, teils weil sie 
freiwillig zurucktraten, die Prufung nicht mitgemacht. Das giinstige 
Ergebnis war sowohl den in betreff der Ausbildung getroffenen An- 
ordnungen, wie dem durch die Besorgnis ein zweites Jahr dienen zu 
mus8en gesteigerten Streben der Einjahrig-Freiwilligen zu danken. 

E. TJnterrichtseinrichtungen fur die k. k. Landwehr. 

a. Zur Heranbildung von Offizieren fur den nicht aktiven 

Stand. 

Landwehr-Offiziersaspiranten-Schulen. 

Die gegenwartigen Einrichtungen der in ihren Grundlinien fraher 
(S. 334) gezeichneten Landwehr-Offiziersaspiranten-Schulen beruhen 
auf den vom k. k. Ministerium fur Landesverteidigung erlassenen 
„Be8timmungen fiir die Offiziersaspiranten-Schulen zur Heranbildung 
von Offizieren fur den nicht aktiven Stand der k. k. Landwehr* 1 . 1 ) 
Dieselben schreiben vor: 

Die Schulen haben den Zweck „die Einjahrig-Freiwilligen der 
k. k. Landwehr und andere befahigte junge Manner mit genugenden 



>) Neuauflage, Wien, k. k. Hof- und Staatsdruckerei, 1890. (Zu Nr. ^ 
IV. v. J. 1890. Landw«5hr-Verordnungsblatt No. 23.) 

30* 



Digitized by Google 



468 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungswesena etc. 



Vorkenntnis8en zu praktisch verwendbaren Offizieren im nicht aktiven 
Stande der k. k. Landwehr heranznbilden". Gleichzeitig kdnnen 
„landsturmpflichtige Personen Aufnahme finden, welche sich die als 
Vorbedingung fur die Designierung zu Landsturmoffizieren vor- 
gezeichnete militarische Ausbildung aneignen wollen". 

Die Standorte best i mint das Ministerium. Die Zah] der 
Schulen hangt von der der Anmeldungen ab; wenn muglich, soli in 
jedem Landwehr-Territorialbezirke mindestens eine aufgesfcellt werden. 
Die Territorialkommanden beantragen die Aufstellung, sobald min- 
destens 20 Einjahrig-Freiwillige und Aspiranten des aktiyen "Ver- 
haltnisses beizuziehen sind oder mindestens 6 zum Aktivdienste nicht 
verpflichtete Aspiranten sich gemeldet haben. Die Zahl der Fre- 
quentanten soil in der Kegel 30 sein. 

Die Schulen zerfallen in solche mit Tageskursen fur Fre- 
quentanten in „ararischer Verpflegung", als welche grundsatzlich nur 
Aspiranten aus dem Mannschaftsstande zugelassen werden, und in 
solche mit Abendkursen fur Frequentanten ohne Anspruch auf Ver- 
pflegung. Ausnahmsweise werden beide Arten von Schulen an dem- 
selben Standorte eingerichtet. 

Die Oberleitung fuhrt das Landwehr-Territorial-Kommando, 
die Leitung ein am Standorte befindlicher Landwehr-Regimente- 
oder BataQlons-Kommandant, in Wien der Kommandant der Land- 
wehr-Kadettenschule; das Kommando der Kommandant des ent- 
sprechenden Instruktionskadres der Landwehr, in Wien ein dazu 
bestimmter Offizier, welche in der Kegel uber Exerzierreglement, 
Taktik und Felddienst unterrichten. Diesen werden je drei geeignete 
Offiziere des Heeres oder der Landwehr als Instruktionsoffiziere 
(Lehrer) beigegeben. Kommandant und Lehrer mussen im stande 
sein Frequentanten, welche des Deutschen nicht genugend kundig 
sind, in deren Muttersprache Aufklarungen zu geben. Verwandte 
Facher tragt der namliche Lehrer vor. Wo gleichzeitig Tages- und 
Abendkurse bestehen, unterrichtet an beiden in jedem Gegenstande 
derselbe Lehrer. 

Es werden beigezogen: Alle Einjahrig-Freiwilligen derLand- 
wehr-Fusstruppen. Ausserdem konnen aufgenommen werden: Alle 
sonstigen Aspiranten des Aktiv- und des nicht aktiven Standes und 
Ersatzreservisten der k. k. Landwehr; Personen des Zivilstandes 
sowie vom Reservestande des Heeres, welche nicht aktive Landwehr- 
offiziere zu werden wunschen; Personen des Zivilstandes ohne mili- 
tarische Ausbildung, welche Landsturmoffiziere zu werden beabsichtigen. 



Digitized by Google 



(Wrreicb-Ungarn. 



469 



Samtliche Bewerber mussen eine entsprechende Vorbildung (mit 
mindestens genugendem Erfolge beendeter Besuch der 4. Klasse einer 
Mittelscbule oder entsprechende Prfifung in deutscher Sprache, 
Mathematik, Geographic, Geschichte, Physik und Chemie), ein makel- 
loses Vorleben, eine dem Ansehen des Offizierstandes angemessene 
Lebensstellung und die erste militarische Ausbildung, unter Um- 
standen in einer Prufung, nachweisen. Personen des Zivilstandes 
haben letztere Ausbildung 'durch aehtwochige Zuteilung zu einem 
Landwehrtruppenkorper zu erwerben. 

