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Spätgotik und Renaissance
Erich Haene
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ätgotik und Renaissance/
Ein Beitrag
zur
Geschichte der deutschen Architektur
vomelimlicli im 15. Jabrlituidert
von
Erich Haenel
Uit 60 Abbildungen im Text
STUTTGART.
PAUL XEFF VERLAG.
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JtnOt TON Curl Bannt«!' Ja Blallgwt.
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Meiner Mutter.
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Die ente Anreguug zu dieser Arbeit gab eine im Jahre 1897 von der
philosophischen EakuUftt der Universität Leipzig gestellte Preisanfg^be. Je
nriher ich mich mit dem Thema vertraut machte, je scliärfer ich die Be-
deutung des ausgeheTiflen 15. Jalii litmilcrts für die Eiitwickhni'-r der deutschen
Architektur erkannte, desto iiielir machte .sich, ühcr den nahiiu n einer stil-
gescliicUtlicheii Uiitersuclmng luiiaus, ein Eingehen auf ilie allgeuieiuun küust-
lerisdimi Gesetze des architektonischen Schaffens notwendig. Es musate der
Versuch gemacht vrerden, im Wesentlichen von dem sul^ektiven Empfinden
:ui>i:ehen«l in das Verständnis jener Zeit, wie Sie sich in den Werken der
Baukunst darstellt, einzudrinfien, die moilei-no Persönlichkeit mü^'lichst frei
von historischen N'onuteilen jenen SchöpfunK'^n ueLt iiüherzustellen. Wenn
man diesen Standpunkt überhaupt in der kunstlüstorischeu Forschung für
berechtigt hält, wird man auch den Weg der Betrachtung verstehen, dra
ich zu jsehen versuche, und die Resultate, zu denen ich gehuige, als ehrlich
gefundene gelten In.ssen.
Die Illu-stration im Text, die heute seihst das „wissenschaftlichste"
Werk nicht mehr zu schenen hrniicht. Iirinirt von dem allerirrfissfen Teil
der besprochenen Baudenkmaler \veüij.i.>tenj> den Grundriss, dann, wenn
möglich, einen Schnitt und eine Innenansicht. Dass letztere nicht stets und
oft nicht in der erwünsditen Vollkommenheit zu beschaffen war, liegt im
Weswitlichen an der bisher^jen Art dear kunsthistorischen Untersuchung, die
der Sdiöpfung des Baund>ilde8 nur zu oft neben der Erscheinung des
Äusseren, Gliederung des Baus u. s. w. er»t den zweiten Phttz einzuräumen
pflegt.
Für vielfache Anlegung und Luterstützuiig sage ich llerni Trof. Dr.
August Schmarso« in Leipzig ergebensten Dank. Ebenso bhi ich der
Veriagshandlung für ihr freundliches Entgegenkommen bei der Ausstattung
dieses Bftchleins zu l)estem Danke verpflichtet.
Dresden, Juni le!»9.
B. Haenel.
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Inhalt.
Si-itft
Einleitung 1—9
Süddeutsclilaiid li> - Ii
KorddeutschlitiHi ^ ir,— 5H
Sa«-hs<>n 57—103
Spfttgotik und Renaissance 10t— 114
Litteratur 115-llti
>^^*
Einleitung.
^/V^pnn CS 'jilt. <-iiit' lit-stiiiiiiift- Perinilc ilor Kuiis>t?eflrbichtf' •■iiifr Botraclitun?»
zu unterwerfeu, ao luuss es die erste Aufgabe seio, deu Namen oder überhaupt die
traditioneUe BMnichmiig, unter der dtendisse Periode in der Koiistgescliichte gebt,
nfther zu nntersnchen. Unter den Ansdmck nSpfttgotik" pfleijt man gemeinhiii die«
jeiÜKe Peri^iiU' iler Ar< liitcktnr rtisimTnenzufussen, welche die zeitlich letzte IMi iso
gotischer Anhi'pktiir nlif i liaupt. uinl speziell tliejenige Zeit iu sich bej^reift, in der
eiiie Veräaderuug lics gotischen Stils nach bestimmten Richtungen bin zu bemerken
in. IHe Litteratnr, soweit sie sieh fll>erhwipt deraii gemaclit bat, das Wesen dieser
Periode zu analysieren oder Kriti^f h ilarzoBteUeo, hat sich mit dieser Aufgabe mit
sehr verschiedenem ürfuli,'«' abgefunden.
Schnaase'ü Darstellung amfasst, dem Titel seines Ii. liucbes nach, die Spät'
zeit des Mittelalters, vom Anfange des 14. Jahrhunderts Iris zur Blate der £yck*scben
Schale; die Kapitel 4 — (> dieses Buches, S. 7:^ — 'M'A sind der Architektor gevidmet.
Das Schwergewicht seiner Übersicht liegt, um dies trlt ii Ii fcstzusiellen. im 11. Jahr-
hundert, in einem Zeitabschnitt also, in dem der Stil, nach der vergangenen wie
nach der folgenden Periode hin, durch einen grösseren zeitlichen Zwischenraum von
der BerOhranK mit einer andersartigen SiDeinhdt getrennt var.
(Kr selbst spricht zwar, bei (lein Rockblick auf seine Darstellung der deutschen
Architektur, mir vom 14. .Tahrluindcrt, greift aber oft iu das 15. Jühilminleit über;
vcrgl. ä. 259 Amberg, S. 267 Landsbut, S. 313 Königsberg, S. 314 hieudal u. a.).
Nachdem «r die Höhe der künstlerischen Technik, die FQUe der nenen, an-
regenden Aufgaben besprochen hat, üDhrt er die Modifikation des Überlirferien nach
zwei verschiedenen Dichtungen aus. Einerseits gab die Grnmrtrir p\np Xf-igtmg zu
komplizierten und gelehrt erscheinenden Verbinilungen, und verleitete, hier wie in
der Wissenschalt, zu „trockener Pedanterie nnd geschmackloser Überladung".
Anf der andern Seite steigorte die Geftthlsricbtang jener Zeit die ihr in dem
Vertikalismus verwandten ZQge: die schlanke Kleganz der feinen Glieder, ihr
flber8clnvruii:1iche.«( Aufstreben und besonders ►'iidüch ihr weiches Neitrfn und Hiegen
(8. 7n). Im Anschluss au die erste lUchtung spricht er S. 7U von der „abstrakten
RegdralBsigheit*, die allein jene Generation kannte, S. 82 von dem Behagen an
geometrischer Künstelei, in dem man die architektonischen Gedanken des Vertikalis-
mus oft mehr nh h]]]\s vergass. Der Krfolir aller Xeuennigen erschien den Zeit-
genossen ak ein glünzender, als ein Totalbild von reichster l^ebensfUlle und ent*
zQdKender Anmat (S. 87). Bei dieser Gdegenheit kommt Sdumase anf dasselbe
Problem zorOck, das er schon im Beginn dieser, die Architektargeschichte einlei-
tenden Hetradittiti.; charakterisiert: die Anwcndvng der Gotik als des kirchlichen
HkAuel, Spiltgotik. ' I
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Stils auf den ProfftiibAiL SciuMi dort (S. 73) «rkennt er die Notwendigkeit einer
neuen, erfindenden oder flbersetzondon Tbätigkeit an: im Verlauf der folixcnden
Untersuchung komint er indes» zur Erkenntnis der Gotik als eines Vertikulstiles —
eine Erkenntnis, deren iuuner stärkere Verbreitung in jener Zeit er besonders her-
vorhebt — betont ftho gemde diejenige Eigeneekaft der Gotik, die sie für den
Stockwerkbau besonders ungeeignet macht, und kommt damit von der Lösung des
Proldeiiis mehr und mehr ab. (S. 7 «et 't er selbst die ^hoehschwehenden Gewölbe"
und das Strebes) steu), also die Iluuptlaktoren des Yertikalsystems, in Gegensatz
ta den Zwecken des Profanbnns). Wenn SchnuMe S. 74 bekanptet, dass man „da-
mit ein Mittel habe — nSmlicli mit der Erkenntnis, dass der neue Stil auf dem
Vertikalscbema beruhe — den kirchlichen Stil auf Auf;:ahen aller Art zu verwenden*,
so ist das also weder hier logisch noch Überhaupt wahr. S. Ö7 dann gesteht er
selbst, „dass die Anwendung der grossartigen Fonien des kSrekHditti Stils auf dte
gehäuften, niedrigen Stockwerke weltlicher Gebkude doch einen gewissen Zwang avf-
legte** und t^'eht auf die AusartuiiLr der Architektur in eine Scheinkanst weiter ein:
„man war aut eine abschli.ssii^e und iietiiliriiche Hahn «j^raten", nachdem er sehnn
oben gesagt hat: ^die Autlüsuug der Massen, die zunehmende Weichliclikeit der
Linien, die KOnsteleien, in denen die Meister sidi flberbielmi: alles droht, den
arcliitektonischen Emst» die Harmonie des Gan/en /.u xerstöroi''. Die ganze Dar-
stellung gelangt kaum zu einer rräzisierung des Aiisdrucki< „ Spütsjotik", geschweige
denn zu einer Definition ihres Wesens; Oberall bleibt es bei Ansätzen, abgesehen
davon, dass Schnaase das Material nor im AUergrOssten verwendet. Auf daa
psychologisch Eigenaitige der neaen Banmbildnng wird nirgends eingegangen-, die
fthlirhe, nach zwei Seiten ausgeibhrte Charakterisierung ist im einzelnen nicht ein-
mal immer vollkommen belegt.
Kugler (Handbuch der Kunstgeschichte) teilt die gesamte Gotik in vier Perioden
ein; im 15. vnd 16. Jahrhundert erkennt er eine „merkwardige Entwickhug** (S. 182).
Sk 8: „Zumeist nur das Dekorative h< noch spielend an den kunstreichen Kom-
binationen der früheren Zeit fest". S. t<2: ,.Tene flüssisrpre Form musste bald zu
WillkOr, zum Übermut und dieser zur Eutartmig fuhren". Jene oben erwähnte in
zwei Richtungen besonders bemerkbare Entartung diarahterisiert er S. 183 deutlich:
«aaf der einen Seite omamentale t'berhidung, auf der andern Nüchternheit und
Monotonie", und dann weiter „ein Haschen nach iienen. pikanten Effekten, ein Vl^cr-
treibeu des einfach Malerischen, andererseits eine handwerksmäSBige Nüchternheit,
ehie frostige, mechaDische Handlwbuig der Techmk*, welche die AnflAsang der
Gotik heriwifllhrten. Die deatseha Spätgotik spesiell zeigt abetwi^jend einen nftdi-
temen Charakter: ihre Werke nehmen meistenteils da.s Hallen«rliema auf und zeich-
nen sich in der llepel nnr durch weiträumige Einlage u. s. w. uns (S. 1?*3). Interessant
ist Kugler » Ijemerkung, dass die Gotik vorher oft mancherlei antikisierende Ele-
mente in üuea Fwmenkanon anfidmmt. — In seiner „Geschichte der Baukunst
ist Kugler's Darstellung eingehender, seine Charakterisierung schärfer. Wenn er
auch wip<!er S. "2 in der vierten Periode di r (lofik. im 15. Jahrhundert nnd dem
«ächsttolgendcn Zeitraum, eine Verniichteiiing und Entartung des Systems konstatiert,
so sehliesst er doch daran die Behauptung, dass „in dw Erledigung der strengeren
Gesetze derselben wiederum neue Kombinationen von eigeotOmlich charairteristiscber
Bedeutung zur Erscheinung kommen^ nachdem er schon vorher S. 28 aosgefahrt
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hat, d»a» in dw Gestmtantirickiuug scblieBslicli «das Ventflndige und Min« Be-
w&linmf im Betriebe de» Beadwerkes" nun kemelMideD ElemeiBt geworden sei.
Die Erforderrissc ilos Profanliaus siml S. 'AC (hirppsfellt und d\c l'mwandlung der
gotisclien Fonneureihi- im Dienst des praktischen llaufs aiiLieikutf-t , IVpjlirlt ohne
dass Kuglei- die umgeünderte üeist^sart der KatunauBcliuuuug irgendwie vertulgt.
Das* der Kireheobao in der SchluMzeit dee Stiles roanebes tod diesen besonderen,
omgestaltetSB Formen für seine Zwecke aufnehme, ist eine Beobachtung, die
wir hier zum erstontnalo antreffen. Weiter wird die Periodo von der Mitte de»
14. Jahrhunderts an doch wieder als eine Zeit der Nachblute bezeichnet, S. äOH:
«neben der Emflehtemng, der oft kalten Strenge der baulichen Havptteüe entfaltet
sich an selbstfindigen Scbniiickwerken vielfach der üppigste Formenreichtum'^. —
N'arh allen diesen Ansätzen wird in der f'.eiiaiidluiii; der Denkmäler im ein/einen
ihrer Bedeutung doch selten volle Rechnung getragen, besonders was die Baum-
bilduug anlangt, vergl. z. B. S. 347 die Enrfibuuug der Kreuzkirche in GmOnd.
Von der gewöhnlich angewandten Terminologie kBit sieb Kngler mit wenigen Ans*
nahmen fem. Seine Charakteristik des I'rofanbaus bleibt meist am .Kusserlichen
haften, mit Ausnalnne etwa bei d^n i reussiachen Bauten. Eine Detinition des Be-
griffs „Spätgotik" lindet sich nirgends.
üngefUr Im Sinne der Kngier'schen Anffassnng, aber weniger dngehrad und
weniger scharf-kritisch verfuhrt
Lübke (Geschichte dt r Architektur. II. B.) bei der BebamllmiLr der gotischen
Periode. Nach ilua (S. 4) ^wührt die edelste itlOte kaum bis gegen die ]klitte des
14. JahriHmderti; von da dringt «n Geist der AaflOsimg die gotische Architd[tiir,
ein Spiden mit den Formen beginnt, die Dekcvation besi^ die Konstmktion nnd
unter rHejji^ni Finflnss entarten die Formen bald"*. Wie bei den andern Lftndeni
unterscheidet er auch bei Deutschland ^drei Hauptepochen-, entsprechend den drei
Jahrhunderten. S. UU: der strenge Stil im 13., der freie Stil im 14., der dekora-
tive Stil hn 15. und bis ins 16. Jahrhondert. Charakteristisch fftr diese let^e
Epoche i.sf iTiiii. ..dass in demselben Masse, wie das Dekorative in einseitigem Streben
gepflegt wird, liic Gfsamtanlage, Verteilung der Uüume, der Kern des Baues nüch-
terner wird"*. Auf diese Gesamtanlage u. 8. w., den Kern des Baues gebt er nun
freSich nicht weiter ein, sondern verfolgt «Ue Entwicklung der Dekoration, die sich
immer mehr von der konstruktiven Grundlage emanzipiert und zuletzt mit völliger
Krsrhöiifuns: endigt. Also aiuh Iiir-r kein Vcrsuili. ilfui Wesen der Spatgotik
kritisch nftherzutreten. Die Profanarchitektur bedeutet für L. unter audei-ew (S. äü)
»eine Glaiizepoche der Arcllitektur^ soweit sie auf dar itldtischai Entwickluug be-
ruht; die DarMellung des gotischen Wohnhaus <$. 39) ist ein charakteristisches
Beispiel für die Art seiner wissenschaftlichen Untersuchung, die das Ratnverk von
Aussen nach Innen konstruiert. I.Ubke fiSncrt in seiner DarstellunK bei der Fassade an
und dringt erst alüuählich iu die innere Anur<luung der iiuume ein. Uber die not-
wendig verlnderten Raumerfordentsse und den Widerspruch swischm dem Prinzip
der Gotik und den praktischen Anforderungen, wie wir ihn schon bei Schnaase ge-
sehen haben, ist hier kein Wort vorhanden. Seim- ("liarakf ei istik des L'ntisrhen
Profanhau« iu Deutschland beschräukt sich S. 172 im Wesentlichen darauf, dass die
Bauten den Eindruck grOsuter Mannigfaltigkeit geben. Dem folgt eine Aufzlblnng
der wichtigsten Konnmente.
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4 —
Bei Dobme (GMchichte der dcutBcbeD Baukunst) idrd die B«d«atinig der
aftehsiadi«ii Spltgotik« der Aufichwoiig, den das System in dieaen Bauten noch ein«
mal tTPrifiminrn hat, zum erstenmalp ins rfchtf Licht L'cstfllt. Eine irmanc Kintpiliuig
der (iesaiiiteDtwiikluiiK in cirei oder vier Perioden kommt bei ihm nicht vor, ebeuso-
weoig die übliche Terminologie in liezug auf die Baukunst des 15. und 10. Jabr-
hnnderta. Zwar aprkdit er bei Gdegenbeit der Fonnenbebandlmg von „Emflcbtemng
des kUnntleriscben Empfindens, Totlaufen der ganzen bisherigen Kntwicklung" (S. 80),
dann S. von finer suii End« des 15. Jahrhniiderts „iliirrh den damaln herrpi-hen-
deu Naturalismus erzeugten wilden Lust, alle möglichen Bauteile zu biegen und zu
adnvingen", daa ist aber aaeb das Einzige, irorana wir naeb »dner Daratellnng auf
eine Entartung des Stiles schliessen. So wertvoll nna aeitic l.ruiihnung der Arcbl»
tfktnr in SacJint-u ist, so sehr vermissen wir ^enancrp AiilmIkii über Entstehung
und Entwicklung dieser charakteiistischeD und selbstäudigeu i'eriode. — Nicht nur
vier, «ondem aogar fflnf Perioden der Gotik nnteracbeidet
Lötz („KnnattopograpUe Dentaddanda"). Den Zaitranm, der hier beaondera
ins Auge gefasst ist, nehmen bei ihm die lp(/tpn drei soiner Tpri(»tlpn ein: \m 13.50
bis circa l l'Jo ein , Herabsinken **, von 142»» — LuH) reicht die ' i^cmli« iic „spilt-
gütische Teriode": „die Bauwerke zeigen eine oft übertriebene Hohe, in Mass- und
Laubwerk finden aich vielfach geanchte, unadidne und troekene Formen*. In der
fünften Periode, die tief in das 1«!. Jahrhundert hineinreicht, versinkt der Stil teils
in .. Xui litt rnheit mit romaniscliPin Ansehen, teils in monströses Wesen". Von der
gotischen l'rofaiibaukoust wird nur erwähnt, dass sie sich ^„iu den Details eng au
die kirchlidie anacbliesat".
Auch Ott e (..Hiuidhuch der Knnstardiaeologie'^) hat Ober die Spätgotik wenig
Gü!i?!tiL'c? 711 sii'jfii. X;i< Ii dem -frttlu'ii. strengen und doni ..ntis?carbeitctcn. f-dlcri"
fol«t bei ihm der späte, entartende Stil im 15. und 1<>. Jiihrbundert. Wie durch
die beiden ersten I'eriodeu, zieht sich auch durch diese eine Zweiteilung der üau-
wdsen: erstens eine reichere, nnd zweitena eine einfadiere Art: entere verlbllt leicht
in eine sjjielende Dekointion, letztere in Trockenheit der Behandlung. In der letzten
Ppriode, der spiltgotischen, machen sich allerlei willkürliche NeueniiitreTi bcitterklich,
die in den Prinzipien des Stils nicht begründet, zuweilen jedoch nicht ohne Heiz
aind: entweder ehie flbertriebene Sdilankheit, oder ein schwerer Charakter dea
trockenen oder überladenen Ganzen tritt ein. und neben einer Vertlachung der
Formen eine immer stitrker werdende Disharmnnip (lf»r Teile. (S. 27«)— 277). Das
Neue, das in der liauiuidee des spätgotischen Systems liegt, ist also auch hier voll-
atftndig aberaehen.
Im Gegensatx zu dieser rabk hiatoi^ken Auflaasung, wie aie Lötz nnd Ott«
vertreten, dir in der S|iattr''tik ntir nno Entnrtnntr <}fr (Wtfik sohcn. rrkt'unt
(toller «.,Die Entstehung der architektonischen StiHoriin'n"f in lii^r heti ftleiiden
Periode „eine schöne Nachblüte des gotischen Stils, deren Werke heilerer, phuntasie-
reicher und in d«i Einzelheiten intereaeantw aind ala die vorangegangenen nnd
schon die Xühe des fröhlichen dekorativen Geistes der Renaissance verkündigen".
(S. 2711.) An den Gewölben. Helmen, MauerboRon, Fenstern nnd Thüren, W^imperuien
und Giebeln konstatiert er „glückliche Neuerungen", während in anderer Ik'ziehuug
der Stil (S. 284) ;,d«n Herabafnken und endlich der Barockperiode nnd Eratarmng
entgegengdit*. Den Verfall zieht er beaondera in zwei Momenten: dem „An*
— 5
schiesspii ilcr Last an die stütze und der ^ Verscbiieiduiig zweier sich kreuzender
Gebiiuszüge'', beide resultiereud aus dem Fortschreiten in der Verdrängung
rOmiaciier Fomigedftiik«n. Die Spfttgotik ^dringt« som aelb«ii alMtrakten Cbanütter,
wie ihn die arabische Architektur von Haus aus schon i>esa8s^', (S. 287) ^die letzten
Neuerungen der Gotik mv\ fiirschifden barocker Natur": dazu kommt (S. 289) ^in
allen Furmeu eine aUmähli«-h tortschreitende Abualiuie der Masse, eine Verscbärfujig
der E<mtraete dee Vor* «tid Zaracktreteadeii, ein stirkerea Awaeken osd Ein»
sduieiden der Unriese*. Ab GeMnttresnltat ergiebt sich schHeMlieii: „ee war hohe
Zeit, dass der neue Form^nstrom hereinbrach''. — Also auch hier, nach einer
günstigen und treffenden Charakterisierung, das alte Hüngenbldbcn in dem ^barockeu--
Fonnenkram und kein Vemiek einer idlkeren Erklärung der durch den ganz richtig
dargestellten Formrawaadel herbeigefUlirten BaumunigeRtaltanff.
Versucht man. allein anf Grund der vorhandenon Utterattir, deren Haupt-
vertretor in ihrer Stellung zu unserer Periode hicnnit ciiarakterisiert seien, sich
ein Bild von dieser Teriode zu schaffen, so ist zuerst Eines ersichtlich: als ter-
ninos ad quem whrd aUgemein der Zeitpunkt des ersten Auftretens von Renaia-
sanceformen in Deutschland angesehen und zwar des Einbmcbs von Elementen der
italienischen lu iiaissance. I>is IfiHO etwa treten an den verschiedensten Punkten
Deutschlands Kunstwerke uut, die in irgend einer Weise die aus Italien über-
nommenen formalen Elemente sa verarbeiten snckttii; von diesem Zeitimnkte an
«eicht die noch nnklai-e, verständnislose Kacbbtldung von allerhand Vortagen oft
der eigentümlichften Art einem intensiveren htuI stetiiren Eindriii'/en in die neue
"Welt der künstlerischen Anschauung, ujid wir bemerken ansehnliche Spuren einer
selbständigen Umbildung des fremden Stoffes. Am Ende des zweiten Viertels des
16. Jahrhunderts erscheint der alte Stil im Orossen von den neuen Formen ver-
drängt. Bis in diese Zeit also wird die Geschichte des der Renaissance voran-
gehenden Stiles reichen, den wir „Spätgotik'' nennen. Schwiericrer ist es. den Zeit-
punkt festzustellen, mit dem die Herrschaft dieses Stils — nach der herküuunlicheu
Meinung — einsetst. Bei der Qblichen Teihrag der Gotik als einer in sich ebheitlichen
Stilperiode in drei Phasen. Frühgotik, IIochKotik oder Blütezeit «1er Gotik und
Spätgotik i)lle.rt man flic erste bis in die zweite Hälfte oder den Schliis>. des
13. Jahrhunderts zu führen, der Hochgotik das 14. Jahrhundert zuzuweisen, und
die dritte Phase, wenn man sie tiberhaupt mit den beiden ersten auf dne Stufe
stellt, mit mehr oder minder genauer Abgrenzung nach jener zweiten hin <las 15.
Jahrhundert einnehmen /n lassen, bis die nenaissance mit ihrem frischen Leben
das Land von dem entarteten und Uberlebten Stil befreit. Mag man auch Ober die
zeitliche Umgrenzung dieser letzten Periode verschiedene Ansichteu haben, mögen
auch die tinen ihren Beginn ein paar Jahre vor, andere ein Jahn^t nach dem
Eintritt <les 15. JahlhuidttTts bestimmen, zweierlei ist doch mit Sicherheit in dem
Namen „Splitiiotik" ausgesprochen: zum einen, dass man diese I>eriode künstlerischen
Schaffens nur als eine Unterabteilung oder Abzweigung des grossen gotischen Stils
ansieht, und zum andern, dass ihr zeiüiehes Verhältnis zu diesem das hervor-
stechendste Merkmal ihres Wesens ausmacht. Fasst man die Urteile zusammen,
die im allgemeinen die Litteratur über -Ii» s (Jebiet fällt, so gelangt man etwa zu
folgender Charakteristik; es ist diejenige Zeit, in der der gotische Stil sich von
seinem wahren Wesen und seinen idealen Zielen abkehrt, seine Kr&fte in üppigen
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dekorativen Leietungen uihI ülitriiicbeneii KonstniktionfivciFuclTen von verstainJos-
mAseiger Niichternbeit verzettelt, und endlich, unfähig, den neuen geistigen und
kllii8t]«riieken Strtaanngen zu genügen, elend ta Grunde geht, wormf du» iBe Bentit»
MUice zam voUcn und tob^digen Audinek der nenen Ideale irird.
Kiiie T'^iitfrsuchunp, die im Kähmen dieser Stilppriodo hanpf^?i< hlioh eine be-
st iiiuntü iokale Gruppe zum Gegenstand hat, rausB vor allem versuchen, den Werde-
gang des Stiles iu seiner Gesamtheit so zu erkennen, dass die Erseheinuugen eben
dieeer Grappe als ein natorlicbes Ergebnis der voransfegangeiieii Entwiddong und
damit aa«h wieder ab die luvemickbare Basis aller spSteren Bestrebimgen dastehen.
Seit /tiri st litis der Isle de France und der Xonuandie die gotischen Baa-
formen sich Icii Wclt ihk h Dcut^rhlünd L'eliahiif bfitten. war die Entwicklung dieses
Systems auf dem neu eroberten Gebiet völlig konsequent vor sich gegangen. Das
Grondprinzip seinor verinderten Ranmgestaltniig, das Aufstreben nach der Höhe,
organisch bewirkt nnd begrOndet dorcb das Übenriegen der tragenden Bauglieder
über die bloss füllenden, hatte sidi freilich tiicbt sofort in bewusste Form um-
gesetzt. Der romanische Stil hatte, nach Grundriss und Aufbau, dem schaffenden
Geist des Künstlers den weitesten Spielraum gelassen. Bei der .Vullockcrmig be-
sonders der ornamentalen Formen wurde der Spitzbogen aniangs noch ohne Ver^
stüniliiis filr seine struktive Bedeutung willig aufKPnomraPu. Als mit der Erkenntnis,
das» bei der alten Bauweise die Grenzen der GrundrissiiKMlitikaf innen erreicht seien,
sich das Streben nach Befreiung aus diesem Zwang verband und damit die Not-
wendigkeit eines Töllig nenen WOlbungsprinzipes heransstellte, bot das französische
System die beste Gelegenheit, den Umschwung auch praktisch dorchzofthren. Xach-
dem dann auch die deutschen BiuiniciRtpr sich die Details des neuen Stib f- nnd vor
allem die Gesetze des umgestalteten Grundrisses zu eigen gemacht hatten, ragten
bald allerorten die gotischen Pfeiler und Streben empor.
Indem der Stil, bei d^ höchsten Ausnutzung der mechanischen Krflfte des
Materials, die Konstruktion zum .Ausgangspunkt nahm, und dies Prinzip bis zum
iiussersten ausbildete, Eredipb pr zwar in dieser einen Beziehung, dem Entwickeln
der gesamten Gliederung nn Einzelnen aus den Konstruktionsteileu, zu „klassischer"
Grosse, liess aber anf der andern Seite die istbetische Wirkung und Bewertung
des fertigen Gebildes in ganz bestimmter Weise beeinflusst, ja beschränkt er^
scheiiit n. Denn weder mit derjenigen Tendenz der Kanmbildung, die in doi Ati?!-
bildung der Höhe den Horizontalismos aus dem System 2a verbannen suchte, noch
mit derjenigen, die eine eigentliche Charakterlsiemng des Raranes durch Abschlnss
wfinde zu Gunsten einer nur andeatongsmftssigen Symbolisiemng dureh EinzelgUeder
aufhob, konnte das crsuiidc Empfinden auf die Dauer in Fjnklang blpibeu. S(» «ehr
auch in der Bemessung der Höhendimension das Unbezeichnete, Irrationale als
Faktor ästhetischer Wirkung berechtigt ist, so dringend verlaugt doch auch das
Auge nach der klaren, optisch messbaren und psydiologisch verstftndBcben Ab-
grenzung des Baumes geradf> in der Dimension, bei der das praktische .Abmessen^
•Ins knrperlirhe Nachleben gleichsam im fühlbaren Verfolg der materiellen Bestim-
nmngstorm durch die Natur versagt winl. l nd ebenso musste die Konsequenz-
— 7 —
prscheimuiK des aut^trebeuilpii DianL'fs, die ^'pnlichtnnij der Flüche zur Hinzel-
vertikaleu mit möglicbater Beschraiikuug der kurperlichen Masse, die Ausscheidung
der Wand und ihr En«l>«i durch eine immateriell iririretide Fliehe, du Fenster,
auf <lie Diser mit dem HedUrfnis nach organischer Einheitlichkeit der tragenden
und iretrnpenen, der sicherrifien und der nur fnlleiiden Teile nnvi rli ilu'lich sein.
Schliesslich, und nicht zuin mindesten, machte sich der Uegeusutz zwischen der
ümoiea und der flnteerni Encheinong des gotischen ^nwerkes kOiMtleiriich stOrend
fahRwr. Denn erfasste auch der wägende Verstand leicht, dass der konstraktive
Ai>panit dt s Äiis^prpn nur die notwendige VorheflinRiiiic odpr mich FoI^tp ilcr
raiumliclien innenkontposition war, so niusste doch der ungetieure. sich stetn noch
steigernde Umfang dieses Apparates als etwas, im VerbiUtnis zu der zwar gleich-
falls gewaltigen, aber doch eiuheitlieheD nnd erhabenen Erseheinnng des Innern
durchaus Unangemessenes empfvnden werden. Die Dekoration, die diesen Gegen-
vf*rdeckeu »oüto. ^Ing von einem einheitlichen lUldungsprozess, dein iler geo-
metrischen Konstruktion, aus, and erhob die Maiuti^fultigkeit der Fonneii zum
kflnstlerischen Gesetz; aber da die formalen Einzelt^e nicht organisch waren, i)
d. b. nicht als LebensSllSSeningen auftraten, denjenigen gleichartig, welche die
lebeudi'jen orijnnischcn Geschöpfe bri ihn r inikroBk(»smi8chen Tli;itii;l\eit und im
Kontlikte mit der .Vusseuwdt auszeichnet, — trutz der vielfach auttretcudeu realis-
tischen DnrdifOhrung nach V<whUdeni der natttrilehai Lebewelt, trog sie den Kehn
der Konventionellen, Phrasenhaften von Anfang an in sich. Sie vennochte den
natürlichen kunstlrrisi.'hen Anforderungen im Gmnde ebensowenig m geniigen, wie
der Gf'sjnDtknrper der stniktiven Masse.
Ks kann nach allen diesen Momenten nicht mehr verwunderlich scheinen, dass
ein System, das mit so jngendllcher Kraft sich den nenen Boden onterwarf, nnd
so rasch unter dem Eiuüuss des nationalen Geistes eine neue künstlerische l'by-
fsio.'iiniine aniiiihm. nach kurzer Zeil schon auf dem Höbepunkt »einer Kntwieklung
anlangte. Die Ostteilo des Kölner Domes, die Kathai*iaeukii'che hi Uppenbeim, das
Langhans des Strassbnrger und das SchiiF des Freiburger Mflosters sind die wesmt-
licbsten Momunente dieses Hdhepnnktes, alle in den Bheinlanden und nicht nn-
ben'lbrt von ronintiiKrb-frnnznsiPchem Geiste. Kin y^raktisclier Hückschlau gegen
das ursi»rUngliche System erscheint zuerst auf dem Gebiete der Proportionenbeband-
lung. In der Kunst der KOrperbilduug, der Plastik, (ritt dies ganz besonders
ebarakteristisch anf. Findet sich schon an den Sicnlptnren in der Voihalle des
Freibur«er Münsters ein Zug zu breiterer, realistischer Gestaltung, 2) so bezeichnet
die Plastik, die sich unter Karl IV. in Böhmen und im Anschlu!*f5 nn den Prager
Douibau entwickelte, (vcrgl. auch die Statue Karls IV. im Museum zu HerliuS) einen
noch sinscbneidendNvn Gegensats zn der langgestreckten nnd leichtgeschwnngenen,
wie knochenlosen Art der streng gotischen Körperbildung. Möglich, daSB P>*>
ziehuneen zu Frankreich -.wich liit-r fnr dii- stiliBti-sche Kntvvickhm? tnasgirebeud
wurden. Tritt doch in diesem Lande, dessen kultureller und künstlerischer Werde-
gang damals den deotschen Verhilltnissm nm mindestens ein halbes Jahrhondert
vornns war, schon nm die Wende des 13. Jahrhunderts eine ahnliehe Tendenz anf,
') Semper I.
^ Vergl. Kode, Gesrbicbte der (leutschen Plastik & 76 u. 79.
») VergL üode S. 5*5.
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_ 8 —
die dann mit iiiptifrlündischcn KintlüBsen verschniolzeti in Am jttn^iereri Sktiliittiirn
ttu den Ghurschrauken vou Noti-e Dauic zu l'&ris weiter »usgetütirt wird and
Klili««8ÜGh in den Werken des grossen INj4Mi«r Mdslers Clanx Sinter, der nnn
schon ganz Niederlfin<ltr ist, ilm klassiscli» Attsprignng erfiUiit Hier sind die
Figuren in ^iemlidi kleiiit'iii Massstab atispreffllirt, von gedrungener, wuchtiger Bil-
duiig mit iudindueU-kraftvoUem Aasdruck und realiBtischer ikhaudluiig der Einzel-
heiteii: onverkouilMkre Produkte einer nenen, sellwUbidigen Kvnst, die nor noch «in
SehritI Ton dem kflnstierischen Ideal der niederlindisdieD Altmeister des 15. Jalir-
hnnderts trennt.
Dies wur<len die Resultute der Kntwickluug im Westeri. Auf dpntscbem
Duden lässt sicli ein L'uiscklag des Systems bei Werken der Arcliitektur zugleich
an mei verschiedenen Punkten konstatieren. Im Jahre 1S61 t^irte der Meister
Heinrich „parlerias de Culoniii'* den Grundstein der Kreuzkirche zu Gmünd in
Schwaben: es ist das Geburtsjahr des- neuen t^tilcs. Dio Krcu/kinlip vertritt den
Typus der llalleukircbe, ohne (^uerscbiff, uüt Churunigang und Kupellenkranz um
d^ ganzen Baun; dne eigenartige und irirkvngSToUe Yerscbmelrang des dentsdieii
Ilidiensysteius mit der französischen Choridee. Die ganze Komposition und die
neluimiloug der Dimensionen Ifisst dif Vermutung berechtigt ei'scheinpn, dass hier
ein Kinfluss von der niederrheinisch-tninzösischen Schule vorliegt, deu ja auch die
Beueuuuug des Meisters in gewissem Siuue garantiert.
Gieichzmtlg mit dem Bau der Kreoskirche in Gmtatd erfolgte die Orftndnng
einer Kirche, die deu zweiten Typus der entwickelten Raumkomi>osition zum ersten-
mal in voller Reinheit vertritt. 1S.55 — Ol erbaute Karl IV. an Stelle der alten
Synagoge am Markt zu Nürtü>erg die Kirche uusrer lieben Frau: ein quadratischer
Hanptranm mit drei Schüfen und einem sehmalen, polygonal geschlossenen Chor.
Dohmes Remerkuug (S. 234), das Schiff dieser Kirche sei nach Art der Rurg-
kapellen gebildet, führt un;? voti dem eiuentliihen Ruugedanken ah: das Schema,
das sich in deu Borgkapellcu jener Zeil laud, liesse da eher eine zweigeschossige
Anlage vermuten. Wir k<nnmen der Frage nacb der Entstehung des Motivs irohl
nfther, wenn vir es in Verbindang hringen mit der Miarienkapene in dem Syst««
der französischtii (lotik. Die fltertragung wUre dann in der Weise m drnken,
dass der weiUmtuladende ('hur der irnnzOsiRplien Anlage in Deutschland tür das
breite, in den Dimensionen nuiglicht>t gleichmtissig entwickelte Schiff vorbildlich
wurde^ und die schmsle, daspringsnde, die Langenaxe betonende Blarienkapelle sich
dann als Chor diesem Hauptsaal aiis^i lilos.s. Kin Blick auf den Grundriss der Chor-
partie von St. R6my in Rheims i) wird dit sr \ orstellung erleichtem: schneidet man
den Chor, vom (^uerscbiff an. von der Gesamtanluge ab, und erg&uzt mau die vier
im Halhntnd angeordneten Kapellen, den beiden westlichen HSben des Chors ent-
Sprediend, zum Rechteck, so ergiebt sich ein Grundriss, in dem der breite Westbau
zu dem Rchmnien Ost teil in siemlicb demselben Verb<ois steht, wie bei der
Marienkirche zu Nürnberg,
IMese Ranmidee, die Centralisieroug des Schiffes, führt in der Kirdm des
Augustinentiftes Karishof in Prag (1351 g^pnindet, 1377 der Clior geweiht) daxu,
den Gesamtraum als Achteck unter einem riesigen Kuppelgewölbe, dem grössten.
') Lubke, Gesch. der ArcU. II. 4«,
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— i) —
das die Gotik hervorgebracht hat. zu vereinigen, t) Wenn wir diesen Itau mit Xea-
wirth u. a. dem Ituumeister Karls, dem grossen Peter Tarier zuschreiben, so ge-
langen wir auch 2U einer ^'erbiuduug der Nürnberger llauidee zniu ntiude&teu mit
der Idlnstlerisehen Bichtnng dieses ManneB, der in Isitraer Zdt der anerkannte
FQlmr der gesamten arehiteictoniBcheu Entwicklung seiner Zeit genannt werden
konnte. Dil" Verl»reitung, welche das in Nürnberg gegebene Schenin in (t-T Folge-
zeit in 8Ud(leul8chland fand (vergL die Marieuliirche zu llVir^bur«/, die Kirchen zu
KÜzingen, Aachaffenburg u. a.), eridSrt sich noch leichter, weuu ein berühmter Name,
wie zn jener Zeit der dee Flrager Meietera, ndt dem Urbild in Yertnndung gelnvelit
werden konnte. Dass Veter bei den grossen Kathednil- iiiiil Stndtkirchen auf das fran-
zösische Scheuui mit der reichen t'horgruppe znrflckirrifl. schliesst eine Verwendun.ii
des uuderu Motiv« für bescheidenere Zwecke und intimere ^ erhältuisse ja nicht au«.
In der Hitte des 14. Jahrlrnnderti also, wenig mehr als ein Jahrhundert nach
dem ersten Auftreten der Gotik in Deutschland, ist das System in zwei T)*'iikiiKi!ern
schon in einer Weise umgestaltet, dir mit den Stiliresef/en der .klassischen-
reriudo bricht oud demnach als der Hegiuu einer neuen i'ehude bezeichnet werden
kamit olnrohl die Fonnoispraclie noch dieselbe bleibt, ja in nuinehen Pimkten noch
weiter anagebildet wird.
\irht so entscheidend wie in SUddeutschland, aber doch deutlich fühlbar
zeigt sich auch im Norden die neue Auffassung des Stiliirinzips. In We.stfülen
treffen wir iu der Folge eine Reihe von Bauten, die eine ganz ähnliche Modihzierung
der atüistiaehen Orandnormen aufweisen, wie dann in Saddentscfaland. Die Bau-
thntigkeit. die am die Mitte des 14. Jahriianderts in Dortmund rege ist, fahrt tu
Produkten von zwar Tioeh niclit in allen Teilen ausgeglichener, aber in ihren mass-
gebenden Momenten klar ausgeprägter Eigenart. Die Petrikirche, 1319 — 1353 er-
baut, adgt fast geatm dieselbe Anlage, wie die Harienkirehe in KSrnberg, und in
der ebenfalla 1353 vollendeten Dominikanerkirehe ist der (irnndgedanke. «Ii« Gleich-
stelinn? de^ nndi einsdiiffiLren Chores mit dem Langhaus, schon ebenso dentUch
ausgesprochen, wie in der reiferen Kreuzkirche zu Gmünd.
Das gieidneitige Auftreten der gleichen künstlerischen Anschauungen in den
weit von «nander entfernten Geboten Uast zur Begrandni« dieser Thattache zwei
verschiedene Hypothesen zu. Entweder sind beide Erscheinungen auf ein dritte.s
Vorbild zurückzuführen, nnabh^ngi^' von einander: in diesem Fall kiinn als der Sitz
dieses Vorbildes nur Frankreich in Frage kommen. Diese \ ertiiutuiig, im \ origen
schon durch verschiedene Einzelheiten historisch glaubhaft gemalt, bedarf zur
wissenschaftlichen Sanktion noch weiterer liestittigung. Das Zweite ist: dass im
Einzelnen ebenfüll« nniildiiintrig und selb.ständig, im (irossen aber eiidieitliih an-
denselben Motiven heraus das System, wie es aus Frankreich ursprünglich ulier-
nommen und des weiteren in Deutschland ausgebildet war, sich als Ssthetiseh un*
hahbar und organisch unfruchtbar erwiesen hatte, dass eine Reform nötig war. die.
einfach den Gesetzen der natürlichen I'jinsicklung zuf<dge, an verschiedenen stellen
zum Dorcbbruch kam. Im Folgenden ist nachzuweisen, zu welchen Resultaten der
Anstoss, einmal gegeben, in den verschiedenen Gebieten führte.
') Neuwirtk, Gesch. d. bildenden Kunst in Böbmea. b. -iM—iäd; Kugler, Gesch. d.
Baukonst m, S. 31S.
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SUddeutschland
Bei einer Betrachtimg der tpItgotiaelwM jüreldtektiir piegt man gemeinhin
als ehips ihr rharnkteristisdiPii Merkmale dieser Periode mit aiiznfillircn. dass dor
Hanptscliaujilatz bauküiistlerischer Tliütigkeit in eben jener Zeit uiclit mehr in
Norddeutschlaud und den Klieiulauden, sondern in SUddeatscbland /.u .suchen sci.i)
IjiMen wir die AUgemeingOltigkeit dieser Bdumptnng einstwdlen dehingeiteDt, so
kann es doch als Thatsai lie gelten, dais die Architektur, nachdem der entscheidende
Schritt auf dem Gebiete neuer Kanmgestaltung gethan war. in der zweiten Hälfte des
14. und der ersten des 15. Jahrhunderts in ihrer Entwicklung gerade in Saddeutsch-
land ungemein flchnene Forteehritte gemacht hat Dm Weeentliehite fOr die architek-
tonische Tliütipkeit dieser Zeit hier ist wohl, dass sie auB eimr Entiricklun^' liervnr-
ifinjr. die seil drin i'rsfeii Auftreten der Gotik vorwilrfsiiesi liritten war und alle Teile
des grossen Gebietes iuenilich gleicbuiässig ttberspomieu hatte. Au der Spitze der ge-
samten Periode steht, tßat llberragend and dnrdi die iehnelle VoUendang des Tom-
bans von der gewaltigsten und volkstlUnlichsten Wiritnng, dM Freiborger MOoster. Die
Peter- und Paulskin lic /n Wimjifen im Thal, in den reinsten
Formen fran/i».sisiher Stiliiehaiidluiiß noch vor dem Kiide
des 13. Jahrhunderts errichtet, kuimte im Nordwesten un-
seres Gebietes vorbildlich wirken, and die Errichtung der
Lorenzkirche in NOrnber« wie die NeogrOndung des Kegens-
burper Domes im Jahre 127:i beweisen, «lass in Franken
und liayern der rechte liuden fiii' ein gesundes Wachstum
der neuen Raaweise voihanden war. Die ganze Eigenart
des Volkes kam dem entgegen. Lebhaft, heiter und liebens-
wilrdi«;. mit nffnem Sinn für alles Reiche. Zierliche und
Wirkungsvolle, dabei thatkräftig und sicher im Deukeu und
Handeln, mochte es in der neuen Kunst leicht eine innere
Verwandtschaft empfinden, die woU tön eifiriges Erfassen
und Verarbeiten des frischen Stoffes befrtlnstigen konnte.
Die Kunst der Hede und des Sanpes latr ihnen im Rlute und
fand uul diesem Boden N'ertreter, die das Höchste leisteten,
was in den Kriften der Zeit lag. So kam denn die Gotik
dem Streben nach plastischer Gestaltung wund> rlmi ent-
AM. 1. KrcaikiNb« iD OmAbS. gegen: erst eine i^ussere ErrungenschaO . wnrdf' sie bald
zmu iunereu Eigentum der Nation. Dass gerade der ortho-
doxe, wmn man so sagen darf, katholische Zng der Gotik, den sie in ihren er-
habensten SchApfungen in sich trAgt, hier auf verwandte Elemente stiess, mag hier
') z. B. vergl. Kugler, Geschichte der Baukunst, II. 308.
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— 11 —
nur erwähnt sein. Iiier
im Süden hatte die Macht
des ('lerus «lie ^rösste
AasbreitanK und nll-
seitigste Verehrung ge-
funden : Biiyem und
Schwaben sind die Ge-
biete, wo sich die Klöster
zur höchsten lilate em-
porhoben, wo die Bi-
schöfe neben der geist-
lichen auch auf dem
Gebiet der politischen
Herrschaft die grössten
Krfolge errangen. Als
die Städte innerhalb der
territorialen und geist-
lichen ^lachtsphSren zu
positiverer Stellung ge-
langten und immer mehr
die eigentlichen Central-
stellen der Kulturent-
wicklung wurden,
brauchten sie die Go-
tik als ein festes 13e-
sitzteil in dem Ka|)ital
geistiger Krrungcnschaf-
ten aus der früheren
Periode nur als Ganzes
in ihr Reich herUber-
zunehmen.
Die bürgerliche
Grösse fan<l ihren schön-
sten Ausdruck in den
neuen Kirchenbanten.
Die SteinnietzhUtten, aus denen diese Werke hervorgingen, entwickelten in ihrer
Vereinigung die sch()i)feri8chen Indivitinalitaten im Gegensatze zu den im Kleinen
arbeitenden, mehr reprotluzierenden Handwerkergruppen, deren Orgain'sation sich
an die der übrigen gewerblichen Zünfte anschluss.
Das« gerade die Individualität in dem Haumeister jetzt mehr beachtet wurde,
beweist die Reihe von Künstlernamen, die uns au» jener Zeit erhalten sind. Die
Persönlichkeiten der Kleister von (imUnd, der Ensinger, Höblinger und Roritzer
treten in festen Umrissen aus der Menge der Raunieister heraus, und sind zum
Teil in dem Verlauf ihres Schafifens schrittweise zu verfolgen. Fast möchte man
sagen: die individuelle Kraft der Itaukünstler jener Tage war stark genug, um nicht
nur einen Menschen, sondern eine ganze Generation mit schöpferischem Leben zu
Abb. Kreuzkircbe in (.imand. (Weatfaasad<>.>
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— 12 —
erfülli'ii. Diis sol! hf-is8eu: nicht die Kinzolpersünlidikeit. .soiuli-rn die Fainilie, fine
gauze Kette von tbätigen Männern vom Vater bis zum Enkel und Urenkel ver-
körperte am ktnflfiirisehei Prinzip, das natUrliek nxsprflnglich dem Qeivte ein«»
ESnnlneii, des StamoiTaterBf «ntepnnigeD wmr, aber dann mit fast onvermindwtor
Stftrke auf den Sohn üliei>'iii'/, vom Eiikf»! •vielleicht erweitert oder umgestaltet
wurde, und erst in der Tlaiid des Urenkels seine Lebenskraft \erlnr. In der Lehn*
des \ uter» uiuchte »ich der Soliu leicht die technischen Geheimnisse zu eigen, die
sich andre mflhMun in langjaliriger Arbeit erwerben musten; die Gewohnlieit der
freien künstlerischen Anschauung und die frühe Übung aller handwerklichen Er-
fordeniisse liesR ihn so nach hu\<\ zn einer ludiLren Auffassunp: der künstlerischen
Aufgaben durchdringen. Diese Architektenlamilien entsprachen gleichsam dem
arehit^toniseben Schaffen jener Zeit in seinem periodiseben Fortsebreltai, das
inumi- noch zur ^■olIendung eines Hanwerkes eines Zeitabschnittes bedurfte, der
die Lel)eii.sdauer eines einzelnen Mannes überstieg. Es war, als ob die Natur
sich bewusst sei, da^s die künstlerische liegabung Eines Mannes im Strome des
geistig-schaffenden Lebens nodi zu keiner dnrcbgndfendeu Wirkung kommen konnte;
sie verteflte die schOpferiBche Idee auf eine Generation, and verlieh ihr ^bunit die
Oewissheit lobendigen Erfolges.
Aus der £tro«sen Zahl von Baudenkinnlern. welche die genannte Periode in
Süddeutschland hervorbrachte, seien liier nur einige, für die Entwicklung der spe-
zifischen liOnstletiaehen Idee besonders charakteiistiBCbe herrorgehobeu.
An der Spitse steht, wie schon «rwlbnt, die XV-emriHirdltf von Gmünd in
Schteaben.i) Heinrich „parlerius de Colonia, magister de Gemunden in Sueria'^
leijto 1:^51 den Grundstein: er leitet-- d'-n Ünti bis zu seinem Tode 1377. aber 1410
erst erfolgte die Weibung der Kirche, ileinrich ist der Stammvater des berühmten
Gesdiledites der Hdater Yon Gmünd, seki grosser Sobi Peter Axlsr (Pailnr) wmrde
als der ßanmeister Karls IV. maasgebend filr die Entwieklmg der Gotik in Böhmen.
Heinrichs Lebenswerk, die Kreuzkirche in Gmünd, wurde vorbildlich für die Aus-
breituntr der llallenkirehe in Süddeutschland, und die Dnuhütte, die mit ihr ver-
bunden war, gewann als Schule der jüngeren Architekten in weitem Unilung die
grOsste Bedeutung. Der Raun, den er hi«r schafft, IrBgt das Gepitge der kon-
sequenten und sicheren Durchbfldong eines Prinzipes, mit möglichster Beschränkung
des t('k(onis( hen Apparates und der ornamentalen Zuthaten im Innern, während
das Äussere, dem jetzt die Xüi'me fehlen, eine Fülle zierlichen und phantastischen
Schmnckes in gediegener Pracht entfaltet Es ist ebe xiemlich belle nichtige
Hulle: die etwas kühle, feine graue FariM des natürliche» Stdne.s erhält durch den
Schein der roichen bunten Fenster hie und da einen wärmeren Ton. I»er Chor,
an I^'inge dem Schiff wenig nachstehend, an Höbe ihm noch Überlegen, zeigt einen
eigenartigen Äbscblass. Um das Mittelschiff, das breit md imponierend Ton drei
Seit»! des Achtecks abgeschlossMi wird, und zwar so, dass der PfeUerabstand des
Normaljocbes gewahrt bleibt, schliesst sich der Umgang der Seitenschiffe in sieben
Seiton des Zwölfecks zusammen. Es entsteht dsidnreh ein Gegensatz der Linien-
führung und eine perspektivische Wirkung, die (ien iieiz des ganzen Chorbildcs nur
') l'aulus, Atlas, 25, Lieferung (.Jagstkrcis^ Kcppler S. 12tl.
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Abb. 4. Kmiikirch« in OmUnd.
erhöht. Selten siml die beiden Momente, der ernste, heruhifirende Mittelraum und
der flicssende. heitre Umpantr in ihrer ilsthetischen Ersrheinung so strcnR Rcschieden
worden, selten nach ist die innere Einheit des numcii Raumes in seinem schwie-
rigsten Teil SU glücklich gewahrt geblieben. Um das Ganze schlingt sich ein Kranz
niedriger Kapellen, achtzehn an der Zahl: ein l'berrest französischer Reminiscenzen,
die Heinrich aus Köln mit herübergebracht hatte. Sie sind hier, im (ieiste der ganzen
— 16 —
Anlage, dem Hau]<tr.uun «leutlich untergpordnet. mit scblichteui, geradem Abschluss
und breitni. prc-li.stt^iliL't-u Fenstern, als sidierc üasis für das IcMiafte Aufstreben
der oberen TeUe und das verwirrend reiche, leichte NetJtgewölbe. Die festen Kond-
Iifeiler mit sdiinftleD LanbkapiteUeii, die den Baum gldehniftssig durchzieb«D, halten
gleteliMnii die innere Krmft der Mme znamnen, mä scimtieii vor aDiakOhiMBi
HinauKWiiclispii in die Höhe. Es ist der vollste Ociicnsatz zn dem gleich.'sain körpt.T-
losen Autstiflipu aller Teile in den Kir^ih it tler lüiitezfit, wn eine Qbermenschlicbe
Vorstellung tilles beherrschte, als ob Iliuiiuci uiul Krde sicli iiier die Hände reichten.
Hier giebt es keine geheimnisvollen XebenrSwne, keine beiebfttteten Ecken und
Winkel: alles ist licht, frei und offen, nicht zu mystischem Sichversenken oder
Ptarrem Weitorverfolgen riiier Vorschrift, sondern zn freier iiersötilicher Hethätignng
des Glaubens und ungehindertem Eingehen auf die ThaUuclieu der göttUcbeu Lehre.
Dem inneren Zusammenhange, die Fredigt im Langhaus (der Gemeinde) — die
Kanzel befindet sirli am :;. südlichen Pfeflor, von Westen aus gerechnet — mit dem
( hordienst im Altarhatis (der Geistlichkeit) verbindft. Kontito eine arrhitektnnisrhe
Komposition, die sich von der überlieferten liaumzusammcn fugung zu den Höben
der freien originalen Ranmschopfuug durchzuringen strebte, nicht schöner gerecht
«erden, als es hier geschehen.
Den deutlichsten Anschluss an den neuen I'lan, der in Gmund den Hallenbau
mit der reicheren Gcptalfnnir des <"hores zu vereiniucn wusste, zeigt die Michaels-
kirche in Schuäbisch-Hull. i) freilich nicht in einem Zuge wie diese, sondern in zwei
Abschnitten im Verianf fast eines Jahrhunderts errichtet, das Schiff U27 — 1492,
der Chor 1495 — 1525, also schon zu einer Zeit, w<i die italienische lienaissaooe
an die Pforten iHnlite. Die Höhe der drei Schiffe im Laiijihans int nicht genau
die gleiche, dafür « ntwickchi sie sich alle in gleicher Breite, und der Eindruck der
Halle Uelbt dennoch gwalurt. Auch hier schtaake, aber ausdruckslos« Ffefler als
TrägCT des NetcgewOlbes; im Chor ziehen sieb die Seitensduffe als Umgang bis
anf etwa ^-wei Drittel ihrer früheren Breite zusammen: die S'tri>brn sind nach innen
Gezogen, und <lic zwischen ihnen gelegenen niedrigen Kapellen ragen mit ihrer
fiachcu Aussenwand nicht Ober die des Hauptschiffes heraas. Nicht nur an Lange
und Hobe, sondeni besonders infolge der Erhöhung seiner Basis fibaragt der
Chor dag Langhaas bedeutend, die Selbständigkeit seiner Wirkung wird durch eine
Deklination seiner .Art nach Süden verstärkt. I'^lier den weit von einander ab-
stehenden Pfeilern des Schiffes, die als Kapitell nur einen Wulst tragen, erheben
sieh die Spitsbogen des Gewölbes noch ziemlich hoch, wie gestebt; die Pfeiler am
Choreingang haben rechteckigen Grundriss und tragen eine Art einfiehsn Triumph»
bogen, peiroi) den ilas Gewölbe des Mittelscliiffs, leicht ansteigend, unvermif ttdt an-
etosst. Die kleineu Fenster sitzen im Chor hoch über den Kapellen und bind bis
auf das eine fn der dsüichen Querwand farblos; der ganze Raum ist grau ge-
strichen, nur die Gewölbfelder sind gelblich getOat. Kurz vor dem Ende sdner
Laufbahn, in einer Zeit, deren ijeistiires Leben sich schon tief in refonnatfiriscben
Hahnen bewegte, bat hier das urgotisch-französistrbe Prinzip der Hervorkehrung
and künstlerischen lietouung des Chorteiles nocli euimal Leben bekommen. Oder
soll man sagen: die nivellierende, auf einheitliche Raumwirkung ansgdie&de Be-
') Kepplcr S. 143.
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— IJ» —
handlungsweise der Si)atgotik hat »ich in reifster Ausbildung erst des Chores be-
mächtigt, und bei dem Eifer, diesen Teil möglichst vollständig in ilen neuen Formen
zu gestillten, ist das (schon vorhandene) Lunghaus zu sekundärer Bedeutung herab-
gedrUckt worden? Die spätere Zeit ist (Iber das Werk der Vergangenheit stolz
hinweggeschritten, der Schwer|>unkt, das künstlerische wie <las mathematische Centnini,
verlegt sich in ihren Bau. Die traditionellen Grenzen zwischen Chor und Langhaus
scheinen verschoben, und
zwar so, dass der Hau
der späteren Zeit, seiner
Bestimmung nach nur
ein räumlich Untergeord-
netes . «loniiniert. Das
Grundlegende der spä-
teren Hauidee war wohl,
den alten Teil eben im
Sinne des sogenannten
Chorbaucs umzugestalten,
aber die Selbstilndigkeit
der Durchführung wuchs
über den leitenden Ge-
danken hinaus und das
Resultat konnte demnach
als etwas durchaus Eigen-
artiges und Schöpferisch-
Freies gelten.
Das Prinzip, den
Chor mit dem Langhaus
möglichst zu verschmelzen
und durch weite, klare
Verhältnisse die innere
Einheit aufrecht zu er-
halten, tritt an devGeonjs-
kirche in Nördlingen,H27
begonnen, wieder ganz be-
sonders hervor, i) Hier
hat seine Durchbildung ihre höchste Stufe erreicht, und damit ist die künstlerische
Wirkung vielleicht schon um einen Schritt zurückgeiiangen. Eine gewisse Leere, ein
unbefriedigendes, weil ülicrtriebenes Ausweiten des IJaunies, stellt sich ein: man
wird ernüchtert, nicht erhoben. Die I'feiler der zehn Joch langen Halle sind rund,
mit je zwei schlankeren, fast vollen Diensten, im Chor herrscht der reine Kund-
(tfeiler. Die ungleichniässig langen Fenster sind farblos, nur das breite, sechsteilige
Hauptfenster in der ös-tlichen (Querwand schliesst den etwas nüchtern, in grauen
und gelben Tönen gehaltenen Huum mit einem vollen Farbenetfekt ab. Die poly-
gonale Gestaltung des Ostteiles ist auf die einfachste Norm zurückgeführt: das
.M>li. o. (ii'urKal'ircb« in Nnriilingan.
«) Siphart II. S. 403.
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— 20 —
Mittelschiff ]»ehalt die perade Ostwand, nnr das letzte Joch der Seitenschiffe ist
durch eine Diaisronale abgeschrägt. Im Langhaus, mit gleich breiten Schiffen und
starker I^ngeuausdehuung, waltet ein sicherer, freier Geist-, und die ganze Kuum-
scMpfiing irftre in flirer Art gdongen, wenn nicbt der dtombsehliiM aUxoselir tiner
feineren Dnpfindong für den Wert der Dinu nslunen entbehrte. Der Kern des
Raugedankens sterkt in dein Genieiinlelunis,
der Chor ist als etwas Itlr die künstlerische
iu4 Meale Asfgiibe quasi Inrelevtntet be-
handelt.
I)er Meister, der an dieser .\nlage einen
wesentlichen Anteil hatte, zeigt sich uns in
seinem selbständigen Hauptwerk von einer
gans andern Seite. Nicolaaa Easler (Eseler
oder Elser) war als Steinmetz (seit 1 JiM»?)
in Xördlingen thütig: im .lahre 1 Ki t wurde
er als buumeister nach Dinkelsbühl berufen,
vn die 1444 begonnene Oeorgskirche nun
Abscblnss zu bringen, i) Dass er schon den
Gnimiri-szu diesen! I!au l'i-si ImtTen hat. i>-t
bei der weitverbreiteten Gewohnheit jener
Zeit, Bauleute zngleich in verschiedenen
StAdten an beschiftigen, wenigatena nicbt
unwahrscheinlich. Er würde nicht, in einer
Inschrift des 11 vollendeten Chore.-, allein
Gott seineu Dunk ausge.s|>rücheu haben, wenn
er nidit als der eigentlicbe SchOpfer des
Baues hätte auftreten »Ulrfen. Die Kirche
trägt vnllstrmilig den Charakter einer ein-
heitlich durchgeführten Anlage, da:»8 die Ur-
beberacbaft eines Hannes aoaser Zweifel
steht, und Nieolaas Esalera Käme ist seit
alter Zeit mit ihr verknftiift. Ks ist eine
Hallenkirche von zehn .lochen, das .Mittel-
Schiff von drei Seiten des Sechsecks, der
Umgang von sechs Seiten des ZwOlfedts
begrenzt, mit auffälliger Vsii^jnng ^am
l'feilers in die Mittelaxe, genau so wie es
der ( hör de;« Freiborger Münsters zeigt.
Ein gleiches Spielen mit dem malerischen Effekt, der wirkungsvolle, durch die Be-
leucbtung gesteiLierte (Jegensatz von rfeilermasse und Wandöffnung, ist ein Charakter^
istisches Mrrkiiial in dem architektonischen Schatfeii iIcs lierdlimten Präger Meisters
Peter von Gmünd. Hier ist en-eicht, was in Nürdlingen vergeblich angestrebt wird:
der Punkt, anf den das Ange des Eintretenden anorst fUlt, die Stelle, auf die der
ganie Zug der herrschenden Dimension hinfobrt, ist kitnatlerisch wardig behsndelt,
Abb. 7. GMigakiieh« in DiakaltMUiI.
(Hack OL Tb. reUl»)
') Sigbart S. 471.
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Abb. 8. G«org«kircbp in DiDkrUbOhl.
ohne aus <ler Kinlieitlii-hkeit des Ganzen herau->/utreten, aber auch oliiie sich dein
herrschenden Willen sklavisch unterzuordnen, t'ber den ganzen Kaum spannt »ich
in flachem Bogen ein leichtes, mit Strahlenmii>teni und ikonischen Schlusssteinen
reich ausgestattetes Netzgewidbe, das uhne Kaiiitelle aus den schlanken l'feilern
herauswachst. Die Hi]i|)cn sind dunkler als die nuittgrauen, steinfarbenen Wände
und Trüger, das (lewolbe ist weiss. Die Trepponanlage an der Südseite, mit den
Fensterchen und der zierlichen Balustrade oben, bringt einen heitern, fast profan
anmutenden Ktfekt in den Ernst des riesigen Baumes. Die grossen, farblosen
Fenster reichen tief herab; ihr Licht liisst jede Einzelheit in der Gliederung klar
hervortreten.
— 22 —
Dies etwa das letzte Auskliugen des in Gmilnd angeschlagenen Gnindtones.
Von ganz andern Instmnienten vorgetragen, aber in verwandter Harmonie wird er
vernehmlich auch in dem Hau, der die arcliitektonische Thiltigkeit des ganzen 15.
Jahrhunderts in Schwaben beherrscht: dem Ulmer Münster^)
Die Grtindung füllt in das .lahr 1377, der Chor wurde 1449, das Mittelschiff
1471 eingeweiht; die Seitenschiffe, 1478 vollendet, erhielten durch einen Umbau in
den Jahren 1502 — ITiO" ihre jetzige Gestalt.
Der Grundriss ist im wesentlichen das
Werk eines Mannes, und trotz des langen
Baubetriebes und der verschiedenen Meister,
in deren IlUntleit die Oberleitung nach ein-
ander ruhte, geschah die Durchführung des
Ganzen hauptsächlich nach diesem einen
T*lan. Ulrich von Ensingen stand dem Hau
von 1H92 bis 14H> vor: an den Chor, mit
dem, wie nblich, der Hau begonnen und der
von seinen Vorgilngern in der Gestalt einer
einschiffigen, vier Schmaljoche enthaltenden,
in fflnf Seiten des Zehnecks ge^icblosseneu
Halle vollendet worden war. fügte er sein
Langhaus an. Die Kreite des Chores nahm
er als Nomialmass auf, führte aber nicht
nur das Mittelschiff in ihr fort, mit beträcht-
lich gesteigerter Höhe, sondern wandte sie
auch auf die Seitenschiffe an, so dass ein
Haum entstand, dessen Totalbreite alles
bisher Dagewesene übertraf. Eine derartige
Breitenausdehnung bedurfte, mn nicht zu
gedrungen, zu schwerfällig zu wirken, einer
entsprechenden ausserordentlichen Steige-
nmg nach der Tiefe zu: zehn Joche, nicht
viel länger als die Joche des (.'hore.s. wurden
errichtet, und den Abschluss erhielt das
(lanze durch die Tunnvorhalle, die aber
schon ein eigenes Raumgebilde darstellt.
Dies scheint mir sozusagen die General-
idee des Baues gewesen zu sein: im Ge-
gensatz zu dem schlanken Chor ein weiter,
einheitlicher Kaum, unverkennbar aus drei gleichwertigen Hallen bestehend, ohne
aaffillliges Betonen der I^ngsaxe. Die Notwendigkeit, diesen I'lan konstruktiv zq
verwirklichen, legte freilich der Durchführung Beschräknkungen auf, die das Bild
des Ganzen wesentlich veränderten. Zuerst konnten die Seitenschiffe wegen des
Druckes des Mittelgewölbes nicht in der gleichen Höhe wie das Mittelschiff auf-
geführt werden. Einmal dazu genötigt, wühlte der Meister auch den künstlerisch
Abb. V. XniiXrr tu Ulm.
>) Paulus, Atlas, Lieferung 30. Keppler S. 353 ff. Carstanjen S. 16 ff, 31 ff; 81 ff.
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— 23 —
vornehmsten und folgerichtigsten Ausweg: er gab ihnen die halbe Höhe, ordnete sie
also hierin fühlbar dem Mittelbau unter, ohne freilich die nun entstandenen ge-
waltigen Obemiauem des Mittelschiffs organisch zu verwerten. Das Zweite ist, dass.
gleichfalls aus technischen Gründen, die Ffeilerabstände möglichst eingeschränkt
werden niussten, um die Last des Seitenschubs der Gewölbe auf möglichst viele
Träger zu verteilen. Auch hierbei bewilhrte der Meister seinen Blick für die Har-
nionie der Verhaltnisse, indem er sein Grundmass einfach halbierte und damit Ge-
wölbfelder schuf, die gerade noch einmal so lang wie breit waren. Es ist gleichsam
Abb. 10. Munster za Um. UUck au( dem Cbor.
im gotischen Geiste eine llackkehr zu dem alten gebundenen System: die Kom-
position des Raumes ist durchaus mit dem Verhältnis 1 : 2 bestritten. Aber noch
beherrschte man die Materie nicht so weit, um einer so grossartig durchdachten
Haunivorstellung auf die Dauer köri)erliche8 Leber zu gewähren: schon wenige
Dezennien nach der Vollendung tler Seitenschiffe sah man sich genötigt, die Ge-
wölbe durch Vennehrung der Stützen vor dem Einsturz zu sichern. Burckbard
Engelsberger, der schon einmal, am Westturra, seine technische Fertigkeit bewährt
hatte, löste die Aufgabe auf die einfachste Weise, indem er in der Mitte der Seiten-
schiffe je eine neue Reihe Stützen einzog, schlichte Rundpfeiler mit polygonaler Basis
untl Laubkapitell. An Stelle des spitzbogigen Tonnengewölbes mit einschneidenden,
den Mittelgrat nicht erreichenden Stichkappen, wie es analog dem Mittelschiff hier
bestanden haben wird, trat in den nun quadratischen Jochen ein Netzgewölbe. So
entstanden die fünf Schiffe, noch immer von gewaltiger Wirkunn und ftlhlbarem
harmonischem Zusammenhang, aber beklagenswert als .Vnderuug der grossartigsien
Raumkomposition, die das Idealschema der Gotik auf süddeutschem Boden hervor-
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— 24 —
gebracht hat. Hei fast völligem Verzicht auf ornamentale Ausstattung sollte hier,
allein durch die Heherrschung der Masse und die konsequente Durchbildung einer
Kaumeinheit — deim auch in der Hohe htllt sich der Meister an ein selbstgeschaffeues
Nornialmass — ein architektonisches (ianze erzeugt werden. Die wuchtigen, ein-
fach gegliederten Pfeiler, das wenig hoch ansteigende Gewölbe mit den schweren
Rippen, die Protilierung der Scheidbrtgen und das starre Aufsteigen der Dienste
an der kahlen Oherwand:
alles veiTüt ein Ringen
mit dem Stoff, einen her-
ben, nicht nüchternen,
aber strengen Zug. Von
der leichten, schwung-
vollen Rehnndlung , wie
sie die (iotik <ler Blüte-
zeit bei den kolossal.sten
Massen innezuhalten ver-
mochte , ist hier nicht.«*
mehr zu spüren. Der Ver-
tikalismus ist noch vt)r-
handen. aber die ganze
Last einer nach fest he-
stinunten Zielen streben-
den, konseipieiit schaffen-
den künstlerischen Kraft
lehnt sich gleichsam auf
ilin. und die ruhige Re-
daclitsamkeit eines gleich-
iiiässigen bürgerlichen Em-
pfindens weitet ihn aus.
Kines aber dringt durch
alles liindunh. was die
Schatfensbedingungen und
ilie Stürme der Zeit ent-
Abi». 11. Mimitvr cu Ulm. BUck nach d«in Chor. stellend gewirkt haben:
das HewuBstseiii einer von
einem (irundniass nach allen drei Dimensionen hin gleiclimiissig beheiTSchtcn
Raumgestaltung.
Am Ulnier Münster steht der Chor selbständig dem Langhaus gegenüber, ob-
wohl die Kirche ja keine Kathedralkircho war. Aber er tritt vollständig hinter dein
Schiffljau zurück und wirkt nur als eine Verlilngerung des Mittelschiffes, und seine
Formen sind ebenso schlicht wie die des Hauptraunies. Die gleiche Anlage findet
sich an der Fraueukirclie tu EssUtujen, dem zweiten Hauptwerk Ulrichs von
Ensingen, i) Die Haugeschichte, soweit sie hier in Iletracht kommt, zeigt .\hnlichkeit
mit der des Ulmer Münsters: nur war der Hau, als ihn Ulrich im Jahre 14(M» über-
') Paulus, Neckarkreis (Text) S. 182 ff. Keppler ü. Üi>. Carstanjen 71.
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— 27 —
nahm — der Chor war 1324—1332 erriditet worden — schon bis zmn drittmi 08t>
joch gediehen, und ihm blieb nur noch die Aufgabe, das Schiff weiterzuführen and
dem Ganzen durch einen Turm den würdigen Abschluss zu prcbcn. Wie in Ilm.
nahm er den Unterbau des Tuimes iu dm .Mittelschiff hinein, und /war hier nicht
als t&am qoadzmtiseha Bann, son-
dem analog tei flbif Jfitte^ehen als
eine rerhteckipe TTalle. die auf reicli-
gegliederten, wuchtigen rfcilem ruht.
Auf ihr erhebt sich der berflluute
Tonn mit dem dnrehbroehenen Helm,
das markanteste lieispiel für ririohs
Virtuosität in der lii-horrsclninsr dt-r
Verh<nisse. Das Innere der Kirche,
deren Plan also noch in der zweiten
Hlilfte de» I I. Jahrhunderts entworfen
Wirde, ist i'iiH' ilreiscliiffiu''' <lie
Seitenschiffe von etwa zwei Drittel
der Breite des Mittelschiffs, so dass
hier der Pfeüerabstaad die Breite
übertrifi't. Kin zartfxerjlieilerter, schlan-
ker Kaum, der s<'iiir iSestiininut]'.: als
l'redigtkirche deutlich zur.Schau tragt:
schlanke Pfeiler, brdte Fenster nnd
die Kanzel am mittelsten nönllichen
Pfeiler. 1) Die breitiMi Kipiien schies-
sen ohne Kapitell direkt un die l'feiler
an; die Decke, im normalen Spitz-
bogen gewOlbt, ist blan, die Rippen
sind braun, wflhrcnd sonst die aatOr-
licbe lichte Steinfarbe erhalten ist
Die zieiliche Freiheit, die so wunder-
bar in den verhiltnismftssig kleinen
Dimensionen waltet, herrscht anch in
dem reich, al)er in fein.-sinnijysfer .\us-
wahl verteilten uniamentuieu Beiwerk.
Die Baaherrin, eine nicht gerade nm-
fangreiche, aber wohlhabende Stadt,
verzichtelo wohl gern auf ilen Auf-
wand gewaltiger Massen, da ihr das,
was sie sich wOnschte, in so Hebens-
wOrdiger Form geboten wurde. 3(Bt dtae Toiendong des Banes, vor allem des
Turmes, ist der Name einer Künstlerfamilie, der Bölilinvrer. eng verbunden: die
reifste Bliite gotischer Detailkonst, frei von jeder Übertreibung, wird von ihnen
vertreten.
Abb. IS. FnB«iklf«b« in BwUi^ni.
0 Neoerdings ist die Kanxel an den Pfeiler redits am Eingang mm Chor angebracht.
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— 2d —
Als basilikale Anlage, freilicii, wie wir gesehen haben, mehr der Ihirchfilhnng
als der scliopferisrhen Intention nach, stellt 'his riiticr MrniHt<T in (li'>Rpii rTCirPiulen
fast einzig io seiner Art da. Das Münster eu l'berlmjen zeigt eine ganz cigeu-
oitige Form des' dort verwandten Prinzips. i) Das basUiliale Schema, die Verklöne-
Mk. 14. lUm»m m U«VtrilBC«i am 8m. (Kuh Ktbml)
ximg dei Raumea nach Höhe und Breite in den Seitenschiffen, iat hier konsequent
nuf einen fünfschiffigen Grondriss angewandt, indem hier die äussen n Schiffe iiiclit
nur un Höhe, sondern auch an Breite bedeutend hinter den inneren Schiffen
zurückstehen, die wieder in beiden Beziehungen von dem Mittelschiff übertroffen
werden. Dan der Banmeister sieh dieses Terhlltnis voOstlndig bewasst konstraiert
hat, beweisen die Masse: nimmt man nänüich die Breite des äusseren Seitenschiffe»
als Grundzahl , so ist diese in der Breite des inneren Seitenschiffs ungefähr zwei-
>) Knas L & smfll
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— •_>!) —
Abb. Ii. Kranriikirchr in N'UrnWrK.
mal, in der des MittelsrIiiiTs ebonso aiiniiheriid «Ireiiiial enthalten, während der
rfeilerabstand wieder das Doppelte von ihr betraft. Nicht zufrieden mit dieser
Breitcnentfaltunfi hat man zwischen den einbezogenen Strebepfeileni auch noch Kapellen
angeordnet, ziendich in der Itreite und Höhe der äusse ren Seitenschiffe. Das (iaiize
-Stellt sich so dar als ein pyramidaler .\urbau, äusserlich dreiteilig, rein im (ie-
wande eines Hasilikalbaus, da die beitlen Seitenschiff paare von je einem Dach be-
ileckt sind, rroilich ist es mehr das Krzeugnis einer theoretisierenden, nüchternen
Konstruktionskunst als inipuLsiv lebendigen Schaffens, interessant aber als Aus-
wuchs der ver8tandesinii.sHi<ren Krweiterung eines Schemas, an die man bis dahin
kaum geilacht hatte und deren Grenzen in dieser W'ei.se kaum abzusehen waren.
Es ist jedenfalls charakteristisch für die Stellung, die man im Anfang des ir>. .lahr-
hunderts der (iotik gegenftber einTialim. dass iler ältere Hau nicht nur in der
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— ao —
LftngenauHdi'hnuug, sondorii auch in der Breite erweitert wurde. Die Wirkung war
freilidi mehr noch ein Hervortreten des Mittelschiffes, also eine lictouuug der
laiigüuxe, und You einem einheitlichen Kaumgehilde kunute um so weniger mehr
die Rede «ein, als die SeitenkapeUen
nodi aUs selhstiindiue Trabanten des be-
herrsclicmicn Mittelteiles liinzu kamen.
Als Beis|)iel einer gruppierenden
Raumkoaipoiitioik nimmt das MOoster
ron ÜberliDgen in der Gescbiclite der
Gotik jedMlKDs eine besondere Siel*
lung ein.