Die Ausbildung zerfallt in die militarisch-theoretische 
(Winterhalbjahr, 1. Dezember bis 30. April) und die militarisch- 
praktische (Sommerhalbjahr, 1. Mai bis 30. September). In den 
Tage8kursen werden werktaglich 8, am Sonntage vormittags 2 Stunden 
Unterricht erteilt; bei den Abendkursen findet derselbe von 6 bis 
9 Uhr und an den Vormittagen der Sonn- und Festtage statt, auch 
konnen im Sommer die Fruhstunden dem praktischen Unterrichte ge- 
widmet werden. Ferialtage sind: der 24., 25., 26. Dezember, der 
Neujahrs-, Ostersonn- und Ostermontag und der kaiserliche Geburts- 
tag. Bei allem Unterrichte ist dahin zu wirken, dass die Schuler sich 
zugleich die fQr den Dienst notwendige Kenntnis des Deutschen an- 
eignen. Am Schlusse des Winterhalbjahres findet kommissionelle Be- 
urteilung statt. Auf Grund derselben werden die geeigneten Frequen- 
tanten zuTitular-Unteroffizieren oder -Korporalen (Unterjagern) ernannt. 
Das Sommerhalbjahr ist die wichtigste Zeit, die Unterweisung in den 
Waffenubungen wahrend derselben erfolgt bei Landwehrtruppenkorpern. 
Die „Bestimmungen" enthalten verschiedene Anordnungen, weiche 
bezwecken, der praktischen Ausbildung den angestrebten Erfolg zu 
gewahrleisten. 

Ende September findet vor einer aus demLandwehrbrigadier als Vor- 
sitzendem und mehreren Landwehroffizieren zusammengesetzten Kom- 
mission die durch die Lehrer vorzunehmende schriftliche und mundliche 
Offiziersprufung statt, erstere in Taktik und Felddienst, Militar- 
Geschaftsstil, dkonomisch-administrativem Dienste, letztere in Taktik 
und Felddienst, Waffen- und Schiesswesen, Heerwesen, Terrain-Lehre 
und -Darstellung, technischem Unterrichte. Die soldatische Ausbildung 
wird auf Grund der Berichte der Truppenkorper beurteilt, die 
theoretische Prufung in deutscher Sprache vorgenommen, wobei jedoch 
weder gewahlter fliessender Vortrag noch fehlerfreier schriftlicher 
Ausdruck gefordert werden. Die Beurteilung erfolgt als „vorzuglich", 
„8ehr gut", „gut", „genugend", „ungenugend" oder „schlecht". Das 



Digitized by Google 



470 Geschichte des Militar-Erziehungs- und -Bildungsweaens etc. 



aus alien in Betracht zu ziehenden Teilen der Beurteilung hervor- 
gehende Schlussurteil lautet auf „vorzuglich" , „entsprechend" oder 
,,nicht entsprechend". Anf Grund desselben wird eine Rangierungs- 
liste aufgestellt. 

Verwaltung8Torschriften: Jeder Schule wird ein Lehrsaal 
nebst Einrichtnng zugewiesen. Die ararisch verpflegten Frequentanten 
erhalten eine Zulage von taglich 5 Kreuzer, welehe so zu verwenden 
ist, dass ausser Fruhstuck und Mittagmahl abends warme Kost ge- 
geben wird und statt des gewdhnlichen Brotes ein Brotgeld. Zur 
Beschaffung der Lehnnittel, des Schreib- und Zeichenbedarfes etc. er- 
halt eine jede Schule ein Pauschale, in welches auch die von den 
Einjahrig-Freiwilligen und zahlenden Frequentanten, welche ubrigens 
selbst fur sich sorgen, nach der Gebuhrenvorschrift zu entrichtenden 
Beitrage fliessen. Die fur Bekleidung, Bewaffhung und Ausrustung 
geltenden Vorschriften, sowie eine Reihe von Sonderbestimmungen 
fur Aspiranten des Zivilstandes iibergehen wir. Es mag nur bemerkt 
werden, dass samtliche Frequentanten den fur die Truppe mass- 
gebenden Bestimmungen entsprechend uniformiert etc. sind. Schul- 
leiter und Kommandant beziehen das ganze Jahr hindurch, die 
Instruktionsofnziere wahrend des Winters eine Zulage von monatlich 
20 Gulden, im Sommer erhalten letztere die Halfte. 

Im Mobilisierungsfalle werden die Schulen aufgelost. 

Unterrichtsgegenstande sind: 

Dienstreglement: Kenntnis der allgemeinen Bestimmungen des 
L Teiles, besonders des Dienstes des Infanterie-Subalternoffiziers, 
und der personlichen Vorschriften des III. Teiles fur die Personen 
des Soldatenstandes einschl. Offiziere. 

Exerzierreglement: fur die Fusstruppen grundliche Kenntnis bis 
einschl. Bataillon, be sonde rs der Dienststellung des Zugskommandanten. 

Taktik und Felddienst: Verstandnis der allgemein-taktischen Be- 
griffe und der taktisch-reglementaren Vorschriften im Wirkungskreise 
des Oberoffiziers der Infanterie, wichtigste Grundsatze fur die Ver- 
wendung der drei Hauptwaffen mit besonderer Beriicksichtigung der 
eigenen Waffe. 

Heerwesen: Kenntnis der grundsatzlichen Bestimmungen und 
der Bestimmungen fur die eigene Waffe, insofern solche fur den 
nicht aktiven Landwehroffizier notwendig sind; Gliederung der be- 
waffheten Macht der Monarchie ; allgemeine Kenntnis der Organisation 
der Armee im Felde, besonders einer Infanterie -Truppendivision; 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



471 



Kenntnis der den nicht aktiven Landwehrmann und Offizier be- 
treffenden personlichen Vorschriften. 

Waffen- und Schiesswesen: Kenntnis der eingefuhrten Hand- 
feuer- und blanken Waffen, ubersichtliche Kenntnis des Artillerie- 
materials. 