Die GeburtseUtte des andern Typus
einer Raomkomposition, vdche dielathe-
tische Wirlcnng des malerischen Oe-
ge ii .s a t z e s für ihro Zwecke verwendet .
ist 2iürnbery. An der Marienkirche am
Harirt (135:^-61 von Karl lY. erbaut),
besteht der quadratische Haui)tbau au.s
neun fa.st quadratischen Gewöllijocheii.
der drei Joche zählende Chor ist in drei
Seiten des Achteclcs geacMossen. Die
Wiederlcebr der Grundzahl drei giebt
selimi rein iiiiitheiiiatisch einen Begriff
von lier Harmonie der VerhältnisKc. die
den in den Dimensionen besclieidenen
Bau beherrscht, und den schmalen Chor-
raiini al.s künstlerisch notwendigen Aus-
klang des TIan|)traume8 erscheinen liissr. Kintixiie Kreuziicwnilie. von schlanken
Ilundpfeileru getragen, lassen die quadratisclie 1^ lacheneiuheit auch in der Deckung
deutfich neunmal wiederkehren. Auf die Ausschmflckung des Äusseren, der Fronten
ist besonderer Wert gelegt: das Innere wirkt allein als Hnum durch die schOne
Gegensiltzlichkeit zwi.srhen ilem weiten West- und dem sdnmilen Ostteil. .. Tiiserer
liehen Frauen Saal'' nannten die NOrnberger ihr neues Gottesbaus, und charak-
terisierten mit diesem Aosdndc tnuderhobsch die mriefociie Bedenln^ der Kirdm:
der Raam gehört nicht nur der Mutter Gottes zu eigen, sondern er ist zugleich
der Saal, also der Versanimlungs- oder Festrauin, wo sich alle, die ihr TerehmngS*
voll und hilfeflehend nahen, zur Andacht vereinigen k«)unen.
Anm. Auf Seite 87 wurde an die Marienkapellen an den fransfisiiehen EathedraU
Idrchen der früheren Periode erinnert. Beispiele dieser Art finden sich in Frankreich an
St. Römy in Rheims (1164 — f<l), den Kathedralen von Aniicns il22')— 8H\ Le Mans (Chor
seit 1217) und bt. Ouen zu Reuen (131ti). ^'och deuthcher wurde der Gegensatz der
seUaakeren Ifartenkapelle so dem breiteren Chor fai England ausgebildet: die La^-Chapel
erhielt hier dann auch, ebenso wie der dior, inri>t einen rechtwinkligen Abschluss: so in
balesbui; (12S0— Ö8), £ly imd—m); in Wells und Lichfield (beide im 14. Jahrhundert;
siegte die fransOsisdie Form der Polygonaalage. Der .deeoiatife style* beulebtigte sieh
ihrer besonders und feierte sebiea höchsten Triumph in der Kqidle Heinrichs TII. sa
Westmiaster.
Abb. iti. FraoanUrcbe in Mmtarg-
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Abb. IT. Chor von ii. Lnrcni in NUrnbirrg. ( Baldinger.)
I.enien wir hier zum ersteninal jene churuktei-iBtiscIic Art der Raumontfaltuni;
kennen, die weiterhin in ganz Suddeutsi-hland Verbreitung fand, so tritt uns in dem
14;{y — 77 narh den l'länen Conrad Koritzers erbauten Chor der Lorenzkirche^)
das erste licispiel einer organisch durchgeführten Knipoi-enanlage auf süddeutschem
*) Sighart II. S. 4<*7.
Abb. 18. St. Lorenz in NurnbiTtf.
Iloilon entiioRoii. Das im Anfang des 14. Jahrhunderts fast iKK-h in frOhgotischen
Können entstandene Langhaus hatte noch liasilikaforiu: der neue Chor idmmt die
FJreite des Mittelschiffs auf, erweitert die der Seitenschiffe und führt alle drei zu
gleicher stolzer IlOhe empor. Drei Seiten bihlen <len Schiuss «les Mittelschiffes; der
rniiranR der Seitenschiffe weist, in kon8e«|uenter Weiterbilduns. sieben Seiten de.s
Zwrdfccks auf. Die Strebe]»feiler sind vollstündiff ins Innere gezogen, und in halber
Höhe legt sich eine Galerie zwischen ihnen an die Wand, die sich um die vor-
tretenden I'feiler stets zierlich in einem polygonalen lialknn herumwindet. So ent-
stehen unter der Empore schmale, rechteckige Kapellen: im nördlichen Seitenschiff
verbindet eine freie, achteckige W'endeltrepiie die untere Halle mit der Oalerie.
Eine zierliche Masswerkbrüstung hebt den Eindruck des Lastenden in iler ?]mpore
auf, und vermittelt den hier notwendigen horizontalen Abschluss mit dem vertikalen
Zug der überschneidenden Pfeiler. .\u8 ihnen, die unregelmässig sechs- und sieben-
eckig gebildet sind, entwickeln sich frei die Iteihungen des üi>|»igen Xetzgewölbes.
So ist der Kaum durch die Stellung der Pfeiler klar gegliedert, und wieder eng in
Eins geschlossen durch das leichte Hand, das seine Wiintle umzieht: die HrUstung
der Empore, die zwischen Höhe und Tiefe hinschwebt und so zierlich alle störenden
(Jegensiitze zu überwinden weiss. Die Kai)ellen, die man in jener Zeit noch schwer
ganz entbehren mochte, sind hier in glücklichsten Einklang gebracht mit der freien
liaumentfaltung, die uiit grossen Massen und einfachen Flüchen operiert. Sic bilden
— 33 —
die Dasis für das Aufstreben nach oben, und das tritt deutlich zu Tage durch
die VerweiidunR, die ihr oberer Abechluss erfährt. Deun man emiifindet sie
köri>erlich als liasis, indem man seinen Fuss auf iliren RQcken 8et2t, und sie eo
im Vonvürtssclireiten zum Äquivalent des Erdbodens macht. Welch eine Ent-
wicklung bat die Kom))08ition des Chorabscblusses durchlaufen mQsscn, ehe
aus demKapcIlenkranz
französischer Erfind-
ung, wie ihn z. B. die
Kathedrale vou Le
Mans aufweist, diese
ruhige schlanke Keihe
wurde, <lie nach aussen
Uberhau]>t uicht sicht-
bar ist und sich im
Innern so streng dem
Gang der Wände an-
schliesst. Denn das
Äussere des l.orenz-
chores steht vollstän-
dig schmucklos da, der
ganze tektunische A))-
parat, soweit er über-
haupt bei dieserSchöpf-
ung noch eine Rolle
spielt, ist im Innern
ästhetisch und prak-
tisch mit den raum-
gestaltenden Teilen
verschmolzen.
Die liauthatigkeit
in Ntlmberg bewegt
sich in selbstündigon
Kalmen: sie wird in
mehr als einer Hin-
sicht vorbildlich für
das übrige Franken
und über die (Jn-nzen
dieser ihrer engeren Ai.b. in. lUrtinnkirth« in i.aii.i-.hui.
Heimat hinaus. Fm so
eigentümlicher ist es. dass die Itauknnst im eigentlichen Bayern von den hier
gegebenen Anregungen fast unberührt blieb.
Die Hauptperiode der (lotik setzt in Rayem auffallend spät ein; erst im
15. Jahrhundert bat sich der Stil, den man damals schon all;;emein als den deutschen
bezeichnen konnte, auch in diesem echtdeutschen Lande alle künstlerische Thätig-
keit unterworfen. Er stiess hier auf ein Problem, das in den nördlichen (iegenden
zum Teil schon eine befriedigende Lösung gefunden hatte: den Mangel eines natür-
Hi>«n«l, Spillgotik. 3
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— 34 —
liehen Bausteines, iiinl die daraus sich ergebeixle Notwemiiirkeit des Backsteinbaus.
Die Wirkiins tlieser Ihatsaclie konnte eine doppelte sein: das Auftürmen ge-
»chlussener, ungegliederter Massen bei Verzicht auf ornamentale Aufigeslaltuug,
od«r die höchste teehnisdie VoUendang im Dienste enfbUender WOlbwigs- und
Stutzungsprobleme, und Ausbildung einer schematischen, mit notwendiger Einseitig-
keit des Motivs verbundenen Dekorationsweise. Mochte nun die individuelle Anlage
der Meister sich mehr der einen oder der anderen Bebandlungsform zuwenden, fttr
beide masste die Hallenkirche der gOnstlgste Boden aller «ettaran BestrehwigeD
werden. Der Wunsch aadi Uassenwirkangen ging aber gldcherwelse trie die
büchsfe konstruktive T.eistunir von c\ucr liestininiten IvaumvorsfelluiiL' ans, liit»
wieder ebenso durch die praktischen liedürluisso wie durch die künstlerische In-
dividualität modifiziert wurde.
An der Spitze dieser Feifode steht die MartkuJbinhe m LmtdOM;!) sie
kann als das vollendetste Beispiel Jener dnen Baoart gelten, bd der die Tlöhe der
Technik das treibende Moment de«
Entwicklungsprozesses war. Der
Baubeginn am Chor reicht wahr»
Bcheinlich bis ins 14. Jahrhundert
zurfick (eine lascJirift am Chor
giebt die Jahreszahl 1392); durch
das gaase 15. Jahriiondert sieht
sich der Weiterbau liin, denn erst
1477 und 1478 hören wir von der
Einwölbung des Schififes, und der
Turm ist sogar 1495 noch nicht
tßm fertiggestellt Der Plan ist
das Werk eines Mannes: des be-
rühmten ITansSteinnietz von Lands-
hut (eigentlich Stettenheimer aus
Borghaasen); ihm folgte nach
Aki».m. KHtiHkindw Im iiHiUmt. Seinem Tode 1432 sein gleich-
namiger Sohn. Kr ist <las Haupt
der Landshuter Schule, die zu ihrer Zeit io Bayern einen ähnlichen Ituf genoss wie
die Ton Omttnd hi Sehwahai, mid ans der uns eine Menge Meister^ mA StefamMtsnamen
erhalten sind. In dem Namen ihrer Gründer ist der Ursprung der architektonischen
Th&tigkeit, wie sie sich damals noeb allueniein entwickelte, deutlich mit enthalten.
Der Gruudriss der Landshuter Kirche lehnt sich an das uuterfrfinkische
Schema an: dne dreiacUffige Halle. OstUdi dorch einen einschiffigen in drei Seiten
des Achtecks geschlossenen Chor, westlich dnrch eine Toihalle enraitmrt, Ober der
sich der Tnrni emporhebt. Die Seitenschiffe sind ball» so breit wie das Mittelschiff
und jedes ihrer Gewölbjoche ist quadratiscb: im Lran/en zahlt <las Schiff neun, der
Chor vier Joche: eine ausserordentlich langgestreckte l lachc, mit der Turmvorballe
nngefhhr 100 m, der trotzdem noch eine Breite von etwa 33 m gegenftberstehL
Zwischen die gewaltig ansladenden Strebepfeiler sind niedrige Kapellen gebaut,
*) äighart II. b. 432.
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*
— 3Ö —
gefiHir halb so breit wie die Seitenschiffe: es entsteht also zwischen den drei Längs-
teilen des Raumes das Ureitenverhältnis 2:1: Vs- I^'e farblosen Fenster sitzen
hoch Uber den Kapellt'n, wahrend sie im Chor bunt sind und tief herabreicben. Das
siebente Joch (von \N'. aus gerechnet), hat keine Seitenkai)ellen, und wirkt gleichsam
als Querschiff infolge der einheitlichen Raumerscheinung, die an eine Enveiteruiig
nach den Seiten zu denken lässt. Das rechte
Seitenschiff schliesst nach dem neunten Joche
gerade ab, das linke zeigt an derselben Stelle noch
eine Kapelle, die aus zwei Schmaljoeben und einem
in drei Seiten des Achtecks geschlossenen Polygon
gebildet wird. Massgebend für ilie rilumliche
Wirkung des Inneren ist die Höhe, zu der sich
der Raum erhebt: sie ist genau so gross wie die
Breite, and wäre schon eindrucksvoll genug, wenn
wir dies Verhilltnis ungehindert vor Augen haben
könnten. In den schmalen Seitenschiffen aber
besonders ist die Höhe geradezu schwindelerregend,
und wird noch gesteigert durch die Schlankheit
der Pfeiler, die auf einen Durchmesser von 1 m
eine IKihe von über HO m aufweisen. In ununter-
brochenem Zuge, von keiner reicheren Einzelheit
abgelenkt, gleitet der Rlick an ihren gerailen
Flilchen empor, und erst dicht unterm Gewölbe
bildet ein niedriges Kapitell den Abschluss. aus
dem das einfache Rippennetz herauswiichst. Die
schmalen Wandttilchen, die langgestreckten P'en-
ster, alles zieht nach oben; und wie die Stengel
der Hlumen oder Halme im Feld, die ihre eigne
Last nicht mehr aufrecht erhalten können, und
sich in ihrer höchsten Spitze wieder der Knie
zuneigen, so biegen sich all die schlanken Glieder,
die so kühn den Erdboden verliessen un<l in die
Lüfte hinansstrebten, endlich doch abwiirts. und
finden erst im Zusammenscbluss wieder Festigkeit
und Ruhe. Die innere Hewegung, die all die.se
Massen durchzittert, gleicht sich schliessUch in
sich selbst aus, die Reharrung macht ihr Recht Abb. 21. Martiuikirch« in Landiimi.
geltend und die innere Kiidieit stellt sich von
selbst wieder ein. Aber doch bleibt noch ein Rest «les Unbefriedigtseius:
die letzte zarte Reseelung der Massen, die in einer leisen Schwellung, einem
Einziehen des Profils hier und da. in einer Retunung der gegensiltzlichen
Horizontalen vielleicht ihren .\usdrurk findet, hat un> der Meister nicht geben
kömien. Der Raum wirkt übenviiltigend , aber mehr für die Reflexion aN für
die Intuition, nicht weil unser körperliches Leben in der starken Reseelung
der unorganischen Materie eine unmittelbare Ergänzung erführt, simtlern weil
sich uns die Macht des Menschen Uber die tote Masse in so wunderbaren Ge-
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— 36 ~
baden darstellt. Nicht die höchste KwMt, Bondern die hOdiste Kmutfertigkdt
het sich verkörpert.
Mehr auf schwäbische EiudUsse weist die Liebfrauenkirche in Ingolstadt
Un, 1425 gegrflndet, 1439 in Chor, eher ent 1625 voDetlndig beendet i) Die
SeiteDSdiife sfaid wieder mtgeSXhf halb w» breit wie das MittelachifF; debei heb
sclbstaiKÜKer Chor, sondern nur das
Mittelschiff anregelmässig dreiseitig
gegehloBsen (die mittlere Seite die
grtSMve), die Seitenschiffe als Um-
gang ausgebildet, der von fünf Seiten
des Zehnecks geschlossen wird. Im
Westen sind iwei TOrme über Eck
Angeordnet, so, daee von den letiten
Seitenjochen in der Diagonale die
Htilfte abgeschnitten wird. Dieser
Abschluss ist derselbe, wie iin Chur
TOD St. Georg in NOrdlingen; der
Raum erhalt dadurch gcwisserma.sseu
zwei Chöre, von detieii der östliche
dui'ch die reichere Gliederung und die
inteniive Belenditnng den Yomng
behalt. In dem Abaehloii dei Banmee
nach (ibeu zeigt sich eine Komproniiss-
anlage. Das Mittelschiff steigt nicht
unbeträchtlich Uber die Seitenschiffe
empor, die Oberwftnde haben aber der
gemeinsamen Bedachung w< ;i. keine
eignen Fenster, so dass das Dunkel
unter dem Gewölbe wie eine Last auf
den hellen nnteren Fartieen ruht. Die
Seitenschiffmanem sind wie in Lands-
hut in ilirer unteren Ilillfte ihireh-
brochcn und mit Kapellen ausgestattet,
die sich zwischen die äasseren Strebe-
pfeiler dnfogm (rie sind zum Tea
apAter eingebaut). Die HaUe zählt acht
vollständige .loche, die ganze Lange
beträgt last genau das Dreifache der Höbe, die wieder nur wenig hinter der
Breite anrOckbleibt Der straffe, wenn auch etwas harte Zng, der die Kirche
von Landshnt anszeiclinet , ist hier einer weicheren, mehr ins Breite gehenden,
fast unsicheren I5ehaiidhinir gewichen. IHe trlatten lüunlpfeiler mit den unver-
mittelt vorgelegten beiden runden Diensten haben keine, die Dienste selbst nur
ganz Ueine Kapitelle, die Schddbögmi sind breit und eno-gielos profiliert, nnd
die Winde steigen wdss nnd ^t in die Höhe. In dem NetsgewOlbe ist die
>) T. Bezold und Riehl I. S. 24. Sigbart II. S. 419.
Abb. It. FiUMiUMba im lagvlitait.
(Hack T. BwoM aad niahl)
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Abb. iS. Frauenkircli« iu logoUtadt. (Kach t. Bezold und iiioblj
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— m —
Längsrichtung durch eine Art Rhombenmuster betont; die Wölbung des Mittelschiffs
nähert Hieb schon stark dem Tonnengewölbe. Der zwiefache polygonale Abschluss
bat schon etwas Freies, modern Anmutendes in sich, und giebt dem Innern fast
den Charakter eines elliptischen Saales. Wer vom Altar seine Schritte wieder der
HauptthUr zuwendet, sieht sich vor einer Komposition, die ihn cinigermassen an die
Partie erinnern muss, die er eben verlassen hat; denn das auffallend kleine Portal
nmsste unter dem breiten Fenster gänzlich verschwinden (jetzt ist das ganze west-
liche Joch von einer barocken Orgelempore eingenommen, über der nur noch ein
Abb. 34. KrjkUi'nkirche in Ingolitadt: Quertchuitt. (Nach r. Tfgzold und Riehl.)
kleines buntes Fenster sichtbar wird). Man empfindet wohl, was der Schöpfer
dieses Baus anstrebte: einen einheitlichen Raum zu .schaflfen, dem er durch Schräg-
stellnng der Tftrme auch nach Westen einen zweckentsprechenden Abschlu-ss zu
geben hoffte. Was ihm fehlte, war die sichere Konsequenz der Durchführung:
wohl türmen sich die Pfeiler empor, und wölbt sich die Decke, aber weder der
Abschluss nach oben noch der in der Lftngsaxe, also das, was dem Bau Charakter
und Form geben sollte, ist klar komponiert. In beiden ist der unfruchtbare Streit
zweier Flächen verkörpert, eine innere Einheit ist nicht erreicht. Die Umbildung
des traditionellen Schemas ging in denselben Hahnen vorwürts, wie wir sie schon
des weiteren im südlichen Deutschland verfolgt haben, aber sie erreichte ihr Ziel
nicht, sondern blieb in unreifem Formalismus stecken. Nicht durch die Totalität
ihrer künstlerischen Erscheinung ist die Liebfrauenkirche in Ingolstadt berühmt ge-
— 40 —
worden, sondern durch einige virtuose Spielereien, mit denen ein begabter Stein-
metz des 16. .lalirhunderts eine Anzahl der Seitenkapellen auegestattet hat.
Einen letzten Aufschwung nahm die liaukunst Uayerns in der Hauptstadt
selbst. In München wurde in dem kurzen Zeitraum von 20 Jahren, 1468 — 88,
durch den gemeinsamen Opfermut von Bürgerschaft und Staatsgewalt die Frauen-
kirche en-ichtet. ») Es ist eine langgestreckte, dreiscliiftige Halle — das Mittelschiff
Abb. 25. FraueaUrcb« in MOnchen. (Nach t. Ilciold und BiehL)
ist kaum wahi'uehmbar höher als die Seitenschiffe — von elf Jochen: das östliche
Joch des Mittelschiffs hat durch ein geringes Zusammenrücken der Schlusspfeiler
eine leicht trai)ezförmige Gestalt erhalten, die Seitenschiffe bilden einen fünfseitigen
Umgang. Durch das Einziehen der Strebepfeiler in ihrer vollen Ausdehnuüg wird
die ganze Halle von einem Kranz schmaler, rechteckiger Kai)ellen umschlossen,
zwanzig an der Zahl. Im Westen legt sich der Turmunterbau in Gestalt einer
mächtigen dreischiffigen Halle vor, getragen von enormen, fast ungegliederteu
•) T. Bezold und Riehl XIII. S. »70. Sighart II. S. 422.
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Atlb. 2d. Frauenkirche in Mnnrhrn. (Nach \. DooM und Kiphl.)
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Pfeilen. AnlGülmd ist die HOIw der Feneter, dfe schon didrt Aber dem Boden
einsetzen und erst kurz unter dem Gewidbe endigen. Da ilirf 7:»hl infolm' der
kurzen Joche an eich ausserordentlich |t;ross ist, so waltet eine wunderbare Hellig-
keit im Innern der Kirche. Und diese Lichtfülle lässt das ganze Gel'ttge des riesigen
Bau in jeder Einzelheit klar hanrortreteut de iet «b Hanptfaktor in der arehitek-
tonischen Wirkung des Raumes. Gesteigert wird diese Wirkung noch dadurch,
dass die Glieder selbst fast völlig auf ihre struktivc Funktion beschränkt bleiben,
und in ihrem strengen Zusammenhalt einer reicheren ornamentalen Atisgestaltung
AM. 27. PramniiMli« la Vsmebmi: QncnehnKt. (KB«h r. BmoI4 <nd nteU.)
keinen Kaum trewilbren. Es kommt so etwas WnthtigeH, ein uebaltener Ernst in
das Gun/c, der schurl absticht von der aufstrebenden Leichtigkeit, die in Landahut
herrschte. Die Pfeiler sind stark and durch die geraden« von keiner Einziehnng
belebten Seiten etwas stumpf in der perspektivischen Ansicht; das Gewölbe ent-
wickelt sich nicht frei ans ihnen, sondern die Kippen setzen auf kleinen, aber
deutlich ckarakterisierteu Konsolen energisch an und schwingen sich in elegantem
Spltebogen einander zn, als wollten sie irfeder gnt machen, waa die Pfeiler in
ihrem sAwerfimigen IVotz gesOndigt haben. Der Geist einer gefestigten Selbst-
sicberbeit liat auch die IMldnng des Cliorabsf lilussfs lieeinflusst: das Mittelschiff Iflsst
sich von seinem energischen Vorwärtsgehen nicht abbringen, es bricht schroff ab, wie
es begonnen; nur das leise Zusammenrücken der letzten Pfeiler macht dem weicheren
Zuf, der sich in dem Znsammenschlnss der Seitenschiffe anssprieht, ^ge Kon-
sessionen, oad kommt der persiiektivisi heu 'Vnrknng entgegen. Die L^n^'.saxe ist
von bestimmendem Einfloss auf die tieätait des Bans, nnd die enge Stellung and
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gedrungene Form der Pfeiler lässt die Zusammensetzung ans drei Schiffen rteuflirli
hervortreten. So ist wohl nach hestinuiitem G^tz ein architektonischer Kaum
geschaffen, aber die Wirkung der Masse beluuiptet sich siegreich daneben. Wir
sah«! schon sn der Kreuskirdie ni GmOnd die Bedevtang der Hasse im Gegensetz
zum Stilprin/ip der reinen Gotik kräftig ausgeprägt; sie bewalirt hinr, im Kerne
unberührt von der bildenden Hand des Meisters, ihr selbständiges Leben, und das
klare Licht wird ihr Bundesgenosse zur starken Uervorbebuug ihres Wesens.
So ist die Franenlcirebe das vollendetste Master jsner sweiten Weise, zu der
die Renntzung des Backsteins als Baumaterial fObren kann. Als Beispiel licr tnsteii
Art konnte die Martinskirrhc zu T.anrlshut aufgestell* H»'v*!i'n der Fr.iueukirclie in
Ltgolstadt kann man eine Mittelstellung zwischen beiden icuvseisen, allerdings, wie
wii* gesehen babra, andi wieder mit selbstindigni Mmnmtan. Es ist also ein-
heitliches Bild, das die drei hervorragendsten Bauteil Bayerns von dem archi-
tcktfinischen Schaffen des Landes ^eheii: alier ein innerer Zusammenhang fichi int
mir doch vorhanden xu sein. Lia Kaniiit mit di r I'iaditidn geht durch diese Werke,
dort mit grösserem, hier imt geriugercui ErUdg: und uu Idingen mit dem Stoff ent-
widielt sidi die neue kOnstleiische Idee. Wir sehen wie die Meister sich mOhen,
dem Baum ein charakteristisches Gcpr^lge zu verleihen, und in diesem Zusammen-
hang stidit die Franenkiirhe in München mit üirer srewfiltigen Maferialhiltifuns»
auf derselben Stule wie die Kirche zu Landshut mit ihrer scheinbar spielenden Be-
wältigung der Masse. Die Formen im Einzebien, Pfeilerbildung, FroSUenmg u. s. w.
treten aUrnfthlich als etwas Sekundäres zui'ück, und die sine Gmndidee, das Streben
nach einheitlicher und abgeschlossener Gestaltung des Raumes, klingt immer reiner
bindarch.
Norddeutschland.
Anrh nach dem knrzcü fiitüL,', der uns (liirrli die Haukanst Sftridpntsrblandfi
im 14. and 15. Jahrhundert getülu't hat. wird Eines klar geworden sein: eine sulchp
Fülle originaler and frischer Züge findet sich allerorten an den Denkjuaiem, das«
von einem Niedei^Mg des Still nicht die Bede sein kann. Btoe beiUUigt sieh aneh
in Xorddeutschland. Wenn wir hier einzelne Beispiele derselben Periode noch zar
Iletracbtung heraiuielien, so wird sich bald erweisen, ila^s wir damit auf ein Ge-
biet gekomiueii sind, wu die Eiuwirknug des Materials auf die liaafunncn eine ganz
hervomgwide Rolle spielt Der grOsste Teil der norddeotsehen ArehiCeittiir ist
bekanntlich Ziegelbau.
Die Veränilcninueu des Grundrisses in der herrschenden Hanart. die sich hei
der Verwendung des Ziegels einstellen, sind geringfügiger als die des Aufbaas.
Hier trag das KonstmktiTe Ober das Omamentale den Seg davon; die Gotik, sonst
ein Pfeilersystem mit FUlniigen, wnrde Uer «mi Sbssensystem ndt Öftmngen-
Was dem Wesen der romanischen Kunst entgegengekommen war, brachte in der
Gotik eine fundamentale rmwälzuni^ des Stilprinzips zu Stande. Daneben rüitwickelte
lieh durch das neue Material, bexonders iu den Bauwerken von Brandenburg, eine
ornamentale Ansdmdisweise, die nur noch lose mit dem ddcorativen Detail der
Hansteinarchitektur zusammenhing und durch die Verwendung von farbigen Flächen»
musfeni dem gewohnten Srluma '^nm ei'ienartiife Seiten abgewann. Die nationale
Anschauung aber driingte, wie in Hachen Gegenden stets, aof die Eutwiddung
kolossaler Dimensionen, riesiger HassMi kin. IMes modi&cierte auch die Gliederang
im Ekadnen: der gerade Chorabscblass und der einfache, vorgelegte oder ein-
gebaute "Wcstfnrm sind Troflnktc dieses Strebens. In ilem Cliarakter dieser Archi-
tektur liegt, ein Zug, der »ich dem Weltlichen, Nuchteru-l'rakiisclien, aber Strengen
ond Gewaltigen nähert. So hat sich die Profanarchitektur in den Landen zwischen
Elbe, Oder und 'Weichsel die gotische Technik, die hier so innig mit dem Material
verschmolzen war, mit Leichtigkeit angeeignet, und für Kommunal- und fortilika-
torische Bauten. h'athfSnper und ThnrtUrme Fonnen gefunden, die an selbstver-
ständlicher, ausdrucksvoller Grosse und schlichtem Beiz in jeuer ganzen Periode
mmrtickt dastdien. Am grossarUgsten ist diese nationale Bauwdse fllr profiane
Zwecke verwendet worden in der Residenz des dentschen Ordens, der Marienborg
in Westprenssen. Sie ist die h<»<"hste LHstnnp i?t>tisrher l'rofanknnst itn 14. Jahr-
hundert und in ihrer Beschränkung des oruamentah ii Aufwandes fraglos ein Meister-
weric Die Gotik des Ziegelbans als Kunst der gegliederten llCassen hat sieh hier
im Anfban anfs gUbuendstc bestfttigt, wahrend sie in den Pmnksälen des Innern,
vor allem in dem nnvertrlriiMit h zierlichen griii^sfn Orilonsreniter ihre .\ufgabe
als Raumgestaiteriu mit einer Virtuosität löst, welche die Schwierigkeiten der Tecimik
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geradezu aufznsaclieu scheint und gegen die das Künnen eiaes Meisters wie Arnold
TOD Westfalen kaum noch einen Fortechritt bedeutet.
Was uns hier ab letstaa Ziel ardiltektoitiBcliw Thfttigkeit in reibtor Geetalt
entgegeDtritt, die Itannoidache Durchfiilinni^' des Innenraumes mit Benützung male«
rischer Lichteftekte, berührt sich mit dem bau-
kttostleriscben ^:)chaffeu eines i^aiides, dem fast
alleiii in dam ganien groaeen Gebiet dei Nord»
und Oitaeebeckeiw ein gewacbaeiier Stein aar Var-
fOgang etcht.
Westfalen ist in dem Umkreis der Maasen*
bauten iba Land der liocbeotwiekeltan Tachnifc,
der kOhnaD Wölfanngea, der koDstraktiven Wag>
nissc. Das ^pbjindene, romanische System,
das auf ein Gewölbe des Mittplschiffs
zwei in den Seitenscliiüeu iurdert, ist
hier tnarat dvrehbrochan worden: in dem
in HQnstw Riad die Zwiachanpfeiler
1:400
3III^^3IEhIb1Ehb1Ih
9 I
irldMha im Dovtmiiii^ (NMih I«mia<&,)
beaeitigt, neben dem quadratiacben GrenzgewOlbe daa IGtteladuffa liegt ein gerade
ao langes, aber nur halb su breites Seitenjoch. Hier auch, in Westfalen, sind, in
demsellK'ii Stieljini nach rfiutnlicher Froihfil, znersf die SL-itcnscliifiV' zu der gleichen
Hübe wie dasj Mittelscbilf emporgclUhrt worden, nuch ehe man von der Leistungs-
iftliigkeit dar Spitxbogentecbnik eine Vorstellung hatte.
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— 47 —
Die Basilika des alten
Stils wird zum einheit-
lichen Uaunigebilde , zur
Halle. Sie herrscht in der
Periode, der wir uns zu-
wenden, Kunz allgemein.
Für die Hildung des Chores
vermag sich nicht ein
Schema Geltung zu ver-
schaffen: neben dem mit
dem Langhaus zusanmien-
gezogenen Chor, mit Um-
gang der Seitenschiffe, fin-
det sich der einschiffige,
schmale, der nur das
Mittelschiff fortsetzt;
schliesslich kommt auch
die gruppierende Kom-
position vor. die den
Seitenschiffon je einen
eigenen polygonalen Ab-
schluss giebt und <liese
dem llauptpolygon unter-
ordnet.
Auf Dortmund als auf
das Hauptcentium des
Stilumschwungs wurde
schon hingewiesen; hier
herrschte in der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhun-
derts eine ungemein rege Hauthiltigkeit. Die jetzige katholische Kirche (ehemals
Dominikanerkirche)!) l'M'A vollendet, mit auffälliger Verkammerung des nördlichen
Seitenschiffs, Ifisst den Chor merklich dominieren; er ist einschiffig, aber fast von
der Likngc des Hauptschiffes, und erscheint nach dem nur sehr mangelhaft er-
leuchteten Langhaus, ubwobl selbst nur massig hell, doch feierlich und erhaben.
In der J'etrikirche,^) IHlf» — 1353 erbaut, ist die Wirkung die entgegengesetzte:
der Chor ist dunkler als das breite, einfach gewölbte Schiff. Das niumlicbe Ver-
hältnis ist dasselbe, das wir schon in Franken kennen gelernt haben: die Halle
fast (luadratisch, mit drei dreischiffigen Jochen, der Chor schlanker und einfach.
Dazu kommt hier noch im Westen die schwere, dunkle Vorhalle, über «lie sich
der wuchtige Turm erhebt.
Den vollen Triumph iler entwickelten «piltgotischen Raumkunst Ober den Älassen-
bao der romanischen Zeit bedeutet der Chor der Hcinoldikirche,^) 14JI — 1450
>) Lubkc, Tafel XXXI. Ludorff, Tafel XXXI S. 41, Kreis Dortmundt-Stadt
*) Ludorff, Tafel XXXII 8. 25.
•) Lübke, Tafel XI. Ludorff, Tafel I S. 2.
'Si. Dumluikanerkirche in llortmund.
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erbaut. Kr ist nur ein^^^i hittiif und ganz schematiscli in ir^'i Seiten des Acht-
ttcks geschlossen, aber so stolz in seiuein echlanken Kmporwaclisen, so edel in
stinen Boi^OfiiMii, data tSm tditeeM Steigerung des alten, in den Übergangs-
fonn«n vn 1248 criMUten I^ghanaes nidit gadaisht werden kann. IHe Fenstw
des Polygons sind nicht
ein-, sondern zweimal durch
Haaiweritstreifen quer ge-
teilt — ein« beneikene-
werte Wiederholung der
Horizontalen — und doch
wird der Raum ein wahres
Fandies too Licht und
Glanz, und die Steigerung
dadurch. <lass in den recht-
eckigen Jochen nur oben
«n der Wand Fenater an-
geliradit aind, malerisch bis
aufs Letzte (lurchgefülnt.
Das Ganze erinnert au die
Anlage des MUnstercbores
zn Aachen; es ist dw ge<>
waltigste Aufschwung einer
künstlerischen Idee, der mit
der geistigen Eigenart des
Volkes verehibar war.
Im Mittelpunkt dieser
l'*riu(le steht die Lam-
bertikirclu mu Müngter,^)
vm 1375 hegomwD, aber
ent im Laufe dei 15. Jahr-
htinderts vollendet. Sie
macht den Versuch, das
Chorgauze als eine Raum-
gmppe darmeteUen, indem
sie den Seitenschiffen einen
selbstflndifren pnlyeonalen
AbschluBs giebt: und zwar
Abb. ». P«trlUr«fa« in Dortmimd. (Vmck WorfT.) ItCllt eie die Basifl dei tOU
fünf Seiten des Achtecks
gebildeten N'elienrlinres in die Diagonale de« Infzton SfitcnjoiIieH. mncht iil.so ilie
Axe zum Ra«iiu8 eines Kreises, durch dessen Ccntnun auch die Axe des mitt-
leren Chor])olygun8 länft. Es ist also ela dmUieher Haag zor Geatralkompoaition,
dMn sieb die Gotik gana im BegiDn ibrw Lanfbahn sdtim «amal, wie ihres
'Wesens nnbewosst, hingegeben hatte. Aber was in der lielrfranenklrche in
') Lubke, Tafel XXUI.
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Trier nur für den Grundriss, fQr die Entwicklung des mathematischen Systems
von Bedeutung war — denn die radialen Kapellen blieben niedrig — , äusserte
sich hier bei der Ilallenforni aU Unigestaltung des Raumbildes. Das Prinzip
ist leider nur am südlichen Seitenschiff durchgeführt, das nördliche schneidet
bei dem vierten Joch gerade ab. Doch auch als Fragment bleibt uns diese (Jhor-
bildung wertvoll, und da sie in jeuer Zeit in Westfalen einzig in ihrer Art iat,
so muss man wohl irgend ein fremdes Chorbild oder wenigstens eine Anregung
ans fremdem Schaffen an-
nehmen. Dass diese An-
regung aus den Kbein-
landen kam, kann man
umsomehr behaupten, als
ja überhaupt iler ganze
Stil von Westen in das
Reich der roten Erde ge-
drungen ist. Unweit von
Bonn, in Ahrweiler, findet
sich <lie Anlage durch-
geführt, noch dazu bei
einer Hallenkirche, einer
für die Frtlhzeit <ler Gotik
— sie wurde um 12.')4 er-
baut — auffallenden Er-
scheinung. Wenn wirklich
der Chor, bei dem das
Mittelpolygon einfacher
ist als das der Seiten-
schiffe, erst in der ersten
Hälfte des 11. .lahrhun-
derts entstanden ist (wie
Lotjj von dem Hauptchor
annimmt, den von den
Nebenchören zu trennen
dann kein Grund vorliegt)
so stünde auch derZurück-
führung des Entwurfes auf
den Meister von St. Lambert chronologisch nichts im W^ege (der 1350 geweihte
(.'bor der Stiftskirche in Kleve bildete dann zeitlich die Vermittlung). — Indess
nicht nur durch die seltene Form des Chores, sondeni vor allem durch die un-
erschöpfliche Tracht der inneren nn<l äusseren Ausstattung zeichnet sich die
Lambertikirche vor allen gleichzeitigen Bauten Westfalens aus. Ob <lie architek-
tonische Finesse, die Pfeilerabstände nach dem Chor hin zu verringern, und damit
einer bedeutenden jicrspektivischen Wirkung in die Ililndc zu arbeiten, wirklich
als eine solche aufzufassen ist. muss hier unentschieden bleiben. Der Wechsel der
l'feilerbildung weist eher auf eine andere Individualitflt in der Bauleitung hin, ebenso
leicht könnte aber auch eine Schwierigkeit der Bodentiäche oder sogar eine blosse
UacDci, SpfttKotik. 4
Abb. 31. I'alrikircho in Üortmmid.
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XachläsHii^keit in dem Grundrissentworf die Änderung verursacht haben. Die
Seitenschiffe sind ja auch nicht f^leich gross, sondern das nördliche ist ungefähr
1 nt breiter als das südliche. Die Dimensionen des liaus sind nicht bedeutend,
der Pfeilerabstand ist sogar recht klein: das Ganze aber ist klar und harmonisch,
im steten Zusammenströmen von Phantasie und Geist von innerem I^ben durch-
drungen und doch feier-
lich und würdig.
In Gegensatz hierzu
überwiegt bei der Kirche
zu Unna^ (im 14. Jahr-
hundert begonnen , aber
erst 1467 vollendet —
der Chor 1398— 1:^*>«; — )
das Wuchtige, Ernste in
dem architektonischen Ge-
samtbilde. Der Clior ist
im Mittelschiff und im
Umgang mit drei Seiten
des Achtecks geschlossen:
der reichere t'harakter,
der durch Überschneid-
ungen der Linien and
kunstvolle Verteilung des
Lichtes einen lebhaften.
l)rilchtigen Zug in den .\uf-
l)uu zu bringen sucht, ist
hier völlig vermieden. Die
ConcinnitUt der inneren
und äusseren Stutzen,
durch die auf jede Öffnung
des Mittelschiffs der volle
Schein des in <lem gleichen
Abb. 82. «cinoidifcirthc in Dortmnna. Kadius liegenden Fensters
fällt, lässt die zwar immer
noch massvoUo, aber durch vorgelegte Dienste doch etwas lebendigere Form der
Pfeiler stärker hervortreten. Im Langhaus nimmt der Unterbau des Turmes mit
seinen ungemein schwerfälligen Rundpfeilem das ganze mittlere Westjoch ein:
diese Bildung setzt sich dann in der Reihe der Pfeiler weiter fort, die quad-
ratische, in den Seitenschiffen nur um ein Geringes schmälere (iewölbe tragen.
Im fünfzehnten Mitteljoch (von Westen, einschliessUch der Turmhalle) rücken die
Pfeiler etwas auseinander, so dass sich hier das Gewölbe der Trapezform nähert;
so ist der i)erspektivischen Wirkung entgegengearbeitet und gleichsam ein inneres
Wachstum des Uaniiieft angedeutet. Werden die hässlichen Emporen, die jetzt in
den Seitenschiffen stehen und die Fenster in unerträglicher Weise zerschneiden,
n Lobke, Tafel XIX.
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— 51 —
«rA beBcitigt vnd die Wand gefftlltti Min, die ent neuerdings als Trennmig der
ilreischiffii""! Turmvorhalle von dem llaHptranm errirhtet worden ist, dann wird
auch die zu Grunde liegende Raomidee des Baus klarer und «irkuogSToUer zum
Aasdruck konunen.
Der Chor der MarktMn^ tu (hmibrtk^i) im Ansddiis« an ein sdion
vollendet es Langbaus
1 10« — 1424 erbaut, if-t eine
direkte NacbbUdung der
Choranlage von Unna, und
auch die Ähnliclilceit des gan-
zen Innenraunies mit jenem
ist unverkennbar. Nur ist
hier in der Bildung der
Pfeiler das nrngelcelirte Ter-
hAltnis einsietrftten: die des
>fittelsrliirt"s sind reich, aber
im (leiüte dar Frühgotik
darehau edel gegliedert, und
im Cbor tragen glatte Rund-
siitilen dnscentralentwickelte
Gewölbe.
Der letzte grosse Re-
prüsentant dieser Kdiiii»«-
sitionsforni in Westfalen, der
1478 errichtete Chor der
ist zu(^ei<& ftudi die vol«
l<»n(lefslft Schöpfung des Sy-
^teIlls^ Dem romanischen
i.aiighuus gegenüber erhebt
er sieb zu ernster, feierlicher
GrOsse, um nach dem ersten,
eewalti{(eu Sdiiitt der Wöl-
bung, die sich eigenwillig
von der Mauermasse des
/wischcnbaus losmacht, in
drei Seiten, innen und an^scn.
ruhig auszuklingen. iüe l'feiler siud wieder ruud, mit Kapitelleu der schlichteateu
Form; die Beleuchtung ist dadurch in besondre Bahnen gelenkt, dass die breiten
Aussenwinde des Chors von je swd grossen Fenalern belebt worden. Der Tag
scheint in hellen t^trablen herein und umfängt die schweren Säulen, deren trotziges
Sflhstbewusstseiii unter seiner heitern IterfibrunR schwindet. Zwar trennt eine
Ürustungsmauer den Wandelnden im Unigung vuu der MittelbaUe, aber du» Auge
Abb. S3. M uleBkireb« {n OaubvHcb. (Xuh Ubk«.)
•) T.al.ko. T. XX.
*) Lübke, T. X.
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•- 52 —
schweift frei in die Weite
nnd Tiefe des Baus, und
die Kinheitlicbkeit der
Ilaumkompositioii geht
unmittelbar in das Be-
wnsstsein über.
Westfalen nimmt mit
seinen Ilausteiubauten in
dem Bilde, das die Archi-
tektur der norddeutschen
Tiefebene gewährt, eine
durchaus selbständige
Stellung ein. Dort, wo
ein gewachsener Stein nur
in beschränktem Masse
vorhanden war. in den
Gebieten am Niederrhein,
im Üleve-Gelder'schen
Lande, musste die Archi-
tektur notwendig in Ab-
hängigkeit kommen von
der Richtung, die sieb
in dem Mutterlande des
Itacksteinbaus . in den
Niederlanden, entwickelt
hatte. So finden sich auch
wirklich die charakteris-
tischen Eigenschaften der
niederländischen Gotik an
den Bauten des Nieder-
Abb. 34. wniibrordikirche in Wcei. (x«ch cleinen.) rheius Vertreten, Und die
Bezeichnung ,. niederlän-
disch-westfälischer Provinzialismus" ist speziell den Bauten des 14. und 15. Jahr-
hunderts auf diesem Boden zu teil geworden. Dass daneben auch französische
Einflüsse rege waren, beweist das W^erk, das als die bedeutendste gotische An-
lage des Niederrheins nächst dem Dom zu Xanten and im Besondem als die
glänzendste Leistung der ostklevischcn Bauschule gilt: die Willibrordikirche tu
Wesel. \)
* ^ *
*
Allerdings findet sich die Eigentümlichkeit, die ein französisches Vorbild
rechtfertigen würde, der (hier nur in den Fundamenten nachgewiesene) Kapellen-
kranz um den Chor auch an niederländischen Kirchen, in Utrecht, Nymwegen und
Ilerzoßcnbusch, wie vor allem an der Groote Kerk in Aniheim, in der man das
unmittelbare Vorbild der Weseler Kirche zu finden gemeint hat. Letzteres könnte
') Clemen, H. B. Kreis Rees S. 125 ff.
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— 53 -
sich jedoch nur auf den
östlichen Teil, vom Qaer-
schiff an, erstrecken, denn
das Langschiff selbst ist
anders komponiert , ab-
gesehen davon, dass man
bei einem Hau, der voll-
ständig aus Haustein er-
richtet ist, wie die Willi-
brordikirche, sich schwer-
lich an ein Muster ge-
halten hat. das, wie die
Kirche zu Arnheim. nur
in den Details Haustein
zeigt, wahrend der Kern
lies Haus, die konstruktiv
massgebenden Glieder, aus
Ziegelstein hergestellt
sind. Dagegen ist die
Jolianneskirche in Her-
zogenbusch, nach einem
IJrande seit 141!» neuer-
baut, aus Haustein, und
zeigt im Grundriss eine
ausgesprochene Ähnlich-
keit mit der Weseler Kirche, die, nach einem Erweiterungsbau der alten roma-
nischen Anlage von 1425 in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts neu erstand
(aber erst in jüngster Zeit in allen Teilen vollendet worden ist). Es ist eine
fünfschifüge Basilika von energischer Kreuzform. Um den in fünf Seiten des
Achtecks geschlossenen Chor des Mittelschiffes, der ziemlich genau die Länge des
Hauptschiffes hat, setzen sich die inneren Seitenschiffe als Umgang in sieben Seiten
des unregelmüssigen Vierzehnecks fort, während die äusseren Seitenschiffe, das süd-
liche um ein Joch später als das nördliche, gerade abschliessen. Der Turm öffnet
sich in einer gewaltigen, auf vier wuchtigen, reichgegliederten Pfeilern ruhenden
Vorhalle gegen das Mittelschiff, die inneren Seitenschiffe begleiten ihn mit je zwei
schmalen Jochen bis an die Westwand. Die Pfeiler sind rund mit Vorlagen, nur
die der Vierung zwölfseitig; nur die drei Mitteljoche des Hauptschiffs und die
beiden westlichen Joche des südlichen äusseren Seitenschiffs sind mit Kreuzgewölben
gedeckt, alle anderen mit prächtigen Netz- und Stenigewölben, zum Teil mit frei
gearbeiteten Rosetten und Dlumen, die sich in einzelnen Seitenräumen, bei der be-
kannten Lust an technischen Spielereien, in ein völlig frei schwebendes Rippennetz
mit zierlichen Krabben, Blüten und Blättern verlieren. Die Joche der Seitenschiffe
sind etwas mehr als halb so breit wie die des Mittelschiffs, und sie selbst nur
halb so hoch wie jenes; die Pfeilerabstände sind gering, die Unterbrechung ihres
kurzatmigen Zuges durch die sich mächtig ausweitende Vierung geschieht Uber-
raschend und wirkungsvoll. Der ganze Bau ist von einer gewissen wuchtigen
Abb. 35. WilUbrordikirche in Wesel.
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— 54 —
Schwerfälligkeit, die Breite 36 m, vermag der Länge, 64,50 m, einen nachdrück-
lichen Qegenhalt za bieten. Die Grundform ist schon beinahe das griechische
Kreuz; optiidi halten sich iß» vier in «traUander Hdligkeit hervortretenden FlOgel
ToUkonunen die Wage, 1io<;ont!er8 jetzt, wo das Chorpolygon durch einen hohen
Ziriaehenban von einem Langhaoa abgetrennt ist. Die Fülle von Licht, die den
ganzen liau beherrscht, und jedes der
inaaerst aorgfUtig gearbeiteten Ziertefle
klar sor Geltnng kommen Ifisst, bekundet
ein freiprps, klares KmiifiiKien der Meister
un<l des Volksstammes, aus dem sie her-
vorgegangen sind: ein scharfer, seiner
Sache aidierer Geäat waltet in dem Bmob.
Diesen Geist, der sich mit der deut-
lichen AiispräunnK <le8 Kreuzschiffes der
beiTscbendeu lüchtuug entgegensetzt, und
damit avf ehi im IlbrigMi Dentachlaad
kaum mehr gebrauchtes Schema zurück-
greift , hat auch der Salvatorkirche in
Duishtrg^) ihre Gestalt gegeben, die be-
glaubigterweise in Einzelheiten der Kirche
zn Weael am Urbild gedient hat, md
deren Grundstefn 1415 gelegt wurde. Hier
ist die LiliiRsaxr Schürfer ausgepriict. das
Langhaus ist auf drei .schiti'e beschränkt
nnd der Chor achUeaat erat nach zwei
breiten, der Vierung ähnlichen Jochen in
tliiil' Seiten des Aditfiks. Daneben legt
sich, als l' ortsetzuug des sUdlicbeu beiteu-
Bchiffaf nodi ein flacher ko&atndartea
Chörchen, das dem Baa erst sp&ter hinzu-
pefücrt zu sein scheint. Die IJasilikenforra
ist deutlich iiuicKeha itt'ii : ilic lieideii rie-
sigen Fenster der l^uerarme geben dem
Räume atine Phyaiognonde : daa IJeht, daa
sich unter der Vierung sammelt, sfrcimt
in das Langhaus mit seinen niedripen
Oberfenstem ein, das Laugbaus des Chors tritt dagegen als eine dunklere Partie
zsrAck, wihread in dem diorpolygon die ktapeilidMn Ifauiaen dea Bana zwiachen
den gewaltigen fichtapendenden (Mhongoi faat vOllIg veraehwinden. Koch in der
jüngsten, der niederrheinisclien Kirchen dieser Periode, des 1483 begonnenen
Äldegundiskirche tu Emmerich,-) findet die Nei^'untr zur gruppierenden Chor-
gestaltung Ausdi'uck. In XanUn, Viersen, Kranenbury und Geldern, in Honsbeck,
XttUtar and ßuiäburg herradit diea Syatem, and hier ia E^nmeridi aeheint es in
gewiasem Sinne sogar die BUdnng dea WeatabodilnBaes beeinflnaat za haben. Daa
Ahb. 36. AldrgvndisMTch« in Knnnerich. (Xkoh ridinen.)
') Clemen II. Duisburg S. 18. Giemen II. Kees ä. 85.
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letzte Joch der Seitenschiffe nämlich, die neben der gewaltijjen Vorhalle des West-
tarms fortlaufen , wird durch eine Querwand abgeschriigt , die in dem südlichen
Schiff sogar von einem eignen Fenster durchbrochen ist. In andern Kirchen, z. IJ.
in Lüdinghausen, ist dies der i)olygonale Abschluss der Seitenschiffe im Osten, und
auch in Emmerich ist die äussere Krscheinung der Seitenchörchen dieselbe, die im
Innern durch einon keilförmigen ^lauerkörper zu einem Polygon ergänzt werden,
das sich etwa aus drei
Seiten des Sechsecks er-
klären lässt. In der Pfarr-
kirche zu Ingolstadt ist
ilie Westpartie ähnlicii ge-
staltet, undnoch ein andrer
ünistand fordert zu einem
Vergleich mit dieser
Kirche auf. Das Mittel-
schiff erhebt sich /war um
ein Drittel seiner Höhe
über die Seitenschiffe, hat
aber ein gemeinsames
Dach mit diesen, aber
keine Oberfenster, so dass
die Halle, als welche jetzt
der gesamte Innenraum
erscheint, mit dem dunkeln
Mittelteil einen schweren,
dllstem Charakter an-
nimmt. Die merkwürdige
(iestalt der Pfeiler, zwei
durcheinandergeschobene
Kechtecke mit ausgerun-
deten Kanten, die ein-
fachen Arkaden und un-
belebten Scheidemaueni,
Alles kündet den Kintlnss eines fremden Klementes an, das uns hier zum ersten-
mal begegnet: es ist der Ziegel mit seiner strengen, schweren Formengebung.
Dies ist wohl das einzige Heispiel dieses Materials in der ostklevischen Gruppe,
und wenn die Anordnung des Langhanses violleicht auf westfälische Vorbilder
zurückzuführen ist — in Jiocholt, Rheine und Liesborn, alles Hauten des 15. .Jahr-
hunderts, ist sie durchgeführt — so erkennen wir in dem Material die Einwirkung
der nahen Niederlande.
Ks führt uns hinüber zur westkle vischen Schule, und seine Eigenart macht
sich am klarsten geltend in dem bedeutendsten kirchlichen Hauwerk dieses Kreises,
der Pfarrkirche zu Kalkar. ^ Dies ist die ausgedehnteste Hallenkirche der nieder-
rheinischen Lande, und zugleich diejenige, in der die Vereinheitlichung des Raumes
Abb, 37. Al<lriiandi«kirclie in Kmmerfcli.
n Cleinen. V. Kleve S. 52.
— 56 —
im Sinne einer (iemcinilc- und rreiliprtkiiThe am weitesten trcdiohen ist. An die
dreischiffige Halle von sieben Joeben legt sieb im Mittelschiff ein Hauptchor, der aas
fUnf Seiten des Achtecks gebildet ist, während die Seitenschiffe daneben in einen
«Dtapreebeiid kleinerai Polygontefl uriaiifeii. Allerdlnga itt hier nur da« sodliche
Seitenschiff mit *'iuvr ireringen Unregelmässigkeit in dieser Weise durchgeführt, da«
Ostjoch des nördlichen Schiffes, noch ans einem ftlteron V>m stammenfl. hat seinen
geradeD Abscbluss behalten (vergl. auch die Üalvatorkirche in Duisburg). Das (ranze
ist ein ents^iedMier Protest gegen die pronkvoUe, auf ihuuEOsiiche ywbilder alch
stützende Art der gotischen BanmbompositionT wie aie noch in dem nahen Wnet
herrscht, ein stronjxerfs Zusammenhalten der blassen, das trotz der ausserordent-
lichen Dimensionen dui-ch die Mäasigong in den omameDtalen Teilen harmonisch
in die Erscheinung tritt.
Als Charakteriatünun der «eatUeviscben Bauchnle Iftaat sieh dies Moment
auch in den grossen Basilikalbauten der Gi i i vi rfolL'en. In der Pfarrkirche zu
Kranenburff,^) die am Anfan?; ries ir>. Jahiliundcrts lir>;omien und 1430 vollendet
wurde, gebt der Grundriss wieder mehr in die Breite. Der Chor — dessen liil-
dmig durch die Gestalt des ans dem 14. Jahrbnndert stammenden SfidschÜTs be-
eininsst wurde — verfolgt das Gruppenprinzip und lässt seinen lÜttelteil, um dessen
Übergewicht über die flacheren Seiteiiscliiffe liielir /.u betonen, um ein, den Jochen
des Mittelschiffs entsprechendes Joch nach Usten heraustreten. Das Gewölbe ist
wieder einfach, wird aber von ziemlich stArken, nach niederlilndischem Muster
scharf and r^h gegfiederten Pfeüem getragen; die drei Schilfe sind gleich breit,
das vierteilige Fenster in dem eingebauten (unvollendeten) Westturm, ein echt
niederländisches Motiv, entspricht in seiner liroitcii Öffnung und reichen Ausstattung
dem Charakter des Baus, in dem der Backstein die Sprüdigkeit und Strenge seiner
Formen überwanden sn haben scheint und an lebendigw Pracht mit den Gebilden
des Hansteins wetteifert.
Die Eiitwiikluii^' der spilt^'otischen Architektur in Stlddeutschland, in "West-
falen und am Niederrbein hat uns bis tief in das 15. Jahrhundert hineingeführt.
Der GruadtüQ der bankOnstlerischen Thätigkeit in diesen Ländern, das Streben
nach Tereinheltliehnng des Raumes darch Verteilung der Massen nach
selbst geschaffenen und durchgebildeten Gesetzen, hat die Verschieden-
heiten der nationalen (leistofsait durchdrungen und zum Teil flherw'unden. Das
neue Stilprinzip wird immer Schürfer durchgebildet, immer kühner ausgeweitet:
Bauten wie die .FVmrsMJhVdks in MBnt^, der Chor der Marienkirthe in Lipp-
stadt und die Willibrordikirche zu Wesel bezeichnen, jeder in seiner Art, Höhe-
punkte, die den Glaulien nicht aufkonunen lassen, dass die Entwicklung der Gotilc
in dieser Zeit schuu in absteigender Linie vor sich gehe.
Die Überzeugung, dass wir es hier mit etwas Neuem zu thno haben, das
sich von der Torangegangenen Periode scharf abhebt, wird sieh noch mehr fettigen,
wenn wir die Werke der Baukunst in dem Lande einer Betrachtung unterwerfen,
das bis dahin in der Geschichte der Gotik noch keine Kolle gespielt hatte, in
Sachsen.
>) CleatSD. V. Kleve S. 9S.
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Sachsen.
Da die politischen and religiösen VerhältDiSäe, anter denen in der Glitte and
gegen das F.iule des 1'. .Talirlitnitler(s f-iiie küii.sth'iiscli«' Kiitwirkluiitr in Srirlisen.
speziell in Ubersactuen und dem Erzgebirge vor sich geben konnte, von den Zu-
•ttiden, die um dime Z«it im Beiehe bemditai, eich deatUch abheben, so sei hier
mit «nigen Worten daraaf eingegangen. Der tTmschwung, der die Entwicklmig auf
sozialem Gebiete ganz besonders betraf, gründet sich zum gr<"*8steu Teil aaf die
Thntsarho, dnss in dor zweiten Hülfte des 15. Jabrhanderts durch iiicliroro elftiK-
liche Funde der liergbau eiueu ungeahnten Aufschwung nahm. Zwar ncbon seit dem
12. Jahrirandeirt war die Oewinnong von Metallen, namoitlieh von Silber, im Erz-
gebirge aystenaatiscb betrieben worden, aber erst in dieser Zeit gewann dir I!(?rg-
bau grössere Ausdehnung, liesonders seitdem an die Stelle des anfang.^ alk'^mcin
üblichen Raubbauea ein durch die laude«herrliche Uesetzgebuug geregelter iietrieb
getreten war. Bis in die ratlegenaten Thiler, aber die nnwohnlidisten Berge er-
goM lieh der Strom der Erwerbradienden, vod bald mvestoi neue Ansiedlnngen
entstellen, am die iranze Schar der Arbeiter aufzniielnnf'ii. kmiptitutionelle Satzungen,
um die wilde Menge in Zucht und Ordnuntr /u iialten. In di-n siehzifrer Jahren ent-
stand 80, au» den kleinsten Aulängen heraus, die Stadt ^chneeberg, und noch vor
Beginn des neuen Jahrhondorts wurde dw Grundstein gel^ zu der Stadt, die dann
der Mittelpunkt des ganzen neuen Erwerbsgebietes und der Hauptsits auch der
staatlichen und kirchlichen l^ehorden werden sollte. Annaberg.
in einer Zeit, wo orthodoxer Fanatismus, oppositiouelles Asketeutom oud
prakttoAe ioitelrefonnalariidie Agitation die GemOter adt ilin«i Gebte orCIlIlten,
wo die B«äetiungen sn den «netgischeo, Toricetzerten BOlinieokteig Georg Podie-
brad das Land politisch in die schwerste TJedrüngnis brachten, koiuifen die Kiudei-
jahre der neuen (iiündunu'en keine leichten sein. Den .\hschlu.^s dieser Wirren
brachte der endliche Sieg der landesherrlichen Macht: die religiöse Not wurde,
freflich erst im neuen Jahrbvndert, durch die Beformation gehohen. Wenn auch
gkieh im Iteginn der neuen Bewegung das Auftreten der farlstadt und Münzer den
jungen rJlanlu'n in schwere Bedrängnis brachte, so ist doch später, besonders seit
Luthers persouUchem Erscheinen, die Keformatiou in aüeu Teilen gesichert worden,
bis sdüiessHeh dnich die Aoeritennnnf des Proteatantismos von Seiten der ataat-
Udiea Gewalt des KathoUsimua fut v<Hlig ans dem Lande versehwand.
"Wenn auf diesem I?odcn. dem Schauplatz der mannigfaclusten politischen tind
relitH'"t'5'^n Kämpfe um! der <;»>'iiirtsstiitte einer neuen sozialen Khi.ssc. (ibcrlianjit
die Kunst Wurzel schlagen uua zu nennenswerten Erzeugnissen Kruft und Anregung
finden konnte, so nmssten diese ihre Leistungen wohl ein ganx anderes Geprige
tragen als die der Yergangenheit und der Nachbargebiete. Und da war es wieder
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— 58 —
Abb. 88. M. AniiBkircbe in AnimberR. (Nach SIrirbr.)
die Architektur, in der sich der Geist jener Zeit, jener Menschen am reinston wieder-
spieKolte. Für die Malerei fehlte ebenso wie für die Skulptur die freie Si haffcns-
freode: noch waren weder die materiellen Krilftc noch die kUnstleriBchon Anschau-
ungen stark und lebendig L'enu^, um hier mit dem Zwange der Tradition zu brecli^n
und selbstikndiKC Fonnen zu tinden. Das religiiise Empfinden verlangte zwar stetig
noch nach Abbildern der göttlichen Personen, aber es begnügte sich auch mit
jenen rohen Produkten, wie sie, in Stein und Holz, in grossen vielteiligen Altar-
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— 59 —
Stucke» noch heute \ielfach in den sftchsiaehen Kirchen zu finden Bind. Anden
sitanil es mit tleiii Wunsthc. wilrditje Stätten fdr die reli^^iösen (Miuii'j;pii /u ue-
winneu. Da geiidgten nicht luehi- dio oft nui- ganz einfach aas Holz errichteten
Bauten der froheren Zeit; das starke Selbstbewuestseiu der Bürger, der Stok der
n«n«i stSdtiMlifln Korporationen muBste sich in selbstemonneiien, selhslenchalTenen
Räameo «osleben. Sobald nur die ersten Schwierigkeiten de» ungewohntMi Daseins
überwunden waren, stieg ein Gotteshaus neben dem Sitz der (»briL^kcit empor. Kleist
war es zuerst nur aus Holz gefügt, bloss geeignet, den Altar uuil die heiligen Ge-
flne n. s. w. zu bergen. Aber in kurzer Zeit machte es dann einem festen Stefai-
ban Phitz und die Anlage des Fundaments reriiiess oft eine Ausdehnung des Ganzen,
f -* i I I j » I I I I f 1 1 1
AUi. W. St. Anoakircbo in Atauhttgi UiigiKbuitl. (Nach ätocbe.)
die das Vermögen der Hflrgersdialt weit übersteigen innsste. Es erschien als eine
EhrenpHicht jeder Stadt, einen Teil ihre** iiiaten»'Ilt'!i WniilstiiiHb's s.» .Ipiii Höchsten
zum Opfer zu bringen, und es wai* der Gegenstand eifrigen Wettbewerbes zwischen
den einzdnen StAdten, den nmfangrddisten Kirchenranra, den hOchstn Tum im
Lande zn besitzen. Wo fudt schon ein Bau ans firflherer Zeit vorfand, gestaltete
man ihn weniL'stens den Bedflrfnissen der Zeit entsprechend um, nach Grösse und
Schönheit: Türme \furden erri(-}itft und das Langschiff entweder eingewölbt oder
mit Seitenschiä'eii und Kapelienanbauten versehen.
Im Mittelpunkte der Geschichte der Architektur im sAehsisdien Erzgebirge
steht die Stadtkirche St. Anm eu Annnbcrf/.i) (1499 begonnen. 15:20 gewölbt, um
1525 vollendet.) Ks i.sf eine drciscliirtiL-c Halle, iretragen von sechszehn achteckigen
I'feilern, deren Seiten (wie die Kauelureu der dorischen Säule) am der optischen
Wirkung willen etwas eingezogen sind. Das Ifittdsdiiff scMletst in etaien Polygon*
*) Steche 17. S. 6 IT.
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das aus fünf Seiten des Achtecks gebildet wird, während die Seitenschiffe in flacherem
Schluss nur drei Seiten davon aufweisen. Die Strebepfeiler sind in das Innere gezogen
und zwischen ihnen sind in nicht ganz halber Höhe Emporen angelegt: vor den gleich-
falls in drei eingezogenen Seiten des Achtecks endigenden Pfeilern ragen die Em-
poren in demselben Verhältnis vor. Das ganze unregelmüssige erste Westjoch der
Schiffe, durch den Turmeinbau im Süden und die schräge Westwand entstellt, wird
von einer breiten Empore eingenommen, welche die Orgel trügt und in direktem
Anschluss an die nördliche und südliche Empore errichtet ist. Die En»i»oren öffnen
sich unten in stark gedrückten Spitzbügen; die so entstandenen schmalen, kajiellen-
Abb. 40. OewOlbr der St. Aiinakirrh« in Annaberg vor der Restaurierung. (Nach Steche.)
artigen Uftume sind mit zierlichen Netzgewölben bedeckt (jetzt durch Holztribünen
mit Kirchenstühlen zum Teil verbaut). Einige von ihnen empfangen ihr Licht durch
niedrige, vorhangbogige Fenster; der eine, im fünften Joch rechts, ist vöHig zugebaut.
An das sechste Joch legt sich rechts und links je ein Querschiffarm an, in der Em-
porenhöhe horizontal geteilt; die Räume unten dienen als Sakristei und Kapelle, die
oberen erhalten ihren Abschluss in der Art des Chores nach Massgabc des Systems,
das auch die Gestalt der Pfeiler und Strebepfeiler bestimmt hat, im Achteck. Sie
erheben sich als offene Hallen bis zur Höhe des Schiffes und sind mit feinen Stern-
gewölbeu gedeckt. Der ganze Bau ist nicht hoch gewölbt, da die scharfen Kippen an
den Pfeilern auf kleinen Konsolen (dicht unter der Decke) ziemlich hoch oben an-
setzen. Die Decke zeichnet sich durch ein reiches Xetzgewölbe mit auffallend grossen
Schlusssteinrosetten aus. Die Fenster über den Emporen sind oben rund und reichen
fast bis zur Decke, über der Orgel strahlt, in Gelb und Rot, eine Rose, die einzige
Lichtquelle an der Westwand, die so stark in Dunkel gehüllt bleibt. Die Stelle,
wo das Licht am stärksten zusammenflutet, ist der Teil vor dem Hauptaltar: aus den
sechs Fenstern der Querarme dringt hier die Helligkeit herein, und weil auch dieser
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— til —
Abb. 41. Bt. AuDokirchc iu Aunab«rg niuh ilrr UritBuriernnit.
Platz von KirrhenstUhlcn günzlicb frei gehalten ist — nur das Taufbecken erhebt
sich in der Mitte — erscheint er fast als ein wirkliches Querschiff mit Vierung,
obwohl er natürlich nicht breiter ist als die übrigen Joche. Da man vom Eingang
aus die wichtigste Lichtquelle nicht sieht oder wenigstens ihre wirkliche Anlage
nicht erkennen kann, so ist die Wirkung dieses strahlend hellen Teiles, hinter dem
sogar wieder der Chor etwas ins Dunkel zurücktaucht, doppelt überraschend und
eindringlich. Der Baumeister bat es verstanden, ohne von seinem Grundplan, der
geschlossenen Halle, abzuweichen, dui'ch die so gegliederten Anbauten jenen Licht-
effekt zu erzielen, der bei den Hauten der Hochgotik allgemein bekannt war und
der Idee jener Anlagen auch ganz entsprechend verwendet wurde. Trotz seiner Höhe
wirkt der ganze Raum nicht schlank, da die Breite des Mittelschiffes über y m be-
trügt. Einen erhöhten Keiz erhält er infolge der feinsinnigen und wirkungsvollen
farbigen Ausstattung. Durch sie in Verbindung mit den verschiedenartigsten Heleuch-
tnngsgraden, den reichen Profilierungen und dem zierlichen Spiel der Rippenüber-
setzungen kommt ein intimer, gemütvoller Zug in das Ganze, wie ihn kaum eine
andere Kirche jener Zeit aufzuweisen hat. Die Haupttlächen sind in einem warm-
- I Google
— 62 —
bräunlichen, sammetnrtiEren Ton ffehalfen, die Decke ist hellblau, die Kippen sind
wieder braun, an den liberschneidungen rot. Alle aut fallenden Nuancen sind ver-
mieden; das tiefe Rrann der gescbuitzten Stahle imter dem Empom der OBeraniie
fOgt iicli dem Gesamtcbarakter eboMO gnt ein irie die Bemahing der himdeit Re-
liefs , mit denen die Emporenbrdstun^en cresdimOckt sind und das Steinfrrau des
Renaissanceulturs im Hauptchor. Steht diese hlrscheinun? wohl riucli im Wider-
spruch mit dem sonstigen Streben der Gotik uacli weiten, gewaltig sich empor-
wOIbendea und oft gerade dnrcli den Mangel an Ornamentik ernst and Charakter^
voll wirkenden Räumen, io entspricht sie doch ganz dem Geiste der den Baumeister
dieses Werke-^ beseelte und der wiedenun Dor der Wiederschein war eines nationalen
und zugleich persönlichen Enipiiuiiens.
Ein weiter Ravm, gross genug, um die Schar der Andftchtigen sich firei
ausbreiten n lan«!, eine Cboraolage, in der sich die Bedeutung der einzdnen
Schiffe klar ansprach, mit sicherer Betonung der Mittelaxe, ohne die beiden Seiten
zu vernachliissigen; die Emporen dem Räume organisch eingtfiist und die von
ihnen gebildeten Kapellen geschickt zu zweckmässiger Verwertung gel>racht; die
Arme des Qoeraehiffs im Sinne der gesamten KosoposiUon prshtisdi als Sakristeien
und Sammdpnnkte in der höheren Region, künstlerisch als IJditspender ausgenutzt
und koitsefiiient der ("horanlage folgend im Polypon {resrhlossen, um auch hier jede
Hiirte zn vermeiden und dem harmonischen Geist des Raumes gerecht zu werden: —
SO steht dw Ban vor vns, als das Hnsterbild eines borgerllchen Gotteshauses, im
CrMste einer zwar praktisch^realeo, £ast nOehtemen reUgiösmi Stimmung, aber dafOr
frei von orthodoxer Gebundenheit oder mystisclier Träumerei. Dem Vertikal-
charakter der Gotik, dem Hochslrebeii aller (Uiedcr, wie es in den Hauten der
Blütezeit in die Erscheinung trat, widersprach die Anlage der Empureu. Sie traten
in nihere Benehnng zu dem Boden, auf dem das menschliche Treiben, hier die
gottesdienstlichoi Handlungen, sich abspielte, sie lies^en de i \ i ! ii 1 li^'cn engeren
Anschlnss finden an den Prediger, der dort ;in der Kan/el. iu der Mitte der
Gläubigen das Wort verkündete. Der Altar war nicht mehr weit abgerückt von der
Gemeinde, fem an das Ende des vieljochigen Chores, wo die litbior^sdien Brftncbe,
von Weihranchwolksin nmwallt, im Schein der Kersen dem Auge und Ohr des
Frommen nnr von einem Schleier umhüllt sich darstellten, sondern klar trat er
hervor im Tageslicht, und knapp hinter ihm schloss sich der Kaum zusammen, jede
Seitenhaudluug verbannend. Allen sichtbar trat der Priester aus der Sakristei
hervor, dvrdischritt den Raum, wo durch die Qneranne ^richsam inuupnlr
die Vierung angedeutet war, und verschwand nach SeblnSB der Ceremouie dMOM
wieder der Gemeinde. Alle jene umstilndlicheren, prozcssionsmilssigen Aufführungen,
die in dem Umgang und Kapellenkranz eine Stätte gefunden hatten, fielen natur-
gemisB fort. Zwei grossere und swri klehiere Nehinaltfire entsprach«! in den
SeitendiOren dem Prinzip der Gmppenhildnog, wie es in derdreiteiligen, Idar dis-
ponierten ('horanlage hervortrat.
Au Stelle der lietendimeiiBiuii der riiorpurtiea der hochgotischen Periode,
besonders der französischen Kathcdralkircheu, war die Breitendimension getreten:
eine malerische Auffassung hatte Ober das spezifisch architektonische Schelfen die
Oberhand gewonnen. Die Stelle, wo die Lebcnscentrale des katholischen Kultus
liegen sollte, zieht sich aus dem dreidimensionalen Kaum zurttck, sie tritt in die
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— Ü3 —
I ' ' I ' ' ' ' 1
Abb. 42. Stadtkirchc Kt. Marirn in Pirna. (Nach Stech«.)
Flüche ein und fügt sich damit mehr als HcRrenzung dos Raumes, den sich die Gemeinde
si'iiuf, denn als »elbstiindiKes, mit eigenein Leben und adäquater Daseinsberechtigung
ausgestattetes Raumgebilde der architektonischen Schü])fung im Ganzen an. Altar-
dienst, Messe and Hochamt sind nur noch ein Teil des Rahmens, der die Feier der
Gemeinde umschliesst: so kaim auch der Raum, in dem sie sich vollziehen, sich der
freien Halle unter- und einordnen, die der Gemeinde eine Stiitte bietet. Das Collec-
tivum der Laien ist die Seele des Ganzen geworden, die Raumeinheit liegt also
allein in der Halle, nicht mehr in der Vierung, wo tlie Yereinigungsstelle zwischen
I'reRlivterium und Landhaus sonst gelegen war, wo aber Klerus dort und Gemeinde
hier einander klar gesondert gegenüberstanden. Als Sammelwesen von lauter Indi-
viduen, die ihren Verkehr mit dem Überirdischen persönlich unterhalten, soll die
Gemeinde «len gesamten Raum souverän beherrschen: nur für sie ist das Messopfer,
das der Priester als ihr Verordneter vollzieht, nur ftlr sie erst recht die Predigt,
bei der der Verkünder des Wortes mitten unter sie tritt. So bietet sich uns in
der künstlerischen Umgestaltung des Gotteshauses ein klares Bild des Umschwunges,
^ ' Google
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in dem das religiöse Gefühl jener Zeit sich l)efand: der nahende ProtCBtantismus
kfindet sich in der Kirchenanlage eines weit entlegenen Uebirgsstädtchens an; aber
noch ehe der Üaa ganz gediehen, ist der liann gebrochen und siegreich zieht der
neue Glaube in du« Hana ein, das seinem Geiste so trefflich entsprach.
Fragen vir nun, vle die äussere Erscbeinnng unseres Baues sich zn dem
Geiste verhält, der im Innern waltet, so mQssen wir die KonBeqnenz der Idee auch
hier anerkennen. Die schräge Westwaml, durch die breite Freitreppe mit der natür-
lichen Hasis verbunden, und die Verlegung des mächtigen Tunnes auf die eine Seite
weisen mit Xachdnick auf eine malerische Auffassung auch dieser Teile hin. _ Das
traditionelle Schema der Symmetrie, das far jedes Glied entweder ein Gegenstfldi
Ahh. 43. Sindlhiteli« 8t. STwIen in Firn«. (Nkch SMeh«.)
oder, wenn dies nicht möglich, den Charakter des Centralen fordert, ist durch-
brochen, wenn die Lösung hier auch noch keine ganz befriedigende genannt werden
kann. Eines aber ist erreicht: es steht nicht mehr «an Baa vor ans, dessen
mecbanisch-Btruktive Teile den eigentlichen Kern, den geschaffenen Raom, ganz
öberwuchem. wo mr, überwältigt von der Kühnheit und Phantasie der sichtbaren
Mittel, nns vergeblich die wahre Gestalt der unsichtbaren Zweckerscheinung klar
zu machen suchen. Der innere Konipromiss, zu dem der Hetrachter des Aussen-»
baiies tarn Verständnis des Inneren stets notwendig sich entschliessea nmss. wird
wohl nirgends so erschwert wie Tor den Erzeugnissen des hochgotiscben Kathedral-
stiles. Die Annaberger Kirche dagegen stellt sich von aussen als das dar, was sie
im Innern sein will; eine Halle mit zwei Seiteubauteu in der iireiteurichtuug — damit
unwillkürlich das alte Erenzschema wahrend — und einem dem Ange wohlthnenden
Abschlösse nach aussen an der Hauptwand: dem Chor mit seinen beiden Trabanten.
Kein Strebepfeiler ragt auf, kein Strebebogen schwingt sich einer unsichtbaren
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Wölbung entgef^en: nur am
Chor klingt in den wenigen
(las Polygon markierenden
schlichten Pfeilern noch
ein Rest des Jahrhunderte-
lang gebrauchten Bildes
an. Der Turm drflngt sich
eng an den breiten Haupt-
bau. Noch war die Formel
nicht gefunilen, um dem
(iebäude. wie es vor den
Augen der Stadt sich er-
hob, Schmuck und feinere
Gliederung zu verleihen,
aber das Kleid übertrie-
liencr gotischer Zierweise
war abgestreift und die
Flache frei, die Formen
einer neuen Kunst zu
tragen.
Wenige Jahre nach
dem Keginn des Anna-
berger Kirchenbaues füllt
die Gründung der Stadt-
kirche tu Pirna, ^ im
AnschlusB an einen Turm-
bau, der noch aus dem
15. Jahrhundert stammte.
Die Vollendung des Schif-
fes geschah im Jahre l.')4(i,
also in einer Zeit, wo
die Reformation in der
Stadt schon festen Fuss
gefasst hatte. Die Ähn-
lichkeit des Grundrisses mit dem der Annaberger Kirche ist unverkennbar, und
w^ir können wohl annehmen, dass sich die Hand eines Meisters hier kundgiebt,
der in Annaberg der liauleitung auch praktisch nicht fem gestunden haben muss.
Peter von Pirna war in den Jahren bis ir>l!» in Annaberg thätig und ihm dürfen
wir auch die Ausführung der llaui)tkirche seiner Vaterstadt zuschreiben.
,Anro. Nack den verschiedenen, vielfach unaiiKgpglichenen Vermutungen bei Steche,
Beschreibende Darstellung; der älteren Üau- und Kunstdenkmäler des Königreiches
Sachsen, Heft I. hl und IV. 7 erscheint mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass
Peter von Pirna um 1504 den Plan zu der Pimaer Kirche entwarf, mit Kenntnis des Anna-
berger Ii^twurfes; dann nach Vollendung der Langseiten 15()h in Annaberg praktisch den
Abb, 45. Cburirewolb« dtr Sladtkirche in Plrn». (.N*rb .Steche.)
') Steche I. S. 56 ff.
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Betrieb mitstudierte, und endlich, als im Jahre 1518 dnrcli cntstan«icne ScLäden im Mauer-
irerk der Bau ins Stocken geriet, nach Pirna zurückkehrte, um sein Werk veiterzufQbren.
Ob er die YollenduDg miterlebt, oder gar selbst durchgeführt hat, wissen wir nicht.
Auch hier eine dreiechiffige Halle mit uitibm Jocben, und achteckigen konkav-
seitigen Pfdient. Die AUlachimir dei Choret ist noeh eliMii Sehritt weiter gegangen.