Terrain-Lehre und -Darstellung: Kenntnis und Benennung der 
Terrainteile und -Gegenstande, Wichtigstes fiber die militarische Be- 
deutung des Terrains; Situationszeichnen, insoweit es zum Erlernen 
der konventionellen Zeichen und zum Verstandnisse der Terrain- 
darstellung erforderlich ist; Lesen der militarischen Karten; Ver- 
gleichen derselben mit der Natur. Beschrankung der Krokierfibungen 
auf ganz bescheidene Anforderungen. 

Technischer Unterricht (Pionierdienst, Feldbefestigung): A 11- 
gemeine Kenntnis der den Infanterie-Pionierabteilungen im Felde 
obliegenden Arbeiten und der Grundformen von flfichtigen Infanterie- 
und Artillerie-Deckungen. 

Milititr-Geschiiftsstil: Erlangung der unumganglich notigen Ver- 
trautheit mit den wichtigsten Regeln und Formen. 

Okonomisch-administrativer Dienst: Allgemeine Kenntnis der 
Bestimmungen fiber Verwaltung der Kompagnie und Fuhrung von 
Transporter 

Ausserdem die militarischen Obungen und Geschicklichkeiten im 
Rahmen des Zweckes: Exerzieren, Scheibenschiessen, Truppendienst, 
Fechten. 

Einen Anhalt fur die allgemein dem Schulleiter iiberlassene Verteilung 
der verfugbaren Zeit auf die einzelnen UnterrichtegegenBtande giebt eine den 
„Be8timmungen" beigegebene Anordnung der Abendkurse, welche als wochent- 
liche Minimal-Stundenzahl feetsetzt: fiir den Winter: an Wochentagen Dienst- 
reglement 1, Exerzierreglement 1, Taktik und Felddienst 3, Heerwesen 1, 
Waffen- und Schiesswesen 1, Terrain-Lehre und -Darstellung 2, Technischer 
Unterricht 2, Militar-Geschaftsstil 1, Okonomisch-administrativer Dienst 1, dazu 
fur praktische Ausbildung und Fechten, Bonn- und Feiertage eingeschlossen, 
3 Stunden; fur den Sommer: Theoretischer Unterricht (besonders Applikation 
und Wiederholung) 6, praktische Ausbildung 10 Stunden, daneben die Waflen- 
ubung. 

b. Zur Heranbildung von Offizieren fur den aktiven Stand. 

a. Berufs-Offiziers-Kurs. 

Zum Zwecke der Ausbildung von Aspiranten fur die Offizier- 
stellen des aktiven Standes der k. k. Landwehr, also zu Berufs- 
offizieren, war zunachst bei der Landwehr-Offiziers-Aspiranten-Schule 
zu Wien ein „Erganzungs-Kurs" errichtet worden. 

Im Jahre 1880 veranlasste die unter dem 11. Januar (N.-V.-BL, 



Digitized by Google 



472 Geschichte de» Militar - Erziebungs- und -Bildungswesens etc. 



10. Stuck) Allerhochst genehmigte „Instruktion rar die Truppen- 
schulen des k. k. Heeres, VIII. Teil, Kadettenschulen", verbunden 
mit den gemachten Erfahrungen, dazu, den Erganzungs-Kurs durch 
einen zwei Jahrgange umfassenden „Berufsoffiziers-Kurs" zu er- 
setzen, 1 ) welcher den Kadettenschulen nachgebildet war. Es wurde 
bei dieser Gelegenheit befohlen, dass die ubrigen Landwehr-Offiziers- 
Aspiranten-Schulen, sowie der Abendkurs der Wiener Schule lediglich 
der Heranbildong fur den nicht aktiven Stand zu dienen batten und 
dass, wer auf dem hier in Frage stehenden Wege Berufsoffizier der 
Landwehr werden wolle, seine Befahigung durch den Berufs-Offiziers- 
Kurs erwerben musse. 

Dor Unterricht erstreckte sich auf das Deutsche und die 
nicht deutschen Nation alsprachen, Geographie, Geschichte, Physik und 
Chemie, Arithmetik und Algebra, praktische Geometrie, Dienst- 
reglement, Militarad ministration, Heeresorganisation, Gesundheitspflege 
und Sanitatsdienst, Terrainlehre , Waffenlehre, Pionierdienst, Befesti- 
gung und Festungskrieg, Exerzierreglement, Taktik, die militariscben 
Geschicklichkeiten und tTbungen. Der Umfang des Unterrichtes war, 
abgesehen von t)T)ergangsbestimmungen, der fur die Kadettenschulen 
vorgeschriebene. Der Stand an Frequentanten betrug fur jeden 
Jahrgang 30; Aufnahme konnten nur solche Wehrpflichtige finden, 
welche unmittelbar in den Stand der k. k. Landwehr eingereiht 
waren ; die Bewerber hatten sich Uber makelloses Vorleben und ent- 
sprechende Vorbildung auszuweisen und die Verpflichtung zu aktivem 
Nachdienen je eines Jahres in der Landwehr fur jedes im Kurse 
zugebrachte oder begonnene Schuljahr zu ubernehmen. Der Besitz 
entsprechender Vorbildung musste durch Beibringung von Schul- 
zeugnissen uber den mit befriedigendem Gesamterfolge stattgehabten 
Besuch von mindestens vier Klassen eines Gymnasiums oder einer 
Realschule oder des entsprechenden Jahrganges einer gleichgestellten 
Lehranstalt und durch eine Aumahmeprufung nachgewiesen werden, 
welche sich auf deutsche Sprache, Geographie, Geschichte, Arithmetik 
und Algebra in dem durch den Lehrplan jener Klassen begrenzten 
Umfange erstreckte. Wer diese Kenntnisse nicht nachzuweisen ver- 
mochte, konnte, um sie zu erlangen, einen bei der Schule ein- 
gerichteten einjahrigen „Vorbereitung8-Unterricht" besuchen, 
dessen Teilnehmer thunlichst zu den praktischen tTbungen des Be- 
rufs-Offiziers-Kurses herangezogen wurden. 