Der Abscbluss des Mittelschiffs wird nur noch aus drei Seiten des Sechsecks gebildet,
and bei den Seitenschiffen ist die Ecke der gongt llblirhen geradlinigen Wand schräg
abgeschnitten. Das so entstandene Folygun kann aus dem diagonal gestellten
Achteck erldärt werden. Der Absehhm dee nördlichen Seitenschiffes ist nnregel-
ntitasig gebildet, (ib^dies durch den Treppeneinhuu mit der anschliessenden Empore
entstellt. Im Übrigen untersiheidet sich das Innere von der Ainialjerper Kirilie
dadurch, dass nicht die Strebepfeiler in das Innere verlegt sind und so die Emporen
eich organisch einfügen, sOBdem die Emporen mar an der nördlichen nnd westlichen
Wand vnd zwar ^«1 qtftter, 1670 and 71 schon in den Formen der Renaissance
mit Rundbogen und Säulen, hinzugefügt wurden. Sein charakteristisches Gepräge
empfangt der "Rtxum durch die reiche und kunstvolle Dekoration des Gewölbes; ein
System scharf protilierter, stark vortretender Rippen ist zwischen die Pfeiler ge-
spannt» steUttiweis« ganz von dem Grande losgeldst und firei herabhtngead. Als
Sttttxen dieser Last schoben sich von der Wand ans eins Reihe nataraiistisdi ge-
bildeter, von phantastischen Fahel'-restaltf'ii gf haltencr. steinerner Stämme vor. Hier
war der Brach mit dem strengen Vertikalismas der Gotik geschehen: die Decke
war nicht mehr das Znsammenschliessep aller aafrtrebenden Glieder, sondern eine
sehwerlastehda Masse, brdt sieh hinlagemd Ikber die Pfeiler von Wand za Wand.
Die Rippen fanden keine natürlichen Ausgangs- und Stützpunkte in Pfeiler und
Konsolen, sondern trieben halt- und zwecklns an t!er flachen Decke ihr Spiel, aus
iler struktiven Notwendigkeit sieb freimachend und der dekorativen Willkür zum
Opfer gefallen. In malerischem Wechsel konnten Lieht nnd Schatten in dem Ge»
wttihe ihre Reize entfalten, aber die tektonische Sicherheit, die Einheit mit dem
Raum als Ganzem und die Harmonie mit den Gliedern im Einzelnen war vsrloren
gegangen. Der Meister hatte sich von seiner tedmischea Geschicklichkeit verleiten
lassen, den GnmdgedaidEen des Baues ans den Angan n vatürnftn. Der sicher
gegliederte, entste nnd dnrchans zwecfcmttssige Ranm erhftlt durch das tlherrsicibe
Gewölbe den Anstrich cine^ selhsttrefälHfren, spielerischen LuxnK. Die letzten Aus-
geburten einer in iabrelaiitrer Arbeit errungenen Fertigkeit stehen dem Erzeugnis
klar-bcwasstcr KuuiaKum>t iremd gegenüber.
Wir haben gesehen, wie dar Zug der Gotik, die in die Tiefe gehende LBngs*
axe za betonen und besonders auch im Chor iHe Längsanlage durch Hereinziehen
,|,..- ]ifrspftktivischen Wirkung den macscreh enden F.imlrnck besfinunen zu lassen,
in der wachsenden Breite und Höhe der Seitenschiffe und Einfügung der Axe
des ChorgewOlbes in das Mittelschiff selbst dnen Gegner fand. Kicht allzuweit
von nnserm Gebiet, im OstGeliMi Naehbailawle, in Schlesien, fand die neos Ban-
form einen Vertreter in der Kirche S(. Peter und Paul eu (7('r?i7r.') Sdioii
1497 sind hier die Gewölbe des fünfschiftigen liaufs vollendet. J)er Os^tabm hluss
ist in der Weise gefunden, dass das Mittelschiff in fünf Seiten des Achteck», die
0 Pnttridi. S. Abteihmg. 8. Band. Lieferung 8S o. 34
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inneren Seitenschiffe in drei Seiten des Sechsecks, die äusseren gerade geschlossen
lind: eine wirkungsvolle äteigerung des Trinzips, die bei dem Mangel eines (^uer-
scldii den weiten Rnnm Tollstftndig zn behemdien vemag. Der perspekthriadie
DordiUidc in den Wald von Pfeüeni kann ober die kflneUerisebe Einaeit^elt wohl
htDwegtfiascheiL
Abb. 47. t^oUtfuii0pkirehe in 9eIiiic«b«Tg; (Sseh Steehr.)
Unweit von Annaberg, auch pulitisch der Ilaujitstadt des neuk'esthatlenen
Koltorlandes, erfuhr das System der freien Ruumschöpfuug, hervorgerufen durch
eine harmoniseli vermittelte GleicbateUnng toh Schilf nnd Cboipartie, dann einen
hedentungsvollen Ausban. Die WolfyanfjsJcirche gu Schneeberg ^) ist gleichsam
eines der 8])fltes(en TJeiser an dem IJaunie der Gotik. Der Heirinn des gewalfijjen
Baues fallt in das .lalir 1515, also in eine Zeit, wo jene beiden erstbesprocbenen
') Steche VlU. S. 2« iL
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Kirchen 8chon weit crediehen waren. Die Gewölbe wurden ir>i>ti fertig gestellt, hh
in die vierziger Jabre zog sich die Vollendung hin. Der Meister Ems von Torgau
war im Jalure 1519 ala SadmiMliidiger ueb Amütag bvnkn wraden, hatte ibo
jemen Ban schon bis auf das G«w01be ToUendet geaehen, und Twiiochte wohl die
kQnstlerischen Eindrflcke. die er da empfanKCri hatte, in seinem eitjonen Werke
mit zu verwerten. Und wnbrlich ist die Sprache, die er hier redet, die eines
selbständigen, freidenkenaou Künstlers, frei von zflinftlerischen Vorurteilen, geläutert
dnreb efodrin^cbes Stadjnm und gestatzt auf die reidbateii technischen Kenntnisse.
Er errichtet eine Halle von drei fast gleichbreiten Schiffen: zehn schlanke Pfeiler
tragen die Decke, deren fTewfdbe von einem pinfachen, fOnfzehnmal wiederkehrenden
Rippennetz gegliedert wird. Das Mittelschiff domiuiert nicht mehr, sondern bildet
mit den Seitenschiffett rasamm«! einen grossen Baom, der aOe drei Dimensienen
in gleicher Weise snr Geltiing kommen liest. Denn auch die Anlage des Chores, wenn
man noch von einem solchen reden kann, ent.sprieht diesem Kindnick. Vier Seiten
des ?>echzehneckB verliinden da die Nord- und Siulwand, so dass also in der Mitte
ein Pieiler zu stehen kommt: so wird die i.'entraie im Mittelschiff, wenn auch im
Gegensats m dem khssisehen Schema, dentüdier betont, als wenn die gerade Wand
mit dem Fenster diese Stelle einnflhme, die man bei der Flachheit des Schlusses
kaum noch als Teil eines Polvfinns emi)fitiilen würde. Der ideale Mittelpunkt
des Sechzehnecks fällt damit ziemlich in die Mitte des letzten quadratischen Mittel-
Joches, nichi w^ von dem Orte, wo jetzt das Tasrfbeekea steht Es ersdidnt m^,
als ob es dem Meister widerstiebt hfttte, die östliehe Hauptwand gans gerade in
lassen, als oh er das Verhältnis zu der Aussenwelt etwas harmonischer ausj^leichcn,
vieMeirhl das Um.tielien des wertvollen AltiustOckes habe erleichtern wollen, al.s dass
ihn noch eine Vorstellung von der originären Bedeutung des ( hores durchdrungen
habe. Und ein Zweites kommt hinm, die unmittelbare Zugehörigkeit dieses Teiles
zu dem Gemeinderauni auszudrtickcn. Die Strebepfeiler sind in ihrem unteren Ab-
schnitt in das Innere der Kirche hereiiicrenommen und tra^ren sclunale Emporen.
An der Westwand springt die Urgelempore in barocker Biegung weit in den Raum
vor, von swei Sftulen getragen. Aber sei es nun, dass es den Baumeister ästhetisch
nicht befinedigte, die Eroporen nut dem lotsten geraden Ostjoch ^tt abznschaeidein,
sei es, dass aus ]iraktischen Gründen eine direkte Verbindung der vi elfreb rauchten
Galerien in dem weiten Raum sich notwendig machter er dnrrhhraih ilie lirciten,
inneren (Jhorstreben und ftihrte, unbekümmert um die Bedeutung des ürtes, die
Emporen an den vier Seiten weiter, von Wand zu Wand, in gleidmiflssiger Höhe.
Damit war der letzte Stliritt petlian, den Vertikalisnius, wie er früher gerade im
(Tior, in den schmalen Seiten des Vielecks mit den schlanken Fenstern am reinsten
xur Geltung kam, zu durcbbreohen und die Stätte der heiligen ilaudluugen selbst
dem Horisontslismos zu unterwerfen. Und hier htt <» wirUidi d«r FrotmtantiBims,
dessen Einflnss diese Anlage zur Folge hatte: die Emporen süd in den Jahren
I53ß und 1537 errichtet: zwei Jahre vorher hatte sich die I\eforniation der Stadt
bemSchti^t unrl driUkte nun sntort dem gewaltifr.sten Überrest katludisclien (ilaubens-
eifers den Stempel ihres Geistes auf. Erst seit im Anfang des IH. Jahrhunderts
an Stelle des einfachen Cranaeh'schen Altarwerkes dn miehtiger, fast Us zur Decke
reichender Ilarockhau getreten ist, kann das Auge dem Uudauf der Empore in seiner
vollen Aasdehnong nicht mehr folgen. Aber es muss fdr jene Zelt von eigentomlicher
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Wirkung gewesen sein, wenn nicht nur in der Halle gesanunelt, sondtrn sogar rings
auf der Galerie verttMlt die Glaubigen sich um den Prediger scharten, wenn die Cere-
monien des Guttesdienstcs gewissermassen im Herzen der Gemeinde vor sich gingen.
Haben wir gesehen, welche bedeutenden Fortechritte vom künstlerischen und
geiatesgasehiditUdi«» Standirankte aus der Bau anfirdst, lo kOmien ancli die lOngel
nicht verschwiegen ii! II. iir ine
reine Freude an dem Werk un-
möglich machen. Da emptinden wir
vor allem «ine gawisae Nüchtern-
heit der Erscheianng, herrorge-
rufen durch die ornamentale Armut
und die farbige Eintönigkeit. Die
Wölbungen sind im Verhältnis zu
den ecUanken PfeUam md den
enormen PfeilerabsUnden zu nied-
rig; dadurch und infolge der ge-
raden Linien der Erapureubalu-
atrade, die nicht etunal wie in
Anm^§rg durch rhythmiadi aich
wirderholende Vörie niiriitifjen bdeht
wird, kommt etwas Lastendes,
Trübes in den Kaum. Die riesigen
Dimensionen nach Hohe und Breite
wirken mehr erkilltend als er-
hellend. Wohl müs.sen wir die tech-
nische Meisterschaft bewundern,
die diese OewMhe auf aolch dOnne
Pfeiler an stellen wagte; aber daa
Höchste, was uns allein volle
Hefriedigung gewähren kann, die
künstlerische Harmonie der Ver-
hiltniaae ist nicht erreicht. Das
war es gerade, was dem Anna-
berger Hau den Stempel der Vol-
lendung aufdrückte. Der warme
Hauch vorwlrtsstreb|niden indivi-
duellen Geistes, der uns dort um-
wehte, ist liier verflo','en und imponierend in
herb und kalt tritt die neue Zeit vor uns hin.
Auch der 13aa, der gleichsam ein Kompendiom der obersftchsischen Dau-
geiehiehte durch annihemd swei Jahrhunderte darsteOtt rausste die Einwirkung der
neuen naupriniipton an sich erfahren: die Marienkirche eu Zwickau An oma*
mentalem Reichtum, an Freiheit und Pracht der künstlerischen Durchführung im
Einzelnen steht sie an erster Stelle, freilich trügt sie, fast ein Jahrhundert lang
jrTTTTrrrn
Abb. 4t*, Murienktrclic In Zwickau
(Nach f^teche.)
ihrer geschlossenen Grösse, aber
*) Steche XH. 8. 80 ff.
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das Opfer von Terflndenuigen und Krgäii/uni^reQ, nicht den Charakter der Ein-
heitlichkeit, wie etwa die Aimalierijcr Anlau'o. l'm so interessanter ist es zn
heobachteu, wie durch die Mauuigialtigkeit der Gliederung doch eiü grosser Zug
geht^ und die Wirkung, die der Bta, beemidne aitek in Minem Ansieren nodi heute
■af den Beseliener muAbt, iteDl eieli dem HOduriMi m Um Seile, wae «nf dieeem
Gebiet erzielt werden kann. — Nach mancherlei Versuchen — die Gründunc; geht
bis ins 12. Jahrhundert zurück, im M. Jahrhundert fällt die schon weit fort-
geschrittene Aulage einem Brande zum Opfer — entstand der Chor, wie er in der
Hanpteaiclie noch jetzt dasteht, in den Jahren 1463—76; 1473 — 1806 wurde der
Abb. 4». MntaUnbt la SwMwat <)win«baitt. (Naoh Btwbft)
Turm, 1Ö05 — 17 der nördliche Choranbau errichtet, darauf das tiewölbe des Alittel-
•chiffli erneuert, die endliche Yerhreiterung dee Sddffee durchgefllhrt u. s. f., bie
im Jahre 1538 alle Teile des Baues vollendet waren. (Der Turm erhielt seine jetzige
Gestalt mit dem Kenaissancelielm \iMl — 72). Als selbständiges Baumtrehilde legt
sich der Halle noch eine fünfteilige Vorhalle vor, Oberragt von dem Turm: eine
KolUsion dee Hauptraumes mit dem Turm, wie wir sie in Anndberg und Pirna ge-
fanden haben, ist slso Tennieden, das alte romanische, besonders in Westlden
heimische Prinzip, Turm und Terhalle zn vereinigen, herfibergenommen. Dadurch
schuf sich der Haumeister einen gleichmftssigen Raum fttr das Langschiff und zwar
mnsste er ihn dem schon vorhandenen Chor anpassen: eine Aufgabe, deren Lösung
ihm ^UeamaA gelnngen ist Er setste die Bdhe &m Pfeiler mit nur gans geringer
Abweichung gerade fort, schob die Seitenwinde so weit nach aussen, dass drei fast
ploichbrcitc Schiffe entstanden, und errichtete in dem Winkel, der von der Haupt-
Beitenwand und der geraden Ostwand gebildet wurde, den Treppenturm. Die Ver-
mittlung zwischen der Haupthalle, dem wuchtigen nördlichen Emporenbau und dem
Chor ist damit hergestellt, frdlich dadnrdi, dass einem sonst nnr praktisch wert-
vollen Teil in dem Bild des Oaasea ein Rang eingertnmt wurde, der ihm wenig m-
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kam. Der Charakter des
Chores als selbständiger,
ja wichtigster Teil der
ganzen Anlage tritt deut-
licher hervor als bei allen
anderen bis jetzt betrach-
teten Beispielen. Ob die
schrftge Kichtung der süd-
lichen Chorwand im Sinne
einer bestimmten kflnst-
lerischen Wirkung beab-
sichtigt war, ißt schwer zu
sagen, jedenfalls kommt
sie der perspektivischen
Erscheinung entgegen und
bereitet auf den polygo-
nalen Iluuptabschluss vor.
Dieser ist, da das Mittel-
schiff unbedingt dominiert,
in der Weise angeordnet,
dass dies in drei Seiten
geschlossen ist, die Seiten-
wand der Nebenschiffe
aber nur durch eine
Schrilgwand mit den Sei-
tcnstrebeu des Mittelteils
verbunden sind. Das Ganze
erscheint etwa als der dritte Teil eines Fünfzehnecks, jedenfalls als fünf Seiten
eines Polygons, dessen Mittelpunkt beinahe mit dem den ganzen Chores zu-
sammcnfüllt: die Idee einer centralen Komposition dieser Partie liegt also nicht
fem. Die Anlage eines Querschiffs ist natürlich bei einer derartigen Kaumkom-
position uimiüglich: und trotzdem sind es zwei Momente, die wenigstens für einen
.\ngenblick einmal die Vorstellung erwecken können, als sei ein solches vorhanden
oder doch mit dieser Schöpfung nicht ganz unvereiidiar. Heim Heraustreten aus
dem Schiff in das erste Joch des Chores hat man unwillkürlich den Eindruck, als
ob dieses, das ja auch faktisch beträchtlich breiter ist als das letzte Joch des
Mittelschiffs, die Vierung sei, besonders da die Seitenschiffe ja hier nur halb so
breit sind, das Mittelschiff also bei den veränderten Massen unbedingt an Breiten-
wirkung gewinnt. Und hat man sich erst einmal dieser Täuschung hingegeben, er-
scheint die obere Partie des nördlichen Choranbaues wie ein neues, fünftes Schiff,
da man natürlich im Geiste auf der andern Seite dasselbe Gebilde suppliert; und
die Vorstellung liegt nicht fern, getragen von der Betrachtung des sich ausweitenden
Mittelraumes, zwei vorspringende Flügel Itildeten hier die Trennung zwischen Schiff
und Chor. Wie in Annaberg ist der untere Teil des (vermeintlichen) Seitenraumeg
durch die Sakristei eingenommen und die Erinnerung an die Annaberger Anlage lässt
natürlich auch die ganze Illusion leichter ins Leben treten.
Abb. 50. Alarieakircbe in Xwickan.
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Der Reiz der Räumt isdieinung im Grossen liegt in der Weise, wie die Gegen-
sätze der architektonischen Teile im malerischen Sinne behandelt sind. Am wirkungs-
vollsten ist hier die nordöstliche Turtie, wo die doppeltgeschlongene Wendeltreppe die
beiden uogleieh hohen Emporen verbindet^ and frei an der Wand bis zor Deelen empor*
steigt. Die Idee dieser Doppeltreppe ist aus der Profaoarchitelttar genommen, wo ne
»Is e!f,'eiK'r Hau diuiuils ;ius der Gesamtaulage herauszutreten begann: am ^rhlo^s zu
Meissen bat sie ihre idealste Gestalt erhalten, die Renaiasauce hat ihr später auch eine
«nagedehntn Venreiidung gebradit So verleiht aie andi hier dem Bau den Charalcter
dea Wdtlich«!, Feetiaalhaften, lAst dabei aber praktisch ihre Aufgabe vortrainich
ond erweckte jedenfalls als ein Meisterwerk sinnreicher Konstruktion in jener Zeit
die grösste liewunderung. Die wuchtigen Formen der Ineiten Empore am Chor
stehen in wirkuugsvoUew Gegensatz zu den schlanken Tfcilem, die reichgeschnitzte
Balnatrade acblieaat die masaive, mgegliederte Wand charaltteristiaeh ab. Die
Bildung malerischer Gra[ip*^"> unterstQzt durch eine Fülle von Altären, HUdem
und Sknlptnren ;in Wand und Pfeilern, und reizvoller Dureliblir! " in verschieden-
artiger Heleuchtung ist dem KQnstler als die letzte Aufgabe seines Schaffens er-
schienen. Die gaiue Banmblldaug gebt ina Breite; besondere der Chor in seiner
etwaa nnalchem Weite mit dem machtigen Fenster in der Oatwand, wo daa Lieht
in Strömen hereinflutet, verkörpert diese Idee, dazu die niedrig, fast als Tonnen-
gewölbe gespannte Decke mit dem Hippennetz, das sich frei über die ganze Fläche
ausdehnt, ohne durch Retonung der Gurt- oder Scheidbögen eine bestimmte Rich-
tvng fan Zug des Ganzen anflcorainen zv lassen. WoU empfinden wir llberall den
I'ulsschlag eines starken eigenen Lebens, aber es ^clnringt sich idcht empor zu den
Hoben des Lichts, sondern beharrt fest auf dem Hoden, der es ernährt und dehnt
sich behaglich breit darauf aus, unbekümmert um das, was ausser ihm vorgebt. Die
Rehce eines stillen, hitinmi Dai^na finden gastliche Stttte, aber alles Idamnert sidi
feat an dm wirklichen Kern an, nichts wagt sich aua dem fest unschloaBenen Banm
herau.s. Dem steht nulit ont?egen, dass die .äussere Erscheinung des Hiuies an
lielievolirm Kcichtuni und Zierlichkeit alles übertrifft, was das I,and sonst iihnliclies
hervorgebracht bat. Die liurger der begüterten Stadt schufeu aus ihrem Gottes-
haus ein Schmnckktstchen lel»endiger and pztchtiger Dekoration. Der Ban sollte
ein Kleid tragen, das dem wohlhabenden Charakter seiner Schöpfer entspracli : innen
wolinten Gntfesfun'bt und Glaubenatreue, aussen der bewusste Stolz auf ver<liente8
Glück und die Freude an der sinnlich schönen Erscheinung. Tektonisch erhielten
die Verblndnng zwiachen den beiden Sph&ren und den Zusammenhalt der Form
die Strebepfdler: innen tragen sie die Emporen, ansaoi atatzten aie die Wölbung
des Daches, i'iakti.^ch und iiHtbetisch ging von ihrem Werte auch niebt der
kleinste Teil verloren. Und doch vermögen auch sie des Zuiyes zum Horizontalen,
der durch die ganze äussere Gliederung gebt, nicht Uerr zu werden. So bildet
sieh der Bau im Geiste einer klaren, in sich selbst beharrenden Ideenwelt; die
Körperlichkeit der Masse ordnet sich willig dem anfassbaren G^er, dem
Baume, unter.
Wie sich die Ligeuart der künstlerischen Theorie zur verständnislosen Ab-
snrditflt auswachs, sobald der erste stürmische Anprall des praktischen Lebens, des
Kavqtfos um die p4««önliche Existenz in die gleidnuflssigen Balmen einer gesieherten
Kaltnrentwieklang gelenkt war, verfolgen wir adiliesslieh an der Ibnptkirdie einer
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letzten jener Neuijründungen, der Marienkirche zu Marienberg.^) Schon im Zeit-
alter der reiferen Renaissance 1558 gegründet, entstand sie, nach der Erzählung des
Chronisten, nachdem man vorher an der Pirnaer Stadtkirchc die Anlage studiert
hatte, als dreischiffige Hallenkirche mit Pfeilern und Decke von Holz, die erst im
17. Jahrhundert durch steinerne Säulen und ein steinernes Gewölbe ersetzt wurden.
Was uns hier beschäftigt, ist vor allem die Bildung des Chores. Im Gegensatz zu
der Zwickauer Anlage, die
auf die Gliederung des
mittleren Teiles das Ge-
wicht legt, ist hier die
gerade Ostwand im Mit-
telschilf beibehalten, und
nur die Seitenschiffe en-
digen in zwei Seiten des
Achtecks. Die Vereinheit-
lichung des Raumes durcli
möglichst einfache (ilie-
derung und gradlinige Re-
grenzung ist damit auf
die Snitze getrieben, die
Erinnerung an die poly-
gonale Gestalt der Chor-
partie regt sich nur noch
in der Behandlung der
Seitenschiffe. Die Ostwand
ist der Westwand jetzt
fast adäquat geworden,
der Altar projiziert sich
in seiner ganzen Breite
auf die einfache Fläche.
Eine Empore zieht sich um
den ganzen Bau, aber sie
ruht nicht auf den Nebenpfeilem. soiideni auf schmalen, mit Halbsäulen versehenen
Pfeilern, die mehr als ein Drittel der Seitenschiffe einnehmen, und kaum anjie-
deuteten Wandkonsolen. Den Winkel, den der Polygonschluss der Seitenschiffe bildet,
durchquert sie, so dass hier die Nordost- und Sü<lostecke einfach abgeschrägt er-
scheinen. Im Chor wird sie zu einem massiven Einbau, ohne Öffnung nach dem
Innern, der an der Ostseite, direkt hinter dem Altar, die Sakristei einschliesst-
eine neue, praktisch htichst beachten-swerte Verwendung des Raumes. Indem das
ganze erste Westjoch durch die Orgelempore eingenommen wird, erhält die Halle,
an sich schon ausserordentlich schwer in den Formen, etwa.s ausnehmend Wuchtiges,
Gedrungenes. Die dicken toskanischen Säulen, die niedrig gewölbte, rippenlose
Decke, alles trägt zu dieser Wirkung mit bei. Von der Betonung einer bestimmten
Axe, der Steigerung nach den massgebenden Teilen hin oder der Präzisierung ge-
Abb. 51. Marienkircbe iu Marieubertf.
«) Steche V. S. 15 ff.
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wiBBCr Effekte ilurch piscnartiue neleiulitungsweisen kann nicht mehr die Rede sein.
Eine niit htenie. unharinlierzii;*' Helle dnrphdniifjt alle Teile; matte Farben, hellblau
und gelb, bedecken Pleiier, Wand und Gewölbe. Wohl kann man sich vorstellen,
das« der Gläubig« hier Im logisch-itrengeii ErfasMO dei gOttUdieii Wortes Be-
friedigung findet, aber zu verzelirender, alles Irdische vergessender Andacht ist kein
Plätzchen inrhr In Der Keni ist verloren gegangen, nm den sich die Gotik
scbliessen konnte, und so ist von der Form nichts mehr Übrig gehlieben als eia
ZenrhUd, das kaum noch dea Namen , Gotik" verdient.
Bei all«! Kirchen, die wir his jetst keimen gelernt haben, konnten vir den
bürgerlichen Cliarnkter ihrer Erbauer auch in der architektonischen Komposition
deutlich wiederhnden. Däi«s auch die Klöster sieh der herrschenden Strömung nicht
entziehen konnten, beweist die Schlosskirche in Chemnitei). UrsprQDglicb eine
romamsebe Anlage mit Qnersehiff, (Aorapsia und swei begleitenden Apddiolen an
den Qnerschiffai-men, wurde sie in jener Zeit völlig umgebaut; der ("hör erhielt 1499
seinen jetzitren polygonalen Al^schluss, und an das Querschiff wurde seit 1514 eine
dreischitlige üalle angefügt. Ikuherren waren die Mönche des Ueuediktinerklosters,
das auf der Anhöhe Uber dem See lag; der Hauptleiter and Förderer des Baues
war der Abt Hilarius CartMatarina. Der Umsdiwnng in den politis^en Veihftlt-
nissen t\bcrho!te die Vollendung der Kirche: schon 1511 wurde das Kloster vom
Tlerzou Heinrii li dem Frommen auferehol>en. und sein Haupt, der Abt Hilarius, ver-
sagte sieb dem neuen Glauben nicht; er starb als Protestant 1557. Der üao, mit
dem sein Name verbunden ist, seUiesat sieh in der Gestaltong des Baumes der
grossen erzgebirgisdien Gruppe an; die Empore war ursprünglich nur an der Nord-
seite und breit ausladend als Trftger der Orgel an der Wcstwaud errichtet. Dort
ruht sie auf schmalen Stützen, die fast bis zur halben Höhe des SchiAes hinauf-
fuhren und Bit den taasen» Strebepfeilern korrespondieren; ihre Breite beträgt
riemlich die HMfte der Seitenschiffe. Daa Mittdacbiff hat die Breite des Chores;
di-^ < »uerschiffarme. jet?t ebenfalls durch Emporen eingenommen, springen in Seiten-
Bchirt breite aussen vor. Der Chor ist in fflnf Seiten des Achtecks geschlossen:
»Ue Decke überzieht ein verwirrend reiches Kippensystem. Die IJnien der kon-
struktiven Gliederung sind glnzKch vemachlissigt, hi runden Schleifen und ver-
wickelten Durchschneidungen winden sich die Rippen durcheinander. Ea kommt
nicht mehr darauf an, den Schwung der Wölbung im pj'nzelnen festzuhalten, sondern
als dekoratives PruuiistUck tritt die Decke auf, und bis zur blossen Bemalung der
FJAcbe mit allwJd Banke&werk ist nur noch ein Schritt. Gerade auf diesem Ge-
biete schafft die deutsche Renaiasattee mit ilirem Bandwerfc, ihrer ausgebildeten
Flachennrnamentik dann nichts eisenilirli Neues, sondern löst nur in ihrem Geiste ab,
was liir schon aut lialliein Wege entgegen gekommen war. Die Sehlosiskirche ?u
Chemniie vereinigt die scldanke ChoronUge und das (^erschiff romanischen ür-
spmngs mit der Halle einer Zdt, die sich schon mit dw Rmaissanee berohrte.
Der seltsame Kompromiss hat zu nicht unerfrenhchen Hesultaten geführt: die Klar-
heit der Gliederung spricht sich auch in dem Aiissenbau aus, der schmale Chor löst
die breite Halle wolüthuend ab, der Zug in der Tiefe, dem Hauptaltar entgegen,
dringt in die Weit« des Schiffes ob. Was die letzten Vertreter mönchischer Wohl-
0 Steebe m S. 10 iL
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m i l t l f i i t I i c; L-
Abb. 52. Jobaimitkircfao in PlkoeD. (Nach Stecht.)
babenheit schufen, hat sich der Protestantisnms ohne Muhe zu eigen gemacht, und
mit derselben Freiheit lebt er sich in dieser Uehausung aus wie einst PfaiTendevotiou
und Ueiligenkult.
Gleichfalls auf den Resten einer romanischen Anlage erhebt sich die Stadt-
kirche St. Jakob in Chemnite,^) doch ist hier kein wesentlicher Teil aus jener
Bauperiode in dem heutigen Hilde mehr erhalten. Der Chor erhielt in den Jahren
138!» und 1395 seine jetzige Gestalt: dreischiffig, die Seitenjoche quadratisch, das
Mitteljoch zweimal so breit, zeigt er den üblichen Abschluss in drei Seiten des
Achtecks; der Umgang der Seitenschiffe setzt sich aus sieben Seiten des Sechszehnecks
zusammen. Die Entstehung des Ilauptbaues fällt in das Ende des 15. Jahrhunderts,
die dreischiffige Halle ist schon ganz im Sinne der späteren grossen Kirchenbauten
des Erzgebirges als l'redigtraum nnt schlanken Pfeilern, denen hier auch die kon-
kave Einziehung fehlt, und scbwerruhenden Gewölben durchgeführt. In eigentüm-
•) Steche VIT. S. 26 ff.
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Ueher Reminiszenz an ein romanisches Motiv werden die Nebenschiffe nach Osten
in einem PolvRon abgeschlossen. Die ivuchtifje Mauermasse, die so am Eingang
des Chores entsteht, lässt die Verbindung dieses ieUes mit der Ilulie zu einem
einheitliclieo Raum schwer «afkonimeii. Freflieh bot der Gior Renm geong, um
oOtigMifiKlls allein za PrediKtzwecken verwendet zu werden. Stillose hölzerne Em-
poren entstellen jetzt das Schiff und nehmen soviel Licht weg, dass (Iber die Wirkung
des Raumes als solchen sich nur schwer ein Urteil fäUeu läut. Jedoch ist ein band-
werkanAsaiger, nachtemer Zug anTerkennbar, der ridi s. B. Ja den kflDStleriich
unertrUglichen gradseitigcn i'feilern, in dem dUrttigen Masswerk der Fenster, in den
aiMMrordeiitlidi InreiteD, melur lastenden eis tragenden OewOlhrippen aosspricht.
Das Motiv der Hallenkirehe, bei konstleriaelier Bebandlung ao froditbar an leben-
digen Schthiheiton, ist hier in der Hand eines praktischen ISaumeisters nur in seinen
unliebcnswuriliueii Seiten in die Erscheinung getreten: als iiaumgebilde immernoch
imponierend, als Ciutleshaus nichtssagend, fast verfehlt.
Wie die Enteren sich sogar einer Anlage bemichligen konnten, in der das
Sddff deutlich vom Chor irt trennt war, stigt die Jakobskirche in ölsnÜtJ) Höchst
^ interessant ist hier auch die Komposition des Raumes selbst, die im Anschloss
an die beiden schon vorhandenen TQzme im Jahre 14öä vor sich ging. Man
legte damals den Chor nundttdhar Ostlieh vor die TOmie, md fligte ait leiser
fiiegang der Axe im Westen eine nnregebnässig sweisehiffige Hanpthalle an. So
entstand, da man die nördliche und südliche I!e£n*eiizungsmauer der Türme nur
eine kleine Strecke weiterführte, westlich au den Tünnen ein QuerschitT. Der
Raum zwischen den Türmen konnte als schmälere i'ortsetzung des Hauptschiäes
ersdiefaien. Im Jahre 1619 worden simtlidie inneren ümfassangm mit Ansnshme
>) Steche X. & IS ff.
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Abb. H. Jubttuniitklrcbe ia Plauen,
des Querschiffs mit Kmporeu versehen. Die Pfeiler, auf denen sie ruhen, sind zum
Teil bis zur Hanptwölbunf? fortRefülirt und vertreten hier die Stelle der Gewölbe-
pfeiler, während sie zugleich im Chor und im südlichen Seitenschiff ihre Widerlager
an den Innenseiten der Umfassungsmauern rinden und also auch als nach innen ge-
zogene, durchbrochene Strebepfeiler erscheinen können. Diese merkwürdige Ver-
wendung eines Haugliedes im zwiefachen Sinne hat formal keinen weiteren Ausgleich
erfahren; die Pfeiler sind einfach achtseitig, die Verbindung mit der Wand geschieht
höchst ungezwungen durch Umbiegen der drei inneren Seiten des Achtecks im liund-
bogen nach der Mauer zu. Die Unregelmässigkeit der ganzen Anlage begünstigt
das Auftreten der mannigfachsten perspektivischen Wirkungen, Überschneidungen
und Durchblicke. An Stelle der grosswirkenden Erscheinung eines einheitlichen
Raumes ist eine mehr gruppierende Hehandlungsweise der architektonischen Gebilde
getreten. Die klassische Kreuzform mit Querschiff und selbstündigem Chor tritt in
einer Ver/.emmu' auf, die nur in auffiUligen Schwierigkeiten des Haugrundes eine
entschuldigende Erklärung tinden kann, und auch die neue Verwertung der Em]>oren-
pfeiler ist mehr praktisch betleutsam als künstlerisch richtig.
Der Kleister, dem um die Milte des 15. Jahrhunderts der Wiederanfliau der
von den Ilussiten li:»0 zerstörten Johanniskirche su Plauen^) übertragen wurde,
fand eine ganz übnliche Aufgabe vor wie sein Ülsnitzer Geuosse. Von dem älteren,
') Steche XI. S. 52 ff.
Haenel, S|>tttgotik.
— 82 —
romanischen Bau standen noch zwei Türme: an diese haute er östlich eine drei-
schifi'ige Halle von drei Jochen an, einen last quadratischen Itauni, dem sich ganz im
Geiste der m grossen, einlacbDu VerliiiltoisBeu eotwoirreueu Komposition in der Breite
des IfittdBcIliffs ein reditwinUig gesdiloMflner Ckor aafOgte. Du Becbteek diesM
GlMrei entspricht in seinen Verhältnissen von Länge and lireite fast genau dtt
jH'ossen Halle. ]\Ieiues Wissens tritt die Idee, den Chor in seinen Verhältnissen
als eine verkleinerte Wiederholoog der Halle, des Haoptschiffes zu gestalten, hier
fui «ntemiil nf. Die Of^bdkt 'Wirkang dieser Sehdpfung ist jetst jMA mclir
feitraeteUeo, da das Sekiff der Kirche dofeh zwei neuerdings angeseMe Qneraekiff-
flflRel erweitert ist: sicher ist aber das Bestrehen des Meisters, dnrch perade Linien
und hamionisch (inrrhpebildete Verhältnisse eine künstlerische Wirkung zu erzielen
und wir können iliu m dieser Beziehung dem Meiater des i|^später zu besprechenden)
Frefberger Doms m dk» Seite stellen. Konnten wir nit Siekerkeit ennnkwten, daas
anck die Ausfnhrun<^ der Emporen schon sein Werk ist, so mUsstea wir seinen
Namen unter den obersüchsischen Architekten ndt an erster Stelle nennen. Es ist
jedoch nicht unmöglich, dass die Emporen bei einer grossen Kmeaerung des ganzen
Bnea, nadi eineia aweiten Braide im Jakre 1648 «ingefogt werden sind. Sie
sckBesesa afadi in itnr Konstralttlon denen an» i&a wir aa den KirelMin Ten Jjmm-
berg, Zwickau u. a. kennen gelernt haben, ntir geschieht die Verbindung der einzelnen
Eniporenjoche durch OlfnuncrPTi in den PtVileni wie im Chor der Kirche zu Sehnte-
berg, und nicht durch \'<}rbeiluiinuig dan Luiguuges au der Vorderseite der Pfeiler.
Wenn aick andi in diesem Bau Schiff und Chor noch vOlüg als iwei sdbstladige
Faktoren ge$?enflber8tehen, erhebt ihn doch die Klarheit des Orundrisaea, die Seiita-
lieit der Verhältnisse und die Sicherheit in der Gestaltung der Emporen zu einem
beachtenswerten einheitlichen Kunstwerk, und damit steht er in entschiedenem Gegen-
aats SB der (Ksaitser Kireke. Wae ein fteies Verwerten einee ehrwürdigen Sehemaa,
eki TenUtndniavollea Hineiaaiehett neuer Formen, doiri eki kuntea Aafkftnlen dar ver-
schiedenartigsten Glieder, ein hastiges Stichen nach Zusammenhalt und haltloses
ÜT>ertreiben ohne wirklich schupt'erische Kraft, (ieraiie diese beiden Bauwerke können
am lehren, wie aul dem Bodeu dei-selbea stilistische Vorkenntnisse, vielleicht des-
adhen kflnstleriseken Strekens, das Ziel, das Emiektei so Tersekieden weit von dem
Ansgangspunkte. dem Gewollten, entfernt liegen kann.
Die letzten Konsequenzen ans der fortschreitenden Entwicklung der Hallen-
kirche mit organisch eingefOgter Kmporeoanlage zog der Meister des Baues, der
in der Residens des Fürsten gelegen, wokl am leicktesten von fremden Etnttdssen
Dil hfttte berArt werden können: des Demes jm .FVeitery.i) Als Roleber kUte
er wohl an entscheidender Stelle in dieser Betrachtung mit erwilhnt werden mflssen;
da mir aber die Stellung det^ Chorcs in der Entwicklung der spätgotischen Archi-
tektur als einer Kaumkuust hier wichtiger zu sein bcheiiit als die Entstehung
der Emporen, die siek dock wesentlich anf praktiseke GrOnde zoraekfttkren lässt,
so SCkliSMe idi ihn erst hier den grossen Denkmälern jener Zeit an. Ton der
grossen Vergangenheit dieser Kirche gieht uns das erhabenste fteivpiel romanischer
Plastik, die goldene Pforte, Kunde; der Bau, wie er uns hier beschäftigt und wie er
kente sich daistdlt, entstand naek einem grossen Brande vom Jakre 1484 and worde
*) Steche III. 8. 14 V.
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~ 84 —
1501 vollendet. Der Chor ist als (Oigtnw Raum von dem Schiff abgetrennt und «Ii
Grabkapelle der sikliHisohi'n Fürsten au8gestatt('t : der Triiimiililffisen ist von den
Emporen zum Teil verdeckt, die leere Öffnong wird durch ein grosses Gitter abge-
•düoaa«!!. Die dni Sdiiffe der Ealle sind fast gldeli breit, die Pfefler zeigen den
ttblichen Dvrclisclimtt dea Aditedta mit kenkaTen Seften. Sie lind aoBBerordentUch
schlank gebiWot und tragen die zierlichen Netzcewülbc. T)io Kippen sitzen an der
den Seitenschiffen zticrckehrtpn Seite der Pfeiler liefer an als im Mittelschiff, ob-
wohl die Hübe aller drei Schiffe dieselbe ist. Die Strebepfeiler sind fast ihrer
gauen Hohe nach ins Innere gezogen und tragen Emporen, die sich in drei Seilen
des Achtecks Ji ilesmal um die fOrspringenden Tunkte herumwinden; sie öffnen sich
unten in halbrunden Arkaden gegen die Seitenschiffe. So zieht sich diese Gallerte
um den ganzen Raum herum, au der Westseite nimmt sie einen mehr barocken
Charakter an vod schwingt sich in drei konkaveii Bögen gegen das Jameete vor,
während sie sonst hi gleicher Linie mit der Endigung dw Strehepfeiler bleibt. Zum
erstonmale und damit schon in der vollendetston Weise ist die konstruktive Be-
rfcliti,<;imL' ilor Fmporfn tiiul ihr innerer /usaTini'Pi'liani; mit dem Baiikörper
glaubwürdig in die ErscheinunK getreten. Freilich küimnt der Wegfall des Chores
hier dm ganzen Anbge entgegen, und doch ist dieses Motiv vorbildlieh geworden
üBr einen ganzen Kreis grösserer Hauten des lindes. Nirgends auch findet sich
die Bedeutung des Iiatimrs als Preditrtkirchf' dnrch die Stellung der Kanzel so Idar
ausgedruckt wie hier: die südliche Seite ist, wie gewöhnlich, beibehalten und der
ndt^ste PfeDer gewlhlt. Damit ist die Omndidee der centralSsierenden Bam-
geataltang mit den Erfordernissen des ^akUsehea Gebranebs in Emklang gebracht
Ein Saal, von vier ffi iailen Wanden umschlossen und mit Hilfe konstruktiv not-
wendiger Glieder in . drei gleichbreite Hallen zerlegt; eine Galerie, die das ganze
Innere umläuft und damit eine ideale Uorizontaltiilchc schafft, die wiederum sich
fut genau in der Mitte zwischen dem Boden nnd der Hfthe des GewOllies ans*
spannt, das notwendigste Moment der l ealen Zweck«lienlichkeit dem mathematischen
Ontnnn soweit als möglich riiihe u'elinielit ; konnte dafs Ideu! 'ies Centralbaus in
den Formen ererbter gotischer Kunst deutlicher lebendig gemacht, konnte das, was
die Arddtektnr der italienischen Renaissaace als ihr höchstes XkA, ihre wertvollite
Emingenschaft ansah, in greifbarerer Gestalt dem kanstterischmi En^finden deutscher
Meister abeernncrpti werden? Die reine Harmonie der Yerhnlfni<sp ist zahlenmässig
schwerer nac bzuweisen, als sie im unmittelbaren personlichen Erlassen vom Be-
schauer empfunden wird. Die lichte Länge des Raumes beträgt fast genau das
Dopiielte der lichten Höhe, 40,00 m : 20,17 m; zidhen wir von der Breite 22,64 m
noch das ab, was echon optisch dnrch das Vortreten der Pfeiler nnd Emporen an
lichtem Raum verloren geht, so kommen wir auf das Verhältnis: Länge: Breite:
Höbe = 2 : 1 : 1. Die Kanzel am dritten südlichen Pfeiler scheidet zwei fast quadratische
R&nme, deren jeder wieder dnreh die nenn Kompartimente die Einheit in der Tidhett
in sieh trSgl. Ob der unbekannte Mdster seine Bekemehnng der tekt(nnsehen
Masse und ihre Verwertung zn einheitlieher Ranrntrestalttniu' an den Meisterwerken
ifalicnifcher Arrliitt'kfen studiert hat, muss n.iturlirli dabiti;ieRtellt bleiben. Die
Sicherheit der Komposition in der Beschränkung und Erweiterung der drei Dituen-
sionoi des Ranmes iat am ao mehr an bewnndem, als £e Reste der alten romanisdien
Anlage die Brdte des neuen Baues vorschrieben. Es wOre interessant gewesen, zu
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Alili. 56. Ituin XU Krvibvrg.
sehen wie ein Künstler, der so selbstümlig in «las architektonische Schaffen jener
Zeit eingiiff- siel» mit dem l*robIcn» der L'horgestaltung auseinander gesetzt hätte.
Denn auch hier war eine Aufgahe gestellt, deren Litsung mit den Mitteln einer be-
wussten Verhilltiiiskunst die gesamte Entwicklung noch einmal in reinere Hahnen
hätte leiten kimnen. Was im 13. .lahrhundert im (.'hör des Kölner Domes, im
14. Jahrhundert in der Wiesenkirche zu Soest zur wunderbarsten Verkörperung kam:
die Gliederung der Massen im Dienste einer hannonischen Raumsi hi^pfung, hat sich
im 15. .lahrhundert an der Freiherger Donikirche noch einmal zu lebendiger Gestalt
verwirklicht. Allein auf die Gesetze dieser fundamentalen Auffassung gestützt,
konnte die Architektur von dem lioden eines nationalen Geisteslebens aus durch
das Medium einer künstlerischen Individualität noch mit ihren SchwesterkQnsten
Malerei und Plastik als Ausdruck eines universalen Kmptindungskreises in die
Schranken treten. Die Zeit sollte es erweisen, ob das. was in Italien emporgekeimt
war und Früchte trug, auch in Deutschland Wurzel schlagen und zu kraftvoller
Entwicklung gedeihen konnte.
Immer mehr hatte sich die Tendenz entwickelt, die allgemeine Hedeutung der
Predigt zu betonen und so den Kirchenraum auch dadurch zu einem einheitlichen zu
machen, dass man die Pfeiler möglichst beschränkte, .sie jedenfalls da. wo sie nicht
«
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zu vermeiden waren, so dünn als möglich Iiil«le!e niifl ihnen jeden Charakter selb-
ständiger Stellang nahm. Die Kunst der Wölbung war verbreitet penug und die
Virtuoüität der Technik oft so hoch gesteigert, dass die natürliche Aufgabe des
SpitcbogeiiffewAlbes bald ganz bi Terg«m«didt Iniit. Die Spaimiingen wurdm immer
weitor und flacher, die schlanken Stfltzen. die dQnnen Wände schienen den Dnek
kaum aushalten zu können. So lag e? naho, endlich die inneren Pfeiler ganz weg-
fallen zu lassen, und besonders bei kleinereu iiaaten die Wülbnog direkt von Wand
m Wand m apenoen; gelang daa, konnte man auch wieder ni dem beliebtea du-
sefaifilgen Chor snrackkehren, der sich nun in jeder Breite nnmittelbar an den Hanpt-
räum ansrhliessen durfte. Dir Stclluni; «Irr Kinporcti war damit nach eine völlig
andere geworden. Fungierten sie biä dahin wesentlich nur als Adnexe oder Kom-
]}ai-timente der Seitenschiffe, so war jetzt ihre Dedeutong fOr den Kaum als Ganzes
klargeatellt. Der Vertikaliamni, wie ihn die aeblanlcen Pfeiler noch auapraeheii«
war endgtlltig tiberwunden. Die steten Überschneidungen der Pfeiler mit der in
gleichmässiger Ebene sich hinziehenden Emporenbrfistung waren vermieden, die
Horizontale, die in der Trufilicrung dei* einzelnen Olieder, in der onuunentalen Be-
Idnug der FIKehen schon lange rieh geregt hatte» bdiielt den Sieg. Frei «ebweilbe
der Bück von Wand in Wand und offen, nur eben durch den einen froieii Raum
getrennt, lag vor df-ni Eintrctniden der Chor. Was von iUmu 1ia.<3ilikalen Scbenia
in den mehrschittigen Kirchen sich noch regte, also vor allem die Disposition der
Rftwne und die Rfkcksicht auf die reichere Erscheinung des Änaseren, war damit
endgoUig ni Nichte gemacht. Die Eniteilang dee Liaeren Iconnte einÜMh im
Äusseren keine andere Gestalt annehmen als es hier geschah. Das tektonische
Gerüst des Itaues itlentitizierte sich mit seiner körperlichen Form. Ein Weiter-
gehen der Eoti^tickiung auf diesem Gebiete war nicht mehr möglich. Nach eudloseu
Ycrimmgen Ja das Bereich der plaatiachen Ansehaming war hier die Architektur
wieder xn ihrem eigenen Schnffenaideal zurückgekehrt. Und waa diesen Schöpfungen
erst ihren vollen Werf verlieh und ihnen 'ii^ ".irkliches Leben gab: sie erwuchsen
iu festem Zusammenhalt mit den Fordei-uitgen volkstümlicher Kunstanschaunng.
Xmr 9» k^en eie auch heute noch ganz verstanden, nur so können sie iu der
Kette der grossen historischen Entwicklung als Frucht und Wurzel voll gewürdigt
werden.
Ali? zeitlich erstes Beispiel einer eiuschiffi?en Kirche kann die Kirche zu
Oederan^) angesehen werden; ihre Entstehung fällt nach dem Brande der älteren vom
Jahre 1467 wohl noch in das 15. Jahrhundert. Die HaUe besteht aus vier Jodien,
deren Durchführung im Gewiilbe aber nie vollendet worden ist. Der Meister hatte
seine Krriffe inbe/uü; auf die riterwölliuiii^ des breiten Raumes doch flbersehittzt;
bis auf dea heutigen Tag wird der obere Abschluss von einer hökerucu Decke ge-
bildet. Da der Chor hi die Ostwand einspringt, muasten die Emporen anf die Lii^-
wlnde beschrtnkt blmben. Sie ruhen auf dem eiiH^ogenen kleineren Teil der Strebe-
pfciler: die Wand über ihnen ist völlig urgeelieilert, da sou'ar der schmale Fortsatz
der Pfeiler, wie er sunst die Verbindung init '"in An.satz der Hippen herstellt, hier
fehlt. Iu den Ecken der Westwaud liegen me runden Emporentreppen; an den ent-
sprechenden Stellen der Ostseite ist eine Sakristei und eine Seitöihalle angebaut.
*) Steche VI. S. 7».
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Bei einer derartigen Vereinfachaiig des Grundrisses, Avie ^ie hier vor sich gegangen
ist, blieb selbst fflr die Kanzel schwer ein passender Platz: sie steht jetzt an der
uördlicbeu Ecke des ChoreiugaBges. Trotz der grossen Schlichtheit des ganzea
Ranmw, dM Mangels fast jeder Zierform, kann man ihm dne miate, ja kilnsU
lerisdie Wirkung nicht absporecben. Wohl mochten die Mittel, die dem Heiiter ftr
diesen Hau znr Verfnpunpr ptandeii, die allergeriiipBten sein: er schaf, was man von
ihm verlaugte, einen Itaum Idr Predigt und Gebet, und fand damit onbewusst für
seine Aufgabe die nach den Geselsen der Stilentwickhug einzig mögliche LöRong.
Nodi weiter geht der Meister, der im Jahre 1518 die PfanrUiehe ra
Ruppertsgrün^) zu bauen bekam: er errichtete einen grossen Saal, aus dem sich
der Chor in der Art, wie wir sie Ähnlich in Schneeberg nnd Marienbertj gefunden
haben, im Polygou entwickelt, and zwar in drei Seiten des Achtecks. Ein Gewölbe
ttberspannt SddiF und Choor, nnd aar ans teehnisehen OrOnden sind dicht an den
Seitenwänden ziemlich in der Mitte von Ost und Wo.st /.wei freie achtseitige Pfeiler
eingestellt. Nur durch sie hi-'I vvenj^fe Stufen wirtl iler Beginn des Chores markiert.
Ibim Krapore, von Säulen luid Stichbögen getragen, unuieht den ganzen Raum, dicht
unter ihr an dw Ostaeite erhebt sidh der Altar, die Kansel legt sich an den sud-
Kehen Hanptpfciler an; nnr vier Fenster, nnregelmSssig verteilt, erheilen das Ganse.
So weniir von einer einheitlichnn Beleuchtung die Rede sein kann, so weit ist die
\ erschnit'lzung von Schiff und Chor gediehen: alle Heminiszenzen an erotischen
Grundhss, gotisches Detail sind abgestreift, nur Gewölbe und die Strebepfeiler
aussen lassen noch eilrennen, dass die gotische Technik selbst in diesem entlegenen
Städtchen noch lebendig war. Und selbst diese sdieinbar nnentbehrlichsten tech-
nischen Faktoren werden im Laufe der Zeit noch ahtreworfen. In der Kirche zu
NiederplaniU^) — als l^rweiteraug eines Ibld entstandenen iiaues in den Jahren
1565 bis 1687 anrichtet — erweist ^h nns der Hanptxaim ab «b volhtändig recht-
eckiger Saal. Der Chor ist gtazildi verschwunden, die Kanzel befindet sich in der Mitte
der Xordwnnd. eine in regelmässige Felder zerleste Decke schliesst nach oben ab.
Die Urform architektonischer Sch^ipfunp, die cinladien vier Wan<!e mit leiser Be-
tonung der Bewegungsoxe, steht vur uuh, und damit in der historischen Entwicklang
gleiehaam ein indilliBrentes Glied, von vergangenen nnd kommenden Erschdnnngen
gleich UlberUhrt. Denn auch vom Geist der Renaissance spricht in diesem Bau
höchstens die Art (h r Plafondsestaltunsr. — Ist hier der Chor zu Gunsten einer
gradlinig abgeschlossenen iiaupthallc schon völlig verschwunden, so dominiert er
ebenso vQUig in einem Werke ans dem Beginn des 16. Jahrhnnderts, der 1518 in
den GewftlbeB voUend^en Xirehe an Ztegelhämt) im Glandianer Xnlse. Das bei-
nahe quadratische IlauptschitT besteht hier nur aus zwi .Tochen. wiVhrend der Chor
deren drei autweist uml ausserdem uodi den Absrhluhs in drei Seiten des AchtecKs,
Das Schiti hat seine iiuuptaxe direkt in die Richtung von Mord und SUii gestellt,
allein der Chw hllt den Zng nach Osten noch lebendig. In einer Zeit entstanden,
wo in der fast centralisierenden Yereinhcitliehung des Raumes und der Vermeidung
jedes nachdrücklich eine bestimmte Uichtang in der £beue verfolgenden Teiles diM
<) Steche XIL S. 5S.
') Stscbe XIL S. 46 IT.
•) Stedts XIIL 8. 49.
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Idenl des Gotteshauses angestrebt wurde, kann uns diese Anlncre wohl befremden:
eif ziiqr. wie viel selbstJludif^e künstlerische Kräfte aucli unter den kleineren Bau-
meistern jener Zeit lehten, und vie man es verstand, selbst iu bcecbeidenem Maes-
Bteb dnreli weise Behemchimg der VerhUtniBse, hier durch die Eontrastwirkimv
eines sclilaiikm Chores und kurzen Schiffes, dem alten Stamm gotischer Bau-
kunst iKtch schmuckhafte Früchte ahznjrewinnen. Mit Avelcher Freiheit man anderer-
seits das Grundschema einer symmetriscbeu Anlage zu verlassen wagte, sehen
wir an der Kirche ni WaMaiAwrg: den einschiffigen, in drei Setten des Aehteeks
geschlossenen Raom erweiterte man in der zweiten Hälfte des 16. Jahrimoderts
durch ein südliches Seitenschiff, setzte an Stellt- der ehemaligen Südfront drf'i
rfeiler nm\ trhielt dadurch eine zweischiffige Halle mit dui-chaus unregelmässiL'ti
Grundtiuche, der nur der Parallelismus der Süd- und Xordwand noch einen festen
Halt gab.
In der Kirche zu Afitttceida^) verbindet sich eine ähnliche, wenn auch
lautre nicht nnffallende UnivtrelniSssifirkeit des Grundrisses mit nnsHernrdcnt-
lich weiter und selbständiger liehandinug des Chores. Die Art der architek-
toidschen Durchfithning and der plastischen DehoratioD, vor allem aber die
Steimnelzseichen weisen daraaf bin, dass der oder die hier thfttigen Meister anch
noch an anderer Stelle BesehsfUgong gefinidea haben: an der Kuni^undenkirche
«tt BochlUe.^)
Der Chor, nach urkundlichen Zeugnissen 14^17 gegründet, steht architcktonibcii
im ttigaten Zasammenhang mit dem 1476 Tollendeten Schiff. Dies erechdnt als ^e
dreischiffige Halle, mehr breit wie lang, da der Pfetterabstand zwar grösser ist als
die Hälfte der Breite des Mitfelscliifls. die Breite der Seitenschiffe aber die des
Mitteischitls noch nicht einmal zur Ilülfte erreicht. Der Chor setzt das Mittelschiff
fort nnd sehttesat, nach xwei Schmaljochen, in fnnf Seiten des Zdmecfcs (richtiger
sieben Seiten eines aus der £lli])se entstandenen ZwOlfecks, da die letzten Abschnitte
der Seitenwiinde den Seiten des eigentlichen Polygons entsjtrechen un<l aurli in das
Stemgewölbe mit hincingenommen sind). Das Schiff' als solches vertritt den ceu-
tralisicrenden Trieb, der das konsequent in einer Richtung, nilmlicb von West nach
Ost entwiekdte gotiaehe Grundrisascfaema sa einem nach allen Seiten gldcfamissig
von einem Mittelpunkte aus beherrschten Organismus mnbildete. Djp Seitensdiiffe,
ihrer vermiTKk'rten I?reite nach als Adnexe des Mittelschiffs aus der basiiikalcii Idee
entstanden, sind durch die gleiche Einwölbung in ihrer Selbständigkeit gewahrt ge-
blieben. In der Umgrauang durch die Hanptaianem ist dnreh die SteDong der
vier Pfeiler ein zweitw, innerster Raom geschaffen worden, der in seinen idealen
%y;inik'n den grossen Linien der i-f-uleii Anspnnvftndp fnlirt. Die Massen strelirn
nicht in lebendiger Bewegung einem lestgesetzten Ziele zu, sondern schliessen sich
harmonisch zu einem räumlichen Ganzen zusammen. Kein Glied drängt sich vor,
kein Xerv leitet eine innere ErsdiUttening sdbatthltig wdter; nur hiw und da ver-
rät ein leises Ausladen des Bogeos, eine Schwellung des Gewölbes, daaa in dem
>) StP.hc XIV. S. 22.
•) Steche XIV. 8. 61 ff. Die hier von Steche vertretenen Ansichten werden durch
den Anfsats von Pfi»: »Aniold von Westfalen «ad die Roehlitzer Kumi/undenkircht* im
»Meaen Archiv flkr sicbsbcbe OescMcbte* 1896, 16. Band vollständig widerlegt.
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Abb. 57. KuulguiMleiikirche tu Boclilil/. (Nacli Aitdrea«.)
Bau noch Kraft und Lehen schlummert. Zu anilitchtiRcr, geduldig harrender Ruhe
lad die weite Halle ein, zu frisclier, müheloser Itewegung leitet die Dffuung des
licht durchfluteten Chores vorwärts. Durch diese (iegensiltze, die kurze, schwere
Halle und den langen, leichten Chor, zu wirkungsvollem Ausdruck einer künst-
lerischen Vorstellung zu gelangen, mag die Tendenz in dem Schaffen des Meisters
gewesen sein. Die den religiösen Keformideen entsprechende Aufgahe, einen für die
Predigt und ihrer Gemeinde geeigneten Raum zu konstruieren, verhindet sich mit
der streng konservativen Anschauung von <lcr Bedeutung des Chores als der
Stätte dos Altars und damit des Schauplatzes der hochheiligen gottesdienstlichen
Handlungen. Aus diesem Kompromiss heraus bildet sich der Meister seinen Raum
nach scUisterfundenen Gesetzen und die edelste Harmonie dringt wie unbowusst
in die Materie ein. Was <Ien Raum zu einem selbstsicheren Ganzen macht, was
die Hreitenausdehirnng des Schiffes ohne Hiirten mit der Tiefenerweiterung des
Chores verbindet, ist die Eurvthmic der Massen, die Klarheil der inneren Gliederung,
die malerische Verteilung von Licht und Schatten. Auch in der Art des Chor-
abschlusses drücken sich diese Kigenschaften aus. Das Zchneck hält die wolil-
thucnde Mitte zwischen dem Vierzehn- oder Sechszehneck, dessen viele Seiten den
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AM. 58. KimiKundenkircbe in Bochliti. (Nach Sti-ehe.)
rijcrliliik oi'Kchweren und in ihrer schmalen Höhe kleinlich wirken künuten. uml
uiuem l'olygon von weuiger Seiten, wie dem Achteck, wo bei der weiten Spannung
die einzelnen Fliehen leicht zu grosi aasfallen könnten, and danit eine evidente
Stnnipflieit und Schwere in das Chorliild käme. Auch in den ornamentalen Gliedem
lies Üaues, in der rmtiliorung der Kiiipen. der lüldunn des Masswerks u. a.
waltet der Sinn für massvolle Grösse; nirgends sind die Grenzen plastischer Schön-
heit fibencbritten, nirgends ist das strnktiv Glanbwttrdige zom virtuos Staunens-
irarten vericebrt.
Auch die ornamentale Verzierung dos Ganzen versilumte man nicht; der volle
Apparat trotischer Dekorationsknnst in der liehenswtlrdifjen Verwildening der da-
maligen Zeit musste herhalten, um dem Äusseren die Gestalt zu geben, die der
Bedeutung des Innern entspraeb.
Sollte es ein Zufall sein, dass der Grondriss der PefHUrcsl«,!) die in der>
•) XIV. S. ö8.
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i L 1 1 .1 1 L — \: n
Mb, m. VtMklTClM hl XosMIIa. (Maab SImIm.)
selben Stadt H7G vollendet wurde — der Gesaiutbau sogar erst 1499 — genau
dieselbe Gestalt anfweist wie der der Kwtigumknkirchef Denn die TendUedenartige
Behandltmg des Chorpolygons ist hier von untergeordneter Bedentnng. Es ist der-
selbe Geist, der hier zu nns aprldit and der bis in die oniamentalen Einzelheiten
hinein hier ein GetienstUck jenes ersten liaues gesihuffcii hat. Das Schiff iiiüiert
sich denk Quudrat noch mehr als bei der Konigoudeukirche und im (Jhur kuuiieu
«ir daa Festhalten dnes NormalroaBses sogtr genan nnchwdseo: die Seite des Acht-
ecke im AbschluBS ist in den Seitenwinden gerade dreimal enthalten. Und noch
einen dritten I!:iu piebt es, der ilersrlhf n unhitckfonischen Grun<lidee entsprnnjsen
ist; die Kirclie in dem nahen ikdüMi) weist dasselbe Verhältnis zwischen Schiff
ond Chor «if, wie die beiden RoefaUtanur ffirdien. Hier ist die ganze Anlage noeh
xm einen Gnd mehr nach der BreitendimeoBion konatraiert; die Wftllrang des SchUfeat
') XIV. S. 80.
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dem dann wohl auch die vier inneren Pfeiler nii lit liiitleii tehlen künnen, ist nicht
ausgeführt wurden. Weuu wii* uns eriuueni, tlas» die Kirclie zu ZUgelheim dieselben
KompmlttonBireietx« aiifwtes und die« Schema utch weiter In den KirdieD von
Niedergräfenhaini) und Frohhurrf,^) dem Schiff der Kirche zu Geäftai«*) und
dem Chor <lcr Kirclie zu Wirhrrshain*) narhn-eiseii können, so müssen wir an-
Dehmen, dass der Huhm der Kuclilit^^er Schale weit im liUnde verbreitet wurden ist.
Und damit haben wir die grundlegenden Merkmale genonnen, die eine Scheidung
der Werlte dieiee Ereieee von den erzgehiifiechen Bauten dnrchfilhreD leseen. In
letzteren herrschte ein starker Zug nach orpanisclier Vcn inlieitlirlHuiLT des Itaumes,
der Chor musste vor dem übermüchtitren Ausweifen der Halle weichen, er Machte
sich immer mehr ab und war endlich nur nuch iu einem weitgespannten polygonalen
Oitabechlnss des Schiffes sn erkennen. Die Empwen entwickelten eich mit deotUcher
Aneprftgong dee' horizontalen Charakters und dranL'en sdbet bis in die Chorpartien
vor. als nnniiftfdliarer Ausdruck eines relitriüsen rnischwnn??. der in der Klarlegang
und Popolarisieruug aller kirchlichen Handlungen sein Ziel hat. Demzufolge konzen-
triert eidi die kttnetlerieche Verkörperung dieser Ideeen im WesentUdien im Konen-
ranm, die änsiere Anebildmig dee Gotteehansee wvd ni Gnnsten der inneren Dorch-
bildung vernachlässigt. Gerade iu den neugeschaffenen Städten verkündete sieh der
Stolz der mit dem junpen Reichtum prunkenden lüinrcr in märhtisen sakralen An-
lagen, in riesigen Hallen und wuchtig gebauten TUrmen. In dem Gebiet, das die
BochUtzer Scheie beherrschte, waren die Beste romanischer Anlagen nodi all^it-
helben zu finden; die Grundmaueni eines die Tiefenaxe betonenden Gebäude» mussten
fiusserlich wohl maiu iniial die Anhaltslinien zu dem neuen Kirchenhau bilden. T)as
Verlangen nach Reformen auf religiösem, vorläufig wenigstens kultischem Gebiet
erklang nicht so schroff nnd intensiT wie bei den Bewohnern des Gebirges. Dort
drangen mit Hn» Sehaar von Ansiedkon, dw enf ^e Kunde von dem neuentdediten
Keirhtuni hin von allen Seiton hnrbeieilten, die Ideeen der Zeit wohl nicht immer
in ihrer rcin.sl^n l'orni, aber um .so lebensvoller und lireimender in das Land ein.
Die bussiUschen Bewegungen wai-en noch nicht ganz erstickt. Der schwere Sinn
der Söhne des rauhen Gebirges mochte wohl lange genng fest und zSh das Alt-
hergebrachte bewahren, um dann, wenn die Kluft einmal Qberschritten war, mit
derselben Ausdauer und denisellieu Trotz das Nene zuvertreten. T)ie rSewoIiiier des
flacheren Landes, der santteren I haler blieben von den Strömungen des grossen trei-
benden Lebens länger nnberdhrt. IVoM hatten auch rie erkannt, dasa die Pre^gt der
wertToilste Bestaadtml des Gottesdienstes sein mOsse, aber noch lebte die Erinnerang
an die Grösse klerikaler Macht und die geheimnisvoll unnahbare Stellung des .Mtar.'^.
So könnt f als würilic.sle.s Gotteshatis ein Gelifmde ei-pcheinen . dass die schmalere,
den .Vltar i^ulierende Gestalt des ( hores mit der weiten, als \ ersanunluugsraum
der Gemmnde und Ort der Predigt gleich geeigneten Halle verband. Dae vaasn
Bild des Eirchenranmes wirkte durch die Harmonie der Verhältnisse, durch die
Oetrensatzp der Licht- nnd Schattein crtcilun«:. 'innli die vollendete Führung der
Linieu im .^bschluss des Chores und die maäbvuUe Verwertung des ornamentalen
Beirates. Dieamr gleicbmässig angenehm«!, zarteren Bebandlnngsweise bitte ebe
Yemachllssigung des Äusseren widersprochen. Die Falk eigoiartigen plastischen
») XV. 8. 80. ») XV. S. 25. ») XV. S. 3». *) XV. S. 114.
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ScTinuirkes. c^pii die reife Gotik !.'e?piti|?t hat. verteilte sich nbrr flio Fläche and
triil) dem Htiii siiion von weilerii das (ipprflirp heiterer Pracht. JJer gemeinsame Zng,
den die liuateu des Erzgebirges wie die Werke der llocblitzer Schale aufweiaeu,
Iftnt rieh Iran so zmammeiifameii: der reädie Uasabeh, d. l. hier fraazOsiseh«
gotische Grundriss wird vereinfacht: die Ilöhenausdehnung zu Gunsten einer enei^
gischeren. in (Üp Breite gebenden Kaumgestaltung beschränkt: diirtli Yerhrt-itTinff
der SeiteDsclüffe werden die tragenden Pf^er isoliert, durch \ ergrüsseruug des
K«9enb»taiiii«t au der prozeniaDnrtigen Aythndacfaen Folge losgeliM; und m snr
stmktiv wertvoUen Tzttgeni umgeformt. Sie monoinentale Dnrchbttdmig dei koulmk»
tivcn Appnrates weicht riner ntisirleichendpn liehaiidhnig der trafrenden iind ge-
tragenen, der aktiv notwei)dii.'en und der nur Killenden Glieder. Die Ausgestaltung
des Äusseren ti'itt hinter dem Inneren zurück bis zur völligen Schmucklosigkeit.
Die Manen werden nicht mehr entmaterialisiert, Mmdem ihre materielle Wesenheit
wird voll gewürdigt. Sie treten in den Dienst einer rslundichen Ynrsfellung tmd
ihr starres lieruhti erhftlt nnter dem Drucke der Gesetze räumlicher Gestaltan^
Trieb und Leben.
BAnn tber die Letpilger Braten.
Was nm die Wende des 15. Jahrboaderts an Eircheobaaten in Leipzig entstand
trägt in keiner Weise den Charakter einer leibatkndigen IcOnstlerischen Auffassung. Die
XicolaH-irche,^} 1513 — 1525 im Aiischlus^s an einen aus dem Beginn des lö. Jalirhunderts
stammendea sclunalen Chor errichtet, mochte in ihrer Ausdehnung von fttnf breiten Jochen
taiIHmieceBd gevitlct haben, bn das Lmera klasrixistiMsh nmfeataltek mrde. Das Innere
der ThomaskircfH-) fiillt diircli seine ans?e?prorhene Länpenansdehnuiig auf, die noch
verstArkt würd durch den langen schmalen Chor. Aach in ihr ist das Banmbild infolge
der Emporen und Ausbauten ein vOUig anderes, als es der arsprongliehen Tontellang des
Baumeisters entsprochen haben mag. Die Wirkung des liellen Chorpolygcne nadi dem
dunkeln Liin^steil wird durch die Krümmung der Mittelaxc beeinträchtigt.
Die Faulintrkirche,*) deren Schiff 1485—1488 entstand, verlor 1546 den polygonalen
Teil des 1519—1881 errieliteten Omptdieires «ad enebdnt jebt at« ein aaeMraideBtHdi
lang gestreckter, snahrtiper Raum, getragen von 19 Pfeilern nnd bemerkenswert durch
die verschiedene Verwendung von Haustein nnd Ziegelstein. In der Matthiiikirche*)
(nnprUnglidi BarfflaMrUrebe) bietet rieb ans das ^geaartife Mld ober swebddfflgen
Anlage, entstanden durch den Anbau eines nördlichen Seitensi liiffes an einen Mittelbau
nnd den Durchbruch der Zvisclienwand zu Pfeilern. Durch das Aufstellen der Kanzel in der
Mitte der Sadwand wurde der Ban als Predigtkirche, dnrcb die Erricbtong efaies sQdlichen
SeitenschitTs, lediglich als Träger einer Empore, als Gemeindekirche charakterisiert. Als
Koh he steht sie den rentralisiercnden Anlagen der erzgebirgischen Gruppe nicht fem. Die
Thätigkeit der Leipziger Baumeister dieser Periode zeigt eine deutliche Vorliebe für die
Verwenlirag der Hallenktrelie mit Herroricdirang der Llngaaxe. Aaf die ioesere Aua-
statfung dieser Werke ist nur an der Thomaskirche Wert geleert worden. Die yi\-o}ai-
kirche, die gross le von allen, zeigt im Schiff fast genau die Masse der zwei Jahre später
begonaeoen Wttffang^liirdte zu SchM^erg,
* ^ *
*
Gnrlitt XYIL S. 3 ff. *) XVII. S. 40. >j XVII. S. 88. *) XVIL 8. 140.
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Das FiedUrfnis der Zeit, aich mit dem Kreis der göttlichen Dinge nea aas-
einamlerznsetzen und den Ausdruck persönlichen religifisen Empfindens in neue Form
ztt kleiden, hatte auch den Werken der Kunst, die aufs engste mit dem Glaubens-
]eb«n soMamtnliiii«, neu« G«8tall gtgf^nt. Die Gotik hatte von faineii lien«i neue
Anregungen empfangen; das Resultat wur zwar noch kein in allen Teilen kflnstleriacli
abgelilürtes, a1)er auch kHiit^s. '!:<s man mit don Produkten eines Btilistischen Ver-
falls hätte direkt auf eiue Stulo stdlen können. Auders dort, wo profane Zwecke
die Gotik in ihre Dienste nahmen. Der btürgerliche PrivatUau vermochte sie nicht
SB schOpferiBchen Leben m erwecken, die BedOrfadate dea praktisehen Leben« konnten
sich nicht mit den Furdemngen Sathetischer Gestaltung in diesen Stilformen vereinigen.
Was auf diesem Gebiete in jener Zeit entstand, trug entweder den Charakter nüch-
ternster Zweckmässigkeit and verwendete die Gotik nur als Bekleidungsftma, oder
blieb wenigatena nridg in den Bakneii, die adbum im Anfong der gamev Entwicklung
eingeiehlagen worden waren. Abw nria^en den erhabenen Stätten göttlicher Ver-
ehrtm? und den schlichten Behansiinfien der erdgeborenen Mcnsclien hatte von jeher
ein Gebiet gelegen, wo Heiliges und Profanes, Hohes und Niedriges gleichsam iu-
einanderfloss, wo Einfaidibcdt and ausprucfaelose Zweckdioilicbkeit mit ehrfnrchter«
Weekend«* Erachdmmg und aelbitaiclMarer Witrde innen »nd aiueen aidi fencbmeken
musste. Der FQrst, der Herr des Landes, musste auch in iler Gestalt des Hauses,
das ihn barg und von dem aus er seine Hand schOtzend und strafend flher sein Volk
hielte seiner hohen Aufgabe Ausdruck verleihen. Sobald vollends seine Persönlichkeit
■ieli TOD den Hintergrand ererbter Maditbefognisae dnrch bewuttes Betonen seiner
ftnaaeren Stellung frei machte, sobald auch sein Volk in ihm nicht nur den ange-
stammten Trftger der Krone sali, dem Gehörsinn "i InistHn Sitte und Gesetz und
die Bed&rfnisse einer sicheren Existenz geboten, »onderu den Vertreter einer höheren
Macht und snigleich den Trftger bewundemngs- und liebenswerter menschlicher Eigen-
schaften, war der Boden gesebaffen, mn dne selbetlndige kttastlerische Produktion
als Ausdruck dieses Anschaiinnf»skreises ins T,el)en treten zu lassen.
Das ausgehende Mittelalter hat ims ein Werk hinterlassen, in dem forstliches
MachtgcfUhl und Selbstbewusstsein sich wunderbar verkörpert und das zugleich als
das Eneagnis individneller kOnstlerischer GrOsse In Jener Zdt einsig In seiner Art
war: Albrechtsburg gu Meissen.^) Arnold von Westfalen erhielt im Jahre 1471
von den beiden Herrschern der sächsischen Lmyl' . l'u.st und Albrcoht die Ober-
leitung aller herzoglichen Bauten abertragen. Die eiäie und grösste Autgabe, die
ihm Usr wurd, war der Ben des Schlosses zu Ueissen; und, noch ehe er sie,
der er das lotste nnd reichste Deseonlmn seines Lebmis gewidmM hatte, sa Ende
fuhren konnte, starb er, um Pfinjrsten 1481.
Die wesentlichste Schwioricikeit , die sich dem Meister beim Begiiin des
Werkes bot, war die Formation des liaugmndes. Die ganze Art der Bodenlittche,
dn nach der Elbe so steU abfallmides Platean, wies darauf hin, erstens den ge-
gei»enen Ranm nach Kräften auszunutzen, ohne Rücksicht auf asymmetrische IJm-
grenzunsslinien, und zweitens, Au- frontale Kl.icbe des riebäude,« ilirer verschieden-
artigen iiestimmung nach in verschiedene Formen zu kleiden. Nach Norden und
Osten, gegen dss Thal Un, nmsste es als wehrhafte Warte, ab Barg auftreten, die
*) Fottrieb 1. Abteihug, 9. Band. Lieferung 10^12.
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■ • >.i. ; ..ii; ; F u
Abb. 60. Albrecbtsborg lu Meiuen. (Nach Uurlitt.)
Sicherheit der monarchisclieii Institution gewährleisten und zugleich als Hort von
Gesetz und Hecht das Gepräge gleicbmässiger eiulieitlichcr Vollendung tragen. Nach
innen zu, gegen Südwesten, sollte es mehr die persönlichen Heziehungen des Lnndes-
vaters zu seinem Volke und im besonderen zu den IJewohnern seiner Uesidenzstadl
vertreten, den Erfordernissen prunkvoller Repräsentation Rechnung tragen und dem
alltüglichen wirtschaftlichen Verkehr Mittel und Wege bieten. Trat es nach aussen
in seiner architektonischen Erscheinung nur iu Konkurrenz mit den beherrschenden
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Teilen des Domes, dem Chor und darüber den Tttrmen, so masste es nach der
inneren Flache zu der ganzen wuchtigen Masse des Schiffes als körperliches Ge-
bilde das Gegengewicht halten, und dem lauggestreckten freieu Platz, der vor Ueni
den Thortiinii Dorchsebnitaid«!! lag, dnen der weitem Ebene entsprecliende& Ab-
schlnss geben. In dieser ßeziehimg konnte die vorli^jaidc architektoniiche Aaf-
palie als etwas Neues gelten. Nicht eine Umschliessung , wie sie die meisten der
isolierten liurgbauten des Mittelalters bildeten, den fortitikatorischen Ansprüchen
folgend, and wie sie die Baumeister der Renaissance in Italien aas freierer kttust-
lerisclier Bitention 211111 bOchstea Ideal anageatalteteii, sondern eben nnr einen Ab-
acblnss, um nicht zu sagen, Pros])ekt für die buhnenartig sich öffnende Fläche des
Platenus ^chuf der Meister hier. Als Conlisse konnte auf der rechten Seite die
].angswand des Domes gelten, auf der anderen erstand dann, als Gegengewicht
g^en jene «ncbtige Maeae, ein toft^, lanbenartigw Gebilde, fortgesetzt nadi
Sudwesten von den niedrigen und einfadieren Wirtschaftsgebäuden ; zwischen diese
beiden, aufs schärfste ausgeprägten Go^ensiitze Hi-hnh s'uh als selbständiges Ganze
der neue Prachtbau. Der beste Teil des Plateaus war durch den Dom in Anspruch
genommen; wollte man ihn nicht völlig mit in den Grundriss hereinnehmen, blieb
ibr das Schloes nur ein verhflltnismissig aehmaler Streifen an der Nordseite des
Hügels übrig. Die Aufgabe, die dem Baumeister blieb, war somit eine anner-
ordentlich schwierige und vielseitige, znm Teil ein^eenfft dnroli die natdrlichen Be-
dingungen, zum Teil au die Phantasie und das technische Können die höchsten
Anfordoniftgen stellend.