*) Erlass des k. k. Ministeriums far Laudesverteidigung vom 29. Oktober 
1880, Nr. 1835 Prfia. 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn . 



473 



Lehrziel war Brauchbarkeit fur den Truppendienst im Wirkungs- 
kreise des Subalternoffiziers. 

Das Schuljahr zerfiel in einen theoretischen (1. Dezember bis 
15. August) und einen praktischen (10. August bis 31. Oktober) 
Kurs; ersterer in ein Winter- und ein Sommersemester (1. Dezember 
bis 31. Marz; 1. April bis 15. August). Im November waren Ferien. 

Das Kommando fiihrte ein Stabsoffizier, in der Regel der 
Kommandant des Landwehr -Schutzen-Bataillons Wien. 

Die Vor8chriften iiber Unterbringung, Verpflegung, Beklei- 
dung, innerenDienst etc. entsprachen den fur die Kadettenschulen 
geltenden. 

Der Kurs trat am 1. Dezember 1880 ins Leben. Durch Erlass des 
Ministeriums furLandesverteidigung vom 28. November 1 886, Nr. 2138, 

erhielt derselbe den Namen 

/?. Landwehr-Kadetten-Schule. 
In den Einrichtungen wurde dadurch zunachst nichts geandert. 
Es gescbah dies dagegen mit Rucksicht auf das Wehrgesetz vom 
11. April 1889 mittelst eines Erlasses des Ministeriums vom 

11. Juli 1889, Nr. 1143, ~, durch welcben der Stand auf 120 in 

zwei Jahrgange zu gliedernde Frequentanten festgesetzt wurde. 

Derselbe schreibt vor, dass aufnahmefahig alle Bewerber aus 
dem Zivilstande vom zuruckgelegten 17. Lebensjahre an bis zum 
mcht uberschrittenen 20. sein sollen, welche den gestellten Be- 
dingungen entsprechen, sowie ausnahmsweise Landwehr manner aller 
Chargengrade bei nicht iiberschrittenem 25. Lebensjahre. Jene heissen 
Zdglinge, diese Frequentanten. Kadetten der nicht aktiven Landwehr 
diirfen nicht aufgenommen werden. Eintritt findet nur in den 1. Jahr- 
gang statt. Schulzeugnisse und Aumahmeprufung haben den Besitz 
der namlichen Vorbildung nachzuweisen, welche fur den Eintritt in 
den 2. Jahrgang der Infanterie-Kadettenschulen gefordert wird. 

Das Schulgeld betragt fur Sohne von Angehorigen des Heeres 
vom aktiven, Rune- und Invalidenstande , der Kriegsmarine und der 
Landwehr 12, 1 ) fur die ubrigen Bewerber 60 Gulden jahrlich. 

Die Entscheidungen uber die Zulassung erfolgt so fruh, dass die 
eintretenden Zoglinge in der Zeit vom 20. August bis zum 1. Oktober, 
an welchem Tage der Unterricht beginnt, dererstenmilitarischen 
Ausbildung unterzogen werden konnen. 

*) In den Sffentlichen Ausachreiben zum Wettbewerbe urn die Aumahme in 
den Kurs 1891/98 wurden 11 Gulden gefordert 



Digitized by Google 



474 Geschichte dee Militar-Erziehungs- und -Bildimgawesens etc. 



Das Personal der Schule besteht aus dem Kommandanten 
(Stabsoffizier oder Hauptmann), 2 Hauptleuten und 2 Subaltern- 
offizieren als Lehrem (samtlich vom aktiven Stande der Landwehr), 
eiternen Lehrern (nach Bedarf), 1 Adjutanten und Okonomieoffizier und 
den far den Aufsichts- und Verwaltungsdienst sonst notigen Per- 
sonen, darunter 4 bis 6 Feldwebel und Zugfuhrer. Die Schuler zer- 
fallen in zwei Abteilungen unter den Hauptleuten als Eommandanten, 
deren jedem einer der beiden Subalternoffiziere und 2 Unterornziere 
zugeteilt werden. Die Unteroffiziere werden zur tlberwachung etc. 
der Schuler mit verwandt, sind daher mit Sorgfalt auszuwahlen und 
sollen womoglich als Lehrgehilfen beim Turnen und Fechten und als 
Korrepetitoren gebraucht werden konnen. Mit der Aufsicht ist in- 
sonderheit der Feldwebel betraut; er unterrichtet auch in den Anfangs- 
kenntnissen des Dienstes. 

Der vom 1. Oktober bis 30. Juni dauernde theoretische Kurs 
zerfallt in ein Winter- (1. Oktober bis 15. Marz) und ein Sommer- 
(15. Oktober bis 30. Juni) Semester; dann folgt bis zum 18. August 
der praktische Kurs, dann die Ferien. 

Der Lehrplan blieb ungeandert Disziplinarbehandlung, 
Auszeichnungen und Gebuhren sind die der Kadettenschulen 
des Heeres, Adjustierung und Ausrustung die der Mannschaften 
der Landwehr, ohne Nummern auf den Achselspangen; die Zdglinge 
haben ausserdem den Hut (mit Federbusch) der Kadett-Omziers- 
Stellvertreter und den Waffenrock. 

Der Austritt erfolgt in der Kegel als Kadett; bei „vorzuglichem" 
oder „sehr gutem" Gesamterfolge, wenn Stellen offen sind, als Kadett- 
Offiziers-Stellvertreter. Wer nicht dazu ernannt werden kann oder 
nur als „gut" beurteilt ist, tritt als Titular-Feldwebel (Oberjager) aus, 
bei „geniigendem" Erfolge als Titular-Korporal (Unterjager). In 
Krankheitsfallen kann Nachprufung auf Grund privater Vorbereitung 
oder Wiederholung eines Jahrganges stattfinden. 

c. Landwehr-Stabsoffiziers-Kurs. 