Arnold löste sie, indem er die Elemente des bürgerlichen Profanbaues und
des aillin;eii Schlosses miteinander verschmolz, die giebelgekrönte Front jener An-
lagen dem wuchtigen, schwerfundierten, streng nach aussen sich verschliessenden
ßaokörper der mittelalterlichen Burg vermählte, und beide Elemente durch fein-
rinnige Beobachtung dw ProporüonaliUttagesetce and ein frei erfbndenea, ägen-
artiges, omameatelea Motiv neu belebte. Kr vereinigte die durch die maimigfaltige
Zweckbestimmung verschieden umfangreichen, durch die asymmetrische Grundflüche
verschieden geformten Räume zu einer Gruppe, und liess die Fronten, in denen er
die Gliederung des Inneren doch nicht ansdradcen konnte, allein dordi den Aufbau
der Massen sprechen. Unterstützt wurde er dabei durch seine angewöhnlichen
technischen Kenntnisse, sein feines Gefühl für ilie Vtrhriltnissf nnd seine Be-
herrschung der ornamentalen Verkleidungsfornieii, die ihn von jeder Überlastung
mit plastischen Schmuckteilen zurückhielt. Das erste Stockwerk, über dem haupt-
sSchUeh fiBr den GeschUtsrerkelir eingerichteten Erdgesdioss, enthidt die Pracbt-
nnd Kepräsentationasflle; das zweite eine mittlere Halle, von einem Pfeiler getragen,
die Appcllationsstube, zum gemeinsamen Geluauch der beiden Fürsten, deren W'din-
räume sich dauu iu dem südlichen kurzen i- liigel uud in dem ö&tlicheu, nach dem
I>om zu gerichteten Teil anreiben. Das Charakteristische fttr die Geataltong der
ein/elnrii Räume, der Säle sowohl wie der znm privaten Gebrauch bestimmten Zinuuer,
licet darin, «l;is«! der Meister im alltrenit-inen einen rechtecl^iLrt■n Gnimiriss venvcndete
und die Decken in spitzbogigen Uii)pengew6lben konstruierte (im zweiten und dritten
Stockwerk meist iu gratigen Backsteingewölbeu). Dazu mochte ihn einersdts die
gewohnheitsinflaaige Erinnerang an die Ablieben Eireheoanlagen bewegen, andrerseits
die virtuose Behenrsehnng der Wölbungskvost, die sich bei den aablreichea Einsel-
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räumen in den freiesten und reichsten P'<irinen äussern konnte. Nur zweimal
tritt die Langetiaxe liiiitcr der Höhe znrürk. in drr mittleren Appcllationsstube
des zweiten Stockwerks, und in dem qaudratiseben Vurbau, der nach Norden zu
ronpringt und den grossen Wappensnal enthUt Die bdden riesifen Bepvftten-
tationssile des ersten Stockwerks sind je durch drei Mittelpfeiler in zwei ScUffe
geteilt; in ihnen fficrt dif freie Entfaltung des Knumes tind flic konstniktivo
MeiRterschatt ihres Schöpfers die schönsten Triumphe. Wir können als den einen
(irundzug des ISuues bezeichnen: das Streben nach Entwicklung der Itäume in einer
bestimmten Richtoiig, das Hervortreten der Llngenaxe. Damit ist die Bdeiiclitnng
auf eine durchgehende Norm gebracht. Mit Ausnahme der beiden grossen Säle
sind jif'nntlichp n^rhfprkigen Räume in rechtem Winkel zu der Ausscnmauer gestellt,
und so ergibt sich tUr jeden dieser liitume nur ein Fenster au der Schmalseite.
Dies mnsste, nm das Innere genügend m erketlen, nOgtichst brdt anfliegt sein,
und da die Manem zu dick wan i). um »ie in ihrer ganzen Tiefe senkrecht auf ^e
Klficho zn. dnrch die < MTiiuiil' xu (lun hiirtThen. ontstandfii jene Alisilirflfrunsjcn drr
Mauer, die dem tieist tier gewölbten Hallen so trcttlich entsprachen. Die scharten
Kanten imd hai'ten, rechtwinkUgeu Durchschneidiingen vermied man, die Vermittlung
sirischen dmr breitnn, inneren, and der sehoiftleren, ttoiseren ölimiag geschah ein-
fach und zweckmässig. Wenn vollends diese Schräge nicht direkt durchging, son-
dern in der Mitte noch ein*" Krümmung aufwies, können wir wnid mit Hecht ver-
muten, das« aus hier eine profane Nachbildung des bekannten pohgoniirtigen Ihor-
scMosses vor Aogea steht» die einen bewnssten Anschlus an jenes vielgebranchte
M(^v verrät. Und anch in dem grossen westlichen Saal des Haui ti:« s( hosses
wirken dit' Fciis^tcrnfTiiuugen mit den Wandnischen »am? anircsucht wie ikapelien-
reiben, wie sie ein huiggestrecktes Kircbeuschiff zu begleiten pflegen.
Wohl konnte sich in den writen Halten des ersten Geschosses Leben und Bewe-
gnng frei entfalten, nnd die klare Gruppierung der reich gegliederten Pftiler verbrei«
tete das (Jefübl wohlbegründeter Sicherheit und ernster Hube. Noch mehr vermochte
tiie Wappenstnbe mit ihrer eiidicitltrhen Heicuchtung, dem wnchti-jon Hervortreten
der Mauei-massG in den vier Ecken und dem frei, ohne StQtze gespannten Gewölbe, als
die reifste Yerkörpemng eines dnrdidaehten Banmideah erscheinen. Aber in der
Hauptmasse der Gemächer, den kleineren Uännien, wo die Persönlichkeit in ihrem
Allt;iL'sI> !»t ii i iiic Stiittc f.iiul, wo die Familie sii li zti onuv-rf^m Verbände zusammen-
schloss, wehte eine andre 1-utt. Hier weitet sich nicht der Kaum aus, hier er-
scheint die Wölbung nicht als der notwoidige Zusanmienachlnss der Ober das Ver-
mögen Ibrw vertikalen Standfestigkeit Unaas der Hoiizontale sich snneigendes
Wamiflächen. sondern die Mauern ilrün.rrn sich wif unter dem Druck einer äusseren
Umschnfirung zusammen, und das liew.dlM' luili mit seinen l'ipjien die aufstrebenden
ßcgrenzungstlächen wie ängstlich umklammert. -Vlies strebt nach Luft, Licht und
Fkvibeit, aber nur eine Öffnung stellt die Verbindung mit der Aussenwelt her und
jede Hegung aufkeimenden inneren Lebens wird unter iler Wucht der sich drängen-
den Massen erstickt. Ks bietet sii li uns das m<>rk\vfir Iii:' lim-].)» i . «lass dort,
wo der liauro die tägliche Wohnstälte ist und als solche dem (ietühl innerer He-
ruhigung in sich selbst genügendem liftuslichen Schaffen entgegenkommeu sollte,
gerade die entgegengesetste Wirkung erzielt wird: vergeblich versuchen wir in das
Gewirr drr iur lu inniiderschiessenden Rippen und Grate des Gewölbes Klarheit
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7u brincpn: der Zug dpr panlleton WandflSclteD treibt uns f^eieliaam vorwirti,
aofi Finster, dem Lichte zu!
AI» das Bild eines leidenschaitiicben Strebeiis, eiues hastigen Vorwärts»
drftngeiia in dra Bahnen Yttnmlicher Geitaltnof , enthttUt sksb uns du Innere dea
Meissner Sc h1iM t $. £s iit voH von Gef^nsätzen, von Freiheiten und Uuaus-
getrlichenhciten. !<ald phmben wir uns in der wcitep ! lalle in das Innere einer
Kirche versetzt, bald leitet uns ein schmaler Xorridur weiter and höhleuartig ötinet
lieh vor int dai Gwiaaeh. Wm itrOmt du I^t von drei Seken in Tageshelle
auf TOS eUf dort nnftngt ane tiefes Dunkel, vnd erat allmSUlcb idlrt nna ein
matter Schein, der au-- schinalrr FensterrifTnuii? ffillt, rlnrübcr auf. «las.« wir noch
nioht sranz von <\e.r lirhfeti Welt geschieden sind. Die sich stets enieutTiKio Form
der Gewölbe weist aui eine ergiebige Phantasie des ikumeisters hin, und merk-
wOrdig iat der Oegeneals der nttdbtemen, gedanlcenarmeii ProfiUenmgen, ftberfaanpt
der starke Mangel an dekorativem Detail. Dies ganze wirre Konglomerat von
Einzelheiten wird von zwei Fassaden eingeschlossen, die an Ruhe und schlichter
SelbfitversULudlichkeit der Gliederung nichts zu wünschen übrig lassen. Die nord-
datUche Front erhUt nur durch die aefaweren Stoeknerkgesimae nnd die breiten
yorhangfenater eiaigee Leben. Die Hofüuiade wird behwraeht dordi den Treppen-
turm, den ehizigen Trüger ornamentalen Details in den Brüstungen der Galerien
und den weit vnn^prinfreurlen Wasserspeiern. Die Fassade selh.^f wirkt auch hier
nur durch die eigenartige Form der Fenster, in der \ ertikalismus und ilori/outulis-
nnu sieb ta atreiten echten, nnd die hohen Giebel der Daehfeaaler mit den
Kreuzblumen an der Spitze. Von einer organischen Vermittlung zwischen Innen-
und Anssenban ist nicht die Kede. Änsperlich tritt das Schlus.s stolz auf, als
Träger eiues Willens, eines Zweckes; die innere Einheit ist ihm trotz des in-
dividneHea Chartictera im EinsebMa gün^h verloren gegangen.
Waa nna von der Hand Arnold^a aonat im aldiaiacken Lande erhalten ist,
vermag uns flher seine T.eistungsfUhjtrkpit nur trerincren Anfschluss zu gehen. Seit
1470 leitete er den üau zweier Schlosser. Kriehsiein und Rochsburg.i) Die
Schlosskapelle in letzterem ist ein «ijitaiher, rechteckiger ÜHUiti, mit einem >etz-
gewfllbe gedecict Die Schlosakapelle in So^HUUf*) Ataem Errichtong wie die dea
wuchtigen Thorhauses wohl mit Recht auf Arnold zurückgeführt werden kann,
zeichnet sicli thirch einen eleiranten. in drei Seiten des Achtecks geschlossenen
Chor aus. Ilmhst eigenartig ist hier «las Musswerk der Fenster gebildet; es ist
eine Vereinigung von Spitzbogen und vierteiligen Vorhangbogen, ein charakteristisches
Beispiel Ittr die Frettieit, mit der Arnold den ornamentalen Teil seiner Werke be-
handplte. wie er sich nicht sehetite. zwei in der Idee so heternsene Formen, wie
den ^pitzlioten und den V()rlianu'l)o;;r'ii miteinander zu versrhmeizen. i)m» gerade
dieser letztere, ursprünglich nur das geistige Pügentum Arnolds, dem üsthetischeu
Empfinden seiner Zeit durehans entsprach, beweist die weitverbrritete Verwendung
desselben, die vir bis in die w e.stlichen Auslüufer des Er^tflldrges verfolgen können.
So finden wir ihn an dem Unterbau des Rathnnses von Plauen,^) an dem 14>*m von
Uans Keyubart erbauten Schlosse Saclisenbury^) und vor allem an dem Schloss
*} Steehe. XIT. S. 7a ■) XIT. S. 77. *) Steche. XL S. 60.
«) XL & 84.
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Neteschhau^) in der Nähe von noichcnbacli im Voij^tland, dessen Neubau sogar
noch in der Zeit vor der (iriiudang des Meissner Schlosses be^nneu wiinlp. Im
ganzen begnügte »ich der sächsische Adel jener Zeit, sogar der reichbegutene, mit
gewaltigen, aber in den Fennen schlichten Wohnsitzen; der Sinn für eine reichere
ornamentale Ausstattung der Schlösser war wenig entwickelt. Wir erinnen» uns.
dass der Adfl im austrohenden 15. Jahrhundert immer mein- seiiio sell.Ktriinlis'e Ik-
deutOJig verlur und schon in die Bahnen jeuer Eutwicklang einlenkte, die ihn aus
einer freien, korporatlreii MdirlieH n ebMB iDntUclien Beamtenstand umbildete.
Den Ruhm dnea Trttgera der aniTenal-weltlieben nnd damit andi kOnatlerisdien
IHMiiiif.'. den er im Mittelalter besesf^en hatte, knmife or laiiLrst nicht mehr be-
ans[iriii hcn. So prklfSrt es sich auch, dass dif» ai rliitpktnnischt'ii i'robleme der Zeit
durch sein Zutbun keine weitere Förderung erliielten. Die Albrechtsburg wird das
erhabene Symbol der immer mehr In sidi gefeatigten territorialen FOrstenmacht:
als solche, als Sitz dm Landeaberrn, steht sie an dw Schwelle einer neuen Zeit.
Was sie uns kCinstlerisch wertvoll macht und ihr einen nnverrfh kl)ari^n Platz in tier
Entwicklirngsgescbichte der Architektur zuweist, ist ja auch nicht eigentlich ilire
formale Schönheit und das Auftreten neuer dekorativer Gedanken, sondern die
durchdachte Verteiinng der Massen nnd die von «mw penAnliehen Anachaamig
durchdniiif?tno Ünherrschuntr dov üamnes. In die»-nn T5f7iphungen reiht sie sich den
sakralen Hauten ilirer Zeit, wie wir sie in Obt r.sai iist n und besonders im Erzgebirge
kennen gelernt haht^n, würdig an : sie ist die tür ilu-e Zeit vullkummenste Ausprägung
dnea kOnstlerischen Problems, das gaas zu lösen auch der reiferen Kraft der Nadi-
irelt nur selten gelungen ist.
i^hcr-^rhauen wir nitdi einmal den Weg. dr-r nns rlnrch die Gesc liichte der
spätgotischen Baukunst in Sachsen gefuhrt bat. In Anmbtry ui das Gruppens^ätem
des Chorea mit gleichmis^g durchgebildeten Halle verbünd«!, die vcdlendetate
Lfisnog der kOntleviachen Aufgabe im malerischen Sinne. In Pirna kehrt daaaelbe
wieder, mit eigenartiger Ausbildung des (lewidhes. in Görlitz linden wir e-> sogar
aut (ine fünfschiftiRo Anlage verwendet. Schnetberg ztist den Ge<atiitr;Miin norh
nitdir vereinheitlicht, den Chor noch stärker abgeflacht: in Zwickau ist der Chor
bei (hnlicher Grunddisposition des Baumes wieder mehr selbstlndig und der ganze
Hau trügt die reichste dekorative Ausstattung. Marienberg endlich zeigt die vrillige
Ausartung des freirüumigen Hansch«'ni:i~. mit cjanz flachem Chor, und im einzelnen
schon von der lienaissance bertihrter Gliederung. Die Schlosskirche in Ckemnitä
Iftsst eine neue Abart des Systems ericennen, nicht die EinkeltUchkidt» sondern den
Gegensatz von Chor und Schiff. Mit der Kirche in ölmUg trelüBn vrir auf eine
Gruppe von Bauten, dncn AnInge noch im Zusmnmenhnntr mit einem romanischen
Grundplan steht: in Plauen erscheint der ("bor gleichsam als eine verkleinerte
Wiederholung der Halle. In Freiberg ist bei völligem Ausschluss des Chores in
der klaren Einteilong des Raumes nadi bestimmten Proportionen und der organischen
Verbindung des Baukörpers mit den Kmporen die höchste Stufe der Vollendung
erreicht. Von den yr-hn l?auten. an denen so die pivirr-liirLrische I)aiikini>t zu
charakterisieren versucht wurde, können der erste, Annaberg, der fünfte, Zwickau,
und der zehnte« Fre^erg als die bedeutendsten, und jeder als ein kflnstlerisch
') XL 8. 41.
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selbstündiger \>rtreter einer bestimmten An^vriifnjnt? (!cr arclutelvtonisi hcn Gnjnfi-
idee angesehen werden. Die Reduktion des liauptbaues aut eine einscliitrige An-
lage im Sinne gi'ö^serer Konzentration de» liaumes bietet eine Gruppe von Uaaten,
die vir mit der lürcbe von Oederon erOlTneteii; in der Kircbe von NiederptaMitt
vird die hier angebahnte Entwicl<lung völlig konsequent mit der Ausscheidung des
Chores selbst :\lii;f»sclilosseii. Die xwcix liiffiL't^ Kiiibo zu Müficeida führt uns zu
der liochlitser Schule hinOber, und in ihrem liaui>twerke der KunigundenkircJie ist
die GegenabersteUnog Tim tareitem Sd^ff und Langchcr dorcb die Harmonie der
Veirldltniaee nnd die Fdnlieit der piastischen Dekoration aufä vollendetste zu
einer f-inbeitlicbeii 15 anmwirkung abgeklilrf, die PefrUcirche derselben Stadt. A'w
KirdiP /u Seclitj: u. a. vertreten die weiteren Verzweigungen des hier aufgestellten
Systems, lu der Aibrechtshurg endlich versucht der Meister Arnold von West-
falen aeine Ideen einem neuen Zwecke, n&mlicli dem Anadmek persOnlic]i>fllmtliclier
Uacht ^nalbar zu ma< h -n. Er schafft zwar Grosüses, aber wir können doch die
Überzeugnng nicht von lit r Haml weisen, die >k!i uns aufdrängt, wenn wir mit der
Albrecht^mrg die Übersicht absclilits^uti , dass zwar das religiöse Empfindeu der
neuen Zeit dch in die Formen des spütgotiBchra Stils , wie er sich nttdi den ge-
nannten Beispielen jetzt da^tellt, ohne Hflhe einlebte, dass aber die aofkommenden
Machte des politischen Umschwunges nicht mehr mit ihnen aaskommen konnten, i)
Die Entwicklung, welche die liaukuust der Spätgotik in Sachsen nahm, setzt
nngefilhr im iweiten Viertel des 15. Jahihunderts ein, und Wai bis tief in das
16. Jahrhundert hinein. Wem wir den Bauwerken, die wir hier kennen gelernt
haben, diejenigen gegenübcrstolkn. die in jener Zeit auf süddeutschem Boden er-
wachsen pind, so mtis«;eii wir uits bcwnsst sein, dass die Bedingungen der liut-
wicklung in beiden Gebieten v«"dlig veriicliieden waren.
Die sächsische Architektnr erstand im 15. Jahrhundert zum arstenmale als
eine selbständige Krscheinung innerliaH» der politischen Grenzen des Landes. Sie
errang s^ich ilirc F!rfii]i.'t' fni ;iiis sich selbst heraus. Vorbilder aus .ler lllüfczeit
gotischer Kuuät, an denen sie die Gesetze des reinen Stils, die Anforderungen der
Teclnik und den Schatx der omamentalen Formen hfttte erieraen kOnnen, waren in
ihrer Heimat so gut wie gar nicht TOrhauden. Der Dom zu JfStjtosn, das einxige
kirchliche Hauwerk dieses Stils, dessen Entstehung bis in fl;is in. .lahrhunrlert
zurückreicht, war seinem Standorte nm-b m wpiiig geeignet, um untci' rlcr lirciten
Menge von iiuudenkmillern, die in Haciiäisclien Landen erstehen suUten, ab Vorbild
eine Rolle zu spielen. In der Periode romanischer Kunst warai zum erstenmal
Werke entstanden, die als der freie Ausdruck einer nationalen Eigenart in dem
'i r*> r Deiletitiif)£r. di> Konrad Pflii?cr für die Entwickluriir 'b^t Spätgotik in Sachsen
geiiutit hui, kuuute in die&eui Zutjaiuiiieuhaug nicht eingehender iic-chniing getragen werden;
sein Name ad aber als der eines der ersten Baumeiatsr jener Zeit hier aasdraddich
genannt
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grosaeo Kreis ihrer Genossen im nardlichen nnd mittleren Dentschlaiid eine be-
achtenswerte Stelle einnehmen konnten. Es war ganz natürlich, dass sich die Bau-
werke dort, wo sie io direktem Anschluss un die Reste romanischer Anlagen er-
richtet werden sollten, eher im Geiste dieser Koost entwickelten als derjeuigen, die,
dnrdi das Mediom fremder Nalionslilät and Inditidnnlitftt in gm» spezifische
Formen gebannt, nur brnchstückweise ins Land hatte (hinijeii können. Die Ver-
hältnisse des sozialen und kirchlichen Lebens waren wenig dazu angethan. Kirchen-
buuten grösseren Uml'angs erstehen zu lüsseo. McUcicbt auch mochte der ideale,
bewegliche nnd dabei doch wieder in konsequentestem Vorwftrtsgeben snf eine sinn-
venvirrende, die Momente fast übernatürlichen SchaffiDs an sicli tragende architek-
tonische Wirkung gerifhtPte Zul' tler reifen Gotik dt-r M hliLlitereu KiL'L'nart <l»jr
Sachsen wenig zusagen; mochte dem Grundriss besonders der Iraazösischea Vor-
bilder, so geeignet, so geradezu daraof angevriesen, der Trftger einttf Phftnomau
von Pracht nnd zierlicher Sehteheit sn sein, dw sächsische Boden m ntnh, tu sehr
von der mühseligen Arbeit harter Hilnde durchwühlt sein. So musste eine Zeit,
die innere und Süssere Kräfte zu künstlerischer Thätigkeit in sich barg, in diesem
Laude ganz besonders charakteristische Werke bervorbnngen, Werke, die mehr
als in den Undem einer gkdchmflssigen Knltnrentwicklmig den Stempel volkstflnir
liehen Empfindens, traditionsloser Ungebundenheit and persönlicher Eigenart tragen.
Dabei konnten nntürüeh Kttrenmächtiirkeiteii der Formbehaiiciliuiir. ja Verstösse u'e'^en
die wichtigsten inneren Gesetze der lestbegründeten slilistiacheu Ausdrucksweise
uicht aasbleiben. Was die sächsischen Meister der Spätgotik aas der Blütezeit des
Stils in ihre Werfte horabeinahmen, war im wesentlichen nor der tektooische
Apparat. Und selbst diesen gestalteten sie nach den Bedlngoflg«! ihrer persön-
lichen künstlerischen Ansdrticksweise um.
So selbständig und eigenartig aber auch diese Kunst auftritt, so wird mau
doch die Behauptung nicht aafrechtwhalten k(innen, dass sie ohne jeden Zusammen-
hant' mit ih r vorangegangenen Periode, mit der Kunst der Nachbarvölker erwachsen
pei. \ iclinehr wird sich hei ih r vorstn'-'e^nncrencn TJptrnchtnn? schon des Mehreren
der Gedanke aufgedrängt haben, dass ganz bestimmte Hezichuugeu zu den gleich-
zeitigen und früheren Gebieten vorhanden sdn müssen.
Wenn wir zuerst die süddeutschen Länder mit dem Erzgebirge in Zusammen-
hanü hringen. so steht fe.st, dass der .Vustausch von Knlturelnnenten gerade hier von
Altd'.s lier nnfjserordentlirh rege gewesen ist. Ks kaiui kein /\seifel sein, dnss in der
Zeit, als die llergwerke im Erzgebirge neu aulgethau wurtieii, unter den Hchareu, die
ton aUen Seiten zn dem neuen Segen herbdstrSmten, gerade aas Fkvnken ein be-
sonders starker Einlnrndi erfolgt«. Denn hier, wo der Itergbau schon lange betrieben
worden war. fanden sich irewiss am ehesten Aihelter. dit* ans den doit erworbenen
technischen b'ertigkeiteu auf dem juugen Goldbodcu Kapital sclilagen konnten, und
es musste der Verwaltung in Sachsen auch gwade sehr darau gelegen sein, aus
jenem Gebiete Zuzug zu erhalten. An eine derartige Einwanderung knüpften sich
dann ber|uem die Handelsverbindungen an, und damit war dann nueli dem Ein-
dringen von KuHurelementen aus dem Süden freie T5ahn ?e!»rndifMi. Der Wej? in
das süchsische Land konnte ja auch den Erauken und den liayern kein unbekannter
mehr sein. Die Yerbhidung Bayerns mit dem Norden, mit Brandenburg, welche
durch den Wittelsbacher Ludwig geschlagen war, schuf ebenso wie die spesidk
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NUrnbertrs mit Hrandenburj,' durch die fielehnuiiff des Nürnberger Barggrafen
Friedrich \ou Iluheii/nllcni mit lU r bruiulpnbnrpischeu Kur aus Sachsen ein Durch-
gangggebiet, in dem sicher jSlunches von dem hüngen blieb, was so im ausgehenden
14. and beginnenden 15. Jahrhundert seinen Weg nach dem Norden nahm. £«
sei hier darauf verzichtet, weiter anzuführen, in welcher Weise die Entffieklnng
des sächsischen Landes mit Süddentschlaiid verknüpft war. Der Aiistausdi kiinst-
lerischer Errungenschaften wird hinter dem gewerblicher Elemente nicht zurück-
geblieben sein, uud mit den bautecbniscbcn Lebren, den Gehcimuieseu , die durch
die wandernden Baalente propagiert Ymrdea» drangen anch die neuen Lehren der
ktlQStlerischeu Anschauung in das Land ein. Wenn sich aach die norddeutschen
Meister auf dem Hüttentair von Torgau 14fi2 enger zusammenschlosfieii und zu der
saddeutsch-rbeioi&chen Gruppe, die in Regensburg 1159 ihren Hüttentag gebalteu
hatte, hl einen gewissen Gegeosats traten, m bildete sich doch, jemehr man den
Eintritt in die Hotten erschwerte, eine immer grössere Menge derer aus. die ausser«
ball) (lieser stundt n.') Da sich indes in den folgenden Jahren iiu8 VrrbiUtnis dpr
beiden Gebiete zu einander mehr ausglich, und aus Thüringen und Hessen. Sachsen
und Meissen eine Menge Einzeichnungcn in die Kegensburger Ordnung erfolgten,
80 wird der freie Vwkehr zwischen den Hutten auch grosseren Umfang angenommen
haben. Die äusseren Heziehungen Sachsens zu Süddeutschland erscheinen also in
mehr als einem Punkte gesichert: (lie Verwandtschaft der künstlerischen An»
schauung und der praktischen Gestaltung lehren die Hauwerke selbst
Es ist schon an verschiedenen Stellen daranf hingewiesen worden, daas die
architektonische Grundidee, die zuerst in Omünd aufgetreten ist, das Thema bildet
auch für ilit^ Entwicklung der Baukunst itn Erzgebirge. Die Yerschmclznn'-' des
Chores mit dem Schiff, die Ereirüumigkeit der Verhilltnisse findet sich hier wie in
Annaberg, Freiberg und Zwickau, ha einzelnen macht sich eine Verwandtschaft
der Kirche in Seknm^g mit der Geo^slcirche in /HüftelsMAI gdtend; hierbti ist
nicht nur die analoge Stellung des Pfeilers in der Mitte der Ostwand massgebend,
sondern mehr noch die Gleichfi^rraigkeit der künstlerisilien Ausarbeitung. Die
Georgskirche in Ifördlingen nimmt in der liaugeschichte des Landes ungefähr die-
selbe SteUe ein, wie die Marienkirche au MurieiAerg in Sachsen; das Prinzip ist
hier soweit gesteigert, dass, «ie erwAhnt, der nsthetische Gesamteindruck schon
kein trnn/ roiner mehr 'genannt werden kann. Dnluno-) behauptet aerailf/u, tln-^s
St. Lorenz in I^ürnbtrg den Ausgangspunkt bilde für den säch8isch-mei$.snischeu
Provinzialismus aus der Zeit von 1450 — 1Ö30 etwa. Dass gerade der Meister der
Zwickauer Kirche in Nitrtiberg studiert haben möase, scheint mir nicht notwendig,
denn ebenda zeigt der seit 1453 neu errichtete Chor nicht die Gestalt des Nüm-
bertrers; am Schiff Rind die Streben auch aussen beibehalte», nnd der Treppeuturm
(den liohme als wichtiges Vergleichsgiied mit anführt) entstan«! erst 151U und ist
ein Weile derselben Periode wie der nördliche Choranban, zn dem er hinanffflhrt,
also kamn von derselben Hand, wie das Schilf selbst. Allerdings tritt in Nürnberg
zum pr!?tennialp die frei um den Clmr füliionde Galerie auf, und der Emporenbau
in Verbindung mit der Ualleuform, der in Annaberg, Freiberg und Schneeberg vor-
*) Gorlitt, Kunst nnd Eanstler am Vorabend der Beformation 8. 60.
*) Dehme, Gsschichte der devtschen Baafcnnat S. 885.
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kuinmt, hat uiikfflicherweise in jeuer Anlage sein Vorbild gefunden. Die volle He-
deatung <ler Kmpurenanlage fUr den rcfurmatoriBchen Kirchenbau erschliesst sich
erst, weuu wir diu erzgebirgiBcheu Bauten würdigen lernen; die Art und WeiBe,
wie die Empore hier mit dem RamDbild als Ganzem vencbmolzen wurde, hätte
aiK h fnr die weitere Entwiddnng des Hallenschemas in anderen Lilndem vorbildlich
sein können. f> h]c\ht sjiilterer ForJ-cliuncr voiiidiulti'u, ileiii /n- ;int'iienhang der
«pätgutiecbeu llaukunst in Sachsen mit den süddeutschen JJenkmulei n im Eiiueloen
genaaer naehxageiian.
Schwieriger noch ist der Nachweia direirter Beziehnngen dar alchaiachein Bauten
zu denen in Westfalen. Freilich nennt sich <ler massgebende Künstler der Zeit
in Sachsen Arnold .von Westfalen" und wen« wir auch mir eben diesen Namen
kennen (die Urkuudeu haben die Form „iiestveling") und irgend eine Notiz, die den
ünpmng dieaer ßeieiciimmg nlher erklftrt, nicht zn finden war, so hann doch der
auf die Eigenart der Baudenkmäler gestützten Vermutung Raum gegeben \verdL'ii,
das« Arnold der faktische TrSirer luiu s KiiiHnsses westfälischer Kun.st weise auf die
8äch8i:$che Architektur gewesen ist. Das Eine wohl lässt sich mit einiger Bestimmt-
hät bdianpten: die Vollendnng der Technikt die hei Arnold in so anffaUeader
die kttnsüerische Prodnktion boeinUnHte, kann als ema «pezüache Eigenschaft der
westfilliscben Baukunst angesehen werden. Wenn auch der Verstu b. in DetailfiTmun.
ornamentalen Zflcren ii. a. eine positive Verwandtschaft der einzelnen Monumente
Qachzuweicuen, kaum zu nennenswerten Resultaten fahren würde, so erscheint es doch
nach allem, was die westfUIischea Bauwerke im Sinne einer originalen Raombildong
auszeichnet, gewiss: der Faden, der in Woatfiftlen in der letzten rcriode des Mittel-
alters abretsst. vänl in Sachsen weitergcsponnen; was hier den S'chluss einer Ent-
wicklung kennzeichnet, deren Wui*2elii sich bis in die Zeiten de» romanischen Über-
gangs verzweigen, kflndigt dort einen jungen, lebenskrftfligen Trieb an.
Von Süden nnd Xorden, ans Schwaben und Franken einerseits und Westialen
andererseits, lassen sich die Strome in die s;"ir]i*.i'-rbpn Lande verfoleen; wie diese
vcbon «ffni,'ra]»biscb die Mitte zwischen jenen beiden debietcn einnehmen, so erreicht
auch ciii- künstlerische Entwicklung in ihnen ihren leutral- und Uobcpuukt.
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Spätgotik und Renaissance.
Es könnte erwünscht ( rsdieineii. auf Grund der durchgehenden Merkmale, die
den spätgotischen Hauwerken der IjcspidihfinMi fn'liicte fi!?>'ti. ein System des Stils,
wie es sich als einheitliche Summe turmaler <ict»ct/e darstciit, zu ent^vickclu. Mait
bat l»etont, dm die YeriLndwangen, weldie das gotische BamcliaBA in dw zwdtm
Hälfte des Mittdalten erfthren hat, eine sniniUelbaTe Fdge des Ümschmuigs seien,
den der christliche Kultus in dieser Zeit aufweist. Und da sie in der That in einem
ganz bestimmten Zusammenhang mit dieser Erscheinmig steheo, so sei hier mit ein
paar Worten darauf eiugegaugen.
Dieser Umsctiwnng Usst sicli anf die Teorganisatorisdie Tbiltigkeit der Prediger-
Wden svltcltfilhu'n. Der Name besagt schon, worin die Bedeutung dieser Kor-
porationen zu suchen ist. An die Stelle dfs Klerikers tnit der dem Laien nAher«
stehende Möoch; er Übernahm die notwendigen kirchlichen heistungen, er setzte
statt des ermQdendrai liturgischen Apparates in den Uittelpwdct des Gottesdienst es
die Predigt. E^e persfinliche YeHjindini« «wde so gesehtageo xvischen der Ge-
meinde lind dem Diener Gottes: an jeden Kiir/rlneii wandte sich der Spnrher im
Laute seiner Rede, die meist, ganz impulsiv, der augenblicklichen Eingeliuii? ihre
Wirkung verdankte, und jeder Einzelne sah sich genötigt, seine Andacht und Auf-
merlcsanlceit dem einen Gegenstand untenmerdnen. Und selten Itam es vor, dass nicht
der glanbenseifrige Mönch in die ganz gewöhnlichen Vorginge des tiiglichm Lehens
hinehiiTTiff, und ausgehend von tlen Silnrlen des nusBoren Da.'seins, den Zuhörer zu
ehrlicher und nachdrücklicher Betrachtung seines moralischen Wandels geradezu
zwang. So wurde «Be FnsOidichlEeit geweckt «id der 'Wnnseh nach penrihilichein
Erfassen des Ühersinnlidien hervorgerufen. Die immer stSrker sidi regende in-
dividtialistische Auffassuntr des crnttliclion T'rinzips wird durch die rrediuf in eine
ganz bestimmte Beziehung gebracbt mit der Beivecnncr. die in ihren Betormatinns-
plänen von einem Umsturz des kirchlichen Kuitu» ausging. I>ie Erturdenüsse iiir
die Umgestaltung der Kirche infolge dieses neuen Motivs: Einheitlichkeit des Raumes,
Sichtharkeit und Hörbarkeit des Predigers in möglichst grossem Umfang, Wegfall
der voluminnspren Teile im Innern, AuftreLen der knnipliziertcn Clior- und Kapellen-
anlage, die für ciie der Predigt zugewandten Gemeinde keinen Wert mehr hatte,
bewirkten allmählich eine durchgreifende Andemng des architektonischen Systems.
So wurde aus der gotischen Kathedrale mit ihrem Yertikalismos, der daneben die
Lilngsaxe zu massgebender Bedeutun? erhoben hatte, mit ihrer reichgegliedcrten
Choranlage, die dem unistiindlichen got lesdienstlichen Ritus wie dem übertriebenen
Hciiigenkult Genüge leistete, die Predigtkirche in Ualleuform. Das basilikalc Schema
erfuhr dadurch eine völlige Umgestaltung. Die niedrigen SeStenachiife erhoben sieh
nun sn der gleichen Höhe wie das Mitidschiff* den Anforderungen einer einheit-
— 105 —
liehen Akustik entspreclienrf. Ilii*' Itifite ri( htetp sich nach der des dominierenden
Hauptschiffes. Sie sollten nicht mehr dazu dienen, den Verkehr der Ans- and Ein-
gehenden zu vermitteln, besonders auch zu den seitwärts sich anlegenden Kapellen-
reihen Zugang zu vnsdiafffin, Modern ihre OleiehbereehUgitng als Raum flir die
tings um die Kanzel sich scharende Gemeinde Hess sie nach Höhe und Itreite sich neu
ausweiten. Die starken Pfeiler verschwanden und machten leichteren OrbiMpn l'latz,
die den Blick in die gesamte räumliche Ausdehnung des Schiffes frei machten. Aus
der fDlirendeii Stellang des gesivochenen Wortes ergab sich femer die Notwen^g-
keit, das ^' erhallen des Tones in den WOlbangea zu vermeide. So flachte sich die
I'ogenlinie der Deckengewölbe immer mehr ab, xm\ die Decke ^rT^rtle ra einer gleich-
mlissigen, von keinen markanten Eitischnitten mehr gegliederten l'hkche. In Über-
einstimmung mit dem su gewonneneu erweiterten Ilaum erhielt auch der Chor eine
andere Gestalt Er verlor seinen sehwerfUligen MuAti von Umgang «nd Kapellen
und schloss sich ohne ausgeprägte Trennungslinie dem Hauptschiff an. Denn
die Predigt im Langhaus trat in enge Verbindung mit dem Hochamt im Altar-
haus, Gemeinde und Geistlichkeit sollton auch üusserlich als eine feste Einheit
avftreten.
yf&m der Innenranm infolge der massgebenden Stellung der Predigt so ver-
fniilert war, so konnte auch der Ausgenbnii nicht seine alte nes(;ilt lif-lialten. Da-
durch, dass die Erhöhung des MittelschiftV* fortfiel, dass die Stützen der Wölbung
in das Innere hinein verlegt wurden, worde das komplizierte Strehesystem über-
flüssig, nur die ftnsseren Strebepfeiler als Widerlager des Gewdlbedmckes blieben
bestehen. Besonders fühlbar wurde diese IJmgestaltiuip am Chor; sonst infolge seiner
tiberreichen !';uniii,'iui'i»ieninir der Sitz eines Labvrinthes von '^tfUzen, Gefirenstützen.
Strebebögen und Widerlagern, dem das Auge keine klare Disposition mehr abge-
trinnen konnte, jetst einfach nnd mbig in sdner sichern Rundung, klar sich
«hebmd als Al sdiluss einer architektonischen Schöpfung, deren äussere Ansicht
den Gesetze» tU v inneren UililuiiLr immer melir zu entsprechen begann. Ein Hau-
werk, das in dieser Weise den Forderungen des Kultbrauches Keclumng trug, musstti
immer mehr dem Ideal nachkommen, das man als eine der glücklichsten Verwirk-
liehnngen des Renaissancegeistes beseicbnet hat. ^dessen wenn auch nicht zu
leugnen ist, dass die einzelnen Momente einer derartigen Schöpfung im allgemeinen
denen entsjirechen. die bei den besprochenen Hauwerken der Spütsrotik nh hervor-
stechende Merkmale des neuen Stilchai*akters bezeichnet werden konnten, so steht
doch auf der andern Seite fest, dass die GrOnde des stilistischeii Umschwungs zum
weitaus grösseren Teil im System nnd der Entwieklong des Suterns selbst zu
suchen »inl.
Vergegenwärtigen wir uns, in welcher Weise das persönliche Emptindeu des
Reschauers von dem gotischen Dom aas der Rlotezeit des Stiles herflhrt «arde.
Schon das Portal mit seiner nach innen sich abstafttuden Wölbung mit der Dar-
stellung der Heilsgeschichten und den liildeni von Heiligen und Märtyrern bereitetf'
den (Jlnnbiuen auf die Mysterien des Innern vor. Und wenn er die Pfurr»- Jnrrb-
schritten hatte, thal sich die ganze umfassende Macht des verkörperten Gotte»-
reiches vor ihm auf, und schon beim ersten Aufblick strahlte ihm von fem aus dem
Chor in dem ^geheimnisvollen Sehinmicr der bunten Fenster, dem Halbdunkel der
von Kerzen dnrchglQhten, von Weibraucbwolken omholiten Wölbung der wunderbare
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Ausdruck einer erhabenen MacbtfUllc entgegen. Die Reibe der Ffeilcr bot in ihrem
gemessenen Wechsel dem suchenden Auge keinen l'unkt, wo es mit Hpfriedigung
hätte verweilen köunea, aber sie wies deu Weg zu der Stätte des Allerheiligsten
selbfit Noch einmal weitete iich der Samn; rechts und linke in den Annen des
Kreuzschiffes scharte Hi< h die Gemeinde, in strahleiuler LitiiifüHe üffnete das Gottes-
haus gleichpam sfiiie Leiden Arme, nm alle seine Kimler au sein Herz zu ziehen.
Aber erst wenn sich die Tiefe de» i hures wt dem AudAchtigen aufthat, erst wenn
er in der Betnehtnng der nauuigfaltigcu Licbterscbeiniiugeu, die ans dem Kranz
der Eapdlen zosasamenstrOmten, das Geflüil Ihr die mechanische Gebmideaheit der
ihn umgebenden Materie verlor, wenn sein Hlick das Gewirr der allenthalben sich
vprschlingendon Kippen und Grate vergebens zu enträtseln suchte, knnnte er in in-
brünstiger Andacht sich ganz der erhabenen OÖ'eaboruug göttlicher Grusse, der um-
lassenden Vo-sinnlidiang eines strengen gesetzmflssigen Znsammenhalts im Ganzen
hingeben. Der aufstrebende Drang der Pfeiler hob ihn empor und in dem Zusammen-
.<;ili!ies3en aller Glieder, der erossen und kleinen im Siheitol dei- Deel^e wanl ihm
der Glaube neu, dass eine ewige Harmouie, ein fester Wille alle Erscheinungen,
alle Wege und Wftnsehe des Daseins in seiner Hand habe. Aber nicht k starrer
OescUossenheit, die keine Vervollstftndignng mehr snlftsst, erstsnd dies gewaltige
Bild, sundern allen Teilen quoll in den buntesten Formen ein stetes Wachsen
UTi'l Werden, ein kraftvolles Streben nach Grr>sse und Einheit empor, und eab dem
ganzen ungeheuren Organistuus das unverkennbare Gepräge starken inneren Lebens.
So gingen in dem Gotteshans gotischen Stils Erregung nnd Benihignng, kcmstruktive
Notwendigkeit und ])hantasti8chcs Ausweiten der form wundersam Hand in Hand.
I.än!?pnausdehuung und Urdiendinien-sion vei-])andeti sieb /ii einer Gesamt wirknnir. die
Verstand und Fhautafiie in gleicher Weise gefangen nahm. Wenn die kiUile \ie-
reetaning der nnerschfltterlieben GnefannisalgkeH dieses Gebildes flire Bewunderung
nicht versagen honnte, so verlor sich die gltabige Naivitilt mit ehrforchtsvoUem
Entzücken in den Tiefen des nrermesslichen Raumes.
Den gläubigen ( luisten malmte die freiltlMitre fiilerunimincr Mfi' konstruktiven
Glieder unter die Hen'&chait der hucliätrebeuden \V«ilbung an das .System des Gottes-
reiches selbst mit seiner aUamfassenden, jedes Einzelwesen in dem Einen Geiste sich
unterwerfenden und wieder emporhebenden Wundcrmacht, (iem mochte der geiilige
Arbeiter rief? Mittelalters, der an die sdinrfsinniue und analytisch-konsequente
Thätigkeit der scholastischen Deduktion gewohnt war, mit kundigem Auge verfolgen,
wie sich die gotische Kathedrale anf kompliziertem, aber für den Wissenden doch
leicht Übersehbarem (irnndriSS, dem scharf gegliederten Hau der scholastischen Doktrin
gleich, rrhob. Und dem von mystischen Lehren T^eeintliiHstt-n wieder, der mit einer
Art Pantheismus, einem stillen Unendlichkeitssehnen in der Systemlosigkeit das
Prinzip seiner Ideenrichtung suchen musste, bot die im Dunkel verscbwimmende
Tiefe des Bsumes, der dnrch die mannigfaltigste Verschiehong vnd Verfcorznng der
überschneidenden IJnien und Flächen hervorgerufene jjerspektivische Eindruck des
Unermessbnrcn. Alhimfnssentien und -^ii Unfassbaren ein weites Fehl zu selbstver-
gessener, verzehrender Andacht. So wuchs der mittehüterliche Mensch mit dem
Konstweric zusammen, das die Sprache seines Inneren so wanderbar vmtand, so
wuchs der Hau seiner Hände selbst unmittelbar aus den) heraus, was die oreigene
Entwicklung einer Religion, einer Epoche zum Ansdmck brachte.
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So lange die Entwicklung der gektigeii Zustände iu den Buhnen fortschtitt,
die in den gekennzeichneten Beweiriuttren eingeschltiiren waren, kt iuite uuch das; kfitist-
lerische System eich konsequeut iu gleichmässigem, jener luitwicklang parallelem
FortwhritI ireHerliildeD. Es trat khn ein Zeitpunkt ein, vo die Keime, die in dem
gotiaeken System vurlumden waren, emporsdiosien, und der alte Stamm so ganz von
ihnen umschlossen wurde, bis er selbst, verjüngt, wiprlcr neues Leben bekam.
Das wichtigste Moment in dem Wesen der Gotik, in ihrer strengsten Durch-
bildung liegt darin, das» sie iu der Ausbildung der Uöbe bis zu eiuem Punkte, wu
diese Dimension als optisch nnermessbar ftsthetisch za dnem irrationalen Falctor
wird — obwohl sie natllrlich in der That fest begrenzt ist — durch die Anweisung
auf die Unendliclikeit, die Iterflhrung mit dem Unalis. hbaren '.'k-iilisain ihren Werken
den Charakter des ErbabeueOf Überwältigenden giebt, wie ihn kein anderer Stil in
dMn Masse emiclit hat. Das Operieren mit der HOhendimension heborsdit ja
überhaupt das ganse formale und tektonische System der Gotik. Der Spitibogen
selbst, ihr l.ebenselement, ist nui- der Versuch, zwei Senkrechte xti vereinicren, die
von ihrem Vertikalcharakter nur chen soviel aufgeben, iih es ihrer AutValie nach
als Unischliessuug einer Fläche nacli den Seiten und nach der Hoho hm erforder-
lich ist Im Randbogen entstand eine Einheit der so susanunengefllgten Glieder,
wenn kein trennendes Horizotttaleleraent den Zusammenstoss der Vertikallinien mit
der Krpisliiilftft markierte. Zwar selbst kein wahrtr Vertreter der Horizontalen,
konnte er doch im Zusammeuhaug der ganzen Figur als ein solcher gelten, indem
er ohne Absatz die beiden Terükalen mit einander verband. Der Spity-bogen dagegen
enthlllt imm» eine Zweiheit, eine Kompromissbildong mit dentUehan VertUnlehaiakter.
So erweist er sich auch, wenn er in dreidimensionaler Verwendung. »Is Siiitzltoiren-
gewölbe, auftritt. Hier wachsen die Wilnde in die H«<hp. aber sie dioneii mir h\r
IJestimmungsformeu der Hori/.ontaldimensionen, die Vertikaluxe bleibt ischeinbur mi-
begrenzt. Noch einen Schritt weiter in dieser Anffsssung, und wir gelangen zu der
Theorie: die Gotik hat eine Dimension gleichssm aus ihrem Kom])ositions8chcma
hernns'.'eworfen. indem sie ihr das Mass der menschlichen Beherrschung entzog und
es den üestimmougbrnomeuten der lireite und Tiefe allein ttberliess, im Verlauf
ihres eigenen Wachstums der Schwestcrdimenslon dieses Kass zucuwteilen. hk
diesem Zusanunenhang werden die Profilierungen der Pfeiler immer straffer und
schärfer, die Kajdtelle verscliwinden, und die l!i|ii>cn erscheinen nnr noch als die
iJestandteile, in die bei dem natürlichen Auflösungsijrozess der l'teiler seine Vertikai-
kraft verstreut. Schild- uud Gurtbögeu als zwei entgegengesetzte Koustraktionsteile
verschwinden; die Wand, die zwischen den Begrenzungspfetlem des Raumes aus*
gespannt ist, gleichwie die Gewölbkappen aus sekundären, nicht in dem Stilprinzip
mit enthaltenen, praktischen RUcksichtrn. fallt fnf^t ganz der Fcnstcrrtflfnung zum
Ojiter. In dieser herrscht im Kleinen dieselbe Teudeuz wie bei dem tiau-Ganzeu,
nur auf die FlSche projiziert Schon die Laibnngen lOsen sich, in ihrem Drang
nach oben, in scharfe, selbständig auftretende Grate und Kippen auf. Das Stabwerk
tV.L't ticni Zuw' dr-s uiHsclilie-sfinlen Gewihide.s. scMiuLft sich vi*'lleiilit auf halbem
Wege noch einnuii zus^ammen. um mit erneuter Kralt emporzuschiessen, und verliert
sich endlich, unfikhig, sein Ziel zu erreichen, iu pbautastischen Windungen und Figuren,
die, frei von Anlehnungen an die Formen der lebendigen Natur* nnr der Raumwissen-
Schaft ihre Gestalt verdanken. Wollen die Ästhetiker der Architektur ein Bauwerk
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nur dann als solches pelteii lassen, wenn es durch feste Dachkonstruktion die klare
GegenUbetstelluug von Kratt und Last, trageudeu und getrageoeu Teilen autweist,
BO können aie Uer znent die ^tbariceit dtewr These erproben. Denn mtn kaitn
hier, will man in dieser Betraditnngsweise konsequent bleiben, nidit raebr eagen:
die rfeilfi- tnipen das GpwöHip. — womit dann obiixe' Forilmincr erfüllt wäre —
sondern die (iewolbkappeu schliesseii nur die Öffnungen, die notweudigerweiü«.' /wischen
den Pfeilern und den anderen Repräsentanten des aufstrebenden Dranges, deu ]vii>pen,
entstehen, zwisehen natOrlicher Yertikalfliche und abgeleiteter Horizontalebene Ter*
mittelnd, gerade Bf< wie dif W.uule die Zwischenräume der den Raum nach dpti
Seiten abjfrenzeiub'ii (rlieder in absoluter Vertikaleinheit ausfüllen. Der konstnik-
tiveu Zusammensetzung uach sind uatilrlich die Pfeiler die Träger des Gewölbes,
(die Kappen können ja nicht frei in der Lnft achweben), der Geist des Stils aber
weist diese aus dem System heraus, und sie können als eine praktisch begründete,
also sekundäre Folgeerecheiiinns des architektonischen Prinzips niclit in ein soli h
ebenbürtiges Verhilltnis zu den Uepriisentanten dieses Prinzips, deu Pfeilern, treten,
wie es der Ausdruck Kraft und Last" bezeichnet.
Vfem yolleods die Bippen dorck charakteristisehe Bemalnng von dem Grand
des Gewölbes abgesetzt wurden, wie das vielfach geschah, und «war demselben Tcm
genähert wie die Pfeiler, so betonte man damit deutlich die organische Zusammen-
gehörigkeit dieser Teile, und das einfarbige Gewölbe blieb etwas Fremdes, Hinzu-
gefügtes. Erhielt es aber gar einen hellblaaen Ton, im Gegenmti m den dunkeln,
brfinnlichen Pfeilern, dann war das Prinzip endgültig festgelegt: der Himmel selbst
schaute in das Haus herein, »las Diicli war enfmaterinlisicrt. die Wflnde, »He Pfeiler
allein blieben bestehen. So ging die farbige Ausstattung mit dem architektonischen
Aufbau Hand in Hand; das fertige Bauwerk vermochte sie ebenso wenig zu missen
wie den 8diein der seitlich einströmenden Lichtstrahlen. "Wenn die Sonne um die
Pfeiler spielte, dann verflQchtigte sich immer mehr das körperliilu' npnihpii der
Gliedpf m wesenloser Bewegung, die im Drang nach oben von dt i Materie kaum
noch beschwert zu sein scbieu. Dieser Charakter der Gotik spricht sich um so
klarer ans, je wdter diese Entmateiialialemng gediehen ist, je mehr der anmere
Ausdruck als \ ertreter einer inneren Emgang Aber das Körperiich-Greifbare, Feste,
das Plastisclu- dif OLcrliaml uewonnfn hat.
lu diesem System, das der einen Dimension des Baumes ihre Bestimmung
gleidisam selbst flberlässt, ruht auch sdion der notwendige Keim einer inneren Um-
gestaltung. Der payehologiaebe Yorgang, der diesem ganzen Entwicklungaprosess
zu Oninile liegt, lässt sich wohl am besten bezeichnen als das Bedürfnis einer UQck-
kehr zum Mcnschlich-Xatürlifhrn im Gegensatz zu der transcendentalen Verstiegen-
heit; es war die Beaktion deis gesunden Empfindens auf die abnorm gesteigerte
Sensibilitftt. Der Wunsch nach noimider Orientierung in der wabmebmbaren Welt
beherrschte die gesamte gmstige Thätigkeit. er kam auch in dem .ndiifektonischon
Schaffen immer mehr zur (Jeltnncr. Tnii; .I. r Flucr einer freien allfs I lierirdisrhe
erstrebenden Phantasie über die leichten l llichen der Decke hinweg, so verlangle
ein klares, uflditem erwägendes fiewusstsein die Festlegung dieser Baumgieuze um
so eottgssehtt. Es konnte den auf dem Boden ruhiger Logik sich bewegenden Geist
nicht befriclirron, wenn der Baum, in dem sein geheimstes Fühlen Ausdruck finden
sollte, nicht sich von der Aussenwelt mit scharten Grenzen absonderte. Das Gegen-
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einanderneigen der Wandflächen im Spitzbogengewölbe mnsste besonders dann, wenn
die religiöse '^fiinyntni'j nicht vvhr Aas objektive Erfassen der umgebenden Welt
trabte, beunrulügeiid wirken. Die Kmptiudung der durch die fortwährende Kraft-
anstrengiuig und Spanmuig henrorgenifenen tektonlsdieii ünaicliMrlieit all der leicht
geschwungenen und gebogenen Glieder trat Iii dem Frofauban, wo sich die Höhe
natnrireniäss in ubscliLarcn (iieiizc» hielt, um so stilrker auf, je dichter sich das
Gewölbe Uber dem Haupte des iiewobners zosammeaechloss. Gleichwie jede Strömung
der horizontalMt Gnudflidie auf du menMftliehe EArpergefohl beomahigeiid wirkt,
so fohlt sich auch das emi>findeiide Salyekt in einer Behansuig nicht wohl, die einen
ruhigen Abschluss nach oben vermissen lasst. Als solcher ist das TonneiiLrewölbe,
die Ausdehnung des Kundbogens in die Fläche, wohl erfriielioh. deiiii ts ist von
einem Masse beherrscht, sein Mittelpunkt ist leicht i^u tiudeu, und es gewahrt in
seinem gleichmfissigen Flosse dem Blick keinen Pnnkt, wo er ztu* Trennung der
Seitenteile einsetzen könnte. Es ist die vollkommenste, klarste Verbindung zweier
Vertikaltlächen. In demselben Sinn ist auch die Kalotfi'. die Kupju l o'mc vollendete
Qud wobltbuende Form des Haumabschlasses, letztere noch durch Analogie mit dem
mmmdsgewölbe psychologisch, nnd in der Folge andi ethisch dem Menschen nahe-
stdiend. Das Spitzbogengewölbe ist viel p«>s6nllchwv gleichsam von einer immer»
withrenden, inneren Bewegung beunruhigt. Das Auge gleitet an den Wünden ornpor
und haftet in seinem Scheitel, wo die Stein gewordene Gebftrde ihre hrulisti Kon-
zentration üodet; es kehrt aber nicht beruhigt und befriedigt wieder zum i'>dboden
zarOck, sondern relsst sich stets nur mit einer geirissen Anstrengung los, enttäuscht
Ober den ]dötzlichen Abbruch des so kühn uiitr i nommenen Fluges nach oben. Wenn
gar die Decke vmi l inem Netz durrh<^in:iit(]( i s( hiessender und dicht v* rschlnnt'ener
Kippen überzogen ist, wird die Verwirrung voUstündig, eiu harmonisches Ausleben
im Räume fast andenkbar.
Das Bewasstseitt, dass in diese Formen die neue Weltanscbanang sich nicht
einlelif'n K-ötmfe. trieb die Künstler dn/n, das alti- Systfin /m drhum nnd zu Ktrcrkfn.
um auf irgend eine Weise auch dem veränderten Kaun«}.'elülil Lull zu machen. Dem
kam die gediegene Keiuitnis aller technischen Dinge zu Hilfe. Mau setzte aber nicht
da ein, wo allein der Bann hfttte ganz gesprengt werden können, bei dem Prinsip
der Wölbung selbst, sondern vermochte nur sehrittwei$:e 1 i irm Art die neuen
F'>rt!i*'n abzugewinnen. Die WiHnlc rücken weit auseinanil'T, ilt r Wo'jen (Inr WciHnnig
wird ilacher und energieloser, Uiihert sich immer mehr der horizontalen Flüche, In
der Empore wagt man schon, eine reine Horizontalebene als gleichsam provisorischen
oberen Abschloss der Wände einzufahren, aber sie bleibt an ihrem Ursiirungsort
haften. Tirnl mir unsere I'hantasi*' ertffinzt sie zur vollen Flüche. Sie In di-Titet einen
wichtigen 1' nrif^chritt in dem Streben nach scharfer, selbständiger Uaunibedeckung.
In der I ntenlrückung des ziellosen Vertikaltriebes verßUlt mau stellenweise in das
andere Extrem, der Decke einen Drang nach unten anzuweisen: die Bippen lösen
sich von der Flitche los und hfingen in phantastischen Verschlingungen herali. M lito
mnri tiiliiii rlien (irüiidfü üenötitrt sein, das Hucb»- Gewölbe in niöglicböl viel
kleine Kappen zu zerlegen, oder mochte gar die Kippe nur uoch als eiu oruameu-
tales Glied angesehen werden, das man der Decke anlegte: in beiden Föllen wurde
das Stern- oder Xetzgewölbe das Resultat Seine GmndÄäcIii .srtzte sich zwar noch
nicht als eigener Bestandteil von den Wanden ab, brachte aber ihren gegensätzlichen
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Cliarakti-r iniiiier reiner mm .\ut<ilruck. Mit den Formen, ffir die iiO( h kein Ersatr
gefunden war, giiig man dem veründerteu liaumideal so weit nach als es nur irgend
möglich mtr. Die Bewriiaamc» fimd ftr die kflnstleiiiche Idee mäk die organisehe
F«nn. Auf dear «inen Saite nelmi eie das Temiengeiwftlbe und die Kaivpel auf —
Motive, die der rnmanische Stil enthalten hatte und über die- d<is gntische Systini
liitvmsLrevvaih.sen war — , durchdrang sie alier ro intensiv mit ihrer junicen Leben.s-
kratt, däS8 nie als etwas völlig Neues dem ahtsn Schema gegenübertraien. Aut der
andern Seite aber, und das scheint mir Ider fUr die Entwiddnng der Rawnidee noch
wichtiger, führte sie die gerade Decke wieder in die monumentale Architektur ein.
Sie konnte da.s leii'ht, denn die antiken Uaudifdor. die sie sich aneiirnete, vor allem
der Pilaster, waren ftlr eine derartige räumliche Ans drucks weise geschatten. Und
hier liegt die Wnnel dw Bedentang, die aie für die Profankonit hatte: sie kon-
ponierte WohnrSiune, deren UmMhUenvngaflfleheo nach Tiefe, Breite nnd Böhe sieh
nicht nur al.s ehenhflrtTire Teile /nsammenfflirtcn. fondern auch durch ein bestimmtes
harnionieches Verhältnis, das allerdings mehr dem natürlichen künstlerischen Fein-
sinn als logischer Berechnung entsprang, dus ästhetische Empfinden des Bewohners
befriedigten. Wir haben gesehen, daas sich in der SpKtgotik zmn Teil gleichfalls
schon das Bestreben regte, durch konsequente Anwendung eines Grundmasses eine
künstlerisi he Einheit in den Hr»n zw brinoren; und die Erfoge dieser Bemühungen
waren durchaus nicht gering. Ein so wunderbar selhstversUudliches und wirkungs-
TOlle« Gesets wie es die Renaissaace in der steUi^ Frc^Kwtion besaas, war aller-
^gs nur ebm in dem System der Renaissance mftgUch; es ist in dem Erbe A&
Antike. dn.<? sie antrat, der crOsste Schatz. i)
Ks sei bei dieser (ieli tienheit darauf aufmerksam gemadit, das^; es nach der
im Vorhergehenden durchgeführten Umbildung des gotischen Kuunischenias wohl
anch an der Zeit ist, die Verwendnng des Begrilfs «Halle" im Sinne der gewomienen
Differenzierung der Monumente etwas einzuschränken. Nachdem Dehio und v. Bezold.
nnsc'chend von den frühesten Anfflncren der christlicben .Architektur, den Ausdmck
„ Halle ' für eine aus deut Basilikaschema hervorgegangene dreischiffige Anlage, deren
drei Schiffe dieselbe Hohe beaitsm», festgelegt haben, scheint es nicht ratsam, an diese
Tenninolo^ mit irgendwdchen Änderangsvorschlägen heranzagehen. Jedoch wird
man zugestehen müssen , dass ein Raumpehilde, wie es für die Zeit der SpiStgotik
charakteristisch wurde, mit einem, das zwei Jahrhunderte früher erstand, schlechter-
dings nichts mehr gemein hat und also auch kaum mehr denselben kunstgeschicht-
lichen TermimiB tragen kann, selbst dann nicht, wenn die allgemein charakterisierenden
Merkmale dieselben sind. Die Entwicklung, welche die Haumidee seit der (iründong
der Klisaliethkirche in Marbur<r bis rnr Erbauung z. B. der Stadtkirche in Ännaberg
durchgemacht hat, ist entscheidend genug, am den güuzlich neuen Baumtypus, der
hier vor nna steht, anch mit ein«n nenen Terminus ansatatten an dfirfttn. Ea sei
denonaeh gestattet, di^enigen RanmachOpfongen, in denen, bei mehreren Schiffen
') Ich leupne nicht, dass seihst das Wenige, was icli nber die Anwendiinir eines
festgesetzten Grundmasses in den spätgotischen Bauwerken bemerkt habe, noch auf sehr
sdiwaehen Filmen steht, und dam das «Hsnaoniscbe*, das für die Wiikang msadier Riome
■ta charakteristisch mit angeführt wurde, mehr auf dem aulü>l^<^ Empfinden als auf
stnnger Beredunng beraht.
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gipirlit r IT<>lit'. die Diiuensiunpii gleich wertig durchgeführt sind, im Geg'^nsat/ m ilcrn
Lniigitudinalbaa der früheren Perioden, als ^Saulkircheii" zu bezeichnen. Das itaum-
Bchema, das in Gmünd zum erateimnie in reifer Dorehbildung auftritt, ist das Erbe,
du die ^RMMiaauce** von der nSpAtgotik" Ubenumnit. Da* 16. Jabrbnndert ent-
iridtelt 68 weiter und das Barock fosst in seinen grosaartigsten Raomwirknngen auf
derselben künstlerischt n Vorstf llung. nämlich dem Gedanken von der Einheit und
Gleickuiiisfiigkeit des liaunies, die iu den letzten Jahrhunderten der Gotik das
ardiitektoniach« Schaffen in neue Bahnen lenkte. Die SetilosakapeUe In 7«naiBu,
das Werk filausarts, ateht als Rnurokomposition mar aaf dem Hfthepankt dieser
Entwicklung, dit' mfhr als vier Jahrhunilrrtfi ninfasst.
Wenn wir versuchen, die Ausprägung des neuen Geistes in künstlerischer
Form, vie sie iu Italien zum Durchbrach kau, der Entwicklung auf deutschem Boden
gegenttbennsteUen, so dOrfen wir Eines vor allem nk;bt vergessen: in ItaU<m war
die Einheit des nationalen Geistes, des Lebens und der Begeisterung da, trotz dler
politischen S]ialtnii.?en und portikularen Sonderbildungen. Der Sturmwind der neuen
Zeit brauste über <iu8 ganze Land; Uber den Wappen von Venedig und Mailand,
Flonmz «nd Rom wehte das Banner d«r Nation. Und dieser nationale Zng fehlte
in den deutschen Landen. Dtt* Norden and der Süden und die fielen kleinen
Tirritr»rien und Stßrltc trafrn sich niclit nnr imlitisch als Eiuzelgebilde gegenüber,
sondern auch ihr Fuhlen und Denken ging in verschiedene Hahnen. Ihr künstler-
isches Schaffen lag in den Banden des grossen gotischen Stils. In Italien hatte die
Gotik nie in dem Volksempflnden Wnrxel schlagen können: »es ist eine gthrende,
nirgends ganz harmonische (^ergangsepoche".i) Das Neue, das kommen musste,
hatte leichten Kampf. Rt i nns trat ihm eine in .InhrhTinrk'rten gefestigte Tradition
entgegen, die sich rühmen konnte, einst den kUustleriscl» höchsten .\osdruck für ein
geistiges nnd sittliches Ideal des' Volkes gefanden zu haben. Diese Ideale waren
zwar immer mehr verblasst und was sie im Rlinmliclien versichtbarte, trag jetzt
andern Zösn. alier die positive Geltung war docli iinrli « ine trnnz anilere als in
Italien. Das ist das Eine: eine Renaissance aus sich selbst heraus w&re für die
dentscbe Banknnst etwas Ungeheures gewesen. Die Wiederentdeckung der Natur,
die fflr den Anfsdiwang der Malerei nnd Plastik massgebend wurde, konnte fBr die
Kunst von keiner Bedeutung sein, die ihrem Wesen nach nus der Natur nur das
Mittel nahm, dessen sip zu einem idealen Zwecke ln ihirtte; hier konnte die Archi-
tektur nur auf Abwege geraten. Das heisst: insofern kunnte auch hier das Vorbild
der Natnr als bestimmend gelten, als die Rflckkebr zam menschlichen Masstab, wie
ihn Brunellesco mit der Einführung des Silnlenuru'aiiiMiins zur (ieltung brachte, ihre
Entwicklung iHTinflus.'Jte. fr<»i!irh nichr im pLustischen als in vfiv :ir>-liitokt<iinsflifn
Sinne. Die.s in demselb'n Zusammenhang, der iji Italien den treien .Mann nus einem
aristokratischen Gemeinleben heraus, das körperliche Individanm zam Träger des
Anfsehwongs machte, wfthrrad der normale Bürger des Nordens, der im demo-
kratischen System aufwuchs, mehr als seelische Persönlichkeit mit starker inner-
licher Durchbildung und fortwährendem Anteil des GemQtes der neuen Zeit voran»
schrilt.
Das Grundelement dmr Epoche, hier wie da, war der wiedermmehte Indivi«
') Burckbardt, Qeedtichte der Renaissance in Italien. 8. Aufl., S. 9S.
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dnalisinu». Die l'erstTnlichkeit trat in das künstleriscbe Schaffeu eiit, und wie sie
«leu Gestaltungen der Flache und des Körpers ihren Stempel aafdrückte, so gritf
sie auch mit feBt«r Hand in die des Raumes ein. Das arcbitektoniacbe System der
Zdt konnte sie nicht befriedigen. Kin festes Da< Ii sollte sich Uber ihrem Haapte
ausspatiripn. wenn sie sich einrnnl mus >ler freifn Welt in ilie ftiupu Grenzen eines
architektonischen lianmes begab. So entwickelte sich der Stil, noch immer iu den
erarbteu Formen, aber adbatindig und, wie leia Schöpfer, persltelidi. S^e Formen
im einzelnen haben wir ichon kennen gelernt: die Decke wird flachw , nihert sich
der Horizontalen, die Wliinie rücken auseinander, die Pfeiler werden schlank, die
Fenstri' hreit, das Ganze wird deutlich als Einheit charakterisiert. Vor allem aber
strebte das ludividuuni danach, sich selbst eiu Uaus zu schaffen, wo sein Eigen-
dasein eine Stfttte fand, wo sein ktlnstieriBcbes Fuhlen and sein praktisches Be-
dürfen befriediipft wurde. Hier besonden waren rahige Linien, gerade Flilchen not-
wendicr. ntn il.i> Gt ffilil der Sicherheit und df»ch der Freiheit rege zu crbaKcn. Fnd
da versagte die Gotik: mit ihrem System von VertikalgUedem konnte sie den Kin-
dnek der üBttsn Abgeschtossenheit nie endeleo nnd die SpitzbogenwMbmig, ihr
Lebenskem, war psychologisch nnd praktisch nnmOglieh. Die geschlossene Kraft»
anspatmung, mit der die Glieder des gotischen Gewdlbes emporschiessen, verbot mit
Entschiedenheit »ine Wifrlt rholung dieses Prozesses: das GfffWil verlangte zum
mindesten, dass die gewaltsame Bewegung im Scheitel zur i{uhe gelange. So mnss
der Stockwerkben im Gewfllbschema als ein Unding «schien, abgnMhen daTon,
dass auch technisch, aus Gründen der RaumOkonomie , das Aufsetzen einer FIftche
nnf den "Rdeken (i<'s Spitzboiri no'ewölbes die grösften Srhwit riu'k' jten bietet. Daht^r
ist es gekommen, dass das Spitzbogengewölbe im Grossen nur da augewandt worden
ist, wo nicht das Individmun in seinem alltäglichen Dasdn, sondern dne abstrabte
Idee oder eine anpersAnliehe Mehrheit den Inhält des Raumes bilden sollte: in
Kirchen. Hallen und RepnSsentationssälen. Da, wo e.s in die Wohnrfiume hinein-
ijfzogen i>t, wird der Charakter des Zimmers als Stätte des persönlichen Gebrauchs
vernichtet. Denn in der Profunarchitektur, wo mehr als auf jedem andern Gebiete
die Entwicklung von innen nach aussen vor sich gehen mnss. konnte noch viel
weniger .ils im Kirchenban die äussere Erscheinung den Oi'.^tuismus des Innern
wiederspiejieln. Und so M auch, trotz seiner ungeb'Mieren konstniktiven Vorzüge,
das Spitzbogengewölbe völlig aus der weitlichen Itaukunst verschwunden. Arnold
von Westfolen war der L^te, der ien Yersneh wagte, es dksen Zweeken dfensllwr
SB machen; wer einmal die Zimmer der Albreditsbarg, besonders die des zweiten
Stockwerks, durchschritten hat, wird die Unfruchtbarkeit und ünertrüglichkeit diese>
Systems, das hier im einzelnen cr- nial dnrrlKji-arbejtet ist s. llist ' nipfunden haben.
3Ian musste beim Wohtibau da/u kommen, im ivuuipte mit der tyranni-
schen HOhendominante sich ins Breite anszndehnen, im Verzieht auf plastische
Geschlossenheit dem Malerischen Thür und Thor zu ftffnen. Hier wurde die Ke-
naifsünce eine wahrhafte Erbisnng: sie erst ln.iclitr ili ni In liviilnmn (im persöu-
licheu Ausdruck im Iläujnlichen, der ihm uliein entsprach. Dass die Gotik des
Privatbans nicht anf denselben Oesetzen der Banrabildnng beruhen konnte wie die
des Sakral» und Monnmentalbaus, ist eber der ersten Grande für den Niedergang
des ganzen Stils. Der Mensch der urm n Zeit brauchte vor alleni ein charakteristisches
und zweckmässiges Wobobaus. Xiaza fand er in der Gotik keine Mittel. Sie konnte
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ihm ktäue geben, wt-ii sie iliieiu iiiiifisten Wfcson nach nur tür Werke itlealeu
Zweckes geschaffen war. Die Profanarchitektur brauchte Fl&chen, die Gotik gab
ihr nor Lioion, nur Glieder. In der Kenaissanee lag <lie natürliche Kraft, den
]mktif:r h< n Zwecken und dem ( infjiclien künstlerischen Knipfiudin \ 5lli<? cntsiirodu-nde
liatiniRehilde zu bi«tteu. Daher erklikit sich auch noch heute ihr grosser KinÜaes
auf die rrofanarchitektui', besuuders die zum persüuUchen Gehrandi bettimmten
WohnbauteiD.
Fassen wir die Ergebnisse der Untersuchnnf? noch einmal kurz zusauunen.
Die SpiU>,'otik l;i>t sieh als der Kaumstil bezeichnen, der, währen«! er die
letzten Kuusequunzcn aus dem klassischen guüscheu System zieht, beiuer lluuiuidee
nach schon die Renaissance in sich tragt. Er sucht die Raambildnng der Gotik,
die von dem tektonischen (ierü^t ausgehend nur die seitlichen JJecrenzungstiächea
klar (Iniiakti risii I t. (I n nl.» rcn Abschluss aber nicht selbstandiv: ausdrückt, «»mdern
aus dem ZuBamnienscbluss der vertikalen Glieder und Flächen bilden lässt, Uaüui'cb
eotscbeidend cuuzugestaltun, dass er diu Decke wieder als eine dgene Flflchenein-
heit den Seitenwiüiden gegenübersetzt. Um das m «rreichen, macht er inerst das
Raumgebilde selbst zu einer möglichst gleichmässigen Einheit: die Xebenräume
fallen fort oflrr wrrfb'U mit den Hauiitteilen auf eine IltHie gebracht: das (^ner-
«chiff verschwindet, der Chur rückt eng an das Schiff heran, verscbinilzt mit ihm;
die Pfeiler werden schlanker und nichtssagender. Der tibennftssige Vertikaltrieb
der Glieder mnss übcnvunden werden, denn der neue Kaumabsdiliiss kann nur eine
KbeiiP f?piii. Sil leL't sich der IIorizontnliKmus. anfanßs in den ornainentaicn Teilen,
dami deutlich in den Emporen. Die klassische Gotik hatte lien Eongitudinalbaa
ZOT Herrschaft gebracht; die Spätgotik setzt dem einen Drang in die Dreite ent-
gegen, der gar nicht energisch genng sein kann, denn der Zvg in die Tiefe war
immer noch Ubermüchtiff- Aucli da» in dem Hestreben, dem Kaum eine gleich-
mässige (iestalt zu geben, nnd in dem Üewusstsein, dass der Siiitzbuj^en, an dessen
liuin sie ja schliesslich arbeitete, in dem oblongen Gewölbe seinen natürlichen Ver-
teidiger hatte. War das beseitigt, war die Breite des Baumes wieder der Lilnge
gldchgemacht, dann war am Ii ib-m Spitzbogen seine Derechtigunu' ent/ugen. So weitet
man die Seitenschiffe bis zu 3littel8chiß1)reitc ans. mnrlit diu l'fi ili lalisl.iinl iininer
grosser, giebt dem (•hör die gleiche Gestalt wie dem Langhaus, mit drei gleich
hohen Schiffen und flacht den Tulygouschlttss ab. Wo man soweit nicht zn geben
wagt, wird wenigstens das Langhaus mdglichst central angelegt. Diese Zag« uner
jHisitiven. selbstiindiwn Idee heben sich auch am .Vusseren henor. Die Wiinde
treten frei der Ausscnwelt entge(»en, unverdeckt von dem stniktivrn Aii]iarat der
früheren Zeit, in gleichmüssige Kompartimente zerlegt durch die wuchtig aufragenden
- Pfeiler. Die Fenster folgen dem rahigeren, gemessneren Zag des Ganzen nnd runden
sich sogar wieder nach oben ab: das Erdrückende ihrer gewaltigen Fliichc wird
durch leichte t^uerstUhe etwa in halber Höhe gemildert. Der schroffe (iegensatz
tragender und getragener, sicheruder und nur füllender Glieder schwächt sich ab.
Das gotisdie Buusystcm, in den Ze^a der höchsten Ausbildung gk-icbsaro nur
Knochen nnd Sehne, mengt sieh wieder Fleisch nnd Haut
TTin den Stil als Ganzes ästhetisch zu rharaklerisieren, branchte es ein reiche
Skala vmii Ausdrücke«: >v tritt Iiier zaghaft und un^iebrr. rlrrf trotzig und selbst-
bewusst auf, bald ist er wuclitig utid grosszagig, bald zierticli und intim. Man
Haflnol, Spujititlk. g
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liat versucht, zwei Uauptcbarakteie iu ihm zu entUeckeu; aul der einen beite das
Überladene, SchwttUtige, auf der andeni das Troekene, >'acbteme. Pie erste Be-
zdebanng «chdnt adr nur in den wenigsten Fällen zntreffend; min hat sich liier
wobl Jillenneist von der ornaineiitaleii Ausstattuu!: abschrecken lassen, ohne zu dem
Kern. (In» Uaumgebilde selbst, durchzu<lrinj?fn. Der andere Ausdruck hat mehr
Üerechtigung: allerdings konnte ein Stil, der unter so erschwerenden \'erhaltuisseu
seine Existenz beliaaptete, auf ftnsseren Schmuck oft wenig Mittel verwenden, and
vertifd leichter der Gefahr, trocken, kalt und abstOtsend zu wirken. Wenn man in«
dess den O'-ist prkfiiint hat. »Ter in ilim IcLte. wenn man .'^icll ilie Ziele vergcfren-
wärtigt, denen er cutgegeuslrebte, wird man ihn kicht mit andern Augen betrachten;
das Xachtorne und Tro<Amie wird sdilicbt nnd eroat, das üb«triä)ene nnd SchwOl»
stige als einem starken, ttbarschftiunenden Kraft gefOhle entaiimngen erscheinen.
Ks liegt kein Grund vor, dein an-bitf'litrmisi.-hen Stil, wie er auf deutschem
Roden in den Jahrhunderten des ausgehenden Mittelalters, in iler zweiten Hitlfte des
vierzehnten und dem fünfzehnten Jahrhundert auftritt, den Namen vurzuentlialten,
den er verdient. In seiner ganzen Entwicklung zeigt er einen Drang nach Xettem,
^e Selbstindigkeit, einen Anfschwnng; er isi Renaissance, nnd so dOrfen wir
ihn nennra.
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