Als von den Anwartern auf Stabsoffiziersstellen in der k. k. 
Landwehr das Bestehen einer Prufung gefordert ward und in Ge- 
massheit einer A. E. vom 8. Februar 1873 die Bestimmungen uber 
die bei derselben in Taktik, den Grundzflgen der Strategic, Organi- 
sation des Heeres und der Landwehr, Waffenlehre, Terrainlehre und 
Terraindar8tellung, Pionierdienst und Befestigungskunst nacbzu- 



Digitized by Google 



6sterreich-Ungarn. 



475 



weisenden Kenntnisse verdffentlicht waxen, 1 ) blieb zunachst einem 
jeden uberlassen, wo und wie er die letzteren sich aneignen wollte. 
Drei Jahre spater aber ward die Aufstellung eines „Landwehr-Stabs- 
offiziers-Kurses" zu Wien befohlen, fur welchen eine auf einer A. E. 
vom 19. Dezember 1876 beruhende „Vorschrift iiber die Or- 
ganisation" etc. 1 ) eriassen ward. Da ihr Inhalt mit den gegen- 
wartig geltenden Bestimmungen in allem Wesentlichen uberein- 
stimmt, so wird anf die Wiedergabe hier verzichtet; es sei nur 
bemerkt, dass die Kurse damals 5 Monate dauerten. Die Frequen- 
tanten trafen am 25. Oktober ein, am 1. November begann, am 
31. Marz endete der TJnterricht, am 10. April ward der Kurs auf- 
gelost. Ein gesonderter praktischer Kurs fand nicht statt; einige Tage 
wurden zum Besnche mibtarisch wichtiger Anstalten (Arsenal, militar- 
geographiscbes Institut, Fuhrwesens-Material-Depot etc.) oder auch 
zum Beiwohnen von Versuchen etc. benutzt. Lehrplan und Ziele 
waren die jetzt geltenden; der Strategie war eine woehentlicbe Vor- 
tragsstunde mehr gewidmet 

Die gegenwartig massgebende Vorschrift 8 ) enthalt auf 
Grand einer A. E. vom 5. August 1882 die nachfolgenden An- 
ordnungen: 

Der Kurs ist bestimmt, den Hauptleuten und Rittmeistern Ge- 
legenheit zur Vervollkommnung in denjenigen theoretischen Kennt- 
nissen zu bieten, welche sie zum Zwecke der Beforderung nachzuweisen 
haben. Ausserdem soli er die Beurteilung dieser Offiziere nach einem 
einheitlicben Massstabe fordern. 

Der Kurs befindet sich in Wien, steht im Wege des Landwehr- 
Oberkommandos , von welchem er inspiziert wird, unter dem Mini- 
sterium fur Landesverteidigung und wird von einem hoheren Stabs- 
offizier der Landwehr kommandiert. Die Lehrer sind Offiziere des 
stehenden Heeres oder der Landwehr. Nach Bedarf wird alljahrlich 
ein Kurs durchgefuhrt, welcher am 15. Oktober beginnt und in einen 
bis zum 31. Marz dauernden theoretischen und einen anschliessenden, 
am 15. Mai endenden praktischen Teil zerfallt Zum Besuche werden 

*) V.-Bl. f. d. k. k. Landwehr, Nr. 3, vom 13. Februar 1873, C.-V. 10. Februar, 
Nr. ^ IV. 

») V.-Bl. f. d. k. k. Landwehr Nr. 33, vom 31. Dezember 1876, C.-V. vom 
24. Dezember, Pras. 1503. 

•) V.-Bl. f. d. k. k. Landwehr, Nr. 21, vom 19. August, C.-V. vom 
12. August 1882, Pras. 1579. 



Digitized by Google 



476 Geschichte des Militar-Eraiehungs- und -Bildungawesens etc. 



die geeigneten Hauptleute etc. der aktiven Landwehr ihrem Range 
gemass aufgefordert; diejenigen des nicht aktiven Standes, welche 
Landwehr - Reserve -Bataillons-Komman dan ten zu werden wtinscben, 
diirfen um Zulassung auf eigene Kosten nachsuchen. Eine Aut- 
nahmeprufung findet nicht statt, dagegen wird eine Sehlussprufung 
vorgenommen , bei welcher der erste Tag far eine schriftliche tak- 
tische Au8arbeitung, der zweite zur Losung einer Aufgabe fiber Be- 
grifie und Grundsatze der Strategie, der dritte und vierte zur Vor- 
nahme mundlicher Prufungen, falls solche notwendig erscheinen, 
bestimmt sind. Die Leistungen werden als „vorziiglich" f „sehr gut", 
»gut", .jgenugend", „ungenugend" , der Gesamterfolg wird als „ent- 
sprechend" oder „nicht entsprechend" bezeichnet. Das Urteil uber 
letzteren wird durch eine aus dem Kommandanten und den in der 
Charge von Stabsoffizieren stehenden Lehrern des Soldatenstandes 
(ausschl. Reitlehrer) vor der Prufung abgegeben; bei nicht vor- 
handener Einstimmigkeit entscheidet die Prufungskommission auf 
Grund der Prufungsergebnisse. Wiederholung des Kurses wegen 
nicht entsprechenden Gesamterfolges ist nicht gestattet; wer nicht 
genugt hat, darf aber, wenn er zur Beforderung an der Reihe ist, 
zu nochmaliger Prufung in denjenigen Gegenstanden zugelassen 
werden, in denen er als „ungenugend" bezeichnet war. Besuch des 
Kurses ist nicht Bedingung fur die Zulassung zur Stabsoffiziers- 
Prufung. 

Der theoretische Teil des Unterrichtes ist der so weit als 
moglich im Wege der Besprechung des Lehrers mit den Frequen- 
tanten vorzunehmenden Erorterung und Begrundung der Vorschriften 
und Einrichtungen des eigenen Heeres gewidmet. Die Gesamtheit 
der Vortrage soil die Kriegswissenschaften nach ihrem jeweiligen 
Stande in grossen Zugen zur Darstellung bringen. Es sind dazu 
taglich 3 bis 4 Vormittagsstunden, der Samstag ist zu einer tak- 
tischen Arbeit im Freien zu verwenden. Bei sehr schlechtem Wetter 
darf an Stelle der letzteren eine schriftliche taktische Aufgabe im 
Lehrsaale gelost werden; die Arbeit im Freien wird dann in nachster 
Woche nachgeholt. An einzelnen Tagen werden militarisch wichtige 
Anstalten bei Wien besucht oder es wird Versuchen etc. beigewohnt. 

Der praktische Kurs findet zunachst drei Wochen lang zu 
Wien statt. In jeder Woche werden 2 Tage zu taktischen Aus- 
arbeitungen, 1 bis 2 zu Rekognoszierungen, 1 bis 2 zum Besuche 
von Anstalten, Ritten ins Gelande etc., 1 zur Besprechung der Aus- 
arbeitungen etc. verwendet. In den anderen drei Wochen werden 



Digitized by Google 



Osterreich-Ungarn. 



477 



tJbungsreisen unternommen. 4 Tage lang wird die Armee-Schiess- 
Schule besucht 

Samtliche Lehrer haben sich iiber Auffassung und Kenntnisse 
der Frequentanten durcli Besprechungen (Kolloquien) und die Be- 
arbeitung von Aufgaben seitens jener im Lehrsaale und im Gelande 
genau zu unterrichten. 

Unterrichtsgegenstande sind: Taktik (47t Stunden wochent- 
lich), Grundzuge der Strategic (3), Terrainlehre (3), Heeresorgani- 
sation (l 1 /*), WafFenlehre (2), Pionierdienst und Befestigungskunst (2), 
Militar-Strafgesetze (Vl»); ferner fur die Offiziere der Fusstruppen 
Pferdewesen und dreimal wochentlich, darunter einmal in das Freie, 
Keiten. Allgemeines Lehrziel ist „Vervollkommnung in alien mili- 
tarischen Kenntnissen, deren der Stabsoffizier bedarf, urn die theo- 
retische und praktische Ausbildung der Truppe und des Offizierkorps, 
sowie den Dienst uberhaupt zu leiten, ferner um das Kommando iiber 
eine aus verschiedenen Waffengattungen zusammengesetzte Truppe in 
den mannigfachen Eriegslagen richtig fiihren zu konnen". Das 
wichtigste Fach ist die Taktik ; Terrainlehre, Heerwesen, Waffenlehre, 
Pionierdienst und Befestigungskunst werden als Hilfswissenschaften 
derselben behandelt, daher sind Einzelheiten vom Vortrage auszu- 
schliessen. 



Digitized by Google 



Inhaltsverzeichnis. 



Seite 



Osterreioh 1 

Erster Zeitraum. 

Von WallenBtein bis zum Regierungaantritte der Konigin Maria Theresia, 

1694 hi* 174fl 6 

I. Die FHftdlfinriiac.hft Alrndftmift r.n Oitflp.hin , , . , fi 

II. Weitere Vorachlage und Anordnungen 12 

III. Das Chaos-Stift 14 

IV. Die kaiserliche Ingenieur-Akademie zn Wien ... 17 

Zweiter Zeitraum. 

Vom Regierungsantritte der Kouigin Maria Theresia bis zum Beginne der 

u mges taltcnden Thatigkeit des Erzherzogs Karl, 1740 bis 1805 ... 20 

I. Die Theresianische Ritter-Akademie , , , : , 21 

II. Die Savoyische Ritter-Akademie 21 

III. Die Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt, 1752 

hi » 1756 9St 

IV. Die Militar-Pflanzachnle. 1762 bis 1769 31 

V. Die Militar-Akadeniie zn Wiener-Neustadt, 1756 

bis 1805 36 

1756 bis 1766 3£ 

1766 bis 1768 88 

1768 bin 1774 43 

1775 bin 177ft fift 

1779 bia 1785 57 

1786 bia 1805 72 

VI. Die Adeliche Militar-Akademie, 1755 bis 1769 ... 77 

VII Die Kdniglich-Hungariaehe-Adeliche Leibgarde . . 79 

VIII. Die k. k. Galiziache Garde-Abteilung 81 

IX. Die Ipgenieur-Schule zn Gumpendorf, 1755 bis 1778 83 

X. Die Ingenieur-Akademie zu Wien, 1778 bia 1805 . . 86 
XI. Das Joaefiniache Militar- Waisenhans (Offiziera- 

Waiaenhana). 1769 bia 1782 91 

XII. Die Soldatenknaben -Erziehungahauaer, 1782 bis 

1805 93 

Monument* Gennaniae Paedagogica XV. 31 



Diaitizpd 



482 



Inhaltsverzeichnia 



Seite 

XIIT. Artlll«rift.Rfthn1*>n 9& 

1. Bia zur Errichtung des Bombardierkorpa (1786) .... 98 

2. Pas Bombardierkorps, 178ft bis 1805 102 

XIV. Die Militargrenze 104 



Drilter Zeitraum. 

Vom Beginne der umgestaltenden Thatigkeit des Erzherzogs Karl bis 
zum Eintritte der infolge der Ereignisse der Jabre 1848 und 1849 

verfugten Anderungen, 1805 bis 1850 106 

T Dip Mi li tiir- A knd pmip 7.11 W i p n p r - N p n h t fl d t . . . . 106 

IHOfS bia 1826 106 

1827 bia 1832 116 

Ifttt bia 1887 119 

1837 big 1843 121 

1843 bis 1850 124 

II. Die Garden. 1805 bis 1848 126 

1. Die Koniglich Ungarigche Adelige Leibgarde, 1805 bis 1848 126 

2. Die Koniglich Lombardisch- Venetianische Adelige Leib - 
garde, 1840 bis 1848 128 

III. Die I n genienr- Akademie 133 

TV. Die Kadetten-Anstalten 152 

1. Vorbereitungen fur die Errichtung von Kadettenschulen . 152 

2. Die im Jahre 1808 aufgee tell ten Kadetten-Kompagnien . 154 

3. Die Olmutzer Kadetten-Kom pagnie 158 

4. Die Gratzer Kadetten-Kompagnie 161 

5. Zustand der Kadetten-Kompagnien zu Olmiitz und zu 
firmi.r am V.nAtk <W flwltanwna g 162 

6. Die Mailander Kadetten-Kompagnie 167 

7. Regiments-Kadcttenschulen 169 

V. Die Pionierschule, 1811 bia 1850 170 

1811 bis 1816: Korneuburg, Wiener-Neustadt 171 

1817 bis 1823: Wiener-Nenstadt, Korneuburg 173 

1823 bis 1828: Korneuburg 179 

1828 bis 1843: Tulln 183 

1fti3 hla 1850: T nlln 185 

VI. Die Regiments-Knaben-Erziehnngshauaer .... 188 

Das Mailiinder Erziehungshaus 194 

VII. MannHchaftsHchulcn . . . . . . . , . . . . . . 19J> 

L Artillerie 196 

A. Das Bombardierkorps 196 

B. Die Einrichtungen bei den Kegimentern 199 

2. ftpnifl und Pinnim-p . , , , . . , , . , . , . , , 2QQ 

Tierter Zeitraum. 

Vom Eintritte der infolge der Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 ver- 
fugten Anderungen bis zum Jahre 1865, 1850 bis 1865 203 

I. Vorlaufige Anordnungen 203 

1. Regimentsschtden bei dem Heere in Italien 203 

2. GeneralstabsHc.hu len zu Wi en und zu Verona 203 



Digitized by Google 



InhaltsverzeichniB. 



483 



Seite 

3. Anordnungen bel der Artillerie . . . . 205 

A. Provisorischer Stundenplan vom 1. Januar 1860 . . 205 

B. Die Artillerie-Hauptschule 210 

C. Die Btdmduilm 212 

4. Apordnungcn beim Pionierkorps 215 

A. Die Pionier-Korpeschule 215 

B. Die OfBrierschule zu Kloeterneaburg 216 

5- Eipfuhrung einer Prflfupg behufs Eintrittee als Kadett . 216 

II. Die Organisation derMilitar-BildungBanBtaltenvom 

Jahre 18S2 . 217 

1. Anstalten zur Heranbildung von Unteroffizieren . . . . 225 

A. Militar-Unter-ErziehungBhauser 225 

B. Militiir-Ober-ErziehungHhausor 228 

C. fechulkompagnien (Schuleskadron) 226 

a. Infanterie-Sekulkompagnien 228 

b- Kavall erie-i-nhuleakadron ■ . : : . , ( . , 22S 

c. Grenz-Schulkompagnien 228 

d. Artillerie-Schulkonipagnien 229 

e. Qenie-SchuUcompagnie 229 

f. Pionier-Schulkompagnie 230 

2. ApBtalten zur Heranbildung von Offizieren ...... 230 

A. Kadetten-Inatitnte 230 

B. Militar-Akfldemien , , , , , , , , , , , , 231 

a. Die Militar-Akademie zu Wiener-Neustadt . . 232 

b. Die Artillerie-Akademie zu Olmiitz 232 

c. Die Genie-Akademie zu Kloater Bruck . . . 233 

3- Anderweite BildungsanHtalten 234 

a. Dm MilitAr-T^hrPT-InHHtnt, . , . , , , , , 2M 

b. Die hdheren Kurse fur Artillerie und Genie . 235 
C. Die Kriegaschule 235 

HI. Anderungen in den Jahren 1852 bis 1859 237 

IV. Die Militar-Bildungsanatalten im Jahre 1859 . . ■ 238 

V. Anderungen in den Jabren 1859 bis 1865 246 

VI. Die Truppenschulen der Infanterie und der Kaval - 

1 C TIC • • • • • • • • • i t i i i i : i i i t i i 2v>l 

L Offizier-Schulen . , , , , , . , , , , , , , , . 251 

g. KadflttanAafaiilflD , , , , , , . , , , . . . . . 252 

3. IJpteroffizier-Sfihulen , , „ , . , , , , , , . „ , 252 

4. MannBchafta-^chulen 253 

Fttnfter Zeitraum. 

Vom Jahre 1866 bis zur Begrundung der gegenwartig bestehenden Ver- 

haltnisse, 1866 bis 1874 25-1 







. . 254 








2. Bei den Militar-Bildungsanstalten . . 




. . 264 


II. Die Neuordnung vom Jahre 1868 . . 


















B. Vorbereitende Anordnungen . . 






31* 



484 



Inhaltsverzeichnis. 



SaiU 

Q. Darchfflhrung der vorbereitenden Anordnungen . . 270 
X. Militar-Erziehungs- und Bildungaanatalten . . . 271 
a. Militar-Teckniache Schule zu Mahriach - Weiaa- 



kirchen 271 

Ober-Erziehungahaua zu Giina 272 

b. Militar-Kollegium zu Sankt Polten 272 

c. Techniache Milit&r-Akademie zu Wien .... 272 

d. Militar-Akademie zu Wie ner-Neuatadt .... 273 
g. Fachbildungsanatalten 276 

a. Der der Hoh ere Artill erie- und fi wiWKi nn . . 276 

b. Per Vorbereitungakure fur die Btabaoffiziers- 
Aapiranten der Artillerie 281 

c Die KriegMchule 282 

d. Per Zentral-Infanterift- Kiira 288 

e. Der Zentra1.1T*v*U«rU».irnrii 289 

2. Die Truppenschulen 290 

A. Vorbereitungs- and Kadettenachulen 291 

a. Infanterie, Kavallerie, Mibtar-Fuhrweaerxa-Korpe 292 

VorbereituDgaBchqlep 292 

KadftttenHfihiilfln . . . , . . , . . . 294 

b. Artillerie 299 

c. Genietruppe 30.3 

d. Pioniere . . : , : s , , , . . . . , , 301 

B. Maunschafeschuleu 311 

a. Linien - und Grenz- Infanterie und Jager - 
truppe 312 

b. Ka va llerie , , , , , , , , , , , , , , 314 

• • • c. Artillerie . 314 

d. Genie . : 318 

a. Pioniere 320 

i. Milit&r-Fuhrweaens-Korpa 322 

C. Fortbildung der Qffiziere und Kadetten 322 

a. Infanterie und Jager 322 

b. Kavallerie fflfi 

Brigade-Offiziera-Schulen 325 

c. Militar-Fuhrweaena-Korpe 326 

A. Artillerie 886 

e. Genie-Truppe 326 

f. PlAff^fff , ftflft 

D. Einjahrig-Freiwillige 329 

E. Landwehr-Offiziers-Aspiranten-Schulen 334 

Sechster Zeitraum. 

Die Gegenwart, 1874—1891 335 

I. Allgemeiner Uberblick 335 

II. Einzelanordnungen 337 

1. Militar-Erziehungs- und Bildungaanatalten 337 

Lehrplan der k. k. Militar-Realachulen ... ... 341 

Dm Milita r-WiuHen haiM zu F Whtm . 361 



Inhaltsverzeichnis. 



485 



Sette 

Lehrplan der k. k. Militar-Erziekunga- und Bildungs - 



anataltfln mm JahrH 1H92 3fi9 

Militar-Realschulen 368 

Einzelbestinummgen fur die Militar-Unterreal- 

srhnlft 868 

Kinzelbestimmungeu fur die Militar-Oberreal- 

schule 366 

■Militar-Akademien , , , : , . , : , , ; . 310 

Euizelbeatimmungen fur die Militar-Akaderuic 
y.n HEtaMfeHfiuatadt ■ . . . . . . . . , 371 



Kinzelbestimmungeu fur die Teehnische Militar- 
Akademie . . , : , : . . . : , , . 3B1 

Bestimmungen fiber die Art des Unterrichta 
und die Abhaltung der Priifungen .... 389 
Obliegenheiten deH Kommandanten hinaichtlich des Unter- 



richtos ftfl3 

Organiache Beatimmungen fur die k. k. Militar-Er- 

ziehungs- uud Bildungsanstalten 394 

Klassiiikation der Zoglinge in den k. k. Militar-Kr- 

ziehungs- und Bildungsanstalten 400 

Aufhahme von Zoglingen in die k. k. Erziehungs- und 

• Bildungsanstalten 401 

2. Fachbildungsanstalten 404 

A. Hoherer Artillerie- und Genie-Kurs 404 

B. Kriegsschule . 105 

C. Stabsoffiy.icrs-Knrs . 410 

3. Truppenschulen 418 

A. Kadettenachnlftn 418 

Allgemeine Bestimmungen 421 

Sonderbestimmungen 428 

a. Infanterie-Kadett.ensehulen 428 

b. Kavallerift-KaHpttenHf-hulft , . . . „ , . 43I> 

c. Artillerift-KftdfltrftriHchnle : Idii 

d. Uenie-KfldettenBehule . , : .. : : . : : : 440 

e. BfooiflrJCadeltenacnnle 440 

Bestimmungen fur die Sanitate- nnd die Train - 

truppe 442 

Bestimmungen fiber das Erteilen des Unterrichtes 

und das Abhalten der Frufungen 442 

Inapizierungen der Kadettenachulen 446 

Hans- nnd Dienstordnung 446 

Anderungen vom Jahre 1885 450 

Anderungen vom Jahre 1889 451 

Beatimmungen vom Jahre 1891 466 

Das Militiir-Knaben-Feusiopat zu Sarajewo .... 457 

B. MannschftfLssclnilen , , , „ „ , . , , , , 158 

C. Fortbildung der OfJziere nnd Kadetten 460 

D. Einjahrig-Freiwillige 4G0 

Anordnungen vor Erlass des Wehrgesetzes vom 

11. April 1889 460 



Digitized by Google 



486 



Inbaltsverzeichnis. 



Seite 

Anderungen in Ctemaasheit dea Wehrgeaetzea vom 

11. April 1889 m 

E. Unterrichtaeiarichtungen fur die k. k. Landwehr . . 467 

a. Zur Heranbildung von Offizieren fur den nicht 
fttrtivftn Stand . , . , , , . , . . 461 

b. Zur Heranbildung von Offizieren fur den ak- 
tiveu Stand . . . . , . , . , , .. . . 471 

a. IWufHofHzierH-Kurtt . . 471 

fi. Landwehr-Kadettenacbule 472 

c. Landwehr-Stahsoffiziers-KurH 474 



Drnck von Fr. Aug. Eupel Id Sonderahkoaen. 

Digitized by Google 



Digitized by Google 



U A. 

MB 





DATE DUE 






















































I 







































STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES 
STANFORD, CALIFORNIA 
94305